Max Reinhardt (* 9. September 1873 in Baden, Niederösterreich; † 31. Oktober 1943 in New York; eigentlich Maximilian Goldmann) war ein österreichischer Theaterregisseur und Intendant.


Leben
Von 1902 bis zum Beginn der Naziherrschaft 1933 arbeitete Max Reinhardt als Regisseur an verschiedenen Berliner Bühnen. Von 1905 bis 1930 leitete er das Deutsche Theater in Berlin. Durch kraftvolle Inszenierungen und ein gezieltes Zusammenwirken von Bühnenbild, Sprache, Musik und Tanz schuf Reinhardt eine neue Dimension des deutschen Theaters. Von 1923 bis 1933 - und damit teilweise gleichzeitig mit dem Deutschen Theater - leitete Reinhardt das Theater in der Josefstadt in Wien.
1920 begründete er zusammen mit Leopold von Adrian und Hugo von Hofmannsthal die Salzburger Festspiele. Seine letzte Regie für die Festspiele führte Reinhardt 1937 bei Faust von Johann Wolfgang Goethe, wofür ihm Clemens Holzmeister in der Felsenreitschule die berühmte Faust-Stadt erbaute. Im Jahr 1918 erwarb Max Reinhardt das Rokoko-Schloss Leopoldskron für 250.000 Reichsmark sowie den nahe gelegenen Meierhof und machte Leopoldskron als eine "Bühne für Kunst und Leben" zu einem internationalen Treffpunkt der Eliten aus Kultur, Wirtschaft und Politik. Seit 1947 gehört Schloss Leopoldskron dem internationalen „Salzburg Seminar“.
Nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland verlagerte er seine Arbeit nach Österreich und in die USA, wo er mit einer Verfilmung von Shakespeares Ein Sommernachtstraum (1935) großen Erfolg hatte. Er war in erster Ehe mit der Schauspielerin Else Heims, mit der er zwei Söhne Gottfried und Wolfgang hat, verheiratet und in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Helene Thimig aus der berühmten Wiener Schauspielerdynastie. Ihr Vater Hugo Thimig war Schauspieler und zeitweise Direktor des Wiener Burgtheaters. Auch ihre Brüder Hermann Thimig und Hans Thimig (1900-1991) arbeiteten ihr Leben lang als Schauspieler und Regisseure.
Max Reinhardt gründete 1905 die Schauspielschule Berlin, außerdem wurde auf seine Ideen hin 1929 das Wiener Max-Reinhardt-Seminar gegründet.
Nach ihm wurde das Max-Reinhardt-Gymnasium in Berlin-Hellersdorf benannt. Es existiert seit 1990 und ist ein nicht spezialisiertes Gymnasium. Das Max-Reinhardt-Gymnasium besuchen rund 1300 Schüler. Es wird voraussichtlich 2011 mit dem Leonhard-Bernstein-Gymnasium in Berlin-Hellersdorf fusionieren. Welchen Namen die neue Schule erhält ist bisher unbekannt.
Reinhardt am Theater in der Josefstadt
Das aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert stammende Theater wurde von 1923 bis 1924 einem von Reinhardt angeregten Umbau im Stil des Teatro La Fenice in Venedig unterzogen. Das von Reinhardt geführte glanzvolle Ensemble erwarb sich rasch internationale Berühmtheit, viele der Darsteller vermochten eine erfolgreiche Filmkarriere aufzubauen. Zu den Schauspielern des Theaters in der Josefstadt in der Reinhardt-Zeit bzw. dessen Inszenierungen gehörten nicht zuletzt einige Künstler, die nach 1933 in Deutschland nicht mehr auftreten durften oder wollten und nach Wien auswichen, was nicht zuletzt auch für Reinhardt selbst galt. Viele mussten 1938 – nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland – flüchten. Ähnliches zeigte sich bei den von Reinhardt und seinen zwei Mitarbeitern bzw. Nachfolgern Otto Preminger und Ernst Lothar gespielten Autoren, zu denen viele Namen gehörten, die in Deutschland nicht mehr aufgeführt werden durften. Zum Ensemble zählten u.a. Hans Albers, Albert Bassermann, Else Bassermann, Herbert Berghof, Theodor Danegger, Vilma Degischer, Ernst Deutsch, Wilhelm Dieterle, Tilla Durieux, Lucie Englisch, O. W. Fischer, Egon Friedell, Rudolf Forster, Adrienne Gessner, Käthe Gold, Marte Harell, Paul Hartmann, Maria Holst, Oscar Homolka, Attila Hörbiger, Gusti Huber, Hans Jaray, Oscar Karlweis, Fritz Kortner, Hilde Krahl, Fred Liewehr, Peter Lorre, Christl Mardayn, Alexander Moissi, Hans Moser, Erich Nikowitz, Hans Olden, Max Paulsen, Otto Preminger, Luise Rainer, Hortense Raky, Richard Romanowsky, Annie Rosar, Marianne Schönauer, Oskar Sima, Camilla Spira, Hans Thimig, Johanna Terwin-Moissi, Helene Thimig, Hermann Thimig, Hugo Thimig, Jane Tilden, Gustav Waldau, Gisela Werbezirk, Paula Wessely, Lina Woiwode. Werner Krauß gehörte 1924 zu den Mitbegründern des Josefstadt-Ensembles, trat an diesem Theater jedoch nie auf.
Am 1. April 1924 wurde zur Wiedereröffnung Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni in Reinhardts Regie aufgeführt. Bereits am 9. April folgte die nächste Reinhardt-Inszenierung: Kabale und Liebe von Friedrich Schiller (Bühnenbild und Kostüme Alfred Roller). Am 16. April schließlich wurde Reinhardts Neuinszenierung von Hugo von Hofmannsthals Der Schwierige (Bühnenbild Oskar Strnad) gezeigt.
Weitere Regiearbeiten während seiner Zeit als Direktor:
- Dame Kobold von Calderon de la Barca (3. Mai 1924)
- Der Kaufmann von Venedig von William Shakespeare (26. Mai 1924)
- Schöne Frauen von Rey (14. Oktober 1924)
- Ein Sommernachtstraum von Shakespeare (4. Februar 1925)
- König Lear von Shakespeare (13. März 1925)
- Gesellschaft von John Galsworthy (8. April 1925)
- Juarez und Maximilian von Franz Werfel (26. Mai 1925)
- Riviera von Franz Molnár (23. Dezember 1925)
- Die Gefangene von Bourdet (21. Mai 1926)
- Dorothea Angermann von Gerhart Hauptmann, Uraufführung (20. November 1926)
- Viktoria von William Somerset Maugham (27. November 1926)
- Der gute Kamerad von Tristan Bernard (11. Mai 1927)
- Peripherie von František Langer (1. Juni 1927)
- Der lebende Leichnam von Leo Tolstoi (31. Oktober 1928)
- Artisten von Watters-Hopkins (28. November 1928)
- Der Kaiser von Amerika von George Bernard Shaw (11. Januar 1930)
- Das schwache Geschlecht von Bourdet (8. Mai 1931)
- Was ihr wollt von Shakespeare (11. November 1931)
- Mademoiselle von Jacques Deval (10. Juni 1932).
Nach dem Ende seiner Amtszeit inszenierte er unter seinem von 1933 bis 1935 amtierenden Nachfolger Otto Preminger:
- Faust I von Johann Wolfgang Goethe (4. September 1933)
- Die geliebte Stimme von Jean Cocteau zusammen mit Wir wollen träumen von Sacha Guitry (21. Februar 1934)
- Sechs Personen suchen einen Autor von Luigi Pirandello (6. März 1934)
- Maria Stuart von Schiller (22. März 1934)
In der Direktionszeit von Ernst Lothar (1935-1938) führte Reinhardt noch einmal Regie: In einer Nacht von Werfel (5. Oktober 1937). Dies war Reinhardts letzte Arbeit in Europa.
Max Reinhardt und der Film
Weitaus stärker als die meisten Theaterleute seiner Zeit war Max Reinhardt auch am Filmmedium interessiert. Er hat als Regisseur und gelegentlich auch als Produzent eigene Filme gedreht. Seine erste Inszenierung für den Film war Sumurûn (1910). Danach gründete er in Wien eine eigene Filmfirma und ließ die Literaturverfilmung Das Mirakel (1912) produzieren. Zugleich ließ er sich auch die alleinigen Rechte für die Verfilmung dieses Werkes in vielen Ländern der Welt sichern, kam aber dennoch nicht um einen Rechtsstreit herum, als noch im selben Jahr eine Berliner Produktionsfirma das Buch unter gleichem Namen verfilmte.
1913 schloss Reinhardt mit der Berliner Projektions-AG "Union" (PAGU) einen Vertrag ab, für 600.000 Mark in den folgenden Jahren mehrere Filme herzustellen. Heraus kamen jedoch lediglich zwei in Italien produzierte Stummfilme: „Die Insel der Seligen“ und „Eine venezianische Nacht“. In beiden Filmen verlangte Max Reinhardt seinem Kameramann Karl Freund einiges ab, da er auf Spezialaufnahmen wie etwa von der Lagune im Mondlicht verlangte.
Die Insel der Seligen wurde von der Kritik vor allem dahingehend gelobt, da Reinhardt „größeres Gewicht auf die Deutlichkeit des Ausdruckes und die Belebung des Mienenspiels legte“[1]. Der durch erotischen Spielstil auffallende Film spielte zum einen Teil in der Antike, wo Meergötter, Nymphen und Faune vorkamen, und die Schauspieler nackt in Erscheinung traten, und zum anderen Teil in der Gegenwart, den strengen Sitten angepasst. Die vorwiegend Berliner Schauspieler mussten teilweise zwei Rollen einnehmen - eine in der Vergangenheit und eine in der Gegenwart. So spielten Wilhelm Diegelmann und Willy Prager sowohl die spießigen Väter als auch die Meergötter, und Ernst Matray einen Junggesellen und einen Faun. Leopoldine Konstantin mimte die Circe.
Weite Teile des Films hätten jedoch der Filmzensur zum Opfer fallen sollen. Hierbei handelte es sich neben Nacktszenen auch um „die ersten von Meisterhand gedrehten Sexszenen“[2], die im Zensurbericht wie folgt umschrieben wurden: „Im II. Akt ‚Menschen in Sicht‘ haben die Szenen der nackten Najaden bis zu dem Augenblicke entfernt zu werden, wo sich dieselben umwenden und in Wasser springen. Ferner mit Ausschluß der Szene, wo der Faun von Amors Pfeil gestochen wird und konvulsische Zuckungen macht, wo er das Mädchen betastet und fortträgt, weiters müssen die Szenen entfernt werden, wo das Mädchen am Boden liegt und vom Faun gestreichelt wird, wo sie der Meergott dem Faun entreißen will, so daß die Szene erst wieder einsetzt, wo der Jüngling das Mädchen rettet. Im III. Akt aus der Szene Philister auf der Insel der Seligen, wo Circe mit den beiden Alten auf der Bank sitzt, muß alles entfernt werden von dem Augenblicke, wo ihre Dienerin den Zaubertrank bringt. Weiters muß die Liebesszene zwischen Circe und den beiden Junggesellen wegbleiben. Nur beim Wegbleiben aller hier aufgezählten Szenen darf der Film zur Vorführung gelangen.“ (aus Der Kinobesitzer Nr. 37, dem offiziellen Organ des Reichsverbandes der Kinobesitzer in Österreich). Tatsächlich aber wurde nicht so geschnitten, wie vorgeschrieben.
In „Eine venezianische Nacht“ (1914) spielten ebenfalls Schauspieler vom Deutschen Theater. Maria Carmi spielte die Braut, Alfred Abel den jungen Fremden, und Ernst Matray erhielt von Max Reinhardt dieses Mal die Rollen von Anselmus und Pipistrello. Die Dreharbeiten, die am Bahnhof von Venedig begannen, fielen vor allem dadurch auf, dass die anwesenden Venezianer von einem alten Fanatiker gegen die deutschsprachigen Filmschaffenden aufgehetzt wurden, die sich in der Folge auf den Filmapparat stürzten und die Aufnahmen blockierten. Als die Polizei eintraf, wurden jedoch nicht die Unruhestifter, sondern die Filmschaffenden festgenommen. Erst auf Intervention eines deutschen Konsuls konnten die Dreharbeiten unter Anwesenheit von Polizei fortgesetzt und fertig gestellt werden.
1935 inszenierte er seinen ersten Film in den USA, A Midsummer Night's Dream, mit William Dieterle. Aber auch seine Theaterarbeit empfing vom Film starke Anregungen. Da er die Stilisierungskonzeption seines Theaters allzu mechanisch auf den Film übertrug und die eigenen Ausdrucksmittel des Films nicht schöpferisch zu verwerten verstand, fanden seine Filme bei Kritik und Publikum jedoch nur kühle Aufnahme.
Im Gegensatz zu vielen anderen Bühnenregisseuren, die das "Kintopp" für niedere Unterhaltung hielten, ermutigte Max Reinhardt seine Darsteller, für den Film zu arbeiten. Die Zahl der Schauspieler die an den von ihm gegründeten Ausbildungsstätten Schauspielschule Berlin und Max-Reinhardt-Seminar absolvierten und dann Karriere beim Film gemacht haben, ist erheblich. Zu erwähnen sind auch die Schauspieler, die zum Ensemble des von Max Reinhardt gegründeten Berliner Kabaretts Schall und Rauch gehörten, wie Trude Hesterberg und Rosa Valetti.
Da Max Reinhardt ab 1933 im nationalsozialistischen Deutschland nicht mehr erwünscht war, begann er in der boomenden Filmstadt Hollywood zu arbeiten. Dort produzierte er 1935 seinen einzigen Tonfilm, A Midsummer Night's Dream. 1937 zog er endgültig in die Vereinigten Staaten.
Literatur
- Adler, Gusti: Aber bitte vergessen sie nicht die chinesischen Nachtigallen. Erinnerungen an Max Reinhardt, München 1983
- Braulich, Heinrich: Max Reinhardt.
- Carter, Huntley: The Theatre of Max Reinhardt, New York 1914.
- Fiedler, Leonhard M. : Max Reinhardt. Reinbek bei Hamburg 1987.
- Funke, Christoph: Max Reinhardt, Berlin 1996.
- Höper, Susanne: Max Reinhardt. Bauten und Projekte: ein Beitrag zur Architektur- und Theatergeschichte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, Diss. Oder Mag., 1994.
- Hofinger, Johannes: Die Akte Leopoldskron. Max Reinhardt - Das Schloss - Arisierung und Restitution. Salzburg 2005.
- Hostetter, Anthony: Max Reinhardts großes Schauspielhaus: ist artistic goals, plannings and operation, 1910-1933, Mellen (Lewiston) 2003.
- Huesmann, Heinrich: Welttheater Reinhardt: Bauten, Spielstätten, Inszenierungen. Mit einem Beitrag „Max Reinhardts amerikanische Spielpläne“ von L.M. Fiedler, München 1983.
- Jacobsohn, Siegfried: Max Reinhardt, Berlin: Erich Reiß 1910.
- Jacobsohn, Siegfried: Max Reinhardt, 4. und 5. völlig veränderte Auflage, Berlin: Erich Reiß 1921.
- Prossnitz, Gisela [Hrsg.]: Max Reinhardt : die Träume des Magiers ; Begleitbuch zur Ausstellung, Salzburg 1993.
- Sprengel, Peter [Hrsg.]: Schall und Rauch : Erlaubtes und Verbotenes ; Spieltexte des ersten Max-Reinhardt-Kabaretts (Berlin 1901/02) / hrsg. von Peter Sprengel. - Berlin 1991.
- Styan, J. L.: Max Reinhardt, Cambridge 1982.
Zitatquellen
Weblinks
- Vorlage:PND
- LEMO-Biografie
- Vorlage:Aeiou
- Max-Reinhardt-Gymnasium Berlin
- Zum 125. Geburtstag von Max Reinhardt
Personendaten | |
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NAME | Reinhardt, Max |
ALTERNATIVNAMEN | Goldmann, Max |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Theaterregisseur |
GEBURTSDATUM | 9. September 1873 |
GEBURTSORT | Baden bei Wien |
STERBEDATUM | 31. Oktober 1943 |
STERBEORT | New York |