Radikalismus

politischer Richtungsbegriff
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Mit den Begriffen Radikalismus und Extremismus lassen sich heute bestimmte politische Einstellungen und Gruppen charakterisieren, die fundamentale Veränderungen an der gesellschaftlichen und politischen Ordnung anstreben und dabei die Grenzen des demokratischen Rechtsstaates ausreizen, in Frage stellen oder überschreiten.

Umgangssprachlich werden die Begriffe oft synonym verwendet und im allgemeinen Bewusstsein mit übersteigerten, fanatischen oder fundamentalistischen Haltungen, Ideologien oder Zielen sowie unter Umständen nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckten Meinungsäußerungen in Verbindung gesehen. Häufig wird Extremismus auch im Sinne eines gesteigerten und insbesondere mit Gewaltbereitschaft verbundenen Radikalismus verstanden. In der Wissenschaft sind Definition, Differenzierung und Anwendbarkeit der beiden Begriffe umstritten.

Während der Begriff „Radikalismus“ aus der liberalen Freiheits- und Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts stammt und lange Zeit als politischer Richtungsbegriff für die bürgerliche Linke (das linksliberale politische Spektrum) stand, ist der Begriff „Extremismus“ eine neuere Schöpfung.

„Radikalismus“

Das Attribut „radikal“ leitet sich vom lateinischen radix (Wurzel) her und beschreibt das politische Ziel, eine Gesellschaft grundlegend, „an der Wurzel“, zu verändern. Der Begriff bezieht sich dabei im heutigem Verständnis nur auf die Entschlossenheit und Konsequenz des politischen Handelns, nicht aber auf eine bestimmte inhaltliche Richtung. Historisch war das allerdings nicht immer so.

Liberaler Radikalismus

Siehe auch Linksliberalismus

Als „Radikale“ wurden im Europa des 19. Jahrhunderts die Anhänger des politischen Liberalismus bezeichnet, die sich zum extremeren, „linken“ Flügel der liberalen Bewegung rechneten und unter Umständen auch bereit waren, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Generell sahen sich die Liberalen (im deutschsprachigen Raum auch „Freiheitliche“, „Fortschrittliche“ oder „Freisinn“ genannt) in der Opposition gegen die konservative Ordnung der Restaurationszeit und forderten von den Fürsten mehr oder weniger vehement die allgemeinen Freiheitsrechte ein. Zu einer Differenzierung innerhalb der liberalen Bewegung kam es zum ersten Mal während der Herrschaft des ursprünglich selbst eher liberalen „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe von Orléans in Frankreich, der auch schon durch eine bürgerlich-liberale Revolution (Julirevolution von 1830) an die Macht gekommen war, die das reaktionäre Regime der Bourbonen gestürzt hatte. Das französische Bürgertum zeigte sich aber zunehmend enttäuscht von der Julimonarchie und die Radikalen forderten insbesondere, das Zensuswahlrecht durch ein allgemeines, freies Männerwahlrecht zu ersetzen, und wollten die völlige und sofortige Ablösung der feudalen Grundlasten erreichen. Die Unzufriedenheit der radikaleren Liberalen führte schließlich zur Februarrevolution 1848 und den dadurch ausgelösten revolutionären Umwälzungen in ganz Europa.

In verschiedenen Kantonen der Schweiz kam es bereits kurz nach der Julirevolution von 1830 zu dezidiert „radikalen“ Umstürzen, der so genannten liberalen „Regeneration“. Gegen den konservativ regierten Kanton Luzern organisierten die Radikalen 1844/45 so genannte Freischarenzüge, um einen gewaltsamen Umsturz herbeizuführen. Nach 1847 wurden die Bezeichnungen „radikal“ und „freisinnig“ bzw. „liberal“ in der Schweiz oft bedeutungsgleich verwendet. In der französischsprachigen Schweiz nennt sich die Freisinnig-Demokratische Partei noch heute Parti radical-démocratique Suisse und wird im Volksmund les radicaux („die Radikalen“) genannt.

In Deutschland waren radikaldemokratische und frühsozialistische Revolutionäre 1848 besonders stark in Baden vertreten. Später nannte man den linken Flügel der Liberalen im Unterschied zu den Nationalliberalen ausdrücklich Radikalliberale. Als solche verstanden sich die in der Deutschen Volkspartei, später der Deutschen Freisinnigen Partei gebündelten demokratisch-republikanischen Kräfte des Kaiserreichs.

In katholisch geprägten Ländern wie beispielsweise Spanien (Partido Progresista) oder Chile (Partido Radical), in denen die Kirche als Grundpfeiler der konservativen Gesellschaftsordnung fungierte, stand der radikale Flügel der (insgesamt ohnehin laizistischen geprägten) liberalen Bewegung für einen besonders radikalen und häufig auch militanten Antiklerikalismus.

„Radikal“ war dieser Flügel der Liberalen also sowohl hinsichtlich seiner Ziele (radikaldemokratisch) als auch der eingesetzten Mittel (Umsturz der Regierungen). Auch für sozialrevolutionäre Tendenzen, die etwa seit 1871 (Pariser Kommune) die politische Diskussion der Linken immer stärker beherrschten, zeigte sich das radikale Spektrum im Allgemeinen offen, wenngleich es im Unterschied zur Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie (mit denen die Radikalen häufig Bündnisse eingingen) stets durch seine bürgerliche Herkunft geprägt blieb.

Die weitgehende Verwirklichung wichtiger radikaler Ziele wie der Trennung von Staat und Kirche sowie die Ablösung des kritischen Bürgertums durch das Arbeiterproletariat als der treibenden Kraft der Gesellschaftsveränderung ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und die generell zunehmende Demokratisierung der politischen Systeme der westlichen Welt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten zur Eingliederung des liberalen Radikalismus in das etablierte Spektrum der linken Mitte. Die Nivellierung der Unterschiede zwischen Arbeitern und Bürgern als Träger linksoppositioneller Strömungen im Zuge der fortschreitenden Verbürgerlichung der westeuropäischen Mittelstandsgesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachten dann letztlich den Bedeutungswandel des politischen Begriffs „Radikalismus“ mit sich, der heute im deutschsprachigen Raum im Allgemeinen nicht mehr als Bezeichnung einer betont liberalen und demokratischen politischen Gesinnung dient.

Radikaldemokratische Strömungen

Siehe Hauptartikel Radikaldemokratie

Aus der Verbindung zwischen radikal demokratisch gesinnten bürgerlich-liberalen Kräften und im Sozialismus beheimateten basis- und rätedemokratischen Bestrebungen der politischen Linken entstand im Laufe des 20. Jahrhunderts das im Hinblick auf seine Einordnung relativ offene Attribut „radikaldemokratisch“, das auch heute noch als programmatische Bezeichnung verwendet wird, um das Selbstverständnis von Gruppierungen recht unterschiedlicher politischer Ausrichtung zum Ausdruck zu bringen, die ihr entschieden demokratisches Politikverständnis betonen wollen. Das Spektrum dieses Begriffs reicht von eindeutig der linksliberalen „radikalen“ Tradition zuzuordnenden Gruppen wie der in der Spätphase der Weimarer Republik entstandenen Radikaldemokratischen Partei bis hin zu Verfechtern eines demokratischen Sozialismus (etwa den JungdemokratInnen/Junge Linke), die sich heute als radikaldemokratisch verstehen.

Politischer Radikalismus als Bedrohung

Schon die radikalen Bestrebungen des Liberalismus richteten sich von ihrem ursprünglichen Selbstverständnis her auf einen grundlegenden Umbau, gegebenenfalls sogar einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden (undemokratischen) Verhältnisse und galten daher aus Sicht der jeweiligen politischen Machthaber und ihrer konservativen Unterstützer stets als Gefahr für das herrschende politische System.

Mit den Veränderungen der politischen Landschaft ging ein Bedeutungswandel einher, wonach „Radikalismus“ politologisch heute in einer Grauzone zwischen „Demokratie“ und „Extremismus“ angesiedelt und nicht mehr als Inbegriff einer liberalen und demokratischen politischen Haltung verstanden wird. Ganz im Gegenteil wird der Ausdruck „politisch radikal“ im gängigen, allgemeinen Verständnis sogar als Synonym für eine antidemokratische Haltung begriffen, die auf eine Abschaffung des freiheitlichen Systems oder des Rechtsstaates zugunsten eines ideologisch geprägten autoritären oder gar totalitären Gesellschaftssystems zielt. Radikalismus wird demzufolge wiederum als Gefahr angesehen, diesmal aber für die (heute herrschende) demokratische Ordnung. Er kann dabei politisch sowohl links als auch rechts angesiedelt sein oder etwa auch in Form eines politisch-religiösen Fundamentalismus vorliegen.

In Westdeutschland kam der Ausdruck „Radikale“ in diesem Sinne besonders in den 1960er und 70er Jahren in Gebrauch, als es aus Sicht der Bevölkerungsmehrheit um die Abwehr von marxistisch oder sozialistisch beeinflussten Strömungen ging, die im Rahmen einer linken Radikalopposition auf einen völligen Umbau des gesellschaftlichen und politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland zusteuerten. Derartige „Radikale“ sahen die im Bundestag vertretenen Parteien und die staatlichen Organe überwiegend als gefährliche, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik bedrohende Kräfte an. Dieses Misstrauen brachte etwa der 1972 beschlossene Radikalenerlass zum Ausdruck. Später begann man, den Begriff auch auf rechtsextreme Gegner der demokratischen Ordnung auszudehnen und differenzierte zwischen „Rechtsradikalen“ und „Linkssradikalen“. Bis 1973 verwendete der Verfassungsschutz den Begriff „Radikalismus“ im Sinne von „als verfassungsfeindlich angesehene Bestrebungen“. Danach wurde der Begriff in dieser Bedeutung zunehmend von dem Ausdruck „Extremismus“ abgelöst.

„Radikalismus“ ist dennoch bis heute positiver besetzt als „Extremismus“. Das Attribut „radikal“ wird daher von manchen Gruppierungen, die die bestehende Staats- und/oder Wirtschaftsordnung grundsätzlich kritisieren und verändern wollen, auch als Selbstbezeichnung verwendet. Schon die APO der 68er nahm die ursprünglich abwertende Fremdbezeichnung rasch für sich in Anspruch, wie es etwa in dem auf Demonstrationen skandierten, ironisch-provozierenden Satz zum Ausdruck kommt: Wir sind eine kleine radikale Minderheit. Derartige „Radikale“ sehen ihre eigene (positiv verstandene) Radikalität zumeist in ihren Zielen, nicht aber in ihren Methoden (Umsturz, Gewalt) verortet, während sie das Attribut „extremistisch“ als diskreditierend verstehen und ablehnen.

„Extremismus“

Die Attribute „politisch extrem“ und „extremistisch“ leiten sich von dem lateinischen Wort extremus ab, dem Superlativ von „außen“ (exterus), laut Stowasser übersetzbar als „das Äußerste“, „das Entfernteste“ oder „das Ärgste“. Der Begriff geht von der Vorstellung aus, das politische „Spektrum“ bestehe aus einer „Mitte“ und „den Rändern“ („links außen“ und „rechts außen“). Eine „extreme“ Position definiert sich demzufolge von ihrem Gegensatz zum gesellschaftlich allgemein akzeptierten und staatlich sanktionierten Verständnis des herrschenden politischen Systems (der „Demokratie“) her, das damit zugleich als „Normalität“ begriffen und positiv bewertet wird. Als „extremistisch“ gekennzeichnet wird der politisch „äußerste Rand“, von dem eine Gefährdung dieser Normalität ausgehen könnte, und zwar unabhängig von der weltanschaulichen Ausrichtung und den konkreten politischen Zielen der Vertreter solcher Positionen.

Normativer Extremismusbegriff

Als Extremismus definieren Politologen wie Uwe Backes politische Diskurse, Programme und Ideologien, die sich implizit oder explizit gegen grundlegende Werte und Verfahrensregeln demokratischer Verfassungsstaaten richten. Der Begriff entstammt den Totalitarismustheorien und wurde im Kalten Krieg von westlichen Staatsbehörden geprägt. Heute verwenden die meisten der im Parlament vertretenen politischen Parteien ihn ebenso wie die Institutionen der repräsentativen Demokratie, darunter vor allem der bundesdeutsche Verfassungsschutz. Dieser definiert Extremismus als fundamentale Ablehnung des demokratischen Verfassungstaats (definitio ex negativo). Darunter fallen alle Bestrebungen, die sich gegen den „Kernbestand“ des Grundgesetzes oder die freiheitliche demokratische Grundordnung insgesamt richten.

Da der Begriff eine starke Abweichung von der gesellschaftlichen Norm bezeichnet und diese zugleich negativ wertet, nennen sich so genannte Gruppen nicht selbst „Extremisten“. Sie sehen in dieser Zuschreibung vielmehr eine Herabsetzung und Ausgrenzung ihrer politischen Positionen aus dem demokratischen Meinungsspektrum und dem gesellschaftlichen Diskurs.

Hauptarten des Extremismus

Im staatlichen Sprachgebrauch hat der Begriff „Extremismus“ den des „Radikalismus“ heute weitgehend verdrängt und abgelöst. Seine Hauptarten sind:

Einige Autoren benutzen seit Anfang der 1990er Jahre zudem den Begriff eines Extremismus der Mitte, um auf intolerante Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft aufmerksam zu machen, die den „Resonanzboden“ für die Ausbreitung extremer Einstellungen bilden könnten.

Kritik am Extremismusbegriff

Vor dem Hintergrund der historischen Herkunft und aktuellen Verwendung der Begriffe ist in der Extremismusforschung umstritten, ob sie demokratische Positionen wirklich gegenüber „radikalen“ oder „extremistischen“ Tendenzen verteidigen können. Kritiker heben hervor: Da die „Definitionsmacht“ hier bei staatlichen Institutionen liege, bestünde die Gefahr, dass andere Demokratievorstellungen als die gegebenen ausgeblendet werden und Minderheitspositionen tendenziell mit illegitimer Politik gleichgesetzt werden.

Beide Begriffe dienen dazu, Gruppen und Personen mit unterschiedlichen Zielen und Inhalten anhand idealtypischer Merkmale zu betrachten. Damit werden nach Ansicht ihrer Kritiker inhaltliche Divergenzen nur mangelhaft berücksichtigt. Anhänger des klassischen Extremismusbegriffs vertreten demgegenüber den Standpunkt, dass unterschiedliche Endzielvorstellungen und mögliche unterschiedliche moralische Wertigkeit verschiedener politischer Lager verhältnismäßig unbeachtlich sind, wenn trotz unterschiedlicher Ideale eine die persönliche Freiheit aufhebende Diktatur herauskommt oder herauszukommen droht.

Anhand der Kritik an idealtypischen Extremismusbegriffen werden in Teilen der Wissenschaft realtypische Begriffe gefordert, die die Inhalte und Zielsetzungen der betrachteten Gruppen beachten sollen, während staatsnahe Vertreter nicht von einer grundsätzlichen Untauglichkeit der etablierten Begriffe ausgehen.

Die Verwendung des Oberbegriffs Extremismus zur Abgrenzung vom demokratischen Spektrum ist für staatliche Behörden und Gerichte offenbar einfacher und sinnvoller als für die Wissenschaft. So meint der Politikwissenschaftler des Otto-Suhr-Instituts Gero Neugebauer, dass von einer eigenständigen Extremismusforschung bislang kaum die Rede sein könne. Die entsprechende Literatur fasse vor allem Ergebnisse anderer Forschungsbereiche unter den Extremismusbegriff, aufgeteilt nach Links- und Rechtsextremismus, zusammen. Während es in Bezug auf den Rechtsextremismus allerdings durchaus beachtliche Forschungsleistungen gebe, treffe das für den Linksextremismus nicht zu. Auch werde das Extremismuskonzept wegen seiner „Eindimensionalität“ und „Fixierung auf den demokratischen Rechtsstaat“ der komplexen gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit kaum gerecht.

Eindimensional sei der Begriff wegen der Vorstellung einer Achse, auf der sich das politische Spektrum von links über die Mitte bis nach rechts gruppiere. Aus diesem Konstrukt ergäben sich vielfältige Zuordnungs- und Abgrenzungsprobleme und damit erhebliche Interpretationsspielräume. Der Extremismus markiere jeweils den äußersten Rand des Spektrums. Darin liege bereits eine politische Wertung. Aus dieser normativen Sicht leite sich ein Extremismusbegriff, der alle Einstellungen, Verhaltensweisen, Institutionen und Ziele umfasst, die sich gegen den demokratischen Verfassungsstaat richten. In dieser Sicht gebe es Merkmale, die allen Extremismen gemeinsam sind: ein Alleinvertretungsanspruch, die Ablehnung pluralistisch-demokratischer Systeme, Dogmatismus, Freund-Feind-Denken und ein Fanatismus, dem jedes zum Ziel führende Mittel legitim erscheint.[1]

Doch auch die Befürworter dieser Sicht betonen, dass die Gemeinsamkeit in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates nicht über die fundamentalen Unterschiede hinwegtäuschen dürfe. So betonen etwa Uwe Backes und Eckhard Jesse:

Zwischen rechten und linken Extremismen, Anarchisten und Kommunisten, Monarchisten und Neonationalsozialisten bestehen beträchtliche Divergenzen, so dass rechts- und linksextreme Gruppen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch untereinander oft heftig bekämpfen.[2]

Für Neugebauer hat der normative Extremismusbegriff deshalb Stärken und Schwächen: Er eigne sich vor allem dazu, "Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu identifizieren und ihr Verhalten gegebenenfalls zu sanktionieren" (s. 2). Der amtliche Extremismusbegriff leite sich aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1956 her, in der dieses die Prinzipien der "wehrhaften Demokratie" des Grundgesetzes präzisierte und den Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einführte (BverfGE 5, 141). Der Begriff Extremismus selbst ist jedoch kein Rechtsbegriff - er findet sich weder in der Verfassung noch einem anderen Gesetzestext -, sondern ein Arbeitsbegriff für die Verwaltungspraxis. Der Begriff wird erst seit dem Verfassungsschutzbericht von 1973 verwendet.

Zuvor war in dem Zusammenhang von Rechts- bzw. Linksradikalismus gesprochen worden. Der damalige Innenminister Werner Maihofer begründete diesen Begriffswechsel mit dem Hinweis, dass politische Bestrebungen nicht allein deshalb verfassungswidrig sei, weil sie radikale Fragen stelle (s. Neubauer, S. 3). In der wissenschaftlichen Literatur werden diese Begriffe nach Neugebauer dagegen nicht präzise abgegrenzt und oft synonym verwendet. In der amtlichen Terminologie macht es jedoch einen erheblichen Unterschied aus, ob eine Bestrebung oder Organisation als radikal oder extremistisch eingeschätzt wird, da sich daraus eine Einschätzung zur Verfassungsmäßigkeit ableiten lässt.

Erschwerend kommt für den Extremismusbegriff hinzu, dass die Zuordnungen zu einem politischen Spektrum einem zeitlichen Wandel unterworfen sein können. Daher lehnt etwa Neugebauer die Verwendung des eindimensionalen Achsenmodells für die Sozialwissenschaften als unterkomplex ab. Der Extremismusansatz habe sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung nicht durchsetzen können.

Der Linksextremismus sei politisch und ideologisch wesentlich inhomogener als der Rechtsextremismus. Daher habe sich zwar eine sozialwissenschaftliche Rechtsextremismusforschung, aber keine Linksextremismusforschung etabliert.

Im Kontext behördlicher Exekutivmaßnahmen habe der Begriff dagegen seinen Sinn.

Siehe auch

Einzelbelege

  1. Gero Neugebauer: Extremismus – Rechtsextremismus - Linksextremismus: Einige Anmerkungen zu Begriffen - Forschungskonzepten, Forschungsfragen und Forschungsergebnissen (pdf)
  2. Uwe Backes / Eckhard Jesse, Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 19964, S. 45 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 272), zitiert nach Neugebauer in Extremismus.com, S. 2.

Literatur

Begriffsentstehung

Forschung

  • Kai Arzheimer: Die Wahl extremistischer Parteien, in: Jürgen W. Falter und Harald Schoen (Hrsg.): Handbuch Wahlforschung. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005: 389-421, ISBN 3-5311-3220-2
  • Uwe Backes, Eckhard Jesse: Vergleichende Extremismusforschung. Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-0997-4

Deutschland

Kritik

  • Wolfgang Wippermann: Totalitarismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute. Primus Verlag, Darmstadt 1997
  • Wolfgang Wippermann: Über »Extremismus«, »Faschismus«, »Totalitarismus« und »Neofaschismus«. In: Siegfried Jäger, Alfred Schobert (Hrsg.): Weiter auf unsicherem Grund. Faschismus - Rechtsextremismus - Rassismus: Kontinuitäten und Brüche. Duisberger Institut für Sprach- und Sozialwissenschaften, Duisburg 2000, ISBN 3-927388-75-0
  • Christoph Kopke/ Lars Rensmann (2000): Die Extremismus-Formel. In: Blätter für deutsche und internationale Politik.