Abhängigkeit (Medizin)

krankhafte Abhängigkeit
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Sucht bezeichnet die krankhafte Einnahme von Substanzen oder die krankhafte Ausführung von Handlungen, die eine Änderung des Befindens in der Weise bewirken, dass der Mensch eine nach allgemeinem Verständnis ordentliche und konstruktive Lebensführung zum Zwecke der Selbstverwirklichung auf Dauer nicht als erstrebenswert und erreichbar erkennt, sondern meint, dieses durch süchtiges Verhalten kompensieren zu können. Man unterscheidet dabei zwischen stoffgebundenen Süchten wie Alkoholsucht oder Nikotinsucht, Coffeinsucht und nicht stoffgebundenen Süchten Kaufsucht, Sexsucht oder Spielsucht. Die Existenz nicht stoffgebundener Süchte weist auf die Komplexität des Themas hin, die weit über die biochemischen Aspekte (bloße Rezeptoradaption) hinausgeht.

Sucht wird umgangssprachlich auch als Abhängigkeit bezeichnet, jedoch ist Sucht deutlich massiver. Wir alle sind durchaus abhängig von Essen und Trinken, jedoch nicht alle sind süchtig nach Essen und Trinken

Kriterien

Die wichtigsten Kriterien einer Sucht sind:

  1. Dosissteigerung (es wird langsam aber sicher immer mehr)
  2. Kontrollverlust (es glingt nicht mehr willentlich die Menge des Suchtmittels zu begrenzen)
  3. Entzugserscheinungen (es treten körperliche Symptome, z.B. Zittern, auf, wenn der Zugang zum Suchtmittel unterbrochen ist)
  4. Wirkungsverlust (man wird nicht mehr betrunken)
  5. Aufgabe der persönlichen Entwicklung durch z.B. chemische Substanzen, welche die Wahrnehmung der eigenen Person so verändern, dass die notwendige Unzufriedenheit (natürliches Streben nach Höherem), welche unabdingbare Voraussetzung für menschliche Entwicklung ist, nicht vorhanden ist
  6. Der Suchtmittelkonsum oder das süchtige Verhalten wird trotz sichtbarer negativen Folgen gesundheitlicher, sozialer oder finanzieller Art aufrechterhalten.

Da die Wirkung des Suchtmittels vorübergehend ist, sich im Laufe der Erkrankung durch Gewöhnungseffekte wie Rezeptoradaption abschwächt aber der Wunsch nach Änderung des Befindens bleibt oder gar wächst, wird immer mehr vom Suchtmittel konsumiert um den Grad der Realitätsveränderung (-verdrängung) beizubehalten (Dosissteigerung).

Die oben gegebene Erklärung des Kontrollverlust ist für die Suchtkranken in aller Regel beschämend, da sie scheinbar nicht (mehr) im Besitz ihrer vollen geistigen Kräfte sind, sodaß es zu massiven Verleugnungen und Vertuschungen vor sich selbst (z.B. jedes Bier sofort bezahlen, damit man nicht wirklich weiß, wieviel man getrunken hat) und der Umwelt kommt. Deshalb wird Kritik von außen als unangenehm wahrgenommen. Dies alles führt meistens zur gesellschaftlichen Isolation oder in entsprechende gesellschaftliche Randgruppen.

Zu den Entzugserscheinungen gehören Nervosität, Zittern, Schweißausbüche oder gar Kreislaufzusammenbruch und Halluzinationen. Besonders wenn die Sucht auf der Einnahme von Substanzen beruht, kann es zu erheblichen Umstellungen der Biochemie des Körpes kommen, die beim Entzug zu den genannten Problemen führen. (So führt z.B. der Entzug von einem Kasten Bier täglich (= 10 Liter!) zu massiven Volumenproblemen im Kreislauf, besonders da der Volumenmangel in aller Regel nicht mit einem Kasten Wasser kompensiert wird.)

Das Bedürfnis, sein Befinden zu ändern, basiert in aller Regel auf dem Gefühl Mängel, z.B. in der Kommunikation oder beim Selbstwertgefühl..., zu haben. Da diese Mängel sich z.T mit Hilfe des Suchtmittels kompensieren lassen, kann man Sucht auch als gescheiterten Selbstheilungsversuch ansehen.

Drogensucht

Im Speziellen wird unter Sucht die Abhängigkeit von Drogen und damit der Zwang zur ständigen Zufuhr eines chemischen Stoffes verstanden, der kein Nahrungsmittel sowie nicht lebensnotwendig ist. Die dabei auftretenden Symptome werden als Abhängigkeitssyndrom bzw. das Phänomen als pharmakologische Abhängigkeit bezeichnet.

Dieser chemische Stoff kann auch ein körpereigener Stoff sein, der beispielsweise bei sportlicher oder sexueller Betätigung ausgeschüttet wird, die Übergänge zu nichtstofflichen Abhängigkeiten (abhängige Persönlichkeitsstörungen, ...) sind dabei möglicherweise fließend. Bei einer physisch bedingten Sucht treten in jedem Fall beim Absetzen des süchtig machenden Vorganges (meist der Stoffaufnahme) echte Entzugserscheinungen auf, weil die Droge offensichtlich Teil des Stoffwechsels geworden ist.

Ursachen/Auslöser der Sucht

Es werden immer wieder genetische Ursachen für Suchterkrankungen diskutiert. Jedoch erklärt dies nicht immer, warum jemand suchtkrank wird.

Sicher ist wohl, daß ein Suchtkranker mehr oder minder starke Persönlichkeitsdefizite aufweist. Diese führen fast immer zu Minderwertigkeitsgefühlen, mit verschiedenen Kompensationsversuchen (z.B. Größenphantasien). Die Störungen sind in aller Regel stärker als bei Neurotikern, aber noch keine ausgeprägte Psychose (außer beim Entzug). Deshalb werden Suchtkranke häufig zur Gruppe der Borderline-Patienten gezählt.

Füher oder später bemerkt der Suchtgefährdete, daß das Suchtmittel ihm hilft, seine Defizite zu überwinden oder leichte zu ertragen. Dies ist der Anfang der Dosissteigerung.

Zur Entwicklung einer Sucht gehört noch ein Beziehungsumfeld. ("Einer der trinkt und mindestens einer der es zuläßt") Nicht selten übernehmen die Angehörigen (Eltern oder Lebenspartner) die Aufgaben, die der Suchtkranke als seinen Mangel empfindet. Allerdings ohne dem Suchtkranken zu helfen, sein Defizit zu vermindern. Dadurch wird die Krankheit letztlich verstärkt. (Bei der Alkoholkrankheit nennt man diese Angehörigen Co-Alkoholiker - siehe auch Weblink für Angehörigengruppen am Ende der Seite).

== Komorbidität, Begleitkrankheiten

Neben dem Abhängigkeitssyndrom (Bei Alkohol ICD10 F10.2)gibt es eine Reihe von körperlichen und psychischen Begleitkrankheiten. Häufige psychische Begleitkrankheiten sind Angststörungen, Depressionen, Anpassungsstörungen sowie Persönlichkeitsstörungen zu denen unter Anderem auch die oben erwähnte Borderline Persönlichkeitsstörung gehört, aber auch Psychosen. Das Vorhandensein von psychischen Begleitstörungen ist nicht obligat, sie können aber unter Umständen den Verlauf und die Prognose der Suchterkrankung stark beeinflussen.


Suchtbehandlung

  1. körperlicher Enzug des Suchtmittels (Entgiftung)
  2. psychotherapeutische Behandlung (Langzeitentwöhnung)
  3. Mitarbeit/"Mitbehandlung" der Angehörigen/Bezugspersonen
  4. Mitarbeit in Selbsthilfegruppe (zumindes für einige Jahr unabdingbar)

Das oberste Behandlungsziel ist der dauerhafte Verzicht auf das Suchtmittel. Dazu sollten in der psychotherapeutischen Behandlung die Persönlichkeitsdefizite entweder durch "Nachreifung" verringert oder ein anderen Umgang damit erlernt werden. Nur dann ist der Patient in der Lage auf das Suchtmittel zu verzichten, da er z.B. zu seinen Defiziten stehen kann.

Kennzeichen einer erfolgreichen Therapie

  • Eine erfolgreiche Therapie bietet einen neuen, überlagernden Lernprozess.
  • Eine erfolgreiche Therapie überwindet die Entzugserscheinungen.
  • eine erfolgreiche Therapie hilft den Rückfall zu vermeiden und bietet dem Süchtigen eine Kontrolle seines Verhaltens an.


Auflistung diverser Süchte und süchtig machender Stoffe

Etymologie

Das Wort "Sucht" (germ. suhti-, ahd. suht, suft, mhd. suht) ist nicht verwandt mit "suchen", sondern mit "siechen" (ahd. siuchen, mhd. siuchan; vgl. zum Adjektiv "siech" auch das englische sick) in der Bedeutung von Krankheit. Andere, vor allem veralterte Krankheitsbezeichnungen wie Fallsucht, Magersucht, Mondsucht, Schwindsucht, Wassersucht, aber auch zum Beispiel das Wort Eifersucht enthalten ebenfalls den Wortstamm "Sucht" in dieser Bedeutung.

Die Wendung "Sucht nach etw." beruht allerdings auf der volkstümlichen Verbindung mit "suchen": Sucht nach Liebe, Abwechslung, Zerstreuung usw.