Überfall auf Polen

Angriff des Deutschen Reiches auf die Zweite Polnische Republik, Beginn des Zweiten Weltkrieges in Europa
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Mit dem Polenfeldzug löste das nationalsozialistische Deutschland den Zweiten Weltkrieg in Europa aus. Unter dem Decknamen Fall Weiß griff die deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 ohne vorherige Kriegserklärung Polen an. Dieser Angriffskrieg wird oft als Überfall auf Polen,[1] seltener auch als Septemberfeldzug bezeichnet. Frankreich und Großbritannien reagierten am 3. September mit Kriegserklärungen an das Deutsche Reich.

Gemäß dem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt marschierte am 17. September 1939 auch die Rote Armee in Polen ein. Damit wurde Polen zum vierten Mal geteilt.

Mit den bald darauf einsetzenden Massenmorden an Juden, polnischen Intellektuellen, Priestern, Arbeitern, Gewerkschaftern, als Partisanen verdächtigten oder denunzierten Personen sowie den planmäßigen Massendeportationen von Polen und Juden in die eroberten Gebiete begann der nationalsozialistische Völkermord, der zwei Jahre später zum Holocaust eskalierte.

Europa im September und Oktober 1939

Vorgeschichte

Polenfeldzug 1939
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Datei:Schleswig Holstein ostrzeliwuje Gdynie 39 09 13.jpg
Die Schleswig-Holstein beim Beschuss der Westerplatte
Datum 1. September bis 6. Oktober 1939
Ort Polen, Ostmitteleuropa
Ausgang Teilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion
Konfliktparteien
Polen  Polen
NS-Staat  Deutsches Reich
Slowakei  Slowakei

(Sowjetunion  Sowjetunion ab 17. September zusätzlich sowjetische Invasion in Polen)

Befehlshaber

Edward Rydz-Śmigły
(Oberbefehlshaber)

Walther von Brauchitsch
(Oberbefehlshaber des Heeres)
Ferdinand Čatloš
(Oberbefehlshaber der slowakischen Truppen)

Michail Kowaljow
(Oberbefehlshaber Weissrussische Front)
Semjon Timoschenko
(Oberbefehlshaber Ukrainische Front)

Truppenstärke

37 Divisionen,
12 Brigaden

4.300 Geschütze
750 gepanzerte Fahrzeuge
900 Flugzeuge

Gesamtstärke:
1.300.000 Polen

53 deutsche Divisionen,
1 deutsche Brigade,
3 slowakische Divisionen
10.000 Geschütze
3.600 gepanzerte Fahrzeuge
1.929 Flugzeuge

Gesamtstärke:
1.500.000 Deutsche,
50.000 Slowaken

Verluste

66.300 Tote,
133.700 Verwundete
694.000 Gefangene

16.343 Tote
27.280 Verwundete
320 Vermisste

Streitfragen der Weimarer Zeit

Nach 123 Jahren der Teilung wurde Polen am 11. November 1918 als unabhängige Republik neu gegründet. Für die Entente sollte Polen ein Bollwerk zwischen einem nationalistischen Deutschland und einem bolschewistischen Russland sein.

Der Friedensvertrag von Versailles von 1919 schlug Westpreußen mitsamt dem mehrheitlich deutsch besiedelten Korridor Polen zu und trennte damit Ostpreußen vom übrigen Reich. Danzig wurde als Freie Stadt aus dem Reichsverband ausgegliedert und unter die Kontrolle des Völkerbunds gestellt. Der genaue Grenzverlauf zwischen Deutschland und Polen wurde erst 1921 nach Volksabstimmungen und bürgerkriegsartigen Aufständen in Oberschlesien festgelegt. Obwohl der Friedensvertrag den ethnischen Minderheiten in Polen – vor allem Ukrainern, Juden, Weißrussen und Deutschen – Sonderrechte gab, blieb die Grenzziehung ständiger Streitpunkt zwischen beiden Staaten. Alle Regierungen der Weimarer Republik strebten danach, die Ostgrenze zu revidieren und Westpreußen wiederzugewinnen (siehe Vertragsrevisionismus).

Polen schloss am 19. Februar 1921 einen Bündnisvertrag mit Frankreich, den ein geheimes Militärabkommen ergänzte. Es wurde dadurch zum wichtigsten Partner der französischen Osteuropapolitik. Doch nach dem Vertrag von Rapallo 1922 und dem Berliner Vertrag 1926 zwischen Deutschland und der Sowjetunion, einem 1925 von Deutschland eingeleiteten Zollkrieg gegen polnische Ausfuhrgüter und der beharrlichen Weigerung von Außenminister Gustav Stresemann, nach der Garantie der deutschen Westgrenze im Vertrag von Locarno auch die Ostgrenze zu garantieren, sah Polen sich zunehmend von deutscher Seite bedroht. Seit Deutschlands Eintritt in den Völkerbund 1926 kamen ständige Konflikte um die Rechte und Behandlung der deutschen Minderheit in Polen hinzu. Die Deutschnationalen und besonders die preußische Militärelite der heimlich aufgerüsteten Reichswehr sahen das Militärbündnis zwischen Frankreich und Polen als Hindernis für ihre revisionistischen Ziele.

Dies führte am 25. Juli 1932 zu einem Nichtangriffspakt Polens mit der Sowjetunion und zu verstärkter polnischer Ablehnung jeder Grenzrevision. Zugleich versuchte Polen unter dem Oberbefehlshaber seiner Streitkräfte und eigentlichen Machthaber Józef Piłsudski seit 1930, sich von seiner Schutzmacht Frankreich zu emanzipieren und seinerseits zur Führungsmacht in Ostmitteleuropa aufzusteigen.

Hitlers und Polens Kursänderung

Die NSDAP hatte in der Weimarer Zeit zu den schärfsten Befürwortern einer gründlichen Revision der Versailler Friedensordnung gehört. Hitler hatte in Mein Kampf die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ und dessen „Germanisierung“ propagiert. Schon am 3. Februar 1933 vertrat er dieses Ziel in einer geheimen Rede vor den ranghöchsten Offizieren der Reichswehr.

Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler verstärkte Polen demonstrativ seine Truppen auf der Westerplatte, was das Völkerbundstatut verletzte. Auch ein Präventivkrieg gegen Deutschland wurde erwogen. Es folgte aber zunächst nicht die von Polen befürchtete aggressive Ostpolitik des Deutschen Reiches, sondern der deutsch-polnische Nichtangriffspakt vom 26. Januar 1934. Damit schien sich Hitler vom Konfrontationskurs der Weimarer Regierungen gegen Polen abgekehrt zu haben.

Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund 1933 ermutigte Piłsudski, seinerseits den vertraglich gesicherten Minderheitenschutz aufzukündigen. Er verfolgte nun eine stärkere Polonisierung aller Landesteile und bewirkte damit, dass die deutschen Minderheiten in Polen stärker zusammenrückten. Dies wiederum erleichterte die nationalsozialistische Propaganda einer „gesamtdeutschen Volksgemeinschaft“.

Dennoch sah man in Polen Hitlers Haltung im Vergleich zur preußischen Militärführung und den „ostelbischen Junkern“ als gemäßigt an. Von der deutschen Besetzung des Rheinlands am 7. März 1936 - dem zweiten offenen Bruch des Versailler Vertrages nach der Einführung der Wehrpflicht 1935 - distanzierte sich die polnische Regierung scharf, ohne aber ihre gemäßigte Deutschlandpolitik aufzugeben. Sie hatte das Vertrauen in Frankreich als Garanten des Versailler Vertrages verloren. In den folgenden Jahren intensivierte sie ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland. Sie nutzte die Sudetenkrise 1938, um den tschechischen Teil der Stadt Cieszyn (Teschen) und das Olsagebiet zu besetzen.[2]

Deutsch-polnische Verhandlungen

Im Oktober 1938 schlug die deutsche Regierung Verhandlungen zur „Lösung” aller strittigen Fragen zwischen beiden Ländern vor. Hitler und Außenminister Joachim Ribbentrop forderten dabei in ultimativer Form die Wiedereingliederung der Freien Stadt Danzig in das Deutsche Reich, die Beendigung der Diskriminierung von Deutschen in Westpolen, eine exterritoriale Autobahn und einen Schienenweg durch den polnischen Korridor und Polens Beitritt zum Antikominternpakt. Dafür boten sie die Anerkennung der übrigen deutsch-polnischen Grenzen, eine Verlängerung des deutsch-polnischen Nichtangriffspakts um 25 Jahre, einen Freihafen in beliebiger Größe in Danzig und deutschen Rückhalt bei einem etwaigen polnischen Angriff auf die Sowjetunion - z.B. für Eroberungen in der Karpatoukraine - an.

Die polnische Seite verzögerte die Antworten um fast sechs Monate, ging auf die meisten Angebote aus Berlin nicht ein und stellte nur graduelle Veränderungen in Aussicht. Sie hatte Grund zu fürchten, dass die Annahme der deutschen Forderungen Polen zu einem deutschen Satellitenstaat machen würde. Der Besitz Danzigs und damit der Weichselmündung hätte dem Deutschen Reich eine dominierende Stellung gegenüber den polnischen Industriegebieten verschafft. Eine exterritoriale Eisenbahnverbindung hätte ihnen im Konfliktfall ermöglicht, Waffen, Truppen und Nachschub in das isolierte Ostpreußen zu verschieben. Der Beitritt zum Antikominternpakt hätte für Polen Komplikationen sowohl mit der UdSSR als auch mit den Westmächten nach sich gezogen.

Nach der deutschen Besetzung Tschechiens am 14. März 1939, mit der Deutschland das Münchner Abkommen brach, lehnte Polen ein deutsch-polnisches Militärbündnis gegen die Sowjetunion ab. Durch Hitlers anschließenden Schutzvertrag mit der Slowakei und seinen Vertrag mit Litauen zur Rückgabe des 1919 von Deutschland abgetrennten Memellandes, in dem daraufhin deutsche Truppen stationiert wurden, sah sich Polen nun auch von diesen Seiten aus eingekreist und bedroht.

Der Weg in den Krieg

Am 23. März 1939 lehnte Polen die deutschen Forderungen offiziell ab und leitete erste Maßnahmen zur Mobilmachung der Armee ein, um einer befürchteten handstreichartigen deutschen Annexion Danzigs zuvorzukommen. Die Warschauer Regierung stellte klar, dass sie jede einseitige territoriale Veränderung als Kriegsgrund behandeln würde.

Am 31. März sicherte der britische Premierminister Neville Chamberlain Polen militärische Unterstützung für den Fall zu, dass seine Unabhängigkeit bedroht wäre. Erstmals zeigte sich London wieder bereit, auf dem europäischen Festland notfalls militärisch einzugreifen, da man sich seit dem Bruch des Münchner Abkommens keine Illusionen mehr über Hitlers aggressiven Kurs machte. Damit war die Ära der britischen Appeasement-Politik beendet. Frankreich schloss sich der britischen Beistandsgarantie an. Polen nahm das Hilfsangebot an. Dies nahm Hitler zum Anlass, den Nichtangriffspakt mit Polen fristlos zu kündigen. Am 4. April 1939 befahl er der Wehrmacht, Angriffspläne vorzubereiten.

Großbritannien und Frankreich hätten Polen damals allerdings nur mit großen Problemen miltärisch und rüstungstechnisch gegen einen deutschen Angriff verteidigen können. Deshalb begannen sie im Sommer 1939 komplizierte Verhandlungen über eine Militärkonvention mit der Sowjetunion. Diese verlangte jedoch ein Durchmarschrecht durch Polen für die Rote Armee: Nur so lasse sich im Fall eines deutschen Angriffs der Krieg in das Gebiet des Feindes tragen. Der polnische Außenminister Józef Beck lehnte diese Bedingung trotz massiven Drucks seines französischen Kollegen Georges Bonnet am 15. August 1939 ab. Er fürchtete, die Sowjets würden eine solche Genehmigung benutzen, um in die 1921 verlorenen Gebiete einzumarschieren.[3]

Ende August versuchte die britische Regierung daher nochmals, Warschau zur Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Berlin zu bewegen. Doch wegen ihrer Garantieerklärung und dem gewachsenen Vertrauen in die eigenen Streitkräfte sah die polnische Führung keinen Grund mehr für weitere diplomatische Bemühungen. Auch Hitler war nicht mehr an einem Ausgleich mit Polen interessiert, da er den Zeitpunkt für gekommen hielt, seine Pläne vom „Lebensraum im Osten“ zu verwirklichen. Aus taktischen Gründen erweckte er aber bis August 1939 den Anschein, er strebe Verhandlungen an. Diese dienten jetzt fast nur noch dazu, Großbritannien und Frankreich aus dem kommenden Krieg herauszuhalten.

Noch während der Leningrader Gespräche mit Briten und Franzosen über die Militärkonvention handelte die Sowjetunion am 23. August 1939 in Moskau den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt aus, dessen geheimes Zusatzprotokoll die Aufteilung Polens vorsah. Nun sah Hitler die Chance, den polnischen Staat zu zerschlagen. Um einen Kriegsanlass zu schaffen, ließ er bereits mehrere bewaffnete und teils fingierte Grenzzwischenfälle provozieren und propagandistisch ausschlachten (siehe: Überfall auf den Sender Gleiwitz). Daraufhin leitete die polnische Regierung am 29. August ihrerseits die Generalmobilmachung der polnischen Armee ein.

Die polnische Verteidigungsplanung

Das polnische Oberkommando war sich bewusst, dass die Verbände der deutschen Wehrmacht den polnischen Streitkräften materiell überlegen waren. Polen verfügte über 39 Infanteriedivisionen, elf Kavalleriebrigaden, zwei motorisierte Brigaden und einige Truppen des Grenzkorps (umgerechnet etwa 44 Divisionen), denen etwa 57 deutsche Divisionen gegenüberstanden. Bei einem Vergleich von Ausrüstung und Bewaffnung verschlechterte sich das Bild weiter zuungunsten der Polen: 3200 deutschen Panzern standen nur circa 800 leichte (Tanketten, 7TP) und teilweise veraltete polnische Panzer (Renault FT-17) gegenüber – Panzerdivisionen nach deutschem Muster gab es bis auf eine motorisierte Brigade nicht. Den deutschen Luftflotten 1 und 4 mit zusammen 1929 einsatzbereiten Flugzeugen, zum Teil modernster Art, konnten die Polen lediglich 842 Maschinen der Typen PZL P.7, PZL P.11, PZL.23 Karaś und einige ältere Modelle entgegenstellen.

Doch in den Verträgen mit den Westmächten hatte Frankreich der polnischen Regierung versichert, dass es spätestens 10 Tage nach der Kriegseröffnung mit dem Großteil seiner Divisionen Deutschland angreifen würde. Dementsprechend kam es für die polnische Armee darauf an, dem Angreifer zunächst vier Wochen lang hinhaltenden Widerstand zu leisten, bis die französische Offensive Polen entlasten würde. Danach plante man, in einer zweiten Phase zum Gegenangriff überzugehen. Die günstigste Verteidigungslinie für diesen Zweck verlief entlang der Flüsse Narew-Bug-Weichsel-San mitten durch Polen, doch es bestand das Problem, dass die meisten Reservisten und die unersetzliche Rüstungsindustrie zum größten Teil westlich dieser Linie in Oberschlesien und Posen lagen. Der polnische Generalstab fasste daher den Entschluss, den deutschen Angriff schon an den Grenzen zu empfangen und sich erst später auf die eigentliche Verteidigungslinie zurückzuziehen. So hoffte er Westpolen möglichst lange zu behaupten.

Wegen der Aufgabe, bereits die Grenzen des Landes zu verteidigen, wurden die polnischen Streitkräfte regelrecht verzettelt. Am äußersten rechten Flügel stand die Operationsgruppe Narew, um nach Beginn eines deutschen Angriffs sofort Ostpreußen bedrohen zu können und die polnischen Grenzen gegen Litauen zu sichern. Daran schloss sich die Armee Modlin an, die in ausgebauten Befestigungen, der Mlawa-Stellung, stand, um einen nördlichen Angriff auf Warschau abzuwehren. Im polnischen Korridor stand die Armee Pomerellen und südlich davon die Armee Posen. An der schlesischen Grenze stand mit der Armee Lodz und Armee Krakau die Masse des polnischen Heeres. Aufgrund der feindlichen Haltung der Slowakei musste später noch im Süden die Karpatenarmee aufgestellt werden. Im Hinterland marschierten die Reserve-Verbände auf.

Die deutschen Angriffsvorbereitungen

Datei:Polenfeldzug 1939.jpg
Ausgangsstellungen der Heere und geplante Hauptstoßrichtungen

Die Planungen des Oberkommandos des Heeres waren bis zum 15. Juni 1939 abgeschlossen. Die Mobilisierung und der Aufmarsch der Truppen erfolgte ohne offizielle Generalmobilmachung unter Vorwänden (Manöverübungen, Bau von Grenzbefestigungen) und in möglichst anderer verdeckter Weise. So sollte in Ostpreußen die 25-Jahr-Feier der Schlacht bei Tannenberg unter großer militärischer Anteilnahme durch Abordnung einer Infanterie- und Panzerdivision aus dem Reich begangen werden.

Bis zum 25. August befanden sich die Truppen in ihren Bereitstellungsräumen. Der für den 26. August befohlene Angriffsbeginn wurde kurzfristig wieder abgesagt, nachdem Hitler erfahren hatte, dass Italien für einen Krieg nicht zur Verfügung stand, und England und Polen ihre gegenseitigen Zusagen in einem schriftlichen Vertrag fixiert hatten. Am selben Tag wurde die stille (also nicht öffentliche) Mobilmachung im Deutschen Reich eingeleitet. Ein Kommandounternehmen gegen den nahe der tschechischen Grenze gelegenen Bahnhof von Mosty und einem Eisenbahntunnel dort konnte jedoch nicht mehr rechtzeitig gestoppt werden. Nach anfänglichen Erfolgen der Kommandosoldaten mussten sie sich wieder über die Grenze zurückziehen. [4]

Da das deutsche Hoheitsgebiet Polen von drei Seiten her umfasste, befanden sich die deutschen Streitkräfte in einer vorteilhaften Lage. Für den Angriff waren die deutschen Truppen in zwei Heeresgruppen unterteilt worden: Die Heeresgruppe Nord (630.000 Mann unter Generaloberst Fedor von Bock) mit der 4. Armee in Ostpommern und der 3. Armee in Ostpreußen sollte zunächst die polnischen Streitkräfte im „Korridor” zerschlagen, um eine Verbindung zwischen Ostpreußen und dem Hauptgebiet des Deutschen Reiches herzustellen. Danach sollte sie direkt auf Warschau vorstoßen, um damit den Hauptangriff, der im südlichen Polen stattfinden sollte, zu entlasten. Die Heeresgruppe Süd (886.000 Mann unter Generaloberst Gerd von Rundstedt) verfügte über drei Armeen. Die 14. Armee sollte von Schlesien und der Slowakei aus die polnischen Grenzbefestigungen in Ostoberschlesien einnehmen und danach die deutschen Operationen nach Galizien hin decken. Diese Aufgabe sollte sie angriffsweise erfüllen und auf den San vorgehen. Die 10. Armee, (mit 300.000 Mann und der Masse der Panzerdivisionen die stärkste Armee im Polenfeldzug) unter General der Artillerie Walter von Reichenau, sollte den Hauptangriff auf Warschau führen. Zu diesem Zweck waren ihr die Masse der motorisierten Verbände zugeteilt worden. Auf ihrer linken Flanke sollte die 8. Armee die Operationen nach Posen hin abschirmen. So hoffte die deutsche Führung, die Masse des polnischen Heeres noch westlich der Weichsel zu umfassen und zu vernichten.

Militärischer Verlauf

Nachdem der ursprünglich für den 26. August gegebene Angriffsbefehl wieder zurückgenommen worden war, begann der militärische Angriff in den Morgenstunden des 1. September 1939 mit Luftangriffen auf Wielun und dem Beschuss der Westerplatte in Danzig durch das deutsche Linienschiff Schleswig-Holstein. Die Freie Stadt selbst wurde, mit Ausnahme der Westerplatte, von lokalen SS-Verbänden besetzt (siehe: Besetzung von Danzig 1939). Hitler verkündete: „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen [...] Von nun an wird Bombe mit Bombe vergolten.“ [5]. (Der Angriff hatte allerdings schon gegen 4.45 Uhr begonnen.) Am Abend wurde der englischen Regierung von der deutschen Seite mitgeteilt: „Der Führer ist bereit, aus Polen wieder herauszugehen und Schadensersatz für bereits angerichtete Schäden anzubieten unter der Voraussetzung, dass wir Danzig und die Straße durch den Korridor erhalten, wenn England im deutsch-polnischen Konflikt die Vermittlung übernimmt.” [6] Frankreich und Großbritannien stellten ein Ultimatum an das Deutsche Reich, in dem sie den sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen aus Polen forderten. Als Hitler dies ablehnte, erklärten beide Staaten dem Deutschen Reich am 3. September den Krieg. Eine große Offensive der Westmächte blieb aber trotz der Zusagen gegenüber Polen aus und es kam an der Westgrenze Deutschlands zum sogenannten „Sitzkrieg“.

Die Entwicklung der Lage bis zum 6. September

 
Lageentwicklung bis zum 14. September

Der Angriff der Heeresgruppe Nord kam in den ersten Tagen des Feldzuges zumindest im Bereich der 4. Armee planmäßig voran. Im Korridor wurden Teile der polnischen Armee Pomerellen während der Schlacht in der Tucheler Heide bei Graudenz eingeschlossen und zerschlagen. Nur zwei ihrer Divisionen entkamen der Niederlage und schlossen sich der Armee Posen an. Im Verlauf dieser Schlacht entstand auch der Mythos, dass polnische Kavallerie deutsche Panzer mit der Lanze angegriffen hätte. (siehe: Gefecht bei Krojanty) Gleichzeitig blieb der Angriff der 3. Armee vor der Mlawa-Stellung liegen. Die dort kämpfende Armee Modlin zog sich erst zurück, als die deutschen Kräfte ihre rechte Flanke umgangen hatten. Sie sammelte sich jedoch wieder in der Festung Modlin und am Bug. Die Armeen der Heeresgruppe Süd drängten unterdessen die polnischen Verbände in Richtung Warschau zurück. Allerdings gelang es ihnen nicht, die polnischen Truppen aufzureiben oder zu umfassen. Erst am 6. September gelang der 10. Armee ein tiefer Einbruch in die polnische Abwehrfront. Am gleichen Tag besetzte die 14. Armee Krakau. Das Ziel, die polnische Armee Krakau einzukreisen, gelang ihr jedoch nicht.

Die Planung der polnischen Führung war in Anbetracht des schnellen Vorstoßes der deutschen Verbände überholt und so erteilte sie schon nach fünf Tagen den Befehl zum Rückzug hinter die Linie Narew-Bug-Weichsel-San. Die polnische Regierung selbst setzte sich nach Brest-Litowsk ab. Der Rückzugsbefehl war jedoch zu spät erteilt worden, denn es war unwahrscheinlich, dass die polnischen Infanterie-Verbände die Flüsse noch vor den Panzern der Wehrmacht erreichen würden. Auf der deutschen Seite hingegen kam man im OKH zu dem Schluss, dass es wohl nicht mehr gelingen würde, die Masse des polnischen Heeres westlich der Weichsel zu zerschlagen, weshalb nun Befehle an die 3. Armee und die 14. Armee ergingen, ihre Kräfte östlich der Weichsel für eine Umfassungsschlacht zu konzentrieren.

Die Entwicklung der Lage bis zum 17. September

 
Lageentwicklung nach dem 14. September

Von Beginn an hatte die deutsche Luftwaffe die nahezu vollständige Luftüberlegenheit über Polen, die sie insbesondere für Bombenangriffe gegen Warschau nutzte; dies waren die ersten Flächenbombardements des Zweiten Weltkriegs. Die Heeresgruppe Süd nutzte ihren Durchbruch, um ein Panzerkorps auf die polnische Hauptstadt anzusetzen. Bereits am 8. September erreichte dieses Korps die Vorstädte von Warschau, doch da ein verlustreicher Häuserkampf vermieden werden sollte, stoppten die Panzer ihren Vormarsch, als sie auf starken Widerstand der polnischen Verteidiger trafen. Nur einen Tag später gelang dem rechten Flügel der 10. Armee das Überholen und Einkesseln von starken polnischen Kräften, die versuchten, sich über die Weichsel zurückzuziehen, woraus sich die Schlacht bei Radom entwickelte. Zeitgleich kam es auf dem linken deutschen Flügel bei der 8. Armee zu einer Krise. Unbemerkt von der deutschen Aufklärung war die polnische Armee Posen aus Westpolen herangekommen und dem deutschen Vormarsch nördlich von Kutno überraschend in die Flanke gefallen (siehe: Schlacht an der Bzura). Dies blieb der einzige polnische Gegenschlag des Feldzuges, der jedoch die Heeresgruppe Süd stark bedrängte, weil sie nun bei Radom, vor Warschau und an der Bzura gleichzeitig kämpfen musste. Der Angriff der Armee Posen konnte unter schweren Verlusten abgewehrt werden und die polnischen Truppen im Kessel bei Radom kapitulierten am 12. September (ca. 60.000 Gefangene). Mit den nun freigewordenen Verbänden konnte die Heeresgruppe Süd danach auch die Armee Posen einschließen und bis zum 17. September aufreiben (170.000 Gefangene). Am 13. September wurde die Kleinstadt Frampol nahe Lublin durch einen deutschen Luftangriff vollständig zerstört.

Die Führung der polnischen Armee befahl nach der Schlacht bei Radom am 12. September, allen Truppen, sich eigenständig nach Südosten zurückzuziehen. Man hoffte, sich in dem unwegsamen Gelände noch länger halten zu können, während man über Rumänien Nachschublieferungen der Westalliierten erwartete. In diesem Gebiet kämpfte bisher nur die deutsche 14. Armee, die allerdings nach Nordosten einschwenkte, um sich hinter dem Bug mit den Kräften der Heeresgruppe Nord zu vereinen. Gemäß dem Befehl des OKH zur Umfassung der polnischen Streitkräfte östlich der Weichsel musste die Heeresgruppe Nord, die bereits am Narew und am Bug stand, starke Kräfte (die Masse der 4. Armee) durch Ostpreußen an ihren linken Flügel verlegen, was einige Tage in Anspruch nahm. Danach aber schloss sie am 9. September die Festung Modlin und Warschau von Norden her ein. Östlich des Bug stießen starke Panzerkräfte nach Süden vor und vereinigten sich südlich von Brest-Litowsk am 18. September mit den Truppen der 14. Armee. Damit war die Masse der polnischen Kräfte umfasst worden. Die polnische Regierung war zuvor bereits nach Rumänien geflüchtet.

Die Entwicklung der Lage bis zum 6. Oktober

Am 17. September zerschlug sich die polnische Hoffnung, wenigstens den Osten des Landes verteidigen zu können. Entsprechend der Aufteilung im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes erfolgte die sowjetische Besetzung Ostpolens, das außer dem Grenzschutz-Korps fast völlig von polnischen Truppen entblößt war.

Die Kämpfe konzentrierten sich nun auf das Gebiet zwischen Weichsel und Bug, wo die Reste des polnischen Heeres eingeschlossen waren. Im Südosten des Landes wurden polnische Truppen, die sich nach Rumänien zurückziehen wollten, in den Schlachten bei Lemberg und Rawa Ruska aufgerieben. Nach der Kapitulation der Masse der verbleibenden polnischen Streitkräfte am 23. September nach der Schlacht bei Lublin endete der organisierte Widerstand der polnischen Armee. Die seit dem 9. September eingeschlossene polnische Hauptstadt wurde bis zum 28. September belagert (siehe: Belagerung von Warschau 1939). Die Stadt wurde heftig beschossen und bombardiert. Bis zu 26.000 Zivilisten kamen dabei ums Leben. Einen Tag später kapitulierte auch die Festung Modlin, gefolgt von der Besatzung der Halbinsel Hel am 1. Oktober. Die letzten Feldtruppen Polens kapitulierten am 6. Oktober nach der Schlacht bei Kock, was seither als das Ende des Polenfeldzuges gilt. Eine offizielle Kapitulation des polnischen Oberkommandos, Staates oder der Regierung hat es jedoch nie gegeben.

Der Seekrieg

  Typ      
Schlacht-/Linienschiffe 2 0
Leichte Kreuzer 3 0
Zerstörer 10 4
Minensuchboote 30 6
U-Boote 10 5

Im Gegensatz zu den Landstreitkräften war die polnische Marine der deutschen Kriegsmarine auch zahlenmäßig stark unterlegen. Das polnische Marineoberkommando unter Konteradmiral Józef Unrug erkannte diese Tatsache an und evakuierte im Rahmen der Operation Peking schon Ende August drei Zerstörer nach Großbritannien. Bei Beginn der Kampfhandlungen standen zwei deutschen Linienschiffen, drei leichten Kreuzern, 10 Zerstörern, 4 Tendern, 30 Minensuchbooten, 10 U-Booten und diversen U-Jägern auf polnischer Seite lediglich ein Zerstörer, ein schwerer Minenleger, fünf U-Boote und mehrere kleinere Einheiten wie Kanonenboote und Minensucher entgegen. (siehe: Kräfteverhältnis der Seestreitkräfte zu Beginn des Krieges)

Zu ersten Kampfhandlungen kam es am 1. September, als deutsche Stuka die verbliebenen beiden großen polnischen Einheiten ORP Gryf und ORP Wicher in der Danziger Bucht angriffen. Das erste Seegefecht fand am 3. September vor Hel statt. Die Kriegsmarine musste dabei die beiden eingesetzten Zerstörer Z 1 Leberecht Maass und Z 9 Wolfgang Zenker zurückziehen, nachdem Z 1 durch einen Artillerietreffer einer Landbatterie beschädigt worden war. Am selben Tag wurden die Reste der polnischen Überwasserstreitkräfte im Hafen von Hel mehrfach bombardiert und vernichtet.

Alle 5 polnischen U-Boote konnten entkommen, erzielten aber, wenn man von einer erfolgreich verlegten Seemine des U-Bootes ORP Żbik, auf die am 1. Oktober der deutsche Minensucher M 85 lief, absieht, keine Kampferfolge gegen feindliche Schiffe. Die zwei U-Boote ORP Wilk und ORP Orzeł konnten sich nach Großbritannien absetzen. Die restlichen drei U-Boote ließen sich in Schweden internieren. Die Marinebasis auf der Halbinsel Hel verteidigte sich noch bis zum 1. Oktober und fiel als eine der letzten polnischen Stellungen.

Verluste

Die Verluste der Wehrmacht im Polenfeldzug beliefen sich (nach zeitnahen wehrmachtsinternen Aufzeichnungen) auf 10.572 Gefallene, 3.409 Vermisste und 30.322 Verwundete. Als das OKW 1944 Nachforschungen anstellte, ergab sich die Zahl von 16.269 Toten (nur Heeresangehörige). Die Erhöhung ist damit begründet, dass vier Jahre nach dem Polenfeldzug die anfangs als „vermisst“ gemeldeten Soldaten nun größtenteils als „gefallen“ galten. Außerdem waren nach dem Ende der Kampfhandlungen Soldaten ihren im Polenfeldzug erlittenen Verwundungen erlegen.

Die Wehrmacht verlor außerdem ca. 30-40% der eingesetzten Panzer. Es zeigte sich schon in diesem Feldzug, dass zumindest die leichten deutschen Panzermodelle I und II veraltet waren. Für die Rote Armee wurden 737 Gefallene angegeben.
Genaue Zahlen der polnischen Verluste wurden nicht ermittelt. Die polnische Armee hatte ungefähr 70.000 Gefallene zu beklagen. 133.000 wurden verwundet. Als sicher gilt, dass 694.000 polnische Soldaten in deutsche und 217.000 in sowjetische Gefangenschaft gerieten. Unklar ist auch die Zahl der zivilen Opfer der Kampfhandlungen.

Kriegsverbrechen

Im Verlauf des Polenfeldzuges kam es zu mehreren deutschen und polnischen Kriegsverbrechen. Durch die andauernde Krise seit März 1939 hatten beide Parteien Zeit gehabt, ihre Propaganda-Maschinerie in Gang zu setzen. So kam es schon im Vorfeld des Krieges zu Ausschreitungen gegen die deutsche Minderheit in Polen, die anschließend von der NS-Propaganda benutzt wurden.[7]

Während des Polenfeldzuges 1939 kam es dann auch zu Kriegsverbrechen der Wehrmacht gegen die polnische Zivilbevölkerung. Am 22. August 1939 erklärte Hitler in einer Ansprache vor Wehrmachtsgenerälen:

„Ziel ist Beseitigung der lebenden Kräfte. Bei Beginn und Führung des Krieges kommt es nicht auf das Recht an, sondern auf den Sieg... brutales Vorgehen, größte Härte.“[8]

So wurden, meist unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung, zahlreiche Zivilisten erschossen. Insgesamt haben nach polnischen Ermittlungen, die überwiegend auf Augenzeugenberichten beruhten, im September und Oktober 1939 in Polen 714 Erschießungen stattgefunden, bei denen 16.376 Menschen hingerichtet wurden (ca. 60 Prozent davon ausgeführt von der Wehrmacht).[9] Hinzu kamen Massenerschießungen von polnischen Kriegsgefangenen (→ siehe: Massaker von Ciepielów). Die kriegsgerichtliche Untersuchung und Bestrafung der Täter blieb im wesentlichen aus. Auch Angehörige des sogenannten Selbstschutzes Westpreußen (später ein Teil der SS), des SD und der SS verübten derartige Verbrechen, wie zum Beispiel im Fall des Massakers von Przemyśl. Plünderungen durch Wehrmachtsangehörige waren ein Massenphänomen, und es kam zu Vergewaltigungen. Nach Jochen Böhler war dies

„ohne Zweifel zugleich Ausdruck einer tiefen Verachtung für die slawische Bevölkerung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden, das man verursachte“ [10].

Nach Kriegsbeginn kam es von seiten der polnischen Bevölkerung zu Übergriffen auf die deutsche Minderheit. Der bekannteste Vorfall ereignete sich am 3. September in Bromberg, wobei zwischen 100 - 300, nach anderen Schätzungen bis zu 1500 Volksdeutsche getötet wurden (→ siehe: Bromberger Blutsonntag). Den folgenden „Vergeltungsmaßnahmen“ durch die Einsatzgruppe IV fielen zwischen dem 7. und 12. September nach Augenzeugenberichten 1306 Polen zum Opfer, darunter Geistliche, Juden, Frauen und Jugendliche.[11] Insgesamt belief sich die Zahl der volksdeutschen Opfer auf mindestens 5.437 Tote. [12] Nach Auffassung von Alfred M. DeZayas, dem Historiker des Bundesarchivs unkritische Verwendung von NS-Quellen vorwerfen, kam es auch auf polnischer Seite zu Erschießungen von deutschen Kriegsgefangenen, jedoch in weit geringerem Umfang als auf der deutschen Seite.[13] Des Weiteren finden sich in den Kriegstagebüchern deutscher Einheiten sehr viele Berichte über Aktivitäten von „Banden“ und „Freischärlern“, die deutsche Trossabteilungen überfallen hätten. Dabei ist zu beachten, dass Wehrmachtseinheiten auch durch den schnellen deutschen Vormarsch abgeschnittene polnische Soldaten oft als Freischärler betrachteten.[14]

An verschiedenen Stellen wurde Anfang September Lost-Gas verwendet. Die deutsche Luftwaffe warf versehentlich am 3. September 1939 mit Giftgas gefüllte Bomben auf Warschau ab.[15] Am 8. September 1939 wurden bei Jasło 14 deutsche Soldaten bei der Beseitigung einer polnischen Brückensperre mit Lost vergiftet, zwei davon starben.[16]

Folgen

(→ Hauptartikel: Deutsche Besatzung Polens 1939–1945)

Am 8. Oktober teilten sich das Deutsche Reich und die Sowjetunion im Abkommen von Brest-Litowsk das polnische Gebiet durch eine Demarkationslinie – die Vierte Teilung Polens. Nicht nur die nach dem Versailler Vertrag abgetretenen Gebiete wurden wieder in das Reich eingegliedert, sondern darüber hinaus weite Bereiche Zentralpolens einschließlich der Stadt Łódź. Der Rest Polens wurde deutsches Generalgouvernement. Molotow äußerte sich am 31. Oktober 1939: „Ein einziger Schlag gegen Polen, erst seitens der deutschen, dann seitens der Roten Armee, und nichts blieb übrig von dieser Mißgeburt des Versailler Vertrags, die ihre Existenz der Unterdrückung nichtpolnischer Nationalitäten verdankt hatte“. [17]

Schon wenige Tage nach Beginn des Feldzuges ernannte Hitler für die Teile Polens, die zur Eingliederung in das Reichsgebiet vorgesehen waren, neue Chefs der Zivilverwaltung (CdZ), Albert Forster für Danzig-Westpreußen und Arthur Greiser für Posen. Der Königsberger Gauleiter Erich Koch dehnte seine Dienststellen nach Südostpreußen aus. Die vom OKH bestimmten militärischen Verwaltungschefs wurden nach einer kurzen Übergangszeit überflüssig, als politische Amtsträger gefunden waren. Verwaltungschef in Krakau wurde Reichsminister Arthur Seyß-Inquart Verwaltungschef, in Łódź wurde es Reichsminister Hans Frank, der als Oberverwaltungschef Generaloberst Gerd von Rundstedt, dem Oberbefehlshaber Ost, unterstellt wurde und damit unter dem Befehl des Heeres stand. Hitler hatte damit die vollziehende Gewalt in Polen formal bei der Heeresführung belassen, deren Truppen die besetzten Gebiete sicherten. Faktisch aber war der Chef des Generalstabes fast nur mit der Operationsführung beschäftigt, und die Verwaltungsaufgaben wurden von der politischen Führung des Reiches gesteuert.[18].

Die anschließende Besatzungszeit war von Repressalien der Deutschen und Sowjets gegen die Zivilbevölkerung geprägt. Es kam zu willkürlichen Massenerschießungen, insbesondere polnischer Juden - im deutschen - und politischer-gesellschaftlicher Gegner des Kommunismus - im sowjetischen Besatzungsgebiet. Im deutschen Besatzungsgebiet wurde ein ganzes Netzwerk von Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern errichtet. Im weiteren Verlauf der deutschen Besatzung wurde das Gebiet Polens zum Zentrum des Holocaust. Im Zuge der Aktion Reinhardt im Jahre 1942 wurden im Süden und Osten Polens eine Reihe von Vernichtungslagern errichtet.

Die Masse der polnischen Kriegsgefangenen wurde von der Wehrmacht in die zivile Zwangsarbeit gepresst, womit sie den Schutz des Kriegsgefangenenstatus verloren. Nach Zeugenaussagen kam es schon während der Kämpfe zu Erschießungen jüdischer Soldaten der polnischen Armee nach ihrer Gefangennahme.[19] Im Frühjahr 1940 wurden wie viele andere Gefangene auch die jüdischen Soldaten entlassen. Sie kehrten in das Gebiet des ehemaligen Polens zurück, wo sie als Juden registriert und in Ghettos eingewiesen wurden, wo sie später der „Endlösung“ zum Opfer fielen. Jüdische Offiziere wurden in speziellen Ghettoabteilungen der Gefangenenlager abgesondert (was nach deutscher Interpretation Artikel 9 der Genfer Konvention entsprach, nach dem Gefangene getrennt nach Rassen und Nation unterzubringen waren). Auf Verlangen der Gestapo wurden in einigen Fällen Gefangene an sie übergeben. Oft kehrten die betreffenden Offiziere nicht mehr zurück. Der Historiker Jörg Osterloh betont, dass mit dieser Zusammenarbeit das OKW nicht erst im Krieg gegen die Sowjetunion, sondern bereits im Polenfeldzug seine Bereitschaft zeigte, bei der rassistischen Vernichtungspolitik des NS-Regimes mitzuwirken[20].

Polen verlor im Zweiten Weltkrieg bei Kampfhandlungen und durch Maßnahmen der deutschen und sowjetischen Besatzungsmacht zwischen 4,5 und 6 Millionen Einwohner. Die größte Zahl der Opfer stellten hierbei die polnischen Juden mit weit mehr als 3 Millionen Opfern. Die slawische Mehrheit der Bevölkerung in Polen, galt den Nazis als rassisch minderwertige Untermenschen und war langfristig zur Vernichtung oder vollständigen Assimilation bestimmt. Angefangen hatte die Vernichtung bereits am Anfang der Besatzung Polens mit der gezielten Aussonderung und Ermordung der gebildeteren Schichten der Bevölkerung - bekannte Beispiele sind die Verhaftung und Erschießung der Professoren der Jagiellonen-Universität in Krakau (Sonderaktion Krakau) und der Katholischen Universität Lublin im November 1939. Die Sowjets verhafteten massenhaft die bürgerlichen „Klassenfeinde” und führten generell im großen Umfang Deportationen polnischer Bevölkerungsteile durch - zwischen 1939 und 1941 in Richtung Sibirien und Kasachstan. Im Wald von Katyn wurden über 25.000 Polen - Kriegsgefangene, Polizisten und Intellektuelle erschossen.

Nach der militärischen Niederlage, infolge der Unterdrückungspolitik der Besatzungsmächte, formierte sich in Polen ein breiter Widerstand gegen die Besatzungsmächte. Ein regelrechter „Untergrundstaat“ wurde geschaffen, der mit geheim hergestellter Presse und einem konspirativen System für höhere Bildung der rassistischen Besatzungspolitik der Deutschen entgegentrat. Die militärischen Bemühungen des polnischen Widerstandes gipfelten 1944, unter der Ägide der Exilregierung, im Warschauer Aufstand.

Rund 140.000 polnische Militärangehörige flüchteten nach Rumänien, Ungarn oder Litauen, wo sie interniert wurden. Vielen gelang es jedoch, weiter nach Frankreich zu fliehen. Dort befand sich auch die polnische Exilregierung, die aus den Soldaten neue Truppenverbände aufstellte, die an allen wichtigen Operationen des Zweiten Weltkrieges teilnahmen. Ein Teil derjenigen, die die sowjetischen Gulags überlebten, bildete 1941 während der zeitweisen Zusammenarbeit mit Stalin, (die auf Drängen Englands zustande kam), die Armee des General Anders. Auf dem Umweg über Persien und Palästina nahm diese Armee den Kampf gegen die Deutschen wieder auf. Sie wurde in Nordafrika und in Italien eingesetzt. Weitere Polen wurden ab 1943 in die von den Sowjets aufgestellte Armee des General Berling integriert und kämpften ab 1944 an der Ostfront.

Siehe auch

Commons: Polenfeldzug 1939 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. DHM:Überfall auf Polen
  2. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Artikel Polen S. 642f
  3. Jean-Baptiste Duroselle, Politique étrangère de la France. La décadence 1932 - 1939, Paris 1979, S. 428-435
  4. Der II. Weltkrieg - Schritt über die Grenzen. Zeitgeschichte in Wort, Bild und Ton - 1938 - 1941. Verlag für Geschichtliche Dokumentation, 1989, ISBN 3-88199-536-6, Seite 106 und 107
  5. Kurt Zentner: Illustrierte Geschichte des Dritten Reiches. Köln, 1966, ASIN B0000BUAWZ, Seite 444.
  6. Zitiert nach: Stefan Scheil: Fünf plus Zwei. Duncker & Humblot. 2006, ISBN-10 3428123301, Seite 252.
  7. Richard Blanke: Orphans of Versailles - The Germans in Western Poland 1918-1939, Kentucky University Press, Lexington 1993.
  8. Eberhard Aleff, Das Dritte Reich, Hannover 1973, ISBN 3771-6202-01, S. 174
  9. Richard C. Lukas: The Forgotten Holocaust - The Poles under German Occupation 1939-1944, New York 1997, S.3
  10. Jochen Böhler, a.a.O., S.186
  11. Dorathee Weitbrecht: Ermächtigung zur Vernichtung - Die Einsatzgruppen in Polen im Herbst 1939, in: Klaus-Michael Mallmann/ Bogdan Musial (Hrsg.): Genesis des Genozids - Polen 1939-1941 Darmstadt 2004, S.61
  12. Jürgen Runtzheimer: Bromberger Blutsonntag, in: Wolfgang Benz: Legenden Lügen Vorurteile, dtv 1992, S. 47-49, ISBN 3423032952
  13. Alfred M. DeZayas: Die Wehrmacht-Untersuchungsstelle - deutsche Ermittlungen über alliierte Völkerrechtsverletzungen im 2. Weltkrieg, Frankfurt am Main/ Berlin 1987 (4.Auflage).
  14. Jochen Böhler: „Tragische Verstrickung“ oder Auftakt zum Vernichtungskrieg? - Die Wehrmacht in Polen 1939, in: Mallman/Musial: Genesis des Genozids Polen 1939 -41, S.48f
  15. Richard Mackay Price: The Chemical Weapons Taboo. Cornell University Press, 1997, S. 118 Fn94, ISBN 0801433061
  16. Günther W. Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand, Koblenz 1986, S. 135ff
  17. Isvestija, 1.11.1939
  18. Hans Umbreit: Die Verantwortlichkeit der Wehrmacht als Okkupationsarmee in: Die Wehrmacht. Mythos und Realität, Hrsg. Rolf-Dieter Müller, Hans-Erich Volkmann, München 1999, ISBN 3-486-56383-1, S. 747ff.
  19. Jochen Böhler, a.a.O., S.176f.
  20. Jörg Osterloh: Die Wehrmacht und die Behandlung der sowjetischen Gefangenen in R.-D.Müller, H.-E. Volkmann: Die Wehrmacht. Mythos und Realität. Herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, München 1999, ISBN 3486563831, S.785

Literatur

Vorgeschichte

  • Walther Hofer: Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt/Main 1960. (behandelt die internationalen diplomatischen Beziehungen im Sommer 1939)
  • Horst Rohde: Hitlers erster „Blitzkrieg“ und seine Auswirkungen auf Nordosteuropa, in: Klaus A. Maier, Horst Rohde, Bernd Stegemann, Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 2: Die Errichtung der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent, Hrsg. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, DVA, Stuttgart 1979, ISBN 3421019355, S. 79–156 (Amtliche deutsche Darstellung der Planungs- und Aufmarschphase, weniger der Kampfhandlungen)
  • Herbert Schindler: Mosty und Dirschau 1939 - Zwei Handstreiche der Wehrmacht vor Beginn des Polenfeldzuges, Freiburg 1971, ISBN 3793001512 (zwei Kommandounternehmen vom 26. August 1939)

Kriegsverlauf

  • Der Zweite Weltkrieg im Kartenbild. Bd 1. Der Polenfeldzug. Ein Lageatlas der Operationsabteilung des Generalstabs des Heeres, Maßstab 1:3000000. Biblio-Verlag, 1989, ISBN 3764817607
  • Rolf Elble: Die Schlacht an der Bzura im September 1939 aus deutscher und polnischer Sicht, Freiburg 1975, ISBN 3793001741 (beschreibt die Verschiedenheit der Heere und eine polnische Operation während des Krieges)
  • Janusz Piekałkiewicz: Polenfeldzug. Hitler und Stalin zerschlagen die Polnische Republik. Augsburg 1998, ISBN 3860479075 (populär, stellt auch die polnische Seite dar, mit vielen bislang unbekannten Bildern und Zeitdokumenten)
  • Bertil Stjernfelt, Klaus-Richard Böhme: Westerplatte 1939, Freiburg 1978, ISBN 3793001822 (Standardwerk)
  • Nikolaus von Vormann: Der Feldzug 1939 in Polen, Weissenburg 1958 (einzige umfassende Darstellung sämtlicher Kampfhandlungen während des Feldzugs; der damalige Referent in Hitlers Hauptquartier behandelt die Vorgeschichte polenfeindlich)

Kriegsverbrechen

  • Jochen Böhler (Hg) „Größte Härte…”. Verbrechen der Wehrmacht in Polen September - Oktober 1939, Osnabrück: Fibre 2005, ISBN 3938400072. (Katalog mit allen Fotos und Beschreibungen zur gleichnamigen Ausstellung von 2006, dazu zwei Aufsätze)
  • Jochen Böhler Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen 1939. Eine Publikation des Dt. Historischen Instituts Warschau, Fischer TB, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3596163072 /oder: Bundeszentrale für polit. Bildung, Schriftenreihe Bd. 550, 2006, ISBN 3893316795 (Thema: Rolle der Wehrmacht bei Kriegsverbrechen während des Krieges)

Folgen

  • Martin Broszat: Nationalsozialistische Polenpolitik 1939-1945, Fischer Bücherei, 1965, ASIN B0000BGVJ0
  • Christoph Kleßmann (Hrsg.): September 1939. Krieg, Besetzung, Widerstand in Polen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 3525335598
  • John Mosier: The Blitzkrieg Myth: How Hitler and the Allies Misread the Strategic Realities of World War II. HarperCollins, 2004, ISBN 0060009772
  • Czeslaw Madajczyk, Berthold Puchert: Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939-1945, Pahl-Rugenstein, Berlin-Köln 1988, ISBN 3760911986

Geschichte

Zeitdokumente

Kriegsverbrechen

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