Die Republik Türkei (Türkiye Cumhuriyeti) ist der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches und ging nach dem Ersten Weltkrieg aus diesem hervor. Die Türkei ist eine laizistische Republik. Der Laizismus geht auf den Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk zurück. Atatürk war bestrebt, durch viele gesellschaftliche Reformen die Türkei nach dem Vorbild Europas zu modernisieren.
| |||||
Wahlspruch: Yurtta Sulh, Cihanda Sulh türk., "Frieden in der Heimat, Frieden in der Welt") | |||||
Amtssprache | Türkisch | ||||
Hauptstadt | Ankara | ||||
Staatsform | Laizistische Republik/ parlamentarische Demokratie | ||||
Staatspräsident | Ahmet Necdet Sezer, Amtsantritt am 17.05.2000 | ||||
Premierminister | Recep Tayyip Erdogan (AKP), seit 11.03.2003 | ||||
Parlament | Türkische Große Nationalversammlung (Türkiye Büyük Millet Meclisi/TBMM): eine Kammer, 550 Sitze, Legislaturperiode 5 Jahre | ||||
Fläche | 780.580 km² | ||||
Einwohnerzahl | 70,8 Mio (Stand Mai 2004) | ||||
Bevölkerungsdichte | 87,25 Einwohner pro km² | ||||
Gründung | 29. Oktober 1923 | ||||
Währung | Lira (nach 2005: Yeni Lira) | ||||
Zeitzone | MEZ+1 | ||||
Nationalhymne | İstiklâl Marşı | ||||
Kfz-Kennzeichen | TR | ||||
Internet-TLD | .tr | ||||
Vorwahl | +90 | ||||
![]() |
Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der NATO und seit 1963 assoziiertes Mitglied der EU und strebt seit Jahrzehnten eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union an. Daneben ist die Türkei u.a. Mitglied: Vereinte Nationen (1945) mit Sonderorganisationen; (1952); Europarat (1952); OECD (1948); Organisation Islamische Konferenz (OIC, 1969); EG-Assoziierungs-Abkommen (1963); EU-Zollunion seit dem 1. Januar 1996; assoziiertes Mitglied der WEU (1995-2000).
Geographie
Die Türkei erstreckt sich geographisch über zwei Kontinente. Der größte Teil des türkischen Staatsgebiets liegt mit ca. 97 % auf dem asiatischen Kontinent. Lediglich 3 % der Gesamtfläche (23.623 km²) befinden sich auf dem europäischen Kontinent. Der europäische Teil der Türkei wird auch als Thrakien bezeichnet und der asiatische Landesteil als Anatolien. Die Türkei bildet somit geographisch eine Schnittstelle zwischen Okzident und Orient.
Die Türkei besitzt eine 7.200 km lange Küste. Im Westen der Türkei liegt das Ägäische Meer, im Süden das Mittelmeer und im Norden das Schwarze Meer.
Daneben besitzt die Türkei Landgrenzen zu 8 Nachbarländern, die insgesamt eine Länge von 2.648 km haben. Im Nordwesten grenzt sie an Griechenland (206 km Grenze) und Bulgarien (240 km), im Nordosten an Georgien (252 km), Armenien (268 km), Aserbaidschan (Exklave und autonome Republik Nachitschewan, mit der die Türkei einen 9 km langen Grenzstreifen teilt), im Osten an den Iran (499 km) und im Süden an den Irak (352 km) und Syrien (822 km).
Hauptstadt ist das in Anatolien gelegene Ankara, größte Stadt und zugleich wirtschaftliches und kulturelles Zentrum ist das am Bosporus gelegene İstanbul, das auf zwei Kontinenten liegt. Weitere wichtige Städte sind İzmir, Diyarbakır, Adana, Bursa, Gaziantep, Konya, Antalya, İzmit (=Kocaeli) und Samsun. Touristische Zentren sind die südliche Ägäis-Küste und die türkische Riviera zwischen Antalya und Kap Anamur.
Die Türkei wurde in den letzten Jahren immer wieder von Erdbeben erschüttert. Da eine gewisse chronologische Ost-West-Abfolge der Beben in der Nordtürkei festzustellen ist, geht man davon aus, dass in absehbarer Zeit auch Istanbul von einem großen Beben erschüttert werden wird. Die letzten großen Beben in der Provinz Kocaeli lagen bereits weniger als 100 km von Istanbul entfernt.
Provinzen
Hauptartikel: Liste der türkischen Provinzen
Die Türkei ist in 81 Provinzen gegliedert.
Bevölkerung
Ethnien und Religion
Ethnien
In der Türkei leben die folgenden Nationalitäten: ca. 70 % Türken (Staatsvolk), ca. 20 % Kurden, 2% Zaza, 2 % Araber, 0,5 % Tscherkessen, 0,5 % Georgier, sowie diverse andere ethnische Gruppen und Nationalitäten (Armenier, Griechen, Assyrer, Bosnier, Albaner, Lasen u.a.).
Beim "Staatsvolk Türken" muss man vorsichtig unterscheiden, da sich in den ca. 70 % auch die turkvölkischen Minderheiten der Türkei befinden; die türkische Regierung unterscheidet diese nicht von "den eigentlichen Türken". Das heißt, in diesen "70 %" sind auch die in der Türkei lebenden Krimtataren, Gagausen, Mescheten, Aserbaidschaner, Kasachen, Usbeken und Kirgisen eingeschlossen; einzig die Volksgruppe der Uiguren bekommt von ihnen Minderheitenstatus. Außerdem ist die genaue Zahl der Kurden in der Türkei umstritten. Kurdische Vertreter gehen von rund 20 Mio. Kurden aus ,die in der Türkei leben, statt der 14 Mio. Kurden aus offiziellen Zahlen.
Siehe auch: Türken, Turkvölker
Religion
95,8 % der türkischen Bevölkerung bekennen sich zum Islam. Davon sind etwa 60 % Sunniten, die restlichen 35.8 % Aleviten. Außerdem leben in der Türkei 125.000 Christen und 23.000 Juden. Das Prinzip des Laizismus schreibt eine strenge Trennung von Religion und Staat vor. Artikel 24 der Verfassung von 1982 beschränkt die Glaubensfreiheit auf das Individuum. Religionsgemeinschaften können aus dem Verfassungsabschnitt keine Rechte geltend machen. Diese Haltung resultiert aus der herrschenden Ideologie des Kemalismus in den türkischen Elite. Es zeigen sich jedoch Tendenzen, dass sich diese Haltung abschwächt.
Die islamischen Einrichtungen werden vom Diyanet Isleri Baskanligi, dem Präsidium für Religionsangelegenheiten verwaltet. Es regelt die Ausbildung der etwa 100.000 Imame und Muezzin, bezahlt und erhält die Moscheen und gibt landesweit den Inhalt der zu haltenden Predigten vor. Ebenso ist es zuständig für die knapp 500 Imame an den türkischen Moscheen in Deutschland.
Diese Einrichtungen kümmern sich jedoch nur um Sunnitische Moscheen, die alevitischen Cem-Gebetshäuser werden weder unterstützt noch errichtet, novh nicht einmal anerkennt. Die alevitische Bevölkerung fällt nicht unter das Minderheitengesetz und kann deshalb missioniert werden. Dabei wird die Zwangsislamisierung durch den Bau von Moscheen in alevitischen Dörfern vorangetrieben.
Im Personalausweis gibt es zwar eine Rubrik für die Religionszugehörigkeit, die Eintragung darin ist jedoch freiwillig, frei wählbar und jederzeit wieder änderbar, wenn der Inhaber dies möchte. Im Pass gibt es für Nicht-Muslime nur folgenden Eintrag: 'imansiz' ('ungläubig').
In der Türkei leben etwa 0,15% Christen, die größte Gruppe davon bilden mit etwa 65.000 Angehörigen die Armenier. Dazu kommen 2000 griechisch-orthodoxe Christen (die überwiegend in Istanbul leben) und 2000 syrisch-katholische Christen. Sie alle fallen ebenso wie Juden unter den 1923 geschlossenen Vertrag von Lausanne, der ihnen Minderheitenschutz gewährt. Dies führte z.B. dazu, dass während des 2. Weltkriegs viele gelehrte Juden Zuflucht in der Türkei fanden. Auch besitzen christliche Gemeinden ihre eigenen Schulen und die orthodoxe Kirche hat ihren offiziellen Sitz immer noch in Istanbul. Ohne irgendwelche Einschränkungen kann die christliche Gemeinde ihren Glaubensweg gehen und wird auch von der Bevölkerung nicht ausgeschlossen.
Nicht unter die Bestimmungen des Vertrags fallen einerseits später zugewanderte Menschen römisch-katholischen und evangelischen Glaubens, andererseits die syrisch-orthodoxen Christen Südostanatoliens (Tur Abdin). Die fast ausschließlich aus Ausländern bestehenden protestantischen und katholischen Gemeinschaften dürfen weder Eigentum erwerben noch offizielle Gemeinden bilden, genau wie alle anderen islamischen Fraktionen oder Sekten. Auch die Mission ist beiderseits verboten.
Bevölkerungswachstum
Seit der Republikgründung im Jahre 1923 wuchs die Bevölkerung der Türkei schnell an. 1960 lebten in der Türkei knapp 28 Millionen Menschen, 2003 waren es knapp 70 Millionen. In den letzen Jahren hat sich das Bevölkerungswachstum sehr verlangsamt. Während es 2000 noch 1,7% betrug, wird für 2004 von einem Bevölkerungswachstum von 1,13% ausgegangen. Der Rückgang des Bevölkerungswachstums macht sich auch in den Prognosen der Statistiker bemerkbar. Während noch vor einigen Jahren prognostiziert wurde, dass sich die Bevölkerung der Türkei bis 2020 auf 95 Millionen erhöht, geht das staatliche Institut für Statistik der Türkei (DIE) nun davon aus, dass diese Zahl erst im Jahre 2050 erreicht wird.
Soziales
Der Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung beträgt rund 74 %.
Die Lebenserwartung liegt in der Türkei bei 72,08 Jahren, wobei sie bei den Männern bei 69,68 Jahren liegt und bei den Frauen bei 74,61 Jahren. Beim Lebensstandard, der durch den Human Development Index repräsentiert wird, liegt die Türkei weltweit nur auf dem 96. Platz (stand 2003). Damit gehört sie zu den Ländern mit einem mittleren Entwicklungsstand (zum Vergleich Deutschland belegt den 18. Platz).
Im Jahre 2000 waren ungefähr 6 % der Männer und 18 % der Frauen in der Türkei Analphabeten.
Frauenwahlrecht: In der Türkei haben Frauen schon seit 1935 (je nach Quelle auch 1934) das Recht zu wählen - zum Vergleich: Französinnen genießen dieses Recht erst seit 1945 (bzw. 1944) und Schweizerinnen des Halbkantons Appenzell-Innerrhoden sogar erst seit 1990.
Sprachen
In der Türkei werden folgende Sprachen verwendet:
- >80 % Türkisch( Amtssprache)
- 16-17 % Kurdisch (einst verboten - nun beinahe voll und ganz anerkannt)
- 2 % Arabisch
- 1-2 % Zazaki (eine eigenständige Sprache, oftmals fälschlich als kurdischer Dialekt bezeichnet)
- sonstige Sprachen der Minderheiten (aramäisch, armenisch, georgisch, griechisch, lasisch, tscherkessisch)
Siehe auch: Turksprachen
Kultur
Die heutige türkische Kultur ist eine Verschmelzung verschiedener Kulturen. Dazu können die Nomadenkultur, die Kultur im osmanischen Reich, die antiken Kulturen Kleinasiens und die starke europäische Richtung seit der Gründung der Republik gezählt werden.
Als Kulturzentrum der Türkei ist die Stadt Istanbul zu sehen, wobei die Stadt eine Synthese von verschiedenen Kulturen darstellt.
Die Türkei hat eine große Zahl Künstler hervorgebracht. Dazu gehören u. a. der Filmregisseur Yilmaz Güney (Goldene Palme in Cannes für Yol - Der Weg (1982)), die Dichter Orhan Veli und Nazim Hikmet, die Schriftsteller Yaşar Kemal, Orhan Pamuk oder Aziz Nesin. Türkische Popsänger wie Sezen Aksu, Tarkan und Mustafa Sandal waren in letzter Zeit auch im Ausland recht erfolgreich. 2003 siegte die Türkei beim Eurovision Song Contest mit dem Titel Everyway That I Can von Sertab Erener.
Siehe auch: Türkische Literatur, Türkischsprachige Kultur in Deutschland, Liste türkischsprachiger Künstlerinnen und Künstler
Bildungssystem
Schulsystem
In der letzten Erziehungsreform von 1997 wurde die gesetzliche Schulpflicht von 5 Jahren auf 8 Jahre erhöht. Danach findet der Übergang in die 4 jährige Sekundarstufe II statt, in der alle Schüler seit 2004/05 eine zweite Fremdsprache wählen müssen.
Derzeit bemüht sich die AKP-Regierung intensiv für den erleichterten Hochschulzugang der Berufsschulabgänger. Ziel der Bemühungen ist es vor allem den Abgängern der Imam-Hatip-Schulen den Zugang zu nicht theologischen Studienfächern zu erleichtern. Die Imam-Hatip-Schulen gelten seit der Erziehungsreform von 1997 als Berufsschulen der Ziel, einer Einschulungsquote von 100 % entfernt. Lediglich 93 % aller schulpflichtigen Kinder gehen zur Schule. Besonders betroffen sind Mädchen, von denen, laut einer Weltbank-Studie, ca. 600.000 nicht eingeschult sind.
An den türkischen Schulen und Hochschulen herrscht absolutes Kopftuchverbot, sowohl für die Schüler/Studenten als auch für die Lehrkräfte.
Hochschulen
Die Türkei besitzt 53 staatliche Hochschulen und 23 staatlich anerkannte private Stiftungsuniversitäten. An den Universitäten des Landes studieren 1,6 Mio. Studenten und damit 28 % aller Schulabgänger eines Jahrganges. Diese werden von ca. 70.000 Lehrkräften unterrichtet und betreut. Kontrolliert werden die Hochschulen durch den türkischen Hochschulrat (YÖK). Der Hochschulrat koordiniert neben den Finanzen und dem Personalplan der Hochschulen auch die Lehrinhalte.
Die staatlichen Hochschulen sind schlecht finanziert, da lediglich 0,5 % des BSP für die F&E ausgegeben wird. Für das Studium an den privaten Universitäten sind Gebühren zwischen 5.000 bis 12.000 US $ pro Jahr erforderlich. Die Zahl der ausländischen Studenten in der Türkei beträgt 16.328. Diese kommen vor allem aus den zentralasiatischen Turk-Staaten.
Medien
Die türkische Medienlandschaft wird durch zahlreiche staatliche Radio- und TV-Sender und einige Medienkonzerne beherrscht. Die Medienkonzerne unterhalten viele Radio und TV-Sender, daneben auch zahlreiche Tages- und Wochenzeitungen mit vergleichsweise geringer Auflage.
Medienkonzerne: Aydin-Dogan-Gruppe (u.a. größte Tageszeitung Hürriyet, Milliyet, Radikal, Kanal D, CNN-Türk), Dinç-Bilgin-Gruppe (Sabah, ATV, u.a.), Ihlas-Gruppe (Türkiye, TGRT, u.a.), Çukurova-Gruppe (Show-TV, Aksam); Dogus-Gruppe (NTV)
Einflussstärkste und zugleich auflagenstärkste Zeitungen sind Sabah, Hürriyet, Milliyet, Cumhuriyet und Türkiye.
Geschichte
Hauptartikel: Geschichte der Türkei
Zur Zeit der Entstehung der Niagarafälle vor 10.500 Jahren entstand im Südwesten der Türkei die erste bekannte Stadtanlage, Catal Hüyuk. Anatolien (Kleinasien) ist die Wiege einer Vielzahl von Kulturen und Reichen des Altertums. Zu dieser Zeit lebten in Anatolien allerdings noch keine Türken, deren Heimat war Zentralasien. Die Seldschuken waren die erste türkische Dynastie, deren Heere im 11. Jahrhundert Teile Anatoliens eroberten und in der Folge große Teile des Byzantinischen Reiches unterwarfen.
Frühe Besiedlung Anatoliens
Die Hethiter besiedelten in der Bronzezeit das Gebiet der heutigen Türkei zwischen 1900 und 1200 v. Chr. Das Reich der Hethiter wurde im Zuge der sog. ägäischen Wanderung durch diverse Seevölker (z.B. Phryger) zerstört. Die hethitische Kultur überlebte jedoch bis um 700 v. Chr. in diversen Kleinstaaten in Ostanatolien (z.B. Milid, die heutige türkische Stadt Malatya). In diese Zeit fällt auch wahrscheinlich die Zerstörung der westanatolischen Stadt Troja. Nach der Zerstörung der Hethiter errichteten die Phryger unter ihrem König Midas ein Reich, das im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr. Anatolien beherrschte. Um 700 v. Chr. begann die griechische Besiedlung entlang der anatolischen Agäisküste (Ionien) mit Städten wie z.B. Milet, Ephesos, Priene. Zur gleichen Zeit besiedelten noch andere Völker Anatolien. Die Kimerier besiedelten Westanatolien, nachdem sie das Phrygerreich 700 v. Chr. zerstört hatten. Die Lydier gründeten an der ägäischen Küste ein Königreich mit der Hauptstadt Sardes. Ihr letzter König war der nach seinem großen Reichtum aus der griechischen Mythologie bekannte Krösus. Von der Mitte des 6. Jahrhunderts bis 333 v. Chr. herrschten über weite Teile Kleinasiens die Perser bis Alexander der Große sie besiegte und das Makedonische Reich errichtete. Nach dem Ende des Makedonischen Reiches wurde Anatolien durch diverse Völker besiedelt. Bedeutende Reiche waren Bithynien, Pontos, Kappadokien, Galatien sowie Pergamon. Im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. brachten die Römer Anatolien unter ihre Kontrolle. Die Herrschaft des Römischen Reiches hielt bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. Danach fiel Kleinasien, nach der Teilung des Römischen Reiches, an das Byzantinische Reich. Die ersten türkischen Stämme tauchten erst im 11. Jahrhundert n. Chr in Anatolien auf. Die Seldschuken fielen in Kleinasien ein und schlugen die byzantinischen Armee in der Schlacht bei Mantzikert im Jahre 1071 vernichtend. Daraufhin eroberten große Gebiete Ost- und Mittelanatoliens. Die Seldschuken errichteten neben dem Sultanat Bagdad das Sultanat Rum (Hauptstadt das heutige Konya), das im 12. und 13. Jahrhundert über weite Gebiete Anatoliens herrschte. Im 13. Jahrhundert überfielen die Mongolen das Seldschukische Reich und plünderten 1258 Bagdad. Im Zuge dieser Machtverlustes von Rum nutzten die türkische Stämme ihre Freiheit und verselbständigten sich weitestgehend.In ganz Anatolien, so auch an der Ostgrenze des Byzantinischen Reiches, formierten sich türkische Fürstentümer. Die Osmanen waren eines dieser Fürstentümer, die schließlich ihre Macht soweit ausdehnten bis sie Byzanz eroberten und so das Byzantinische Reich zerstörten.
siehe auch: Seldschuken
Die Zeit des Osmanischen Reiches
Hauptartikel: Osmanisches Reich
Nach der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 herrschten die Nachfolger der Seldschuken, die Osmanen, über große Teile des Nahen Ostens, Nordafrikas, des Kaukasus und des Balkans.
Im späten 17. Jahrhundert begann der Niedergang des Osmanischen Reiches, das immer weiter aus seinen europäischen Besitzungen zurückgedrängt wurde. Das ab dem 19. Jahrhundert stark zunehmende Unabhängigkeitsstreben diverser Nationen im Vielvölkerstaat des Osmanischen Reiches, die Besetzung Nordafrikas durch europäische Mächte und schließlich die Niederlage im Ersten Weltkrieg bewirkten seinen endgültigen Verfall.
Umgangssprachlich wurde früher auch das Osmanische Reich als Türkei bezeichnet (entsprechend europäische, asiatische und afrikanische Türkei).
Siehe auch: Türkenkriege
Der erste Weltkrieg und der Völkermord an den Armeniern
Im Ersten Weltkrieg kämpfte das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte. Nachdem die Franzosen und die Engländer den Armeniern einen selbstständigen Staat in Ostanatolien versprochen hatten, begannen die Armenier, sich gegen die Türken zu erheben. Danach kam es 1915 zum Völkermord an den christlichen Armeniern bei dem nach Schätzungen 1,5 Mio. Armenier getötet wurden. Die meisten Opfer des Völkermordes starben durch die Deportation, ohne jegliche Verpflegung, in die syrische Wüste. Die Franzosen und die Engländer ließen die Armenier völlig im Stich, obwohl sie ihnen einen selbstständigen Staat versprochen hatten. Die heutige türkische Regierung bestreitet den Völkermord offiziell und versucht auf diplomatischen Wegen andere Staaten davon abzuhalten, den Völkermord offiziell anzuerkennen. Der Völkermord wird offiziell durch folgende Staaten und Organisationen anerkannt: Frankreich, Italien, Russland, Belgien, die UNO und die EU.
Nach der Niederlage der Mittelmächte verlor das Osmanische Reich, infolge des Friedensvertrages von Sèvres, seine noch wenigen verbliebenen Gebiete außerhalb von Anatolien und Thrazien. Darüber hinaus sollte das Gebiet der heutigen Türkei weitgehend zerstückelt werden. Griechenland wurden die Stadt Izmir und weite Teile von Westanatolien zugesprochen. Die Region um Adana sollte an die Italiener gehen und der französische Besitz sollte neben Syrien auch Kilikien umfassen. Auf den östlichen Landesteilen der heutigen Türkei, mit den Städten Kars, Ardahan und Erzurum, sollte ein armenischer Staat entstehen. Südlich davon und östlich des Euphrat wurde den Kurden eine autonome Region zugesprochen. Aber es blieb bei diesen Versprechungen, die Franzosen und die Engländer waren in Wirklichkeit nur an ihren eigenen Vorteile interessiert und nützten die Kurden und die Armenier für ihre Zwecke aus.
Siehe auch: Erster Weltkrieg, Völkermord an den Armeniern, Jungtürken, Vertrag von Sèvres, Panturkismus
Der türkische Befreiungskrieg
In Folge der Niederlage wurde das Osmanische Reich von den europäischen imperialistischen Mächten und den Griechen besetzt. Das Bestreben, der Besatzungsmächte, die heutige Türkei aufzuteilen führte zu den Befreiungskriegen, die von Mustafa Kemal koordiniert wurden. Mustafa Kemal begann vom 19. Mai 1919 mit der Mobilisierung des Wiederstandes. Zunächst stieß er mit seinen Truppen Richtung Kaukasus vor. Er eroberte Sivas, Erzurum, Kars und Ardahan und erreichte in einem Abkommen mit der Sowjetunion die Anerkennung der Ostgrenzen. Anschließend bekämpfte er die Franzosen, Italiener und Griechen. Die Franzosen mussten 1921, mit dem unterzeichnen der Franklin-Boullon-Abkommen, ihre Gebietsansprüche gegenüber der Türkei aufgeben. Ab 1920 kam es zum Krieg zwischen Griechenland und der Türkei. Der Krieg endete am 9. September 1922 mit der Einnahme und Niederbrennen von Izmir durch die türkische Befreiungsarmee. Am 11. Oktober schlossen die Besatzungsmächte, ohne die Beteiligung der Regierung des Sultans Mehmed VI., das Waffenstillstandsabkommen von Mudanya. Damit ging auch Istanbul in den türkischen Besitzt zurück.
Nach dem Sieg der Türkei konnte sie am, 24. Juli 1923 im Vertrag von Lausanne, die Bestimmungen aus dem Vertrags von Sèvres revidieren und so den Verlust großer Teile der heutigen Türkei verhindern. Mit der Unterzeichnung des Vertrages von Lausanne wurden die Grenzen des neuen Staates völkerrechtlich anerkannt.
siehe auch: Kleinasiatische Katastrophe
Atatürk gründet die türkische Republik
Nach dem alle ausländischen Kräfte aus Anatolien vertrieben wurden rief Mustafa Kemal am 29. Oktober 1923 die Republik aus. Später erhielt er den Beinamen Atatürk („Vater aller Türken“) und war der erste Präsident der Republik.
Im laufe seiner Amtszeit führte Atatürk tiefgreifende Reformen im politischem und gesellschaftlichen System durch, die die Türkei in einen modernen, säkularen, weltlichen und am Westen orientierten Staat verwandelten. Unter anderem wurde im Jahre 1922, noch vor der Ausrufung der Republik, das Sultanat abgeschafft und am 29. Oktober 1923 das Kalifat. 1924 schaffte die Türkei die religiösen Gerichte ab und 1925 wurde im Zuge einer umfassenden "Kleiderreform" das Fez (traditionelles türkische Kopfbedeckung der Männer) und der Schleier für die Frau verboten. Im selben Jahr wurde die islamische Zeitrechnung durch das westliche Kalender und Zeitrechnung ersetzt. In den folgenden Jahren wurden ganze Rechtssysteme aus europäischen Ländern übernommen und den türkischen Verhältnissen angepasst. 1926 wurde zunächst das Schweizer Zivilrecht und damit die Einehe und die Gleichstellung von Mann und Frau übernommen. Es folgten das Deutsche Handelsrecht und das Italienische Strafrecht. Die Gleichstellung der Geschlechter gelang allerdings nur teilweise. 1928 wurde die Säkularisierung ausgerufen und im gleichen Jahr die arabischen Schriftzeichen durch das lateinische Alphabet ersetzt. Im Zuge weiterer Reformen wurde in der Türkei 1934 das Frauenwahlrecht eingeführt.
Durch den Vertrag von Montreux, vom 20. Juli 1936, bekam die Türkei die volle Souveränität über die Meerengen zurück. Im gleichen Jahr wurde Hatay der Türkei angegliedert.
Geschichte der Türkei nach der Atatürk-Ära
Nachdem am 10. November 1938 Atatürk starb, wurde sein enger Weggefährte Ismet Inönü der zweite türkische Staatspräsident. Inönü war bestrebt die Modernisierung der Türkei fortzuführen und die außenpolitische Neutralität beizubehalten.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde es immer schwieriger die außenpolitische Neutralität beizubehalten. Sowohl Nazi Deutschland als auch die Alliierten versuchten die Türkei auf ihrer Seite in den Krieg einzubeziehen. Am 1. August 1944 brach die Türkei die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich ab und erklärte am 23. Februar 1945 Deutschland und Japan symbolisch den Krieg um anschließend die UN-Charta mit zu unterschreiben.
Nachdem Kriegsende drängte die Sowjetunion die Türkei zu Grenzkorrekturen an der Ostgrenze und versuchte Kontrolle über die türkischen Meerengen zu bekommen. Der Versuch der Sowjetunion Kontrolle über die Türkei auszuüben führte dazu dass die Türkei ihre außenpolitische Neutralität aufgab. Sie versuchte nun ihre Bindung an die USA zu intensivieren und wollte daher in die NATO eintreten. Nach anfänglicher Ablehnung, vor allem durch die europäischen NATO-Mitglieder, wurde die Türkei 1952, gemeinsam mit Griechenland, Mitglied in der NATO. Diese Entscheidung wurde durch die Teilnahme der Türkei am Korea-Krieg 1950 begünstigt.
1946 wurde in der Türkei zum erstenmal eine zweite politische Partei zugelassen. Die DP (Demokratische Partei) errang bei den Wahlen am 14. Mai 1949 die Mehrheit der Stimmen. Damit endete die seid Republikgründung herrschende einparteien Herrschaft der CHP. Die DP unter ihrem Ministerpräsidenten Adnan Menderes führte in seiner Regierungszeit zwischen 1950 und 1960 eine stärkere wirtschaftliche Liberalisierung durch. Trotz eines raschen wirtschaftlichen Wachstums nahmen die sozialen Spannungen in der Türkei verstärkt zu. Zunehmend ging die DP dazu über die oppositionellen CHP politisch zu unterdrücken. 1960 putschte sich das Militär an die Macht um die Staatskrise, die durch Spannungen zwischen den politischen Parteien ausgelöst wurde, zu beenden. Menderes und andere Politiker wurden unter dem Korruptions- Vorwurf zum Tode verurteilt und 1961 gehängt. Nach dem das Militär 1961 eine neue Verfassung einführte gab sie die Macht an eine Zivilregierung ab. Die neue Verfassung beinhaltete moderne wirtschaftliche und soziale Prinzipien und Gesetze die die Unterdrückung der Opposition verhindern sollten.
Das Militär puschte sich 1980 zum zweiten Mal an die Macht. Auslöser war die sehr instabile Phase in den 1970er Jahren, die durch wechselnde politische Koalitionen, politischer und wirtschaftlicher Instabilität und Terrorakte durch das extrem Rechte und Linke politisches Spektrum geprägt war. Das Militär unter General Kenan Evren verhängte über das Land das Kriegsrecht und Verbot alle politischen Parteien. Nach dem sie November 1982 durch einen Volksentscheid die dritte türkische Verfassung einführte gab sie die Macht 1983 an eine Zivilregierung wieder ab.
Nach der Stichwahl zum Parlament im November 1983 gewann die konservative Mutterlandspartei (ANAP), unter dem Wirtschaftsfachmann Turgut Özal, die Wahl. Özal leitete in seiner Regierungszeit marktwirtschaftliche Reformen ein und vereinte in seiner Mutterlandspartei Technokraten, aber auch islamische Kreise. Nachdem Özal zum Staatspräsident gewählt wurde, wurde 1989 Yildirim Akbulut Regierungschef. Die 1990er Jahre sind in der Türkei durch wechselnde politische Mehrheiten und ständige Neuwahlen gekennzeichnet. Nachfolger von Akbulut wurde 1991 Mesut Yilmaz. Nachdem die ANAP die Wahlen verlor wurde 1993 Tansu Çiller, mit ihrer Partei der DYP, Regierungschefin. Durch die Parlamentswahlen am 24. Dezember 1995 ging zum ersten mal in der türkischen Geschichte eine islamistische Partei, die Wohlfahrtspartei (RP),.als stärkste politische Kraft hervor. Da sie keine Koalitionspartner fand erhielt die zweitstärkste Kraft die DYP den Auftrag die Regierung zu bilden. Die Koalition zwischen der DYP und ANAP hielt aber nicht lange, weil Mesut Yilmaz nach einem Misstrauensvotum im Juni 1996 zurück treten musste. Daraufhin bekam die RP unter Necmettin Erbakan den Auftrag die Regierung zu bilden. Die RP ging mit der DYP eine Koaliton ein.
siehe auch: Exil in der Türkei 1933–1945
Jüngere Geschichte der Türkei
Der Kurden-Konflikt
Die Kurden sind heute eine der größten Volksgruppen ohne eigenen Staat. Ca. 50 % aller Kurden leben in der Türkei. Durch den 1923 geschlossenen Vertrag zwischen der Türkei und den Alliierten des Ersten Weltkriegs verloren die Kurden ihren Status als Minderheit, einen unabhängigen kurdischen Staat hat es zuvor nie gegeben.
Bis vor kurzem betrieb die Türkei eine Assimilierungspolitik gegenüber den Kurden und leugnete kulturelle und ethnische Unterschiede. Aufgrund staatlicher Restriktionen konnte die kurdische Kultur nicht frei ausgelebt werden. Es durfte kein Kurdisch an den Schulen gelehrt werden und auch keine Medien in Kurdisch vertrieben werden. Aus den Schulbüchern, Lexika und Landkarten wurden die Definition über Kurden und ihrer Siedlungsgebiete verbannt. Auch das Benutzen der kurdischen Sprache auf den Ämtern war verboten.
Im Jahre 1978 entstand in dieser Situation die umstrittene "Arbeiterpartei" Kurdistans (PKK). Die PKK ist eine marxistisch-leninistische Gruppe mit Abdullah Öcalan an ihrer Spitze. 1984 begann sie mit ihrem bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Kurdistan. Die türkische Regierung bekämpfte die kurdischen Rebellen mit militärischen und politischen Mitteln (z.B. Ausnahmezustand im Osten des Landes). Infolge der bewaffneten Auseinandersetzungen wurden ca. 30.000 Menschen getötet, 3.500 Dörfer wurden zerstört und 3.000.000 Kurden (diese Zahl ist stark umstritten) flüchteten.
Aufgrund des Krieges wurden die bilateralen Beziehungen der Türkei vor allem mit seinen südlichen Nachbarn (Syrien, Irak und Iran) stark belastet. Die Türkei warf diesen Staaten die offene Unterstützung der PKK vor. Unstrittig ist, dass die PKK den Norden des Irak und auch die Staatsgebiete von Syrien und Iran als Rückzugsgebiete benutzte und dort auch Ausbildungscamps unterhielt. Den Höhepunkt fand diese Auseinandersetzung 1999. als auf den Druck der Türkei hin Abdullah Öcalan seinen Aufenthaltsort in Syrien verlassen musste. Auf der Flucht wurde Öcalan Februar 1999 in Kenia von türkischen Geheimdienstlern gefasst und den türkischen Gerichten überstellt. Nachdem der Vorsitzende gefasst wurde, erklärte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand.
Im Jahre 2004 sind wieder Kämpfe zwischen der türkischen Regierung und der ehemaligen PKK aufgeflammt. Die PKK änderte April 2002 ihren Namen in KADEK, im November 2003 wiederum in KONGRA-GEL.
Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen werden mittlerweile von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Diese Einstufung ist jedoch nicht unumstritten, es gibt auch Stimmen, die sie als eine Befreiungsarmee ansehen.
Im Februar 1994 wurde die gewählte kurdische Parlamentarierin der DEP-Partei (Leyla Zana) unter dem Vorwurf verfassungsfeindlichen Handelns inhaftiert. Mitte 2004 wurden sie und drei weitere inhaftierte DEP-Abgeordnete, nach heftigem Druck der EU, freigelassen. Die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zustände in Kurdistan spielen bei den Beitrittsverhandlungen der Türkei zur Europäischen Union eine Schlüsselrolle.
Der Zypernkonflikt
Hauptartikel: Zypern-Konflikt
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten auf Zypern 120.000 Türken und 450.000 Griechen. 1955 nahm die Zyperngriechische Untergrundorganisation EOKA (unter General Grivas) ihren Kampf gegen die Britischen Kolonialherren auf. Sie verübten zunächst Anschläge gegen die Briten und dann auch gegen die Zyperntürken. 1959 einigten sich Großbritannien, Griechenland und Türkei, im Londoner Abkommen, auf die Gründung einer unabhängigen Republik Zypern unter griechischer und türkischer Volksbeteiligung. 1960 wurde die Republik Zypern, bestehend aus zwei gleichberechtigten Volksgruppen, gegründet. Schon wenige Jahre später stellt sich heraus, dass Teile der zyperngriechischen Bevölkerung, besonders Präsident und Erzbischof Makarios III., diese Zweistaatlichkeit nicht länger akzeptieren wollen. Bereits drei Jahre nach Republiksgründung versuchte Makarios, die Verfassung zugunsten der zyperngriechischen Volksgruppe zu ändern. Das führt zu innenpolitischen Spannungen und zu Angriffen der Zyperngriechen gegen die zyperntürkische Bevölkerung. Das Blutvergießen konnten auch UN-Friedenstruppen, die 1964 entsandt wurden, nicht verhindern. Nach dem Versuch Griechenlands, Zypern anzuschließen, intervenierte die Türkei am 20. Juli 1974 auf der Insel. Seitdem sind bis heute im Nordosten der Insel ca. 30.000 türkische Soldaten stationiert. Am 15. November 1983 wird die Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) proklamiert, die bis heute nur von der Türkei anerkannt ist.
siehe auch: Geschichte_Zyperns
EU-Beitrittsbestrebungen
1963 wurde zwischen der Türkei und der EWG ein Assoziationsabkommen geschlossen. In dem Vertrag wurde der Türkei eine Mitgliedschaft nach 17 Jahren in Aussicht gestellt. Nach dem Putsch am 12.September 1980 in der Türkei durch den General Kenan Evren wurde die in Aussicht gestellte Mitgliedschaft eingefroren. Am 1.Januar 1996 wurde zwischen der EU und der Türkei eine Zollunion eingeführt. Nachdem die damalige EG 1989 einen Antrag der Türkei auf Vollmitgliedschaft abgelehnt hatte, wurde auf dem EU-Gipfel in Luxemburg 1997 entschieden, dass die Türkei für einen Beitritt in Frage kommt. Am 11. Dezember 1999 bekam die Türkei offiziell den Beitrittskandidaten-Status zuerkannt. Auf dem Gipfel von Kopenhagen 2002 setzte die EU fest, dass im Dezember 2004 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen entschieden wird. Dazu muss die Türkei die Kopenhagener Kriterien erfüllen.
Ein wichtiger Grund für diesen Sinneswandel war der Beginn umfassender Reformen. Schon unter Ecevit wurde eine Zivilrechtsreform durchgeführt, die vor allem die rechtliche Stellung der Frau verbesserte. Die neue Regierung unter der Partei_für_Gerechtigkeit_und_Entwicklung_(Türkei) hat gleich zu Beginn ein Paket von Gesetzesänderungen vorgelegt, das u. a. die Abschaffung der Todesstrafe auch in Kriegszeiten, ein Verbot der Folter, das Ende der Straffreiheit für Polizisten, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit und Maßnahmen gegen die Unterdrückung der kurdischen Minderheit ebenso vorsieht wie den freien Gebrauch der kurdischen Sprache, Kurdischunterricht und kurdische Radio- und Fernsehkanäle.
Ein möglicher EU-Beitritt der Türkei ist in der EU sehr umstritten und neben vielen Befürwortern (z.B. der deutschen Bundesregierung) gibt es auch Regierungen mit einer ablehnenden Haltung.
Für eine Ablehnung der Türkei als Vollmitglied werden mehrere Gründe angeführt. In wirtschaftlicher Hinsicht bestehen in der Türkei erhebliche Defizite, so dass sich die Frage der Finanzierbarkeit stellt (vor allem im Hinblick auf Landwirtschaftssubventionen). Außerdem bestehen immer noch weitgehende Defizite in Menschenrechtsfragen, obwohl die gesetzlichen Grundlagen für eine Besserung teilweise geschaffen wurden. Viele stellen sich auch die Frage, wo die territorialen Grenzen der EU zukünftig liegen sollen, da die Türkei zum großen Teil auf dem asiatischen Kontinent liegt. Ein weiterer Grund für die ablehnende Haltung ist die Frage nach der Identität der EU: Manche Beitrittsgegner befürchten, dass durch den Beitritt der islamischen Türkei die Identität der EU als durch christlich-abendländische Traditionen geprägte Gemeinschaft schwinden könnte und somit die gemeinsame Basis für eine weitergehende politische Integration entfalle. Als weitere Gründe werden genannt: die Verwicklung der Türkei in den Zypern-Konflikt, der erst einige Jahre zurückliegende Bürgerkrieg mit der PKK.
Befürworter halten dagegen, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist und nicht eine Gemeinschaft, die sich in erster Linie auf den christlichen Glauben bezieht. Demnach spielt für die Aufnahme der Türkei einzig und allein die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien ein Rolle. Somit kann der islamische Glaube kein Ablehnungskriterium gegen den Beitritt sein, falls die Werte die im Kopenhagener Kriterien festgeschrieben sind in der Türkei rechtlich und gesellschaftlich umgesetzt werden. Zudem wird angeführt, dass politische Zusagen an die Türkei für eine Aufnahme in die EU bestehen und die EU nicht einfach ihre eigenen Versprechen ignorieren darf. Ein weiteres Argument der Befürworter ist, dass ein Beitritt zur EU die Demokratie und die Lage der Menschenrechte in der Türkei weiter stärken würde. Sie sehen darin ein wirksames Mittel, den islamischen Fundamentalismus weiter zurückzudrängen. Zudem hat die Türkei im Gegensatz zu vielen "Islamischen" Staaten eine längere Tradition der Westorientierung. Sie fing schon im Osmanischem Reich an und setzte sich verstärkt durch die Reformen, in der Zeit der Republiksgründung, durch Atatürk fort. Seit 2001 führt die Türkei weitere gesetzliche Reformen durch, um den europäischen Normen gerecht zu werden.
Im September 2004 wurde seitens einer Expertengruppe der EU die Feststellung getroffen, dass es in der Türkei heute "keine systematische Folter" mehr gebe. Mit der gleichfalls im September 2004 anstehenden Verabschiedung einer weitgehenden Strafrechtsreform wird die Rechtsstaatlichkeit der Türkei gefestigt.
Auch die USA haben den Staaten der EU eine Aufnahme der Türkei mehrmals nahegelegt. Die USA betrachtet einen möglichen Beitritt aus strategischer Sicht und erhofft sich, durch die Integration der Türkei in die EU einen geopolitischen Vorteil gegenüber den Anrainerstaaten im Nahen Osten zu erlangen.
Wirtschaft
Die Türkei ist eine gelenkte Volkswirtschaft, die in den letzten Jahren zunehmend dereguliert und privatisiert wurde. Der private Sektor wächst daher stetig und gewinnt zunehmend immer mehr an Bedeutung. Die Textilindustrie ist der wichtigste Industriesektor der Türkei. Seit 1996 besteht zwischen der Türkei und der EU eine Zollunion (51,6% der Exporte gehen in die EU).
Die dynamische Entwicklung der Wirtschaft wurde in den letzten zehn Jahren immer wieder durch schwere Wirtschaftskrisen (1994, 1999 und 2001) unterbrochen. Die letzte Krise wurde u.a. durch ein steigendes Leistungsbilanzdefizit und ein schwaches Bankensystem ausgelöst. Aufgrund dieser Probleme musste die Regierung die türkische Lira freigeben. Die ausländischen Schulden stiegen daraufhin (in Lira gerechnet) in unbezahlbare Höhen. Resultat war eine der schwersten Rezessionen der türkischen Geschichte.
Aktuelle Lage der wirtschaftlichen Entwicklung
Aktuelle Kennzahlen | |
---|---|
Bruttosozialprodukt *: | 6.700 Dollar (2003) |
Bruttoinlandsprodukt **: | 455.3 Mrd. $ (2003) |
Bruttosozialprodukt | 238 Mrd. $ (2003) |
Arbeitslosigkeit: | 9,2 % (offizielle Angaben) |
Inflation: | 12% (Jahresziel für das Jahr 2004) |
Schuldenstand | 134,4 Mrd. $ (Stand 2002) |
Verschuldungsgrad am BSP | 78,7 % (Stand 2003) |
* je Einwohner in Kaufkraftparität | |
** BIP in Kaufkraftparität |
Die wirtschaftliche Situation der Türkei stellt sich zurzeit immer noch sehr widersprüchlich dar. Einerseits besteht eine sehr große Kluft zwischen dem industrialisierten Westen und ihrer modernen Industrie (insbesondere den großen Metropolen) und dem agrarisch strukturierten und wenig entwickelten Osten. Der Großraum Istanbul erreicht beispielsweise 41% des durchschnittlichen Einkommens der EU 15, der Osten hingegen nur 7%. Diverse Projekte u.a. wie die großen Staudamm-Projekte (GAP-Projekt) sollen den Osten helfen, sich besser zu entwickeln.
Zudem gibt es innerhalb der türkischen Volkswirtschaft erhebliche strukturelle Probleme. So trägt die Landwirtschaft zum BSP lediglich 11,9 % bei, beschäftigt aber 40 % der Arbeitskräfte. Die Industrie trägt 29,6 % zum BSP bei und der Dienstleistungssektor 58,5 %. In der Industrie arbeiten 20,5% aller Erwerbstätigen und in der Dienstleistung 33,7%.
Eine weitere wirtschaftliche Herausforderung für die Türkei stellt der hohe Schuldenstand dar. Bezogen auf den BSP beträgt sie 78,7 % (Stand 2003). Damit bekleidet die Türkei gemäßen am Verschuldungsgrad weltweit den 22 Platz. Zum Vergleich der Verschuldungsgrad der EU-Länder Italien, Belgien und Deutschland betragen:
- Italien (106,4 %)
- Belgien (102 %)
- Griechenland (100,9%)
- Deutschland (64,2%).
Derzeitig konzentriert sich die Wirtschaftspolitik der Regierung auf die Inflationsbekämpfung. Die "chronische Inflation" in der Türkei erreichte zeitweise dreistellige Zahlen (1994/1995 betrug sie 150%), 2003 sank sie inzwischen auf 18,4 %, nach Schätzungen wird ca. 12 % in 2004 erwartet. Im Jahre 2005 ist eine Währungsumstellung geplant. Dann wird die Lira voraussichtlich sechs Nullen weniger haben.
Außenwirtschaftlich sucht die Türkei eine engere Einbindung an die EU und zugleich eine stärkere Einflussnahme auf die zentralasiatischen Turkvölker (u.a. Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan). Deutschland ist mit über 13 % (9,4 Mrd $) der Importe und ca. 17% (9,4 Mrd. $) der Exporte der größte Handelspartner der Türkei. Weitere wichtige Handelspartner sind die USA (Exporte 3,7 und Importe 3,4 Mrd. $), Großbritannien (Exporte 3,7 und Importe 3,5 Mrd. $), Italien (Exporte 3,2 und Importe 5,4 Mrd. $), Russland (Exporte 1,5 und Importe 5,4 Mrd. $) und Frankreich (Exporte 2,8 und Importe 4,2 Mrd. $).
siehe auch: Zentralasiatisch-Türkischer Gipfel, Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation
Wichtige Industriesektoren
Die Textilindustrie ist der wichtigste Industriesektor der Türkei und stellt zugleich den größten Anteil bei den Ausfuhren dar. Zunehmend gehen die türkischen Textilunternehmen dazu über, statt billiger Massenware, Markenmode zu produzieren und zu vertreiben. Daneben gewinnt die Automobilindustrie und die Elektronikbranche zunehmend an Bedeutung. In der Türkei werden derzeit 560.000 Autos produziert, von denen ca. 2/3 exportiert werden. Eine besondere Stärke wurde in den letzten Jahren die Produktion von Fernsehgeräten. Nahezu alle großen Markenhersteller lassen bei den drei türkischen Unternehmen Vestel, Beko oder Profilo-Telra bauen. Ein Drittel aller in Europa verkauften Fernseher wird in diesen Firmen hergestellt. Zuletzt hat aufgrund dieser Stärke Beko Electronic A.S. das traditionsreiche deutsche Unternehmen Grundig AG aufgekauft.
Die Investitionen von ausländischen Investoren in der Türkei liegen bei ca. 1 Mrd US-$ (2003). Obwohl diese Zahl im internationalen Vergleich nicht sehr hoch ist, gibt es dennoch nennenswertes größeres Engagement ausländischer Unternehmen. So lassen die Unternehmen MAN und DaimlerChrysler Busse in der Türkei bauen. Die BSH (Bosch-Siemens Hausgeräte) stellt am Rande von Istanbul Kühlschränke und Küchengeräte her. Das in Iskenderun gebaute Steinkohlekraftwerk ist das größte deutsche Investitionsprojekt, bei dem die Firmen Steag und RWE ca. 1,5 Mrd. US-$ investiert haben.
Überblick über die Entwicklung der türkischen Wirtschaft (seit 2000)
2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 (prognose) | |
BSP-Wachstum in % | +6,3 | -9,5 | +7,9 | +5,9 | +5,0 |
Inflation in % | 39,0 | 68,5 | 29,7 | 18,4 | 12 |
Staatsdefizit in % des BSP | 18,9 | 21,1 | 12 | 9,8 | 7,0 |
Die offiziellen Angaben zum BSP sind insbesondere im Falle der Türkei mit Vorsicht zu genießen. Da ein erheblicher Teil der Wirtschaftsleistung in der Schattenwirtschaft abläuft, kann diese durch die Behörden nicht erfasst werden. Daher dürfte die "wahre" volkswirtschaftliche Leistung der Türkei viel höher sein als die offiziellen Angaben.
Politik
Hauptartikel: Politisches System der Türkei
Nach der Verfassung aus dem Jahre 1982 ist die Türkei eine parlamentarische Demokratie mit einem relativ mächtigen Präsidenten und einer unabhängigen Justiz.
Das 550 Sitze umfassende Parlament wird alle fünf Jahre neu gewählt. Der Präsident wird für eine Amtsperiode von sieben Jahren vom Parlament gewählt, eine Wiederwahl ist nicht möglich. Seit den Parlamentswahlen von 2002 hat die konservative-islamische AKP die Mehrheit im Parlament und Recep Tayyip Erdogan ist Ministerpräsident.
siehe auch: Liste der Präsidenten der Türkei
Parteien
Die wichtigsten Parteien:
Name | Übersetzung | politische Richtung |
---|---|---|
Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP) | Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (derzeitige Regierungspartei) | islamisch-konservativ |
Demokratik Sol Partisi (DSP) | Demokratische Linkspartei | sozialdemokratisch, linksnationalistisch |
Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) | Partei der Nationalistischen Bewegung | nationalistisch |
Saadet Partisi (SP) | Partei der Glückseligkeit | islamistisch |
Anavatan Partisi (ANAP) | Mutterlandspartei | rechtsliberal |
Doğru Yol Partisi (DYP) | Partei des Rechten Weges | konservativ |
Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) | Republikanische Volkspartei | sozialdemokratisch, linksnationalistisch |
Demokrasi Halkın Partisi (DEHAP) | Demokratie-Partei des Volkes | kurdische Volkspartei |
Özgürlük ve Dayanışma Partisi (ÖDP) | Freiheit und Solidaritäts-Partei | sozialistisch |
Liberal Demokrat Partisi (LDP) | Liberaldemokratische Partei | liberal |
Ergebnis der Parlamentswahlen
Die Ergebnisse der letzten Wahl:
- AKP 34.3%
- CHP 19.4%
- DYP 9.6%
- MHP 8.3%
- ANAP 5.1%
- DSP 1.1%.
Aufgrund der 10%-Hürde schafften DYP, MHP, ANAP und DSP den Einzug ins Parlament nicht. Das schlechte Abschneiden der an der Regierungskoalition beteiligten Parteien DSP, ANAP und MHP lag vor allem in der schweren Wirtschaftskrise, die die Türkei in eine tiefe Rezession stürzte und viele Bevölkerungsgruppen in die Armut trieb.
Zusammensetzung des Parlaments (Stand Oktober 2003):
- AKP (Vors. Recep Tayyip Erdogan) 368 Abgeordnete,
- CHP (Vors. Deniz Baykal) 175 Abgeordnete,
- DYP (Vors. Mehmet Agar),
- 3 Abgeordnete; LDP 1,
- Unabhängige: 3 Abgeordnete;
Parteien | 1991 | 1995 | 1999 | 2002 |
---|---|---|---|---|
DSP | 11%/07 Sitze | 15%/76 Sitze | 22%/136 Sitze | 1.23%/0 Sitze |
MHP | 17%/62* Sitze | 8%/0 Sitze | 18%/129 Sitze | 8.33%/0 Sitze |
RP/FP/SP** | 17%/62* Sitze | 21%/158 Sitze | 15%/111 Sitze | 2.48%/0 Sitze |
ANAP | 24%/115 Sitze | 20%/132 Sitze | 13%/86 Sitze | 5.10%/0 Sitze |
DYP | 27%/178 Sitze | 19%/135 Sitze | 12%/85 Sitze | 9.55%/0 Sitze |
CHP | 21%/88 Sitze | 11%/49 Sitze | 9%/0 Sitze | 19.42%/177 Sitze |
AKP | - | - | - | 34.41%/365 Sitze |
*1991 gingen die RP und MHP gemeinsam in die Wahl um die 10% zu erreichen ihr gemeinsames Ergebnis ist hier separat für jede Partei aufgeführt
**1998 wurde die RP verboten und an ihre Stelle trat die FP.
Gewerkschaften
Gewerkschaftsbünde Türk-Is (gemäßigt, ca. 2,13 Mio. Mitglieder), DISK (links-orientiert, ca. 0,35 Mio. Mitglieder) Hak-Is (islamistisch, ca. 0,36 Mio. Mitglieder)
Nationalfeiertag
Der Nationalfeiertag am 29. Oktober ("Tag der Republik") erinnert an die Ausrufung der Republik durch Atatürk im Jahre 1923.
Weblinks
Offizielle türkische Webseiten
- Ausführliche Informationen über die Türkei (auf Deutsch) - Amt für Presse und Information der türkischen Regierung.
- Webseite des Türkischen Aussenministeriums - Turkish Ministry of Foreign Affairs
- Çankaya - Official presidential site (in Turkish)
- TBMM - Official parliamentary site (in Türkisch)
- Health Law - Health law (in Türkisch)
- Webseite des türkischen Kultusministeriums
Offizielle Webseiten
- Länderinformationen des Auswärtigen Amtes zur Türkei
- "World factbook" - Das "World factbook" der CIA mit Länderinformationen über die Türkei
sonstige Informationsquellen
- Türkische Impressionen - Marion Burc lebt seit über 10 Jahren in der Region Antalya und schreibt über das Leben in der Türkei aus der Sicht einer Deutschen.
- Aysens Homepage - Eine deutschsprachige Türkin stellt ihr Land vor.
- Türkisches Portal - zweisprachige Internetseite mit umfangreichen Türkeiinformationen.
- Turkey News
- Länderinformation Türkei - Spiegel Länderinformation Türkei