Joe Hill

US-amerikanischer Wanderarbeiter (Hobo), Arbeiterführer, Gewerkschaftsaktivist, Sänger und Liedermacher
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Joe Hill (* 7. Oktober 1879 in Gävle in Schweden als Joel Emmanuel Hägglund; † 19. November 1915 in Salt Lake City hingerichtet), auch bekannt unter dem Namen Joseph Hillström, war ein us-amerikanischer Wanderarbeiter (Hobo), Arbeiterführer, Gewerkschaftsaktivist, Sänger und Liedermacher. Er spielte Banjo, Gitarre, Klavier und Akkordeon. Aus seiner Feder stammen zahlreiche populäre englisch-sprachige Folksongs, die u.a. im Little red Songbook der IWW veröffentlicht sind. Seine Liedtexte unterscheiden sich durch Humor und Ironie von der gängigen Agitationslyrik der Zeit. Nach seiner Exekution wurde er zur Legende und seinerseits zum Gegenstand zahlreicher Songs.

Joe Hill

Leben

Als Jugendlicher lernte der gebürtige Schwede Joe Hill Englisch auf Segel- und Frachtschiffen, auf denen er auf der Strecke Stockholm - Hull arbeitete. Im Jahre 1902 wanderte er nach Amerika aus. Nachdem er in New York in Kneipen niedrige Arbeiten verrichtet hatte, zog er immer weiter gen Westen.

In Chicago arbeitete er in einer Maschinenfabrik und er verdingte sich als Erntearbeiter. 1906 erlebte er das Erdbeben in San Francisco, über das er einen Bericht in einer schwedischen Tageszeitung veröffentlichte. In San Francisco wurde Hill 1910 Mitglied der IWW, der Industrial Workers of the World.


Taten

1911 nahm er in Baja an der Mexikanischen Revolution teil. Bei der Southern-Pacific-Gesellschaft half er seinen ersten Streik mit zu organisieren und entdeckte sein Rednertalent und die Fähigkeit rebellische Worte in Melodien zu kleiden. 1912 tauchte er in Britisch Columbia auf, wo der Lieder für die streikenden Bahnarbeiter der Canadian Northern Railway schrieb. Schließlich kam Joe Hill nach Bingham im Mormonenstaat Utah. Hier organisierte er die Arbeiter der Baugesellschaft von Utah in einer größeren Einheitsgewerkschaft und verhalf ihnen damit zu einer neuen Lohnskala, zu kürzeren Arbeitszeiten und zu besserem Essen.

Tod

Durch unglückliche Umstände und, wie sich im Nachhinein ergab, auch durch schlampige Ermittlungsverfahren wurde Joe Hill in Salt Lake City des Mordes am 10. Januar 1914 an dem Lebensmittelhändler John Morisson und dessem Sohn Arling angeklagt und trotz mangelhafter Beweise verurteilt.

Der Fall wuchs zu einem der größten Justizskandale der USA aus. Vor Gericht wurde wichtiges Beweismaterial zurück gehalten, stattdessen aber der Brief eines kalifornischen Polizeichefs verlesen, der Hill einst wiederrechtlich verhaftet hatte, weil er Hafenarbeiter für die IWW anzuwerben versuchte:

"Mir gelagte zur Kenntnis, dass Sie einen Hoseph Hillstrom wegen Mordes verhaftet haben. Sie haben den richtigen Mann. Er ist gewiß ein unerwünschter Bürger. er ist so etwas wie ein Musiker und ein Songschreiber für das IWW-Lieberbuch."

Sowohl der schwedische Konsul als auch Präsident Woodrow Wilson versuchten, ein Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu setzen. Die IWW startete eine vehemente Kampagne. Doch der oberste Gerichtshof von Utah bestätigte den Schuldspruch.

Während dieser Zeit dichtete Joe Hill im Gefängnis und seine Lieder wurden überregional bekannt. Freunde legten Hill nahe, eine Gnadengesuch einzureichen, dem mit hoher Wahrscheinlichkeit stattgegeben worden wäre. Hill antwortete: "Nicht Gnade will ich, sondern Gerechtigkeit. Und wird mir diese nicht zuteil, gehe ich lieber unter, als dass ich um Gnade bitte."

Testament

Am Tag vor seiner Hinrichtung schreib Joe Hill sein Testament, das Augstin Souchy ins Deutsche übersetzt hat:

Mein Testament soll bescheiden und demütig sein,
Denn gar nichts auf Erden, ihr Freunde, ist mein.
Vergebens, ihr Lieben, ist all euer Klagen,
Bäume im Hagel, wie könnten sie Früchte tragen?
Mein Leib? Ich darf meinen Wunsch euch bekennen!
Laßt zu Asche , den morschen, verbrennen!
Laßt Stürme und Winde durch Länder sie blasen,
Laßt Ruhe sie finden auf blumigen Rasen!
Vielleicht wird einst die sterbende Blume
Noch irgendwann aufblüh´n, der Blüte zum Ruhme,
Zum Schluss: Glück auf! Dem, der es so will;
Mein letzter Wille ist´s - euer Joe Hill.

Seine letzten Worte, bevor er am 19. November 1915 im Gefängnishof von Salt Lake City an der Mauer von mehreren Gewehrschüssen tödlich getroffen wurde, waren: "Trauert nicht, organisiert!" ("Don´t mourn - organize!"). Er selbst soll - der Legende nach - das Kommando zum Feuern gegeben haben.

Sterbliche Überreste

Joe Hills Leichnam wurde nach Chicago gesandt, wo er - seinem letzten Willen entsprechend - eingeäschert wurde. Ein Teil der Asche wurde von der IWW Zentrale in Briefe verteilt und an sämtliche IWW-Ortsgruppen verschickt.An vielen Orten fanden große Begräbnis-Demonstrationen statt. 1988 tauchte einer dieser Briefumschläge auf, der von der US Post wegen seines „subersiven Potentials“ 1917 kassiert worden war. Er enthielt neben besagter Asche ein Foto mit der Inschrift: „Joe Hill ermordet von der Kapitalistenklasse, Nov. 19, 1915." Der Brief lagert nun im National Archiv der USA.

Ebenfalls im Jahre 1988 wurde der Rest von Joe Hills Asche der IWW ausgehändigt. Ein Teil wurde in den USA, Canada, Schweden, Australien und Nicaragua in die Winde verstreut. Carlos Cortez, ebenfalls ein bekannter Wobbly, verstreute 1989 einen weiteren Teil bei einer Gedenkfeier, als ein Monument für jene sechs streikenden IWW-Bergarbeiter enthüllt wurde, die in Lafayette (Colorado/USA) von der Landespolizei mit Maschinengewehren getötet worden waren. Die Arbeiter waren unbewaffnet gewesen, ihre Gräber bis dato anonym geblieben. Der Großteil der Asche wurde in die Wand eines Gewerkschaftsgebäudes in Landskrona (Süd-Schweden) eingelassen. Eine Plakette erinnert dort an Joe Hill.

Nachwirkungen

1925 dichtete Alfred Hayes einen Text mit dem Titel I Dreamed I Saw Joe Hill Last Night, der später einfach unter "Joe Hill" bekannt wurde. Hayes' Zeilen wurden 1936 von Earl Robinson vertont. Hierzulande wurde das Lied über Joe Hill hauptsächlich durch Pete Seeger und Joan Baez, die den Song auf dem Woodstock-Festival vortrug, bekannt, aber auch durch die Interpretation von Paul Robeson. Die irischen Dubliners nahmen ebenfalls eine Version auf. In dem Lied taucht ein 10 Jahre toter, dennoch lebendiger Joe Hill, überall dort auf, wo sich Arbeiter organisieren und ihre Rechte verteidigen. "Es braucht mehr als Waffen, um einen Menschen zu töten." Die erste Strophe lautet:

I dreamed I saw Joe Hill last night,
Alive as you and me.
Says I "But Joe, you're ten years dead"
"I never died" said he,
"I never died" said he.

Das Lied ist als Gewerkschaftshymne, ebenso wie die bekannteren Lieder "Sixteen Tons" (1946, Merle Travis) und "This Land is Your Land" (1940/52, Woody Guthrie) mittlerweile weltweit bekannt. Joe Hill machte es endgültig zur Ikone der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung.

Leben und Tod Joe Hills wurden auch unter dem schwedischen Regisseur Bo Widerberg 1971 in einer schwedisch/US-amerikanischen Koproduktion mit dem Titel Joe Hill (auch: Die Ballade von Joe Hill) verfilmt.

Der Text von Alfred Hayes wurde auch von der englischen Band Chumbawamba in ihr Lied "By and By", das Joe Hill gewidmet ist, einbezogen:


Don't waste the days when I'm dead and I'm gone
Wind up the clocks, ring around, carry on
Don't gather flowers, dry your eyes, call your friends
For all I sang was a start, not an end.
Catch your breath, feel the life in your bones
Enjoy what's to come, not the things that we've done.
Save all your prayers, take the pain and the hurt
Add your chorus to my verse
By and by, by and by
Forget that glorious land above the sky
Don't you cry, don't you cry
By and by
I dreamed I saw Joe Hill last night
Alive as you and me
Says I, "But Joe, you're ten years dead"
"I never died," said he.
By and by, by and by
Forget that glorious land above the sky
Don't you cry, don't you cry
By and by

Texte

Joe Hills vielleicht populärstes Gedicht (das von Chumbawumba in obigem Text zitiert wurde) trug den Titel "The Preacher and the Slave". Es ist eine Parodie auf das (damals) bekannte Kirchenlied "In The Sweet by and by" und macht sich über religiöse Wohltäter und falsche Propheten lustig:

Long-haired preachers come out every night,
Try to tell you what´s wrong and what´s right;
But when asked about something to eat,
They will answer in voices so sweet:
You will eat, bye and bye,
In that glorious land in the sky;
Work and pray, live on hay
You´ll get pie in the sky when you die.

(Deutsch, wörtlich: Langhaarige Prediger kommen jede Nacht hervor, / Versuchen, dir zu erzählen, was falsch und was richtig ist; / Aber wenn man sie um etwas zu essen bittet, / Antworten sie mit Stimmen, die so süß sind: / Bald wirst Du essen / in jenem glorreichen Land im Himmel; / Arbeite und bete, lebe von Heu, / Kuchen bekommst Du im Himmel, wenn Du stirbst.)

Den folgende Text schrieb Joe Hill über die ungerechtfertigte Verurteilung eines Kettensträflings:

Ich lief hinab zum Fluss, im Grase schlief ich ein
Als ich erwachte war die Kette an meinem Bein.
Einundzwanzig Glieder hat die Kette an meinem Bein
In jedes grub ich meinen Namen ein.
O Richter, o Richter, wie bestrafst du mich ?
"Zum Streckenbau für 20 Jahre schick ich dich."
Ein Zug fuhr vorbei, der hatte 16 Wagen,
er hat die, die ich liebte von mir fort getragen.

Literatur

  • Wo immer ich bin, ist nirgendwo: Hobos und Tramps in Amerika von Michael Schulte, Oesch Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-0350-2012-4
  • The Case of Joe Hill von Philip S. Foner, 1965
  • Guerilla Minstrels: John Lennon, Woody Guthrie, Joe Hill and Bob Dylan von Wayne Hampton, 1986
  • Joe Hill von Gibbs M. Smith, 1969
  • The Man Who Never Died von Barrie Stavis, 1954
  • Joe Hill: A Biographical Novel von Wallace Stegner, 1969