Erich Mendelsohn (* 21. März 1887 in Allenstein, Ostpreußen, † 15. September 1953 in San Francisco, USA) war einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Am bekanntesten sind seine Werke der 1920er Jahre, die sich am ehesten als expressionistisch bezeichnen lassen.
Lebenslauf
Erich Mendelsohn wird 1887 als fünftes von sechs Kindern einer Hutmacherin und eines Kaufmanns geboren. Er besucht das humanistische Gymnasium in Allenstein und macht dann eine kaufmännische Ausbildung in Berlin. 1906 nimmt er ein Studium der Volkswirtschaft an der Universität München auf. 1908 beginnt er mit dem Studium der Architektur an der Technischen Universität Berlin, wechselt aber zwei Jahre später an die Universität München, wo er 1912 seinen Abschluss cum laude macht. In München wird er durch Theodor Fischer beeinflusst, der seit 1907 dort unterrichtet, aber auch durch Kontakte zu Mitgliedern des Blauen Reiters und der Brücke.
Von 1912 bis 1914 arbeitet er als freier Architekt in München. 1915 heiratet er seine Verlobte, Luise Maas, eine Cellistin. Durch sie lernt er den Cello spielenden Astrophysiker Erwin Finlay Freundlich kennen. Erwin Freundlich ist der Bruder von Herbert Freundlich, der als stellvertr. Direktor des KWI für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem ebenfalls eine führende Stellung in der Wissenschaft einnahm. Freundlich drängt auf eine experimentelle Bestätigung der Einsteinschen Relativitätstheorie durch den Bau eines dafür geeigneten Sternenobservatoriums. Die Bekanntschaft mit Freundlich führt daher zu der Beauftragung Mendelsohns, den Einsteinturm zu entwerfen und zu realisieren. Diese Beziehung und auch die familiäre Freundschaft mit den Luckenwaldern Hutfabrikanten Salomon und Gustav Herrmann verhelfen Mendelsohn zu einem frühen Erfolg . Aus der Zeit bis 1918 sind von Mendelsohn vor allem eine Vielzahl von Skizzen von Fabrik- und anderen großen Gebäuden bekannt, oftmals kleinformatig oder aus Briefen von der Front an seine Frau.
Ende 1918, nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg, gründet er sein eigenes Büro in Berlin. Mit der Realisierung des Einsteinturms und der Hutfabrik in Luckenwalde wird Mendelsohn bekannt. Bereits 1924 erscheint über sein Werk ein Heft der Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Im gleichen Jahr gründet er gemeinsam mit Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius die Gruppe den Ring, ene Vereinigung progressiver Architekten.
Sein Büro wächst und in den besten Jahren beschäftigt er bis zu vierzig Mitarbeiter, darunter auch als Praktikant Julius Posener. Mendelsohn vermag seinen beruflichen Erfolg auch finanziell umzusetzen. 1926, mit nicht einmal vierzig Jahren, kann er sich den Kauf einer älteren Villa leisten. 1928 wird der Bauantrag für sein Haus Am Rupenhorn auf einem fast 4000 m² großen Grundstück eingereicht, welches die Familie zwei Jahre später bezieht. Mit einer aufwändigen Publikation über das großzügige Eigenheim, das unter anderem auch Werke von Amédée Ozenfant zieren, zieht der zu seiner Zeit nicht unumstrittene Mendelsohn auch Neid auf sich.
Als Jude sieht er sich im Frühjahr 1933 aufgrund der zunehmenden antisemitischen Tendenzen in Deutschland zur Emigration nach England gezwungen. Sein nicht unbeträchtliches Vermögen wird später von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, sein Name aus der Liste des Bundes Deutscher Architekten gestrichen, aus der Preußischen Akademie der Künste wird er ausgeschlossen. In England beginnt er eine Büropartnerschaft mit Serge Chermayeff, die bis Ende 1936 währt. Mit den 1934 beginnenden Planungen für das Ehepaar Weizmann - Mendelsohn kannte Chaim Weizmann, den späteren ersten Präsident Israels, seit langem - beginnt eine Reihe von Projekten in Palästina. 1935 eröffnet er ein Büro in Jerusalem. 1938 nimmt er, der sein Londoner Büro bereits aufgelöst hat, die englische Staatsbürgerschaft an und ändert seinen Vornamen in Eric.
Von 1941 bis 1953 lebt Mendelsohn in den USA. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges muß er sich dort auf Vorträge und Publikationen beschränken, da er nicht über die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügt. Dennoch ist er in dieser Zeit beratend für die US-Regierung tätig. 1945 läßt er sich in San Francisco nieder. Danach werden einige Projekte, im wesentlichen für verschiedene jüdische Gemeinden, realisiert. 1953 stirbt Mendelsohn an Krebs.
Realisierte Werke
- Arbeitersiedlung des Luckenwalder Bauvereins, Luckenwalde (1919-1920)
- Gartenpavillon der Familie Herrmann, Luckenwalde (1920)
- Hallenbau der Hutfabrik Herrmann, Luckenwalde (1919-1920)
- Umbau des Verwaltungsgebäudes der Hausleben-Versicherung, Berlin (1920)
- Einsteinturm (Observatorium auf dem Telegraphenberg) in Potsdam, 1917 oder 1920-1921 (Gebäude), 1921-1924 (technische Einrichtungen). Das in seiner expressionistischen Form das Baumaterial Beton nahelegende Gebäude wurde zum großen Teil gemauert und dann verputzt. Mendelsohn führte dies auf Lieferprobleme zurück, es wird jedoch angenommen, dass Probleme beim Erstellen der Schalung der eigentliche Grund für die Materialwahl waren.
- Doppelvilla am Karolingerplatz, Berlin (1921-1922)
- Hutfabrik Steinberg, Herrmann & Co, Luckenwalde (1921-1923) mit strengen, kantigen Formen
- Umbau und Erweiterung des Verlagshauses Rudolf Mosse, Berlin (1921-1923)
- Seidenhaus Weichmann, Gleiwitz, Schlesien (1922)
- Villa Dr. Sternefeld, Berlin, (1923-1924)
- Pelzhaus C. A. Herpich & Söhne, Berlin (1924-1929)
- Kaufhaus Schocken, Nürnberg (1925-1926)
- Erweiterung und Umbau Kaufhaus Cohen & Epstein, Duisburg (1925-1927)
- Landhaus Dr. Bejach, Berlin-Steinstücken (1926-1927)
- Kaufhaus Schocken, Stuttgart (1926-1928). Das im Zweiten Weltkrieg nur leicht beschädigte Kaufhaus, welches zusammen mit dem gegenüberliegenden Tagblatt-Turm von Ernst-Otto Oßwald (1924-1928) ein beeindruckendes Ensemble moderner Architektur bildete, wurde 1960 von der Stadt Stuttgart unter internationalem Protest zum Abriss freigegeben. An seiner Stelle steht heute ein trivialer Kaufhausbau (Galeria Kaufhof, früher Horten) von Egon Eiermann.
- Ausstellungspavillon für das Verlagshaus Rudolf Mosse auf der "Pressa" in Köln (1928)
- Kaufhaus Rudolf Petersdorff, Breslau (1927-1928)
- Woga-Komplex und Universum-Kino, Berlin (1925-1931)
- Jüdischer Friedhof, Königsberg, Ostpreußen (1927-1929)
- Kaufhaus Schocken, Chemnitz 1927-1930, bekannt aufgrund der bogenförmigen Front mit horizontalen Fensterbändern
- Eigenes Wohnhaus, Am Rupenhorn, Berlin (1928-1930)
- Haus des Deutschen Metallarbeiterverbandes, Berlin-Kreuzberg (1928-1930)
- Columbus-Haus, Potsdamer Platz, Berlin (1928-1932), begonnen als Kaufhaus für "Galeries Lafayette", nicht zu verwechseln mit dem "Columbia-Haus" in Berlin-Tempelhof, das 1938 abgerissen wurde
- Jüdisches Jugendzentrum, Essen (1930-1933)
- Kaufhaus Dobloug Garden, Oslo, Norwegen (1932 nach Plänen von Mendelsohn durch Rudolf Emil Jacobsen errichtet)
- De-La-Warr-Pavilion, Bexhill-on-Sea, Sussex (1934)
- Haus Nimmo, Chalfont St. Giles, Buckinghamshire, England (1933-1935)
- Haus Cohen, Chelsea, London (1934-1936)
- Geschäftshaus Gilbey, Camden, London (1935-1936)
- Villa Weizmann, Rehovoth bei Tel Aviv (1935-1936)
- Villa und Bibliothek Salman Schocken, Jerusalem (1934-1936)
- Hebräische Universität, Jerusalem (1934-1940)
- Hadassah Universitätskrankenhaus, Jerusalem (1934-1939)
- Anglo-Palestine-Bank, Jerusalem (1936-1939)
- Regierungskrankenhaus, Haifa (1937-1938)
- Synagoge B'Nai Amoona, St. Louis (1946-1950)
- Maimonides-Hospital, San Francisco (1946-1950)
- Park-Synagoge, Cleveland, Ohio (1946-1953)
- Haus Russell, San Francisco (1947-1951)
- Emanu-El-Synagoge, Grand Rapids, Michigan (1948-1954)
- Mount-Zion-Synagoge, St. Paul (1950-1954)
Publikationen von Erich Mendelsohn
- Erich Mendelsohn: Amerika. Bilderbuch eines Architekten. Berlin, 1926. Nachdruck Da Capo Press, 1976, ISBN-Nr. 0-306-70830-2
- Erich Mendelsohn: Rußland - Europa - Amerika. Ein architektonischer Querschnitt. Berlin, 1929.
- Erich Mendelsohn: Neues Haus - Neue Welt. Mit Beiträgen von Amédée Ozenfant und Edwin Redslob. Berlin 1932. Nachdruck mit einem Nachwort von Bruno Zevi, Berlin, 1997.
Publikationen über Erich Mendelsohn
- Erich Mendelsohn: Das Gesamtschaffen des Architekten. Skizzen, Entwürfe, Bauten. Berlin, 1930. Nachdruck Vieweg-Verlag, Braunschweig/Wiesbaden, 1988, ISBN 3-528-18731-X
- Bruno Zevi: E. Mendelsohn -The Complete Works. Birkhäuser Verlag, 1999, ISBN 3-7643-5975-7
- Erich Mendelsohn - Dynamik und Funktion, Katalog zur Ausstellung des Instituts für Auslandsbeziehungen e.V.. Hatje Canz Verlag, 1999
- Julius Posener: "Erich Mendelsohn". In: Vorlesungen zur Geschichte der neuen Architektur, Sondernummer von Arch+ zum 75. Geburtstag von Julius Posener. Nr. 48, Dezember 1997, S. 8-13
- Ita Heinze-Mühleib: Erich Mendelsohn. Bauten und Projekte in Palästina (1934-1941)
- Sigrid Achenbach: Erich Mendelsohn 1887-1953 : Ideen - Bauten - Projekte. Katalog zur Ausstellung zum 100. Geburtstag aus den Beständen der Kunstbibliothek, Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz. Willmuth Arenhövel Verlag, ISBN 3-922912-18-4
Weblinks
- archINFORM-Eintrag zu Erich Mendelsohn
- Hutfabrik Luckenwalde: „Meisterwerk von Mendelsohn hat wieder eine Zukunft“, Kulturmagazin der »Deutschen Stiftung Denkmalschutz«, Januar 2005
Personendaten | |
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NAME | Mendelsohn, Erich |
KURZBESCHREIBUNG | Architekt |
GEBURTSDATUM | 21. März 1887 |
GEBURTSORT | Allenstein, Ostpreußen |
STERBEDATUM | 15. September 1953 |
STERBEORT | San Francisco, USA |