Methamphetamin

organische Verbindung, Medikament und Droge
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PubChem-Nr.
1206
Strukturformel von Amphetamin
Pharmakologische Charakterisierung
Rauschdroge Stimulans (Psychotonikum)
Rechtsstatus
DE BtMG Anlage 2
Geschichte
Erstsynthese 1919 Ogata
Markteinführung 1938 Pervitin® (Deutschland)
1939 Methedrine® (UK)
1942 Desoxyn® (USA)
Chemische Bezeichnungen und Handelsnamen
(S)-N-Methyl-1-phenyl-
propan-2-amin,
N-Methylamphetamin (MA),
Desoxyephedrin
Pervitin® (Temmler)
Methedrine® (Wellcome)
Desoxyn® (Abbott)

N-Methylamphetamin, meistens Methamphetamin genannt (ugs. abgekürzt Meth), ist ein synthetisches Stimulans auf Amphetaminbasis.

Allgemeines

Methylamphetamin wurde erstmals 1919 in Japan synthetisiert von Akira Ogata[1][2] im Zuge der Strukturaufklärung von Ephedrin und 1920 patentiert. In Deutschland wurde Methylamphetamin 1938 unter dem Markennamen Pervitin® von den Temmler-Werken auf den Markt gebracht. Während des 2. Weltkriegs wurde es als Wachhaltemittel innerhalb der Deutschen Wehrmacht zur Leistungssteigerung eingesetzt.

Pharmakologie

Pharmakokinetik

Verglichen mit Amphetamin ist N-Methylamphetamin lipophiler und gelangt daher rascher ins Gehirn – ein Umstand der die Rauschwirkung erhöht. Im Körper wird MA durch das Cytochrom P450 2D6 per N-Demethylierung zum Amphetamin (Hauptmetabolit) verstoffwechselt, welches über die Niere ausgeschieden wird. Dabei wird jedoch je nach pH-Wert des Harns eine zum Teil erhebliche Rückresorption beobachtet. Bei alkalischem Urin liegt MA hauptsächlich als freie (relativ unpolare) Base vor, und kann wieder ins Blut zurückdiffundieren. In saurem Harn liegt MA in ionisierter Form vor und kann deshalb die Schleimhautwände nicht passieren. Daher ist das Ansäuern des Harns eine wichtige Maßnahme in der Notfalltherapie.

Amphetamin wird auch zu Norephedrin und p-Hydroxyamphetamin weiter metabolisiert. Diese werden dann glucuronisiert und über die Niere ausgeschieden.

Pharmakodynamik

Diese entspricht weitgehend der des N-Desmethyl-Homologons (Amphetamin): Siehe dazu die Pharmakodynamik des Amphetamins. Der dopaminerge Anteil ist beim MA noch stärker ausgeprägt, mit NA:DA = 2:1[3] – neben dem höheren Lipophilizitätsgrad ein weiterer Umstand, der die stärkere Ausprägung des Rauschgefühls und des Suchtpotenzial gegenüber Amph erklärt. Die Serotonin-Ausschüttung ist gering (DA:5-HT = 30:1).[3]

Medizinischer Gebrauch

Aufgrund des Suchtpotentials sowie der Nebenwirkungen und toxischen Wirkungen ist MA in Deutschland als nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel eingestuft und findet keine therapeutische Anwendung. Für die Indikationsgebiete Adipositas, AD(H)S, Multiple Sklerose, Narkolepsie stehen zugelassene Arzneistoffe zur Verfügung. In den USA gibt es ein Bronchodilatator-Spray mit levo-MA in sehr geringer Dosierung, welche euphorisierende Effekte bzw. eine Suchtentwicklung ausschließt. dextro-MA ist in den USA (als Desoxyn) nach wie vor verschreibbar, allerdings kontrolliert gemäß Schedule II.

Nichtmedizinischer Gebrauch

Wirkung berauschender Dosierungen

Der Konsum verursacht Euphorie, verringert das Schlafbedürfnis und steigert die Leistungsfähigkeit. Das sexuelle Verlangen wird gesteigert. Hunger- und Durstgefühl werden gemindert. Die Wirkung ist ähnlich der von Amphetamin, aber deutlich stärker. Die Wirkung hält bis zu elf Stunden und kann durch den weiteren Konsum verlängert werden. Danach ist mit starker Erschöpfung zu rechnen. Bei hohen Dosen kann die Wirkung von Methylamphetamin bei jeder Konsumform weit über 24 Stunden andauern, was durch die Unmöglichkeit zu schlafen vor allem gegen Ende des Rauschzustandes sehr unangenehm sein kann. Auf die Phase des Rauschs folgt ein von Lethargie und Depression geprägter Kater.

Risiken

Der häufige Konsum von Methylamphetamin kann leicht zu einer Abhängigkeit führen. Dies gilt besonders für die Konsumformen Rauchen und Injektion. Zudem bildet sich schnell eine Toleranz aus, weswegen die Dosis häufig gesteigert wird.

Zeichen einer Überdosierung sind erhöhte Körpertemperatur, Schwitzen und trockener Mund, Schwindelgefühl, Zittern, Kreislaufproblem mit plötzlichem Blutdruckabfall, Angstzustände

Wechselwirkungen mit anderen Drogen

Bei Versuchen an Ratten wurde eine erhöhte Schädigung des Gehirns bei kombinierter Verabreichung mit Ecstasy gefunden. [4]

Nebenwirkungen

Akute Folgen eines Überkonsums

  • Kopfschmerz
  • Nervösität
  • motorische Unruhe (Tremor)
  • Augenrollen
  • Kaureflex

Chronische Folgen eines starken Konsums

Konsumformen und Szenenamen

Konsumiert wird Methylamphetamin meist nasal, also geschnieft. Anders als beim Amphetamin (Speed, Pep) liegt der Siedepunkt des szenetypischen Salzes (Methylamphetamin-HCl) recht niedrig, daher kann es in einer „Icepipe“ geraucht werden, während Amphetaminsulfat sich beim Erhitzen zersetzen würde, bevor es verdampft. Geraucht gelangt das Methylamphetamin schneller in den Blutkreislauf, was einen stärkeren „Kick“ hervorruft. Die Wirkdauer ist kürzer als beim Schniefen. Methylamphetamin kann auch oral konsumiert, also geschluckt werden, die Wirkung tritt dann eher sanft ein, hält aber sehr lange an. Eine weitere Konsumform ist die Injektion, die natürlich besondere Risiken im Hinblick auf die meist fehlende Hygiene sowie eventuell verunreinigten Stoff birgt. Methylamphetamin wirkt geschnupft nach ca. 3-10 Min., geschluckt erst nach ca. 30-40 Min.

Auf dem deutschen bzw. europäischen Schwarzmarkt wird Methylamphetamin zumeist unter dem Namen "Crystal" oder "Crystal Speed" gehandelt. In den USA, wo die Droge (insbesondere im Vergleich zu Amphetamin) weitaus verbreiteter ist, ist zumeist von "Crank", "Meth" oder "Crystal Meth" die Rede. Ein weiterer Staat mit einer vergleichsweise hohen Verbreitung ist Thailand; hier wird die Substanz zumeist "Yaba" genannt, ein Szenename, der auch im Zuge von Medienberichten über die Verbreitung in Europa oft genannt wurde, vermutlich um zu suggerieren, dass es sich dabei um eine "neue" und "exotische" Droge handeln würde.

"Ice" als Bezeichnung für die Methylamphetaminbase

Einer sich recht hartnäckig haltenden Legende nach handelt es sich bei rauchbarem Methylamphetamin um die Base, wie es beim Kokain der Fall ist. Metylamphetaminbase ist allerdings eine ölige Flüssigkeit, kristallin sind nur seine Salze. Geraucht wird also die gleiche Substanz, die auch geschnieft oder geschluckt wird, nämlich Methylamphetamin-HCl. Wenn man allerdings hierbei von „rauchen“ spricht, so ist eigentlich verdampfen gemeint.

Damit man den Stoff „rauchen“ kann, muss er aber eine gewisse Reinheit aufweisen, sonst verbrennen die Streckmittel und verhindern ein sauberes Verdampfen. Als Ice (oder Crystal) wird also eine sehr reine Form des Methylamphetamin-HCl bezeichnet, die durch die klaren Kristalle eine Ähnlichkeit mit Eis (engl. ice) aufweist. Zusätzliche Konfusion bringt die oft unklare Benennung im Drogenjargon: unter Ice wird nämlich teilweise auch 4-Methylaminorex verstanden, eine eher wenig verbreitete Droge, die – wie Methylamphetamin auch – stimulierend und euphorisierend wirkt, chemisch aber nur geringe Verwandtschaft dazu aufweist.

Vint

Vint (russ. "Винт" = Schraube) ist der russische Szenename für Methylamphetamin, das vom Konsumenten selbst unter einfachsten Bedingungen (z.B. in der Küche) hergestellt wird und in dieser Form erstmals 1987 innerhalb der russischen Drogenszene aufgetaucht ist. Die Droge wird meistens unmittelbar vor der Einnahme synthetisiertQuelle? und ausschließlich intravenös konsumiert. Der wichtigste Grundstoff für die Herstellung ist reines Ephedrin oder Pseudoephedrin, das aus ephedrinhaltigen Arzneimitteln extrahiert wird oder (selten) als reine Lösung in Ampullen verfügbar ist. Weitere wichtige Komponenten sind Iod und Phosphor. Vint fand in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion große Verbreitung, nicht zuletzt wegen der sehr niedrigen Beschaffungs- und Herstellungskosten. Es besitzt neben dem bekannten Suchtpotenzial des Methamphetamins auch eine starke körperlich schädigende Wirkung, da die Synthese für gewöhnlich nicht sehr präzise abläuft und das Endprodukt oft von schlechter Qualität ist.

Chemie

MA ist als freie Base bei Raumtemperatur flüssig. Das Hydrochlorid-Salz ist jedoch eine weiße kristalline Substanz.

Allgemeines
Summenformel C10H15N
CAS-Nummer 7632-10-2, 33817-09-3, 537-46-2
Kurzbeschreibung braune, ölige Substanz
Eigenschaften
Molmasse 149,223 g/mol[6]
Aggregatzustand flüssig[6]
Dichte - g/cm3
Schmelzpunkt 170-175 °C (HCl-Salz)[6]
Siedepunkt Base: 84°C bei 1,3 Torr
58-61,5°C bei 1,1 TorrQuelle fehlt
HCl-Salz: 300-305 °C[6]
Löslichkeit
  • Base


  • Salze
pKs-Wert 9,9[6]
Sicherheitshinweise
Vorlage:Gefahrensymbol 1
Vorlage:SI-Chemikalien

Herstellung

Die illegale Herstellung erfolgt durch

Die beiden letzteren Herstellungsprozesse verlaufen enantiospezifisch.

Datei:Methlab.jpg
Privates Labor zur Herstellung von N-Methylamphetamin

Vor 1980 erfolgte die Synthese oft auf erstgenanntem Herstellungwege aus Phenylaceton, wobei vor allem die Rockergruppe Hells Angels in den 1960ern große Mengen Methamphetamin auf diese Weise produzierte. Heute unterliegt Phenylaceton strenger Überwachung (z. B. in Deutschland dem Grundstoffüberwachungsgesetz), weshalb dieser Syntheseweg eher selten geworden ist. Letzterer Herstellungsweg ist seit Anfang der Achtziger wahrscheinlich am verbreitetsten ([6]S.135, "D.Synthesis"). Das Ephedrin wird entweder aus rezeptfrei erhältlichen Schnupfenmitteln extrahiert oder stammt vom osteuropäischen Schwarzmarkt.

Anschließend wird MA mit Hilfe von Salzsäure als HCl-Salz gefällt.

Stereochemie

MA besitzt ein Stereozentrum am C2-Kohlenstoff. Das S-Isomer ist optisch rechtsdrehend und 3-4 mal stärker als das R-(-)-Isomer. Industriell hergestellte MA-Produkte (Desoxyn®) sind immer enantiomerenrein, während ein racemisches Gemisch auf illegale Herkunft hindeutet.([6] S.135,"C. Stereochemistry", letzter Satz)

Rechtsstatus

In der Bundesrepublik Deutschland ist Methamphetamin laut Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG[7] ein verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel, der Besitz ist ohne Rezept vom Arzt oder ohne Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bundesopiumstelle) strafbar. In den USA ist es gelistet in Schedule 2.

Seit dem 1. Februar 1998 lautet die amtliche Schreibweise im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) der Bundesrepublik Deutschland Metamfetamin. Sie wurde mit der Zehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (10. BtMÄndV)[8] (BGBl. I S. 74) an die WHO-Nomenklatur angepasst.

Siehe auch

Quellen

  1. Ogata, Akira (1919): alpha and beta-Aminoalkyl(aryl)benzenes and their derivatives. In: J. Pharm. Soc. Jpn. 445, 193-216; Nachdruck in: Chem. Abstracts 13 (1919) 1709.
  2. Ogata, Akira (1919): Constitution of ephedrine - Desoxyephedrine. In: J. Pharm. Soc. Jpn., 451, 751-764; Nachdruck in: Chem. Abstracts 14 (1920) 475. HTML
  3. a b Rothman, R.B. und Baumann, M.H. (2002): Therapeutic and adverse actions of serotonin transporter substrates. In: Pharm. Ther. 95, 73-88. (Seite 76) PMID 12163129
  4. Clemens, K.J. et al. (2005): MDMA (‘Ecstasy’) and methamphetamine combined: Order of administration influences hyperthermic and long-term adverse effects in female rats. In: Neuropharmacology. Bd. 49, Nr. 2, Jg. 2005, S. 195-207. PMID 15993443 doi:10.1016/j.neuropharm.2005.03.002
  5. Tokunaga, I. et al. (2006): Changes in renal function and oxidative damage in methamphetamine-treated rat.. In: Legal Medicine. Bd. 8, Nr. 1, Jg. 2006, S. 16-21. PMID 16157497 doi:10.1016/j.legalmed.2005.07.003
  6. a b c d e f g h i Logan, B.K. (2002): Methamphetamine - Effects on Human Performance and Behavior. In: Forensic Science Review. Bd. 14, Jg. 2002, S. 134-151. freier Volltextzugriff als PDF
  7. Betäubungsmittelgesetz, Anlage III
  8. 10. BtMÄndV Art. 1 Nr. 1 Buchst. b; Art. 1 Nr. 3; Art. 3

Literatur

  • Paul Dempsey, David S. Segal, Arthur K. Cho: Amphetamine & Its Analogs: Psychopharmacology, Toxicology, & Abuse, Academic Press 1994, 503 Seiten, ISBN 0-12-173375-0
  • Logan B.K.: Methamphetamine - Effects on Human Performance and Behavior, Forensic Science Review, Volume 14 (2002). freier Volltextzugriff als PDF-Format
  • Cousto, Hans: DrogenMischKonsum – Das Wichtigste in Kürze zu den gängigsten (Party-)Drogen, Nachtschatten Verlag, Solothurn 2003, ISBN 3-03788-119-4
  • Alexander Shulgin, Ann Shulgin: Pihkal – A chemical Love Story, Transform Press 1991, 978 Seiten, ISBN 0963009605
  • Werner Pieper: Nazis on Speed – Drogen im 3. Reich, Grüne Kraft 2002, 349 Seiten, ISBN 3-930442-53-1


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