Hemmoorer Eimer
Als Hemmoorer Eimer werden dünnwandige, zumeist glockenförmige Metallgefäße mit umlaufendem Relief-Fries sowie einem Standring- oder Fuß bezeichnet. Neben aus Messing oder Bronze gefertigten Exemplaren sind auch einige wenige Silberne Eimer bekannt. Sie stammen sämtlich aus römischer Produktion und wurden nach ihrem Fundort Hemmoor im Landkreis Cuxhaven benannt, wo 18 Stück von ihnen seit März 1892 entdeckt wurden.

Datierung und Funktion
Bei dem Fundort in Hemmoor handelt es sich um ein germanisches Gräberfeld, das eine Vielzahl römischer Metallgegenstände zu Tage brachte. Die Niederlegung der Eimer erfolgte in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts. Die Eimer wurden entgegen ihrer ursprünglichen Verwendung als Urnen zur Aufnahme des Leichenbrandes vergraben. Ihre eigentliche Funktion ist vermutlich prunkvolle Haushaltsausstattung und Kücheninventar. Einen Hinweis darauf liefert das Relief auf einem Sarkophag aus Simpelveld in der Provinz Südlimburg (Niederlande) im Rijksmuseum von Oudheden, Leiden. Es zeigt zwei solcher Eimer zusammen mit anderer Küchenausstattung. Der Matronenstein aus Vettweiß (Kr. Düren), welcher von einem M. Aurelius Pacatus den vesuniahenischen Matronen gestiftet wurde, zeigt einen mit Obst gefüllten Eimer. H. Willers schrieb 1907, dass die Gefäße zunächst vermutlich aus Capua importiert wurden. Ab etwa 150 n. Chr. sollen sie mit heimischem Galmei hergestellt worden sein.
Die Hemmoorer Eimer haben am oberen Rand häufig ein 5 bis 7 cm breites umlaufendes Relieffries, welches in der Formensprache an Verzierungen auf Terra Sigillata-Keramiken erinnert. Die Form und die Verzierungen scheinen von den ab der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert in Norditalien (Bologna und Este) gefertigten bronzenen Situla-Gefäßen abgeleitet zu sein. Seltener weisen die Verzierungen auch Silbertauschierungen und Emaileinlagen auf, wodurch ihr Charakter als Prunkgefäß noch gesteigert wird. Nahezu alle Eimer sind mit Henkeln oder Laschen für Henkel versehen.
Herstellung
Die Hemmoorer Eimer bestanden zumeist aus dünnem Messingblech mit einer Wandstärke von nur 0,4 bis 1,0 mm. Es wurde in Fachkreisen lange über die Herstellungsart der Eimer aus Messing spekuliert. So wurde der Guss in der Verlorenen Form mit anschließendem Überdrehen oder das Treiben diskutiert. Letztendlich ergaben Untersuchungen der Fachhochschule Bielefeld Abteilung Maschinenbau, dass die Eimer im Metalldrückverfahren in einer Hartholzform hergestellt wurden. Die Produktion erfolgte dabei mit sehr hohem fertigungstechnischem Geschick. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das ursprüngliche Gewicht der Eimer ziemlich genau das Vielfache einer römischen Unze zu je 27,3 g betrug.
Die Eimer aus Bronze wurden wohl mittels eines Gusses in der verlorenen Form produziert. Der so entstandene, zunächst bodenlose, Rohling wurde anschließend an der Drehbank nachbearbeitet. Dabei wurde vor allem die Wandstärke vermindert, sowie die Oberfläche nachgeglättet. Im letzten Arbeitsschritt wurden der Boden sowie die Standvorrichtung eingepasst und festgehämmert. Abschließend wurde der Eimer wohl noch einmal poliert. Aus Bronze wurden offenbar fast ausschließlich die glockenförmigen Eimer gegossen.
Aus Silber sind bisher nur wenige Exemplare bekannt. Hierbei handelt es sich wohl um eine besondere Prunkform, die wohl ähnlich den Eimern aus Bronze hergestellt wurden.
Aufgrund der damaligen Galmeilagerstätten im Umkreis der Gressenicher Höhe im Dreieck Mausbach / Hastenrath / Hamich im Grenzbereich der heutigen Städte Eschweiler und Stolberg (Kr. Aachen) wird dieses Gebiet als zentrales Herstellungsgebiet vermutet, weswegen diese Messinggefäße gelegentlich auch als Gressenicher Eimer bezeichnet werden. - Der Metallurge der staatlichen französischen Museen, Jean R. Maréchal, schrieb 1962, dass man im allgemeinen in vorgeschichtlichen Kupfer- und Bronzegegenständen kein Zink finden würde. Es gäbe allerdings einige Ausnahmen, wo Zink und Kupfererz seit der Eisenzeit aufträte. Er widerspricht den Annahmen von H. Willers/Neue Untersuchungen über die römische Bronzeindustrie, (Hannover 1907) und meint weiter, dass dieser Abbau mehr den Galmeiblöcken und für Bauzwecke gedient habe, jedoch nicht zur Zinkverwertung. Auf Grund mangelnder Erklärungen für den dortigen Ursprung einer Messingindustrie müsse man die Zinkvorkommen im Nordosten Frankreichs, des rheinischen Schiefergebirges oder des Harzes etc. in Betracht ziehen. In der Nähe des letzteren läge ja auch das Hauptverbreitungsgebiet dieser Gefäße.
Zudem liegen Simpelfeld und Vettweiß auf einer Achse, deren Mittelpunkt fast genau der Ort Gressenich bildet. Somit ist wohl zumindest durch den Vettweißer Stein ein gewisser Bezug hergestellt. Leider wurden am genannten Ort die bis zu fünf Meter hohen Schlackeschichten, welche allerlei römische Utensilien wie Haarnadeln, Münzen etc. enthielten, im 19. Jahrhundert weiter verwertet.
Verbreitung und regionale Grabsitte
In Niedersachsen und weiten Teilen Norddeutschlands werden die Eimer sekundär als Urnen verwendet. Aus Jütland sowie aus Mecklenburg sind sie als Beigefäße in Körpergräbern bekannt. Auch aus dem westlichen Polen und aus Frankreich sind Körperbestattungen mit Hemmoorer Eimern bekannt.
Forschungsgeschichte
Nach ihrem Auffinden wurden die Eimer aus Hemmoor an das damalige Provinzialmuseum (heute Niedersächsisches Landesmuseum in Hannover) verkauft. 1901 wurden sie im Rahmen einer Untersuchung zur Gefäßtoreutik von Heinrich Willers als eigenständiger Typ definiert. Erneut vorgelegt wurden einige der Eimer durch Hans Hahne, welcher als Erster die Fertigungsweise der Exemplare aus Messing erkannte. Die heute allgemein gültige Typologie der Hemmoorer Eimer geht aber auf Hans Jürgen Eggers zurück. Er unterschied in seiner 1951 erschienen Arbeit zum Import im freien Germanien elf Formen (Eggers Typ 55-65).
Literatur
- Michael Erdrich: Zu den Messingeimern vom Hemmoorer Typ: Verbreitung, Datierung und Herstellung. In: Rom an der Niederelbe Katalog zur Ausstellung, Neumünster 1995, S. 71-80 ISBN 3-529-01836-8.
- Heinrich Willers: Die römischen Bronzeeimer von Hemmoor Hannover/Leipzig 1901.
- Hans Jürgen Eggers: Der römische Import im freien Germanien In: Atlas der Urgeschichte 1 Hamburg 1951.