Ökologische Landwirtschaft

Produktionsmethoden, die eine umweltschonende Urproduktion ermöglichen
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Die Begriffe ökologische Landwirtschaft oder biologische Landwirtschaft bezeichnen die Herstellung von Nahrungsmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf der Grundlage möglichst „naturnaher“ Produktionsmethoden und unter Berücksichtigung von Erkenntnissen der Ökologie und des Umweltschutzes. Die ökologische Landwirtschaft verzichtet auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide (Fungizide, Herbizide, Insektizide etc.), synthetische Wachstumsförderer, synthetische Düngemittel, Gentechnik und Lebensmittelbestrahlung. Folge-Produkte mit Zutaten aus ökologischem Anbau werden ohne Geschmacksverstärker hergestellt. Der Zusatz von Aromastoffen ist erlaubt, wenn es sich um natürliche Aromen handelt.

Gekennzeichnet werden Produkte aus ökologischer Landwirtschaft in Deutschland verpflichtend durch Angabe der zuständigen Öko-Kontrollstelle, fast immer auch durch ein Bio-Siegel und häufig durch die Aufschrift aus kontrolliert biologischem Anbau, abgekürzt kbA. International ist die englische Bezeichnung organic üblich.

Abgrenzung von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft

Zur Abgrenzung des ökologischen Landbaus vom konventionellen Landbau sowie dem integrierten Landbau werden kurz die Grundzüge und Kerngedanken aller drei Landwirtschaftsformen dargestellt sowie deren Bezug zum Umweltschutz. Die allen gemeine Herstellung von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen erfolgt dabei unter verschiedenen Gesichtspunkten und Ideologien.

Konventionelle Landwirtschaft

Ziel der konventionellen Landwirtschaft ist die effiziente Produktion von Lebensmitteln und Industrierohstoffen. Zur Produktivitätssteigerung nutzt die konventionelle Landwirtschaft jeden sinnvoll möglichen technischen Fortschritt und ersetzt daher in hohem Maße natürliches durch künstliches Kapital. Ökologische Zielsetzungen nehmen keine herausragende Stellung ein und werden nur im Rahmen rechtlicher Vorgaben verfolgt (Umweltschutzauflagen). Die konventionelle Landwirtschaft verursacht im Vergleich zu den beiden übrigen Wirtschaftsformen die meisten negativen externen Effekte.[1]

Integrierte Landwirtschaft

Der integrierte Landbau ist in seiner Wirtschaftsweise und Ideologie etwa zwischen dem konventionellen und dem ökologischen Landbau angesiedelt und versucht, ein Gleichgewicht zu finden zwischen ökologischer Verträglichkeit und Wirtschaftlichkeit. Ziel ist eine standortgerechte, umfassende, möglichst naturnahe Bewirtschaftung unter Abwägung aller Bewirtschaftungsmethoden (also auch „konventionelle“). Trotz vorhandener Produktionsrichtlinien fehlen wegen der flexiblen Auslegung der Grundsätze detaillierte rechtliche Vorgaben bzw. Mindeststandards.[2]

Ökologische Landwirtschaft

 
Das deutsche staatliche Bio-Siegel zur Kennzeichnung von Produkten nach der EG-Öko-Verordnung

Bei der ökologischen Landwirtschaft oder auch biologischen Landwirtschaft[3] steht eine nachhaltige Ressourcennutzung unter Berücksichtigung des Stoff- und Naturkreislaufs im Vordergrund. Durch den Rückgriff auf natürliche Regulationsmechanismen soll der Ersatz von natürlichem durch künstliches Kapital weitgehend verhindert bzw. rückgängig gemacht werden. Detaillierte Richtlinien garantieren die Verwirklichung der Grundsätze und geben Mindeststandards für die Produktion und Verarbeitung von ökologischen Erzeugnissen vor. Weitere ursprüngliche Kerngedanken des ökologischen Landbaus sind die Idee der Selbstversorgung und die Bewahrung der bäuerlichen Traditionen.[4]

Der Artikel widmet sich ausschließlich der Sparte der ökologischen Landwirtschaft, wobei die verwendeten Begriffe „ökologische Landwirtschaft“ und „ökologischer Landbau“ gleichwertig sind und Begriffe wie „Ökoprodukte“ u. ä. sich direkt darauf beziehen.

Entwicklung und Entstehung des ökologischen Landbaus

Die Anfänge des ökologischen Landbaus reichen bis in die 1920er Jahre zurück. Von diesem Zeitpunkt an bis heute sind im Wesentlichen zwei Hauptströmungen der ökologischen Landwirtschaft auszumachen, die sich größtenteils parallel entwickelt haben. Die „Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise“ auf der einen Seite beruht auf geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen der anthroposophischen Weltanschauung. Ihre Grundsätze blieben im Wesentlichen bis heute erhalten, wurden jedoch durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse ergänzt sowie in ihrer Anwendung stetig weiterentwickelt. Der Verband Demeter ist der einzige Vertreter der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise. Auf der anderen Seite steht der „Organisch-Biologische Landbau[5], der in den 1950er Jahren aus der Schweizer Heimatbewegung entstand, aber auch Wurzeln in der Lebensreform der 1920er Jahre sowie im dynamisch-biologischen Landbau hat. Im Laufe der Zeit wurde dieser durch neue Konzepte und wissenschaftliche Erkenntnisse ergänzt und erweitert und ist heute mit der gängigen ökologischen Landbaupraxis zu identifizieren, der sich die ökologischen Anbauverbände verschrieben haben (außer Demeter).[6][7]

Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise

 
Rudolf Steiner um 1900
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Logo des Demeter-Verbands

Die Grundlage der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise bildet die Vortragsreihe „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“[8], die der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, im Juni 1924 hielt. Dabei stellte Rudolf Steiner kein erprobtes und ausgereiftes Konzept der ökologischen Landwirtschaft vor, sondern gab lediglich Anstöße für anthroposophisch fundierte Methoden der Landbewirtschaftung. Noch während der Vortragsreihe wurde der Landwirtschaftliche Versuchsring der anthroposophischen Gesellschaft gegründet, der in den Folgejahren die Arbeit der angeschlossenen ‚Versuchsbetriebe’ koordinierte und auswertete. Es galt, die theoretischen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und Erfahrung zu gewinnen.[9]

Hieraus und durch nachfolgende Facharbeiten entwickelte sich die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise. Die aus der anthroposophischen Naturerkenntnis heraus entwickelten Grundlagen beruhen in erster Linie auf geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht nur auf denen der Naturwissenschaft.[10][11] So bildet Grundlage der Alltagsarbeit als auch der Lebensarbeit ein persönliches Verhältnis zum Naturgeschehen. Der landwirtschaftliche Betrieb wird als eine lebendige Individualität, der Betriebsorganismus, angesehen, der auch nichtmateriellen Einflüssen unterliegt und dessen Gestalt von den einzigartigen, lokalen Standortverhältnissen geprägt ist.[12] Die kosmischen Äther- und Astralkräfte sind Grundlage des irdischen Lebens und somit des Wachstums und der Entwicklung von Pflanzen. Durch spezielle Düngeverfahren sollen diese Kräfte gezielt gefördert werden.[13][14] Auch sollte der Betrieb in der Lage sein, sich weitgehend selbst zu erhalten.

Des Weiteren nimmt die Qualität von Nahrungsmitteln innerhalb der anthroposophischen Ernährungslehre einen zentralen Stellenwert ein, was die Bedeutung qualitativer Aspekte in der Landwirtschaft wie gesunde Pflanzen und Tiere, hochwertige Futtermittel und gesundes Saatgut bedingt. Hierzu zählt auch der Verzicht auf Mineraldünger.[15]

Diese anthroposophischen Grundsätze wurden in den 1950er Jahren durch sozioökonomische Konzepte ergänzt, die auf den Erhalt der bäuerlichen Lebensweise abzielten. Ebenfalls erst in den 1950er Jahren begann die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, die allgemein anerkannten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu Bodenfruchtbarkeit und Humuswirtschaft zu integrieren.[16] In den 1990er Jahren rückte der Betriebsorganismusgedanke sowie die Ausrichtung auf eine bäuerliche Lebenswelt zugunsten der Fragen des Naturschutzes und der Nachhaltigkeit in den Hintergrund, wobei die bisherige Landbaupraxis hinsichtlich umweltschonender Landbewirtschaftung erweitert bzw. neu gedeutet wurde.

Der Demeter-Anbauverband in seiner heutigen Struktur als Vermarkter und Zertifizierer wurde 1954 als Demeter-Bund e.V. gegründet, geht aber auf die frühere Gründung und dem Zusammenschluss einer Reihe weiterer Verbände zurück, weshalb das Gründungsjahr von Demeter e.V. selbst als das Jahr 1924 angegeben wird.[17]

Organisch-biologische Landwirtschaft

Der in den 1950er Jahren entwickelte „Organisch-Biologische Landbau“ hat seinen Ursprung in der Lebensreform-Bewegung der 1920er Jahre. Diese bildete sich im Kontext der zunehmenden Urbanisierung und Industrialisierung der Jahrhundertwende und den damit einhergehenden sozialen Problemen. Zudem strebte sie als Gegenpol zur ‚Unnatürlichkeit’ der städtischen Lebensverhältnisse eine ‚Rückkehr zu einer naturgemäßen Lebensweise’ und in Bezug auf die Landwirtschaft das Siedeln auf dem Land mit Selbstversorgung durch Obst- und Gartenbau, vegetarische und qualitativ hochwertige Ernährungsweise sowie den Verzicht industrieller Hilfsmittel an.[18] Zudem stützte sich die Bewirtschaftung bezüglich der Bodenbewirtschaftung und Nahrungsmittelqualität auf Erkenntnisse biologisch ausgerichteter Landbauwissenschaften.[19]

Angestoßen durch dieses Konzept sowie der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise entwickelten Bäuerinnen und Bauern der Schweizerischen Heimat-Bauernbewegung aufbauend auf ihren Erfahrungen unter Führung des Ehepaars Müller, den organisch-biologischen Landbau als eigenständiges ökologisches Landbausystem in den 1940er und 1950er Jahren. Ziel der Heimatbewegung war, die bäuerliche Lebensweise in der industrialisierten Welt vor dem Untergang zu bewahren.[20] Aus dem christlichen Glauben leitete Hans Müller die Verantwortung der Landwirtschaft gegenüber der Familie als Lebensgemeinschaft und Tradition sowie gegenüber der Natur als Heimat und Schöpfung.[21]

Die theoretische Grundlage des organisch-biologischen Landbaus lieferte der Deutsche Wissenschaftler Hans Peter Rusch (1906-1977), der 1952 zu den Müllers stieß. Seine Forschungsarbeiten lieferten neue Erkenntnisse über die Bodenmikrobiologie, deren Kreisläufe und die damit zusammenhängende Bodenfruchtbarkeit und wurden als Naturhaushaltkonzept des „Kreislaufs der lebendigen Substanz“ in den organisch-biologischen Landbau eingegliedert.[22]

Dieses ökologische Landbausystem breitete sich ab den 1960er Jahren auch in Deutschland aus. Erstmals stellten Betriebe auf die organisch-biologische Wirtschaftsweise um,[23] in dessen Zuge 1971 auch der Anbauverband Bioland, ehemals bio-gemüse e.V., gegründet wurde.[24] Es bildete die Grundlage für die weitere Entwicklung des ökologischen Landbaus in Deutschland. (Ausgenommen hiervon war die eigenständige biologisch-dynamische Wirtschaftsweise.)

Angesichts der sozialen, ökonomischen und vor allem ökologischen Folgen der chemisch-technischen Intensivierung der Landbewirtschaftung und der aufkeimenden Umweltbewegung gewann der ökologische Landbau in den 1970er und 1980er Jahren in der Gesellschaft und Landwirtschaft an Bedeutung,[25] was sich auch in Verbandsneugründungen niederschlug. Die immer stärker zutage tretenden Umweltproblematiken und die seit den 1990er Jahren geführte Nachhaltigkeitsdiskussion führte dazu, dass sich die ökologische Landwirtschaft gesellschaftlich wie politisch als zukunftsfähiges, umweltschonendes Landbausystem etablierte.

Produktionsweisen in der ökologischen Landwirtschaft

Allgemeines zum ökologischen Landbau der Anbauverbände

Im Folgenden seien einige entscheidende Punkte genannt, die den heutigen ökologischen Landbau der Anbauverbände charakterisieren sowie auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte Bezug nehmen. Diese Grundsätze beziehen sich auf beide in Deutschland vertretenen oben beschriebenen ökologischen Landbausysteme, wobei die konkrete Ausgestaltung der Grundlagen durchaus unterschiedlich ist.

  • Der ökologische Landbau bezog sich zunehmend auf die Konzepte der Ökosystem-Theorie, die den Naturhaushalt über Stoff- und Energiekreisläufe beschreibt. Gekoppelt mit der ursprünglichen Idee der Selbstversorgung lässt sich daraus der in der ökologischen Landbaupraxis verfolgte Grundsatz der Kreislaufwirtschaft ableiten. Hiernach soll der Betrieb nach einer ganzheitlichen Auffassung idealerweise lediglich durch die Nutzung seiner eigenen Ressourcen gemäß den geschlossenen Stoffkreisläufen bewirtschaftet werden. Konkret heißt dies, dass Ackerbau und Viehhaltung aneinander gekoppelt sind: Auf der Ackerfläche werden neben Verkaufsfrüchten auch Futterpflanzen für die Tierhaltung erzeugt, die pflanzlichen Abfälle und der tierische Dung werden wiederum der Ackerfläche als Dünger zugeführt.[26]
  • Der Bodenbewirtschaftung und der damit verbundenen Bodenfruchtbarkeit kommt eine große Bedeutung zu, weshalb auf vielseitige Fruchtfolge und schonende Bodenbearbeitung gesetzt wird. Zur Düngung werden betriebseigene pflanzliche und tierische Abfallstoffe verwertet und organische oder in natürlicher Form vorliegende mineralische Dünger eingesetzt. Auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wird verzichtet und stattdessen auf natürliche Regulationsmechanismen zurückgegriffen.[26]
  • Anfang der 1980er wurde die artgerechte Tierhaltung erstmals thematisiert und Konzepte dazu entwickelt.
  • Die ökologische Landwirtschaft lehnt den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen klar ab. [26]

Allgemeines zum verbandsunabhängigen ökologischen Landbau nach EG-Kriterien

Bis Anfang der 1990er Jahre gab es nur wenige ökologisch wirtschaftende Betriebe, die sich nicht einem der Anbauverbände angeschlossen hatten. Mit dem Inkrafttreten der EG-Öko-VO 1991 gab es nun für Betriebe die Möglichkeit, außerhalb der Verbände nach anerkannten, ökologischen Richtlinien zu produzieren. Dies sowie der Ausbau von Förderprogrammen seitens des Bundes ließ die Zahl der verbandsungebundenen Betriebe sprunghaft anwachsen.[27] Somit gibt es eine stetig wachsende Menge von Betrieben, die ausschließlich nach den in der EG-Öko-VO festgelegten Kriterien wirtschaften, die jedoch hinter den Standards der ökologischen Anbauverbände zurückbleiben.[28] Ein nachfolgender Vergleich der EG-Richtlinien mit denen eines Vertreters der ökologischen Anbauverbände weist auf wesentliche Unterschiede hin.

Vergleich der Bioland-Richtlinien mit der EG-Öko-Verordnung

Aus den Richtlinien von Bioland und aus denen der EG-Öko-VO wurden einige Punkte herausgegriffen und in der folgenden Tabelle nebeneinander gestellt, Bioland steht an dieser Stelle stellvertretend auch für die übrigen deutschen Anbauverbände, deren Regelwerk über große Teile deckungsgleich ist:

Bereich
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Bioland
 
EG-Öko-Verordnung
Bewirtschaftungsform Gesamtbetriebsumstellung, ausschließlich ökologische Bewirtschaftung aller Betriebszweige vorgeschrieben Teilumstellung und damit ökologische und konventionelle Bewirtschaftung in einem Betrieb möglich
Stickstoff-Dünger Die Höhe der Düngung orientiert sich an dem zulässigen Tierbesatz je Fläche Die Gesamtdüngermenge ist nicht begrenzt
Organische Handelsdünger Blut-, Fleisch- und Knochenmehle sowie Guano sind verboten Blut-, Fleisch- und Knochenmehle sowie Guano sind zugelassen
Kuhtrainer* nicht zulässig nicht geregelt
Futterzukauf Mind. 50% des Futters muss vom eigenen Hof stammen Eigene Futtererzeugung nicht eindeutig vorgeschrieben
Verarbeitung „Bio“ darf verwendet werden, wenn 100% der Zutaten ökologischer Herkunft sind „Bio“ darf verwendet werden, wenn 95% der Zutaten ökologischer Herkunft sind
(*)Kuhtrainer: ausschließlich in der Anbindehaltung von Milchkühen; knapp oberhalb des Rückens angebrachter Metallbügel oder Draht, welcher der Kuh einen Stromschlag versetzt, wenn sie beim Harnen oder Koten artgemäß den Rücken krümmt. Dadurch wird sie gezwungen, einen Schritt zurückzutreten und statt auf die eigene Liegefläche in den Mistgraben zu harnen und zu koten.

Hieran soll noch einmal konkret verdeutlicht werden, dass die Richtlinien der Anbauverbände hinsichtlich Ackerbau, Tierhaltung und Verarbeitung über die der EG-Öko-VO hinausgehen. Auch wird ersichtlich, dass durch die gemäß den EG-Richtlinien mögliche Teilumstellung des Betriebs sowie der nicht eindeutig geregelte Zukauf von Futter und Dünger dem Grundsatz der Kreislaufwirtschaft, wie er von den ökologischen Anbauverbänden vertreten wird, widerspricht.

Ökologische Pflanzenproduktion

Bei der ökologischen Pflanzenproduktion wird auf Monokulturen und den Einsatz chemischer Syntheseprodukte, wie Fungizide, Herbizide und Insektizide, Kunstdünger, Wachstumsregulatoren und Antibiotika sowie gentechnisch veränderter Mittel und Produkte verzichtet. Stattdessen werden dem Boden durch Mist- oder Güllegaben und Gründüngung möglichst aus eigenen Mitteln Nährstoffe zugeführt. Die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ist stark eingeschränkt. Neben Pflanzenpräparaten (wie z.B. Brennnesseljauche, Schachtelhalm-, Wermut-, Algenextrakte), Pyrethrumextrakt (ohne chemisch-synthetische Pyrethroide) oder Ölemulsion auf der Basis von Paraffinölen, Pflanzenölen oder tierischen Ölen (ohne Beimischung chemisch-synthetischer Insektizide) sind für manche Einsatzgebiete in begrenztem Umfang genau definierte anorganische Schutzmittel (etwa bestimmte Kupfersalze als Saatgutbeizmittel oder Netzschwefel als Fungizid) zugelassen[29]. Zur Vermeidung von Krankheiten und Schädlingen werden bevorzugt bewährte und robuste Sorten angepflanzt, wobei für möglichst gute Wachstumsbedingen gesorgt wird. Falls nötig und wenn möglich wird auf Methoden der biologischen Schädlingsbekämpfung zurückgegriffen.

 
Biologische Schädlingsbekämpfung: Polistes-Wespe auf der Suche nach Baumwollschädlingen auf einer Farm in South Carolina.

Mittels spezieller Anbaumethoden wie Ecofarming oder Permakultur wird teilweise versucht, sich im Kulturanbau den Wachstumsmustern der Natur zu nähern, um mit möglichst geringem Fremdmitteleinsatz einen möglichst hohen Ernteertrag zu erzielen.

Ökologische Viehzucht

Es ist nur logisch, dass die ökologischen Erwägungen bei der Agrarwirtschaft begonnen haben und nicht bei der Viehzucht, denn die Ernährung der Tiere hängt direkt von der Agrarwirtschaft ab. Nach und nach ist man in der Viehzucht aber den Vorgaben aus der Agrarwirtschaft gefolgt und hat diese auch in die ökologische Produktion miteinbezogen.

Erst etwa acht Jahre nach der Einführung der Bestimmungen zur landwirtschaftlichen Produktion wurde die Verordnung CE 1804/1999 genehmigt, worin die Prinzipien und spezifischen Kontrollmaßnahmen zur ökologischen Erzeugung von Fleisch und weiterverarbeiteten Tierprodukten festgehalten werden. Der Prozess zur Einbeziehung der Viehzucht wurde durch den Druck der Verbraucher begünstigt, die ihrerseits durch die vielen alarmierenden Meldungen über Krankheiten und sonstige gesundheitsschädliche Vorgänge in der Nahrungsmittelindustrie aufgeschreckt wurden.

Die ökologische Viehwirtschaft basiert auf der Bevorzugung ökologischer Vielfalt, der Bevorzugung von Rassen, die sich ihrem Umfeld am besten angepasst haben und der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten; zudem ist den einheimischen Rassen – bei gleichen Voraussetzungen - Vorrang einzuräumen. Es wird eine extensive Produktionsform vorgeschrieben. Der Zukauf von Futtermitteln ist reglementiert, die Verfütterung von Tiermehl und lange Lebendtransporte von Schlachtvieh über große Distanzen sind verboten (man beachte hier die Unterschiede zwischen EU-Öko-VO und den Anbaubetrieben, siehe Tabelle oben), der Absatz der Erzeugnisse findet nach Möglichkeit unter den Gesichtspunkten eines regionalen Kreislaufs statt.

Gentechnisch manipulierte Tiere und von ihnen erzeugte Produkte vertragen sich nicht mit den Prinzipien ökologischer Viehwirtschaft.

Tierschutz

 
Konventionelle Massentierhaltung am Beispiel von Schweinen

Die Bestimmungen schreiben Unterkünfte in genügender Größe, ausreichende Belüftung und Helligkeit vor. Die ökologische Viehzucht lehnt Massenzuchtmethoden zur Ertragssteigerung, wie die Aufzucht von Tieren auf kleinstem Raum, ständige, künstliche Beleuchtung, etc. ausdrücklich ab.

Die Bewegungsfreiheit der Tiere muss in jedem Falle gewährleistet sein und die natürlichen Aktiv- und Ruhephasen müssen respektiert werden.

Die richtige Ernährung der Tiere basiert auf aus ökologischem Anbau stammenden Produkten. Tierproteine dürfen weder direkt, noch als Beimischung im Futter gefüttert werden. Bei Säugetieren ist die Einhaltung einer bestimmten Stillzeit vorgeschrieben.

Um die Tiere gesund zu erhalten soll gegen Infektionen und andere Krankheiten auf bestmögliche Weise vorgesorgt werden: Neben der Bevorzugung widerstandsfähiger Rassen müssen Faktoren wie ein an die Umweltbedingungen und baulichen Gegebenheiten angepasster Viehbestand und dessen ausgewogene Ernährung beachtet werden.

Sollten sich trotz vorbeugender Maßnahmen Gesundheitsprobleme ergeben, werden umgehend Behandlungsmaßnahmen eingeleitet, die die Anforderungen für Ökobetriebe erfüllen. Hierbei werden vorzugsweise pflanzliche oder homöopathische Mittel bzw. Spurenelemente als Medikamente eingesetzt und der Gebrauch von synthetischen Chemieprodukten oder Antibiotika weitestgehend eingeschränkt. Letztgenannte Mittel dürfen in keinem Fall zu Vorbeugungszwecken eingesetzt werden.

 
Naturland-Betrieb Bernd Schulz mit ökologischer Schweinezucht und Freilandhaltung in Gömnigk

Ausdrücklich verboten ist jede Form von wachstumsfördernden oder ertragssteigernden Mitteln. Außerdem werden Techniken abgelehnt, die der Synchronisierung der Fruchtbarkeitszyklen auf unnatürlichem Wege dienen, sowie die Übertragung von Embryos und genetische Manipulationen.

Zudem gibt es Vorschriften über den richtigen Transport der Tiere: der Stress für die Tiere muss auf ein Minimum reduziert werden; Beruhigungsmittel für die Transportdauer sind verboten.

Die einzelnen Anbauverbände und Markenfleischprogramme unter den verschiedenen Öko- und Bio-Siegeln unterscheiden sich jedoch in einigen Punkten deutlich voneinander, besonders hinsichtlich Verbot oder Zulassung betäubungsloser Kastrationen und Enthornungen der Tiere [30].

Bioverbände

Die Mehrzahl der ökologischen Produzenten haben sich in verschiedenen Anbauverbänden zusammengeschlossen wie in der Bundesrepublik Deutschland z.B. Bioland, Demeter, Naturland, Gäa e.V. oder Biopark, welche durch ihre im Vergleich zur EU-Gesetzgebung nochmals strengeren Bestimmungen und Kontrollen dem Verbraucher zusätzlich Produktsicherheit garantieren. In der Schweiz ist Bio Suisse der größte Anbauverband, in Österreich Bio Austria.

Im Folgenden wird zunächst eine Übersicht über die in Deutschland agierenden Anbauverbände, ihre Struktur und Aufgaben gegeben. Um deren Entstehung und Ideologien nachzuvollziehen, wird anschließend die geschichtliche Entwicklung des Ökolandbaus in Deutschland erläutert und nachfolgend der heutige ökologische Landbau der Anbauverbände vorgestellt. Dabei sollen die bestehenden ideellen und praktischen Unterschiede der beiden ideologischen Strömungen innerhalb der Biobranche herausgearbeitet werden. Zum Ökolandbau gemäß EU-Kriterien siehe obigen Abschnitt: dort findet sich ein Richtlinienvergleich der die EG-Kriterien vom ökologischen Landbau der Anbauverbände abgegrenzt.

Als Interessengemeinschaft ökologisch wirtschaftender Landwirte gegründet, haben sich die Anbauverbände als Vertreter von Erzeugern, Verarbeitern und Vermarktern der Biobranche in Politik und Gesellschaft mit dem vorrangigen Ziel der Ausweitung und Weiterentwicklung des ökologischen Landbaus etabliert. Durch die zur Verfügung Stellung eines breiten Netzwerks bestehender Infrastrukturen und Leistungen wie Beratung und Fortbildung bieten sie einerseits ihren Mitgliedern Entwicklungs-, Austausch- und Absatzmöglichkeiten. Andererseits sorgen Richtlinien und Labels für Qualitätssicherung und deren Kommunikation nach außen.

Anbauverbände

Derzeit gibt es in Deutschland acht ökologische Anbauverbände, die sich in Größe, Tätigkeitsbereich und regionaler Ausbreitung unterscheiden. Darüber hinaus gibt es den national agierenden „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖWL), in dem die meisten der Anbauverbände sowie weitere fachverwandte Institutionen organisiert sind. Auf internationaler Ebene wird die Biobranche durch den Dachverband „International Federation Of Organic Agriculture Movements“ (IFOAM) vertreten. Folgende Tabelle gibt eine kurze Übersicht über die Verbände mit ihren Labeln:

Name Gründungsjahr Beschreibung Logo
Biokreis
1979
Regionaler Schwerpunkt Ostbayern
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Bioland
1971
Verband für organisch-biologischen
Anbau
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Biopark
1991
Fleisch produzierende Betriebe,
Schwerpunkt nordöstliche Bundesländer
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Demeter
1924
Einziger Verband für biologisch-
dynamischen Anbau, weltweit tätig
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Ecoland
1996
Regionaler Schwerpunkt Hohenlohe
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Ecovin
1985
Verband ökologischer Winzer
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Gäa
1989
Schwerpunkt östliche Bundesländer
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Naturland
1982
Eine der weltweit größten
Zertifizierungsorganisationen für
Ökoprodukte
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Übersicht über die in Deutschland zugelassenen Bioverbände

Nach der Gründung der „Pionierverbände“ Demeter für biologisch-dynamischen und Bioland für organisch-biologischen Anbau etablierten sich Anfang der 1980er Jahre mit Naturland und Biokreis zwei weitere, inzwischen bundesweit tätige Anbauverbände. In Verbindung mit dem wachsenden Interesse an der Biobranche wurden in den Jahren bis 1996 vier weitere Verbände gegründet, die produktbezogene (Ecovin) oder regionale (Gäa, Biopark und Ecoland) Schwerpunkte setzen.

Struktur und Aufgaben

Den Hauptanteil der Mitglieder der Verbände stellen Erzeugerbetrieben, daneben haben sich auch Fördermitglieder wie wissenschaftliche Institutionen oder Privatleute den Verbänden angeschlossen. Die Vertragspartner der Verbände wie Lebensmittelhersteller, Verarbeitungsbetriebe und Handelsunternehmen etablieren Absatz- und Vermarktungswege für die Verbandserzeugnisse. Die Einnahmequellen der Verbände ergeben sich im Wesentlichen aus den Mitgliedsbeiträgen und den Lizenzgebühren der Vertragspartner für die Nutzung des Verbandssiegels[31][32].

Durch die Zusammenarbeit mit fachverwandten Interessengruppen, gesellschaftlichen Organisationen und wissenschaftlichen Institutionen verfügen die Verbände z. T. über große Informationsnetzwerke sowohl zur internen Weiterentwicklung als auch zur Einflussnahme in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Des Weiteren ist allen Anbauverbänden die Herausgabe eigener Richtlinien für die Erzeugung und Verarbeitung im ökologischen Landbau gemein. An diese müssen sich ihre Mitglieder halten, was durch regelmäßige Kontrolle auf Einhaltung der Standards gewährleistet und mit der Möglichkeit einer Zertifizierung mit dem verbandseigenen Label belohnt wird. Die Richtlinien der jeweiligen Verbände ähneln einander sehr in Inhalt und Ausführung. Jedoch liegen ihnen teils verschiedene Grundsätze und Ideologien zugrunde, was aus der Entwicklung des ökologischen Landbaus hervorgeht. Bei der Erarbeitung der EG-Öko-Verordnung und deren Richtlinien für die ökologische Landwirtschaft wurde auf diese privatwirtschaftlichen Standards der Anbauverbände zurückgegriffen, jedoch gehen letztere klar über den gesetzlichen Standard hinaus.

Sowohl die EG-Öko-Verordnung als auch die verbandsinternen Regelungen verlangen eine jährliche Überprüfung der Einhaltung der jeweiligen Richtlinien. Die EU-Bio-Zertifizierung wird vom Fachpersonal staatlich zugelassener, privatwirtschaftlicher Kontrollstellen durchgeführt. Die Kontrollstellen übernehmen gegebenenfalls im Auftrag des kontrollierten Betriebs oder des jeweiligen Verbands auch die Zertifizierung nach den Verbandsrichtlinien. Der Betrieb ist nach erfolgreicher Kontrolle und Ausstellung eines Zertifikats dazu berechtigt, seine Waren mit einem Bio-Siegel zu kennzeichnen. Sofern die Vertragspartner des Verbandes das Verbandssiegel ebenfalls nutzen wollen, erstrecken sich die Richtlinien und das beschriebene Kontrollsystem auch auf diesen Teil der Wertschöpfungskette.

 
Die Größe der Anbauverbände in Deutschland nach Betrieben und nach Fläche (Stand Januar 2006)

Aus dem übergeordneten Ziel der Weiterentwicklung und Verbreitung des ökologischen Landbaus ergibt sich ein vielfältiges Aufgabengebiet für die Verbände. In ihrer Beratungsfunktion stellen die Verbände ihren Mitgliedern und Vertragspartnern ein breites Informations- und Betreuungsangebot zu Fragen der ökologischen Produktion, des Öko-Marktes und der Agrarpolitik zur Verfügung. Zusätzlich fungieren sie als Plattform für Erfahrungsaustausch und Kommunikation der Mitglieder und Partner untereinander, wobei konkrete Leistungen wie Konferenzen, Fortbildungen und Publikationen zu nennen sind. Einige Verbände unterstützen in diesem Zusammenhang gezielt Betriebe bei der Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise.[33] Durch die Bindung der Vertragspartner sowie der Bereitstellung von Infrastrukturen und Distributionskanälen verbessern die Verbände einerseits die Absatzmöglichkeiten der Erzeuger für ihre Produkte sowie andererseits den Zugang der Vermarktungsseite zu ökologischen Erzeugnissen.

Einen weiteren großen Aufgabenbereich stellt die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit dar. Zum einen informieren die Verbände die Verbraucher oder Unternehmen, zum anderen versuchen sie durch Mitsprache und Organisation in Politik und Gesellschaft ihre Mitglieder zu vertreten und die Rahmenbedingungen für den ökologischen Landbau mitzugestalten.

Wie oben bereits ausgeführt stellt des Weiteren die Herausgabe und Weiterentwicklung von Richtlinien für Produktion und Verarbeitung, die Kontrolle auf deren Einhaltung und nachfolgender Zertifizierung sowie ggf. Sanktionierungsmaßnahmen bei Nichteinhaltung eine wesentliche Aufgabe der Verbände dar.

Dachverbände

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Logo der IFOAM

Die „International Federation Of Organic Agriculture Movement“ (IFOAM, Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen) wurde 1972 als internationaler Dachverband ökologischer Anbauverbände und Organisationen gegründet mit dem erklärten Ziel einer weltweiten Einführung ökologischer, sozialer und ökonomisch vernünftiger Systeme, die auf den Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft beruhen.[34] Dabei bietet sie eine gemeinsame Plattform für alle vertretenen Interessengruppen und ermöglicht somit in Konferenzen, Seminaren und Publikationen den Austausch von Erfahrung und Wissen zwischen den einzelnen Mitgliedern.[35]

 
Bioladen in Kecskemét, Ungarn

Neben der Formulierung und Ausarbeitung der Grundsätze der ökologischen Landwirtschaft erarbeitet die IFOAM auch ein Akkreditierungsprogamm als internationales System zur Qualitätsgarantie für Öko-Produkte. Dabei können sich Anbauverbände, die nach von der IFOAM entwickelten Kriterien und Richtlinien wirtschaften, zertifizieren lassen und erhalten somit einen internationalen Status als Öko-Zertifizierer[36]. IFOAM vertritt die ökologische Landwirtschaft, ihre Prinzipien und Organisationen, in verschiedenen internationalen Institutionen und Organisationen.

Alle acht oben genannten Anbauverbände sind Mitglieder im IFOAM, wobei nicht alle durch IFOAM akkreditiert sind.[37] 1988 wurde die „Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau“ (AGÖL) als Dachverband aller Öko-Anbauverbände in Deutschland gegründet. Die AGÖL legte in Rahmenrichtlinien den Mindeststandard für die Mitgliedsverbände fest und vertrat die Interessen ihrer Mitglieder und des ökologischen Landbaus durch Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit.[38] Nach dem aufeinander folgenden Austritt mehrerer Anbauverbände Anfang der 2000er Jahre legte die AGÖL 2002 ihre Arbeit nieder.

Im selben Jahr wurde der „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW) gegründet und fungiert inzwischen als Spitzenverband nicht nur der Anbauverbände, sondern auch der Lebensmittelverarbeiter und Händler ökologischer Erzeugnisse. Anders als bei der AGÖL werden keine einheitlichen Richtlinien mehr erarbeitet, was letztendlich zur Auflösung der AGÖL beigetragen hat[39].

Der BÖLW fördert die Entwicklung der ökologischen Lebensmittelwirtschaft und vertritt die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder in Politik und Gesellschaft. Er hat sich daher zum Ziel gemacht, die allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für diese Wirtschaftsform zu verbessern sowie im Besonderen die Qualitätssicherung für ökologische Produkte zu verfolgen und das Vertrauen der Verbraucher in eben diese Produkte zu stärken[40].

Sechs der acht in Deutschland ansässigen Anbauverbände (namentlich Bioland, Biopark, Demeter, Ecoland, Gäa und Naturland[41]) sind Mitglied im BÖLW, daneben ist der BÖLW selbst Mitglied im IFOAM[37].

Ausdehnung der ökologischen Landwirtschaft

Bioverbände und Entwicklung der Anbauflächen

Die negativen Folgen der industrialisierten Landwirtschaft waren in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts nicht mehr zu übersehen und konnten nicht mehr geleugnet werden. Die bis dato gereiften Konzepte Steiners und Müllers lagen einer ersten nennenswerten Phase der Ausweitung des Ökolandbaus zu Grunde. Zunächst ging es insbesondere darum der Agrarfachwelt zu zeigen, dass der ökologische Landbau mit Erfolg wirtschaften kann, wobei an dieser Stelle die im Jahre 1962 gegründete Stiftung Ökologie & Landbau als nennenswert erscheint. Diese koordinierte den Erkenntnis- und Erfahrungsaustausch nicht nur auf nationaler Ebene, sondern unterstützte maßgeblich den Aufbau der IFOAM (Internationale Vereinigung ökologischer Landbaubewegungen, Gründung 1972). Mit „Bioland“ wurde 1971 der erste ökologische Erzeugerverband gegründet. In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts folgten weitere Gründungen ökologischer Anbauverbände.[42]

Die zweite Ausdehnungsphase des ökologischen Landbaus in Deutschland fand bedingt durch unterschiedliche Ursachen ihren Anstoß: Zum einen festigten sich die Strukturen und Institutionen des ökologischen Landbaus weiter. Die 1988 gegründete „Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau“ (AGÖL), die als Dachverband der Verbände in Deutschland fungierte, steht hierfür exemplarisch. Zum anderen waren es die 1984 verabschiedeten gemeinsamen Rahmenrichtlinien zum Ökolandbau in Deutschland, die wichtige erste rechtliche Grundlagen lieferten und somit den ökologischen Landbau zusätzlich strukturierten und regulierten.

Der sprunghafte Anstieg der ökologisch wirtschaftenden Betriebe wurde jedoch vor allem durch die staatliche Förderung seit 1989 im Rahmen des EG-Extensivierungsprogramms, der seit 1994 geltenden EG-Verordnung 2078/92 und seit 2000 durch die EG-Verordnung 1257/1999 initiiert. Zahlreiche politische Maßnahmen stimulierten diese Entwicklung ergänzend und festigten das Anliegen der deutschen Agrarpolitik, den ökologischen Landbau zu stärken.[43]

 
Entwicklung der Flächen ökologischer Landwirtschaft im Vergleich zur gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche[31]

Bis Ende 2004 wirtschafteten in Deutschland entsprechend der Verordnung (EWG) Nr.2092/91 20.909 Unternehmen (inkl. Verarbeitende Betriebe, Futtermittel aufbereitende Betriebe und Importeure). Damit erhöhte sich, bezogen auf das Vorjahr, die Zahl der Öko-Betriebe um 127, was einem Zuwachs von 4,6 Prozent entspricht. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe Deutschlands lag bei 3,9 Prozent. Die im Durchschnitt 45 ha großen Öko-Betriebe bestellen eine Gesamtfläche von 767.891 Hektar. Die nebenstehende Abbildung gibt einen Vergleich der Entwicklung der Flächen mit ökologischer Landwirtschaft im Vergleich zur gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland.

Der Anteil des Grünlands macht im ökologischen Landbau rund die Hälfte der Flächen aus (im konventionellen Landbau zirka ein Drittel). Im Sinne einer erhöhten Bodenfruchtbarkeit und Unterbindung der Verbreitung von Pflanzenkrankheiten sind die verbleibenden Ackerflächen mit vielfältigen Fruchtfolgen zusammengesetzt.[44]

Im Sinne des Verzichts auf synthetischen Dünger spiegelt sich die Sonderstellung der Hülsenfrüchte und Futterpflanzen im Ökolandbau wider. Im Gegenzug bauen die Öko-Bauern signifikant weniger Getreide als ihre konventionellen Kollegen an. Der relativ hohe Grünlandanteil im deutschen Ökolandbau begünstigt die Haltung von Rinder, Schafe und Ziegen. Die Haltung von Mastschweinen bedarf dagegen aufwändiger Stallumbauten und relativ teurem Öko-Getreide als Futter. Diese hohen Zusatzkosten drücken den Anteil der Ökoschweinehaltung an der gesamten Schweinehaltung in Deutschland.[44] Absolut gesehen ist der Anteil des ökologischen Landbaus an der gesamten deutschen Landwirtschaft trotz hoher Wachstumsraten nach wie vor nur sehr gering.

Marktentwicklung

Der Markt für Bio-Lebensmittel ist einer der wenigen Wachstums-Segmente im deutschen Lebensmittelmarkt mit einem Jahreszuwachs um 1–5 Prozent. An die extreme interne Umsatz-Steigerung im Jahr 2001 um 35 Prozent auf etwa 2,7 Milliarden Euro schloss sich eine durch den Nitrofen-Skandal bedingte Konsolidierungsphase an. Zwar konnte sich die Öko-Branche von den Anschuldigungen freisprechen, jedoch führten die rezessiven Tendenzen der Weltwirtschaft im Jahre 2003 zu allgemeiner Kaufzurückhaltung und damit zu einer Stagnation des Öko-Marktes. Bis zum Juni 2004 stieg die Nachfrage schließlich auf allen Märkten wieder deutlich an und die Konsolidierungsphase konnte unter Sortimentausweitungen im Lebensmitteleinzelhandel sowie durch werbewirksame Verkaufs- und Anzeigekampagnen überwunden werden.[44]

 
Der Umsatz mit Öko-Lebensmitteln in Deutschland in Prozent am Gesamtlebensmittelumsatz[44]

Der Markt für Bioprodukte ist 2006 in Deutschland um 15 Prozent angewachsen. Es kommt teilweise zur Verknappung von Bioprodukten, weshalb umstellungswillige Landwirte gesucht werden. [45]

Wird die Entwicklung der Zusammensetzung des Bio-Umsatzes nach Absatzkanälen genauer betrachtet, so fällt auf, dass der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel (Discounter, Supermärkte, Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser) seinen Marktanteil überproportional steigern konnte. Die in diesem Rahmen durch Werbung und Sortimentausweitung verursachte Nachfragesteigerung ist eine wichtige Komponente des geschilderten Marktwachstums von Öko-Lebensmitteln, welche sich mit einer einhergehenden Sensibilisierung des Durchschnittskonsumenten auch auf die Umsätze der traditionellen Öko-Fachgeschäfte (Naturkosthandel, Bioläden, Reformhäuser) positiv (in absoluten Zahlen gemessen) auswirkt.[44]

Gründe der steigenden Umsatzentwicklung mit Bio-Produkten

Die Menge ökologischer erzeugter Produkte hat in der nahen Vergangenheit in fast allen Regionen Europas stetig zugenommen, wobei tendenziell eine positive Korrelation zwischen dem Wohlstand der Gesellschaft und dem Marktvolumen erkennbar ist. Gleichwohl reagiert ein großer Teil der Verbraucher sensibel auf Preisänderungen.

Datei:Demeter-knospe Switzerland.jpg
Verpackung eines Öko-Produkts aus der Schweiz mit dem Logo des demeter-Verbandes und dem Knospe-Symbol der Schweizer Bio-Organisation Bio_Suisse.

Die zunehmende gesellschaftliche Relevanz von Themen wie Gesundheit, Fitness, Schönheit, und Jugend zusammen mit einer nicht abreißenden Reihe negativer Medienberichte über verschiedene Produkte der konventionellen Produktion und die Bedingungen ihrer Herstellung könnte den Wunsch der Verbraucher nach gesunder Ernährung verstärkt haben und auch zukünftig weiter beeinflussen. In vielen Staaten reagierte die Politik auf das wachsende Wählerinteresse an ökologischen Themen, indem sie ihrerseits Programme zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft auflegte. Dennoch sind die regionalen und nationalen Unterschiede im Bereich Bioanbau mitunter beträchtlich. Während z.B. in Österreich die ökologische Landwirtschaft als Graswurzelbewegung begann und noch immer meist auf kleineren Höfen betrieben wird, konnten beispielsweise in Dänemark durch ein gezieltes staatliches Subventionsprogramm auch viele größere Betriebe zum Wechsel zur ökologischen Landwirtschaft bewegt werden.

In Deutschland wurde die ökologische Landwirtschaft in der Zeit der rot-grünen Koalitionsregierung unter Kanzler Schröder (SPD) und besonders unter der grünen Ministerin Renate Künast stark gefördert. Der neue Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) zeigt bisher keine Anzeichen für einen grundlegenden Kurswechsel, auch wenn er in Einzelfragen andere Ansichten vertritt als seine Vorgängerin.

Aufgekommen ist diese Form der Landwirtschaft vor allem in den 80ern des letzten Jahrhunderts infolge des allgemein gewachsenen Umweltbewusstseins. Am Anfang standen vereinzelte kleine Bioläden, die sich für einen kleinen Käuferkreis auf ökologische Produkte spezialisiert hatten. Seit Jahren findet man Ökoprodukte auch in den meisten konventionellen Supermarktketten, viele davon haben inzwischen eigene Öko-Hausmarken („Füllhorn“, „Bio Wertkost“) etabliert. Zur Zeit expandiert neben anderen Wettbewerbern die Bio-Supermarktkette ALNATURA mit einem Sortiment von ausschließlich Bio-Produkten bundesweit. Um eine bessere Unterscheidbarkeit von konventionell und ökologisch hergestellten Lebensmitteln zu ermöglichen, wurde in Deutschland im Jahre 2001 das Bio-Siegel eingeführt, mit dem alle nach EG-Öko-Verordnung hergestellten Produkte freiwillig gekennzeichnet werden dürfen.


Umweltwirkungen

Die Umweltwirkungen des ökologischen Landbaus lassen sich in Anlehnung an Köpke[46] in verschiedene Wirkungsbereiche gliedern, Hauptkategorien sind hierbei Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung.

Ressourcenverbrauch

  • geringerer Energieverbrauch unter anderem wegen des Wegfalls von Kunstdünger und chemisch-synthetischen Pestiziden, die Energieersparnis gegenüber konventioneller Landwirtschaft beträgt etwa 65 Prozent
  • geringerer Mineralstoffverbrauch, bedeutsam vor allem im Hinblick auf Phosphor, dessen Reserven begrenzt sind. Der Phosphorverbrauch ist im Öko-Landbau auf Null reduziert.
  • Höherer Flächenverbrauch und deutlich geringere Arbeitsproduktivität, vor allem wegen der geringeren Flächenproduktionsleistung aufgrund des fehlenden Einsatzes von Mineraldünge- und Pflanzenschutzmitteln.

Umweltverschmutzung

Unmittelbar geht es dabei um Belastungen der Umweltmedien Boden, Wasser und Luft, der Organismen und Ökosysteme; diese geschehen durch mechanische Einwirkung und Stoffeinträge. Köpke gliedert dies in acht verschiedene Unterbereiche.

  • Klimawirkungen: Verringerung der Emissionen an Treibhausgasen (Kohlendioxid, Distickstoffmonoxid, Methan), beispielsweise bei Kohlendioxid um etwa 60 Prozent; bewirkt durch die Reduktion zugekaufter Betriebsmittel und eine größere CO2-Senke (Bindekapazität für CO2) vor allem durch höhere Gehalte an organischer Bodensubstanz
  • Eutrophierung der Böden und Gewässer: der ökologische Landbau emittiert signifikant weniger Stickstoff und Phosphor (N-Emissionen konventionell 132 kg/ha/Jahr, ökologisch 30–40 kg/ha/Jahr), hauptsächliche Ursachen hierfür sind der geringere Viehbesatz vor allem bei Schweinen, das Verbot von Massentierhaltung, die geringen Zukäufe von Fremdfuttermitteln und von sticksoffhaltigen Düngemitteln
  • Versauerung von Böden und Gewässern: Während die konventionelle Landwirtschaft durchschnittlich 44 kg SO2-Äquivalent/ha emittiert, sind es beim ökologischen Landbau nur etwa 21 kg SO2-Äquivalent/ha. Eine andere Rechnung ermittelt eine Senkung der weiträumigen Versauerungswirkung beim ökologischen Landbau um über 30 Prozent, womit ungefährliche Werte erreicht sind.
  • Bodenschäden: Tendenziell sind Erhalt und Verbesserung von Bodenstruktur/ Bodenleben und damit der Bodenfruchtbarkeit festzustellen sowie eine Vermeidung von Bodenerosion. Dies wird gewährleistet durch vielgestaltige Fruchtfolgen, Zufuhr organischer (nicht mineralischer) Dünger und gefügeschonende Bodenbearbeitung. Speziell zur Verbesserung des Bodenlebens (Bakterien, Pilze, Algen, Protozoen in den Mittelporen des Bodens; dazu Tiere in der Größenordnung von Regenwürmern): langjährige mikrobiologische Untersuchungen weisen höhere mikrobiologische Biomasse nach anhand Messung von ATP, Bodenatmung (Kohlendioxidgehalt), Bodenenzymen, Stickstoff-Mineralisierung und Zelluloseabbau; nach Umstellung auf Ökolandbau steigt die mikrobielle Biomasse viele Jahre an und stabilisiert sich anschließend auf hohem Niveau. – Die Umweltwirkungen in diesem Bereich variieren jedoch innerhalb der Gruppe der ökologisch bewirtschafteten Betriebe, nicht in jedem Fall ist ein ökologisch bewirtschafteter Betrieb im Bodenschutz leistungsfähiger als ein konventioneller Betrieb.
  • Trinkwasserbelastung: die Belastung des Grundwassers und der Oberflächengewässer durch chemisch-synthetische Pestizide fällt im ökologischen Landbau vollkommen weg. Die Belastung durch Nitrat ist bei ökologischer Bewirtschaftung um bis zu 55 Prozent geringer.
  • Artenvielfalt: beim ökologischen Landbau zwei- bis sechsfach höhere Anzahl an Ackerwildkräuter-Arten (durch Wegfall der chemisch-synthetischen Pestizide, durch vielfältigere Fruchtfolge, durch Wegfall leicht löslicher Kunstdünger); auch bei der Ackerfauna wurden höhere Zahlen gemessen. Bei Grünlandflora weisen ökologisch bewirtschaftete Flächen um 25 Prozent höhere Artenzahlen auf, bei Grünlandfauna sind aufgrund des größeren Blütenangebots ebenso höhere Zahlen zu verzeichnen (aber auch im Öko-Landbau abhängig von Intensität und Zeitpunkt der Nutzung). Die Kulturartenvielfalt ist im ökologischen Landbau ebenfalls höher, auch sind die dort gehaltenen Tiere robuster.
  • Landschaftsbild (Biotopvielfalt): Zwar gibt es im Ökologischen Landbau eine geringe Tendenz zu mehr Begeitbiotopen (Hecken, Grenzstreifen etc.), der Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft ist jedoch nicht sehr groß. Vielmehr variiert die Situation innerhalb der Gruppe ökologisch bewirtschafteter Betriebe ebenso stark wie innerhalb der Gruppe der konventionellen Betriebe. Naturschützer fordern hier vermehrte Anstrengungen.
  • Auswirkungen auf Menschen: Direkte Schäden für Produzenten durch Pestizidvergiftungen entfallen. Die Qualität der Nahrungsmittel ist höher: gemessen wurde eine geringe bis nicht vorhandene Belastung von pflanzlichen und tierischen Produkten mit wertmindernden Inhaltsstoffen (z.B. Pestizide, Nitrat, Antibiotika, Hormone, Beruhigungsmittel), ein größerer Gehalt an wertgebenden Inhaltsstoffen (Mineralstoffe, Vitamine, Aromastoffe) sowie eine größere Haltbarkeit der agrarischen Produkte.

Gesamtbilanz: viele Studien belegen einerseits, dass ökologischer Landbau im Vergleich in zahlreichen Bereichen eine wesentlich bessere Umweltwirkung aufweist. Andererseits zeigen sich einzelne Bereiche, in denen der ökologische Landbau nicht „automatisch“ bessere Umweltwirkungen zeigt. Dies betrifft vor allem den Bereich Naturschutz/ Artenschutz, etwa bei der Pflege von Magerrasen, aber auch den Bereich Bodenschutz. Die Ursache ist bekannt: auch auf den ökologischen Landbau wirken die Faktoren, die eine Intensivierung der Bewirtschaftung begünstigen; beispielsweise sind seit den 1990er Jahren die Erzeugerpreise für viele Öko-Produkte in Deutschland gesunken.

Kosten für Endverbraucher und volkswirtschaftliche Kostenbilanz

Die Endpreise für Produkte aus der ökologischen Landwirtschaft sind für den Konsumenten im Vergleich zu denen für Erzeugnisse aus konventioneller Landwirtschaft zunächst höher: Da in den Bereichen Anbau, Ernte, Transport und Lagerung aufgrund strengerer gesetzlicher Vorschriften für Ökoprodukte in vielen Punkten eine höhere Arbeits- und Managementleistung erforderlich ist, fallen höhere Kosten an, die an den Verbraucher weitergegeben werden müssen, um rentabel wirtschaften zu können. Auch liegen die durchschnittlichen Betriebsgrößen bei Bioerzeugern, Verarbeitern und Händlern meist deutlich unter denen konventionell wirtschaftender Betriebe, was häufig einen Nachteil im Hinblick auf Skalenerträge mit sich bringt.

Es gibt Anzeichen, dass die tatsächlichen gesamtvolkswirtschaftlichen Kosten der Ökolandwirtschaft auf dem selben Niveau oder sogar unter denen der konventionellen Produktion liegen, wenn man die indirekten Folgekosten der letzteren für den Steuerzahler oder die Nachwelt in die Rechnung mit einbezieht: Man denke beispielsweise an die steigenden Kosten für die Aufbereitung des Trinkwassers oder die Flächenverluste durch weltweit erodierende Böden.

Zudem werden sich die in Zukunft höheren Energiepreise, vor allem das teurer werdende Rohöl, stärker auf die konventionelle als auf die biologische Landwirtschaft auswirken. Ein Liter Düngemittel bedarf in der Produktion im günstigsten Fall 1,4 Liter Öl [47], so verbrauchen die USA jährlich alleine für die Düngemittelherstellung 100 Mio. Barrel Öl, mehr als die weltweite Tagesproduktion. Deutschland verbraucht jährlich fast 30 Mio. Barrel. Dies könnte in Zukunft zu einer Preisannäherung beim Konsumenten führen.

Siehe auch: Ölfördermaximum und die Landwirtschaft

Die Frage des gesundheitlichen Nutzens

Dank eines engmaschigen Kontrollnetzes kann der Verbraucher relativ sicher sein, dass er beim Kauf von als ökologisch deklarierten Lebensmitteln auch tatsächlich solche erhält, doch auch der ausschließliche Konsum biologischer Lebensmittel bietet keinen absoluten Schutz vor dem Verzehr von Pflanzenschutzmittelrückständen. In Deutschland untersucht das Monitoring-System für Obst und Gemüse im Naturkosthandel Bio-Obst und -Gemüse systematisch auf Belastungen mit Pestiziden. Hierbei wie auch in manchen anderen Untersuchungen wurden in seltenen Fällen geringe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gefunden, teils solcher, die im Ökolandbau zugelassen sind, teils auch solcher, deren Verwendung untersagt ist. Insgesamt betrachtet liegt die Pestizidbelastung bei ökologischen Produkten im Mittelwert jedoch um den Faktor 200 [48] unter der von Produkten aus konventioneller Landwirtschaft, insbesondere kommen Höchstmengenüberschreitungen bei ökologischen Produkten im Gegensatz zu konventionellen so gut wie gar nicht vor. Ursachen für eine Kontaminierung kann kriminelles Handeln vereinzelter Erzeuger sein, aber auch in der allgemeinen Umweltbelastung sowie in unsauberer Arbeit beim Transport oder der Weiterverarbeitung gefunden werden.

Dr. Alberta Velimirov (Fachbereich Nahrungsmittelqualität am Ludwig-Boltzmann-Institut für Biologischen Landbau und Angewandte Ökologie) verglich die Nahrungsmittelqualität von Produkten aus biologischer und konventioneller Landwirtschaft. Untersucht wurden unter anderem die mehrjährigen Auswirkungen auf Tiere hinsichtlich Fertilität und Gesundheit. Höhere Geburtenrate und bessere Aufzuchtsergebnisse und geringere Infektanfälligkeit zeichneten die ökologisch gefütterten Gruppen aus [49].

Die amerikanische Ernährungswissenschaftlerin Virginia Worthington kam in einem Review von 41 veröffentlichten wissenschaftlichen Studien, die den Nährwert ökologisch und konventionell angebauten Gemüses, Obstes und Getreides verglichen, zu dem Schluss, dass ökologische Lebensmittel signifikant mehr Nährstoffe verschiedener Gruppen enthalten. Durchschnittlich enthielt Bioware 27 % mehr Vitamin C, 21,1 % mehr Eisen, 29,3 % mehr Magnesium und 13,6 % mehr Phosphor. Zusätzlich enthielten die Bioprodukte 15,1 % weniger Nitrate als die konventionelle Vergleichgruppe.[50]

Langzeitstudien der University of California belegten weiterhin, dass der Gehalt an Antioxidantien in Lebensmitteln (belegt bisher bei Tomaten und Kiwis) aus ökologischer Landwirtschaft fast doppelt so hoch ist wie in konventionell erzeugten Lebensmitteln.[51] Im Journal of Agricultural and Food Chemistry führen die Forscher der Universität von Californien aus, die Menge des Stickstoffes im Boden, der bei ökologischer Landwirtschaft geringer sei, mache den entscheidenden Faktor aus.

Der aufgrund solcher Befunde vermutete gesundheitliche Vorteil von Bioprodukten bedarf weiterer Untersuchung, denn von der Messbarkeit von Nährstoffen sowie Pestiziden lässt sich noch nicht eindeutig auf einen Vorteil für den gesamten menschlichen Organismus schließen. Unbestreitbar ist, dass Bioprodukte allgemein deutlich weniger mit schädlichen Produktionsrückständen belastet sind und eine bessere Bilanz bei der Analyse der Inhaltsstoffe aufweisen. Ein höherer Gehalt an Antioxidantien verringert außerdem das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und Schlaganfall.

Mögliche positive Effekte auf den Genusswert einiger Biogemüse könnte der tiefere Wassergehalt haben, weil die Pflanzeninhaltsstoffe – also auch die geschmacksrelevanten Stoffe – in einer höheren Konzentration vorliegen. Ebenso verbessert der tiefere Wassergehalt die Textur von Früchten und Gemüse.“[52]

Problemfelder

Saatgut / genetisches Ausgangsmaterial

 
Der Erhalt von Sorten bleibt auch in der ökologischen Landwirtschaft problematisch

Nicht verschont bleibt auch der Bioanbau von der Saatgutproblematik. Zwar kümmern sich einige, v.a. dem Demeter-Verband angeschlossene Bauern und Institute intensiv um den Erhalt und die traditionelle Weiterzüchtung alter Sorten (sog. „samenfeste“ Sorten, bei Karotten z.B. Rodelika), doch stammen im deutschen Biohandel bei manchen Gemüsesorten inzwischen auch bis zu 95% der angebotenen Ware aus Hybrid-Saatgut. Sorgfältige Bioläden kennzeichnen samenfeste Sorten ausdrücklich, um dem Kunden die Wahlfreiheit nach Möglichkeit zu erhalten. Das Problem der Beschaffung geeigneten genetischen Ausgangsmaterials stellt sich nicht nur im Bereich der Pflanzen- sondern auch in der Tierzucht. So sind beispielsweise Bio-Geflügelzüchter bislang mangels geeigneter herkömmlicher Rassen auf den jährlichen Kauf von Mutterhennen aus Hybridlinien angewiesen, wenn sie wirtschaftlich arbeiten wollen.

Zusatzstoffe

Entgegen gängiger Vorstellung sind Bio-Produkte nicht notwendigerweise unverfälschte, rein natürliche Lebensmittel, da die Zugabe von künstlich hergestelltem Aroma zur Geschmacksverbesserung eingeschränkt erlaubt ist [53]. Ein kritischer Blick auf die Zutatenliste ist daher auch bei Bio-Produkten anzuraten. Ware von Produzenten, die einem Anbauverband angeschlossen sind, ist unter diesem Aspekt solcher, die nur den niedrigeren Standards der EU-Verordnung entspricht, vorzuziehen. Bei offen verkauften Bio-Waren und in Bio-Restaurants, wo keine Zutatenlisten veröffentlicht werden müssen, haben es Menschen, die Lebensmittel mit Aromazusatz ablehnen, schwerer, geeignete Bezugsmöglichkeiten zu finden.

Biologische Verunreinigung

Die ungewollte Vermischung gentechnisch veränderter Pflanzen mit konventionell oder biologisch angebauten Pflanzen stellt vor allem für die ökologische Landwirtschaft ein Problem dar, da diese - im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft - gentechnisch veränderte Organismen klar ablehnt (s.o.) und auch aus rechtlicher Sicht Bioprodukte keine gentechnisch veränderten Zutaten enthalten dürfen. Das Phänomen wird in Fachkreisen auch unter dem englischen Begriff «biotech pollution» diskutiert. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden:

  • das Auskreuzen von genmanipulierten und unveränderten Sorten auf benachbarten Feldern durch Pollenflug oder Bienen
  • die Vermischung von ökologischen Erzeugnissen während der Lagerung oder des Transports mit genmanipulierten Organismen (sogenannten GMOs)

Den betroffenen Bauern aus der ökologischen Landwirtschaft entsteht durch die Verunreinigung ihrer Erzeugnisse teilweise ein erheblicher finanzieller Schaden, da sie ihre Erzeugnisse nicht mehr absetzen können.[54] Um zumindest das Auskreuzen zwischen benachbarten Feldern zu verhindern gibt es Bestrebungen ein möglichst dichtes Netz von aneinander angrenzenden Betrieben zusammenzufügen. Dadurch würden - bis auf die Randbezirke - ökologische Betriebe mit anderen benachbart und so ein Einflug von fremden Pollen weitgehend verhindert.

Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Anfang Mai 2007 ergangenes Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg. Ein Imker aus Kaisheim hatte gegen ein Gentech-Mais-Feld in Nachbarschaft seiner Bienenstöcke geklagt und Recht bekommen. Laut Gerichtsbeschluss muss sein Honig vor den Pollen des Gentech-Mais geschützt werden, die Landwirtschaftsverwaltung des Freistaats Bayern muss ihr Versuchsfeld nun vor der Blüte abernten oder die Pollenfahnen während der Blütezeit abschneiden. (Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4.5.2007, Az. Au 7 E 07.259) [55]

Auch im internationalen Handel lässt sich hier ein Konfliktfeld beobachten. So drängen die USA bei der WTO auf eine Öffnung des europäischen Markts für gentechnisch veränderte Organismen. Das Einfuhrverbot der EU und anderer Märkte führte jedoch zu einem zeitweisen Zusammenbrechen der US-amerikanischen Exporte. Dabei stellte der Einsatz für GMOs durchaus auch auf offizieller Linie das politische Programm der USA dar: So war auf der Web-Seite des Agrarministeriums nachzulesen, dass es »im nationalen Interesse« liege, den »Kampf für die Biotechnologie zu führen«. [56]

Siehe auch

Datei:EU-Siegel Biologische Landwirtschaft.gif
Version des EU-Bio-Siegels in deutscher Sprache

Literatur

  • Julie Guthman, Agrarian Dreams: The Parodox of Organic Farming in California, Berkeley und London: University of California Press, 2004, ISBN 978-0-520-24094-0
  • Norbert Knauer: Ökologie und Landwirtschaft. Ulmer (Eugen), 1993, ISBN 3-8001-4094-2
  • Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Auf ökologischen Landbau umstellen. Düsseldorf 2003
  • Pimentel, David, Paul Hepperly, James Hanson, David Douds und Rita Seidel: Environmental, Energetic, and Economic Comparisons of Organic and Conventional Farming Systems, in: BioScience, Vol. 55, No. 7, S. 573-588, Juli 2005 (PDF) (englisch)
  • H. Redelberger (Hrsg.): Management-Handbuch für die ökologische Landwirtschaft. Band 1: Betriebswirtschaftliche Instrumente. ISBN 3-7843-2170-4; Band 2: Verfahren - Kostenrechnungen - Baulösungen. KTBL, Darmstadt 2004, ISBN 3-7843-2167-4
  • Stiftung Ökologie und Landbau (Hrsg): Zeitschrift Ökologie & Landbau. oekom verlag, München
  • Frieder Thomas, Rudolf Vögel: Gute Argumente - Ökologische Landwirtschaft. Beck, München 1989 (Beck'sche Reihe; 378), ISBN 3406331335
  • Gunter Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus im deutschsprachigen Raum. Ökologische Konzepte, Band 99, Stiftung Ökologie & Landbau (2000), ISBN 3-934499-21-X.
  • H. Willer: Ökologischer Landbau in Europa – Perspektiven und Berichte aus den Ländern der Europäischen Union und den EFTA-Staaten. Bad Dürkheim 1998

Linkkatalog zum Thema Ökologische Landwirtschaft bei curlie.org (ehemals DMOZ)

Studien:

Einzelnachweise

  1. Institut für Landwirtschaft und Umwelt: Nachhaltigkeitsstrategien der Landwirtschaft aus ökonomischer Sicht, Bonn, 2002, S. 59 - 61
  2. Vgl. Institut für Landwirtschaft und Umwelt, S. 62 - 63
  3. Der Begriff „biologische Landwirtschaft“ wird eher in Österreich und in der Schweiz verwendet.
  4. Vgl. Institut für Landwirtschaft und Umwelt, S. 64-65
  5. Vgl. G. Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, Bad Dürkheim, 1999, S. 11
  6. Vgl. Vogt, S. 22-23
  7. H. Willer: Ökologischer Landbau in Europa – Perspektiven und Berichte aus den Ländern der Europäischen Union und den EFTA-Staaten, Bad Dürkheim, 1998, S. 66-68
  8. Vgl. Vogt, S.98
  9. Vgl. Vogt, S. 127
  10. Vgl. Vogt, S. 112
  11. Vgl. Willer, S. 65
  12. Vgl. Vogt, S. 99 ff
  13. Vgl. Vogt, S. 101
  14. Vgl. Willer, S. 65
  15. Vgl. Vogt, S. 101, S. 154-157
  16. Vgl. Vogt, S. 174 ff
  17. http://www.demeter.de
  18. Vgl. Vogt, S. 24-25, S. 60-61
  19. Vgl. Vogt, S. 62
  20. Vgl. Vogt, S. 197, S. 307
  21. Vgl. Vogt, S. 198
  22. Vgl. Vogt, S. 209-212
  23. Vgl. Vogt, S. 233
  24. Vgl. Willer, S. 66
  25. Vgl. Vogt, S. 264
  26. a b c Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LNRW) (www.oekolandbau.nrw.de): http://www.oekolandbau.nrw.de/umstellung/einfuehrung/index.html
  27. Vgl. Willer, S. 86
  28. Vgl. Willer, S. 81
  29. Österreichisches Lebensmittelbuch (Codex alimentarius austriacus)
  30. PROVIEH - VgtM e.V. : Einkaufshilfe.Durchblick bei Öko-Siegeln und Bio-Marken. Heikendorf b. Kiel, 2006
  31. a b Stiftung Ökologie und Landbau, http://www.soel.de
  32. http://www.bioland.de/bioland/bioland.html
  33. http://www.gaea.de/verband_aufgaben.php4
  34. International Federation of Organic Agriculture Movement: http://www.ifoam.org/about_ifoam/inside_ifoam/mission.html
  35. Sektion für Landwirtschaft am Goetheaneum, www.sektion-landwirtschaft.org: http://www.sektion-landwirtschaft.org/656.html
  36. International Federation of Organic Agriculture Movement: http://www.ifoam.org/about_ifoam/standards/accreditation.html
  37. a b International Federation of Organic Agriculture Movement: http://www.ifoam.org/organic_world/directory/index.html
  38. Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LNRW) (www.oekolandbau.nrw.de): Dachorganisationen
  39. Ökotest Verlag GmbH, (www.oekotest.de): http://www.oekotest.de/cgi/nm/nm.cgi?doc=lawi-bio-04
  40. Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) (www.boelw.de): http://www.boelw.de/ziele.html
  41. Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) (www.boelw.de): http://www.boelw.de/boelw-mitglieder.html
  42. Vgl. H. Willer, S. 66
  43. Vgl. Willer, S.67-68
  44. a b c d e Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (http://www.oekolandbau.de): PDF
  45. spiegel.de: JOBMOTOR BIO: Bauern dringend gesucht
  46. Köpke, Ulrich (2002): Umweltleistungen des Ökologischen Landbaus. Eine Zusammenschau wissenschaftlicher Untersuchungen. In: Ökologie und Landbau 2/2002, S. 6-18.
  47. D.A. Pfeiffer: Eating Fossil Fuels, From the Wilderness Publications
  48. Velimiriov/Müller (2003): DIE QUALITÄT BIOLOGISCH ERZEUGTER LEBENSMITTEL Umfassende Literaturrecherche zur Ermittlung potenzieller Vorteile biologisch erzeugter Lebensmittel
  49. Nahrungsmittelqualität von Produkten aus biologischer und konventioneller Landwirtschaft im Vergleich. Wien, April 2002
  50. Virginia Worthington: Nutritional Quality of Organic Versus Conventional Fruits, Vegetables, and Grains. In: The Journal of Alternative and Complementary Medicine, Vol. 7, No. 2, 2001 (S. 161-173)
  51. Pressetext: Biologische Lebensmittel sind besser fürs Herz
  52. http://orgprints.org/9373/01/kerbage-etal-2006-Bio-Alternative_34.06.pdf
  53. EG-Öko-Verordnung, Anhang VI A. Mai 2006, S. 10
  54. Die Zeit: http://www.zeit.de/2006/01/Gentechnik_2fUSA
  55. Informationsdienst Gentechnik: http://www.keine-gentechnik.de/dossiers/bt-mais-und-bienen.html
  56. Die Zeit: http://www.zeit.de/2006/01/Gentechnik_2fUSA?page=2