Hannah Arendt

US-amerikanische Historikerin, Politologin und Philosophin deutscher Herkunft (1906–1975)
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Hannah Arendt (* 14. Oktober 1906 in Linden, heute Stadtteil von Hannover; † 4. Dezember 1975 in New York) war eine jüdische Publizistin und Gelehrte deutscher Herkunft. Die Entrechtung und Verfolgung von Menschen mit jüdischer Abstammung seit 1933, sowie ihre eigene Verhaftung in diesem Jahr veranlassten sie zur Emigration aus Deutschland. Vom nationalsozialistischen Regime danach formell ausgebürgert, war sie ab 1937 ca. 14 Jahre lang staatenlos, bis sie 1951 die Staatsbürgerschaft der USA erhielt. Sie war unter anderem als Journalistin und Hochschullehrerin tätig und veröffentlichte wichtige Beiträge zur politischen Philosophie. Gleichwohl lehnte sie es stets ab, als „Philosophin” bezeichnet zu werden, auch dem Begriff „politische Philosophie” stand sie eher distanziert gegenüber, sie bevorzugte für ihre entsprechenden Publikationen die Bezeichnung „politische Theorie”.

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Hannah Arendt; Porträt-Fotografie aus den 1930er Jahren

Im Rückblick wird sie dennoch – nicht zuletzt auf Grund ihrer zahlreichen theoretischen Bezüge zu Philosophen wie Sokrates, Platon, Aristoteles, Augustinus von Hippo, Johannes Duns Scotus, Immanuel Kant, Søren Kierkegaard, Karl Jaspers und Martin Heidegger sowie den maßgeblichen Vertretern der neuzeitlichen politischen Philosophie wie Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes, John Locke und Charles de Secondat, Baron de Montesquieu - häufig als Philosophin bezeichnet. Auch und gerade wegen ihres eigenständigen Denkens, der von ihr entwickelten Theorie zum Totalitarismus, ihrer existenzphilosophischen Arbeiten und ihrer Forderung nach einer freien pluralistischen Diskussion im politischen Raum nimmt sie in der Diskussion der Gegenwart eine bedeutende Rolle ein.

Leben und Werk

Kindheit und Jugend

Hannah Arendt wurde als Tochter säkularer jüdischer Eltern in Linden geboren. Ihre Vorfahren stammten aus Königsberg, wohin ihr schwer erkrankter Vater und die Mutter (geb. Cohn) zurückkehrten, als Johanna kaum drei Jahre alt war. Nach dem frühen Tod des Vaters (1913) wurde sie von ihrer sozialdemokratisch orientierten Mutter liberal erzogen. Durch die Großeltern hatte sie jüdische Traditionen kennen gelernt. Sie gehörte lebenslang keiner religiösen Gemeinschaft an, verstand sich jedoch immer ausschließlich als Jüdin.

Bereits im Alter von 14 Jahren las sie Kants Kritik der reinen Vernunft und Jaspers' Psychologie der Weltanschauungen. Sie musste die Schule wegen Differenzen mit einem Lehrer nach einem Schulverweis verlassen, ging anschließend nach Berlin, wo sie ohne formalen Schulabschluss unter anderem die Vorlesung zur christlichen Theologie von Romano Guardini besuchte. In diesem Rahmen beschäftigte sie sich neben anderen Philosophen zum ersten Mal mit Søren Kierkegaard. Zurück in Königsberg, bestand sie nach intensiver Vorbereitung durch Verwandte und Bekannte als externer Prüfling vorzeitig das Abitur.

Studienzeit

Angeregt durch ihren Schulfreund Ernst Grummach, nahm sie 1924 in Marburg ihr Studium auf und hörte für ein Jahr Philosophie bei Martin Heidegger und Nicolai Hartmann, Theologie bei dem evangelischen Theologen Rudolf Bultmann, außerdem Griechisch.

Der zwei­fache Familienvater Heidegger und die 17 Jahre jüngere Studentin verliebten sich ineinander; sie wechselte auf sein Zuraten im darauffolgenden Jahr den Studienort und ging für ein Semester zu Edmund Husserl nach Frei­burg im Breisgau. In Hei­delberg studierte sie ab 1926 - ebenfalls auf Heideggers Anregung hin - Philosophie und promovierte 1928 bei Karl Jaspers über den Liebesbegriff bei Augustinus. Mit Jaspers blieb sie bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden. Ihr reger Briefwechsel ist fast vollständig erhalten.

Während Arendt in Marburg wegen ihrer Beziehung zu Heidegger sehr zurückgezogen lebte und lediglich zu ihrem Kommilitonen Hans Jonas, mit dem sie sich angefreundet hatte und viel über Heideggers Philosophie diskutierte, sowie ihren Königsberger Freunden Kontakte hatte, weitete sich ihr Freundeskreis in Heidelberg aus. Dazu gehörten der Psychologe Karl Frankenstein, der Jungianer Erich Neumann und Erwin Loewenson, ein expressionistischer Essayist, mit dem sie auch eine kurze Beziehung hatte.

Ein anderer Kreis und das Thema der Romantik erschloss sich ihr durch die Bekanntschaft und Freundschaft mit Benno von Wiese und die von Jaspers empfohlenen Vorlesungen von Friedrich Gundolf. Für ihre Dissertation wichtig war der ebenfalls zu Jaspers Freundeskreis zählende Neutestamentler Martin Dibelius. Große Bedeutung hatte für sie zudem Kurt Blumenfeld, der Geschäftsführer und Hauptsprecher der deutschen Zionistenorganisation, dessen Thema die Erforschung der Judenfrage und der Assimilation war. Auch Hans Jonas fand sich in Heidelberg ein, während er an seinem ersten Buch mit dem Titel Augustinus und das paulinische Problem der Freiheit arbeitete, also einem zur Dissertation von Arendt eng verwandtem Gebiet. Mit Jonas und Blumenfeld verband Arendt eine intensive, langjährige Freundschaft.

Heirat und Beginn der NS-Herrschaft

1929 arbeitete Arendt in Berlin an der Veröffentlichung ihrer Dissertation. Dort traf sie Günther Stern, der sich später Günther Anders nannte, und zog mit ihm nach wenigen Wochen zusammen, für damalige Verhältnisse ungewöhnlich für eine Frau. Nach neun Monaten heirateten beide in Nowawes bei Berlin. Nach einem kurzen Aufenthalt in Heidelberg zog das Ehepaar für ein Jahr nach Frankfurt. Während Stern an seiner Habilitation arbeitete, schrieb Arendt für die Frankfurter Zeitung und besuchte Seminare bei Paul Tillich und Karl Mannheim, über dessen Buch Ideologie und Utopie sie eine Rezension verfasste. Dabei wandte sie sich gegen Mannheims These, dass das Denken allein im Dienste des Handelns steht. Zugleich begann sie sich mit dem Thema der Berliner Romantik und mit Rahel Varnhagen zu befassen.

Nachdem sich abzeichnete, dass Sterns Arbeit vor dem Hintergrund der marxistisch geprägten musiksoziologischen Auffassung Adornos keine Anerkennung fand, zogen beide wieder nach Berlin. Dort nahm Arendt unterstützt von ihrem Mann die konkrete Arbeit über die deutsche Romantik und insbesondere das Leben Rahel Varnhagens auf. Nach einem positiven Gutachten von Jaspers, der weitere Gutachten von Heidegger und Dibelius besorgte, wurde die Arbeit unterstützt durch ein Stipendium der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. In der Auseinandersetzung mit der Frage der Assimilation der Juden und der dennoch bestehenden Ausgrenzung entwickelte sie eine Beziehung zur Judenfrage, der sie anhand des von Max Weber übernommenen Begriffs des Paria weiter nachging. Sie stellte diesem angeregt durch die Schriften Bernard Lazares den entgegengesetzten Terminus des Parvenu gegenüber.

Karl Jaspers versuchte, sie Anfang 1933 in mehreren Briefen davon zu überzeugen, dass sie sich als Deutsche betrachten solle. Dies lehnte sie stets mit dem Hinweis auf ihre jüdische Existenz ab. Noch am 1. Januar 1933 schrieb sie: „Für mich ist Deutschland die Muttersprache, die Philosophie und die Dichtung.“ Ansonsten fühlte sie sich zur Distanz verpflichtet. Besonders kritisierte sie den Terminus „Deutsches Wesen“. Jaspers antwortete: „Es ist mir wunderlich, daß sie als Jüdin sich vom Deutschen unterscheiden wollen.[1] Diese kontroversen Positionen nahmen beide auch nach dem Krieg ein.

In Berlin begann Arendt sich intensiver für Politik zu interessieren, las Marx und Trotzki und knüpfte neue Kontakte an der Hochschule für Politik. Vor dem Hintergrund ihrer Arbeit über Rahel Varnhagen schrieb sie eine Rezension über Die Entstehung des deutschen Bildungsprinzips von Hans Weil, veröffentlichte den Artikel zu Aufklärung und Judenfrage und eine weitere Rezension über Das Frauenproblem in der Gegenwart von Alice Rühle-Gerstel, in der sie insbesondere die Doppelbelastung der berufstätigen Frau thematisierte. Der Frauenbewegung stand Hannah Arendt, wie auch in diesser Rezension deutlich wird, lebenslang distanziert gegenüber. So sprach sie sich beispielsweise gegen die Veröffentlichung von Texten der jüdischen Frauenbewegung im Leo Baeck Institut aus und betonte im Interview mit Günther Gaus 1964, dass es Frauen nicht gut anstünde, Befehle zu erteilen. Sie würden ihrer weiblichen Qualitäten verlustig gehen.

Schon 1932 sah sie die Notwendigkeit der Emigration auf sich zukommen, blieb aber zunächst in Deutschland, als ihr Mann im März 1933 nach Paris emigrierte. Nach dem Reichstagsbrand und den einsetzenden Verfolgungen wurde sie erstmals politisch aktiv.

Vermittelt durch ihren Freund Kurt Blumenfeld war sie für eine zionistische Organisation tätig, um die beginnende Judenverfolgung zu recherchieren. Ihre Wohnung diente Flüchtlingen als Zwischenstation. Sie kam im Juli 1933 für acht Tage in Gestapo-Haft. Im Interview mit Günter Gaus dazu: „Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.

Diese Ansicht hatte Arendt bereits 1933 vertreten. Sie stand damit im Gegensatz zu vielen gebildeten Deutschen, teilweise sogar mit jüdischem Hintergrund, die sich mit dem Nationalsozialismus arrangieren wollten, die neuen Herrscher manchmal sogar lobten oder die Diktatur zunächst unterschätzten. Im Gaus-Interview drückte sie ihre Verachtung für die umgehende damals noch freiwillige Gleichschaltung der meisten Intellektuellen aus. Arendt war davon abgestoßen und wollte mit dieser Art von affirmativen, opportunistischen oder sogar begeisterten Intellektuellen nichts gemein haben.

Hieraus resultierte auch der Streit mit Leo Strauss, dessen konservative Auffassungen sie strikt ablehnte, und der bis zur gemeinsamen Zeit als Professoren in Chicago reichte.

Ebenso war sie von Heidegger enttäuscht, der bereits 1933 der NSDAP beitrat. Daraufhin hatte sie bis 1950 keinen Kontakt mit Heidegger. Auch die Freundschaft mit Benno von Wiese beendete sie, als er sich frühzeitig dem Nationalsozialismus zuwandte und ebenfalls 1933 Parteimitglied wurde.

Diese Erfahrung der tiefen Entfremdung von Freunden beschrieb sie mehrmals in ihren Werken und in ihrer Korrespondenz. Sie ging davon aus, dass es sich um Willensentscheidungen gehandelt hatte, für die der Einzelne verantwortlich war. Noch kurz vor ihrem Tod konstatierte sie, dass gerade viele professionelle Denker bezüglich des Nationalsozialismus nicht in der Lage waren, zu denken, zu sprechen, zu urteilen und zu handeln.

Flucht ins Exil und zweite Ehe

Über das tschechische Karlsbad, Genua und Genf emigrierte sie 1933 zunächst nach Frank­reich: in Paris war sie in einer jüdischen Flüchtlingsorganisation aktiv. Hannah Arendt und ihr Mann hatten schon in Berlin unterschiedliche Interessen und Freundeskreise: er mehr im kommunistischen Umfeld, befreundet mit Bert Brecht, sie immer mehr im Kontakt zu zionistischen und anderen jüdischen Persönlichkeiten. Arendt zog zwar zu Günter Stern, sie unternahmen auch einiges zusammen, wie den Besuch der Seminare von Alexandre Kojève oder Treffen mit anderen Intellektuellen im Exil, doch die Ehe funktionierte nicht mehr und wurde 1937 geschieden.

Ebenfalls 1937 wurde Arendt die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 1939 glückte es ihr gerade noch, ihre 65-jährige Mutter aus Königsberg in Sicherheit zu bringen. Im Januar 1940 heiratete sie den ehemaligen Kommunisten Heinrich Blücher, der sich zum Kritiker des orthodoxen Marxismus gewandelt hatte. Vom Mai bis Juli 1940 wurde sie im südfranzösischen Lager Gurs interniert. Sie galt als „feindliche Ausländerin”. Nach fünf Wochen gelang ihr mit anderen die Flucht, als die französische Lagerverwaltung die Aufsicht vorübergehend lockerte, nachdem die Wehrmacht Paris besetzt hatte und nach Süden vorrückte. Im französischen Exil verband sie eine enge Freundschaft mit Walter Benjamin. Nach seinem Tod setzte sie sich 1945 vergeblich beim Schokken-Verlag für die Veröffentlichung seiner Werke ein.

Immigration in die USA, erste Reisen nach Deutschland

Im Mai 1941 erreichten Arendt, ihr zweiter Ehemann und ihre Mutter über Lissabon New York. Arendt schrieb seit Oktober 1941 Beiträge für das deutsch-jüdische Magazin Aufbau in New York. Sie wollte das politische Bewusstsein der jüdischen Öffentlichkeit in aller Welt wecken und forderte eine selbständige jüdische Armee als Mitwirkende der Alliierten. Mit diesem Verlangen, das sie bereits vor Beginn der Massenmorde in den Konzentrationslagern formulierte, konnten sie und ihre Mitstreiter sich nicht durchsetzen.

1944-1946 war sie als Forschungsleiterin der Conference on Jewish Relations tätig. Anschließend arbeitete sie bis 1949 als Lektorin für den Salman Schocken Verlag. Von 1948 bis 1952 leitete sie die Organisation zur Rettung jüdischen Kulturguts, in deren Auftrag sie 1949 und 1950 die Bundesrepublik Deutschland besuchte.

In ihrem Essay, Besuch in Deutschland, Die Nachwirkungen des Naziregimes (1950), schreibt Arendt sehr differenziert über die Nachkriegssituation. Deutschland habe in kurzer Zeit durch Verbrechen, die niemand für möglich gehalten hätte, das moralische Gefüge der westlichen Welt zerstört. In das zerstörte Land strömten Millionen von Menschen aus Osteuropa. „Man kann bezweifeln, ob die Politik der Alliierten, alle deutschen Minderheiten aus nichtdeutschen Ländern zu vertreiben – als ob es nicht schon genug Heimatlosigkeit auf der Welt gäbe –, klug gewesen ist; doch außer Zweifel steht, daß bei denjenigen europäischen Völkern, die während des Krieges die mörderische Bevölkerungspolitik Deutschlands zu spüren bekommen hatten, die bloße Vorstellung, mit Deutschen auf demselben Territorium zusammenleben zu müssen, Entsetzen und nicht bloß Wut auslöste.“ Arendt stellt eine seltsame Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung fest. Über Europa liege wegen der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager ein Schatten tiefer Trauer. Doch dieser Alptraum von Zerstörung und Schrecken werde nirgends weniger besprochen als in Deutschland. „Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.“ Hingegen kursierten zahlreiche Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die „Leidensbilanz“ in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte. Die Flucht vor der Verantwortung und die Zuschreibung von Schuld auf die Besatzungsmächte sei weit verbreitet. „Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.“

Stellungnahme zu Palästina und Israel

Hannah Arendt schrieb Ende 1948 den Artikel Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten? (veröffentlicht im Januar 1950). Darin setzt sie sich mit der Geschichte Palästinas und der Gründung des Staates Israel auseinander. Frieden kann demnach nur durch eine Verständigung und faire Vereinbarungen zwischen Arabern und Juden erreicht werden. Sie beschreibt die Einwanderungsgeschichte seit 1907 und betont, dass sich bisher beide Gruppen feindselig gegenüberstanden und sich - auch wegen der Besetzung durch die Türken und später Briten - niemals als gleichberechtigte Partner oder auch nur als Menschen angesehen haben. Während sie die „Heimatlosigkeit“ und Weltlosigkeit als größtes Problem der Juden beschreibt, kritisiert sie die meisten zionistischen Führer, die die Probleme der arabischen Bevölkerung übersehen hätten.

Ihre Vision ist ein binationales Palästina auf der Grundlage nicht-nationalistischer Politik, eine Föderation, die möglicherweise sogar andere Staaten des Nahen Ostens umfassen könnte. Die Einwanderung und die Vertreibung eines Teils der arabischstämmigen Bevölkerung stellt demnach eine moralische Hypothek dar, während die auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhenden Kollektivsiedlungen (Kibbuzim) und die Hebräische Universität sowie die Industrialisierung auf der Habenseite stehen. Israel konnte sich von den Gesetzen des Kapitalismus befreien, da es durch Spendengelder aus den USA finanziert wird und daher nicht dem Gesetz der Profitmaximierung unterliegt. Ihre Sorge nach dem gewonnenen Krieg, der Unglück über Juden und Araber gebracht habe und alle jüdisch-arabischen Wirtschaftssektoren zerstört habe, besteht darin, dass Israel eine aggressive expansionistische Politik betreiben könnte. Doch hofft sie auf den universalistischen Geist im Judentum und auf verständigungsbereite Kräfte in den arabischen Staaten.[2]

Es gab in dieser Zeit nur sehr wenige Persönlichkeiten auf arabischer und jüdischer Seite, die für ein binationales Palästina eintraten. Arendt greift den ersten Präsidenten der Hebräischen Universität Juda Leib Magnes und Vorsitzenden der Gruppe Ihud (Vereinigung) und den libanesischen Politiker und Philosophieprofessor Charles Malik heraus und betont ihre Einmaligkeit. Beide setzten sich für eine jüdisch-arabische Übereinkunft zur Lösung des Palästinaproblems ein, Magnes 1946 und Malik vor dem Weltsicherheitsrat im Mai 1948. (IuP, 1991, S. 60ff)

Als im Dezember 1948 der ehemalige Führer der anti-britischen Terror-Organisation Irgun Zwi Leumi Menachem Begin New York besuchte, um Spenden für seine neugegründete Cherut-Partei zu sammeln, verfassten 26 Intellektuelle, darunter viele mit jüdischem Hintergrund, einen scharf formulierten Leserbrief, der am 4. Dezember 1948 in der New York Times veröffentlicht wurde. (IuP, 1991, S.117ff). Zu den Unterzeichnern gehörten neben Hannah Arendt u.a. Isidore Abramowitz, Albert Einstein , Sidney Hook und Stefan Wolpe. Sie warnten eindringlich vor dieser Partei und bezeichneten sie als „rechtsradikal“ und „rassistisch“.

An Mary McCarthy schrieb Arendt am 17.Oktober 1969, Israel sei ein eindrucksvolles Beispiel für die Gleichheit der Menschen. Für noch wichtiger hielt sie die „Überlebens-Leidenschaft“ des jüdischen Volkes seit der Antike. Sie äußerte die Angst, dass sich der Holocaust wiederholen könne. Als Rückzugsort und wegen des unausrottbaren Antisemitismus sei Israel notwendig. Arendt betont, dass jede wirkliche Katastrophe in Israel sie mehr berühre als fast alles andere.

Formen totalitärer Herrschaft

Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg begann Arendt ein umfassendes Werk über die Ursprünge und Besonderheiten des Nationalsozialismus, 1948 und 1949 ergänzt durch den Stalinismus. Ihre Studien standen zunächst unter dem Arbeitstitel Elemente der Schande: Antisemitismus – Imperialismus – Rassismus. Weitere in Erwägung gezogene Titel waren Die drei Säulen der Hölle oder Eine Geschichte der totalen Herrschaft.

Arendt vertrat die Auffassung, dass die Historiker die Antwort auf die Frage, warum gerade die Juden in das Sturmzentrum der Ereignisse getrieben wurden, bisher erstaunlicherweise schuldig geblieben seien. (EuU 1986. S. 31) Ihr Werk beruhte insbesondere auf einer Kritik der Ideologien des 19. Jahrhunderts, die die bisherige Geschichtsschreibung hinterfragte. Damit kam sie dem Charakter des „Bruchs der Geschichte“ durch die totalitären Bewegungen des Nationalsozialismus und Stalinismus näher als bisherige Arbeiten dazu. Das Werk war keine reine Geschichtsschreibung. Sie kritisierte vielmehr ausdrücklich das Kausalitätsdenken der meisten Historiker. Ihr Ziel war es, stattdessen eine Analyse der Ursachen und Hauptelemente des Nationalsozialismus unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden politischen Verflechtungen vorzulegen.

Das Werk enthielt nach mehreren Zwischenentwürfen die drei Teile Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft. Während Arendt für die beiden ersten Teile in hohem Maße auf vorhandenes historisches und literarisches Quellenmaterial zurückgreifen konnte, musste sie sich den Hintergrund für den dritten Teil neu erarbeiten. „Den muss ich ganz neu schreiben, weil mir dazu wesentliche Dinge, vor allem auch der Zusammenhang mit Rußland, erst jetzt aufgegangen sind.“ (4. September 1947, Arendt an Jaspers, 134). 1951 wurde das umfangreiche Buch schließlich unter dem Titel The Origins of Totalitarism veröffentlicht. Die von ihr bearbeitete deutsche Fassung (1955) nannte sie Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft.

Sie stellt die neuartige und vieldiskutierte These auf, dass sich totalitäre Bewegungen jeder Weltanschauung und Ideologie bemächtigen können und sie durch Terror in eine neue Staatsform überführen können. Geschichtlich vollständig realisieren konnten dies ihrer Ansicht nach bis 1966 (Edition der dritten und letzten Auflage) lediglich der Nationalsozialismus (Rassismus, Antisemitismus) einerseits und der Stalinismus („klassen- und nationslose Gesellschaft“. 1986. S. 706) andererseits.

Anders als andere Autoren sieht Arendt ausschließlich diese beiden Systeme als totalitär an, nicht aber „Einparteiendiktaturen“ wie den italienischen Faschismus oder das Nachkriegsregime in der DDR. Arendt stellt die neue Qualität der „totalen Herrschaft“ gegenüber den oft mit ihr verwechselten gewöhnlichen Diktaturen heraus. Erstere beziehe sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, nicht nur auf die politischen. Im Nationalsozialismus habe eine völlige Verkehrung der Rechtsordnung geherrscht. Verbrechen, Massenmorde seien nicht die Ausnahme, sondern die Regel gewesen. „Der Kampf um totale Herrschaft im Weltmaßstab und die Zerstörung aller anderen Staats- und Herrschaftsformen ist jedem totalitären Regime eigen ...“ (Elemente und Ursprünge ... 1962, S.579)

Sie arbeitet heraus, wie vor dem Hintergrund der Massengesellschaft und dem Zerfall der Nationalstaaten durch den Imperialismus traditionelle Politikformen, insbesondere die Parteien, den totalitären Bewegungen mit ihren vervollkommneten Techniken der Massenpropaganda unterlegen waren.

Laut Arendt neigt neben dem Kommunismus auch der „Antikommunismus“ als „offizielle Gegenideologie“ in der Ära des Kalten Krieges dazu, einen Anspruch auf Weltherrschaft zu entwickeln. (EuU 1986, S.635) Weltmächte habe es bereits mehrmals im Verlauf der Geschichte gegeben, z.B. das Römische Reich. Sie hätten jedoch nicht immer totalitäre Züge gehabt.

Neben dem historischen Quellenstudium, der Hinzuziehung von Denkern wie Kant und Montesquieu, literarischen Quellen wie Marcel Proust, wendet Arendt ihre Methode „des buchstäblichen Ernstnehmens ideologischer Meinungen“ an, die von vielen Beobachtern unterschätzt worden seien. (EuU 1986, S.968) Ihr Stil ist nüchtern und sachlich.

US-Staatsbürgerschaft und Stellungnahme zu politischen Ereignissen

1951 erhielt Arendt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Dies war für sie von ganz besonderer Bedeutung. Unter dem Status der Staatenlosigkeit hatte sie sehr gelitten, weil sie ihn als einen Ausschluss aus der menschlichen Gesellschaft ansah. Die Staatsbürgerschaft bedeutete für sie „das Recht, Rechte zu haben“, und so forderte sie eine Ergänzung zur amerikanischen Verfassung, dass niemand seine Staatsangehörigkeit verlieren dürfe, wenn er dadurch staatenlos werde.

In Deutschland war Hannah Stern Anfang 1933 auf dem besten Weg zu einer normalen akademischen Karriere mit einer ordentlichen Professur gewesen. Der Nationalsozialismus machte diese Pläne zunichte. Arendt betonte in ihren Briefen bis wenige Jahre vor ihrem Tod, sie verfüge über keinen Besitz und feste Stellung, was nach ihrer Auffassung zur Unabhängigkeit ihres Denkens beitrug. Dies kommt in ihrem Briefwechsel mit ihren Freunden mehrmals zur Sprache.

1953 trat sie eine befristete Professur am Brooklyn College (New York) an. In New York wirkte sie 1955 neben Martin Buber u.a. bei der Gründung des Leo-Baeck-Instituts, einer wichtigen Dokumentations- und Forschungsstätte für die Geschichte der deutschsprachigen Juden mit. Die Bestände sind in elektronischer Form im Jüdischen Museum Berlin einsehbar.

In den 1950er Jahren plante Arendt im Anschluss an die Analyse des Totalitarismus eine Arbeit über den Marxismus. Aus den Vorarbeiten entstanden einige Essays und Vorlesungen. Das Buch wurde jedoch nicht fertig gestellt, weil Arendt in der Auseinandersetzung mit dem Thema die umfassende Berücksichtigung der politischen Philosophie für erforderlich hielt und im Verlaufe der Zeit ihre Aufmerksamkeit auf andere Themenbereiche richtete.

Große Sorge bereitete ihr in dieser Zeit die Verfolgung ehemaliger Kommunisten, Intellektueller und Künstler durch Joseph McCarthy und seine Anhänger, während sie den Volksaufstand in Ungarn 1956 äußerst positiv aufnahm.

Schon Mitte der 50er Jahre hatte Arendt einen Antrag auf Wiedergutmachung des ihr durch die Nationalsozialisten angetanen Unrechts gestellt, der mehrmals abgelehnt wurde. Karl Jaspers schrieb ein Gutachten, dass es sich bei ihrer Schrift über Rahel Varnhagen in der Fassung von 1933 um eine abgeschlossene erfolgreiche Habilitationsarbeit gehandelt habe, die nur wegen der Machtergreifung nicht vorgelegt werden konnte. Endlich erhielt Arendt 1972 einen größeren Betrag seitens der Bundesregierung. Ihr Fall wurde zum Präzedenzfall. Auch andere profitierten von ihrer jahrelangen Prozessführung.

1958 brachte sie ihre große philosophisch grundierte Arbeit: The Human Condition (dt.: Vita activa, 1960) heraus. Im selben Jahr erschien Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus (engl.: als Teil der 2. Auflage von The Origins of Totalitarism) und die mit einem aktuellen Vorwort versehene Biografie über Rahel Varnhagen sowie 1961 Between Past and Future (Sechs Essays über das politische Denken) und 1963 Über die Revolution (engl.: On Revolution 1965).

Zur Adenauer-Ära in Deutschland äußerte sie sich kritisch. Nachdem zunächst Nazi-Täter kaum bestraft worden seien, wurden nach dem Eichmann-Prozess langsam die schlimmsten vor Gericht gestellt. „Ein böses Zeichen sind die unglaublich milden Urteile der Gerichte. Ich glaube für 6500 vergaste Juden bekommt man 3 Jahre 6 Monate, oder so ähnlich [...]. Diese sogenannte Republik ist wirklich 'wie gehabt'. Und über diese politischen Dinge wird auch die wirtschaftliche Entwicklung auf die Dauer nicht hinweghelfen.“ (Arendt an Jaspers, Juli/August 1962)

Im Laufe der Jahre setzte sie sich wiederholt mit der Diskriminierung der Schwarzen, der „Negerfrage“ in den USA auseinander, deren Lösung sie für unabdingbar für die Existenz der Republik hielt. Später verurteilte sie den Vietnamkrieg.

Im Juni 1968 schrieb sie an Karl Jaspers: „Mir scheint, die Kinder des nächsten Jahrhunderts werden das Jahr 1968 mal so lernen wie wir das Jahr 1848.“

Eichmann-Prozess

Prozessberichterstattung und nachfolgende Kontroversen

1961 nahm sie von April bis Juni als Reporterin der Zeitschrift The New Yorker an dem Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem teil. Daraus ging eines ihrer bekanntesten und damals sehr umstrittenen Bücher Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen hervor, welches 1963 veröffentlicht wurde. Adolf Eichmann wurde 1960 in Argentinien vom israelischen Geheimdienst gefasst und nach Jerusalem entführt. Ihre vieldiskutierte Wendung im Hinblick auf Eichmann – die „Banalität des Bösen” – wurde zu einem geflügelten Wort.

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Eichmann macht sich Notizen bei seinem Prozess in Jerusalem
„'In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren »Banalität des Bösen«, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert.” (Eichmann in Jerusalem, 2004, S. 371)

Um das Werk wurden heftige Kontroversen geführt. Insbesondere der Ausdruck Banalität in Bezug auf einen Massenmörder wurde von verschiedenen Seiten, darunter auch von Hans Jonas, angegriffen.

In ihrer Einleitung zur deutschen Ausgabe 1964 erläutert Arendt den Terminus. „ ... in dem Bericht kommt die mögliche Banalität des Bösen nur auf der Ebene des Tatsächlichen zur Sprache, als ein Phänomen, das zu übersehen unmöglich war. Eichmann war nicht ... Macbeth ... Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive.” (Ausg. 1976, S. 15f.) Niemals hätte er seinen Vorgesetzten umgebracht, er sei nicht dumm gewesen, sondern „schier gedankenlos”. Dies habe ihn prädestiniert, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden. Dies sei „banal”, vielleicht sogar „komisch“. Man könne ihm beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen. Trotzdem sei er nicht alltäglich. „Dass eine solche Realitätsferne und Gedankenlosigkeit in einem mehr Unheil anrichten können als alle die dem Menschen innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen, das war in der Tat die Lektion, die man in Jerusalem lernen konnte. Aber es war eine Lektion und weder eine Erklärung des Phänomens noch eine Theorie darüber.

In einem Brief an Mary McCarthy (20. September 1969) formuliert Arendt: „ ... die Wendung »Banalität des Bösen« als solche steht im Gegensatz zu der vom »radikal Bösen«, die ich [Arendt] im Totalitarismus-Buch benutze.“ (S. 234)

Hinzu kam die Art des Verbrechens, die nicht einfach kategorisierbar sei. Was in Auschwitz geschah, sei beispiellos gewesen, der vom englischen Imperialismus herkommende Ausdruck „Verwaltungsmassenmord” sei der Sache angemessener als der Begriff „Genozid”.

Debatte über die Rolle der Judenräte

Darüber hinaus wurde Arendt vorgeworfen, die Rolle der Judenräte zu kritisch betrachtet zu haben. Eichmann habe „Kooperation” von den Juden verlangt und sie in „wahrhaft erstaunlichem Maße” erhalten. Auf dem Weg in den Tod hätten die Juden nur wenige Deutsche gesehen. Die Mitglieder der Judenräte hätten von den Nazis eine „enorme Macht über Leben und Tod” bekommen, „so lange, bis sie selbst auch deportiert wurden.” So seien beispielsweise die Transportlisten in Theresienstadt vom Judenrat zusammengestellt worden. „Diese Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte.” (S.153). Der ehemalige Oberrabiner von Berlin, Leo Baeck, einer der wichtigsten Vertreter der Juden in Deutschland, hatte geäußert, es sei besser für die Juden, über ihr „Schicksal” nicht Bescheid gewusst zu haben, da diese Erwartung des Todes nur noch belastender gewesen wäre. (S. 155)

Diese kurze Passage wurde von vielen jüdischen Organisationen besonders heftig kritisiert. In einem Brief an Mary McCarthy vom 16. September 1963 schreibt Arendt, sie habe gehört, dass die Anti-Defamation League einen Rundbrief an alle New Yorker Rabbiner geschickt habe, am Neujahrstag (Rosh ha Shana, 04.Oktober) gegen sie zu predigen. Bei der erfolgreichen politischen Kampagne gehe es darum, ein „Image“ zu schaffen, das das wirkliche Buch zudecken werde. Sie fühle sich machtlos gegenüber der großen Zahl der Kritiker mit Geld, Personal und Verbindungen. (Brief an McCarthy 20. September 1963)

Hannah Arendt sah es als eine „Wohltat” an, vor Gericht den „ehemaligen jüdischen Widerstandskämpfern” zu begegnen. „Ihr Auftreten verjagte das Gespenst einer allseitigen Gefügigkeit ...” (S. 159) In den „Todeslagern” seien „die direkten Handreichungen zur Vernichtung der Opfer im allgemeinen von jüdischen Kommandos verrichtet” worden. „Das alles war zwar grauenhaft, aber ein moralisches Problem war es nicht. Die Selektion .. der Arbeiter in den Lagern wurde von der SS getroffen, die eine ausgeprägte Vorliebe für kriminelle Elemente hatte.” Das moralische Problem sei das „Gran” (kleines Gewicht) Zusammenarbeit bei der Endlösung gewesen. (S. 159f)

Gershom Scholem äußerte sich einige Monate nach Erscheinen des Buches, er vermisse ein abgewogenes Urteil. „In den Lagern wurden Menschen entwürdigt und, wie Sie selber sagen, dazu gebracht, an ihrem eigenen Untergang mitzuarbeiten, bei der Hinrichtung ihrer Mitgefangenen zu assistieren und dergleichen. Und deswegen soll die Grenze zwischen Opfern und Verfolgern verwischt sein? Welche Perversität! Und wir sollen da kommen und sagen, die Juden selber hätten ihren ,Anteil’ an dem Judenmord.” (Der Zeitgeist. Halbmonats-Beilage des Aufbau, No. 208, New York, December 20, 1963, S.17 f.).

Persönliche Verantwortung gegen Kollektivschuld

In ihrem Vortrag: Persönliche Verantwortung in der Diktatur, den sie 1964 und 1965 in der BRD gehalten hat, betonte Arendt erneut, dass die Veröffentlichung lediglich ein „Tatsachenbericht“ war. Ihre Kritiker und Apologeten hätten dagegen Probleme der „Moralphilosophie“ diskutiert. Mit Entsetzen habe sie u.a. vernommen: „Jetzt wissen wir, dass in jedem von uns ein Eichmann steckt.“ Der Mensch sei jedoch ein frei handelndes, für seine Taten verantwortliches Wesen. Schuld haben demnach bestimmte Personen auf sich geladen. Die Idee einer Kollektivschuld lehnte sie entschieden ab. „Wo alle schuldig sind, da ist es niemand ... Ich habe es immer für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, daß sich im Deutschland der Nachkriegszeit diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie sich fühlten, wohingegen nur wenige der Verbrecher bereit waren, auch nur die geringste Spur von Reue zu zeigen.

Sie stellte heraus, der Prozess gegen Eichmann sei korrekt abgelaufen. Seine Einlassung, er sei nur ein Rädchen im großen bürokratischen Apparat gewesen, ist für das juristische Urteilen irrelevant, und er wurde mit Recht hingerichtet. Im Nationalsozialismus waren alle Schichten der offiziellen Gesellschaft an den Verbrechen beteiligt. Als Beispiel gibt sie an, dass dem Massenmord eine Reihe antijüdischer Maßnahmen vorangegangen waren, die im Einzelfall gebilligt worden waren, „bis eine Stufe erreicht war, daß Schlimmeres überhaupt nicht mehr passieren konnte.“ Die Taten wurden nicht von „Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“. Folglich sollten diejenigen, die mitmachten und Befehlen gehorchten, nie gefragt werden: „Warum hast du gehorcht?“ sondern: „Warum hast du Unterstützung geleistet?“

Hannah Arendt wies selbst darauf hin, dass sie diese Anforderungen eventuell nicht erfüllt hätte: „Wer hat je behauptet, dass ich, indem ich ein Unrecht beurteile, unterstelle, selbst unfähig zu sein, es zu begehen?“ (Israel, Palästina und der Antisemitismus)

Arabischer Antisemitismus

Hannah Arendt sah den kommenden arabischen Antisemitismus als Fortsetzung nationalsozialistischer Ideen und Taten. „Die Zeitungen in Damaskus und Beirut, in Kairo und Jordanien verhehlten weder ihre Sympathie für Eichmann noch ihr Bedauern, daß er »sein Geschäft nicht zu Ende geführt« habe; eine Rundfunksendung aus Kairo am Tag des Prozessbeginns enthielt sogar einen kleinen Seitenhieb auf die Deutschen, denen jetzt noch vorgeworfen wurde, dass »im letzten Krieg nicht ein deutsches Flugzeug je eine jüdische Siedlung überflogen und bombardiert« hätte.“ (Eichmann, 1986, S. 81)

Späte hebräische Ausgabe

Als im Sommer 2000 in Tel Aviv eine hebräische Ausgabe von Eichmann in Jerusalem als erstes Werk Arendts veröffentlicht wurde, flammte die Diskussion noch einmal auf. Es ging zum einen um die Prozessführung, die von Hannah Arendt kritisiert worden war. Ihr wurde in diesem Zusammenhang grundsätzlicher Antizionismus vorgeworfen.[1]

Darüber hinaus wurde, wie schon bei Erscheinen des Buches, ihre Auffassung über die Rolle der Judenräte und der Begriff der „Banalität des Bösen“ abgelehnt.

Berufung an die Universität Chicago und Auszeichnungen

Im Frühjahr 1959 erhielt sie einen Ruf an die Princeton University für ein Semester. Sie war die erste Frau die hier lehren durfte.

Von 1963 bis 1967 war Hannah Arendt Professorin an der University of Chicago und von 1967 bis 1975 an der Graduate Faculty der New School for Social Research in New York.

In den USA wurde Hannah Arendt mit zahlreichen Ehrendoktoraten ausgezeichnet. Im westlichen Nachkriegs-Deutschland wurden ihr bedeutende Auszeichnungen zuteil: so 1959 der Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg und 1967 der Sigmund-Freud-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. 1975 erhielt sie den Sonnig-Preis für Beiträge zur europäischen Kultur der dänischen Regierung.

Entfaltung ihres Denkens in Reden und Essays

Anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises äußerte sich Hannah Arendt in ihrer Rede über Lessing Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten zu ihrer Gesinnung. Im Sinne Lessings sei Kritik stets das Begreifen und Beurteilen im Interesse der Welt, woraus niemals eine Weltanschauung werden könne, „die sich auf eine mögliche Perspektive festgelegt hat.” Nicht das Misstrauen gegen Aufklärung oder Humanitätsglauben des 18. Jahrhunderts erschwere das Lernen von Lessing, sondern das 19. Jahrhundert mit seiner Geschichtsbesessenheit und Ideologieverschworenheit stehe zwischen uns und Lessing. Ziel sei das freie Denken „ohne das Gebäude der Tradition” mit Intelligenz, Tiefsinn und Mut. Eine absolute Wahrheit existiere nicht, da sie sich im Austausch mit anderen sofort in eine „Meinung unter Meinungen“ verwandle und Teil des unendlichen Gesprächs der Menschen sei, in einem Raum, wo es viele Stimmen gebe. Jede einseitige Wahrheit, die auf nur einer Meinung beruht, sei unmenschlich.

1975 betonte sie in ihrer Rede zur Preisverleihung des Sonnig-Preises, wie sehr sie die USA als Rechtsstaat schätze, es handele sich dabei um die Herrschaft der Gesetze (Verfassung der USA) und nicht um diejenige der Menschen. Als amerikanische Staatsbürgerin halte sie dennoch an der deutschen Sprache fest. Sie unterstrich, wie wichtig die Rolle Dänemarks im Zweiten Weltkrieg gewesen sei, als es gelang, durch politischen Druck (auch durch den König) und Druck der öffentlichen Meinung die Juden, die sich in Dänemark aufhielten, vor der Deportation durch die Nazis zu bewahren. „Nirgendwo sonst war das passiert.

Politisch sprach sich Arendt auf dem Hintergrund des Ungarn-Aufstands für einen Rätegedanken auf der Grundlage der Freiheit des Einzelnen aus, ein staatliches Ideal, wie es auch ihr zweiter Ehemann, ein ehemaliger Kommunist vertreten hatte. Sie ging davon aus, dass jeder Mensch zum Denken und damit zur Politik befähigt ist und der politische Raum nicht für Spezialisten reserviert werden darf.

Arendt verfasste, zumeist als Auftragsarbeiten, Essays über Individuen, die durch ihr Leben und ihr politisches oder literarisches Werk Außergewöhnliches hervorgebracht haben. Sie beschrieb unterschiedliche Persönlichkeiten, wie Angelo Guiseppe Roncalli (Johannes XXIII.). Der christliche Papst, Isak Dinsen (Karen Blixen), Hermann Broch, Walter Benjamin u.a. Diese Essays erschienen in Anspielung auf das Brechtgedicht An die Nachgeborenen unter dem Titel Men in dark times (durch weitere Texte ergänzte deutsche Fassung: Menschen in finsteren Zeiten).

In ihrem 1966 veröffentlichten Essay A heroine of Revolution, (Deutsch 1968: Rosa Luxemburg), würdigt sie Rosa Luxemburg als unorthodoxe selbständig denkende deutsch-jüdische Marxistin polnischer Herkunft, die niemals zu den Gläubigen gehört habe, die Politik als Religionsersatz aufgefasst hätten. Sie habe es gewagt, öffentlich Lenin zu kritisieren und wegen ihrer Eigenwilligkeit, Verachtung für Karrieristen und Statusgläubigen oft am Rande der kommunistischen Bewegung gestanden. Als radikale Kriegsgegnerin und Kämpferin für politische Freiheit sowie eine uneingeschränkte Demokratie habe sie häufig Kritik auf sich gezogen. Ihre moralische Haltung beruhte, so Arendt, auf dem Ehrenkodex einer kleinen jüdischen intellektuellen Elite der Ostjuden, die sich selbst als Kosmopoliten betrachteten. Arendt bezeichnet sie hingegen als Europäer. In der Weimarer Republik, wo zur Zeit der Ermordung Liebknechts und Luxemburgs die Regierungsgewalt praktisch in den Händen der Freikorps gelegen habe, wurden der Häscher und der Mörder Rosa Luxemburgs zu einer - wenn auch geringen - Gefängnisstrafe verurteilt, wohingegen die Bonner Regierung zu verstehen gegeben habe, dass es sich bei der Ermordung der beiden um eine Hinrichtung in Übereinstimmung mit den Kriegsgesetzen und somit um einen legalen Vorgang gehandelt habe.

Vergleich von amerikanischer und französischer Revolution und Verfassung

In ihrem wie die Vita activa auf Vorlesungen beruhenden 1963 erschienenen Buch: On Revolution vergleicht Arendt die französische mit der amerikanische Revolution und stellt auch hier das Politische in den Mittelpunkt ihres Denkens.

Demnach scheiterte die Französische Revolution am Terror Robespierres, der den Versuch machte, das soziale Elend zu überwinden und eine egalitäre Gesellschaft auf moralischer Grundlage zu schaffen. Die amerikanische Revolution konnte dagegen fast ausschließlich politische Ziele verfolgen, da die soziale Frage nicht so brennend gewesen sei. So war es möglich, eine freie Republik zu bilden, in der der Bürger in öffentlich-politischen Angelegenheiten bei aller Pluralität mit anderen Bürgern gleichberechtigt war.

Philosophischer Fortschrittsglaube dürfe nicht, wie bei der Französischen Revolution, zum Kriterium im politischen Raum werden. Gerade die Umsetzung der philosophischen Ideen habe zur Schreckensherrschaft geführt. In der amerikanischen Revolution seien hingegen die Grundsätze der Antike und daran anschließend diejenigen Montesquieus verwirklicht worden: das Prinzip der Gewaltenteilung oder „Machtteilung“ (Über die Revolution 1974, S. 198) und das Prinzip des Föderalismus kleiner Republiken mit einer zentralen Gewalt, das die Macht begrenzt.

Die politische Gemeinschaft der Auswanderer habe einen „Bund“ geschlossen, der aus einem „Akt des Sichaneinanderbindens“ bestehe.

Die politische Gemeinschaft, die auf Grund dieses <Bundes> entsteht, enthält die Quelle für die Macht, die allen denen zufließt, die ihm angehören und die außerhalb der politischen Gemeinschaft zur Ohnmacht verurteilt wären. Im Gegensatz hierzu erwirbt der Staat, der aus der Zustimmung der Untertanen entsteht, ein Machtmonopol, das außerhalb des Zugriffs der Beherrschten steht, die aus dieser politischen Ohnmacht nur heraustreten können, wenn sie beschließen, den Staatsapparat zu brechen...“ (ÜdR 1974, S.221f)

Die Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776 habe diesem Grundsatz der Freiheit im Rahmen einerVerfassung der Vereinigten Staaten entsprochen, während die französische Verfassung auf der Grundlage eines zentralistisch organisierten Nationalstaates entstand, der die Bürger nicht mit mehr, sondern mit weniger Macht ausstattete. Da die Französische Revolution aus der absolutistischen Monarchie, die Amerikanische jedoch aus einer <begrenzten Monarchie> hervorgegangen sei, sei in Frankreich nunmehr der „Wille der Nation die Quelle der Gesetze“ geworden, während in den Vereinigten Staaten im Anschluss an Montesquieu die Regierungsgewalt durch Gesetze beschränkt worden sei. (ÜdR 1974, S. 203)

Zu Fragen der Ethik

Arendt postuliert, dass die Menschen von Natur aus weder gut noch böse seien. Allein das Individuum trägt ihrer Auffassung nach die Verantwortung für seine Taten. Daher müssten Verbrechen, aber auch politische „Lügen“ geahndet werden. In Staaten mit einer Verfassung, die das politische Leben regelt, sei es für den Einzelnen leichter, sich nach „moralischen Maßstäben“ zu verhalten, als in „finsteren Zeiten“. Umso schwerwiegender sei das Denken, Urteilen und Handeln gerade in nichtdemokratischen Herrschaftsformen.

Menschen, die sich politisch interaktiv auf der Grundlage persönlicher Wahrhaftigkeit bewähren, handeln nicht unbedingt moralisch in Bezug auf den privaten Bereich. Sie lehnt den Rückgriff auf Transzendenz oder Gewissen zur Begründung von Moral ab, da sie davon überzeugt ist, dass auf diesen Wegen erzeugte Werte manipulierbar seien. Für sie ist die totale Herrschaft ein System, in dem der bisherige Moralkodex umgedeutet wird.

Denn so wie Hitlers <<Endlösung>> in Wirklichkeit bedeutete, dass die Elite der Nazipartei auf das Gebot <<Du sollst töten>> verpflichtet wurde, so erklärte Stalins Verlautbarung das <<Du sollst falsches Zeugnis reden>> zur Verhaltensregel für alle Mitglieder der bolschewistischen Partei. (EuU 1986, S. 645)
Diejenigen, die im Nationalsozialismus nicht kollaborierten, stellten sich die Frage, inwiefern sie mit sich selbst in Frieden leben könnten, wenn sie bestimmte Taten begangen hätten. Dabei verlief die Trennungslinie quer zu allen sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Unterschieden. Festzustellen war der totale Zusammenbruch der „ehrenwerten Gesellschaft“. (IuP 1991, S.33ff)

Sie zitiert Kants Kategorischen Imperativ und stellt den Egoismus den Anforderungen des Gemeinwesens gegenüber. Dabei entwickelt sie die Vorstellung einer gemeinschaftlichen Ethik, die immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Den Philosophen lastet Arendt an, sie hätten sich zu wenig mit der Pluralität der Menschen auseinander gesetzt. Darüber hinaus gebe es eine Art von Feindseligkeit der meisten Philosophen gegen alle Politik. Auch nach der Zeit des Totalitarismus sieht sie eine Hoffnung für die Welt durch jeden Menschen, der geboren wird und einen Neuanfang machen kann.

In der Schlechtigkeit, d.h. im Bösen, sieht Arendt ein Phänomen mangelnder Urteilskraft. Der Mensch ist – auch im Verbrechen - immer auf andere bezogen, entwickelt einen Willen, der mit dem Willen anderer konfrontiert wird und muss seine Taten reflektieren, sonst wird er zum Getriebenen.

In ihrer posthum veröffentlichten 1965 gehaltenen Vorlesung: Über das Böse beschäftigt sich Arendt mit einer facettenreichen Definition des Bösen, die das Besondere des Nationalsozialismus mit seinen Vernichtungslagern wie auch das universal Böse umfasst.

Veröffentlichungen und Auftritte in der Öffentlichkeit

Arendts Bücher und Aufsätze sind teilweise in unterschiedlichen Fassungen in englischer und in deutscher Sprache erschienen. Dies trifft beispielsweise auf Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1955) und auf Macht und Gewalt (1970) zu. Arendt hat einige ihrer Texte selbst übersetzt und dabei verbessert, andere sind von professionellen Übersetzern übertragen und danach von Arendt korrigiert worden. Einige ihrer Werke hat ihre Freundin Mary McCarthy gegengelesen. Teilweise gab es vor dem Erscheinen der Bücher vorbereitende Artikel in Zeitschriften, vor allem in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich. Auch in ihren Vorlesungen hat sie die Themen ihrer Werke aufgegriffen und Passagen vor der Veröffentlichung mit ihren Studenten besprochen, ebenso im Briefwechsel mit ihrem Partner und ihren Freunden. Vorträge, Interviews, die Teilnahme an Tagungen und Diskussionsveranstaltungen, insbesondere in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, dienten der Verbreitung ihrer Gedanken.

Die Ausdrucksweise Hannah Arendts ist rational und nüchtern. Häufig werden Begriffe mit anderer als in der Umgangs- oder Wissenschaftssprache üblicher Bedeutung benutzt. Dies erläutert sie einfach und direkt.

Hannah Arendt scheute dennoch Zeit ihres Lebens persönliche Auftritte in der Öffentlichkeit. Dies äußerte sie zuletzt in ihrer Rede zur Verleihung des Sonnig-Preises in Dänemark kurz vor ihrem Tod. Im Brief an ihren Mann Heinrich Blücher vom 8. März 1955 schreibt sie dazu: „Kein Erfolg hilft mir über das Unglück »im öffentlichen Leben« zu stehen, hinweg ... Was ich nicht schaffen kann, ist das auf dem Präsentierteller stehen und auf ihm dauernd verbleiben.“ Sie machte einen radikalen Unterschied zwischen „Privat und Öffentlich“ (25. Mai 1958 ebenda). Ihre Briefwechsel mit verschiedenen Partnern, in denen sie häufig harte Urteile über bekannte Persönlichkeiten fällte, zählte sie wohl zum Privatleben. Das mühselige tätige Leben, das auf das Denken folgt, nah an den Sorgen der Mitmenschen, sei eher Sache derjenigen, die die Öffentlichkeit nicht scheuen, äußerte sie in einer ihrer Vorlesungen, die erst posthum veröffentlicht wurden. Vor der Laudatio auf Karl Jaspers, als dieser 1958 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, hatte Arendt zunächst Skrupel, die Festrede zu halten, da sie mit Jaspers eng befreundet war.

In dieser Rede in der Frankfurter Paulskirche setzte sie sich mit den Vorstellungen Öffentlichkeit, Person und Werk auseinander: Nach Cicero werde mit einer Laudatio die Würde eines Menschen, die mehr ist als die Summe seiner Werke, gefeiert und zwar nicht nur von Fachkollegen und Experten, sondern von der Öffentlichkeit. Zwar sei in der modernen Zeit das Vorurteil verbreitet, dass nur das von der Person abgelöste Werk das Objektive sei und in die Öffentlichkeit gehöre. Alles Private könne leicht pathetisch wirken. Daher sei es angemessen, nicht das Subjektive und das Objektive, sondern das Subjektive und das Personhafte zu unterscheiden. Das Subjektive an einem Werk, wie beispielsweise der Arbeitsprozess, gehe die Öffentlichkeit nichts an. In Werken, die nicht rein akademisch sind, sondern Resultate lebendigen Handelns und Sprechens, werde eine zwar erkannte aber über das eigene Bewusstsein hinausgehende Personhaftigkeit erscheinen, die römische humanitas, die Kant und Jaspers Humanität nennen. Diese Humanität könne nur erreichen, wer sein Leben, seine Person und das damit verbundene Werk dem Wagnis der Öffentlichkeit auszusetzen bereit sei.

Jaspers habe häufig den akademischen Raum verlassen und sich in der Öffentlichkeit nicht nur philosophisch, sondern auch politisch geäußert. Er habe jedoch nie im Namen einer Gruppe gesprochen. Er habe den freien Austausch mit anderen gesucht, denn nur so sei es möglich vernünftig zu sein. Jaspers habe zur Existenzerhellung auch in Zeiten der Gewaltherrschaft beigetragen, nicht als Vertreter Deutschlands, sondern der Vernunft, die nur zerstört werden könne, wenn der letzte Vernünftige „totgeschlagen“ sei. Arendt vertritt eine Version der geistig - freiheitlichen Person, wenn sie abschließend sagt: „Es ist das Reich der humanitas, zu dem ein jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ursprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich ...

In ihrer Ansprache zum Tode von Karl Jaspers während der Gedenkfeier der Universität Basel im März 1969 kam sie auf dieses Thema zurück: Jaspers habe in seinem Leben exemplarisch die Dreieinigkeit von Vernunft, Freiheit und Kommunikation dargestellt.

Hannah Arendt hat sich niemals als Marxistin bezeichnet, obwohl sie Marx, anders als den anderen „Ideologen“ des 19.Jahrhunderts „Mut“ und Gerechtigkeitssinn bescheinigte, seine Analysen und ihn selbst als „Rebellen und Revolutionär“ schätzte. Die „Fiktion“ des Kommunismus lehnte sie ausdrücklich ab. Arendt hatte lebenslang keinerlei Bezug zu utopischem Denken. Die Begriffe links und rechts als politische Kategorien kommen in ihrem Werk nicht vor. Sie legte den Schwerpunkt hingegen auf politische Weltanschauungen bzw. Ideologien als Grundlagen für Staaten, die sie danach beurteilt, wieviel politische Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dem Einzelnen in der Öffentlichkeit und insbesondere in der Politik zugestanden wird, bzw. er sich mit anderen erkämpfen kann. Dabei unterscheidet sie lediglich drei Herrschaftsformen: Demokratie, Republik, Räterepublik u.ä. als unterschiedlich freiheitliche Systeme, Diktatur bzw. „Tyrannis“ als „normale“ Unterdrückungsregimes und die Totale Herrschaft.

Beziehungen und Freundschaften

Freundschaften spielten eine sehr große Rolle in Hannah Arendts Leben. Neben ihrer sehr engen Partnerschaft mit ihrem Ehemann, der 1970 verstarb, pflegte sie geistig intensive Freundschaften u.a. mit Mary McCarthy, Uwe Johnson, Kurt Blumenfeld, Karl Jaspers und auch bis zuletzt mit Martin Heidegger. Jedoch hatte letztere einen besonderen Charakter. Während sie sich mehrmals abfällig über Heidegger als Menschen äußerte, beispielsweise im Brief an Jaspers vom 29. September 1949 und in den Briefen an Blücher vom 3. Januar 1950 und vom 26. Oktober 1959, betrachtete sie ihn und Karl Jaspers als die größten zeitgenössischen Philosophen. In den Jahren zwischen 1933 und 1951 hatte sie keinerlei Verbindung zu Heidegger, der der NSDAP angehört hatte. 1950 hat Arendt die Beziehung zu ihm wieder belebt, allerdings blieb sie zeitlebens ambivalent. An Blumenfeld schreibt sie im Dezember 1957, Heideggers Arbeit über Identität und Differenz sei „hochinteressant, aber - er zitiert sich selbst und interpretiert sich, als ob es ein Text aus der Bibel sei. Und der ist wirklich genial und nicht nur hochbegabt. Also: was hat er das nötig? Diese unsäglich schlechten Manieren.“

Anlässlich seines 80. Geburtstages hielt sie im Herbst 1969, bereits nach Jaspers' Tod, einen Vortrag im Bayrischen Rundfunk, in dem sie ausführte: „Wir, die wir die Denker ehren wollen, wenn auch unser Wohnsitz mitten in der Welt liegt, können schwerlich umhin, es auffallend und vielleicht ärgerlich zu finden, daß Plato wie Heidegger, als sie sich auf die menschlichen Angelegenheiten einließen, ihre Zuflucht zu Tyrannen und Führern nahmen.“ Diese Vorliebe nennt sie "déformation professionelle". „Denn die Neigung zum Tyrannischen läßt sich theoretisch bei fast allen großen Denkern nachweisen (Kant ist die große Ausnahme).“ Heidegger zitierend, fährt sie fort: nur sehr wenige verfügten über das Vermögen, "vor dem Einfachen zu erstaunen", und sind darüber hinaus bereit, "dieses Erstaunen als Wohnsitz anzunehmen". „Bei diesen wenigen ist es letztlich gleichgültig, wohin die Stürme ihres Jahrhunderts sie verschlagen mögen. Denn der Sturm, der durch das Denken Heideggers zieht - wie der, welcher uns nach Jahrtausenden noch aus dem Werk Platos entgegenweht - stammt nicht aus dem Jahrhundert. Er kommt aus dem Uralten, und was er hinterlässt, ist ein Vollendetes, das, wie alles Vollendete, heimfällt zum Uralten.“ (Neuauflage. In: Menschen in finsteren Zeiten S. 183f) Diese Passage hätte sie wohl nicht zu Lebzeiten Karl Jaspers', der sich immer als Demokrat verstanden hatte, verfasst.

Sowohl die Veröffentlichung einiger Werke Jaspers' als auch Heideggers in den USA hat Hannah Arendt tatkräftig vermittelt und unterstützt. Teilweise hat sie die Übersetzungen beaufsichtigt. Im jeweiligen Briefwechsel wird die Hilfe wiederholt thematisiert. Beide sind sehr an der Verbreitung ihrer Arbeiten in den Vereinigten Staaten interessiert und bedanken sich brieflich bei ihr.

Hauptwerke

Arendts Denk- und Lebensweg weisen ein hohes Maß an Übereinstimmung auf. Nach der eher noch traditionell philosophisch orientierten Dissertation „Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation”, die sie unter dem Einfluss von Heidegger und Jaspers aus existenzphilosophischer Perspektive schrieb, begann sie mit der biografischen Studie über Rahel Varnhagen eine Arbeit, die sich mit dem Versuch der Assimilation der Juden im 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Die Erfahrung des Nationalsozialismus führte zur Analyse des Antisemitismus und totalitärer Herrschaft. Das Erleben der politischen Freiheit und der selbstverantwortlichen aktiven Mitwirkung der Bürger am öffentlichen Leben in den USA ließ sie die Theorie des politischen Handelns in Vita activa entwickeln. Ähnlich wie Karl Jaspers hatte sie dabei schon früh die Probleme der Massengesellschaft und des Imperialismus als eine weltweite Ausdehnung des Kapitals im Blick. In ihrem gesamten Werk steht die Verantwortung des Individuums im Zentrum ihrer Überlegungen, im Alterswerk insbesondere sein Denken, Wollen und Urteilen. Nach Arendt wird die Wahrheit auf der Grundlage von Freiheit und Differenz in jeder Generation neu ausgehandelt.

Rahel Varnhagen

Hauptartikel: Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik

Hannah Arendt über ihr Werk

Das Manuskript für ihr großes Jugendwerk über Rahel Varnhagen hatte Arendt bereits 1931 bis Anfang 1933 in Berlin verfasst. Die zwei letzten Kapitel zu ihrer Theorie über Paria und Parvenu entstanden erst im Exil in Paris 1938. Jaspers gegenüber bezeichnete sie das Buch als „Frauenbuch“ (Brief vom 7. September 1956, Briefwechsel 1985, S. 332).

Das Werk erschien erst 1958 in englischer Sprache, aus dem Deutschen übersetzt, herausgegeben vom Leo Baeck Institut. Die deutsche Fassung kam 1959 auf den Markt. Es stützt sich auf veröffentlichte und unveröffentlichte Briefe sowie Tagebuchaufzeichnungen Rahel Varnhagens, geb. Levin, die Arendt z. T. erstmals auswertete.

Arendt wirft dem Ehemann August Varnhagen vor, er habe den Nachlass seiner Frau insofern manipuliert, als er jüdische klingende Namen durch deutsch-aristokratische ersetzt habe. (RV 1981, S.9)

Neben der Biografie enthält das Buch Auszüge aus Rahels Briefen und Tagebüchern, wodurch Arendt versucht, der 'Innensicht' Rahels nahe zu kommen. (RV 1981, S.15) Die Kritik an der Protagonistin soll demnach deren Selbstkritik entsprechen.

Arendt möchte ihrer Arbeit nicht die Sichtweise der Moderne zu Grunde legen. „Pseudowissenschaftliche“ Methoden wie „Tiefenpsychologie“, „Psychoanalyse“, „Graphologie“ usw. lehnt sie ab.(RV 1981,Vorwort)

Sie bezeichnet ihr Werk als einen Beitrag zur Geschichte der deutschen Juden und zwar desjenigen Ausschnitts, der die Problematik der Assimilation (Anpassung) behandelt. Am Beispiel Rahels zeigt sie die Art und Weise, in der sich der Antisemitismus der gesellschaftlichen und geistigen Umwelt unmittelbar auf ein persönliches Schicksal auswirkt.

Kampf um Anerkennung

Rahel Levin, geb. 1771, wuchs in Berlin als Tochter reicher Eltern auf, die Teile ihres Vermögens verloren. Als zunächst wenig gebildete, nicht schöne, jüdische Frau hatte sie wenig Chancen, eine soziale Existenz in der Gesellschaft zu erlangen.

In ihrer Jugendzeit forderten viele Vertreter der Aufklärung gleiche Rechte für die seit Jahrhunderten unterdrückten und verfolgten Juden. Von Lessing übernahm Rahel die Auffassung: Auf das Selbstdenken kommt es an.(RV 1981, S.23) Die Vernunft befreit aber nur das Individuum, hat jedoch keinen Einfluss auf historisch gewachsene <Vorurteile> gegen Juden. So fühlte sich Rahel von Geburt an benachteiligt und unglücklich ohne Tradition und Vorbild.

Arendt beschäftigt sich hauptsächlich mit Rahel Varnhagens Denken und ihrer Stellung in der deutschen Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts als jüdische kluge Frau mit Witz, die auf unterschiedliche Weise versucht, ihr Judentum abzulegen. Rahel geht dabei so weit, an ihren Bruder zu schreiben: „Der Jude muss aus uns ausgerottet werden.“ (RV 1981, S.142)

Aufgeklärt und auf Vernunft gestützt, war es Rahel Levin gelungen, gleichberechtigten Umgang mit Literaten, Wissenschaftlern und Philosophen zu pflegen, nicht aber Eingang in die deutsche Standesgesellschaft zu finden.

Das Zurückziehen auf die Innerlichkeit, „Schamlosigkeit“ und das Verwischen der Grenzen zwischen „intim“ und „öffentlich“ sind, laut Arendt, Phänomene der Romantik, die die Wirklichkeit der Welt ausblenden und Rahels Haltung verstärkten, durch Verstellung und Umdeutung der Wahrheit zu Ansehen zu gelangen.

In Rahel Levins erstem Berliner Kreis verkehrten viele Geistesgrößen der damaligen Gesellschaft, aber auch Louis Ferdinand Prinz von Preußen, sowie Schauspieler, die - wie Juden - von der Gesellschaft nicht anerkannt wurden. In den wenigen Stunden der Begegnung fühlte sich Rahel mit allen gleichberechtigt. Standesunterschiede, Religion und Geschlecht spielten hier, so schien es, keine Rolle.

Während sich die jüdischen Männer ihren Geschäften widmeten – Rahel bedauert in einem Brief, dass Frauen dieser Bereich nicht zugänglich sei (RV 1981, S.287) – , vollzogen die eigentliche gesellschaftliche Assimilation die jüdischen Frauen, die kurzzeitig in der Zeit zwischen den Ghettos und antisemitischen Entwicklungen literarische Salons begründeten. „Gerade weil Juden außerhalb der Gesellschaft standen, wurden sie [die jüdischen Salons] für kurze Zeit eine Art neutraler Boden, auf dem sich die Gebildeten trafen.“ (RV 1981, S.72)

Goethe, an dem sie sich später sehr stark orientierte, wie auch ihre Freunde, stellten Rahel Levins <große Originalität> heraus. Dies wurde jedoch nicht von allen positiv, sondern eher als Stillosigkeit und Unordnung betrachtet.

Um in den Adel aufzusteigen oder wenigstens in die höhere Gesellschaft, versuchte Rahel mehrmals vergeblich, ihr Judentum durch eine Ehe zu überwinden, zunächst 1795 mit dem Grafen Karl von Finckenstein, der sie jedoch nicht heiratete, weil seine Familie keine jüdische Schwiegertochter akzeptieren wollte.

Während einer längeren Reise nach Paris 1800 lernte sie - unbelastet von ihrer jüdischen Herkunft und dem Streben nach Höherem - den Liebesgenuss kennen. Zurück in Berlin, suchte sie Halt in einer deistischen Form der Religion, die weder dem Judentum noch dem Christentum ähnelte.

Auch zwei weitere Liebesgeschichten scheiterten: die mit Friedrich von Gentz an dessen „Verrat“ wegen ihrer jüdischen Herkunft, die Verlobung mit einem spanischen Adligen daran, dass dieser ganz bestimmte Vorstellungen über die Unterordnung der Frau unter den Mann hatte. (RV 1981, S.107)

Aus ihren Erfahrungen zog Rahel den Schluss, die Kunst der Lüge zu erlernen. Sie beschloss, wie vor ihr schon ihr Bruder, ihren Nachnamen in Robert zu ändern, um die Trennung von der jüdischen Identität auch äußerlich sichtbar zu machen.

Anfang des 19.Jahrhunderts erschien die erste moderne „Hetzbroschüre“ Wider die Juden, der eine Welle von Antisemitismus folgte. Hannah Arendt vergleicht die Anstrengung von Juden, einzeln in die Gesellschaft aufgenommen zu werden, mit den Antisemiten, die jeweils einen „Ausnahmejuden“ kennen. (Vgl. RV 1981, S.97)

1806 wurde der Salon infolge des Einmarsches Napoleons geschlossen. Die neuen Berliner Salons, eher politisch-literarische Zirkel, ab 1809 waren exklusiver, vom Adel dominiert, patriotisch geprägt und hatten wie z. B. die Christlich-deutsche Tischgesellschaft Statuten, die Frauen, Franzosen, Philistern und Juden den Zutritt verboten. „Worauf es ankam, war, dass man sich geistig gegen die Aufklärung, politisch gegen Frankreich und gesellschaftlich gegen den Salon zusammenfand. Als direkter Protest gegen den jüdischen Salon der Zeit muss der Ausschluß der Frauen verstanden werden, [...] .“ (RV 1981, S.136)

Rahel versuchte zunächst, sich Napoleon als Sieger und Vertreter der Aufklärung anzuschließen, während ihre früheren Freunde wachsendem Chauvinismus verfielen und sie in zunehmende Isolation geriet. In dieser verzweifelten Situation begegnete sie Fichte und übernahm von ihm eine philosophische Form des Nationalismus. Träger der neuen Welt seien nicht Geschichte oder Stand, sondern die Nation. Dies gab Rahel die Chance dazuzugehören, wenn sie ihre individuelle vorherige Existenz „vernichtete“. Gelingen konnte ihr das nicht, „denn der patriotische Antisemitismus, dem auch Fichte nicht fernstand, vergiftete alle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden.“ (RV 1981, S.143)

Gelungene Assimilation?

1808 lernte Rahel Levin August Varnhagen kennen. Um Varnhagen heiraten zu können, ließ sie sich 1814 taufen. Offizielles unterschrieb sie mit ihrem neuen Namen, behielt aber ansonsten ihren Vornamen Rahel bei. (RV 1981, S.299)

Durch die späte Heirat kam sie endlich der ersehnten Assimilation näher. Varnhagen war zum Zeitpunkt der Eheschließung arm, ohne Namen und ohne Stand. Jedoch hatte er durch die Erfahrungen im Militär Aussichten auf eine kleine diplomatische Position. Arendt charakterisiert ihn als banal, aber bildungsfähig. Wie Rahel, wollte er aufsteigen und eine Position in der Gesellschaft einnehmen.

Während des Krieges 1813/14 konnte Rahel sich erstmals praktisch als Deutsche bewähren und ihre neu erworbene Vaterlandsbegeisterung zeigen. Sie kümmerte sich um Verwundete und sammelte Geld. Doch sie lehnte Krieg - im Gegensatz zu den meisten ihrer Zeitgenossen - ab.

Schon 1815 etablierte sich erneut der Antisemitismus offen und stark, 1819 fanden Pogrome in Preußen statt.

Nunmehr strebte Rahel Varnhagen die Aufnahme in den Adelsstand an. August recherchierte seine Herkunft aus der adeligen Familie von Ense. (RV 1981, S.196f) Durch beruflichen Aufstieg und in der Funktion Geheimer Legationsrat verkehrte er mit den Honoratioren der Gesellschaft. Seine finanzielle Situation war gut. Rahel hatte ihr Ziel erreicht. Sie war „dumm“ und „überschwenglich glücklich“, „daß man ihr gnädigst erlaubt mitzutun,“ urteilt Arendt.(RV 1981, S.206)

Trotzdem bleibt ihre Haltung ambivalent. Sie fühlte sich weiterhin „maskiert“ und „fremd“ in einer judenfeindlichen Gesellschaft. In einem Brief an ihre Schwester 1819 sprach sie eine weitere Thematik an: Sie stellte fest, dass die Frauen ganz von des Mannes und des Sohnes Stand geprägt sind, vielfach nicht als Menschen mit Geist betrachtet werden und die Ehe als höchsten menschlichen Zustand ansehen sollten. „Jeder Versuch, [..] den unnatürlichen Zustand zu lösen, wird Frivolität genannt oder noch für strafwürdiges Benehmen gehalten.“ (RV 1981, S. 287f)

Zwischen Paria und Parvenu

Arendt versteht unter einem Parvenu, einen Menschen, der sich in eine Gesellschaft hinein „schwindelt“, in die er nicht gehört. Es ist dieses Lügen, das Rahel wie ihr Mann perfekt beherrschen, und sie ist es dann auch, die August Varnhagen maßgeblich in diese Richtung beeinflusst hat. (RV 1981, S.212) Arendt bezeichnet ihn als Parvenu (RV 1981, S.209), während sie ihre Protagonistin als Person zwischen Paria und Parvenu zeichnet, da ihr das Schwindeln und Geschichten erzählen, das sie als Aufsteigerin ein Leben lang begleitet hat, nunmehr als Heuchelei und Lüge erscheint und zunehmend zur Last wird.

Von 1821 bis 1832 führte Rahel Varnhagen ihren zweiten Salon wiederum mit illustren Gästen wie Heinrich Heine, Hegel, Leopold von Ranke oder Bettina von Arnim. Doch der Salon blieb - im Gegensatz zu dem ersten - nur eine Illusion der Gemeinsamkeit und der Integration. Außerhalb dessen blieben die Varnhagens isoliert und erhielten keine Einladungen zu den angestrebten Kreisen.

Ihren inneren Konflikt drückte Rahel drastisch aus: Was ist es garstig, sich immer erst legitimieren zu müssen! Darum ist es ja nur so widerwärtig, eine Jüdin zu sein!! (RV 1981, S.229). Arendt schlussfolgert:

Es gibt keine Assimilation, wenn man nur seine eigene Vergangenheit aufgibt, aber die fremde ignoriert. In einer im großen Ganzen judenfeindlichen Gesellschaft – und das waren bis in unser Jahrhundert hinein alle Länder, in denen Juden lebten – kann man sich nur assimilieren, wenn man sich an den Antisemitismus assimiliert.“ (RV 1981, S.233).

Juden in Europa waren, auch wenn sie sich assimiliert hatten, Außenseiter, Parias, geblieben, weil sie meistens von großen Teilen des Adels und vor allem vom Bürgertum nicht anerkannt wurden. Zwar konnten die, deren Familien zu Geld gekommen waren, in die Rolle der Parvenus wechseln. Dies war jedoch mit Lüge, Untertanengeist und Heuchelei erkauft. Der Status des unbeliebten Außenseiters wurde auch dadurch nicht überwunden. Einige der Parias wurden zu Rebellen und behielten ihre Identität bei.

Rahel Varnhagen strebte ehrgeizig bis kurz vor ihrem Tod die vollständige Eingliederung in die Gesellschaft als Person an, merkte jedoch zunehmend, dass sie nicht bereit war, die „Wahrheit“ als Wert aufzugeben. Auf diese Weise blieb ihr nichts anderes übrig, als in einem Raum zwischen Paria und Parvenu zu bleiben, denn sie wurde immer wieder mit der Vergeblichkeit ihrer widersprüchlichen Wünsche konfrontiert. Sie kannte den Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit und litt daran, sich immer wieder verstellen zu müssen.

Erst am Lebensende nahm Rahel eine klare Haltung ein, war wieder Jüdin und Paria geworden. Nunmehr sah sie die Realität des Antisemitismus klar. Als Anhängerin Saint-Simons forderte sie Gleichheit und Rechte ohne Berücksichtigung der Herkunft.

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

In ihrem umfangreichsten, vielfach als Hauptwerk bezeichneten, Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft beschäftigt sich Hannah Arendt mit dem Zustandekommen und den Wesensmerkmalen des Nationalsozialismus und des Stalinismus. In der ersten, 1951 erschienenen englischen Fassung sind die Ausführungen über den Stalinismus, aber auch die ausführlichere Analyse des Nationalsozialismus noch nicht vollständig. Hannah Arendt hat dieses auf vielen historischen und literarischen Quellen beruhende Werk im Laufe der Zeit fortgeschrieben. Die deutsche Fassung von 1955 enthielt neuere Quellen. 1958 erschien eine von der Autorin bearbeitete und erweiterte Neuauflage, 1966 schließlich die umfangreichste letzte Edition. Sie schreibt dazu 1966, das ursprüngliche Manuskript sei im Herbst 1949 fertiggestellt worden. (EuU 1986, S.629) Das Werk ist untergliedert in drei Teile: Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft.

Dazu rekonstruiert sie im ersten Teil ihres Buches die Entwicklung des Antisemitismus im 18. und 19. Jahrhundert, im zweiten Teil den Verlauf und die Funktionsweise des Rassismus und des Imperialismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus, und im dritten Teil die beiden Formen totaler Herrschaft auf dem Hintergrund ihrer These der wachsenden Zerstörung des politischen Raums durch die Entfremdung des Individuums in der Massengesellschaft.

Die Beschreibungen der totalitären Herrschaft, insbesondere im dritten Teil ihres Buches, dienten Politikwissenschaftlern dazu, Theorien des Totalitarismus zu entwickeln, die z. T. weit über die strenge Definition Arendts hinausgehen. Außer im Titel der amerikanischen Ausgabe findet der Begriff Totalitarismus in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft keine Verwendung.

Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft

Arendt zeichnet den Zusammenhang des modernen Antisemitismus mit der Entwicklung der Nationalstaaten nach. Eine besondere Rolle in der Entstehung des modernen Antisemitismus spielt dabei der Rationalismus. Kritisch sieht sie alle Ideologien des 19. Jahrhunderts, wie die bürgerliche Wissenschaftsgläubigkeit, z.B. des Darwinismus. Aber auch den Idealismus lehnt sie als Ursprung des nationalsozialistischen „Gesetzes der Natur” ab. Ebenso steht sie dem geschichtsphilosophischen Fortschrittsoptimismus, der sich beispielsweise im Marxismus zeige, kritisch gegenüber. Darüber hinaus bemängelt sie auch die pessimistischen Geschichtsauffassungen, da sie Vorstellungen linearer Entwicklungen in keiner Form akzeptiert, sondern von der Möglichkeit der Chance oder des Scheitern einer jeden neuen Generation überzeugt ist.

Der Antisemitismus wird im 18. und 19. Jahrhundert zu einer an den Nationalismus gebundenen irrationalen Ideologie. „Man könnte sagen, daß es das Wesen der Ideologie ist, aus einer Idee eine Prämisse zu machen, aus einer Einsicht in das, was ist, eine Voraussetzung für das, was sich zwangsmäßig einsichtig ereignen soll. Jedoch haben die Verwandlung der den Ideologien zugrunde liegenden Ideen in solche Prämissen erst die totalitären Gewalthaber wirklich vollzogen.“ (EuU S.721)

Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung dieser national-völkischen Ideologie sieht Arendt im Imperialismus, den sie mit Bezug auf die Imperialismustheorie Rosa Luxemburgs (EuU, 2005, S. 334) als Grundlage für die weitere Entwicklung des Antisemitismus und des Rassismus untersucht. Während der „nationale“ Antisemitismus den Ausschluss der Juden aus der Nation fordert, geht es dem „imperialistischen“ Antisemitismus nationenübergreifend um die Vernichtung der Juden. Daraus formuliert sie ihre zentrale These zum Verhältnis von Bourgeoisie, Imperialismus und nationalsozialistischer Bewegung:

Überall widerstanden die Nationalstaatlichen Institutionen der Brutalität und dem Größenwahn imperialistischer Aspirationen, und die Versuche der Bourgeoisie, den Staat und seine Gewaltmittel als Instrumente für die eigenen wirtschaftliche Ziele zu benutzen, waren immer nur halb erfolgreich. Dies änderte sich erst, als die deutsche Bourgeoisie alle ihre Karten auf die Hitlerbewegung setzte in der Hoffnung, daß der Mob ihr die Herrschaft verschaffen werde. Aber da war es bereits zu spät. Zwar gelang es der Bourgeoisie, mit Hilfe der Nazibewegung den Nationalstaat zu zerstören; aber dies war ein Pyrrhussieg, denn der Mob bewies sehr schnell, daß er willens und fähig war, selbst zu regieren, und entmachtete die Bourgeoisie zusammen mit allen anderen Klassen und staatlichen Institutionen.“ (1986. S. 218)

Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Imperialismus für den Antisemitismus beschäftigt sich der zweite Teil intensiv mit den Formen des Imperialismus im 19. Jahrhundert. Arendt zeichnet die Zwänge und Funktionsweisen der kapitalistischen Produktion nach und erklärt die Notwendigkeit des Imperialismus für die Nationalstaaten. „Und so kam es, daß zum ersten Mal die politischen Machtmittel des Staates den Weg gingen, der ihnen vom Kapital vorgewiesen war.“ (EuU 1955, S. 225)

Neben der Notwendigkeit zur Expansion führt der Imperialismus gleichzeitig dazu, dass sich das Kapital seiner staatlichen Bindung entzieht. Arendt beschreibt, wie der Imperialismus die politischen Räume der Gesellschaft zersetzt. Sowohl in der Außenpolitik als auch in der Innenpolitik werden Hindernisse beseitigt, die die Expansion des Kapitals stören. Sie stellt die These auf, dass das Politische in dem Maße zerstört wird, wie dem Imperialismus keine Grenzens gesetzt werden. „Insgesamt aber ist von dem Element des Antisemitismus im Aufbau der totalitären Herrschafts- und Bewegungsformen zu sagen, daß es sich voll erst im Zersetzungsprozeß des Nationalstaates entwickelte, zu einer Zeit also, als der Imperialismus bereits im Vordergrund des politischen Geschehens stand.“ (EuU 1986, S. 34)

Arendt erweitert den marxistischen Imperialismusbegriff um die Dimension des Rassismus und kritisiert die Reduzierung der Auseinandersetzungen mit dem Kapitalismus auf die rein ökonomischen Fragen: „Die frühzeitige Entdeckung der rein ökonomischen Veranlassungen und Triebfedern des Imperialismus ... hat die eigentliche politische Struktur, den Versuch nämlich, die Menschheit in Herren- und Sklavenrassen, in <higher and lower breeds>, in Schwarze und Weiße ... einzuteilen, eher verdeckt als aufgeklärt.“ (EuU, 1955, S. 209)

Sie unterscheidet hier zwei Ausformungen des Imperialismus, den überseeischen und den kontinentalen Imperialismus. Am Beispiel der „Rassengesellschaft“ in Südafrika und des Despotismus im Kolonialismus eines Carl Peters („Ich hatte es satt, unter die Parias gerechnet zu werden, und wollte einem Herrenvolk angehören.“) verdeutlicht sie das Zusammenwirken von Rassismus und Kapitalismus im überseeischen Imperialismus. (EuU, 1986, S. 307f. Rasse und Bürokratie)

Der kontinentale Imperialismus findet seinen Ausdruck im völkischen Nationalismus der „verspäteten Nation“. Besonders die Nationen in Ost- und Mitteleuropa konnten noch auf keine nationale Geschichte zurückblicken. Hier finden nach Arendt diejenigen politischen Kräfte ihre Anliegen wieder, denen es nicht gelang, sich bisher national zu emanzipieren. Sie erläutert in diesem Zusammenhang wie der demokratische Volksbegriff der Aufklärung seitens der völkischen Bewegung abgelehnt und romantisch aufgeladen wird und zeigt auf, wie dieser völkische Nationalismus den Antisemitismus biologistisch, rassistisch werden lässt, den Rassismus antisemitisch und in einem Antisemitismus der Vernichtung mündet. Aus dem Völkischen Nationalismus konnte sich die Ideologie der „Volksgemeinschaft“ entwickeln. (EuU, 1986, S. 277 f. „Völkische Verbundenheit als Ersatz für nationale Emanzipation“, S. 366 f. Der völkische Nationalismus, u.a.)

Totalitäre Regierungen, die im Zuge ihrer Welteroberungspolitik ohnehin trachten mußten, die Nationalstaaten zu zerstören, haben sich ganz bewusst darum bemüht, die staatenlosen Gruppen zu vermehren, um die Nationalstaaten von innen her zu zersetzen.“ (EuU,1986, S. 426) Die Situation der Flüchtlinge und Staatenlosen, die Zerstörung ihrer rechtlichen und anschließend moralischen Position, wie sie sich den Flüchtlingen im Internierungslager in der Zwischenkriegszeit bis hin zum Vernichtungslager im Nationalsozialismus voll entwickelt zeigt, wird entscheidend für Arendts Analyse totalitärer Politik:

Denaturalisierung und Entzug der Staatsbürgerschaft gehörten zu den wirksamsten Waffen in der internationalen Politik totalitärer Regierungen, weil sie hierdurch dem Ausland, das innerhalb seiner eigenen Verfassungen unfähig war, den Verfolgten die elementarsten Menschenrechte zu sichern, ihre eigenen Maßstäbe aufzwingen konnten. Wen immer die Verfolger als Auswurf der Menschheit aus dem Lande jagten – Juden, Trotzkisten und so weiter –, wurde überall auch als Auswurf der Menschheit empfangen, und wen sie für unerwünscht und lästig erklärt hatten, wurde zum lästigen Ausländer, wo immer er hinkam.“ (EuU, 1986, S.426)

Arendt verweist auf einen Rundbrief des Auswärtigen Amtes vom Januar 1939, „also kurz nach den Novemberpogromen, an alle deutschen Stellen im Ausland“. Dort wird ausdrücklich betont, dass es sich bei diesen Verfolgungen nicht so sehr darum handle, die Juden aus Deutschland zu entfernen, als den Antisemitismus in die westlichen Länder, in denen Juden Zuflucht gefunden haben, zu tragen. Die Auswanderung von hunderttausend Juden habe in dieser Hinsicht bereits die erwünschten Resultate gezeigt; Deutschland sei an der Zerstreuung der Juden interessiert, da diese die beste Propaganda für die gegenwärtige deutsche Judenpolitik bilde. Dabei wird darauf hingewiesen, dass es im deutschen Interesse liege, die Juden als Bettler über die Grenzen zu jagen, denn je ärmer der Einwanderer sei, desto größer die Last für das Gastland. (EuU, 1986, S. 426) Arendt verdeutlicht damit ausführlich den Zusammenhang von totalitaristischer Propaganda für den Antisemitismus mittels einer Politik der Entrechtung der Flüchtlinge und der Gebundenheit von Rechten an eine Staatlichkeit:

Daß diese Propaganda der vollendeten Tatsachen bessere und schnellere Resultate erzielen würde als alle Propagandareden zusammen, war offenbar. Denn nicht nur gelang es auf diese Weise, die Juden wirklich zum Abschaum der Menschheit zu machen, es gelang auch, was im großen gesehen ungleich wichtiger für totalitäre Herrschaft war, praktisch, am Modell einer unerhörten Not für unschuldige Menschen, darzulegen, daß solche Dinge wie unveräußerbare Menschenrechte bloßes Geschwätz und daß die Proteste der Demokratien nur Heuchelei seien. Das bloße Wort <Menschenrechte> wurde überall und für jedermann, in totalitären und demokratischen Ländern, für Opfer, Verfolger und Betrachter gleichermaßen, zum Inbegriff eines heuchlerischen oder schwachsinnigen Idealismus.“(EuU, 1986, S. 426)

Indem Arendt die geschichtliche Entwicklung des vernichtenden Antisemitismus bis zum Nationalsozialismus in den Ursprüngen nachzeichnet, lehnt sie die Sündenbocktheorie sowie die „Ventiltheorie“ als Erklärung ab und verweist auf die Entwicklung des Nationalismus, der den Juden keinen eigenen Platz im Staat einräumte. „Hier sieht es nun in der Tat so aus, als hätten wir die „Sündenböcke“ jener Theorien vor uns, und es ist keine Frage, daß hier zum ersten Male eine wirkliche Verlockung besteht, den Antisemitismus als etwas zu erklären, was mit der geschichtlichen Existenz in keinerlei geartetem Zusammenhang steht. Denn an dem, was den Juden schließlich wirklich passierte, ist wohl nichts so grauenhaft einprägsam wie die vollkommene Unschuld aller, die in der Terrormaschine gefangen wurden. Über diesem berechtigten Grauen sollte man nicht vergessen, daß der Terror nur in seinem letzten Stadium sich als die Herrschaftsform des Regimes offenbart und daß diesem Stadium notwendigerweise eine Reihe von Etappen vorangehen müssen, in welchen er sich ideologisch rechtfertigen muß. Die Ideologie also muß erst einmal viele und sogar eine Majorität überzeugt haben, bevor der Terror voll losgelassen werden kann. Für den Historiker ist entscheidend, daß die Juden, bevor sie Opfer des modernen Terrors wurden, im Zentrum der Nazi-Ideologie standen, denn nur der Terror kann sich seine Opfer willkürlich auswählen, aber nicht Propaganda und Ideologie, die Menschen überzeugen und mobilisieren wollen.“ (EuU, 1986, S. 30)

Die Frage, warum die Juden als Opfer ausgewählt wurden, beschäftigt Hannah Arendt durchgehend. Bereits in der Einleitung kritisiert sie Aporien der Historiker, die das Bild vom ewigen Juden nicht hinterfragen und in der Suche nach der Schuld der Juden, die sich eben an Hypothesen wie der Sündenbocktheorie bindet, selbst zur antisemitischen Geschichtsschreibung werde:

... warum gerade die Juden in das Sturmzentrum der Ereignisse getrieben wurden, sind uns die Historiker bisher erstaunlicherweise schuldig geblieben. Zumeist behilft man sich mit der Annahme eines gleichsam ewigen Antisemitismus, den man nicht zu billigen braucht, um ihn als eine natürliche Angelegenheit hinzustellen, dokumentiert aus der Geschichte eines nahezu zweitausendjährigen Judenhasses. Daß die antisemitische Geschichtsschreibung sich dieser Theorie professional bemächtigt hat, bedarf keiner Erklärung; sie liefert in der Tat das bestmögliche Alibi für alle Greuel: Wenn es wahr ist, daß die Menschheit immer darauf bestanden hat, Juden zu ermorden, dann ist Judenmord eine normale, menschliche Betätigung und Judenhaß eine Reaktion, die man noch nicht einmal zu rechtfertigen braucht.“ (EuU, 1986, S. 31)

So zeichnet Arendt nach, dass die totale Herrschaft durchaus eine passende politische Form für die Massengesellschaft darstellt: „Insofern die totalitären Bewegungen ungeachtet der Herkunft ihrer Führer, den Individualismus sowohl der Bourgeoisie wie des von ihr erzeugten Mobs liquidieren, können sie mit Recht behaupten, daß sie die ersten wirklich antibürgerlichen Parteien in Europa darstellen.” (EuU, 1986, S. 507)

Anhand der terroristischen Staatsform des Nationalsozialismus verdeutlicht Hannah Arendt sowohl den radikalen Bruch mit der bürgerlichen Gesellschaft als auch gleichzeitig die tiefe Verwurzelung der totalitären Herrschaft in der Geschichte Europas, der Ideologie des Antisemitismus und der imperialistischen Entwicklung.

Abgrenzung und Charakterisierung der totalen Herrschaft

Arendt grenzt den Begriff der totalen Herrschaft ein auf den Nationalsozialismus endend mit Hitlers Tod und das System des Stalinismus, das sie von 1929 an bis zu Stalins Tod 1953 in der Sowjetunion verwirklicht sieht. Es handelt sich ihrer Auffassung nach um „Variationen des gleichen Modells“ (EuU,1986, S.640). Nicht der Staat und die Nation sind für die totalitäre Politik letztendlich wichtig, sondern die Massenbewegung, die sich auf Ideologien, wie den Rassismus oder den Marxismus stützt. Als weitere Kennzeichen dieser Herrschaftsform sieht sie: die Umwandlung der Klassen mit Interessen in fanatisierte Massenbewegungen, die Beseitigung von Gruppensolidarität, das Führerprinzip, millionenfache Morde, die Passivität der Opfer, Denunzierungen sowie die „Bewunderung für das Verbrechen“.

Darüber hinaus kommt es zu einer „Selbstlosigkeit“, d.h. Selbstvergessenheit, der Einzelnen in der Bewegung. Das eigene Wohlergehen, die Erfahrungen und der Selbsterhaltungstrieb werden ignoriert. Argumenten sind Anhänger von totalitären Massenorganisationen nicht zugänglich. Dies ist nicht allein auf Demagogie zurückzuführen, sondern auf freiwillige Unterwerfung des Mobs, der außerhalb von Verfassungen, Parteien- und Moralsystemen steht. Totalitäre Führer rühmen sich der Verbrechen, die sie begangen haben und kündigen zukünftige an.

Sie beschäftigt sich im Vorwort zum dritten Teil vom Juni 1966 mit der Geschichte Chinas unter Mao Zedong, die zeitweise totalitäre Züge aufweise und äußert die Befürchtung, dass in China das vollständig ausgeprägte System der totalen Herrschaft unmittelbar bevorstehe. Einen Monat vorher hatte die Kulturrevolution in Peking ihren Anfang genommen. Wie stets, zitiert Arendt Quellen, die sie ernst nimmt. Es drohe eine „bourgoise Konterrevolution“ durch „Revisionisten“, „parteifeindliche Elemente in der Partei“, „intellektuelle Klapperschlangen“ und „Giftkräuter“. (EuU, 1986,S.637)

Laut Arendt ist die totale Herrschaft die einzige Staatsform, mit der es keine Koexistenz und keinen Kompromiss geben kann.

Was moderne Menschen so leicht in die totalitären Bewegungen jagt, ... ist die allenthalben zunehmende Verlassenheit. Es ist, als breche alles, was Menschen miteinander verbindet in der Krise zusammen. ... Das eiserne Band des Terrors, mit dem der totalitäre Herrschaftsapparat die von ihm organisierten Massen in eine <entfesselte> Bewegung reißt, erscheint so als ein letzter Halt ... (EuU, 1986, S. 978)

Nicht auf der Grundlage des zeitgebundenen veränderlichen aber auch stabilisierenden positiven Rechts, sondern durch direkte Befehle, die die „Gesetze von Natur oder Geschichte ... in furchtbarstem Sinne exekutiert“ handeln totalitäre Machthaber. Während der Glaube der Nazis an Rassegesetze auf der Darwinschen Vorstellung vom Menschen als zufällige Erscheinung der Naturentwicklung beruhe, stützten sich die Bolschewisten auf Marx' Vorstellung vom gigantischen Geschichtsprozess, der seinem Ende entgegenrase und die Geschichte selbst aus der Welt schaffe. Während jedoch der dialektische Materialismus auf den besten Traditionen basiere, sei der Rassismus kläglich-vulgär. Beide Ideologien liefen jedoch auf die Ausscheidung von <Schädlichem> oder Überflüssigem zugunsten des reibungslosen Ablaufs einer Bewegung hinaus. (EuU, 1986, S.948ff)

Zeitweiliges Bündnis zwischen „Mob“ und „Elite“

Im eigentlichen Herrschaftsapparat spielten, so Arendt, weder Mob noch Elite eine Rolle. Totalitäre Bewegungen jedoch sind durch die echte Ergebenheit ihrer Anhänger geprägt. Gerade ein großer Teil der geistigen und künstlerischen Elite hat sich - wenigstens zeitweise - mit den totalitären Regierungen identifiziert. Die Elite hatte sich (aus guten Gründen), bevor der „Zusammenbruch des Klassensystems“ die „Massenindividuen“ erzeugte von der Gesellschaft losgesagt und konnte nun die Massen verstehen. Ebenso stand der Mob, der „als frühes Abfallprodukt der Bourgeoisie“ die Unterwelt, das Gesindel („Sexualverbrecher, Rauschgiftsüchtige oder Pervertierte“) bildete, am Rande der Gesellschaft und war erstmals bereit und in der Lage, die Massen zu organisieren und da sie keine berufliche Karriere anstreben konnten, politische Ämter zu übernehmen. Die Führer der Parteien meinten, dies diskreditiere den Mob, doch es war umgekehrt, da die Lage der Massen so verzweifelt war, dass sie nicht mehr auf die bürgerliche Gesellschaft hofften. Hitlers „hysterischer Fanatismus“ und Stalins „rachsüchtige Grausamkeit“ trugen Züge des Pöbels. Langfristig seien totale Systeme mit eher pedantischen sturen Führerfiguren möglich. (EuU, 1986, S.703ff)

„Die anarchische Verzweiflung, die sich in diesem Zusammenbruch der Massen des Volkes bemächtigte, schien der revolutionären Stimmung der Elite ebenso entgegenzukommen wie den verbrecherischen Instinkten des Mobs.“ (EuU, 1986, S. 704) ... „Jedenfalls beruhte das zeitweilige Bündnis zwischen Elite und Mob weitgehend auf dem echten Vergnügen, das der Mob der Elite bereitete, als er daranging, die Respektabilität der guten Gesellschaft zu entlarven, ob nun die deutschen Stahlbarone den >Anstreicher Hitler> empfingen oder ob das Geistes- und Kulturleben mit plumpen und vulgären Fälschungen aus seiner akademischen Bahn geworfen wurde.“ (EuU, 1986, S.713)

Die Elite war besonders fasziniert vom Radikalismus, von der Aufhebung der Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem und von der Erfassung des ganzen Menschen durch die jeweilige Weltanschauung. Die Überzeugungen des Mobs waren in Wirklichkeit die reinen, nicht durch Heuchelei abgeschwächten, Verhaltensweisen der Bourgeoisie. Doch die Hoffnungen beider Gruppen wurden nicht erfüllt, da die Führer der totalitären Bewegungen, die zum großen Teil dem Mob entstammten, weder dessen Interessen noch die der intellektuellen Anhänger vertraten, sondern „tausendjährige Reiche“ anstrebten. Initiativen von Mob und Elite wären „beim Aufbau funktionsfähiger Beherrschungs- und Vernichtungsapparate“ eher hinderlich gewesen. Die Machthaber griffen daher lieber auf die „Massen gleichgeschalteter Spießer“ zurück. (EuU, 1986, S.719ff)

Totalitäre Propaganda

Während Mob und Elite selbständig alles Bestehende durch Terror umwälzen wollen, können die Massen erst durch Propaganda in totalitäre Organisationen eingebunden werden. Totalitäre Bewegungen verändern die Realitätswahrnehmung der Gesellschaft und fixieren sie auf universelle Bedeutungen, die ihnen die Bewegung mit den Ideologien von einer „Rassegesellschaft oder eine(r) klassen- und nationslosen Gesellschaft“ (EuU 1986, S. 706) sowie durch Theorien von Verschwörungen gegen die Gesellschaft durch Juden oder Parteifeinde wie Trotzkisten. „In der bolschewistischen Version der totalitären Bewegung finden wir eine merkwürdige Ansammlung von Verschwörungen im Unterschied zu den Nazis, die an einer, der jüdischen Weltverschwörung, festzuhalten pflegten.“ (EuU,1986,S. 559)

Die Mentalität moderner Massen vor ihrer Erfassung in totalitären Organisationen ist nur zu verstehen, wenn man die Durchschlagskraft dieser Art Propaganda voll in Rechnung stellt. Sie beruht darauf, daß Massen an die Realität der sichtbaren Welt nicht glauben, sie auf eigene, kontrollierbare Erfahrung nie verlassen, ihren fünf Sinnen misstrauen und darum eine Einbildungskraft entwickeln, die durch jegliches in Bewegung gesetzt werden kann, was scheinbar universelle Bedeutung hat und in sich konsequent ist. Massen werden so wenig durch Tatsachen überzeugt, daß selbst erlogene Tatsachen keinen Eindruck auf sie machen.“ (EuU, 1986, S. 559)

Hannah Arendt machte den Unterschied zwischen der Ideologie und dem Ziel des Terrors totalitärer Bewegungen deutlich, eine Sichtweise, die neu war und bis heute von Historikern nicht durchgehend geteilt wird. Die Ideologie - „Sozialismus oder Rassedoktrinen“ - ist in ihren Zielen nicht willkürlich. Sie stellt die Voraussetzung für den Einfluss und die Entwicklung totalitärer Bewegungen dar. Dagegen kann sich der Terror gegen jeden richten und ist letztlich völlig willkürlich, d.h. niemals an irgendeine sachliche oder kalkulierbare Begründung gebunden: „Für den Historiker ist entschieden, daß die Juden, bevor sie Opfer des modernen Terrors stellten, im Zentrum der Nazi-Ideologie standen, denn nur der Terror kann sich seine Opfer willkürlich auswählen, aber nicht Propaganda und Ideologie, die Menschen überzeugen und mobilisieren wollen.“ (1986, S. 30)

Für den Nationalsozialismus stellt Arendt die Bedeutung für dieses Phänomen anhand der Protokolle der Weisen von Zion heraus. „Wenn, mit anderen Worten, eine so offensichtliche Fälschung wie die Protokolle der Weisen von Zion von so vielen geglaubt wird, daß sie die Bibel einer Massenbewegung werden kann, so handelt es sich darum, zu erklären, wie dies möglich ist, aber nicht darum, zum hundertsten Male zu beweisen, was ohnehin alle Welt weiß, nämlich, daß man es mit einer Fälschung zu tun hat. Geschichtlich gesehen ist die Tatsache der Fälschung ein sekundärer Umstand.“ (1986, S. 30). Mit diesem Glauben an die Jüdische Weltverschwörung und ihren modernen Elementen, ließen sich mittels dieses Antisemitismus Antworten auf die Probleme vermitteln, die als Probleme der Moderne für die Massen neu waren: „Wesentlich ist ..., daß sie auf ihrer Manier alle zentralen Fragen unserer unmittelbaren Vergangenheit aufgreifen und auf sie eine, den bestehenden Zuständen entgegengesetzte Antwort geben. ... Es sind die eigentümlich modernen Elemente, denen die Protokolle ihre außerordentliche Aktualität verdanken und die stärker wirken als die viel banalere Beimischung uralten Aberglaubens“ (1986, 758, siehe auch: 757 ff.).

Auch im Stalinismus findet sie antisemitische Züge nach nazistischem Vorbild. Der Bezug auf eine jüdische Weltverschwörung im Sinne der Weisen von Zion, die Umdeutung des Begriffs „Zionismus“, die alle nichtzionistischen Organisationen und damit alle Juden einschloss, eignete sich aufgrund der vorhandenen antisemitischen Ressentiments in der Bevölkerung eher zur Verwirklichung der Ansprüche auf eine Weltherrschaft als der Kapitalismus oder der Imperialismus. (EuU, S. 641f)

Haben die Bewegungen erst mal die Macht übernommen, wird die Propaganda durch Indoktrination ersetzt, und der Terror richtet sich nicht allein gegen die die angeblichen Feinde, sondern auch gegen die unbequem gewordenen Freunde der Bewegungen. Die Ergebenheit der treuen Mitglieder geht so weit, dass sie jederzeit bereit sind, den Opfertod für den Führer oder die Partei zu sterben. Arendt belegt dies z.B. mit der Haltung der Angeklagten in den Moskauer Prozessen. (EuU, S. 739ff)

Die Lügen bezüglich der Verschwörer werden durch ihre Offensichtlichkeit nicht entkräftet: „So hat weder die offenbare Hilflosigkeit der Juden gegen ihre Ausrottung die Fabel von der Allmacht der Juden, noch haben die Liquidierung der Trotzkisten in Russland und die Ermordung Trotzkis die Fabel von der Verschwörung der Trotzkisten gegen die Sowjetunion zu zerstören vermocht.“ (EuU, 1986, S.763) Eine Mischung aus „Zynismus“ und „Leichtgläubigkeit“ findet sich in allen Hierarchieebenen totalitärer Bewegungen, wobei in den höheren Rängen eher der Zynismus überwiegt.

Terror als Wesen totaler Herrschaft

Zunächst wurde der Machtapparat vollständig etabliert, gleichgeschaltet und nach und nach immer radikaler gestaltet, z.B. von der SA, über die SS als Eliteorganisation bis zu den Bewachungsmannschaften der Konzentrationslager und dem Sicherheitsdienst, dem die negative Bevölkerungspolitik, das Rasse- und Siedlungswesen unterstand. Staats- und Parteigremien agierten gleichzeitig, und es blieb undurchschaubar, welche der Instanzen gerade die wirkliche Macht innehatte. Das „Recht zum Morden“ zusammen mit Methoden, das Wissen aus der Welt zu schaffen, wurde sichtbar als Weltanschauung dargestellt. „Daß die Nazis die Welt erobern, <artfremde> Völker aussiedeln und <erbbiologisch Minderwertige ausmerzen> wollten, war so wenig ein Geheimnis wie die Weltrevolution und -eroberungspläne des russischen Bolschewismus.“ (EuU,1986, S.794) Während die Nazis immer die Fiktion der jüdischen Weltverschwörung aufrechterhielten, änderten die Bolschewisten ihre Fiktion mehrmals: von der trotzkistischen Weltverschwörung, über den Imperialismus, zur Verschwörung der <wurzellosen Kosmopoliten> u.a. Stalins Machtmittel war die Verwandlung der Kommunistischen Parteien in Filialen der von Moskau beherrschten Komintern. Innerhalb der totalen Welt herrschte der Polizeiapparat als Geheimpolizei, GPU oder Gestapo.

Während die Zahl der in den Nazi-Vernichtungslagern ermordeten Juden sowie anderer Gruppen und der im „Raubkrieg“ getöteten Menschen nachweisbar war, war aus Arendts Quellenlage keine genaue Quantifizierung der Opfer des Stalinismus möglich. Die Morde reichten von der Liquidierung der Kulaken über die Verluste während der Kollektivierung der Landwirtschaft, der Moskauer Prozesse und der Generalreinigung der gesamten Bürokratie. Sie stützte sich auch auf Angaben zeitgenössischer junger russischer Intellektueller über <Massensäuberungen, Verschleppung und Ausrottung ganzer Völker>. (EuU 1986, S. 639f, 827)

Hannah Arendt beschreibt die Konzentrations- und Vernichtungslager als Versuchsanstalten, die zur Ausrottung von Menschen und zur Erniedrigung von Individuen dienten. In ihnen sollte nachgewiesen werden, dass Menschen total beherrschbar sind, „daß schlechthin alles möglich ist“. Identität, Pluralität, und Spontanität aller Menschen sollten vernichtet werden. Die Lager sind für die Erhaltung des Machtapparats zentral. Die Verbrechen und Greueltaten sind so ungeheuerlich, das Grauen so groß, dass sie auf Unbeteiligte leicht unglaubwürdig wirken. Denn die Wahrheit der Opfer beleidige den gesunden Menschenverstand. Hitlers „hundertfach wiederholten Ankündigungen, daß Juden Parasiten seien, die man ausrotten müsse“, wurde nicht geglaubt. (EuU 1986, S. 907ff)

Das Grauen vor dem „radikal Bösen“ bringt die Erkenntnis, dass es hier keine politischen, geschichtlichen oder moralischen menschlichen Maßstäbe gibt. Es geht vielmehr um alles oder nichts: die Ausrottung des Menschen im Konzentrationslager und um die Ausrottung des Menschengeschlechts durch die Wasserstoffbombe. Die „irrsinnige Massenfabrikation von Leichen“ wird eher verständlich, wenn die historischen Vorgänge, die dazu geführt haben, nachvollzogen werden.

Konzentrationslager stehen immer außerhalb des normalen Strafsystems. Sie beruhen auf der „Tötung der juristischen Person“. Der Mensch wird reduziert auf: „Jude“, „Bazillenträger“, „Exponenten absterbender Klassen“. Verbrecher werden erst nach Verbüßung ihrer Strafen eingeliefert und bilden häufig die „Aristokratie“ des Lagers, in Deutschland während des Krieges hatten diese Rolle teilweise die Kommunisten inne. Bei den Verbrechern und Politischen könne die Vernichtung der juristischen Person, laut Arendt, nicht vollständig gelingen, „weil sie wissen, warum sie dort sind.“ Die meisten Insassen sind völlig unschuldig. Gerade diese wurden in den Gaskammern liquidiert, völlig ausgelöscht, während wirkliche Regimefeinde häufig schon im Vorfeld getötet wurden. (EuU, 1986, S. 916ff) Die Entrechtung des Menschen sei „Vorbedingung für sein totales Beherrschtsein“ und gelte für jeden Einwohner eines totalitären Systems.

Hinzu kommt die „Ermordung der moralischen Person“. Es handelt sich um ein System des Vergessens, das bis in die Familien- und Freundeskreise der Betroffenen reicht. Der Tod wird anonymisiert. Moralisches Handeln, Gswissensentscheidungen werden unmöglich. Arendt zitiert den Bericht von Albert Camus über eine Frau, der die Nazis die Wahl gelassen hatten zu entscheiden, welches ihrer drei Kinder getötet werden sollte.

Das einzige, was dann noch bleibt, um die Verwandlung von Personen in „lebendige Leichname“ zu verhindern, ist die Beibehaltung der „Differenziertheit, der Identität“. Hannah Arendt führt deutlich vor Augen: die Zustände bei den Transporten in die Lager, das Kahlscheren der Schädel, die Entkleidung, die Tortur und die Ermordung. Während die SA noch mit „Hass“ und „blinder Vertiertheit“ tötete, war der Mord im Lager ein mechanisierter Vernichtungsakt, teilweise ohne „individuelle Bestialität“ durch normale Menschen, die zu Mitgliedern der SS erzogen worden waren. (EuU 1986, S. 929ff)

Nach Montesquieu gibt es in jeder politischen Formation das Wesen einer Regierung und ihr Prinzip. Das Wesen der totalitären Regierung ist, wie Arendt herausarbeitet, der Terror, der zunächst eine eigentümliche Anziehungskraft auf moderne entwurzelte Menschen ausübt, später die Massen zusammenpresst und alle Beziehungen zwischen Menschen zerstört. Das Prinzip ist die Ideologie, „der innere Zwang“, umgedeutet und so weit angenommen, bis die Menschen voller Furcht, Verzweiflung und Verlassenheit vorwärtsgetrieben werden in die Erfahrungen des eigenen Todes, wenn man schließlich selbst zu den <Überflüssigen> und <Schädlingen> gehört. (EuU,1986, S. 960ff)

Arendt betont, dass die totale Herrschaft nicht in einem langwierigen Prozess, sondern plötzlich zusammenbricht und anschließend die meisten ihrer Anhänger die Teilnahme an Verbrechen, ja selbst die Zugehörigkeit zur Bewegung verleugnen. (EuU, 1986, S. 765)

Vita activa

Im Gegensatz zu Heidegger begründete Arendt ihr Denken von der Geburt des einzelnen Menschen her und nicht vom Tod. In ihrem 1958 veröffentlichten, sich hauptsächlich auf Philosophie beziehenden 2. Hauptwerk The Human Condition, in deutscher Sprache unter dem Titel:Vita activa oder Vom tätigen Leben 1960 erschienen, führt Arendt diesen Gedanken aus. Mit der Geburt beginnt die Möglichkeit, einen Anfang machen zu können. Das Individuum hat die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei geht es ihr um die Grundbedingungen menschlichen Lebens, die sie auf drei „Grundtätigkeiten“: „Arbeiten, Herstellen und Handeln“ beschränkt. Davon unterscheidet sie das „Wesen“ bzw. die „Natur“ des Menschen, die begrifflich nicht zu definieren und menschlicher Erkenntnis nicht zugänglich seien. „Versuche, das Wesen des Menschen zu bestimmen, (enden) zumeist mit irgendwelchen Konstruktionen eines Göttlichen.“ (VA, 2002, S.21)

Alle drei Grundtätigkeiten und die ihnen entsprechenden Bedingungen sind nun nochmals in der allgemeinsten Bedingtheit menschlichen Lebens verankert, dass es nämlich durch Geburt zur Welt kommt und durch Tod aus ihm wieder verschwindet. Was die Mortalität anlangt, so sichert die Arbeit das Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung; das Herstellen errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas wie Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. Auch an der Natalität sind alle Tätigkeiten gleicherweise orientiert, da sie immer auch die Aufgabe haben, für die Zukunft zu sorgen, bzw. dafür, dass das Leben und die Welt dem ständigen Zufluss von Neuankömmlingen, die als Fremdlinge in sie hineingeboren werden, gewachsen und auf ihn vorbereitet bleibt. Dabei ist aber das Handeln an die Grundbedingungen der Natalität enger gebunden als das Arbeiten und Herstellen. Der Neubeginn, der mit jeder Geburt in die Welt kommt, kann sich in der Welt nur darum zur Geltung bringen, weil dem Neuankömmling die Fähigkeit zukommt, selbst einen neuen Anfang zu machen, d.h. zu handeln. (VA 15)

Arbeiten und Herstellen

Die Arbeitentspricht dem biologischen Prozess des menschlichen Körpers“. Sie dient dem Fortbestand der Gattung. Daher gehört Arbeit notwendig zum menschlichen Leben, aber auch zu dem jedes anderen Lebewesens. Arbeit ist laut Arendt nicht mit Freiheit verbunden, sondern stellt einen Zwang zur Erhaltung des Lebens dar, dem der Mensch von der Geburt bis zum Tod ständig unterliegt.

Auf der Grundlage der Arbeit, die seine Existenz sichert, beginnt der Mensch über die Endlichkeit seines Daseins nachzudenken. Um dieser Gewissheit zu entfliehen, schafft er sich eine Welt aus Dingen, die er mit „Geist“ und „Kraft“ aus unterschiedlichen Materialien herstellt und die seine Lebenszeit überdauern. Das Wichtige ist hierbei, dass der Mensch sich nicht nur in einer Umgebung wieder findet, so wie jedes Tier es tut, sondern er baut eine eigene Welt auf. Arendt geht davon aus, dass diese Welt beständig ist. Die einzelnen Artefakte, die sie ausmachen, sind so dauerhaft, dass das Individuum eine Beziehung dazu aufbauen kann. Eine starke Form einer solchen Beziehung stellt zum Beispiel das Gefühl des „nach Hause Kommens“ dar. Ohne gewisse beständige Eigenschaften des „zu Hause Seins“ kann eine Beziehung nicht aufgebaut werden. In einer ständig sich ändernden Welt kann der Mensch sich nicht zu Hause fühlen.

Die von Arendt eingeführte Unterscheidung zwischen „Arbeiten“ und „Herstellen“ bezieht sie auch auf die Produktion. Als Produkte der Arbeit bezeichnet sie Konsumgüter, die „verbraucht“ werden, während Produkte des Herstellens oder Werkens „gebraucht“ werden.

Handeln

Die dritte Komponente stellt das Handeln dar, das sich zwischen den Individuen abspielt und gleichzeitig die Einzigartigkeit, die Verschiedenheit und Pluralität der Menschen zeigt. Das Handeln ist eine wahrhaft menschliche Eigenschaft. Der einzelne Mensch könnte in einer Gesellschaft überleben, ohne jemals zu arbeiten oder etwas herzustellen. Handeln jedoch besteht in politischer Interaktion, welche für Arendt fundamental ist. Kommunikation, d.h. „Finden des rechten Wortes im rechten Augenblick“ ist bereits Handeln. „Stumm ist nur die Gewalt, und schon aus diesem Grunde kann die schiere Gewalt niemals Anspruch auf Größe machen.“ (VA, 2002, S. 36) Auch wenn dem Einzelnen noch bewusst wäre, dass er ein Mensch ist, so würde er anderen ohne Handlungen nicht als solcher erscheinen. Der für die deutsche Ausgabe gewählte Titel: Vita activa weist auf diesen Gedankengang hin.

Handeln findet im öffentlichen Raum statt. Am klarsten realisiert sah Arendt dies in der griechischen Polis, wo das Arbeiten im privaten Raum des Haushalts (oikos) stattfand - mit allen Implikationen von Zwangsherrschaft -, während das Handeln sich im öffentlichen Raum der Polis auf dem Marktplatz (der Agora) abspielte. Dies war der Ort der Vita activa, der politischen Kommunikation, Gestaltung und Freiheit unter Gleichen. Obwohl Aristoteles die höchste Erfüllung in der Vita contemplativa, in der philosophischen Suche der Weisheit sah, betrachtete er doch den Menschen als politisches Wesen (zóon politikón).

Vom Verständigungsprozess im politischen Raum zur Massengesellschaft

Demgegenüber kam es im Mittelalter zu einer Verschiebung. Die höchste Freiheit für den Menschen lag nun in der auf Gott ausgerichteten Vita contemplativa. Das Herstellen wurde höher bewertet als das Handeln. Der Mensch wurde zum Homo faber, d.h. Erschaffer einer künstlichen Welt. Eine erneute Verschiebung der Werte ergab sich in der Neuzeit. Durch Ausweitung der Ökonomie in den öffentlichen Raum trat die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit immer mehr in den Vordergrund und ist in der modernen Massengesellschaft dominierend geworden. Der Mensch wurde zum animal laborans. Ziel ist die möglichst hohe Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Umwandlung aller Dinge in Konsumgüter. Der Begriff der Gesellschaft umfasst nunmehr auch tendenziell den politischen Bereich. Die Bedeutung des Politischen, des Handelns ist somit in den Hintergrund getreten.

Arendt kritisierte die christlich-abendländische Philosophie. Zwar hätten die meisten Philosophen sich zu politischen Fragen geäußert, aber kaum einer hätte unmittelbar am politischen Diskurs teilgenommen. Als Ausnahme sah sie lediglich Machiavelli. Auch wenn bei Hegel das Politische eine Aufwertung fand, so lehnte Arendt vor allem die Vorstellung Hegels von der Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung ab. Die Idee des Absoluten als Ziel der Geschichte führt zur Ideologie und damit zur Rechtfertigung von undemokratischen Praktiken und schließlich am Ende zu den Formen der totalitären Herrschaft.

Auch das moderne Individuum entfernt sich vom Politischen aufgrund der „radikalen Subjektivität seines Gefühlslebens“, der dauernd wechselnden „Stimmungen und Launen“, die ihn in „endlose innere Konflikte“ verstricken. Die Einzelnen werden gesellschaftlich normiert. Abweichungen von dieser Norm werden als asozial oder anormal verbucht. Es kommt zum Phänomen der Massengesellschaft mit der Herrschaft der Bürokratie. Dabei werden die sozialen Klassen und Gruppierungen nivelliert. Alle Glieder der Gemeinschaft werden mit gleicher Macht kontrolliert. Das Gleichmachen, der Konformismus in der Öffentlichkeit führt dazu, dass Auszeichnungen und Besonderheit zu Privatangelegenheiten von Individuen werden. Große Anhäufungen von Menschen entwickeln die Tendenz zur Despotie, entweder eines Einzelnen oder zum „Despotismus der Mehrheit“. (VA, 2002, S. 51ff)

Auch in der Vorstellung der Geschichtlichkeit als Grundbedingung der menschlichen Existenz bei Heidegger bleibt für Arendt das Denken in der Kontemplation verhaftet. Eine Vita activa erfordert die Fragen nach den Prinzipien des Politischen und den Bedingungen der Freiheit. Als Ansatz hierzu sah Arendt wie Jaspers die Moralphilosophie Kants, bei dem für sie die Frage nach den Bedingungen der menschlichen Pluralität im Vordergrund stand, der nicht nur Staatsmänner und Philosophen betrachtete, sondern alle Menschen als Gesetzgeber und Richter ansah und so, wie Arendt, zu der Forderung nach einer Republik kam.

In diesem Werk geht Arendt der historischen Wandlung von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Glück, Öffentlichkeit, Privatheit, Gesellschaft und Politik nach und beschreibt akribisch genau den Bedeutungswandel im jeweiligen historischen Kontext. Dabei ist ihr Bezugspunkt das antike Griechenland, insbesondere zur Zeit des Sokratischen Dialogs. Ihrer Auffassung nach gilt es, die verlorenen Bereiche des Politischen wiederum in der Gegenwart modifiziert zu verankern und damit die Fähigkeiten politisch denkender und handelnder freier Individuen, die versuchen, sich voreinander auszuzeichnen, fruchtbar zu machen. Im Gegensatz dazu sieht sie den verbreiteten Behaviorismus, der darauf abzielt, den Menschen in allen seinen Tätigkeiten „auf das Niveau eines allseitig bedingten und sich verhaltenden Lebewesens zu reduzieren“.

Über die Revolution

Hauptartikel: Über die Revolution

Das Buch Über die Revolution (engl.: On Revolution, 1963) analysiert und interpretiert die Französische und Amerikanische Revolution, wobei auch andere Revolutionen angesprochen werden. Arendts Hauptanliegen ist es, „die wesentlichen Charaktere des revolutionären Geistes“ (S. 225) zu bestimmen. Diesen revolutionären Geist erkennt sie in der Möglichkeit etwas neu zu beginnen und im gemeinsamen Handeln von Menschen. „In der Sprache des 18. Jahrhunderts heißen [die Prinzipien des revolutionären Geistes] öffentliche Freiheit, öffentliches Glück, öffentlicher Geist.“ (S. 284 und 286) In diesem Werk kritisiert Arendt die Gesellschaften, die aus den Revolutionen entstanden sind.

Sie stellt die Frage, warum der „Geist der Revolution“ keine Institutionen fand und daher verloren ging. Dabei geht sie von Thomas Jefferson aus, der nach seiner Amtszeit als dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Zeit und Muße fand, das Geschehene zu reflektieren. In Briefen, nicht in seinen Hauptwerken, findet Arendt Lösungsansätze, nämlich Jeffersons ward-system, von Arendt auch „Elementarrepubliken“ genannt.

Jefferson sah das Problem, dass nachdem die Amerikanische Revolution beendet und die Verfassung geschrieben und verabschiedet war, das Volk keine Institution fand, in der es in öffentlichen Angelegenheiten einen Beitrag leisten konnte. Das uralte Verhältnis von Regierten und Regierenden bestand weiter fort. Während und vor der Amerikanischen Revolution konnte das Volk in den townhalls aktiv am politischen Geschehen teilnehmen. Von dieser Möglichkeit machte das Volk regen Gebrauch. Nach der Revolution bezogen sich die Menschen mehr und mehr auf ihr Privatleben, verfolgten ihre Privatinteressen aber keine öffentlichen Angelegenheiten mehr.

Deswegen befürwortet Arendt eine Räterepublik und kritisiert gleichzeitig die Parteiendemokratie. Diese sei unfähig, das Volk am politischen Leben teilnehmen zu lassen. Aufgrund der Erfahrung nach dem 1. Weltkrieg bezeichnet Arendt das Mehrparteiensystem als noch unattraktiver als das englische oder amerikanische Zweiparteiensystem, da es im Wesen die Ein-Partei-Diktatur in sich trage.

Elemente des Rätesystems tauchen nach Arendt in fast allen Revolutionen – bis auf die Februarrevolution 1848 und die Märzrevolution 1848 – auf. Dabei waren die Räte friedlich, parteilos und daran interessiert, einen neuen Staat aufzubauen. Die Parteien, ob links, rechts oder revolutionär, sahen in den Räten oder Sowjets eine starke Konkurrenz, agitierten gegen sie und konnten sie mit staatlicher Hilfe letztendlich immer vernichten.

Arendt favorisiert die Räterepublik, weil einerseits die Menschen in den Parteiendemokratien sich als Regierte fühlen – und das war gerade nicht der Sinn der Revolution. Andererseits schreibt sie, „daß keiner glücklich genannt werden kann, der nicht an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, daß niemand frei ist, der nicht aus Erfahrung weiß, was öffentliche Freiheit ist, und daß niemand frei oder glücklich ist, der keine Macht hat, nämlich keinen Anteil an öffentlicher Macht.“ (S. 326f)

Es wird deutlich, dass Arendt einen anderen Revolutionsbegriff verwendet als gemeinhin üblich.

Denken, Wollen, Urteilen

Die 1989 posthum veröffentlichten Werke Das Denken und Das Wollen erschienen 1998 in dem Sammelband Vom Leben des Geistes. Diese Arbeit beruht wiederum auf Vorlesungen, die sie 1973 und 1974 gehalten hat. Der Dritte Teil Das Urteilen wurde nach Vorarbeiten seitens ihrer Nachlassverwalterin Mary McCarthy von dem Politikwissenschaftler Ronald Beiner auf der Grundlage der Manuskripte ihrer Vorlesungen zu Kant zusammengestellt.

Arendt will, wie sie in der Einleitung schreibt, mit diesem anspruchsvollen Titel nicht als „Philosoph“ als „Denker von Gewerbe“ (Kant) wirken, aber das Denken auch nicht diesen überlassen. Anlass für ihre Studien sei einmal ihr Eichmann-Buch gewesen, in dem sie sich mit den „ungeheuerlichen Taten“ eines „gewöhnlichen“, „gedankenlosen“ Täters beschäftigt habe. Dies habe zu der Frage geführt, ob das Denken, d.h. die Gewohnheit, alles zu untersuchen, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse, zu den Bedingungen gehöre, die die Menschen davor schützen, Böses zu tun. (Vom Leben des Geistes, 1998, S.14f)

Das Denken

In ihrem Werk Vom Leben des Geistes erweitert sie im ersten Teil über Das Denken die Ideen aus Vita activa , indem sie nunmehr die „Vita contemplativa“, d.h. geistige Tätigkeiten, als ebenbürtig oder sogar überlegen beschreibt. Sie versucht, ihre Aussage im Eichmann-Buch über die „Banalität des Bösen“ mit der These zu untermauern, diese Art bösen Handelns sei mit dem „Fehlen des Denkens“ mit der „Gedankenlosigkeit“ verknüpft. Sie stellt folgende Frage:

“Könnte vielleicht das Denken als solches – die Gewohnheit, alles zu untersuchen, was sich begibt oder die Ausmerksamkeit erregt , ohne Rücksicht auf die Ergebnisse und den speziellen Inhalt – zu den Bedingungen gehören, die die Menschen davon abhalten oder geradezu dagegen prädisponieren, Böses zu tun?“ (LdG 1998, S.15)

Als Motto stellt sie der Arbeit einen kurzen Text aus Heideggers Was heißt Denken? voran, in dem dieser die Bedeutung des Denkens für das Wissen, als nutzbare Lebensweisheit und unmittelbare Kraft zum Handeln verneint. Wiederum verfolgt sie Begriffe zu ihrem Ursprung zurück. Ethik und Moral seien die griechischen bzw. lateinischen Termini für Sitte und Gewohnheit, Gewissen dagegen bedeute „bei sich wissen“ und gehöre zu jedem Denkvorgang. Nur „gute Menschen“ hält sie für fähig, ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, während Kriminelle in der Regel über ein gutes Gewissen verfügen. Ethik und Moral (wörtlich: Sitten und Gewohnheiten) seien hauptsächlich von der entgegengesetzten Prämisse ausgegangen.

Zum Handeln gehört seit der Antike das Denken. Arendt grenzt ihr Verständnis vom Denken sowohl von Platon und Aristoteles, die das Denken als passive Betrachtung verstanden hätten, wie auch vom Christentum ab, das die Philosophie zur „Magd der Theologie“ und das Denken zur Meditation und Kontemplation gemacht habe. Auch dem Ansatz der Neuzeit, in der das Denken hauptsächlich der Erfahrungswissenschaft dient, steht sie kritisch gegenüber. Für sie ist die Mathematik als reines Denken die „Königin der Wissenschaften“. (LdG 1998, S.18) Sie kritisiert die Hegemonie der Naturwissenschaften als Erklärungsmodell aller „Erscheinungen“, auch der gesellschaftlichen und politischen und betont die Wichtigkeit des Nachdenkens über die Bedingtheit des menschlichen Lebens.

In der modernen Gesellschaft, die immer mehr zur Arbeitswelt wird, tritt die Bedeutung des Denkens im öffentlichen Leben weitgehend zurück. Die „vita activa“, das Herstellen und Handeln, siege über die „vita contemplativa“, die Suche nach dem Sinn, die einstmals - insbesondere im Mittelalter - vorrangig war. Der Mensch gerät in eine Zwickmühle, da einerseits die Individualität gerade in der demokratischen Massengesellschaft betont wird, andererseits die Massengesellschaft den Diskussionen im öffentlichen Raum Grenzen setzt.

In dieser auf Vorlesungen beruhenden Abhandlung setzt sie sich mit zahlreichen bedeutenden Philosophen auseinander, die über das Denken, als Betrachten des Seins, Auskunft gegeben haben.

Während das Denken als Unsichtbares in aller Erfahrung gegenwärtig sei und dazu neige, zu verallgemeinern, stehen die anderen beiden geistigen Tätigkeiten der „Erscheinungswelt“ viel näher, weil es immer um „einzelnes“ geht, einmal um das Urteilen über die Vergangenheit, dessen Ergebnis die Vorbereitung für das Wollen darstellt.

Das Wollen

Der Wille beruht laut Arendt auf dem kreatürlichen Begehren wie auch auf dem vernünftigen Denken. Sie betont die Bedeutung des Willens als dem Menschen eigenes Talent, einen Anfang machen zu können, das Alte zu überwinden, um mit dem Neuen beginnen zu können. Dieser Wille, verbunden mit der Gebürtlichkeit nicht gleicher, sondern voneinander abweichend denkender Menschen („Differenz“), ermöglicht einerseits Freiheit, birgt aber andererseits die Gefahr, des rein spontanen, intuitiven Handelns. „Die freien Handlungen des Menschen sind selten.“ (LdG 1998, S.209)

Sie geht dem Begriff des Willens, der in der griechischen Antike unbekannt gewesen sei und erst in der Neuzeit im Zusammenhang mit dem der Innerlichkeit (Arendt: die innere Erfahrung) große Bedeutung gewonnen habe, anhand seiner Geschichte nach.

Parallel dazu untersucht sie das Wollen als inneres Vermögen der Menschen zu entscheiden, in welcher Gestalt sie sich in der „Erscheinungswelt“ zeigen möchten. Der Wille schafft demnach mit seinen Projekten sozusagen die „Person“, die für ihren Charakter (ihr ganzes „Sein“) verantwortlich gemacht werden kann. Sie grenzt sich hier von den einflussreichen marxistischen und existentialistischen Thesen ab, die den Menschen als Schöpfer seiner selbst darstellen. Dieser Trugschluss entspreche der modernen Betonung des Wollens als Ersatz für das Denken.

Das Urteilen

Arendt bezieht, wie viele Philosophen vor ihr, Position im Universalienstreit und zwar zugunsten des Nominalismus. In diesem nicht autorisierten posthum veröffentlichten Fragment Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie reflektiert Arendt das Zustandekommen von Urteilen als subjektiv. Sie setzt sich mit Kants Theorie des ästhetischen Urteils in der Kritik der Urteilskraft auseinander, wobei sie das ästhetische Urteil als Vorbild für das politische Urteilen ansieht. Dieses Urteil beruht auf dem Denken ohne die Vermittlung durch einen Begriff oder ein System. Als Beispiel führt Arendt an, wenn man eine Rose als schön bezeichne, so komme man zu dem Urteil, ohne die Verallgemeinerung, dass alle Rosen schön sind und daher diese eine auch. (Das Urteilen, S. 25; vgl. auch S. 89) Es gibt demnach keine Kategorie: Rosen bzw. eine Natur der Rose, vielmehr immer nur die einzelne Rose, die von jeder Person aus ihrer eigenen Perspektive beurteilt wird. Die Erkenntnis der unterschiedlichen Standpunkte bezeichnete sie als „repräsentatives Denken“. Dieses Denken setzte voraus, ohne die eigene Identität aufzugeben, einen Standort in der Welt einzunehmen, der nicht der eigene ist.

Urteile beruhen demnach nicht auf einer bestimmten verinnerlichten Moralvorstellung. Das Urteilsvermögen, zu dem der Mensch imstande ist, hat laut Arendt etwas mit der Fähigkeit zu tun, den Standpunkt des anderen einzunehmen und dabei vom eigenen Willen abzusehen.

Zitat

Die Aufgabe, die mich in Anspruch nimmt, lautet ganz einfach: die Welt und die Menschen zu verstehen (Hannah Arendt, hier zitiert nach Joachim Fest: Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde. Reinbek: Rowohlt, 2004, S. 179.

Wirkung

Berühmt wurde Hannah Arendt mit ihrem Totalitarismusbuch. Dieses Werk, das heute zum Standard politischer Bildung gehört, brachte ihr einerseits viel Zustimmung ein. „Sie war die erste Theoretikerin, die das Phänomen des Totalitarismus als eine in der Menschheitsgeschichte völlig neue Form politischer Macht verstand.“ (Seyla Benhabib, S. 9) Sie wurde nach dem Erscheinen des Buches zu vielen lukrativen Vorträgen und Vorlesungen eingeladen. Vor allem in der populären Rezeption des Werkes in der Zeit des Kalten Krieges, die die totalitären Herrschaftsformen des Nationalsozialismus und des Stalinismus nicht ursächlich betrachteten, sondern in ihren rein äußerlichen Symptomen verglichen und darüber gleichsetzten, geriet es immer wieder in die Kritik von eher orthodoxen Teilen der politischen Linken. Gleichzeitig wurde auch in der Linken nicht nur die grundlegende Beschäftigung mit der Genese des Nationalsozialismus geschätzt, sondern auch der frühe Versuch, die Verbrechen des Stalinismus zu analysieren und zu kritisieren. Insbesondere in den USA und in Frankreich gab es Debatten, die die Entwicklung der undogmatischen Neuen Linken beförderten.

Ihr Lehrer Jaspers bezeichnete das Buch im Vorwort zur dritten Auflage als „Geschichtsschreibung im großen Stil“. Es sei mit den Mitteln historischer Forschung und soziologischer Analyse erarbeitet. Das Werk gibt „die Einsicht, durch welche eine philosophische Denkungsart in der politischen Wirklichkeit erst urteilsfähig wird“. Arendt erteile keine Ratschläge, sondern vermittele Erkenntnisse, die der Menschenwürde und Vernunft dienen.

In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts verursachte ihre Reportage über den Eichmann-Prozess in Jerusalem heftige Kontroversen (s.o.). Die Memoiren Eichmanns (Wojak, 2004), die seinen starken eigenständigen Antisemitismus zeigen, standen Hannah Arendt bei der Verfassung der Zeitungsberichte und des Buches noch nicht zur Verfügung. Heute wird in einem großen Teil der Rezeption darauf hingewiesen, dass Arendt Eichmanns Antisemitismus als Motiv aus diesem Grund unterschätzt habe. Auch gegenwärtig noch wird diese Arbeit teilweise heftig kritisiert oder ignoriert, findet aber auch - wie alle Werke Arendts - mehr und mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit.

In den 1970er Jahren hat „Jürgen Habermas Übereinstimmungen seiner Theorie kommunikativen Handelns mit Arendts Theorie der Macht entdeckt und den Begriff »kommunikative Macht« geprägt.“ (Brunkhorst, S. 150) Habermas hält aber Distanz zu „Arendts Aristotelismus und … zu ihrer Kritik an der Französischen Revolution.“ (ebd.) Die Habermas-Schüler Helmut Dubiel, Rödel und Frankenberg haben in »Die demokratische Frage« (1990) versucht, „mit Hilfe von Arendt das Demokratiedefizit der älteren kritischen Theorie zu reparieren.“ (ebd.)

Nach Brunkhorst begann die große Wirkung von Hannah Arendt in den achtziger Jahren, als die civil society (zivilisierte Gesellschaft, Zivilgesellschaft) auf der Tagesordnung stand. Anlass war einerseits die neoliberale Politik Ronald Reagans und Margaret Thatchers und andererseits die Politik der alten Sowjetunion.

Benhabib fragt sich, wie die Arendt-Renaissance zu erklären ist. „Nach dem Fall des autoritären Kommunismus und seitdem die marxistische Theorie weltweit den Rückzug angetreten hat, erwies sich Hannah Arendts Denken als die kritische politische Theorie des posttotalitären Augenblicks.“ (Benhabib, 1998 S. 18) Auch für die moderne Frauenbewegung sei Arendt „ein beeindruckendes und geheimnisvolles Vorbild, eine unserer »früheren Mütter«.“ (Benhabib, S. 21) Die feministische Bewegung in der 1970er und 1980er Jahren hatte sich hingegen kaum auf Arendt bezogen.

Arendt wurde häufig vorgehalten, sie unterschätze die sozialen Fragen. 1972 entgegnet sie in einem Gespräch mit Freunden darauf, beispielsweise der Wohnungsbau sei eine Frage der Verwaltung, die organisatorisch gelöst werden könne (Ich will verstehen, S.77ff). Sie selbst hat ihr, radikal Traditionen und Weltanschauungen infrage stellendes Denken, ausdrücklich auf das Politische beschränkt.

Es existiert keine philosophische oder politologische Schule, die sich auf Hannah Arendt bezieht. Ihr weit verzweigtes Werk bietet sich dazu an, eklektizistisch passende Versatzstücke für die Begründung der eigenen Position herauszugreifen. Da sie, anders als viele bedeutende intellektuelle Zeitgenossen, nach eigener Auskunft niemals Sozialistin oder Kommunistin, andererseits aber auch nicht durchgängig Zionistin war und in kein anderes Schema hineinpasste, gab es lange Zeit nur wenige Wissenschaftler, wie z.B. Ernst Vollrath[2], die ihr Gesamtwerk ernst nahmen. Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. In den Zeiten der Postmoderne wird ihr individuelles „Denken ohne Geländer“ eher geschätzt.

Erbe

Seit 1994 wird der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, finanziert von der Stadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung, vergeben.

Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden arbeitet seit 1993. Es will nach der Erfahrung von 60 Jahren Diktatur explizit Diktaturen mit totalitärem Verfügungsanspruch untersuchen. Historiker und Sozialwissenschaftler sollen auf empirischer Grundlage die politischen und gesellschaftlichen Strukturen von NS-Diktatur und SED-Regime analysieren. Die Hannah-Arendt-Forschung gehört dagegen nicht vorrangig zu den Zielen des Instituts.

In Zürich, wo Hannah Arendt 1958 den Vortrag Freiheit und Politik gehalten hat, fanden 1996 bis 2000 jährliche Hannah-Arendt-Tage statt, die sich - jeweils unter einem anderen Blickwinkel - mit ihrem politischen Denken befassten. Seit 1998 werden auch in Hannover jeden Sommer ähnliche Veranstaltungen durchgeführt.

An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg wurde 1999 das Hannah-Arendt-Zentrum gegründet. Es verfügt über ein Archiv mit großen Teilen aus Arendts Nachlass. Außerdem werden Hannah Arendt Studien als Buchreihe herausgegeben. Hinzu kommen Tagungen und andere Veranstaltungen zu den Werken Hannah Arendts und allgemein zur Geistesgeschichte des vorigen Jahrhunderts.

Ihre Philosophie ist die Grundlage für den Roman Fever der Französin Leslie Kaplan. Das fiktionale Werk stellt eine literarische Umschreibung von Arendts Gedanken über die Zwischenmenschlichkeit und Kommunikation, über Freiheit und Schuld dar.

Zitat

Das den Nürnberger Prozessen zugrunde liegende Londoner Statut hat, wie bereits erwähnt, die »Verbrechen gegen die Menschheit« als »unmenschliche Handlungen« definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« geworden sind – als hätten es die Nazis lediglich an »Menschlichkeit« fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig das Understatement des Jahrhunderts.” (Eichmann in Jerusalem 2004, S. 399)

Werke

Bücher, Essays u.a. Schriften

Korrespondenz, Reden und Interviews

  • Hannah Arendt und Heinrich Blücher: Briefe 1936–1968, Piper, München, 1999; 2. Aufl. 2002 ISBN 3-492-03885-9
  • Hannah Arendt und Kurt Blumenfeld, ... in keinem Besitz verwurzelt. Die Korrespondenz, hrsg. v. Ingeborg Nordmann und Iris Pilling, Hamburg, 1995
  • Hannah Arendt und Karl Jaspers, Correspondence, 1926–1969, hrsg, v. Lotte Köhler und Hans Saner, New York 1992 (dt.: Briefwechsel 1926–1969 Piper, München, 2001 ISBN 3-492-21757-5)
  • Karl Jaspers: Wahrheit, Freiheit und Friede. Hannah Arendt:Karl Jaspers. Reden zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1958, Piper-Verlag, München
  • Hannah Arendt und Mary McCarthy, Between Friends: The Correspondence of Hannah Arendt and Mary McCarthy, 1949–1975, hrsg. v. Carol Brightman, New York, 1995 (dt.: Im Vertrauen. Briefwechsel 1949-1975, München 1995. ISBN 3-492-22475-X)
  • Hannah Arendt und Gershom Scholem, Eichmann in Jerusalem: Exchange of Letters between Gershom Scholem and Hannah Arendt. In: Encounter 22/1 (1964), S. 51–56, deutsch in: Neue Zürcher Zeitung, 19. Oktober 1963
  • Hannah Arendt und Hermann Broch, Briefwechsel 1946–1951, Frankfurt, Jüdischer Verlag, 1996; 2. Aufl. 2000 ISBN 3633541136
  • Hannah Arendt und Martin Heidegger, Briefe 1925–1976, Klostermann, Frankfurt, 1998; 3. durchgesehene und erweiterte Auflage 2002 ISBN 3465032055
  • Hannah Arendt - Uwe Johnson, Der Briefwechsel 1967 – 1975, hrsg. von Eberhard Fahlke und Thomas Wild, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-518-41595-6
  • Gespräche mit Hannah Arendt. Hrsg. Adelbert Reif. München 1979
  • Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten, Rede am 28. September 1959 bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg, Mit einem Essay von Ingeborg Nordmann, EVA, Hamburg 1999, ISBN 3-434-50127-4
  • Die Sonning-Preis-Rede Kopenhagen 1975, in: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur, Hrsg. Heinz Ludwig Arnold, 166/167, Hannah Arendt,IX/05, ISBN 3-88377-787-0

Literatur

Zur Einführung

  • Wolfgang Heuer: Hannah Arendt Rowohlts Bildmonographie, Reinbek, 7. Aufl. 2004, mit aktuellen Lit.angaben bis 2003 (Primär- und Sekundärlit.) ISBN 3499503794. Sehr empfehlenswert.
  • Antonia Grunenberg: Arendt Herder Spektrum, Freiburg, Basel, Wien 2003. ISBN 3-451-04954-6
  • Alois Prinz: Beruf Philosophin oder die Liebe zur Welt. Die Lebensgeschichte der Hannah Arendt. Beltz & Gelberg, Weinheim und Basel 1998, ISBN 3407788797 Neuaufl. 2006 ISBN 3407809859

Umfassende Biografie

  • Elisabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit. Fischer Verlag, Frankfurt 2004, ISBN 3-596-16010-3. (Amerikan. Originalausgabe: Hannah Arendt. For Love of the World, Yale University Press 1982)

Weitere Literatur

  • Richard Albrecht, Politik und mehr: Zum 20. Todestag einer politischen Wissenschaftlerin; in: liberal, 38 (1996) 1, 91-94; ders., Politische Philosophie - philosophische Politik. Hannah Arendt zum 100. Geburtstag; in: Forum Wissenschaft, 23 (2006) 3, 56-58; ders., Politische Philosophie und/als philosophische Politik (2005): auch online
  • Seyla Benhabib: Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne, 1998, Originaltitel: The Reluctant Modernism of Hannah Arendt. 1996
  • Karl-Heinz Breier: Hannah Arendt zur Einführung, Junius Verlag, Hamburg 1992, 2.überarb. Auflage 2005, ISBN 3-88506345X
  • Hauke Brunkhorst: Hannah Arendt. becksche reihe denker, Verlag C.H. Beck, herausgegeben von Otfried Höffe, ISBN 3-406-41948-8, Originalausgabe
  • Fransisco Budi Hardiman: Die Herrschaft der Gleichen. Masse und totalitäre Herrschaft. Eine kritische Überprüfung der Texte von Georg Simmel, Hermann Broch, Elias Canetti und Hannah Arendt. Frankfurt/M. u.a., Peter Lang 2001. ISBN 3631379293 (Dissertation München 2001)
  • Margaret Canovan: Hannah Arendt: A reinterpretation of her political thought, Cambridge University Press 1992, ISBN 0-521-41911-5
  • Elżbieta Ettinger: Hannah Arendt – Martin Heidegger (stark feuilletonistisch), Eine Geschichte. 1994, Serie Piper 1904, Piper, München.
  • Joachim Fest: Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2004, ISBN 3-498020889, darin Portraits von Hannah Arendt, Sebastian Haffner, Ulrike Meinhof, Dolf Sternberger, Wolf Jobst Siedler, Arnulf Baring, Golo Mann, Joachim Kaiser, Rudolf Augstein und anderen mit dem Autor Joachim Fest. Ein ausgesprochen oberflächliches Buch in Bezug auf H.A., Fest mokiert sich nur über ihre Beziehung zu Heidegger, keine Erkenntnisse zum Eichmann-Thema.
  • Paolo Flores d' Arcais: Libertärer Existenzialismus. Zur Aktualität der Theorie von Hannah Arendt. Verlag Neue Kritik, Frankfurt/Main, 1997. ISBN 3801502538
  • Daniel Ganzfried, Sebastian Hefti (Hrsg.):Hannah Arendt. Nach dem Totalitarismus. eva wissenschaft, Hamburg 1997, ISBN 3-434-52003-1. Auswahl der Symposiumsbeiträge anlässlich der Hannah Arendt Tage in Zürich 1996
  • Ingeborg Gleichauf:Hannah Arendt. dtv, 2. Aufl. 2005 (Bibliographie aktuell, sonst identisch mit 1. Aufl.)
  • Barbara Hahn, Hannah Arendt - Leidenschaften, Menschen und Bücher, Berlin Verlag 2005, ISBN 3827005612
  • Phillip Hansen: Hannah Arendt: Politics, History and Citizenship, Standford: Standford Univ. Press: 1993, ISBN 0-8047-2145-9
  • Klaus Harms: Hannah Arendt und Hans Jonas. Grundlagen einer philosophischen Theologie der Weltverantwortung. Berlin: WiKu-Verlag (2003). ISBN 3-936749-84-1.
  • Wolfgang Heuer: Citizen: Persönliche Integrität und politisches Handeln: Eine Rekonstruktion des politischen Humanismus Hannah Arendts, Berlin: Akademie Verlag 1992, ISBN 3-05-002189-6
  • Irving Louis Horowitz, The Origins of Hannah Arendt; in: Society, 2.1996, 74-78
  • Leslie Kaplan: Fever. Ein philosophischer Roman nach Hannah Arendts Eichmann-Buch u.a. Gedanken. (Siehe auch Reinhard Finck: Stumm ist nur die Gewalt für einen Vergleich der beiden Autorinnen)
  • Peter Kemper (Hrsg.): Die Zukunft des Politischen, Ausblicke auf Hannah Arendt, Frankfurt: Fischer Taschenbuch V. 1993, ISBN 3-596-11706-2
  • Oliver Marchart: Neu beginnen. Hannah Arendt, die Revolution und die Globalisierung., Verlag Turia + Kant, 2005, ISBN 3-85132-421-8
  • Waltraud Meints, Katherine Klinger (Hrsg.): Politik und Verantwortung. Zur Aktualität von Hannah Arendt. Hannover 2004. ISBN 3-930345-43-9
  • Maurizio Passerin d'Entrèves: The political philosophy of Hannah Arendt, London & New York: Routledge 1994, ISBN 0-415-08790-2
  • Adelbert Reif (Hrsg.): Hannah Arendt, Materialien zu ihrem Werk, Wien: Europaverlag 1979, ISBN 3-203-50718-8
  • Gershom Scholem: Wir waren beide nicht dabei, in: „Der Zeitgeist”. Halbmonats-Beilage des Aufbau, No. 208, New York, December 20, 1963, P. 17/18.(auch bek. unter dem Titel „Sie haben mich mißverstanden. Antworten auf Kritiken ...”)
  • Julia Schulze Wessel: Ideologie der Sachlichkeit. Hannah Arendts politische Theorie des Antisemitismus, Frankfurt: Suhrkamp, 2006, ISBN 3-51829-396-6
  • Kurt Sontheimer: Hannah Arendt. Der Weg einer großen Denkerin. München: Piper Verlag, 2005, ISBN 3-49204-382-8
  • Jakob Stefan Seitz: Hannah Arendts Kritik der politisch-philosophischen Tradition – unter Einbeziehung der französischen Literatur zu Hannah Arendt. Herbert Utz Verlag Wissenschaft, München 2002, ISBN 3-831601682
  • Gary Smith (Hrsg.): Hannah Arendt Revisited: „Eichmann in Jerusalem” und die Folgen, edition suhrkamp 2135
  • Christian Volk: Urteilen in dunklen Zeiten. Eine neue Lesart von Hannah Arendts „Banalität des Bösen”. 2005 Lukas, Berlin. ISBN 3-936872-54-6 Die Einleitung ist auf der Verlagsseite online lesbar.
  • Stefan Vogt: Gibt es einen kritischen Totalitarismusbegriff? In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Theorie des Faschismus - Kritik der Gesellschaft.
  • Irmtrud Wojak: Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay, Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2001 ISBN 3-5933-6381-X, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt a. M., 2004, ISBN 3-596-15726-9, ähnlich F. Kettner: Dossier Eichmann [3]
  • Linda M. G. Zerilli: Einsicht in die Perspektive. Nach dem Ende aller Maßstäbe: Hannah Arendts Überlegungen zu demokratischen Urteilskraft sind von ungebrochener Aktualität, in: Frankfurter Rundschau, 7. Januar 2006

Film

  • Deutsche Lebensläufe: Hannah Arendt - Eine Jüdin aus Deutschland. Dokumentation, 60 Min. Ein Film von Simone Reuter und Monika Boll, Erstsendung: SWR, 20. Januar 2005 (Inhaltsangabe des SWR) mit Interviews von Elisabeth Young-Bruehl, Joachim Fest, Daniel Cohn-Bendit u.a.
  • Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus. Zur Person - Porträts in Fragen und Antworten. 30 Min. Erstsendung: ARD, 28. Oktober 1964 (Transskript [3]] (Gaus bezeichnete dieses Interview mit Arendt als sein „schönstes Gespräch“.[4])


Presse

Franziska Augstein: Ein geistiges Ereignis. Süddeutsche Zeitung Nr. 237, 14./15.10.2006, S. 13.

Aktuelles

  • 13.10. Hannah Arendt Themenabend bei arte [4] anläßlich des 100. Geburtstages
  • Bis 26. 11. 2006: Karl Jaspers Das Buch Hannah (über sein nicht erschienenes Buch) [5]

Quellen

  1. Hannah Arendt und Karl Jaspers: Briefwechsel 1926–1969. Piper, München 2001, S. 52 ff.
  2. Hannah Arendt: Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze. Herausgegeben von Eike Eisel und Klaus Bittermann. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1991, S. 39ff).
  3. Transskript des Interviews Arendt - Gaus, RBB
  4. Matthias Dell: „Dem Denken beim Reden und Rauchen zuschauen - Frühe Interviews von Günter Gaus auf zwei DVDs“, Freitag, 19. August 2005
Commons: Hannah Arendt – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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