Gewöhnlicher Schweinswal

Art der Gattung Phocoena
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Der Gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena) ist ein bis 1,85 Meter langer Zahnwal. Seine Farbe ist oberseits schwarz, unterseits weiß. Er lebt in den Küstengewässern europäischer Meere und des Nordatlantiks. Seine Nahrung sind Fische, Krebstiere und Tintenfische.

Schweinswal
Schweinswal
Systematik
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Ordnung: Wale (Cetacea)
Unterordnung: Zahnwale (Odontoceti)
Familie: Schweinswale (Phocoenidae)
Gattung: Phocoena
Art: Schweinswal (P. phocoena)

Schweinswale sind die mit Abstand häufigsten Wale in Nord- und Ostsee. Hier ist der Bestand jedoch rückläufig. Ursachen sind wahrscheinlich die Gifteinleitungen in die Meere sowie der Erstickungstod von Schweinswalen in Fischernetzen.

Besonders in älterer Literatur wird der Gewöhnliche Schweinswal auch „Kleiner Tümmler“, „Braunfisch“ oder „Meerschwein“ genannt.

Aussehen

 
Umrisszeichnung

Mit einer Körperläge von maximal 1,85 Meter, in sehr seltenen Fällen auch über zwei Meter, ist der Schweinswal in europäischen Gewässern die kleinste vorkommende Art der Zahnwale. Dabei schwanken die Körpergrößen je nach Untersuchungsgebiet, die Schweinswale der Ostsee werden etwa durchschnittlich 1,40 Meter (Männchen) bzw. 1,52 Meter (Weibchen) lang. Sein Körpergewicht beträgt durchschnittlich zwischen 50 und 60 Kilogramm und maximal etwa 90 Kilogramm, dabei sind die Weibchen größer und schwerer als die Männchen. Die Geschlechtsunterscheidung erfolgt wie bei den meisten Walen aufgrund der Lage der Afteröffnung und der Genitalfalte. Diese liegen bei den Weibchen eng beieinander im Afterbereich, bei den Männchen deutlich getrennt, wobei die Genitalfalte hier weiter vorne liegt.

Der Kopf der Tiere besitzt keine ausgeprägte Schnauze, der Körper ist gedrungen mit einer flachen und dreieckigen Rückenflosse (Finne). Der Rücken ist schwarz und mit einem von der Rückenflosse ausgehendem grauen Feld versehen, der Bauch ist weiß. Vom Mundwinkel führt eine schwarze Zeichnung bis zum vorderen Ansatz der Brustflossen (Flipper).

 
Schweinswalskelett auf Körperumriss (rot)

Die Rückenflosse, die Brustflossen, die Fluke sowie der Flukenstiel sind ebenfalls schwarz gefärbt. Bei jugendlichen Tieren sind auch Teile der Bauchseite schwarz (Jugendmelanismus). Albinismus ist unter den Schweinswalen sehr selten. Die Rückenflosse selbst besitzt keine konkave Rundung sondern fällt hinten senkrecht ab, die Basis ist etwa doppelt so lang wie die Höhe der Flosse. Die Flipper sind relativ kurz und enden spitz. Die Schwanzflosse (Fluke) ist etwa 60 Zentimeter breit und kräftig gebaut.

Die Kiefer beinhalten in jeder Kieferhälfte 21 bis 28 sehr kurze Zähne, die blatt- bis spatelförmig sind. Die hinteren Zähne weisen eine dreihöckrige Kaufläche auf. Im Vergleich zu anderen Zahnwalen ist der Schädel der Tiere vorn nur relativ wenig ausgezogen, durch ein aufliegendes Fettpolster ist diese "Schnauze" (Rostrum) jedoch äußerlich nicht erkennbar.

Verbreitung

Datei:Verbreitung Schweinswal.PNG
Verbreitung des Schweinswal

Der Schweinswal bevorzugt flache Gewässer, dabei wandert er im Frühjahr in die Küstengewässer und zieht im Herbst in die küstenferneren Gebiete. Sein Verbreitungsgebiet umfasst große Teile der nördlichen Erdhalbkugel sowie das Schwarze Meer. An der amerikanischen Nordpazifikküste findet man die Tiere von Los Angeles bis an die Mündung des McKenzie River in die Beaufordsee, an der asiatischen Pazifikküste vom Gelben Meer bis zur Tschuktschen-See. Im Nordatlantik findet man ihn an der Ostküste Amerikas von Cape Cod bis Upernavik, manchmal auch an der grönländischen Küste bei Thule.

Die östliche Atlantkküste bevölkern die Schweinswale von Nordafrika (Senegal, Mauretanien, Marokko) über die gesamte europäische Küstenlinie bis an die Küsten von Spitzbergen inklusive der Nordsee. Die Ostsee wird über den Kattegat und Skagerrak besiedelt, wobei ein starker Austausch zwischen Nord- und Ostsee über diese Meerenge stattfindet. Im Mittelmeer gibt es keine eigenen Populationen, allerdings kommt es nicht selten zu Einwanderungen in das westliche Mittelmeer bis Mallorca über die Meerenge von Gibraltar sowie in das östliche Mittelmeer (Ägäis) aus dem Schwarzen Meer.

Lebensweise

Die Schweinswale bevorzugen als Lebensraum ruhige Küstenbereiche mit mäßiger Tiefe von etwa 20 Metern, kommen jedoch gelegentlich auch in Hochseegewässern vor.

Schweinswale ernähren sich beinahe ausschließlich von Fischen, daneben auch von Borstenwürmern, Schnecken, Krebstieren und Tintenfischen. Die Nahrungszusammensetzung variiert dabei je nach den geografischen Verhältnissen. In der Nordsee stellen die Plattfische (Pleuronectiformes) einen sehr großen Anteil dar, in der Ostsee die Grundeln (Gobiidae), außerdem in beiden Gewässern der Kabeljau (Gadus morhua). Die gefressenen Fische sind dabei meistens kleiner als 25 Zentimeter, da die Schweinswale größere Fische nicht verschlucken können. Die Tagesration eines Wales liegt bei etwa 4,5 Kilogramm Fisch.

 
Zwei Schwertwale

Natürliche Feinde der Schweinswale sind neben dem Menschen vor allem größere Haie und Schwertwale. So fand man Schweinswalreste im Magen vom Grönlandhai (Somniosus microcephalus) sowie vom Weißen Hai (Carcharodon carcharias). Der Große Schwertwal (Orcinus orca) stellt im Vergleich zu den Haien jedoch den natürlichen Hauptfeind der Schweinswale dar. Daneben verhalten sich auch andere Zahnwale gelegentlich aggressiv gegenüber ihrem kleinen Verwandten. So wurden regelmäßig Große Tümmler (Tursiops truncatus) und Gemeine Delfine (Delphinus delphis) beobachtet, die Schweinswalen durch Stöße mit ihrem Kopf in die Flanke schwere Verletzungen beibrachten. Als Parasiten sind vor allem Meerneunaugen sowie Fadenwürmer, Saugwürmer, Bandwürmer und Kratzer nennenswert. Die durch die Fischnahrung aufgenommenen Fadenwürmer der Gattung Ansisakis werden dabei regelmäßig in großen Knäueln im Magen der Wale gefunden und Stenurus minor bevölkert die Bronchien, die Lunge sowie das Herz-Kreislaufsystem und kann durch Ansiedlung im Gehör die Wale auch taub machen. Ein besonders häufiger Parasit des Magen-Darm-Traktes sowie der Gallengänge ist der Saugwurm Campula oblanga, der unter anderem. Hepatitis und Cholangitis auslösen kann. Außenparasiten wie etwa die Walläuse sind bei den Schweinswalen dagegen eher selten zu finden.

Verhalten

Schweinswale leben meistens als Einzelgänger oder in Zweierverbänden. Größere Gruppen (Schulen) von diesen Tieren, bis maximal sieben Tiere, konnten bislang nur selten beobachtet werden. Zur Paarungszeit und zur Nahrungssuche treffen sich gelegentlich mehrere Schulen, sodass Herden von über Hundert Tieren entstehen können, diese sind jedoch selten und nicht sehr lange von Bestand. Jungtiere bleiben immer eine Zeitlang bei ihrer Mutter, die genaue Dauer ist unbekannt. Dabei ist die Bindung zwischen Jungtier und Mutter sehr eng und allein gelassene Junge stoßen Streßlaute aus, um die Mutter zu rufen.

Ebenfalls nicht bekannt ist, ob Schweinswale Reviere bilden und diese gegen Eindringlinge verteidigen oder ob es eine Rangordnung unter Schweinswalen gibt. Allerdings wurden Drohverhaltensweise bei Schweinswalen berichtet. So droht ein Tier einem anderen durch Zuwenden des Kopfes und Ausstoßen von Klicklauten, danach kommt es zu einem Kopfnicken sowie Schläge mit dem Schwanz.

Schweinswale erreichen Geschwindigkeiten von maximal etwa 22 km/h und springen nur sehr selten aus dem Wasser. Die maximale Tauchtiefe beträgt etwa 90 Meter und der Wal kann etwa sechs Minuten tauchen. Die meiste Zeit schwimmen die Tiere mit einer Geschwindigkeit von etwa 7 km/h dicht unter der Wasseroberfläche und durchstoßen diese beim normalen Schwimmen etwa zwei- bis viermal pro Minute um zu atmen. Beim Auftauchen verkrümmt der Wal seinen Körper zu einem Halbkreis und taucht direkt nach dem Atemvorgang mit dem Kopf voran wieder ab. Burmeister (1853) beschrieb dieses Verhalten folgendermassen:

"Das Thier taucht zuerst mit dem Scheitel aus dem Wasser und stark schnaufend Athem; dann biegt es sich kopfüber abwärts, kugelt sich gleichsam hinunter, sodass nacheinander in stark gekrümmter Stellung der Nacken, der Rücken mit der hohen Finnflosse und zuletzt der Schwanzrücken aus dem Wasser sich erheben; aber weder die breite Schwanzflosse noch die Brustflossen kommen dabei zu Gesicht."

Den Vortrieb liefert beinah ausschließlich die Schwanzflosse, die auf- und abwärts geschlagen wird. Die Brustflossen dienen vor allem der Steuerung und der Stabilisierung im Wasser. Einen wesentlichen Einfluß auf die Geschwindgkeit hat die Beschaffenheit der glatten Haut sowie die stromlinienförmige Gestalt der Tiere. Ausgedehnte Ruhephasen gibt es nicht, stattdessen verharren die Tiere mehrmals in der Stunde für vier bis sechs Sekunden in einer Ruhestellung an der Wasseroberfläche, wobei sie jedoch absinken und dann wieder in ihren natürlichen Bewegungsrhytmus zurückfallen.

Eine wichtige Rolle im Verhalten der Schweinswale spielt die Fähigkeit, Laute von sich zu geben, das Spektrum ist dabei sehr groß. Die Kommunikation der Tiere erfolgt über Klicklaute, die aus hochfrequenten (110 bis 150 kHz) und tieffrequenten (etwa 2 kHz) Tönen aufgebaut sind. Hinzu kommen Töne, die die Tiere zur Echolokalisation abgeben, die sowohl niederfrequente Anteile um 1,5 kHz beinhalten als auch hochfrequente Anteile um 100 kHz. Durch Untersucungen der Laute konnten dabei typische Laute der Erkundung und Orientierung, de Dominanz, der Werbung um Partner, der Hilfeleistung sowie der Warnung vor Gefahren identifiziert werden. Für die Evolutionsbiologe interessant ist die Erkenntnis, dass die Ortungslaute der Schweinwale außerhalb des Hörbereichs des Großen Schwertwales liegen. Man geht davon aus, dass sich diese Divergenz als Ergebnis des Räuber-Beute-Verhältnisses entwickelt hat.

Fortpflanzung und Entwicklung

In einem Alter von etwa drei bis vier Jahren werden die Weibchen der Schweinswale geschlechtsreif, die Männchen bereits nach zwei bis drei Jahren. Die Paarungszeit liegt in den europäischen Gewässern zwischen Mitte Juli und Ende August. Während dieser Zeit schwellen die Hoden der männlichen Tiere enorm an, diese wiegen während der meisten Zeit des Jahres etwa zwei Gramm, in der Paarungszeit bis über 400 Gramm. Die Paarung findet bei den meisten Populationen im tieferen Wasser statt, bei anderen im sehr seichten Küstenbereich.

Die meisten Beobachtungen über das Paarungsverhalten stammen von gefangenen Schweinswalen. Es besteht aus einem Vorspiel sowie der nachfolgenden Paarung. Dabei verfolgt ein Männchen zuerst ein ausgewähltes Weibchen und versucht, einen ersten Berührungskotakt mit den Rückenflossen herzustellen. Heck (1915) beschrieb dies folgendermaßen:

"Während der Brunst sind sie äußerst erregt, durcheilen pfeilschnell die Fluten, verfolgen sich wütend und jagen eifrig hinter den Weibchen drein"

Danach folgt ein "Streicheln" sowie ein "Überkreuzschwimmen" (cross-swimming) der Tiere. Hinzu kommt ein Vorzeigen der Bauchseite durch das Männchen und ein Knabbern an den Flossen des Weibchens. Die nur wenige Sekunden dauernde Kopulation erfolgt lotrecht an der Wasseroberfläche und dauert nur einige Sekunden. Danach kann sich das Vorspiel und die Kopulation wiederholen.

Die Schwangerschaft dauert bei Schweinswalen etwa 10 bis 11 Monate, sodass die Jungtiere im Frühsommer zwischen Mai und Juni zur Welt kommen. Dabei wird meistens nur ein Jungtier geboren, Zwillingsgeburten sind extrem selten. Uneinigkeit herrscht darüber, ob ein Weibchen jedes Jahr ein Junges oder nur alle zwei Jahre eines bekommt. Die Geburt selbst ist aufgrund der bei den Walen fehlenden Beckenknochen relativ unkompliziert und findet während des nomalen Schwimmens statt. Die peristaltischen Geburtswellen dauern etwa eine bis zwei Stunden an. Das Jungtier und die Plazenta (Nachgeburt) lösen sich voneinander, nachdem die Nabelschnur mit dem Verlassen des Kopfes als letzten Körperteil des Jungtieres abreißt. Die Jungtiere schwimmen direkt nach der Geburt selbstständig an die Wasseroberfläche und nehmen ihre ersten Atemzüge.

Das Jungtier ist bei der Geburt zwischen 65 und 90 Zentimeter lang und wiegt zwischen fünf und sieben Kilogramm. Das Jungtier wird über acht bis neun Monate von der Mutter gesäugt, es frisst allerdings bereits mit fünf Monaten seine erste Fischnahrung. Beim Säugen legt sich das Muttertier auf die Seite und ermöglicht so dem Jungtier die Atmung an der Wasseroberfläche. Die Milch ist sehr fettreich (ca. 50%) und enthält im Vergleich zu anderen Säugetieren einen hohen Anteil an Rohprotein und Mineralstoffen. Mit dem Beginn des Fischfangs brechen beim Jungtier auch die ersten Zähne durch, mit etwa sieben Monaten haben die Jungtiere ihr vollständiges Gebiss. Muttertiere halten sich mit ihren Jungtieren meistens sehr viel näher an der Küste auf als ihre Artgenossen.

Das maximale Alter von Schweinswalen wird auf etwa 20 Jahre geschätzt, wobei die meisten Tiere nicht älter als acht bis zehn Jahre werden.

Forschungsgeschichte

Der Gewöhnliche Schweinswal stellt neben den Delfinen einen der am frühesten für die Forschung zugänglichen Wale dar, da er als Bewohner der flachen Küstenbereiche Europas auch vom Land aus beobachtet werden konnte. Felszeichnungen aus der Steinzeit, wie sie etwa in Roddoy und Reppa (Norwegen) gefunden wurden, zeigen, daß die Tiere auch früheren Kulturen nicht unbekannt waren. Ein großer Teil der Erkenntnisse, die für die Gesamtheit der Wale bzw. der Zahnwale gelten, wurden erstmalig bei den Schweinswalen entdeckt. Eine erste Beschreibung eines Schweinswals lieferte etwa Aristoteles, der bei der Sektion eines solchen Tieres feststellte, dass Wale keine Fische sind. Er fand auch heraus, dass die Schwangerschaft der von ihm Phookaina genannten Wale etwa 10 Monate dauert und beschrieb, dass die Wale schlafend den Kopf über Wasser halten und "schnarchen". Seine sehr genauen Beschreibungen wurden von den Römern zwar übernommen, aber inhaltlich mit den Erkenntnissen über die Delfine vermischt. Hier ist vor allem Plinius der Ältere zu nennen, der eine umfassende Naturgeschichte verfasste. Auch in der Kunst dieser und nachfolgender Zeiten findet sich diese Vermischung wieder, so wurden Delfine seitdem mit einem hochgewölbten, für Schweinswale typischen Kopf und einer langen, für Delfine typischen Schnauze dargestellt.

Bis in das späte Mittelalter wurden die Erkenntnisse der Griechen und Römer über die Schweinswale nicht wesentlich erweitert sondern häufig nur noch weiter vefälscht und abstrahiert. In den Schriften von Konrad von Megenberg, um 1340, kann man etwa über das "Meerschwein", eine alte Bezeichnung der Schweinswale, nachlesen:

"Porcus marinus heisst ein Meerschwein und ist ein essbarer Fisch. Er hat fast ganz die Gestalt eine wirklichen Schweines. Seine Zunge ist, wie beim gewöhnlichen Schwein, lose, es fehlt ihm aber die Stimme, die das Schwein besitzt. Auf dem Rücken hat er Stacheln, in denen Gift ist. Die Galle der Fische ist aber ein Gegenmittel gegen das Gift. Die Meerschweine leiden viel Angst und Noth, wie Plinius berichtet, sie suchen ihre Nahrung am Grunde des Meeres und wühlen, wie die richtigen Schweine in der Erde. An der Kehle haben sie einen Rüssel."

Wissenschaftlicher wurden dann erst wieder die Beschreibungen des 16. Jahrhundert, allen voran die von Carl Gessner, Pierre Belon und G. Rondelet. Rondelet begann damit, aufgrund kritischer Beobachtungen die fabelhaften Anteile aus den Tierbeschreibungen zu filtern. Durch Sektionen konnte er auch die Entwicklungsstadien des Fötus studieren und die Anatomie des Walgehirns betrachten. Belon entdeckte die Besonderheiten des Walskeletts durch Sektionen an Schweinswalen und Delfinen. Weitere Erkenntnisse kamen durch Ulisse Aldrovandi und Johannes Jonstonus im 17. Jahrhundert hinzu. Bei einer Schweinswalsektion des dänischen Forschers Thomas Bertholin war sogar der König Frederick III. samt Gefolge anwesend. Bertholin selbst war der erste Wissenschaftler, der den für Zahnwale typischen Kehlkopf beschrieb. Auch Edward Tyson, Mayor und Willughby brachten neue Erkenntnisse. John Ray vollzog schließlich 1693 erstmals die Trennung der Bartenwale und Zahnwale.

Die wissenschaftliche Beschreibung und die Einordnung in die Systematik erfolgte durch Carl von Linné 1758 als Delphinus phocaena, in der er die Wale insgesamt auch erstmalig den Säugetieren zuordnete. Georges Cuvier schuf 1816 die Gattung Phoecoena. Im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts wuchs das Wissen über die Wale und damit auch der Schweinswale massiv an. Besonders die Vergleichende Anatomie, die Physiologie und später auch das Verhalten und die Ökologie der Wale wurden umfangreich erforscht. Wichtige Arbeiten stammten dabei etwa von Étienne Geoffroy Saint-Hillaire, Rapp und später ganz besonders Willy Kükenthal

Systematik und Unterarten

Der Schweinswal gehört gemeinsam mit dem Kalifornischen Schweinswal (Phocoena sinus) und dem Burmeister-Schweinswal (Phocoena spinipinnis) in die Gattung Phocoena innerhalb der Schweinswale (Phocoenidae).

Einhergehend mit ihrer sehr großen weltweiten Verbreitung existieren eine Reihe von geografischen Variationen des Schweinswales. So sind die Vertreter im Schwarzen Meer durchweg kleiner als die der Ostsee und die westatlantischen Tiere größer als diejenigen im Ostatlantik vor der europäischen Küste. Außerdem sind die Ostsee-Schweinswale durchweg dunkler als die der Nordsee und besitzen eine spezielle Speckschicht, die Tiere aus dem Schwarzen Meer weisen mehr Tuberkeln vor der Rückenfinne auf und haben sich physiologisch auf niedrigere Salzgehalte eingestellt. Alle diese Unterschiede basieren darauf, dass die Schweinswale mehrere regionale Populationen ausbilden, die sich weitestgehend nur untereinander verpaaren.

Als voneinander vollständig abgeschlossene Metapopulationen und somit als Unterarten werden folgende angesehen:

  • Phocoena phocoena vomerina im Pazifik
  • Phocoena phocoena phocoena im Atlantik
  • Phocoena phocoena relicta im Schwarzen Meer

Innerhalb dieser Metapopulationen können weitere, kleinräumigere Populationen unterschieden werden. Allein die Schweinswale der europäischen Küsten werden dabei in etwa zehn mehr oder weniger geschlossene Populationen aufgeteilt. Dabei scheint beispielsweise die Population der Ostsee einen relativ großen Genaustausch mit der Population der nördlichen Nordsee zu haben, gegenüber den Schweinswalen der südlichen Nordsee besteht dagegen eine genetische Barriere aufgrund des unterschiedlichen Wanderverhaltens.

Bedrohung und Schutz

Die Gesamtzahl der heute noch lebenden Schweinswale ist unbekannt, es wird jedoch davon ausgegangen, dass sie weltweit noch sehr hoch liegt. Problematischer sind die Individuenzahlen einzelner Lokalpopulationen, vor allem im Schwarzen Meer und in der Ostsee.

Walfang

Der Schweinswal wurde bereits seit dem Mittelalter gejagt, erste Erwähnungen des Schweinswalfanges stammen aus der Normandie, wo er seit 1098 belegt ist. Die Küste wurde den "Walmanni" zugeteilt, die organisierte Fangzüge durchführten.

In Middelfarth auf Fünen ist der Schweinswalfang seit etwa 1500 belegt. Hier fand er durch eine Zunft von "Meerschweinjägern" ("Marsvinsjaeger-Langet") statt, die mit 10 Booten und jeweils drei Mann Besatzung die Schweinswale fingen. Die Innungsregeln waren streng festgelegt festgelegt und wurden auf königlichen Geheiß geregelt. Dazu schrieb Finn (1878):

"Jedes Jahr am zweiten Weihnachtsfeiertage, nachdem der Gottesdienst beendet ist, wird von der gesamten Zunft, unter Präsidium des Bürgermeisters, ein Altmann gewählt, der selbst wieder 4 Beisitzer und einen Stuhlbruder wählt, deren Pflicht es hauptsächlich sein soll, das Beste der Zunft Wahrzunehmen und die Befolgung der Statuten zu Überwachen ..."

Auch in Flandern, im Ärmelkanal, an der dänischen, der deutschen und an der polnischen Küste wurde der Schweinswal kommerziell genutzt. Wie im obigen Beispiel von Middelfarth war auch hier der Fang häufig streng geregelt. So mußte etwa an der polnischen Küste jeder "Delfinfischer" Zwei Mark Jahressteuer an den amtierenden Fischereimeister abgeben. Die Marktpreise waren etwa in Königsberg um 1379 festgelegt. Dabei war in allen Ländern der Walfang eher ein Nebengeschäft neben dem regulären Fischfang und wurde meistens von wenigen Fischern ausschließlich betrieben.

Bis ins 19. Jahrhundert wurden so etwa 1000 bis 2000 Tiere pro Jahr gefangen, bis 1944 nahm die Quote auf etwa 320 Tiere ab. Heute findet der kommerzielle Fang der Schweinswale vor allem im Schwarzen Meer statt, in allen europäischen Staaten ist er verboten. Entsprechend treten Schweinswale wie andere Kleinwale vor allem als Beifang auf, dort jedoch teilweise in hohen Mengen von jährlich über 4.000 Exemplaren.

Umweltverschmutzung

Die Hauptbedrohung der Schweinswale liegt heute in der zunehmenden Umweltverschmutzung der Meere. Vor allem Schwermetalle wie Quecksilber, Blei oder Kadmium lagen sich in der Muskulatur und der Leber der Wale ab. In der Speckschicht konzentrieren sich fettlösliche Umweltgifte wie polychlorierte Biphenyle (PCB) oder (mittlerweile abnehmend) Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan (DDT). Teerrückstände sowie Reste von Ölfilmen führen zu Hautnekrosen und gemeinsam mit den anderen Vergiftungen zu einer Schwächung der Tiere, wodurch wiederum die Anzahl erkrankter und stark durch Parasiten befallener Tiere zunimmt. PCB-Gehalte von über 70 mg/kg können bei Robben und Walen zu Sterilität führen, eine Menge, die bei nicht wenigen Schwenswalen gefunden werden konnte. Die höchste PCB-Konzentration bei einem Schweinswal betrug bislang 260 mg/kg und wurde 1976 festgestellt. Als Streßfaktor für die küstennah lebenden Wale muß daneben der Lärm von Schiffsmotoren angesehen werden, der die Orientierung der Tiere stört.

Der Schweinswal steht in allen europäischen Staaten unter Naturschutz und ist im Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens gelistet. Einfuhr, Transport und Haltung sind außerdem nach der Gesetzgebung der Europäischen Union verboten.

Haltung

Aufgrund seiner relativ geringen Größe wurde der Schweinswal sehr häufig in der Gefangenschaft gehalten. Anders als einige Delfinarten ist er jedoch aufgrund seiner Umweltansprüche und hohen Anfälligkeit für die Haltung nicht sonderlich gut geeignet. Ein Großteil der zur Haltung gefangenen Tiere verenden nac wenigen Wochen. Aus diesen Gründen findet die Haltung von Schweinswalen heute beinah ausschließlich zu wissenschaftlichen Untersuchungen oder zur Pflege zufällig gefangener und verletzter Tiere statt.

Die ersten bekannten Haltungsversuche fanden 1862 in London und 1864 im Tierpark Hagenbeck in Hamburg, weitere 1914 in Brighton und 1935 in Berlin statt. Alle diese Versuche dauerten nur wenige Tage bis die Tiere starben. In London versuchte man das bereits bei der Ankunft durch den Transport stark geschwächte Tier mit Branntwein zu stärken, es verstarb jedoch nach wenigen Stunden. Erst in den 1970er Jahren stieg das Interesse an der Haltung von Schweinswalen erneut im allgemeinen Boom der Delfinarien. So hielt man sie in New York (1970), Kopenhagen (1970), Duisburg (1979), Constanta (seit 1971 regelmäßig) und an verschiedenen anderen Orten, meistens nur für wenige Wochen. Die maximale Lebensdauer für Schweinswale in Gefangenschaft liegt bei zwei bis drei Jahren, durchschnittlich leben sie allerdings auch heute noch etwa einen Monat.

Literatur

  • Carwardine M (1996) Wale und Delfine, Delius Klasing (hochwertiger Führer)
  • Kiefner R (2002): "Wale und Delfine weltweit", Jahr Top Special Verlag (Führer der Zeitschrift "tauchen", sehr detailliert)
  • Niethammer J, Krapp F (Hrsg., 1994) Handbuch der Säugetiere Europas. Band 6: Meeressäuger, Tel 1A: Wale und Delphine 1. AULA-Verlag, Wiesbaden (wissenschaftliches Standardwerk)
  • Reeves RR, Stewart BS, Clapham PJ, Powell JA (2002) See Mammals of the World - a complete Guide to Whales, Dolphins, Seals, Sea Lions and Sea Cows, A&C Black, ISBN 0-7136-6334-0 (Führer mit zahlreichen Bildern)
  • Schulze G (1996) Die Schweinswale. Neue Brehm-Bücherei 583, Westarp Wissenschaften Magdeburg (detaillierte Monografie)
  • Soury G (1997) Das große Buch der Delfine, Delius Klasing, 1997, (detailreicher Bildband)
  • Würtz M, Repetto N (2003) Underwater world: Dolphins and Whales, White Star Guides, 2003, ISBN 88-8095-943-3 (Bildband, Bestimmungsbuch)

Die Zitate stammen aus den folgenden Werken und sind Sekundärzitate aus Schulze 1996:

  • H. Burmeister (1853): Reise nach Brasilien, Berlin
  • L. Heck (1915): Wale, in Brehms Tierleben Band 3, 4 Auflage Leipzig
  • K. v. Megenberg (um 1340): Buch der Natur, Greifswald
  • Finn (1878): genaue Quellenangabe fehlt.