Verschwörungstheorie

Versuch, ein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären
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Eine Verschwörungstheorie ist der Versuch, Ereignisse oder Zustände durch eine geheime Verschwörung oder das sonstige gezielte Wirken von Personen oder Personengruppen im Verborgenen zu erklären. Man spricht von einer Verschwörungstheorie, wenn dieses vermutete Wirken nicht schlüssig bewiesen ist.

Der Begriff der Verschwörungstheorie kann wertneutral verstanden werden. Er wird jedoch in der Regel angewandt, um den so bezeichneten Erklärungsversuch abzuwerten, da ja der Begriff impliziert, dass keine oder zumindest keine überzeugenden Beweise vorlägen. Vielfach ist die Klassifizierung einer Erklärung als Verschwörungstheorie daher auch umstritten, weil die Anhänger der Theorie oft die verfügbaren Beweise als ausreichend betrachten. In Diskussionen um solche Theorien kann es vorkommen, dass die Anhänger die Gegner mit zu den Verschwörern rechnen, um zu erklären, warum sie die Beweise für die Theorie für nicht ausreichend erklären.

Verschwörungskonzepte

Oft wird Verfechtern von Verschwörungstheorien vorgeworfen, durch einfache Verschwörungstheorien komplizierte aber natürlich auftretende Zusammenhänge und Verfahrensabläufe dieser Welt erklären zu wollen.

Es kann unterschieden werden zwischen (aktiven) Verschwörungstheorien, die der behaupteten Verschwörung die Urheberschaft zuordnen, und Verschwörungstheorien, die lediglich das wissentliche Geschehenlassen des infrage stehenden Ereignisses annehmen.

Im Unterschied zu Theorien über Verschwörungen basieren Verschwörungstheorien auf folgenden Annahmen, die in Frage gestellt werden können:

  • Die hinter dem Ereignis steckende Verschwörung ist außerstande, offen die Verantwortung dafür zu übernehmen, da sie sonst ihr Gesicht verlieren würde und muss daher die Urheberschaft einem Sündenbock zuschreiben (z.B. besagt die Theorie über die Stauffenberg-Verschwörung nicht, dass für den Mord an Adolf Hitler ein behaupteter Strohmann öffentlich vorgeschoben werden sollte).
  • Die Verschwörung, bzw. Personen und beteiligte Bürokratien, aus denen sie besteht, sind sich ihrer immerwährenden Geheimhaltung so sicher, dass sie sich existenziell davon abhängig machen können (z.B. war die Stauffenberg-Verschwörung nur bis zum Zeitpunkt des Attentats geheim, dann wollte Stauffenberg selbst ganz offen in die Regierung nachrücken).

Bei passiven Verschwörungstheorien:

  • Die Verschwörer verfügen vorab über eine sichere Einschätzung über den Folgenhorizont des wissentlich hingenommenen Ereignisses, auch wenn es keinen Präzedenzfall geben sollte (z.B. impliziert die Pearl-Harbor-Verschwörungstheorie, dass Präsident Franklin D. Roosevelt glaubte, der absehbare Angriff auf Hawaii würde einen Schaden anrichten, der groß genug wäre, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen (Vernichtung inzwischen technisch überholter Schlachtschiffe aus dem Ersten Weltkrieg durch Japan), aber gering genug (Schiffe, die sich später als unverzichtbar herausstellten, wie die Flugzeugträger-Gruppen, waren außer Reichweite des bereits sicheren Angriffs der Japaner positioniert), um das eigene Land beim absehbaren Gegenschlag nicht entscheidend militärisch zu schwächen.

Die Desinformation unterscheidet sich von der Verschwörungstheorie dadurch, dass sie keine Täuschung unterstellt. Die Desinformation sagt: Der Weihnachtsmann ist schuld und präsentiert "hieb- und stichfeste" Belege dafür. Die Verschwörungstheorie sagt: Der Weihnachtsmann ist schuld und er lässt es so aussehen, als wäre es der Osterhase gewesen, kann das aber nicht beweisen, sonst wäre es ja keine "Theorie" mehr, sondern Tatsache.

Computer, Internet und Telefon begünstigen das breite Bekanntwerden von Verschwörungstheorien auch in Zielgruppen, die sich darüber bisher noch keine Gedanken gemacht haben. Doch finden sich ausführlichste, detaillierteste behauptete Verschwörungen nach wie vor in Büchern, die hauptsächlich von Interessierten gekauft werden - und daher eine geringe Verbreitung und damit wenig Bedrohung für angegriffene Institutionen oder Herrschaftsformen darstellen. Noch immer werden Geheimbünde, wie die Freimaurer oder Illuminaten, Geheimdienste oder mächtige Sippschaften, ("Clans") oder Einzelpersonen im Hintergrund für fortbestehende Verschwörungen benannt. Gegenstand bilden auch tatsächlich gelegentlich aufscheinende groß angelegte Vertuschungsmaßnahmen von Regierungen, Lobbyisten und anderen Organisationen, wo Interessenverquickung (Waffen, Geld, Macht) unterstellt wird.

Auch Paranoikern gelingt es immer wieder, zahlreiche Anhänger um sich zu sammeln und ihnen eigene Ängste und Befürchtungen als eine allgemeine Bedrohung einzureden. Politiker und Demagogen aller Couleur haben es in Vergangenheit und Gegenwart verstanden, vorhandene Verschwörungstheorien, Ängste und Unzufriedenheit in eine "kollektive Paranoia" umzuwandeln, indem sie ihrer Zielgruppe angebliche Verschwörer, Volksfeinde und andere Bösewichte präsentierten - und darauf aufbauend daraus ihr Handeln dagegen rechtfertigten. Diese Propaganda aus Gefahr, Beschwörungen, Erklärungen, Parolen und Hetze ist um so wirksamer, je einfacher die behaupteten Tatsachen ausgewählt und je leichter sie durch den "gesunden Menschenverstand" nachvollziehbar sind.

Einige Verschwörungstheorien basieren auf Antisemitismus: Sie postulieren ‚die‘ Juden als Hauptverschwörer, die hinter allen oder doch den meisten Verschwörungen stecken. Einige jahrzehntealte Theorien, wie die der ‚jüdischen Weltverschwörung‘ bzw. ‚jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung‘ sehen in fanatischen Interpreten dieser Religion die Täter.

Häufig wird dem Konzept der Verschwörungstheorie als solcher auch eine strukturelle Affinität zum Antisemitismus vorgeworfen. Kern dieser Kritik ist, daß die Behauptung, eine im Dunkeln operierende Gruppe von Menschen sei für komplexe, als negativ empfundene Geschehnisse verantwortlich, einem der Grundmechanismen des modernen Antisemitismus entspricht.

Mitunter werden Verschwörungstheorien aber auch in satirischer oder aufklärerischer Absicht in die Welt gesetzt (so die Bielefeld-Verschwörung). Manchmal handelt es sich auch nur um die Parodie einer Verschwörungstheorie oder um Satiren. Das muss freilich von den Rezipienten nicht immer so verstanden werden, soll es oft auch gar nicht (Lachen soll im Halse stecken bleiben).

Viele Verschwörungstheorien sind ausgesprochen schwer zu beurteilen. Dies liegt vor allem auch daran, dass sie oft einen bedeutend höheren intellektuellen Erklärungsanspruch als allgemein anerkannte Theorien bzw. Tatsachen haben. Aber es kann auch daran liegen, dass die präsentierte "Ist-Lage" so ungeheuerlich und abseits bekannten Denkens ist, dass sich "normale" Menschen einfach weigern, darüber nachdenken zu wollen, weil ihrer bisherigen Denkweise die präsentierte zu wesensfremd und somit als "krank" erscheint.

Nicht selten tragen Verschwörungstheorien einen stark weltanschaulichen Charakter oder sind bekannten weltanschaulichen Lagern zuordbar. Deswegen ist es ratsam, nach dem Interesse (Cui bono = wem nützt das Präsentierte im Endeffekt wirklich) zu fragen, dem Verschwörungstheorien dienen. Denn die Gefahren eines blinden Vertrauens in Verschwörungstheorien sind groß, waren diese doch häufig auch Elemente im weiten Bereich der politischen Propaganda.

Dass auf der anderen Seite mit Verschwörungen jederzeit zu rechnen ist, beweisen die Ereignisse um die Geheimloge P2 (Propaganda Due) – eine der wenigen offiziell durch Gerichte entlarvten Verschwörungen. Meist stehen sich jedoch Anhänger und Kritiker einer Verschwörungstheorie unversöhnlich emotional gegenüber, wobei letztere nicht selten versuchen, erstere als Paranoiker zu pathologisieren bzw. zu diskreditieren.

Siehe auch: Verschwörung, moderne Legende, Protokolle der Weisen von Zion, Sonnentempler, Bilderberg, Bielefeldverschwörung, Reichsflugscheibe, Verschwörungstheorien zu den Anschlägen des 11. September 2001

Häufigkeit

Dass es Verschwörungen in Politik und Gesellschaft tatsächlich gibt, wird grundsätzlich von wenigen bestritten. Die Meinungen darüber, eine wie große Rolle diese spielen und ob ein bestimmtes Phänomen auf eine Verschwörung zurückzuführen sei, gehen aber weit auseinander. Es geht aber kaum jemand davon aus, dass alles, was von irgendjemand auf eine Verschwörung zurückgeführt wird, auch tatsächlich durch eine solche verursacht oder gesteuert wird. Es ist sicher, dass zumindest einige Verschwörungstheorien falsch sind, da es für manche Phänomene mehrere, einander widersprechende Theorien gibt.

Die meisten Menschen halten die weit überwiegende Mehrzahl der Verschwörungstheorien für unzutreffend.

Literatur

  • E.Gugenberger/F.Petri/R.Schweidlenka: Weltverschwörungstheorien. Die neue Gefahr von rechts. Deuticke, Wien-München 1998, ISBN 3216303780
  • Daniel Pipes: Verschwörung. Faszination und Macht des Geheimen. Gerling Akademie Verlag, München 1998, ISBN 3932425081
  • Tobias Jaecker: Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11. September. Neue Varianten eines alten Deutungsmusters. LIT Verlag, Münster 2004, ISBN 3825879178
  • Ute Caumanns/Mathias Niendorf (Hrsg.): Verschwörungstheorien. Anthropologische Konstanten - historische Varianten. fibre Verlag, Osnabrück 2001, ISBN 3929759470
  • Helmut Reinalter (Hrsg.): Verschwörungstheorien. Theorie - Geschichte - Wirkung. Studienverlag, Innsbruck 2002, ISBN 3706515105
  • F.P. Heller/A. Maegerle: Die Sprache des Hasses. Rechtsextremismus und völkische Esoterik. Jan van Helsing, Horst Mahler... . Schmetterling-Verlag, Stuttgart 2001
  • Mathias Bröckers: Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.. Zweitausendeins Verlag
  • Robert A. Wilson, Miriam J. Hill: Das Lexikon der Verschwörungstheorien; Piper Verlag. ISBN 3492240240