Henri Marie Raymond de Toulouse-Lautrec-Monfa (* 24. November 1864 in Albi; † 9. September 1901 auf Schloss Malromé, Gironde) war ein französischer Maler des Spätimpressionismus. Berühmt geworden ist er unter anderem für die Plakate, die er für das Moulin Rouge anfertigte.

Leben
Herkunft und Kindheit
Henri Toulouse-Lautrec stammt aus einer der ältesten Adelsfamilien Frankreichs; die Grafen von Toulouse führen ihre Familie bis auf Karl den Großen zurück und erlangten vor allem im Hochmittelalter durch eine exponierte Rolle bei den Kreuzzügen eine gewisse Bedeutung. Im 19. Jahrhundert war dieses Geschlecht allerdings zeitgeschichtlich nicht mehr aktiv, seine Mitglieder lebten in materiellem Wohlstand auf Gütern im Süden Frankreichs. Um einer Minderung des Familienbesitzes durch Erbteilungen entgegenzuwirken, heiratete man häufig innerhalb der Verwandtschaft.
So war auch die Ehe, die Henris Eltern, Graf Alphonse de Toulouse-Lautrec-Monfa und seine Kusine ersten Grades, die Gräfin Adèle Tapié de Céleyran, am 9. Mai 1863 miteinander eingingen, eine solche inzestuöse Verbindung, die Mütter beider Eheleute waren Schwestern. Im Jahr darauf, am 24. November 1864, gebar Gräfin Adèle im Hôtel du Bosc zu Albi ihr erstes Kind, Henri. Ein vier Jahre später geborener zweiter Sohn starb bereits nach einem Jahr. Die Zweckehe zwischen Henris Eltern erwies sich aufgrund der unterschiedlichen Charaktere als wenig haltbar, so dass das Paar schon nach wenigen Jahren getrennte Wege ging, obwohl man formal verheiratet blieb. Henri wurde von seiner Mutter erzogen, die nach dem Verlust ihres zweiten Kindes und der zerbrochenen Ehe den Sinn ihres Lebens im katholischen Glauben und in der Sorge um den ihr verbliebenen Sohn sah.
Henri litt an einer Pyknodysostose, einer autosomal rezessiven Erbkrankheit, deren Hauptsymptome etwa im zehnten Lebensjahr auftraten. Durch zwei Unfälle brach sich Henri als 13- bzw. 14-jähriger nacheinander beide Beine. Vermutlich wurden die Oberschenkelhalsbrüche unzulänglich behandelt und auch nachfolgende Kuren und Mittel halfen am Ende nichts: Henris Beine wuchsen fortan nicht mehr, so dass er als Erwachsener über eine Körpergröße von nur 1,52 m nicht hinauskam.
Während der mit seiner Krankheit verbundenen langwierigen Liegekuren und Sanatoriumsaufenthalte zeigte das schon zuvor deutlich gewordene künstlerische Talent Henris sich immer deutlicher. In Zeichnungen stellte der Jugendliche hauptsächlich Menschen und Tiere dar, und bis heute erhaltene Skizzen belegen, dass er zwar kein Wunderkind, aber durchaus begabt war. Von einem Freund seines Vaters, dem taubstummen Tiermaler René Princeteau, wurde er während mehrerer Aufenthalte in Paris in elementare Kenntnisse der Malerei eingeführt.
Auf ersten Ölbildern, die er als 14-jähriger malte, erschienen Motive der Familiengüter und das jägerische, höfische Milieu seines Elternhauses, und immer wieder Pferde – Pferde mit Kutschen, Reitern und Hunden. Dies war einerseits auf die Spezialisierung seines Lehrers zurückzuführen, andererseits versuchte der junge Henri mit diesen Motiven aber womöglich auch seinen Vater zu beeindrucken, der ein leidenschaftlicher Reiter und Jäger war.
Mit großer Mühe bestand er im zweiten Anlauf im November 1881 den ersten Teil seines Abiturs. Zu diesem Zeitpunkt stand für Henri bereits fest, dass er Maler werden wollte. Widerstand der Eltern gegen diesen Berufswunsch gab es im Hause Toulouse-Lautrec nicht, sein Vater besprach sich mit befreundeten Malern, die für den Sohn ein akademisches Studium der Malerei empfahlen.
Lehrjahre
So trat Henri Toulouse-Lautrec am 17. April 1882 in das Atelier des Pariser Modemalers Léon Bonnat ein. Wenige Wochen später berichtete der junge Kunststudent, wie sein Lehrmeister über seine Arbeiten urteilte: „Er sagte mir: ‚Ihre Malerei ist gar nicht schlecht, [...] aber ihr Zeichnen ist ganz und gar abscheulich!‘“. Bonnat behielt auch in der Folge seine Antipathie gegen ihn bei, und so nahm der wenig später als Lehrer an die École des Beaux-Arts Berufene den Schüler Toulouse-Lautrec nicht in seine dortige Klasse mit.
Toulouse-Lautrec fand anschließend in Fernand Cormon, einem aus heutiger Sicht bedeutungslosen Pariser Salonmaler, einen liberaleren akademischen Lehrer, dem vor allem seine Zeichnungen gut gefielen. Lautrec fühlte sich allerding von dessen Lob nicht angespornt: „Cormons Korrekturen sind viel wohlwollender als diejenigen Bonnats. [...] Sie werden sich wundern, aber ich mag das eigentlich weniger. Die Peitschenhiebe meines früheren Patrons waren scharf, und ich schonte mich nicht. Hier bin ich geschwächt und benötige Mut, um eine sorgfältige Zeichnung zu machen, wo es doch vor den Augen Cormons auch eine schlechtere täte.“
Obwohl er sich den Regeln und Gepflogenheiten des akademischen Lehrbetriebs unterwarf, entwickelte Toulouse-Lautrec von Beginn an eine eigene Technik und eine malerisch freie Auffassung, die im Gegensatz zur damals vorherrschenden Kunst des Pariser Salons stand. Neben dem Zeichenunterricht bei Bonnat und anschließend bei Cormon besuchte er in Paris die Ausstellungen von Edgar Degas, Pierre-Auguste Renoir und Édouard Manet.
Einschneidender als Cormons Unterweisungen waren für Toulouse-Lautrec in dieser Zeit die neue Umgebung und die Freunde, die er im Kreis der Studenten hinzugewann, darunter Louis Anquetin und François Gauzi, später Emile Bernard und Vincent van Gogh, und die ihn sein Leben lang begleiten sollten.
Leben als Bohémien
Fühlte sich der junge Maler zunächst von den neuen Eindrücken noch bedrängt, gewann der Lebensbereich der Freunde rund um den Montmartre immer stärker die Oberhand gegenüber dem familiären Refugium an der Cité du Rétiro. Im Sommer 1884 schließlich mietete sich der 20-jährige − trotz großer Bedenken der Mutter – bei René Grenier im zweiten Stock der Rue Fontaine 19 ein, ganz in der Nähe der Place Blanche, wo das berühmte Tanzlokal Reine Blanche einige Jahre darauf dem Neubau des Moulin Rouge weichen musste. Im Haus der vermögenden Greniers fand man häufig Anlässe, Feste zu feiern oder mit Freunden die Vergnügungsstätten aufzusuchen, die in der Nachbarschaft zu dieser Zeit zahlreich eröffneten. Die Gegend zwischen Place Blanche, Moulin Rouge und Place Pigalle wurde zu seiner zweiten Heimat. In den Cafes und Restaurants des Montmartre hatte Henri de Toulouse-Lautrec auch seine ersten Ausstellungen und er erhielt die ersten Aufträge. Für Künstler und Persönlichkeiten der französischen Belle Époque, die er zum größten Teil persönlich kannte, fertigte er Lithographien für Plakate oder als Illustrationen für Zeitungen und Zeitschriften an.
Eine dieser Persönlichkeiten war Aristide Bruant, der 1885 das Cabaret Le Mirliton eröffnete, und für den Toulouse-Lautrec zahlreiche Plakate entwarf, auf denen vor allem Monsieur Bruant durch sein Markenzeichen, einen roten Schal, hervorsticht. 1888 begann Toulouse-Lautrec, Motive auszuwählen, für die er bis heute bekannt ist: Menschen aus dem Zirkus, aus Vergnügungslokalen und Situationen aus dem Milieu der Halbwelt. Durch seine Malerei erlebte die schon fast vergessene Lithographie eine Renaissance. Anregungen fand er bei Edgar Degas und Paul Gauguin sowie dem japanischen Holzschnitt, der bei den Impressionisten zu dieser Zeit besonders en vogue war.
Krankheit und früher Tod
Die Liebesbeziehung zu seinem Modell Suzanne Valadon wurde durch ihren Selbstmordversuch abrupt beendet; dieser stürzte Toulouse-Lautrec in tiefe Depressionen. Er wandte sich dem Alkohol zu, was 1898 zum ersten Mal zum Delirium tremens führte. 1899 wurde er von seiner Mutter zu einer Entziehungskur in die Heilanstalt Neuilly eingewiesen. Im Frühjahr 1901 kehrte er nach Paris zurück.
Henri Toulouse-Lautrec starb im Alter von 36 Jahren am 9. September 1901 auf dem elterlichen Schloss Malromé.
Werke und Wirkung
Mit seinen ungeschminkten Szenen des Pariser Nachtlebens rund um den Montmatre spiegelte Lautrec das Bild einer legendären Zeit, der sogenannten Belle Époque, wieder.
Vor allem aber spielte er eine führende Rolle in der Entwicklung von Plakaten mit Hilfe der Farblithografie, die heute als ein Meilenstein der Werbung angesehen werden. Lautrecs verwendete auf großformatigen Blättern wenige Farbsteinen in Gelb, Rot und Blau, die durch ihre starken Kontraste auch von der Ferne anziehend wirkten. Die Verwendung der Steindrucktechnik bedeutete Anfang der 1890er Jahre nicht nur den Durchbruch für den Künstler, die insgesamt 351 so entstandenen Werke sind es auch, die ihn bis zum heutigen Tag berühmt machten.
Toulouse-Lautrecs Leben wurde in den 1950er Jahren verfilmt.
Sammlungen
Sammlung Gerstenberg
Der Berliner Otto Gerstenberg vereinte vor dem ersten Weltkrieg Lautrecs vollständiges Œuvre. Dieses umfasste neben seinen Gemälden und Lithografien Widmungsexemplare, Vorzugs-, Zustands- und Probedrucke. Die heute noch in Privatbesitz befindliche Sammlung umfasst auch gegenwärtig einen Großteil der Grafiken Toulouse-Lautrecs.
Musée Toulouse-Lautrec
Den Großteil seiner Bilder hinterließ Toulouse-Lautrec seiner Geburtsstadt Albi, die 1922 das Musée Toulouse-Lautrec eröffnete.
Weiterführende Informationen
Literatur
- Götz Adriani: Toulouse-Lautrec - das gesamte graphische Werk, Bildstudien und Gemälde. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München 2005, ISBN 3-8321-7543-1
- Matthias Arnold: Toulouse-Lautrec. Taschen Verlag, 1988, 4. Aufl.: Köln 2001, ISBN 3-8228-0961-6
- ders.: Henri de Toulouse-Lautrec. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 8. Auflage 2002, ISBN 3-499-50306-9
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Toulouse-Lautrec, Henri Marie Raymond de |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Maler des 19. Jahrhunderts |
GEBURTSDATUM | 24. November 1864 |
STERBEDATUM | 9. September 1901 |