Als Dioxine wird eine Gruppe von chlorierten organischen Verbindungen bezeichnet, die aus zwei über zwei Sauerstoffatome verbundene sechs-gliedrige Aromaten bestehen. Dioxine gehören zu den langlebigen organischen Schadstoffen. Sie reichern sich deshalb in der Umwelt an, ohne in nennenswertem Umfang abgebaut zu werden.[1] Über die pflanzliche und tierische Nahrung nimmt auch der Mensch Dioxine auf. Einen wichtigen Indikator zur Beurteilung der Belastungssituation von Menschen stellt die Konzentration in der Muttermilch dar.[2]

Begrifflichkeiten
Umgangssprachlich wird unter dem Begriff Dioxin das 1976 bei einem Unfall im italienischen Seveso freigesetzte 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-Dioxin verstanden. Unter dem Begriff Dioxine werden häufig alle chlorierten organischen Verbindungen zusammengefaßt, die ein Dioxin-Ringsystem mit Benzolringen (siehe Abbildung Allgemeine Struktur von Dioxinen, oben) aufweisen. Dabei können an den Benzolringen zwischen einem und maximal 8 Chlor-Atome gebunden sein (an den Positionen 1, 2, 3, 4, 6, 7, 8 und 9 in der obigen Abbildung). Diese Gruppe chlorierter organischer Verbindungen wird chemisch als polychlorierte Dibenzo[1,4]dioxine (PCDD) bezeichnet. Darüber hinaus werden unter dem Begriff Dioxine häufig auch noch eine strukturmäßig ähnliche Gruppe von Stoffen mit zusammengefaßt, bei der die beiden Benzolringe nur über ein Sauerstoffatom miteinander verknüpft sind: die Gruppe der polychlorierten Dibenzofurane (PCDF).
Strukturformeln des 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo[1,4]dioxins (oben) und des 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzofurans (unten)
Einzelne Vertreter der Dioxine, werden als Kongenere bezeichnet.
Neben den polychlorierten Dibenzodioxinen und Dibenzofuranen (PCDD/PCDF) gibt es auch noch Dioxine, an deren Benzolringe andere Halogen-Atome, z.B. Brom gebunden sind. Diese Gruppe der Dioxine werden entsprechend als polybromierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PBDD/PBDF) bezeichnet.
Geschichte
Obwohl die erste Synthese von Dioxinen schon 1872 durchgeführt worden war, war die Struktur von 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo[1,4]dioxin bis ins Jahr 1957 unbekannt.[3] Bemerkenswert ist hierbei auch das erstmals 1962 synthetisierte 2,3,7,8-Tetrachlornaphthalin, das Voß-Waller-Dioxin, welches die gleiche Anordnung der Chloratome wie das Seveso-Gift 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo[1,4]dioxin hat.
Die öffentliche Diskussion der Dioxinproblematik begann Ende der 1960er Jahre in Amerika durch das im Vietnam-Krieg eingesetzte mit Dioxinen verunreinigte Entlaubungsmittel Agent Orange, das sowohl bei der vietnamesischen Bevölkerung als auch bei den Soldaten zu gesundheitlichen Problemen geführt haben soll. Berichte über eine erhöhte Anzahl an Mißbildungen bei Neugeborenen sowohl in der vietnamesischen Bevölkerung als auch bei den Kindern von Vietnam-Veteranen sowie ein erhöhtes Krebsrisiko als Folge der Entlaubungsaktionen sind in der wissenschaftlichen Literatur umstritten.[4][5]
Mit dem Austritt von 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo[1,4]dioxin aus einem Reaktor der Chemiefabrik Icmesa im italienischen Seveso am 10. Juli 1976 (Sevesounglück) erlangte die Stoffgruppe der Dioxine allgemeine Bekanntheit. Ursache für das Unglück war ein durch Überhitzungsreaktion entstandener Überdruck im Produktionssystem.[6]
Tage nach dem Unglück starben in der näheren Umgebung Vögel und Kleintiere. Bei etwa 190 exponierten Personen wurden Fälle von Chlorakne festgestellt. Als Folge des Unfalls mussten die Häuser von 40 Familien abgerissen werden.[7] Viele Seveso-Opfer erkrankten später an Krebs oder Diabetes. Die Lebenserwartung der Giftopfer liegt im Schnitt um 15 Jahre unter dem Landesdurchschnitt in Italien.
Vor 1968 wurden mehr als 400.000 Tonnen Abfallmaterial aus der Kupfergewinnung unter der Handelsbezeichnung Kieselrot von Marsberg aus deutschlandweit vermarktet. Die Grenzwerte, die das Umweltbundesamt für Dioxin vorgibt, wurden bei diesem Material, das sich zum Teil noch immer auf deutschen Sportplätzen befindet, um das bis zu 10.000-fache überschritten. Sportflächen mit Kieselrot-Deckschicht können bedeutende Dioxinquellen für die nähere Umgebung sein bzw. gewesen sein.[8]
Im September 2004 wurde der ukrainische Oppositionsführer Wiktor Juschtschenko offenbar Opfer einer Dioxinvergiftung durch politische Gegner (siehe Kapitel Behandlung).
Jährlich findet ein großer internationaler, wissenschaftlicher Kongress über Dioxine statt, 2006 bereits zum 25. Mal.[9]
Chemische Eigenschaften
Die Dibenzodioxine und Dibenzofurane können jeweils bis zu 8 Chlor- und/oder andere Halogen-Atome an ihren aromatischen Ringen besitzen. Insgesamt kann daher die Gruppe der polychlorierten Dibenzo[1,4]dioxine 75 und die der polychlorierten Dibenzofurane 135 verschiedene Einzelstoffe, sogenannte Kongenere, umfassen. Jedes Kongener weist eine unterschiedliche Toxizität auf (siehe Kapitel Toxizitätsäquivalente).
Bei Raumtemperatur sind Dioxine Feststoffe, die in Wasser praktisch unlöslich und in Ethanol schlecht löslich sind. Dioxine sind lipophile (fettlösliche) Moleküle und reichern sich aufgrund ihres hohen Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten im Fettgewebe, aber auch in Sedimenten und Böden an.
Neben den polychlorierten Dibenzodioxinen und Dibenzofuranen gibt es auch noch die polybromierten Dibenzodioxine und Dibenzofurane, die manchmal ebenfalls zu der Gruppe der Dioxine gezählt werden. Polyfluorierte und polyiodierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane werden unter Praxisbedingungen nicht gebildet.
Entstehung
Dioxine werden nicht im industriellen Maßstab hergestellt, sondern entstehen als Nebenprodukte bei einer Vielzahl von thermischen Prozessen. Es gibt keinerlei technische Verwendung von Dioxinen.
Bei der Verbrennung von organischen (Kohlenstoffhaltigen) Verbindungen in Gegenwart von organischen oder anorganischen Halogen-Verbindungen (speziell Chlor oder Brom) können sie sich in einem bestimmten Temperaturbereich (Dioxin-Fenster: ca. 300–600 °C) bilden. Ein Verbrennungsprozess mit möglicher Dioxin-Bildung ist beispielsweise die Müllverbrennung, die bis in die 80er-Jahre eine der Hauptursachen für die Dioxinerzeugung war. Mit der Siebzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (17. BImSchV) von 1990 wurden jedoch für industrielle Verbrennungsanlagen neue Grenzwerte eingeführt, wodurch die Dioxinbelastung durch Müllverbrennungsanlagen heute praktisch null ist.
Bis Anfang der 1990er Jahre enthielten auch die Abgase von Kraftfahrzeugen polychlorierte (aber auch polyhalogenierte) Dibenzodioxine und Dibenzofurane. Erst mit der Neunzehnten Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (19. BImSchV) vom 17. Januar 1992 wurde diese Dioxin-Quelle durch das Verbot der Beimischung von Chlor- und Bromverbindungen als Kraftstoffzusätze beseitigt.
Weitere industrielle Prozesse, bei denen Dioxine entstehen können sind beispielsweise:
- Bleichprozesse mit Chlor in der Papierherstellung
- die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln
- Metallurgische Prozesse (z.B. Eisen- und Stahlherstellung)
- Herstellung von Chlorphenolen
Kritisch ist vor allem die Hitzeeinwirkung auf polychlorierte Phenole. Besonders leicht kondensieren diese in Gegenwart von Alkali über die Phenolate zu Dioxin, wie am Beispiel des Seveso-Giftes 2,3,7,8-TCDD, gebildet aus dem Natriumsalz von 2,4,5-Trichlorphenol (2,4,5-TCP):
Auch natürliche Prozesse können zur Bildung von Dioxinen führen, z.B. durch Blitzschlag verursachte Wald- oder Steppenbrände sowie mikrobielle Tätigkeiten oder Vulkanausbrüche. Es wird geschätzt, dass bei einem Waldbrand etwa 20 ng Toxizitätsäquivalente an Dioxinen pro kg Biomasse entstehen.
Beim mikrobiellen Abbau des Holzgerüststoffes Lignin und von Huminsäuren entstehen chlorierte Phenole, welche sowohl unter den Zersetzungbedingungen als auch im Fall von Feuereinwirkung zu Dioxinen kondensieren können.
Ein natürliches Dioxin als Abwehrstoff, produziert vom Meeresschwamm Dysidea dendyi stellt die polybromierte Verbindung Spongiadioxin A (1-Hydroxy-3,4,6,8-tetrabromdibenzo[1,4]dioxin) dar.
Vorkommen
Dioxine sind persistent (langlebig) und werden hauptsächlich über den Luftpfad, gebunden an Staubpartikel, in der Umwelt verteilt. Dioxine sind ubiquitär, d.h. sie sind überall auf der Welt in Böden, Gewässern, Sedimenten, Pflanzen, Tieren, Menschen etc. nachzuweisen. Die Halbwertszeit von TCDD im Boden beträgt je nach klimatischen Bedingungen 6–12 Monate.
Tiere nehmen die Dioxine in der Umgebung auf – die Kühe auf der Weide genauso wie Hühner in Freilandhaltung oder Schweine mit dem Futter.
Da Dioxine sehr lipophil (fettlöslich) sind, reichern sie sich bei Menschen und Tieren insbesondere im Fettgewebe an. Als Indikator für die Dioxin-Belastung von Menschen wird häufig Muttermilch untersucht,[2] da sich aufgrund des hohen Fettgehaltes Dioxine darin leicht anreichern und entsprechende Proben in der Regel leicht zu bekommen sind. Bedingt durch gesetzliche Regelungen und daraus resultierenden technischen Maßnahmen ist in Deutschland die Gesamtbelastung durch Dioxine deutlich zurückgegangen. Aufgrund der Fettlöslichkeit kommt bei dioxinbelasteten Eiern das Gift auch meist nur im Eidotter vor, das zu einem Drittel aus Fett besteht.
Zahlreiche Speisefische erreichen höhere Dioxinbelastungen als Eier. Besonders belastet sind Fische mit einem hohen Fettgehalt, so z.B. der Ostseelachs. Der Dioxingrenzwert beträgt drei Picogramm pro Gramm Fett. Beim Fisch wurde dieser in mehreren Proben überschritten. Bei einigen Fischarten wurden in bestimmten Fanggebieten bis zu 20 Picogramm Dioxin pro Gramm Fett erreicht. Obwohl damit der Grenzwert auf den ersten Blick um fast das siebenfache überschritten wird, bliebe ein solcher Fisch innerhalb des zulässigen Bereiches (Bsp.: Ein Lachs mit 13 Gramm Fettgehalt und 20 Picogramm Dioxin pro Gramm Fett enthält damit gerade 2,6 Picogramm pro Gramm Frischgewicht). Während Wildlachs aus der Ostsee die Grenzwerte übersteigt, sind Lachse aus der Nordsee (z.B. norwegischen Zuchtlachsfarmen) weniger belastet. Dennoch enthalten diese auch Dioxine und polychlorierte Biphenyle.
Eine Gesundheitsgefährdung ließ sich aus den ermittelten Ergebnissen jedoch nicht ableiten. Die Dioxingrenzwerte bei Ei und Fisch sind aufgrund der Berechnung so unterschiedlich. Bei der Festsetzung eines Grenzwertes wird mit einberechnet, wie oft ein Lebensmittel im Schnitt verzehrt wird; dabei liegen Eier deutlich vor Fisch.
Deutschland hat nach Untersuchungen im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten eine relativ hohe Dioxin-Belastung. Allerdings ist die Belastung in den vergangenen Jahren gesunken. 1988 lag der Wert bei 38 Picogramm Dioxin pro Gramm Milchfett, 2002 betrug der Wert noch zwölf Picogramm pro Gramm Milchfett. Nur in den Niederlanden ist dieser Wert noch höher.
Aufnahme
Da Dioxine ubiquitär sind, lässt sich die Aufnahme von Dioxinen nicht vermeiden. Beim Menschen erfolgt die Aufnahme von Dioxinen zu 90–95% über die Nahrung, insbesondere über fetthaltige Lebensmittel wie Milch, Fleisch und Fisch.
Über den Darm lagert sich das Gift im Körperfett ein, beispielsweise Gehirn, Fettzellen, Leber, Bauchspeicheldrüse und Herz werden geschädigt. Die Vergifteten verlieren an Gewicht und leiden an Durchfall. Ohne Behandlung bleibt nach sieben Jahren noch die Hälfte des Giftes im Körper.
In den Jahren 2004 und 2005 wird in Deutschland bekannt, dass Freilandeier erhöhte Dioxin-Werte aufweisen. Seit Januar 2005 gilt EU-weit ein einheitlicher Dioxin-Grenzwert für Eier. Doch die erlaubte Dioxinmenge ist bei Hühnern aus Freilandhaltung bis um das Siebenfache überschritten, wie bundesweit durchgeführte Messungen ergaben. Dennoch kann man unbedenklich weiterhin Eier aus Freilandhaltung essen, da die gefundene Konzentration des Giftes immer noch niedriger ist, als dass sie zu Gesundheitsschäden im Körper führen könnte. Die Aufnahme des Dioxins erfolgt bei den Freilandhühnern durch durch das Picken aufgenommene Bodenpartikel, da der Boden nie zu 100 Prozent belastungsfrei ist. Der Mensch nimmt dann das Dioxin über den Verzehr der Freilandeier (im Handel mit dem Stempel 0 oder 1 gekennzeichnet) auf.
1998 wurde auf einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation und des International Programme on Chemical Safety aufgrund der vorliegenden toxikologischen und epidemiologischen Befunde eine maximal tolerierbare tägliche Dosis von 1–4 pg/kg für den Menschen vorgeschlagen. Dies ist noch 10x weniger als die vom toxikologischen Kenntnisstand von 1990 festgelegten, alten Werte.
Wirkungsweise
Die toxische Wirkung von Dioxinen beruht auf der Bindung an ein in Tieren und Menschen vorhandenes, weit verbreitetes Zellprotein, den Arylhydrocarbonrezeptor (AhR). Nachdem das Dioxin in Zellen eingedrungen ist, bindet es an diesen Rezeptor und verändert damit funktionale zelluläre Prozesse. Viele Tiere sind empfindlicher gegenüber Dioxinen als der Mensch. Die Stärke der Bindung, und damit auch die Toxizität der Substanz wird durch das jeweilige Dioxin (also die Anzahl und Stellung der Chloratome) vorrangig bestimmt (siehe Kapitel Toxizitätsäquivalente). Bei Mäusen beträgt die Dosis, bei der 50% der Tiere sterben (sogenannte LD50) etwa 100 µg/kg, beim Meerschweinchen nur 1 µg/kg. Für den Menschen ist die tödliche Grenzdosis nicht bekannt. Bei dem Chemieunfall im italienischen Seveso 1976 starben durch das ausgetretene 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (seitdem auch „Sevesodioxin“ genannt) „nur“ Vögel und Kleintiere. Bei etwa 190 Menschen wurde Chlorakne, eine schwere Form von chronischer Akne, festgestellt, die bei akuter Dioxinvergiftung auftreten kann. Die Belastungen mit Sevesodioxin betrugen bis zu 56 ppb.
Das giftigste Dioxin, das Tetrachlordibenzo-p-Dioxin, kann beim Menschen neben Chlorakne auch Verdauungs-, Nerven- und Enzymfunktionsstörungen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen hervorrufen.
Ob Dioxine beim Menschen Krebs auslösen können, ist nicht abschließend gesichert. Zwar gibt es hierfür Hinweise aus verschiedenen Studien mit exponierten Arbeitern, aber für eine statistisch abgesicherte Aussage sind die Fallzahlen der einzelnen Studien zu klein. Bei Ratten lösen einige Dioxine Krebs aus.
Toxizitätsäquivalente
Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDD/F) treten stets als Gemisch einzelner Kongenere (unterschiedlich viele Cl-Atome an unterschiedlichen Stellen) auf. Da die Giftigkeit der einzelnen Dioxine und Furane unterschiedlich ist, wurde zur besseren Abschätzung der Gefährlichkeit von „Dioxingemischen“ das System der Toxizitätsäquivalente (TEq) eingeführt. Dabei wird die Toxizität des 2,3,7,8-TCDD, die giftigste Verbindung unter den polychlorierten Dibenzodioxinen, willkürlich als 1 gesetzt. Die übrigen Kongenere erhalten, in Abhängigkeit ihrer Toxizität und in Abhängigkeit vom angewandten Berechnungsmodell (siehe unten) Toxizitätsäquivalentfaktoren von 0,001 bis 0,5. Ein Dioxin/Furan mit einem Toxizitätsäquivalent von 0,5 wird als halb so giftig angesehen wie das 2,3,7,8 TCDD.
Die Gesamt-TEq-Werte berechnen sich, indem man die einzelnen PCDD/F-Konzentrationen mit dem TEF multipliziert und die so erhaltenen Werte addiert. Hierbei werden eine Vielzahl unterschiedlicher Berechnungsmodelle angewandt, die gebräuchlichsten sind die Kalkulationen nach BGA/UBA (BGA-Teq, inzwischen veraltet), nach NATO/CCMS (I-TEq) oder nach WHO. Bei den internationalen Berechnungverfahren werden in der Regel zusätzlich die nicht nachweisbaren Kongenere mit dem Wert ihrer halben Nachweisgrenze berücksichtigt und der Gesamtwert als ITEq(½ NWG) angegeben. Neben diesen Konzentrationsangaben in TEq wird noch die Gesamtsumme aller nachgewiesenen vier- bis achtfach chlorierten Dioxine und Furane berechnet. Bei diesen Kalkulationen (Gesamt-TEq und Gesamtsummen) werden generell die ein- bis dreifach chlorierten Dioxine und Furane nicht berücksichtigt, da ihr toxikologischer Wirkungsmechanismus nicht mit dem der höher chlorierten Dioxine vergleichbar ist. In der Regel werden diese Verbindungen deshalb auch nicht analysiert.
Daten und Messprogramme
Das Umweltbundesamt (UBA) betreibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder.[10] Die Messprogramme werden in Kompartimente unterteilt, die sich in die folgenden Kategorien gliedern lassen: Boden, Luft, Biota, Wasser, Abfall, Lebensmittel und Humanproben. Es sind – somit möglich – kompartiment- und standortbezogen Aussagen über den aktuellen Belastungszustand von „Material“ mit Dioxinen und PCBs zu treffen.
Behandlung
Ein Fall einer schweren Dioxin-Vergiftung wurde im Jahr 2004 weltweit bekannt. Wiktor Juschtschenko, damals noch Oppositionspolitiker in der Ukraine, inzwischen deren Präsident, begab sich aufgrund akuter Dioxin-Vergiftung in eine Wiener Klinik. Juschtschenko wurde möglicherweise bei einem Essen Dioxin untergemischt, das er dann in Reinform schluckte. Die im Abschnitt Wirkungsweise beschriebene Chlorakne trat bei Juschtschenko auf.
Bei einer akuten Vergiftung ist keine Möglichkeit zur raschen Entgiftung bekannt. Wegen der Einlagerung im Fettgewebe des Körpers können sie selbst durch Blutwäsche nicht bzw. nur langsam ausgeschieden werden. Auch für die in der medizinischen Literatur vorgeschlagene Gabe von Paraffin-Öl und medizinischem Alkohol gibt es bislang keinen Erfolgsbeweis, jedoch lassen neuere Erkenntnisse sowie Vergleiche mit anderen Schadstoffen und Giften diesen Ansatz erfolgversprechend erscheinen. Eine erfolgreiche Therapie wäre demnach auch durch das Verabreichen eines bestimmten Fettes möglich, wie z. B. Olestra. Dieses Fett wird vom Darm nicht aufgenommen und ist in Kartoffelchips enthalten. Es löst das Gift aus dem Darm und schlägt noch Monate nach der Vergiftung an.
Quellen
- ↑ Ballschmiter: Transport und Verbleib organischer Verbindungen im globalen Rahmen. Angewandte Chemie 104(5), S. 501–528 (1992), ISSN 0044-8249
- ↑ a b Barbara Brune, Heidelore Fiedler: Chlororganische Verbindungen in Muttermilch – Neue Methoden und Regularien. Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung 8(1), S. 37–42 (1996), ISSN 0934-3504
- ↑ W. Sandermann, H. Stockmann, R. Casten (1957): Über die Pyrolyse des Pentachlorphenols. Chemische Berichte, 90(5), Seiten 690–692
- ↑ J. M. Friedmann: Does Agent Orange cause birth defects?. Teratology 29(2), S. 193–221 (1984)
- ↑ J. David Erickson, Joseph Mulinar: Agent Orange and risks to reproduction. The limits of epidemiology. Teratogenesis, Carcinogenesis, and Mutagenesis 7(2), S. 197–200 (1987)
- ↑ Boy Cornils: Zwischenfall in Seveso. Angewandte Chemie, 117(12), S. 1785–1786 (2005), ISSN 0044-8249
- ↑ Römpp Chemie Lexikon, 5. Auflage, 1982
- ↑ Ekkehard Schuller, Harald Heinz, Helmut Stoffers: PCDD/PCDF-Kontaminationen aus Kieselrot von Sport- und Spielanlagen. Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung 7(1), S. 9–14 (1995), ISSN 0934-3504
- ↑ DIOXIN – International Symposium on Halogenated Persistent Organic Pollutants (2006, 2007)
- ↑ Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder
Literatur
- André Bouny: Spraying of Agent orange by US Army in Vietnam and its consequences
- Otto Hutzinger, Margot Fink, Heinz Thoma: PCDD und PCDF: Gefahr für Mensch und Umwelt? Chemie in unserer Zeit 20(5), S. 165–170 (1986), ISSN 0009-2851
- Dieter Lenoir, Heinrich Sandermann Jr.: Entstehung und Wirkung von Dioxinen. Biologie in unserer Zeit 23(6), S. 363–369 (1993), ISSN 0045-205X
- Dieter Lenoir, Stefan Leichsenring: Konzepte und Methoden des Umweltschutzes: das Beispiel Dioxine. Chemie in unserer Zeit 30(4), S. 182–191 (1996), ISSN 0009-2851
- Heinz Köser: Dioxine – Eine Aufgabe für die Umwelttechnik. Chemie Ingenieur Technik 70(12), S. 1517–1525 (1998), ISSN 0009-286X
- Heidelore Fiedler: Existierende Dioxininventare weltweit und neue Methodik zur Erstellung von vergleichbaren und vollständigen Emissionsinventaren. Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung 13(2), S. 88–94 (2001), ISSN 0934-3504
- Karl-Heinz van Pée: Bakterieller Dioxinabbau – Dehalogenierung polyhalogenierter Dioxine. Angewandte Chemie 115(32), S. 3846–3848 (2003), ISSN 0044-8249