Praktikum
Der Begriff Praktikum bezeichnet die Vertiefung zuvor erworbener theoretischer Kenntnisse in praktischer Anwendung. Allerdings gibt es auch Ausbildungen/Studiengänge, die spezifische dafür vorgesehene Praktika voraussetzen. Als Praktikant galt im 16. Jahrhundert ursprünglich eine Person, die unsaubere Praktiken betreibt. Seit dem 17. Jahrhundert hat sich die heute gebräuchliche Bedeutung eingebürgert - dass es sich um jemanden handelt, der ein Praktikum absolviert. Praktika sind grundsätzlich Tätigkeiten zur Ausbildung oder Probe. Im Arbeitsleben kommt es jedoch auch immer häufiger vor, dass Praktikanten aus Kostengründen als Ersatz für reguläre Arbeitnehmer beschäftigt werden: der Begriff "Generation Praktikum" steht zugleich für verschiedenste Praktika hintereinander, ohne dass die (eher) ehrenamtliche Tätigkeit in eine bezahlte mündet. In bestimmten, geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereichen ist (und war) ein Berufseinstieg ohne die vorherige Ableistung unbezahlter Praktika kaum noch möglich.
84.155.98.120 13:58, 12. Sep. 2007 (CEST)== Arbeitswelt == Als Praktikum wird innerhalb der Personalwirtschaft eine Tätigkeit bezeichnet, die im Rahmen der beruflichen Ausbildung (auch Studium) praktische Erfahrungen im künftigen Beruf vermitteln soll. In der Berufsorientierung in der Schule, die im Rahmen des Faches Arbeitslehre (in einigen Bundesländern unter anderer Fächerbezeichnung) curricular eingeordnet ist, sollen Betriebspraktika, möglichst in der Kombination mit Betriebserkundungen, den Schülern in zwei- bis vierwöchigen Betriebstätigkeiten helfen, ihren Berufswunsch praktisch zu erfahren und zu kontrollieren und ggf. eine Korrektur des Berufswunsches vorzunehmen. Deshalb ist es wichtig, ein Praktikum im Wunschberuf anzubieten; daneben helfen Kontrollpraktika, Alternativen kennenzulernen. In dieser Zeit lernen die Schüler auch die Realitäten beruflich/betrieblicher Tätigkeiten und die Bedingungen der Ausbildung kennen. Ein Praktikum kann im Rahmen eines Betriebspraktikums bei einem Betrieb stattfinden, in Hochschulen kann dies auch im Rahmen eines Kurses der Fall sein. Praktika sind auch Bestandteil einer von der Bundesagentur für Arbeit angebotenen Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) im Rahmen des SGB III.
Der weit verbreiteten Auffassung, dass Praktikanten unentgeltlich zu arbeiten haben, widerspricht die Rechtsprechung. So hat das hessische Landesarbeitsgericht bereits 1999 in einem entsprechenden Verfahren festgestellt, dass Praktikanten gemäß Berufsbildungsgesetz (BerBiFG) grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Bezahlung haben (Link unten). Dies gilt insbesondere, wenn der Praktikant Arbeiten verrichtet, die berufstypisch für eine reguläre Fachkraft gelten. Die entsprechende Entlohnung hat sich dann theoretisch an den verkehrsüblichen Gehältern zu orientieren. Oft bemisst sie sich nach dem Lebensalter des Praktikanten.
Bei zunehmender Arbeitslosigkeit ist das oft Theorie. Viele sind letztlich froh, überhaupt genommen zu werden. Praktikantenvergütungen verglichen mit vor zehn, zwanzig Jahren, sind gekürzt oder entfallen: und das ohne vergleichbare Chance auf nachfolgende Beschäftigung / Anstellung. Inzwischen ist in Deutschland deshalb von einer "Generation Praktikant" die Rede.
Praktikanten, die Unterhaltssicherungsleistungen der Arbeitsagentur erhalten, haben während eines Betriebspraktikums im Rahmen von öffentlich finanzierten Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen keinen gesonderten Anspruch auf eine Vergütung, da der Lebensunterhalt für ihre berufliche Bildung bereits finanziert wird.
Am 8. Januar 2003 entschied das Arbeitsgericht Berlin (AZ 36 Ca 19390/02), dass ein Arbeitsverhältnis sich nicht nach der Bezeichnung, sondern nach dem Inhalt qualifiziert. Das Bundesarbeitsgericht kam in einer Entscheidung vom 13. März 2003 (6 AZR 564/01) zu dem Schluss: "Praktikant ist, wer sich für eine vorübergehende Dauer zwecks Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit und Ausbildung, die keine systematische Berufsausbildung darstellt, im Rahmen einer Gesamtausbildung unterzieht, weil er diese für die Zulassung zum Studium oder Beruf, zu einer Prüfung oder anderen Zwecken benötigt."
Sozialversicherungspflicht
In Deutschland sind Praktikanten in der Regel - unabhängig von der Höhe des Entgelts - Sozialversicherungs-befreit, wenn
- sie ein Praktikum gemäß Studien- oder Prüfungsordnung ableisten und
- sie während des Praktikums an einer ordentlichen Hochschule oder Fachhochschule eingeschrieben sind (das gilt auch für Ausländer, die an einer Hochschule im Ausland eingeschrieben sind).
Ein Praktikum ist sozialversicherungspflichtig, wenn es die Studien- und Prüfungsordnung der Hochschule nicht abdeckt.[1] Alle anderen Praktikanten sind sozialversicherungspflichtig, wenn das monatliche Entgelt 400,00 EUR übersteigt (Geringfügigkeitsgrenze).
Schule
Grundsätzlich wird man zwischen verschiedenen Arten von Praktika in der Schule unterscheiden müssen:
- Das Praktikum zum Sammeln von Informationen über Fächer oder berufliche Strukturen
- Das Praktikum zur (ersten) beruflichen Orientierung des Schülers/Praktikanten (Wahrnehmung, Bewertung, Entscheidung)
- Das Praktikum als Bestandteil der Ausbildung im Rahmen einer beruflichen Qualifizierung.
Zudem unterscheidet man gerne zwischen dem angeleiteten und dem nicht begleiteten Praktikum. Pädagogisch gelten die angeleiteten naturgemäß als die wertvolleren Praktika (der Lerneffekt ist planbar bzw. überschaubar). Voraussetzung ist jedoch so etwas wie ein Prakikumskonzept (der Schule, die die Anleitung übernimmt). Günstig im Hinblick auf den Lernzuwachs des Praktikanten ist auch eine gute Kommunikation zwischen Praxiseinrichtung und Schule. Der Praxisanleiter in der Einrichtung sollte Erfahrung im Anleiten haben. Kann dies nicht gewährleistet werden, ist der Kontakt zwischen Schule und Praxis umso wertvoller. Die Schule sollte dem Praktikanten nach dem Praktikum Unterstützung bei der Reflexion seiner Erfahrungen gewähren; das schließt auch die Kommunikation zwischen den Praktikanten ein. Sie ist mitunter ebenso bedeutsam für die Orientierung des Schülers wie die pädagogischen Bemühungen des Praxiskoordinators.
In naturwissenschaftlichen Fächern sind Praktika zum einen Stunden, in denen Experimente veranstaltet werden. In Baden-Württemberg geschieht dies in manchen Klassenstufen sogar in einem eigenen Schulfach.
In vollzeitschulischen Ausbildungen im berufsbildenden Schulbereich (z. B. Abschluss Erzieherin) sind lange Praktika nicht wegzudenken. Sie bilden einen wesentlichen Teil der Ausbildung. Man unterscheidet Tages-, Wochen und Jahrerspraktika. Auch ein Teil der im Unterricht vorbereiteten Projekte kann an Praxiszeiten gekoppelt werden. Unterricht stützt sich u.a. auf die Erfahrungen der Schüler/innen, Student/innen in den Praktika. Das Anerkennungsjahr (Berufspraktikum, Jahrespraktikum) bildet den Schluss der Ausbildung. Zum Ende des Berufspraktikums findet der zentrale Teil der Abschlussprüfung in der Einrichtung statt, in der das Praktikum geleistet wurde - die Bewährung erfolgt damit also bereits im Berufsfeld. In der Erzieher/innen-Ausbildung begleiten bzw. betreuen Lehrkräfte der Schule Praktika; im Praktikum erfolgen Reflexion von Handlungsweisen und Situationen und die Erledigung von Aufgaben der Schule - wenn möglich mit Unterstützung des Praxisanleiters/der Anleiterin in der Praxisstelle.
Viele allgemeinbildende Schulen bieten in den oberen Klassen die Möglichkeit, im Rahmen eines Praktikums in einem Betrieb mehr über Berufe und die Arbeitswelt zu erfahren (z.B. BOGY).
Einen besonders großen Stellenwert haben Praktika an Waldorfschulen. Die Klassen 9 bis 12 absolvieren zumindest ein Landwirtschaftspraktikum, ein Feldmesspraktikum (angewandte Mathematik) und ein Sozialpraktikum von jeweils zwei bis vier Wochen Länge. Viele Waldorfschulen bieten noch weitere Möglichkeiten für Betriebspraktika, zum Teil verbunden mit Elementen der Berufsausbildung bis hin zu anerkannten Berufsabschlüssen, die parallel zum Waldorfschulabschluss und staatlichen Schulabschlüssen erworben werden. In Haupt- und Realschulen findet das Praktikum meist in der 9. Klasse, manchmal auch zusätzlich in der 8. Klasse, statt; in Gymnasien in der 9., 10. oder 11. Klasse. Für Schüler ist es sehr wichtig einen Blick in das Arbeitsleben zu werfen.
Spezielle Praktika
- Famulatur - vier-/zweimonatiges Praktikum der Medizinstudenten bzw. der Pharmaziestudenten
- Volontariat - Praktikum bzw. Ausbildung von Journalisten in einer Redaktion
Literatur
- Nöhmeier, Nadine; Keller, Heidi; Rippler, Stefan (Hrsg.) und clash jugendkommunikation (Hrsg.) (2005): PraktikumsKnigge - Leitfaden zum Berufseinstieg, clash jugendkommunikation, ISBN 3980990508.
- Norbert Kühne: Praktikantinnenbetreuung, in: Katrin Zimmermann-Kogel, Norbert Kühne: Praxisbuch Sozialpädagogik - Arbeitsmaterialien und Methoden, Band 1, Bildungsverlag EINS, Troiedorf 2005; ISBN 3-427-75409-X
- Püttjer, Christian und Schnierda, Uwe (2006): Bewerben um ein Praktikum, Campus Verlag, ISBN 3593378159.
- Steffen Kraft: Generation Praktikum - Mehr Mut, mehr Wut. In: Süddt. Ztg. vom 02.05.2006
- Lothar Beinke, Das Betriebspraktikum,Bad Heilbrunn 2.Auflage, 1978,Verlag Julius Klinkhardt ISBN 3-7815-0328-3
- Lothar Beinke u.a., Bedeutsamkeit der Betriebspraktika für die Berufsentscheidung, Bad Honnef 1996,Vlg. K.H.Bock,ISBN
3-87066-400-2
Weblinks
- Service-Portal für Praktikanten
- Praktikum - ArbeitsRatgeber mit Verhaltenstipps, Adressen und weiterführenden Informationen
- Praktikum in die NiederlandeNur für internationale Studenten.
Fußnoten
- ↑ Rechtsgrundlage: SGB V §6 Abs. 1.3 http://bundesrecht.juris.de/sgb_5/__6.html