Geschichte Lörrachs

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Die Geschichte Lörrachs lässt sich bis zur Urgeschichte durch Spuren menschlicher Besiedlung dokumentieren. Erste Erwähnung erfuhr Lörrach im Jahr 1102, das Marktrecht erlangte Lörrach im Jahr 1403. Erst 1682 erhielt Lörrach das Stadtrecht durch Friedrich Magnus von Durlach und hat damit, verglichen mit seinen Teilorten und anderen Ortschaften der Region, eine verhältnismäßig junge Geschichte. Der Ort entwickelte sich jedoch wegen der Nachbarschaft des dominierenden Basel kaum und behielt bis zur zweiten Stadterhebung weitgehend seinen dörflichen Charakter. Auch die Geschichtsschreibung erwähnte Lörrach bis zum Spätmittelalter selten, so dass man die Entwicklung Lörrachs oftmals von der Basels ableitet. 1756 wurde das Stadtrecht erneuert, nachdem es durch diverse kriegerische Ereignisse in Vergessenheit geraten war.

Im 19. Jahrhundert war Lörrach Schauplatz der Märzrevolution in Deutschland, wo im September 1848 der zweite Badische Aufstand niedergeschlagen wurde. Die Stadt verdankt den Aufschwung zur Zeit der Industrialisierung der Lage am Fluss Wiese und der günstigen Verkehrslage an der Nord-Süd-Achse. Vor allem in der textilverarbeitenden Industrie erlangte Lörrach weit über die Region hinaus Bekanntheit. Zur wechselvollen Geschichte der heutigen Stadt Lörrach gehört auch die wechselnde Zugehörigkeit zu verschiedenen Adelsgeschlechtern. Teile des heutigen Lörrach gehörten zu Vorderösterreich, später dann zum Land Baden; seit 1952 gehört es zu Baden-Württemberg.

Ursprünge der Besiedlung und Römerzeit

Urgeschichte

 
Feuersteinbeil aus der Jungsteinzeit

Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung im Raum Lörrach wurden mithilfe von Lößablagerungen in Wyhlen am Hochrhein gefunden. Die Werkzeuge stammen aus der älteren Steinzeit. Funde in den Höhlen des Isteiner Klotzes aus der mittleren Steinzeit (vor etwa 6000 Jahren) weisen auf Bergbauaktivitäten und Rentierjäger hin. Die Funde auf Lörracher Gemarkung beginnen mit der Jungsteinzeit, mit einer Periode, in der sich beim Übergang zur Sesshaftigkeit dorfähnliche Siedlungen gebildet haben. Damit einhergehend entwickelten sich Ackerbau, Viehzucht sowie Steinschleiferei und Keramikherstellung. Archäologische Funde von Steingeräten im Homburger Wald, in der Moosmatte im heutigen Stetten und im Dalcher Boden in Tüllingen deuten auf Wohnplätze hin. Aus der Eisenzeit (die Hallstattzeit dauerte etwa von 800 bis 400 v. Chr.) kennt man eine große Zahl von befestigten Höhensiedlungen und Hügelgräbern, die man auf dem Grenzacher Horn, dem Schädelberg, Hünerberg und im Homburger Wald fand.[1]

Im 1. Jahrhundert v. Chr. siedelten sich in den Tälern der Nebenflüsse des Rheins die Kelten vom Stamm der Helvetier an. Viele geografische Bezeichnungen von Bergen, Flüssen und Orten entstammen der keltischen Sprache, wie beispielsweise der Rhein, der aus dem keltischen Rhennos = der Strömende entstand. Spuren keltischer Siedler findet man auch in Herten, Wyhlen und Inzlingen. Bei der Kreuzeiche östlich von Lörrach gibt es eine keltische Viereckschanze aus der La-Tène-Zeit, die kultischen Zwecken diente.[2]

Römerzeit

 
Grundmauern des römischen Gutshofs auf Lörracher Gemarkung

Mehrere Jahrhunderte lang gehörte die Region zwischen Rhein und Limes dem Römischen Reich an. Unter Kaiser Augustus begann die Expansion des Römisches Reiches mit der Besetzung des linken Rheinufers. Um etwa 70 n. Chr. unter Kaiser Claudius wurde die Romanisierung über das rechtsrheinische Hoch- und Oberrheinland bis hin zum Limes fortgesetzt. Dies leitete das Ende der keltischen Selbstständigkeit und der Latènekultur ein. Dieses südwestdeutsche römische Gebiet wurde als Zehntland (lat.: Agri decumates) bezeichnet. Auffällig ist, dass im Gegensatz zum Raum Basel, dem südlichen Oberrheingebiet und dem Hochrheintal auf der Gemarkung Lörrach nur geringe Zeugnisse der römischen Zeit zu finden sind. Das vordere Wiesental sowie der Dinkelberg gehörten noch nicht zum Interessensbereich der römischen Eroberer. Spuren der Römerzeit findet man lediglich im heutigen Stetten und Brombach. Rom beschränkte sich zunächst darauf, den Ausbau und die strategische Sicherung der Frontlinie (DonauKaiserstuhl) im Hinterland mit Kastellen zu gewährleisten. Mittelpunkte römischer Kultur südlich des Rheins waren Vindonissa (heute Windisch) bei Brugg, Basilea (Basel) und Colonia Augusta Rauracorum (Augst). Von dem 40 v. Chr. gegründeten Augusta Rauracorum führten zwei Brücken über den Rhein. Kaiser Trajan ließ um 100 n. Chr. eine Straße von Augst über Haltingen und Efringen bis nach Heidelberg und Mogontiacum (Mainz) erbauen. Die wichtigeren Straßen der Römer verliefen jedoch linksrheinisch. Rhein und Bodensee bildeten 300 n. Chr. zwischen Römern und Alemannen eine Grenze, an der es immer wieder zu wechselvollen Kämpfen beider Völker kam.[3]

 
Fundstücke aus der Römerzeit

In Lörrach selbst, wo der Romanisierungsprozess erst später einsetzte, findet man in landschaftlich bevorzugter Lage ein römisches Landgut, eine sogenannte Villa rustica. Die ausgegrabenen und restaurierten Grundmauern dieser Villa sind bis heute das einzig entdeckte Zeugnis römischer Bauten. Erst mit dem Durchbruch der römischen Verteidigungslinien im Jahr 260 n. Chr. durch die Alemannen wurden die Römer zurückgedrängt. In den folgenden Jahrhunderten besiedelten die Alemannen den südwestdeutschen Raum. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Siedlungen (z. B. Grenzach, Wyhlen, Basel, Weil, Haltingen, Brombach, Lörrach, Stetten), die bis heute noch bestehen. Auf vielen Gebieten wirkte der römische Einfluss jedoch noch weiter, unter anderem in der Landwirtschaft und im Weinbau. Spätestens mit dem Tod des römischen Stadthalters Aëtius im Jahr 454 kann die römische Herrschaft nördlich der Alpen als beendet angesehen werden.

Mittelalter

Frühmittelalter

Die meisten Dörfer im südwestdeutschen Raum mit den Endungen -ingen, -heim, -ach, -bach, -weil und -stetten entstanden im 6. und 7. Jahrhundert. In einer zweiten Besiedlungswelle wurde auch das obere Wiesental bis Todtnau erfasst. Um 500 n. Chr. gerieten die Alemannen unter die Herrschaft der Franken. Im Jahr 746 wurden sämtliche Führer der Alemannen auf Befehl von Pippin dem Jüngeren und Karlmann im sogenannten Blutgericht zu Cannstatt erschlagen. Auf dem Gebiet Lörrachs gibt es zahlreiche Anhaltspunkte für die Besiedlung in der Merowingerzeit. Die Ortsteile Tumringen, Tüllingen und Hauingen zeugen allein durch die Namensgebung von der frühen Gründung. Stetten, früher als Stetiheim bezeichnet, spricht für eine Ausbauzeit im 7. Jahrhundert. Um 600 verkündete der heilige Fridolin das Christentum. Die Ortschaft Zell war damals eine Cella der Fridolinsmönche. Das vom Kloster Säckingen gegründete Stetten fand im Jahr 763 zum ersten Mal urkundliche Erwähnung, weshalb die Kirche von Stetten auch dem Heiligen St. Fridolin geweiht wurde. Als Stiftslehen unter habsburgischer Schutzherrschaft wurde Stetten Vorderösterreich zugesprochen und blieb so nach der Reformation katholisch. Eine Urkunde vom 7. September 751 dokumentiert die Schenkung von einem Herrn Ebo und seiner Gemahlin Odalsinda an das Kloser St. Gallen. Im Text ist auch von einer Kirche in Rötteln (ecclesia Raudinleim) die Rede.[4][5] Verfasser dieser Urkunde war ein Priester Landarius von der Kirche zu Rötteln. Von St. Blasien aus wurden Propsteien gebildet (1100 in Weitenau, 1126 in Bürgeln und Sulzburg) und ein Frauenkloster in Sitzenkirch. Die enorme Erweiterung der Besitztümer verhalfen dem Kloster St. Blasien damit zu politischem und geistigem Einfluss und machten es weit über die Region bekannt. Im 12. und 13. Jahrhundert gewann auch das Dorf Lörrach an Bedeutung.

Erste Erwähnung von Lörrach bis zum Ende der Herren von Rötteln

Im Jahr 1083 gründete der Bischof von Basel Burkhard von Hasenburg das Cluniazenser-Kloster St. Alban. Bischof Burkhard, der 35 Jahre Bischof von Basel war, unterstützte während des Investiturstreits König Heinrich IV. auf seinem Gang nach Canossa im Jahr 1077. Wegen der Treue Burkhards zu Heinrich hatte dieser das Bistum Basel mit Privilegien und Schenkungen zu stärken versucht. Bischof Burkhard seinerseits sicherte sein bischöfliches Territorium in Basel durch den Bau einer Stadtmauer rund um die Stadt.

Aus dieser Zeit datiert die schriftliche Erstnennung Lörrachs im Jahr 1102, an die auch bei Jubiläumsfeierlichkeiten erinnert wurde. Aus dem Gründungsbericht des Klosters St. Alban geht hervor, dass Bischof Burkhard den Freiherrn Dietrich von Rötteln zum Schirmvogt des rechtsrheinischen Besitzes ernannte. Wörtlich heißt es in der Urkunde:

Lorach cum ecclesia omnibusque suis appenditiis […], also: Lörrach mit seiner Kirche und allen Zugehörungen; gemeint sind damit beispielsweise Äcker, Wiesen und Weinberge.
 
Karte Alamanniens und Hochburgunds um das Jahr 1000

Die Aufzählung umfasst des Weiteren die Kirchen in Hauingen, Biesheim und die Martinskirche in Basel. Fraglich bleibt, wieso die Erwähnung von Lörrach so spät erfolgte, zumal die umliegenden Nachbarorte in den karolingischen Urkunden der Klöster Lorsch und St. Gallen deutlich früher erwähnt wurden. Die plausibelste Theorie dafür ist, dass die Besitztümer in Kleinbasel und Lörrach von Heinrich IV. erst im Verlauf des 11. Jahrhunderts an den Basler Bischof gelangten. Dies würde erklären, wieso der archäologisch altbesiedelte und wahrscheinlich auch mit einem vormittelalterlichen Ortsnamen behaftete Ort nicht in den Urkunden vorkommt. Urkunden sind nur dort erhalten, wo etwas geschenkt wurde.[6]

Die Geschichte der Freien Herren von Rötteln ist stark mit derjenigen Lörrachs verbunden. Die genaue Herkunft des Adelsgeschlechts der Herren von Rötteln ist nicht bekannt. Erstmalig erwähnt wurden sie 1103; in diesem Jahr erhielt ein gewisser Dietrich von Rötteln die Vogtei über die Güter des jungen Klosters St. Alban in Basel übertragen. Durch diese Erbschaft fielen den Herren von Rötteln weite Teile der Besitztümer der Herren von Waldeck zu. Man geht davon aus, dass die Herren von Rötteln damals bereits die Burg und die Kirche von Rötteln besaßen.[7] Die Besitztümer der Herren von Rötteln müssen eine solide Basis gehabt haben, die ihnen auch starken Einfluss im Bereich des Bistums Basel und teilweise auch im Bistum Konstanz ermöglichte. Das Geschlecht der Herren von Rötteln bekleidete vornehmlich kirchliche Ämter, teilweise als Domherren, teilweise als Bischöfe. Was Dietrich von Rötteln, der wohl bis 1123 gelebt hat, alles besaß, lässt sich aufgrund mangelnder Schenkungsurkunden in den ersten Generationen kaum rekonstruieren.

Im 12. Jahrhundert beteiligten sich die Herren von Rötteln – Dietrich II. (1147) und Dietrich III. (1189) – am Zweiten bzw. Dritten Kreuzzug unter Kaiser Barbarossa und starben. Vorübergehend hauste ein Zweig auf der kleinen Burg Rotenberg bei Wieslet im kleinen Wiesental. Diese beiden Linien waren jedoch verfeindet und standen sich auch bei Kämpfen gegenüber. Bei diesen Auseinandersetzungen bildeten sich zwei Fraktionen. Die Grafen von Habsburg wie auch die von Pfirt und Eptingen schlugen sich auf die Seite des staufischen Kaisers Friedrich II.. Die Herren von Rötteln sowie die Markgrafen von Hachberg ergriffen Partei für die papsttreuen Psitticher. 1238 wurde Liutold I. von Rötteln Bischof von Basel.[8] Auch Liutold konnte sich der großen politischen Auseinandersetzungen nicht entziehen und unterstützte die Partei der Gegner Friedrichs II., der zwischenzeitlich in schwere Kämpfe mit dem Papsttum verwickelt war. Damit stand das Handeln Liutolds im Gegensatz zur Basler Bürgerschaft und die nahezu bügerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Bischof führten dazu, dass er 1248 zurücktreten musste.

1259 wurde die Burg Rötteln erstmalig in einer Urkunde erwähnt. Das geschah unter Konrad I. von Rötteln, der auch Schopfheim zur Stadt erhob. Wahrscheinlich bestand die Burg aber schon im 11. Jahrhundert. Das Geschlecht der Röttler begann in dieser Zeit auszusterben. Liutold II. von Rötteln († 19. Mai 1316), der Basler Bischof hätte werden sollen, war letzter männlicher Vertreter und schenkte 1315 die Rechte an der Röttler Herrschaft dem Markgrafen Heinrich von Hachberg-Sausenberg, Rudolf I. von Hachberg-Sausenberg und der Erbtochter Agnes von Rötteln. Nach dem frühen Tod Heinrichs (1318) übernahmen die Brüder Rudolf II. und Otto gemeinsam die Regierung der vereinigten Herrschaften Rötteln und Sausenberg und der Sitz wurde von der kleinen Sausenburg auf die Burg Rötteln verlegt. Ab diesem Zeitpunkt bezeichneten sie sich als Markgrafen von Hachberg, Herren zu Rötteln und Sausenberg oder kurz Markgrafen von Rötteln.

Spätmittelalter

 
Lörrach im Spätmittelalter

Aus Rekonstruktionen lässt sich schließen, dass die Ortsbildung von Lörrach von seiner Straßenlage bestimmt war. Entlang des Talbodens verläuft die alte Wiesentalstraße, die früher von Basel über Riehen nach Schopfheim führte – in der heutigen Innenstadt deckt sie sich mit der Basler Straße, um sich dann nach leichter Krümmung hinter dem Lörracher Marktplatz in der Turmstraße fortzusetzen. Am Marktplatz trifft sie rechtwinklig auf die Wallbrunnstraße, die Richtung Dinkelberg führt. Die heutigen Straßen orientieren sich im Wesentlichen an den alten Verkehrswegen. Damals gab es südlich von der heutigen Herrenstraße eine Burganlage, nach der sich die Herren von Lörrach nannten. Die Lörracher Burg war eine Wasserburg wie diejenigen in Inzlingen, Grenzach und anderen Orten. Die Burg lag am Westrand der Wiese und bestand seit Anfang des 14. Jahrhunderts. Es war ein einfacher Wohnbau mit doppeltem Mauerring mit dazwischen liegendem Wassergraben. Ein südlich der Burg befindlicher Weiher wurde nach 1595 trockengelegt. Das Dorf Lörrach wurde nördlich durch die heutige Teichstraße begrenzt. Der älteste Dorfkern befand sich vermutlich am Fuße des Hünerbergs im Ufhabi, entlang der Wallbrunnstraße westlich vom Markt. Dort war auch der Viehmarktplatz (heute Engelplatz). Das Gebiet dazwischen scheint nicht geschlossen bebaut gewesen zu sein.[9] Man kann davon ausgehen, dass diese Situation das ganze Mittelalter hindurch währte, da in dieser Epoche nur wenige bauliche Erweiterungen vorgenommen wurden.

Das 14. Jahrhundert war geprägt von sich wandelnden Herrschaftsverhältnissen und Streitigkeiten um das Erbe. Dass man Burgen in viele Anteile zerschlagen und gemeinsam genutzt hatte ist bekannt (Ganerbschaft). Der Burgfrieden – also eine vertragliche Vereinbarung der einzelnen Burgbesitzer – gehört zu den kompliziertesten Urkundenformen jener Zeit. Einen solchen Burgfrieden schlossen auch die Markgrafen Rudolf und Otto von Hachberg mit Luitold und seinem Sohn Heinrich von Krenkinger. Der Streit um Brombach währte viele Jahre, bis das Basler Erdbeben im Jahr 1356 auch die Burgen von Brombach und Oetlikon (Ötlingen) zerstörte. Auch die Burg Rötteln dürfte in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Die Brombacher Burg wurde allerdings wieder aufgebaut und gehörte unangefochten zur hachbergischen Herrschaft.

Im Herbst 1332 belagerte ein Basler Heer die Burg Rötteln, ohne sie jedoch einnehmen zu können. Ursache dafür war, dass der Markgraf (vermutlich Rudolf II.) im Streit einen Basler Bürgermeister erstochen hatte. Aus der Chronik geht der Grund für diese Streitigkeit jedoch nicht hervor. Trotzdem genoss der Hachberger nach wie vor die Sympathien des Basler Landadels, so dass es zu keinen dauerhaften Spannungen kam.

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verschwand das Geschlecht der Herren von Lörrach aus dem Ort. Ein Teil blieb in Basel als Beamte, ein anderer Teil übernahm die Herrschaft Biberstein im Berner Gebiet. Nach den Herren von Lörrach gehörte die Burg und das dazugehörende Land verschiedenen Besitzern. Am 28. März 1638 ging die Burg in Flammen auf,[10] deren Reste wurden erst 1720 beseitigt. Auf dem ehemaligen Burggelände entstanden mehrere Bauten: ein großer Herrschaftsspeicher und Keller, die Hofküferei (heute Museum am Burghof) sowie das Burgvogteigebäude (heute Hauptzollamt).

Am 26. Januar 1403 erteilte König Ruprecht von der Pfalz dem Markgrafen Rudolf III. von Hachberg-Sausenberg das Recht,[11] am Mittwoch vor St. Michael (29. September) im Dorf Lörrach einen Jahrmarkt zu veranstalten und dazu einen Wochenmarkt an jedem Mittwoch. Da Lörrach im Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen lag, war dieses Marktrecht, welches 1452 von Kaiser Friedrich III. bestätigt wurde, von großer Bedeutung.[12]

In dieser Zeit entwickelte sich auch das benachbarte Basel, zu dem die Markgrafen von Hachberg-Sausenburg in enge Beziehungen hatten. Sie besaßen am Rheinsprung ein Haus. Im Jahr 1400 wurde Basel freie Reichsstadt, in der die Zünfte das Regiment führten. 1431 bis 1449 fand in Basel das Konzil statt, das stellte die Stadt vor Versorgungsprobleme stellte. Teilnehmer aus dem ganzen Reich und aus Italien mussten verpflegt werden, was zu einer Verknappung und Verteuerung von Lebensmitteln führte. Eine Erntekatastrophe 1437 belastete die Wirtschaft zusätzlich. Zu Ostern des Jahres 1439 brach die Pest aus, die im überbevölkertem Basel und unter den Konzilsteilnehmern wütete. Im August 1444 näherten sich die Truppen des französischen Dauphins Ludwig, die sogenannten Armagnaken,[13], Basel, mit denen die Stadt den Kampf aufnahm. Sie plünderten auch im Wiesental, zogen sich nach der Schlacht bei St. Jakob an der Birs von der Stadt zurück und fielen ins Elsass ein. Bei all diesen Ereignissen war von Lörrach oder den markgräflichen Orten nicht die Rede. Die wenigen Urkunden, die aus den Jahren vorhanden sind, verraten nichts von den Katastrophenzeiten. Aus den Schenkungs- und Pachtverträgen geht nicht hervor, ob sie aus Not geschahen oder Routineangelegenheiten waren. 1473 begannen die Schweizer die Abwehr gegen Herzog Karl den Kühnen von Burgund. Am Kampf gegen ihn beteiligten sich auch Markgräfler in der Schlacht von Murten 1476. Die Markgräfler Bauern versammelten sich jeweils um den 1. Mai in Wehr und Waffen als „Landschaft“ auf dem „Sausenhard“, dem alten Landsgemeindefeld bei Mappach. Im sogenannten Schwabenkrieg 1499 zwischen Kaiser Maximilian I. und der Eidgenossenschaft wurden auch die Bauern der Markgrafschaft in der Schlacht bei Dornach eingesetzt. Die Eidgenossen siegten, was am 22. November dieses Jahres zum Frieden zu Basel führte. Am 13. Juli 1501 schloss sich Basel endgültig der Eidgenossenschaft an. 1521 sagte sich die Stadt politisch ganz vom Bischof los; es herrschte ein reines Zunftregiment.

Frühe Neuzeit

Reformation im Markgräflerland

Die ältesten erhaltenen Kirchen im Wiesental sind neben der Schopfheimer Kirche die Kirche von Rötteln, die am 7. September 751 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Sie wurde 1401 durch Markgraf Rudolf III. von Hachberg-Sausenberg neu errichtet, nachdem sie durch das Basler Erdbeben zerstört worden war. Der Turm der Lörracher Kirche stammt laut Inschrift aus dem Jahr 1517. 1736 wurde die Kirche erweitert und in den Jahren 1815 bis 1817 eine neue Kirche im Weinbrennerstil an den alten Turm angebaut. Die Reformation in Basel wurde im Jahr 1529 durch Johannes Oekolampad herbeigeführt. Das 16. Jahrhundert war dort die Hochblüte der Universität, des Humanismus, der Kunst, der Wissenschaft und des Buchdrucks. Der Humanist Erasmus von Rotterdam lehrte seit 1521 an der Basler Universität und lebte mehrere Jahre in Basel, wo er 1535 starb und im Basler Münster beigesetzt wurde. Auch der Basler Buchdrucker Johann Froben trug zur Reformation bei, indem er die Schriften Luthers druckte und verkaufte.

Seit 1102 lag das Recht auf Besetzung der Lörracher Pfarrstelle in den Händen des Klosters St. Alban in Basel. Dieses Recht ging am 1. April 1529 auf den Basler Magistrat über, was auf die von Oekolampad verfasste Reformationsordnung zurückgeht.[14] Die erste evangelische Predigt wurde in Lörrach am 21. Januar 1556 von Ulrich Koch gehalten. Dieser wurde von dem Antistes am Basler Münster, Simon Sulzer, einem Schüler von Oekolampad, berufen. Predigt und Gesang fanden in der volkstümlichen deutschen Sprache statt, nicht mehr in Latein. Mit dieser Predigt schloss sich die Herrschaft von Rötteln am 1. Juni 1556 der Reformation an. Seit 1682 waren die evangelischen Pfarrer von Lörrach zugleich Spezialsuperintendenten der Diözese Rötteln. Auf Rötteln befand sich die Kapitel- und Lateinschule; das spätere Pädagogium war in Lörrach. Katholisch blieb das obere Wiesental (Zell, Schönau, Todtnau), welches ebenso wie Stetten seit dem 14. Jahrhundert zum vorderösterreichischen Besitz gehörte. Im Bauernkrieg 1525 wurden alle Klöster geplündert und einige Schlösser erobert. Unter Markgraf Ernst besetzten die Bauern die Burg Rötteln.

Dreißigjähriger Krieg

 
Burg Rötteln in einer Darstellung von 1643

In den Jahren 1610 und 1629 wütete die Pest. Die Bevölkerung litt in den langen Kriegsjahren unter Raub und Brandschatzung durch plündernde Truppen und brachte sich und ihren Besitz nach Basel in Sicherheit. Von 1633 an bedeutete der wiederholte Durchmarsch spanischer und anderer Truppen eine schwere Landplage. 1638 kam es zu der Schlacht bei Rheinfelden, in der Bernhard von Sachsen-Weimar die Kaiserlichen besiegte. Er hatte sein Hauptquartier in Brombach und besetzte Rötteln. Die Schweden eroberten die Burg Rötteln; die Lörracher Burg wurde durch einen Brand zerstört und nicht wieder aufgebaut. 1634 forderte die Pest viele Opfer in Lörrach. Die Zahl der Einwohner schrumpfte stark; 1645 zählte Lörrach nur noch 454. Auch der finanzielle Schaden der Jahre 1622 bis 1648 war beträchtlich; das Oberamt Rötteln bezifferte ihn auf 610.290 Gulden.[15] In diesen Jahren fand der Markgraf Asyl in Basel. Um die Kontributionen an das französische Militär bezahlen zu können, war er gezwungen, Klein-Hüningen an Basel zu verkaufen. Durch die Plünderungen waren seine Untertanen nicht mehr in der Lage, Abgaben zu leisten. Der Friede von Münster von 1648 brachte auch dem Markgräflerland Ruhe. Die Schweiz war bei den Verhandlungen durch den Basler Bürgermeister Rudolf Wettstein vertreten. Dort wurde die Eidgenossenschaft endgültig vom Deutschen Reich gelöst. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfolgte eine Auffrischung der stark zurückgegangenen Bevölkerung der Markgrafschaft und des Schwarzwaldes durch Einwanderungen aus der Schweiz.

Stadtrechtsverleihung

Lörrach hatte zwar 1403 das Privileg erworben, einen Markt abhalten zu können, doch die Bedeutung war nicht sonderlich groß. Im Schatten der Stadt Basel konnte sich die Ortschaft nicht weiter entwickeln. Die Amtsbehörden, die Landschreiberei und die geistliche Verwaltung residierten auf Rötteln. Lörrach selbst hatte in der Mitte des 17. Jahrhunderts rund 500 Einwohner.

 
Wappen Lörrachs an der Fassade des Pfarrhauses der Stadtkirche

Erst als französische Truppen im Rahmen des Französisch-Niederländischen Krieges am 29. Januar 1678 die Burg zerstörten, rückte Lörrach in den Vordergrund. Die markgräflichen Behörden benötigten eine neue Unterkunft, die sie teilweise in Basel und teilweise in Lörrach fanden. Auf Vorschlag des Landvogtes von Gemmingen hatte Friedrich Magnus von Baden-Durlach am 18. November 1682 Lörrach das Stadtrecht verliehen. Oberbehörde war die Landvogtei, deren Sitz sich in der Rheinfelderstraße (heute: Wallbrunnstraße) befand. Am 12. April 1683 ließ der Markgraf einen entsprechenden Privilegienbrief ausstellen. Dieses Stadtrecht wurde allerdings infolge ständiger Kriegsunruhen nicht wirksam und geriet in Vergessenheit. Am 26. März 1755 bat die Gemeinde Lörrach die markgräfliche Landesregierung erneut um Gewährung der Stadtgerechtigkeit. So wurde am 3. Juni 1756 auf Anregung des bedeutenden Landvogts Gustav von Wallbrunn das Lörracher Stadtrecht durch Markgraf Karl Friedrich erneuert. Am 24. August 1756 wurde das neue Stadtprivileg öffentlich bekannt gegeben. Der Lörracher Privilegienbrief umfasste insgesamt neun Punkte, darunter das Recht auf einen „Burgermeister und sechs Gerichts- und Rathspersonen“. Der Markgraf bestätigte außerdem das Stadtwappen, „welches dieser Ort in den Bild einer Lörchen sich schon ehedessen erwehlet hat“ und erlaubt, „dass sie eine Lörche von Gold in einem rothen Felde führen dörffe“. [16]

Im Zuge der Stadtrechtsverleihung erwuchs die Notwendigkeit, neue Behörden und Einrichtungen in der Stadt einzurichten. So wurde 1688 bis 1691 ein Torturm (Gefängnisturm) erbaut. Heute noch erinnert der Straßenname Turmstraße an diesen Bau, der 1867 abgebrochen wurde. Nach der Zerstörung von Rötteln wurde die Stadt Lörrach auch Sitz der Regierungsbehörden, des Oberamtes (Landvogtei), des Spezialamtes (Dekanat) sowie des Kapitels (Lateinschule). Die beiden Stadtkerne, Schloss und Kirche und die bäuerliche Siedlung „Ufhabi“, wurden miteinander verbunden. In den Jahren 1694 bis 1697 entwarf der französische Architekt Lefèvre Pläne für ein markgräfliches Schloss in Lörrach, die allerdings nicht verwirklicht wurden. Stattdessen wurde 1698 in Basel eine markgräfliche Residenz gebaut; das heutige Basler Bürgerspital wurde an dieser Stelle errichtet.

Spanischer Erbfolgekrieg und Folgejahre

 
Denkmal auf dem Tüllinger Berg zur Schlacht am Käferholz

Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg litt Lörrach immer wieder unter kriegerischen Auseinandersetzungen. Der Frieden von Rijswijk 1697 ließ auf Besserung hoffen. Jedoch war die Situation in der Region nach Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges 1701 schwierig, weil Bayern sich auf die Seite Frankreichs stellte und zwischen den beiden Verbündeten das Markgräflerland und Lörrach lagen.

Im Zuge der Spanischen Erbfolgekriege kam es zu heftigen Kämpfen vor der französischen Festung Hüningen am Rhein, da Hüningen Ausfalltor für Frankreich war. Der französische Marschall Claude-Louis-Hector de Villars hatte die Absicht, mit 20.000 Mann den Rhein zu überschreiten und besetzte im September 1702 die Schusterinsel. Am 14. Oktober griff der als Türkenlouis bezeichnete Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden Villar an, nachdem die Franzosen auf dem Weiler Feld einen rechtsrheinischen Brückenkopf errichtet hatten. Villar hatte sein Hauptquartier in der Weiler Kirche, später in Tüllingen. Weil wurde niedergebrannt. Nachdem Villar die Schlacht von Friedlingen gewonnen und der Markgraf daraufhin in der Schlacht am Käferholz die Franzosen in die Flucht geschlagen hatte, gab es am Ende keinen wirklichen Sieger. Einmal mehr lag Lörrach im Niemandsland. Die Reichsarmee unter dem Türkenlouis lagerte auf dem Dinkelberg und verlangte Kontributionen. An die Schlacht am Käferholz erinnert heute ein Denkmal auf dem Tüllinger Berg. Sowohl Weil wie auch die umliegenden Dörfer des Markgräflerlandes wurden durch diese Schlachten zerstört. Für die Kriegsschulden hatte die Vogtei der Herren von Rötteln zu haften. Aus Stetten liegt eine Akte[17] Kriegs- und Militärsachen vor, in welcher erlittene „Kriegskösten und Bechwernuß“ aufgeführt sind. Der Schaden wird auf 17.385 Gulden und 18 Schilling beziffert.[18] Darunter fallen Kosten für die Beseitigung der Schäden durch Brandschatzung, die Nahrungsmittelversorgung sowie für Heu, Stroh und Wein.

Die Grenzlage zu Frankreich, dem Erzfeind des Habsburger Reiches, brachte es auch in den Folgejahren mit sich, dass Lörrach aufgrund der Auseinandersetzungen Kriegslasten zu tragen hatte. Im Polnischen Erbfolgekrieg stießen im Jahr 1735 erneut französische Truppen bei Hüningen über den Rhein und verlangten von den Bewohnern des Wiesentals Proviant und erhoben eine Kriegssteuer in allen Gemeinden. Auch der von 1740 bis 1748 dauernde Österreichische Erbfolgekrieg verschonte Lörrach nicht. Zwar kam es nicht zu Zerstörungen, jedoch mussten die Gemeinden des Markgräflerlandes Österreicher und Franzosen mit Proviant versorgen. Erst der Zweite Aachener Friede brachte für einige Jahrzehnte Frieden ins Land.

Revolutionen und Koalitionskriege

 
Baden in den Jahren 1803 bis 1819

„Seit einigen Wochen ziehen die Elsäßer scharenweise ins Land, in Lörrach, um Lörrach herum. Sie geben täglich 10 auch 12 Batzen Kostgeld. Es sollen Aristokraten sein, welche die demokratische Nationalversammlung in Paris und die ganze Constitution wieder umstürzen und dem König zum Ansehen und Macht verhelfen wollen.“

Philipp Jakob Herbst: Pfarrer in Steinen, Februar 1791 [19]

Der Vermerk von Pfarrer Herbst fasst die Verhältnisse im Land zu dieser Zeit zusammen. Nach dem Sturm auf die Bastille während der Französischen Revolution emigrierte der Adel, der sich erst im Elsass aufhielt und später über den Rhein flüchtete. Kaiserliche Dragoner rückten im April 1791 in Lörrach ein, weil man den Einfall der Franzosen fürchtete. Nach der Kriegserklärung der Franzosen an Österreich begannen für Lörrach wieder kriegerische Zeiten, da der Markgraf mit Österreich und Preußen verbunden war. 1793 erlitten die kaiserlichen Truppen bei Haguenau eine Niederlage. Die Bevölkerung Lörrachs war erneut von Kriegslasten betroffen. Nach dem Frieden von Basel 1795 war das badische Oberland schutzlos den französischen Heeren ausgeliefert. Der Landvogt von Lörrach und spätere erste Minister des Landes Baden, Sigismund von Reitzenstein, wurde als badischer Unterhändler nach Paris gesandt, um einen Sonderfrieden auszuhandeln. In den Verhandlungen erreichte er die Zusage für die späteren territorialen Erweiterungen Badens. In der ersten Kriegsphase von 1792 bis 1796 lagen immer Truppen in Lörrach, die von der Bevölkerung verpflegt werden mussten. Etwa ein dreiviertel Jahr lang waren es einhundert Kürassiere, für zwei Tage musste Lörrach sogar 16.950 Mann aus vier Regimentern aufnehmen. Der Tagessatz an Verpflegung wurde vorgeschrieben. Offiziere erhielten das Sechsfache, Obristen das Zwölffache und Generäle das 24-fache eines Soldaten.[20] Lörrach hatte zur damaligen Zeit 1.700 Einwohner.

Die badische Markgrafschaft wurde 1796 während des ersten Koalitionskrieges Kriegsschauplatz. Unter General Jean Victor Moreau schwärmten die französischen Truppen bei Hüningen und Kehl ein. 2000 Männer aus Lörrach sollten zum Schanzenbau antreten.[21] Als die Kontribution nicht rechtzeitig abgeliefert wurde, wurde der Landschreiber und Hofrat Christian Gottlieb Michael Hugo ins Gefängnis gesteckt. Lörrach wurde für einige Tage französisches Hauptquartier. Durch das Wiesental und das Höllental konnte Moreau bis zur Donau vorrücken, wurde von den kaiserlichen Truppen bei Ulm und Würzburg im September geschlagen und traf am 15. Oktober auf der Flucht wieder im Rheintal ein. Auf dem Weg nach Hüningen kam es am 24. Oktober 1796 bei Emmendingen und Schliengen zwischen Moreau und dem österreichischen Erzherzog Karl zu einem letzten Gefecht. Die über das Kander- und Wiesental flüchtenden und plündernden Franzosen erreichten Lörrach. In Tüllingen waren in jedem Quartier 40 bis 100 Soldaten untergebracht. Der stete Weinkonsum der Soldaten sorgte dafür, dass viele Lörracher Wirtschaften mit dem Bierbrauen begannen.[22]

Rund um die Festung Hüningen wurde geschanzt und ein Angriff auf diese vorbereitet. Vom Markgräflerland bis ins Fricktal wurden Männer für mehrere Tage zum Schanzen rekrutiert. Ein erster Angriff der Österreicher gegen die Franzosen scheiterte verlustreich am 30. November 1796. Zur Zeit der Belagerung hatte Erzherzog Karl sein Hauptquartier im damaligen Pädagogium in Lörrach, dem heutigen Museum am Burghof. Die Franzosen gaben ihre Festung in Hüningen auf und Napoléon verlagerte 1797 die Kämpfe gegen Österreich nach Italien. Erzherzog Karl zog am 3. Februar dieses Jahres aus Lörrach ab.

Im Zweiten Koalitionskrieg von 1799 bis 1802 wurde das untere Wiesental erneut von französischen Truppen besetzt. 1801 waren in Lörrach 30.000 Infanteristen und 12.000 Pferde stationiert. Das Auftreten von ansteckenden Krankheiten belastete Lörrach zusätzlich. Das Land Baden profitierte jedoch enorm. Napoléon erhob es 1803 imReichsdeputationshauptschluss zum Kurfürstentum und 1806 zum Großherzogtum. Das Großherzogtum verfügte am Ende dieser Entwicklung im Vergleich zur Markgrafschaft ein geschlossenes und mehr als doppelt so großes Staatsgebiet. Die erbrachte Gegenleistung in Form der militärischen Bündnisse machte Baden und damit auch Lörrach aus deutscher Sicht zum feindlichen Ausland. Erst nach der von Frankreich verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig 1813 sagte sich Großherzog Karl Friedrich von Napoléon los. Auf dem Frankreichfeldzug im Juni 1814 nach Paris war Lörrach Hauptquartier des Generalfeldmarschalls Karl Philipp zu Schwarzenberg, der mit neun Generälen, zwei Obristen und einer 3850 Mann starken Truppe an Weihnachten 1813 dort die Feiertage verbrachte. Bis Mitte 1814 waren auch der russische Zar Alexander I., der preußische König Friedrich Wilhelm III., der österreichische Kaiser Franz I. und Prinz Wilhelm von Preußen in der Lörracher Gaststätte Krone einquartiert. Weitere Generäle, Obristen und Offiziere logierten im Hirschen. Allein in einem Monat hatte Lörrach 161.646 Armeeverpflegungen aufzubringen. Die Stadt zählte damals 3000 Einwohner. Neben der Verpflegung hatte die Stadt Reparaturen von gebrochenen Achsen für Kanonen, Kerzen für die Unterkünfte und auch Schreibmaterialien für die Militärbüros zu finanzieren. Der Rechner der Stadt Lörrach zählte für den Zeitraum vom 22. November 1813 bis zum 1. Juni 1816 insgesamt 410.917 Männer und 54.118 Pferde, die in Lörrach einquartiert waren.[23]

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Johann Peter Hebel

In der zweiten Hälfte des 18. und ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkte der bedeutendste alemannische Mundartdichter Johann Peter Hebel in Lörrach. Hebels Geburtsort wird zwar mit Basel angegeben. Allerdings soll er am 10. Mai 1760 bei einem Besuch der Eltern bei Pfarrer Nutzinger im Gasthaus Bad in Hauingen überraschend zur Welt gekommen sein. [24] Unabhängig davon, ob Hebel Sohn Lörrachs war oder nicht, ist er eng mit der Stadt verbunden. Am 19. Mai 1783 zog Hebel ins sogenannte Pädagogium, die ehemalige Lateinschule in Lörrach, wo er als Praezeptoratsvikar bis zum 2. November 1791 lehrte. Seine Lörracher Zeit beschrieb Hebel als die schönste seines Lebens.

Neuzeit

Weg in die Industrialisierung

Bereits zur Römerzeit wurde in Kandern Eisenerz abgebaut. Die Eisenverhüttung wurde im 9. Jahrhundert wieder aufgenommen. Silber- und Bleibergbau wurde im Münstertal betrieben; im 11. Jahrhundert ebenfalls in Todtnau. Der Silberbergbau wurde im Dreißigjährigen Krieg wieder eingestellt. In Gemeinden des Hotzenwaldes und oberen Wiesentals ließen Züricher Fabrikanten 1680 Rohbaumwolle von Hand spinnen. Im Jahr 1758 war Zell im Wiesental Mittelpunkt der vorderösterreichischen Textilindustrie. 1828 wurde die erste mechanische Baumwollspinnerei des Wiesentals in Todtnau eingerichtet.

In Basel wurden die Papiererzeugung und der Buchdruck im 15. Jahrhundert zu den wichtigsten Industrien. 1467 zog Bartholome Pastor als erster Papiermacher von Basel nach Lörrach. Vom Ende des 16. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts war Lörrachs Papierfabrikation bedeutend. Diese wurde 1745 eingestellt. Gegen 1700 hatte Lörrach drei Papiermühlen, zwei Ziegeleien, eine Walkmühle mit Färberei, eine Tuchwalke und eine Pulvermühle. Der Landvogt Ernst Friedrich von Leutrum förderte eher die Landwirtschaft. Leutrum verließ 1748 Lörrach; ihm folgte Gustav Magnus von Wallbrunn als Landvogt. Er forderte die Ansiedlung neuer Betriebe und trug damit dem Zeitalter des Merkantilismus Rechnung. Die Erneuerung des Stadtrechts 1756 zog weitere Industrien an. Johann Friedrich Küpfer erhielt am 27. August 1753 das Privileg, eine Indienne-(Baumwoll-)Manufaktur zu gründen. Bis 1802 wurde diese durch staatlichen Subventionen unterstützt und 1808 an die beiden Großindustriellen Merian und Koechlin weiterverkauft. 1857 wurde daraus die Textilfirma Koechlin-Baumgartner & Cie. Heute firmiert die in Lörrach ansässige Firma unter dem Namen KBC.

1742 erhielt der Hugenotte Samuel August de la Carriere aus Basel die Erlaubnis, in Lörrach eine Druckerei zu eröffnen. Neben Informationsblättern mit Inseraten gehörte eine deutschsprachige Bibel in der Übersetzung Martin Luthers zu den bedeutendsten Druckerzeugnissen. 1753 wurde durch Bosque aus Straßburg eine Tabakfabrik eröffnet. Da sich die Fabrik nicht halten konnte, wechselte das Gebäude 1761 für 550 Louisdor den Besitzer und die Kapitelschule (Pädagogium) zog in das ehemalige Fabrikgebäude.

Als das Land Baden 1836 in die Deutsche Zollunion eintrat, nahm das Wirtschaftsleben einen weiteren Aufschwung. Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche neue Fabriken in Lörrach gegründet, darunter 1837 eine Tuchfabrik, 1847 die Baumwollspinnerei Vogelbach, 1850 die Maschinenfabrik Kern , 1885 die Schokoladenfabrik Suchard, 1887 die Maschinenfabrik Kaltenbach und 1850 die Brauereien Lasser und 1864 Reitter.

Bereits 1638 wurde die Goldene Apotheke Basel als eine der ersten Apotheken Europas gegründet. 1846 brachte der Basler Arzt Dr. Emanuel Wybert von einer Studienreise aus Amerika das Rezept eines Hustenmittels mit. Sein Freund Dr. Hermann Geiger, damaliger Besitzer der Apotheke, verkaufte während einer Grippe-Epidemie in diesem Jahr erstmals die danach hergestellten sogenannten Wybertli-Pastillen. Sie wurden aufgrund der guten Resonanz ab 1906 von Dr. Hermann Geiger und dessen Bruder Dr. Paul Geiger im elsässischen St. Ludwig (heute St. Louis) unter dem Namen Wybert industriell hergestellt. Ab 1944 spezialisierte sich GABA auf Mund- und Zahnhygiene und brachte die aronal-Zahnpasta heraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Ernst Ludwig Heuss, der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, Leiter der Wybert GmbH in Lörrach, später auch der GABA AG in Basel.

Badische Revolution

Durch die sich entfaltende Wirtschaft wurde auch der Bau von Arbeiterwohnhäusern notwendig. Das Stadtbild begann sich rasant zu verändern. Die Spitalstiftung und der Hebelpark sind zwei Beispiel für aufkommendes Mäzenatentum. Um 1808 wurden viele klassizistische Bauwerke in Lörrach errichtet, darunter die Synagoge, die Stadtkirche im Zentrum und die Fridolinskirche in Stetten. Veränderungen waren in dieser Zeit jedoch nicht allein an den Bauvorhaben fest zu machen. Im neuen Baden, welches ab 1806 durch sogenannte Organisationsedikte im Inneren verbunden wurde, musste angesichts der Vielfalt an Stadttypen ein einheitliches Stadtrecht geschaffen werden. So wurde beispielsweise der Bürgermeister durch die Staatsbehörde ernannt. Der Stadtrat, der zugleich die Funktion des Stadtgerichts ausübte, hatte gemeinsam mit dem Bürgermeister die Leitungsgewalt. Der Stadt Lörrach als einer der wohlhabenderen Gemeinden war die Bestellung eines eigenen Ratsschreiber zugebilligt worden. Der damalige Stadtrat wurde nicht gewählt, sondern ergänzte sich durch die sogenannte Kooptation. Diese dem Grundsatz nach wenig moderne Gemeindestruktur war 1821 durch ein vorläufiges und 1831 durch ein besonderes Gesetz durch die badische Gemeindeverordnung grundlegend verändert worden. Diese galt bis 1890 und sah Lörrach als Bürgergemeinde vor, in der Nichtbürger von der Mitwirkung ausgeschlossen waren. Erst 1890 sah das Gesetz für Lörrach die volle Gleichberechtigung aller Einwohner vor.[25] Die Gemeindeversammlung aller Ortsbürger wählte den Bürgermeister sowie den Bürgerausschuss, aus welchem der Stadtrat entstand. In der Gemeindeordnung von 1831 war noch ein gleiches Stimmrecht festgelegt. Unter dem Eindruck der Badischen Revolution von 1848/49 ging das Land Baden zum kommunalen Drei-Klassen-Wahlrecht über, das gestaffelt nach dem Steueraufkommen gebildet wurde.

Erste Badische Revolution

 
Einzug der Freischärler in Lörrach, September 1848

Nach dem Hambacher Fest 1832 wurden auch in Lörrach liberale Forderungen erhoben. Zahlreiche Versammlungen und Aufstände, wie etwa im September 1847 und im März 1848 in Offenburg oder Februar 1848 in Mannheim folgten. Forderungen der revolutionären Kräften wie Presse-, Gewissens-, Lehrfreiheit und persönliche Freiheiten standen an oberster Stelle. Die damalige Badische Verfassung vom 22. August 1818 galt zwar als eine der modernsten Verfassungen im Deutschen Bund enthielt aber keine Volkssouveränität, keine zentralen Freiheitsrechte und keine unabhängige Gerichtsbarkeit.[26] In Konstanz riefen Friedrich Hecker und Gustav Struve die Republik aus. Tags drauf bildete sich eine kleine Gruppe, welche die Rheinebene Richtung der Residenzstadt Karlsruhe zogen. Ihr Ziel war Schliengen, wo sich die damalige Endstation der Bahnlinie Mannheim-Basel befand. Am 20. April 1828 forderte Hecker die Stadt Lörrach auf, die revolutionäre Bewegung zu unterstützen. Der Gemeinderat weigerte sich. Von 276 stimmberechtigten Gemeindebürgern erschienen 198 zur Gemeindeversammlung und 142 stimmten dafür, der Erhebung nicht teilzunehmen.[27] Nur drei bis vier Männer schlossen sich dem Zug an, der in Richtung Tumringen weitermarschierte. So schlecht gerüstet, zahlenmäßig zersplittert war die Niederlage vorauszusehen. Unter dem Befehl des Gastwirts Joseph Weißhaar aus Lottstetten zogen 800 Aufständische vom Bodensee kommend am selben Tag durch Lörrach, um dem Heckerzug zu Hilfe zu eilen. Heckers Truppen wurden in dem Gefecht auf der Scheieck bei Kandern geschlagen, in dem der General Friedrich von Gagern erschossen wurde. Etwa 1000 Freischärler trafen auf der Scheieck auf rund 2000 hessische und badische Regierungssoldaten. Der Stuttgarter Dichter Georg Herwegh kam mit seiner republikanischen „Deutschen Demokratischen Legion“ über den Rhein und wurde bei Dossenbach auf dem Dinkelberg geschlagen, Franz Sigel am 23. April in Günterstal bei Freiburg. Die Großherzogliche badische Truppen nahmen am 24. April Freiburg ein; Hecker floh zunächst in die Schweiz und anschließend nach Nordamerika.

Zweite Badische Revolution

 
Schriftzug am Balkon des Alten Rathauses in Lörrach

 
Republikanisches Regierungsblatt Nr. 1 im Namen der „provisorischen Regierung“ Gustav Struve

Der zweite Umsturzversuch wurde von Struve von Basel aus unternommen, wohin er sich um sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen, geflüchtet hatte. Im Laufe des 21. September 1848 traf er in Stetten ein. Mit Hilfe der Stettener Bürgerwehr wurde ein Marsch gegen 17.30 Uhr auf das Lörracher Rathaus in der Wallbrunnstraße organisiert. Auf dem Marktbrunnen wurde die rote Fahne aufgesteckt, an das Amts- und Posthaus wurden rotgestrichene Holztafeln mit der schwarz-goldenen Aufschrift „Deutsche Republik“ angebracht. Bereits am Nachmittag war die Lörracher Bürgerwehr unter Befehl des Hauptmanns Markus Pflüger zusammengekommen, um Struve Unterstützung zu gewähren. Die großherzoglichen Beamten wurden verhaftet, Bürgermeister Carl Georg Wenner und der Gemeinderat auf das Rathaus einberufen. Struve hielt vom ersten Stock des Rathauses eine Rede und proklamierte die Republik. Er verkündete das Standrecht und versprach die Abschaffung aller Steuern und sicherte zahlreiche soziale Maßnahmen zu. Ein „Aufruf an das deutsche Volk“ mit einem vorläufigen Regierungsprogramm, eine Dienstanweisung für den Bürgermeister und verschiedene Nachrichten vom Hauptquartier Lörrach wurde in der von den Revolutionären beschlagnahmten Druckerei Gutsch auf Flugblättern gedruckt und unter die Bevölkerung verteilt. Alle Männer zwischen 18 und 40 Jahren wurden zur Teilnahme am Struvezug nach Karlsruhe verpflichtet.[28] So wurde Lörrach für vier Tage der Hauptort des Struve-Putsches, gewissermaßen der „Regierungssitz“. Der Lörracher Arzt und Politiker Dr. Eduard Kaiser beschrieb den Umsturzversuch aus lokaler aber auch aus allgemeiner Sicht und meinte dazu: „Halb Schinderhannes, halb Affentheater“.[29] Am 24. September schließlich erlitt das rund 1000 Mann starke Aufgebot Struves bei Staufen durch die Regierungstruppen unter General Hoffmann eine Niederlage. Struve wurde in Wehr gefangen genommen und nach Rastatt gebracht. In Lörrach wurde ein größeres Truppenkontingent unter Oberst Rotberg einquartiert. Damit war auch der zweite Versuch einer Revolution gescheitert. Hubert Bernnat sieht die Hauptgründe für das Scheitern des Struve-Putsches darin, dass Struve zum einen trotz Forderung keine Unterstützung der unterprivilegierten Bevölkerungsschichten hatte, zum anderen mischte sich in Struves utopische Vorstellung von Sozialismus blinder Radikalismus und Aktionismus.[30]

Dritte Badische Revolution und Eröffnung der Bahnlinie

 
Wiesentalbahn mit dem Lörracher Bahnhof

Bei der dritten badischen Revolution brach unter den in Lörrach und Umgebung liegenden Truppenteilen am 11. Mai 1849 eine Meuterei aus. Am 12. und 13. Mai marschierte die Lörracher Garnison nach Kandern und von da über Müllheim nach Freiburg und Karlsruhe. Nach der schnellen Niederlage der Freischärler im Juli 1849 flohen die Revolutionäre über Lörrach zurück nach Basel. Am 10. Juli rückten die preußischen Besatzungstruppen von Binzen nach Lörrach. Im selben Jahr wurde die Badische Hauptbahn bis an die Schweizer Grenze vollendet. 1862 wurde in Anwesenheit von Großherzog Friedrich die Bahn von Basel nach Lörrach und Schopfheim eröffnet. Durch den Bau des Wasserkraftwerks in Rheinfelden 1899 konnte die Wiesentalbahn 1913 als erste Bahnstrecke Badens und eine der ersten in Deutschland elektrifiziert werden.[31] Sie war gleichzeitig die erste Privatbahn im Großherzogtum Baden. 1867 wurde die katholische Kirche St. Bonifaz errichtet. Zu dieser Zeit hatte Lörrach rund 6.000 Einwohner. Die Gemeindesitzungen hatten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts im sogenannten Stubenwirtshaus stattgefunden. 1756 war das Rathaus in der Wallbrunnstraße errichtet worden. 1869/70 wurde dieses Rathaus umgebaut. Seit 1927 befindet sich das Rathaus in der umgebauten Villa Favre am Bahnhof.

Das Zwanzigste und Einundzwanzigste Jahrhundert

 
Lörrach um 1906

Die fortschreitende Industrialisierung ließ die Bevölkerungszahl Lörrachs weiter steigen. Im Jahr 1900 erreichte sie die Marke von 10.000 Einwohnern. 1907 gründete Wilhelm Schöpflin sein Unternehmen in Haagen, aus welchem 1930 das bekannte Versandhaus wurde. Das Dorf Stetten wurde am 1. April 1908 eingemeindet und vergrößerte damit die Einwohnerzahl Lörrachs auf 15.000. Die Gemarkungsfläche war von 752 Hektar auf 1213 Hektar angewachsen.

1906 wurde der 27-jährige Assessor Erwin Gugelmeier zum Bürgermeister von Lörrach gewählt. Gugelmeier, der zuvor Stadtrechtsrat in Pforzheim war, war der erste von auswärts kommende Bürgermeister. Dieses Amt hatte er 20 Jahre lang inne, bis er 1927 in den Reichstag gewählt wurde. Er pflegte besonders gute Kontakte zu Riehen und Basel. Das größte wirtschaftliche Projekt dieser Zeit war die Vergrößerung des städtischen Gaswerks, um den durch die Einführung der Straßenbeleuchtung gestiegenen Gasbedarf zu befriedigen.

Erster Weltkrieg und Hyperinflation

Der Aufschwung wurde durch den am 1. August 1914 ausbrechenden Ersten Weltkrieg beendet. Auf dem als Kasernenplatz genutzten Burghof wurden die wehrfähigen Männer gemustert, eingekleidet und bewaffnet. Auch die im Ausland lebenden wehrpflichtigen Lörracher mussten sich melden. Nachdem der Französischen Armee der Durchbruch bis Mülhausen gelang, gab es auch in Lörrach einige Unruhen. Glücklicherweise verlagerten sich die Kampfhandlungen nach Norden, so dass die Front in den Vogesen zu einem Schützengrabenkrieg erstarrte. Bürgermeister Gugelmeier verhandelte mit dem Basler Regierungsrat, um bei Lörrachs Beschießung, Kinder und Frauen Zuflucht im neutralen Basel zu ermöglichen. 1915 hatte Lörrach durch feindliche Luftangriffe Tote zu beklagen. Auf dem Tüllinger Berg wurde eine „Hindenburg-Linie“ zur Verteidigung der Stadt ausgebaut. 1916 wurde in der Realschule ein zusätzliches Lazarett eingerichtet. Während des Ersten Weltkriegs hatten Lörrach und die umliegenden Teilorte insgesamt 813 Gefallene zu beklagen.[32]

Auch nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im November 1918 verbesserte sich die Lage für Lörrach nicht. Rohstoffknappheit hatte bereits im Jahr 1913 die Textilindustrie der Region in eine tiefe Krise geführt. Ende 1914 zählte die Stadt bereits rund 1000 Erwerbslose.[33] Die durch den Krieg tiefgreifenden strukturellen Veränderungen brachten Lörrachs Wirtschaft in Gefahr. Die Lenkungs- und Zentralisierungsfunktion war in Berlin und die an der Grenze stehenden Fabriken standen mangels Zuteilungsquoten in Gefahr, stillgelegt zu werden. Demgegenüber konnte der Grenzfaktor durch den Arbeitsmarkt in der Schweiz und Frankreich für etwas Entlastung sorgen. Im Zuge der Novemberrevolution 1918 vollzog sich eine starke politische Radikalisierung ins linke Lager, die in Lörrach stärker als in anderen badischen Städten durchschlug. Bezeichnend dafür war ein Attentatsversuch auf den damaligen Oberbürgermeister Dr. Gugelmeier am Abend des 4. März 1919.

 
Inflationsgeld der Stadt Lörrach, 1923

Die soziale Lage verschärfte sich weiter und ab August 1922 begann der Verfall der Währung. Im Januar 1923 zogen französische und belgische Truppen in das Ruhrgebiet wegen angeblich rückständiger Reparationszahlungen ein (Ruhrbesetzung). Bereits einen Monat später marschierten auch in Baden französische Truppen ein und nahmen unter anderem Appenweier in Besitz. Damit war die wichtige Verbindung der Rheintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel unterbrochen. Die Verkündigung des passiven Widerstandes durch die Reichsregierung am 13. Januar beschleunigte die galoppierende Inflation weiter. In der letzten Augustwoche im Jahr 1923 verdiente ein Bauarbeiter in Weil am Rhein-Leopoldshöhle 985.000 Mark in der Stunde. Ein Kilo Roggenbrot kostete in dieser Woche 414.000 Mark, ein Kilo Schweinefleisch 4.400.000 Mark.[34] Eine kuriose Anzeige im Oberbadischen Volksblatt erschien am 7. September 1923: „Der Mann, der am letzten Dienstag an der Kasse der hiesigen Reichsbank den Scheck lautend auf 10 Dollar mit etwas über 3 Millionen Mark ausbezahlt erhalten haben soll, wurde gebeten, sich zu melden, da er der allgemeinen Ansicht nach an diesem Tag zirka 170 Millionen Mark hätte erhalten sollen.“ Das war allerdings erst der Anfang der Inflation. Am Ende dieser Entwicklung kostete in Lörrach eine Straßenbahnfahrt vom Bahnhof bis zur Grenze 290 Millionen Mark, und Ende Oktober gewährte die Stadt dem Konsumverein einen Kredit über 10 Billionen Mark zur Beschaffung von Kartoffeln.[35] Die Gemeinden druckten eigenes Notgeld und vieles war nur noch gegen Naturalien oder ausländische Währung zu bekommen. Da die Löhne und Lebensmittelpreise zu ungunsten der Bevölkerung ausfielen, machte sich Unterernährung und Verelendung breit. In Baden begannen erste Unruhen zunächst in Rheinfelden in den ersten Septembertagen, in Freiburg am 12. und in Lörrach am 14. Die Zahl der Arbeitssuchenden stieg bis zum Jahresende 1923 von 200 auf 1600.

Zeit der Weimarer Republik

Diese Entwicklungen führten verstärkt zu sozialen Unruhen in Lörrach. Die Behörden der Stadt wurden zu erhöhter Aufmerksamkeit aufgerufen, da es in dieser Zeit auch im Lörracher Untergrund brodelte. Die Unruhen gipfelten in den September-Unruhen 1923 in Lörrach. Am 14. September kam es zur Mobilisierung der Arbeiter auf den Straßen Lörrachs und im Wiesental. Der Einsatz der Sicherheitspolizei verhinderte eine weitere Eskalation der bürgerkriegsähnlichen Zustände. Die Bilanz dieser Tage sind drei Tote, viele Verletzte sowie diverse Geisel-Misshandlungen.[36][37]

 
Aufruf des Arbeitsamts Lörrach

Die wirtschaftliche Schieflage machte auch vor den Behörden und der Verwaltung nicht halt. Die finanzielle Umsetzung von überfälligen Projekten wurde immer schwieriger. Es fehlte an einem neuen Gebäude für die Volksschule in Stetten, ebenso wie der Neubau eines Krankenhauses bevor stand. Es reichte grade noch zum Bau des Schwimmbades. Und das eigentlich unumgängliche Projekt für den Rathausneubau, musste die Stadtverwaltung stets verschieben und sich mit Notlösungen behelfen. Die Zahl der Investitionen durch Kapitalaufnahme und damit die Verschuldung Lörrachs zwischen 1923 und 1927 stieg beträchtlich. So wurde die Amtszeit des Bürgermeister Dr. Heinrich Graser (1927–1933) als Mängelverwaltung bewertet.[38] Durch die engen Spielräume der Stadt wurden auch Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse in die Zukunft vertagt, wie beispielsweise dem Bau der zollfreien Straße. Von dem Rückgang der Steuereinnahmen und dem Anstieg der konsumtiven Ausgaben war der Haushaltsentwurf 1930/31 im hohen Maße gekennzeichnet. Größere Bauprojekte waren gänzlich unmöglich, da ein Großteil der Steuereinnahmen für die allgemeine Fürsorge verwendet werden musste. Seit November 1929 bewegte sich die Arbeitslosigkeit in Lörrach weiter auf einer Höhe von 450, im September 1930 waren 517 registriert.[39]

Die politische Polarisierung im Herbst 1930 wurde in politischen Diskussionen und Wahlergebnissen deutlich. Die NSDAP begann zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. In den badischen Landtagswahlen von 1929 gewann Hitlers Partei deutlich dazu. In Lörrach waren es 115 Stimmen, Landesweit gewann die NSDAP 65.121 Stimmen und damit sechs Sitze im Landtag.[40] Trotzdem blieb Lörrach der Musterfall einer Mittelstadt in der politische Radikalisierung von Links wie von Rechts zu verzeichnen war. Die Einführung der städtischen Getränkesteuer wurde im September 1930 vom Gemeinderat gebilligt und durch einen Bürgerausschuss verhindert. Bei der ersten Bürgerausschusssitzung nach den Gemeinderatswahlen am 29. Dezember 1930 gab es tumultartige Szenen, Polizeieinsatz und unter Ausschluss von kommunistischen Stadtverordneten einen knappen Stichentscheid für die Einführung der Getränkesteuer. Der Haushalt wäre ohne diese Steuer nicht mehr ausgeglichen gewesen und es drohte die Stadtaufsicht, was ein vorübergehendes Ende der Selbstverwaltung Lörrachs bedeutet hätte.[41]

Zeit des Nationalsozialismus

Die Ortsgruppe der NSDAP in Lörrach bestand seit 1922. Diese tat sich allerdings während der 20er-Jahre der Weimarer Republik eher schwer, Fuß zu fassen, obwohl es auch in Lörrach mit der deutschnational-völkischen Zeitschrift Der Markgräfler des Mundartdichters Hermann Burte antiparlamentarische Propaganda gab. Mit dem Tot Gustav Stresemanns im Oktober 1929 und den wirtschaftlichen Folgen des New Yorker Börsenkrachs am 25. Oktober 1929 (Schwarzer Freitag) nahm der Einfluss der Nationalsozialisten deutlich zu. Bei den Reichstagswahlen 1928 erhielt die NSDAP in Lörrach gerade mal 57 Stimmen.[42] In den protestantischen Landgemeinden im Lörracher Umland konnte die NSDAP bereits hohe Ergebnisse erzielen. Im Herbst 1930 zählte die Ortsgruppe der NSDAP nur elf Mitglieder. Schlechte Organisation, Verschuldung und unbezahlte Rechnungen führten zu einer Auflösung der desolaten Ortsgruppe, der Reinhard Boos durch eine Neugründung zum Aufschwung verhalf. Boos setzte sich mit großem Engagement für die Partei ein. Die Zahl der Mitglieder stieg bis Ende 1932 auf 376, die aus allen Schichten der Lörracher Bevölkerung waren. Die „Machtergreifung“ 1933 der Nationalsozialisten brachte ihm dem Posten des Bürgermeisters, den er bis 1945 inne hatte. Von 1931 bis 1938 übte Boos zusätzlich die Funktion des Kreisleiters aus. Neben der NSDAP gewann die Sturmabteilung (SA) an Bedeutung und lieferte sich mit Anhängern der KPD im Juni 1931 die erste aktenkundige nächtliche Schlägerei.[43] Mit der Tageszeitung Der Alemanne installierten die Nationalsozialisten Oberbadens ein Propagandaorgan, das in Freiburg erschien. Es hielten Repressalien gegen Mitglieder der KPD Einzug. Am 1. Mai 1933 wurde eine Fahne der Eisernen Front verbrannt, was Boos damit begründete, dass das gesamte Lörrach die nationalsozialistische Bewegung anerkenne. Wenig später wurde die KPD ganz verboten und im April 1933 wurden zehn politische Gefangene ins Konzentrationslager abgeführt. Zeitungen aus dem benachbarten, ausländischen, Basel wurden in Lörrach untersagt.

Nach der Weigerung Deutschlands, weitere Reparationen zu leisten, wurde 1935 die Wehrmacht gegründet, welche am 7. März 1936 die entmilitarisierte Zone besetzte (Rheinlandbesetzung). Auch Lörrach wurde provisorische Garnisonsstadt. So waren bei der Feier am 1. Mai 1936 auch Soldaten anwesend und die Hitlerjugend hielt öffentliche Luftschutzübungen am Bahnhof ab. Am 18. Oktober 1936 fand eine Großveranstaltungen der Nationalsozialisten statt, in welcher der damalige Gauleiter von Mittelfranken Julius Streicher vor allem die katholische Kirche, besonders den damaligen Erzbischof Conrad Gröber als Person, angriff. Boos nutzte die Aktivitäten, in dem er Lörrach als Mittelpunkt eines Großraums Lörrach propagierte.[44] Boos' Ziel war, Lörrach soweit zu stärken um in absehbarer Zeit die Großstadt Basel, damals mit 160.000 Einwohnern, zu überflügeln. Die Pläne zur Eingemeindung umfassten damals Brombach, Haagen, Tumringen und Tüllingen. Der Landrat, der Boos stark unterstütze, wollte sogar einen Schritt weiter gehen und Weil mit damals 8.000 Einwohner eingemeinden. Die Vorschläge stießen jedoch zumeist auf Widerstand. Am Ende dieser Bestrebungen blieb es bei einer Eingemeindung von Tumringen und Tüllingen, die zum 1. Oktober 1935 vollzogen wurde.

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Boos zum Gauredner ernannt und hegte, insbesondere im Siegestaumel der angeblich erfolgreich ablaufenden Großoffensive „Unternehmen Barbarossa“, Vorstellungen über eine Grenzbereinigung in der Südwestecke. Dazu resümierte Boos: „Was mit der Schweiz an sich geschehen wird, darüber entscheidet der Führer. Wir oben gegenüber der schweizerischen Großstadt Basel – und das ist der Wunsch wohl der ganzen Grenzbevölkerung – hoffen, daß die willkürlich politischen Grenzen, die geradezu als polnisch angesprochen werden müssen, in der Zukunft als völlig untragbar erkannt und dementsprechend beseitigt werden.“[45] Boos wollte sich mit diesen Ansichten als Vordenker profilieren, da er bereits mit seinen Vorstellungen für den Großraum Lörrach auf innerparteilichen Widerstand stieß.

Obwohl Lörrach sich geografisch fern der Kriegsfronten befand, waren die Spuren die sich bereits vor Beginn des Krieges offenbarten auch im Raum Lörrach zu spüren. Die Grenze nach Basel war verschlossen und vermint. Während des Frankreichfeldzuges staute sich die evakuierte Bevölkerung auf dem Marktplatz. Baufahrzeuge transportierten seit 1937 Material vom Isteiner Klotz für den Westwallbunker und Adolf Hitler besuchte am 19. Mai 1939 den Ort Kirchen und den als Festungsanlage benutzten Bergrücken nahe Lörrach. Vom 16. bis zum 18 Juni 1940 feuerten Eisenbahngeschütze von Lörrach in den Raum Belfort. Der Gegenschlag der Franzosen legte Haltingen und die umliegenden Dörfer in Schutt und Asche. Am 24. April 1945 standen französische Panzer auf dem Pass Lucke. Einer dieser Panzer wurde von Brombach aus abgeschossen. Dies war eine der letzten Kriegshandlungen, da die Besetzung Lörrachs durch die Franzosen diese beendete. Nach einem verzweifelten Verteidigungskampf am 24. April 1945 zusammen mit dem „Volkssturm“ wurde Reinhard Boos von den Franzosen seines Amtes enthoben und Josef Pfeffer als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt. In den Jahren 1943 bis 1945 kam es immer wieder zu vereinzelten Bombenabwürfen. 1945 erfolgte ein Bombenangriff auf Brombach. Trotzdem blieb die Stadt weitgehend von Angriffen und Zerstörungen verschont. Am Ende des Krieges waren insgesamt 1792 Männer aus Lörrach, Stetten, Tüllingen, Tumringen, Haagen, Hauingen und Brombach gefallen.[46]

Judenverfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus

 
Gedenktafel an der Stelle der ehemaligen Synagoge

Siehe auch: Juden in Lörrach

Bürgermeister Reinhard Boos, der als Verächter der Religion galt,[47] hatte nicht nur eine antisemitische Einstellung entsprechend der NS-Rassenlehre, sondern war auch gegenüber dem Judentum als Religion besonders feindlich eingestellt. Viele damals in Lörrach wohnenden Juden flohen bereits im Jahr der Machtergreifung Hitlers 1933 über die Grenze in die Schweiz. 1935 folgte durch die Nürnberger Gesetze eine Beschneidung der Rechte für jüdische Mitbürger. Der als „Reichskristallnacht“ bekannte 10. November 1938 brachte schließlich auch in Lörrach dem jüdischen Geschäftsleben das Ende. Zwischen 30 und 40 Männer, darunter auch der damalige Leiter des städtischen Werkhofs und seine Bedienstete, verschafften sich Zutritt in die rund 130 Jahre alte Synagoge und zertrümmerten die Einrichtung.[48] Die verwüstete Synagoge musste später abgebrochen werden. Die Stadt versuchte die Zerstörung und den anschließenden Abriss zu relativieren, indem sie den Zustand des Dachstuhls als ohnehin renovierungsbedürftig hinstellte.

1940 wurde die jüdische Gemeinde aufgefordert, das Grundstück, in dem sich der alte Judenfriedhof befand, an die Stadt abzutreten.[49] Die Repressalien gipfelten dann am 22. Oktober 1940 im Zuge der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion, in der über 6000 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland deportiert wurden, so auch die letzten 50 verbliebenen Juden in Lörrach. Sie wurden in das französische Internierungslager Gurs gebracht.[50]

Nachkriegsjahre bis 1960

Am 2. Mai 1945 setzten die französischen Besatzungskräfte Josef Pfeffer als Bürgermeister der Stadt Lörrach ein. Die provisorische Stadtverwaltung musste in der Anfangszeit nach dem Krieg sicherstellen, dass die Stadtbevölkerung Hilfestellung bekam. Aus beschlagnahmten Soldatenwohnungen wurden die Haushalte über das Requisitionsamt mit Wohnungseinrichtungen versorgt. Vor allem aus der benachbarten Schweiz kamen großzügige Nahrungsmittelspenden, welche die Not der ersten Nachkriegsjahre milderte. Allen voran beteiligten sich das Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz, das schweizerische Arbeiterwerk, der schweizerische Caritasverband, die christliche Nothilfe und das schweizerische Rote Kreuz an der Hilfsaktion. Das Dürrejahr 1947 verschärfte die Situation, so dass die materielle Hilfe in Lörrach dringend benötigt wurde.
Bürgermeister Pfeffer musste anfangs ohne Stadtrat auskommen, weil dieses Organ offiziell nicht existieren durfte. Erst im Jahr 1946 formierten sich wieder politische Kräfte, so dass Pfeffer am 22. September 1946 vom Gemeinderat gewählt wurde.[51] Im Zuge der parlamentarischen Arbeit wurde 1948 eine badische Gemeindeverordnung verabschiedet,[52] aufgrund derer am 14. November 1948 Gemeinderatswahlen und am 5. Dezember Bürgermeisterwahlen anstanden. Pfeffer trat aus Altersgründen nicht mehr an und so wurde am 5. Dezember 1948 der SPD-Kandidat Arend Braye zum Bürgermeister gewählt.

Die Nachkriegsjahre waren außerdem, bedingt durch die Ankunft der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, von einem überproportionalen Wachstum der Stadtbevölkerung gekennzeichnet. Die verhältnismäßig geringen Kriegsschäden im Raum Lörrach lockten zudem viele Arbeitssuchende an. Dies hing mit dem Arbeitskräftemangel zusammen, insbesondere an Facharbeitern, der sich Ende der 1950er-Jahre bemerkbar machte. Dieser Mangel wurde vor allem durch die gestiegene Zahl von Grenzgängern verschärft, die in der benachbarten Schweiz meist bessere Verdienstmöglichkeiten hatten. Dieser Aspekt hatte eine Sogwirkung für das nähere und weitere Umland.[53] Von Rund 20.000 Einwohnern nach dem Krieg wuchs die Zahl der Einwohner auf über 30.000 bis ins Jahr 1960 an. Rund 7.500 davon waren Vertriebene und Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten und aus Mitteldeutschland. Mit der Einwohnerzahl stieg auch die Zahl der Ausländer, die sich von 1950 bis 1960 auf 1.055 Personen nahezu verdoppelte.[54]

Die politische Landschaft in Lörrach verschob sich bei den Gemeinderatswahlen 1959 zugunsten der CDU, die mit sechs Sitzen gleichstark wie die SPD wurde. Die SPD in Lörrach hatte seit jeher einen guten Stand in der Stadt. Der im Oktober 1868 gegründete Ortsverein Lörrach ist nur fünf Jahre jünger als die Gesamtpartei und kann damit auf eine lange Tradition zurückblicken.[55] Im August 1960 verstarb überraschend der 70-jährige Oberbürgermeister Braye. Am 13. November wurde ein neues Stadtoberhaupt gewählt. Mit 57,70 Prozent der Stimmen konnte der CDU-Politiker Egon Hugenschmidt im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinen.[56]

1960 bis zur Gegenwart

Die stark wachsende Stadt war den Anforderungen nicht mehr gewachsen. So entstand in den 1960er-Jahren die Siedlung Salzert und in Brombach der Bühl. Die Wohnungsnot ist auf beide Weltkriege zurückzuführen. In den wirtschaftlichen schlechten 1920er-Jahren und zur Zeit des Nationalsozialismus hatte man es versäumt, ausreichend Wohnungsraum in Lörrach zu schaffen. So wurde im Februar 1960 der Salzert-Bebauungsplan für die Satellitenstadt beschlossen. Östlich von Stetten auf einem Berg gelegen wurden rund 23 Hektar Land zur Erschließung freigegeben. Am 16. April 1963 war Baubeginn für das erste Einfamilienhaus. Nach rund drei Jahren wohnten über 2000 Leute auf dem Salzert. Das Projekt war anfangs sehr umstritten und die exponierte Wohnlage auf einem Berg mit ursprünglich nur einer Zufahrtsstraße galt bei den Lörrachern als Utopie. Der günstige Bodenpreis von 5 Mark pro Quadratmeter ermöglichte vielen Familien, günstig an ein Eigenheim oder einer günstigen Mietwohnung zu kommen.[57]

 
Das moderne Lörrach von Südosten...

Der 1964 vom Ulmer Professor Schächterle erarbeitete Generalverkehrsplan war die Grundlage für weitere Stadtplanungen. Er sah die Stadtumfahrung der B 316 von der Lucke zum Waidhof vor und den Neubau der B 317 von Steinen entlang der Wiese mit Fortsetzung als „Zollfreie Straße“ von der Grenze in Stetten nach Weil am Rhein. Dieser Plan wurde am 19. Mai 1964 durch eine große Bürgerversammlung verabschiedet.[58] Die Grundlage jeder Stadtplanung hatte Lörrach bereits 1955 durch den Flächennutzungsplan mit den Nachbargemeinden Brombach, Haagen und Hauingen geschaffen. Dieser wurde um das Gebiet der Gemeinde Inzlingen erweitert und trat 1973 in Kraft. Bereits in den 60er-Jahren begann man in Lörrach, die Innenstadt umfangreich zu sanieren. Stillgelegte Fabrikareale boten Platz für Neugestaltungen, wie beispielsweise die der ehemaligen Spinnerei und Weberei Conrad. Neuer Wohnraum wurde nicht nur an der Peripherie geschaffen sondern auch im Stadtkern, als 1973 das Hochhaus am Marktplatz fertiggestellt wurde. Die Planung einer Fußgängerzone konnte erst verhältnismäßig spät in Angriff genommen werden, weil die zentral verlaufende Turmstraße Bundesstraße war. Die Bundesstraßenverwaltung konnte einer Herabstufung zur Gemeindestraße erst zustimmen, als der westliche Einbahnring gebaut und der Bau der Autobahn A 98 von der Lucke zum Waidhof begonnen war bzw. gesichert erschien.[59] So wurde durch eine Bürgerbeteiligung 1975 beschlossen, dass das Fußgängerzonen-Konzept umgesetzt wird. Das erste Teilstück wurde 1978 mit der Umgestaltung der Turmstraße begonnen.

Zum rasch wachsenden Lörrach wurde 1974 Haagen eingemeindet. Ein Jahr später kamen aufgrund der Verwaltungsreform die beiden Gemeinden Brombach und Hauingen dazu, so dass zur Kernstadt drei Stadt- und drei Ortsteile dazugehören. Die drei Ortsteile verfügen über eine eigene Ortsverwaltung mit einem Ortsvorsteher. Um den gestiegenen Bedürfnissen und Anforderungen des Lörracher Verwaltungsbetriebs besser gerecht werden zu können, entschloss man sich an der Stelle der ehemaligen Villa Favre, dem ehemaligen Rathaus seit 1927, ein modernes Hochhaus zu errichten. Das 17-stöckige, dunkelgrüne Hochhaus ermöglichte erstmals, alle städtischen Ämter in einem Gebäude zu vereinigen. Oberbürgermeister Hugenschmidt weihte am 13. Juni 1976 das neue Rathaus ein.

 
... und von Norden aus gesehen

Am 27. März 1979 entschied die Lörracher Stadtregierung, die Landesgartenschau 1983 in der Stadt auszutragen. Es wurde beschlossen, dass das große Gebiet zwischen der Lörracher Kernstadt, Tumringen, Brombach und Haagen, das früher ausschließlich landwirtschaftlich genutzt wurde und nun zerfallen war, in eine Sport- und Freizeitanlage umgestaltet wird. Das rund 51 Hektar große Landstück bedurfte dringend weitere Tiefenbrunnen für die Lörracher Wasserversorgung. Neben der Gestaltung eines Landschaftsparks, war die Sicherung der Wasserversorgung durch Erwerb der Schutzgebiete, die Einbindung der Straßenbauten (A 98, B 317) sowie die Erweiterung und Ergänzung der Sportanlagen und des Campingplatzes vorrangige Ziele. Am 20. März 1982 wurde im Rahmen des Großprojektes mit Hilfe des Schwarzwaldvereins, der Naturfreunde und anderer freiwilliger Helfer eine große Baumpflanzaktion durchgeführt. Im Sommer war der Rosengarten fertig gestellt. So konnte im Frühjahr 1983, im Jahr des 300-jährigen Stadtrechtsjubiläums, die Landesgartenschau eröffnet werden.[60] [61]

1984 löste Rainer Offergeld, der im Bundeskabinett unter Kanzler Helmut Schmidt Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit war, Egon Hugenschmidt ab. Unter Offergelds Amtszeit wurde der Ausbau der Fußgängerzone weiter vorangetrieben. 1986 wurde schrittweise ein neues Verkehrskonzept in der Innenstadt verwirklicht. In einer ersten Phase wurde die Basler Straße ab der Kreuzung zur Herrenstraße für den öffentlichen Verkehr stillgelegt. Mit Zeitverzögerung folgten die Tumringer Straße und die Teichstraße. In einem späteren Abschnitt wurde die Straße und der Bürgersteig abgerissen und eine plane Pflasterung der entsprechenden Bereiche vorgenommen. 1991 wurde die neue Fußgängerzone der Innenstadt offiziell eingeweiht. Entlang des neuen Zentrums, aber auch etwas außerhalb wurden 20 Skulpturen ausgestellt. Auf diesem sogenannten Lörracher Skulpturenweg [62] findet man u.a. Werke von Stephan Balkenhol, Bruce Nauman und Ulrich Rückriem. Am 2. April 1995 wurde Gudrun Heute-Bluhm zum neuen Stadtoberhaupt gewählt. Sie förderte den Ausbau der Lörracher Innenstadt. Zu den wichtigsten Bauprojekten in ihrer noch andauernden Amtszeit zählt der Bau des Burghofs, welcher 1998 die alte Stadthalle ersetzt hat und als Kultur- und Veranstaltungsort fungiert, sowie das Innovations-Center Lörrach innocel. Im Jahr 2000 wurde ein Gewerbegebiet geschaffen, welches auf 12.000 Quadratmetern Unternehmen mit dem Schwerpunkt Informationstechnologie und Life Sciences Gewerbeflächen zum Kauf oder zur Anmietung anbietet. 2002 beging die Stadt in einem ganzjährig verteilten Rahmenprogramm das 900-jährige Stadtjubiläum. Seit Juli 2007 ist ein Teil der Berufsakademie Lörrach, welche 1981 in Lörrach gegründet wurde, im innocel ansässig.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach, Seite 16
  2. Kleine Chronik von Adelhausen
  3. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 63 ff
  4. Landkirchen und Landklerus im Bistum Konstanz während des frühen und hohen Mittelalters, Seite 150
  5. Kirchengeschichte der Gemeinde Rötteln
  6. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 116 ff.
  7. Heinz Heimgartner: Burgruine Rötteln, Verlag Röttelnbund e.V.. 1964, Seite 5
  8. Liutold I. von Rötteln wurde als Basler Bischof Liutold II. bezeichnet, alternative Schreibweise zu Liutold auch Leuthold
  9. A. Baumhauer: Ursprung und Bedeutung der Lörracher „Ufhabi“, Badische Heimat 35 (1955), Seite 275
  10. Bernhard von Sachsen-Weimar nahm nach seinem Sieg bei der Schlacht in Rheinfelden die Burg Rötteln im Sturm ein; siehe auch: Schlacht bei Rheinfelden#Weitere Entwicklung
  11. Die Urkunde befindet sich heute im Generallandesarchiv in Karlsruhe (GLA D 477)
  12. 600 Jahre Marktrecht in Lörrach
  13. Weiterführende Informationen zu den Armagnaken
  14. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 216
  15. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 273
  16. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 224
  17. Die Akte liegt heute im Lörracher Stadtarchiv.
  18. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 275
  19. Aus einem Faksimile des persönlichen Tagebuchs von Herbst, im Privatbesitz befindlich
  20. StA Lörrach IX/1
  21. Erdmannsdörffer/ Obser: Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden, Heidelberg 1892 ff
  22. Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach, Seite 67
  23. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 282
  24. Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach, Seite 63
  25. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 291 f
  26. Verfassungstext der Badischen Verfassung
  27. StA Lörrach IV 2/1
  28. Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach, Seite 76 ff
  29. Eduard Kaiser: Aus alten Tagen - Lebenerinnerungen eines Markgräflers 1815-1875, Seite 268
  30. Hubert Bernnat: 125 Jahre Arbeiterbewegung im Dreiländereck., Lörrach 1993, Seite 6
  31. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 300
  32. Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach, Seite 88
  33. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 312
  34. Arbeitskreis Regionalgeschichte: Zur Geschichte der Arbeiterbewegung Am Oberrhein 1850-1933. Seite 106 f
  35. Oberbadisches Volksblatt, 31.10.1923
  36. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 327
  37. Hubert Bernnat: 125 Jahre Arbeiterbewegung im Dreiländereck., Lörrach 1993, Seite 140
  38. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 332
  39. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 333
  40. Landtagswahlen 1929 im Freistaat Baden
  41. StA Lörrach Bezirksamt VI 2/11
  42. Hubert Bernnat: 125 Jahre Arbeiterbewegung im Dreiländereck., Lörrach 1993, Seite 157
  43. Oberbadisches Volksblatt, 05.06.1931
  44. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 346
  45. StA Lörrach, steh. Reg. Hauptamt 1400/9
  46. Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach, Seite 111
  47. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 345
  48. Geschichte der Juden in Lörrach
  49. StA Lörrach VI 1/22
  50. Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach, Seite 106
  51. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 366
  52. Badische Gemeindeverordung vom 23. September 1948
  53. H. Heim: Wandel der Kulturlandschaft im südlichen Markgräflerland. Basler Beiträge zur Geographie, Heft 10, Basel 1977
  54. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 477 f.
  55. Hubert Bernnat: 125 Jahre Arbeiterbewegung im Dreiländereck., Lörrach 1993, Seite 1
  56. Mit einer Wahlbeteiligung von 70,53% von insgesamt 13.529 abgegebenen Stimmen, Quelle: Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 488.
  57. „Der Salzert, damals und heute“
  58. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 493, 509 f.
  59. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 512
  60. Landesgartenschauen in Baden-Württemberg, Infos zu LGS Lörrach 1983: Seite 9 (pdf)
  61. Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur, Seite 551 ff
  62. Informationen zum Lörracher Skulpturenweg

Literatur

  • Dr. Dr. Otto Wittmann et al.: Lörrach: Landschaft - Geschichte - Kultur. Hrsg. Stadt Lörrach (1983), ISBN 3-9800841-0-8.
  • Dr. Baumhauer: Überblick über die Geschichte von Lörrach und seiner Umgebung. Verlag Peter Krauseneck, Rheinfelden.
  • Heinz Heimgartner: Burgruine Rötteln. Verlag Röttelnbund e.V. (1964).
  • Gerhard Moehring: Kleine Geschichte der Stadt Lörrach. DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen 2006, ISBN 3-7650-8347-X.
  • Wolfgang Göckel: Lörrach im Dritten Reich. Eigenverlag, Schopfheim 1990
  • Serger, Böttcher, Ueberschär (Hrsg.): Südbaden unter Hakenkreuz und Trikolore. Rombach Verlag, Freiburg i. Br./Berlin/Wien 2006

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