Der Manchesterliberalismus bzw. das Manchestertum ist eine politische Strömung und eine Freihandelsbewegung aus dem 19. Jahrhundert, die in Großbritannien, v. a. in der Stadt Manchester (damaliges Zentrum der textilverarbeitenden Industrie), ihren Ausgang fand. Das theoretische Fundament der Manchesterliberalen bildeten die Schriften David Humes, Adam Smiths und John Stuart Mills.

Die Säulen des Manchesterliberalismus
Eine Säule ist der Freihandel. Aber die manchesterliberale Bewegung war nicht nur eine wirtschaftsliberale Sache, wie ihr unterstellt wird, sondern die Manchesterliberalen waren auch überzeugte Antimilitaristen, Antikolonialisten, Kosmopoliten, radikale Demokraten, sie waren gegen Sklaverei und sie waren die Ersten, die sich für unveräußerliche Menschenrechte eingesetzt haben. Die Manchesterliberalen waren oftmals sehr moralisch (entgegen den Vorurteilen) in ihrem Handeln; so hat Richard Cobden viel seines Vermögen dafür eingesetzt, dass große Teile der englischen Bevölkerung nicht verhungerten; der Sezessionskrieg in den USA und Handelsbeschränkungen haben die Bevölkerung in diese Lage gebracht. Der Freihandel ist für Manchesterliberale kein Selbstzweck. Die Manchesterliberalen gehen davon aus, dass der freie Handel die Nationen eint und dass er den Herrschern es unmöglich macht, ihre Völker gegeneinander aufzuhetzen. Die Manchesterliberalen setzten sich auch für die Schulbildung für alle und Chancengleichheit ein; Richard Cobden kam selbst aus armen Verhältnissen. Die Manchesterliberalen hatten sich auch die Abschaffung der Kinderarbeit auf die Agenda gesetzt.
Die Corn Laws
Schon Adam Smith (18. Jahrhundert) hatte davor gewarnt, welches Elend Handelsbeschränkungen gerader solcher Grundgüter wie Getreide haben können. Das hielt die britische Regierung nicht davon ab, 1815 die Getreideeinfuhr mit einem hohen Zoll zu belegen und den Getreidepreis künstlich hochzuhalten. Die hohen Zölle führten dann tatsächlich zu einer großen Hungersnot in England; im Winter 1847 beklagte man in England 250000 Hungertote. Die Manchesterliberalen um Richard Cobden und John Bright gründeten die „Anti-Corn-Laws-League“. Im Mai 1846 schaffte das Parlament auf Bedrängen der Manchesterliberalen und bei Unterstützung der Bevölkerung die Corn Laws ab; das war der erste große Erfolg der Manchesterliberalen. Bis 1866 dominierte der Manchesterliberalismus Europa; gerade in England führte der Manchesterliberalismus und der Freihandel zu viel Wohlstand, denn mit dem Fall der Corn Laws, fielen auch andere Handelsrestriktionen, denn bald jeder erkannte, wie hemmend Handelbeschränkungen und „Schutzzölle“ waren.
Vorurteile gegenüber dem Manchesterliberalismus
Heute existieren eine Reihe Vorurteile und Pauschalisierungen gegen den Manchesterliberalismus. So gelten die Manchesterliberalen heute als Vertreter eines „Raubtierkapitalismus“, der jegliche Moral verkommen ließe und damit gesellschaftliche Normen zerstöre. Diese Vorurteile kamen von links wie rechts, z. T. antisemitisch motiviert, mit dem Ziel, Liberalismus, Marktwirtschaft und Demokratie zu diskreditieren. Bis heute dominiert dieses Zerrbild vom Manchesterliberalismus. Bei Manchesterliberalismus und Manchestertum denken die meisten an Bildern von ausgehungerten Kindern, die in Fabriken arbeiten, viele denken auch an die Geschichten des Charles Dickens. Dabei waren es doch gerade die Manchesterliberalen, die die Kinderarbeit abschaffen wollten.
Antisemitismus und Manchesterliberalismus
Der Manchesterliberalismus war im Deutschland des 19. Jahrhunderts verhasst und auch heute noch zeugen Äußerungen prominenter Personen von Ressentiments, basierend auf Unkenntnis. Gegner des Manchestertums machten sich daran, antisemitische Ressentiments zu Nutze zu machen, um Protektionismus politisch durchzusetzen.
Der Feldzug gegen den Liberalismus begann 1874/75. Die wirtschaftliche Krise dieser Jahre wurde in Zusammenhang mit dem "jüdischen Kapitalismus", dem "jüdischen Manchestertum", gebracht. Solche Thesen wurden von den antiliberalen Kräften bereits seit 1848 vertreten, jedoch erst mit der wirtschaftlichen Krise wurden derartige Positionen salonfähig. Das lag nicht zuletzt an dem zunehmenden Fortschritt und der zunehmenden Industrialisierung, die den Liberalismusgegnern neue Sympathisanten zuführte, z. B. Handwerker, die sich durch eine liberale Wirtschaftsordnung (ohne Zunftwesen, ohne Meisterzwang) und von jüdischen Handwerkern bedroht fühlten, obwohl nur wenig Juden den Weg in das Handwerk fanden.
Unterschiede zu den Libertären
Oftmals wird nicht genau zwischen den Libertären und den Manchesterliberalen differenziert. Die Libertären (Synonom: Anarchokapitalisten) wollen den Staat gänzlich abschaffen, während die Manchesterliberalen den Staat auf wenige Aufgaben beschränken wollen, z. B. Justiz, innere Sicherheit, äußere Sicherheit, Herstellung von Chancengleichheit durch ein entsprechendes Bildungssystem.
Bekannte Vertreter
Zitate
- „Wenn Waren nicht die Grenze passieren dürfen, dann werden es Soldaten tun.“ (Frédéric Bastiat)
- "Der Staat ist die große Fiktion, nach der sich jedermann bemüht, auf Kosten jedermanns zu leben." (Frédéric Bastiat)
Literatur
- Carl Brinkmann: Richard Cobden und Manchestertum, Berlin 1924
- Richard Cobden: Speeches on Questions of Public Policy by Richard Cobden, M. P., 2 *Bände, hrsg. v. John Bright, J. E. Thorold Rogers, London 1870
- Detmar Doring: Eine Lanze für den Manchester-Liberalismus; in: liberal, Heft 3, August (Aug. 2004)