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Gedächtnissport

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Teilnehmertisch bei der Disziplin Hour Cards

Unter Gedächtnissport wird der sportliche Wettkampf im Auswendiglernen von abstrakten Datenmengen verstanden. In Wettkämpfen werden Gedächtnisleistungen, die durch gezieltes Gedächtnistraining erreicht wurden, miteinander verglichen. Das Ziel ist also nicht der Erwerb von neuem Wissen, sondern das möglichst schnelle Einprägen möglichst großer Datenmengen.

Allgemeines

Gedächtnissport versteht sich als eine Sportart, deren Focus auf mentalen Leistungen liegt. Ziel ist ein Vergleich im Wettkampf und nicht die Alltagsrelevanz der Gedächtnisleistungen. Das Training von Gedächtnissportlern besteht daher auch überwiegend aus einem gezielten Training der Turnierdisziplinen und der Erweiterung der Techniken.

In Abgrenzung zu Gedächtnissport wird unter Gedächtnistraining der Prozess verstanden, mit dessen Hilfe man eine eine gezielte Verbesserung der Gedächtnisleistung anstrebt. Neben einem Wettkampf-orientierten Training wird ein gezieltes Gedächtnistraining auch in weiteren Bereichen (z. B. Schule, Beruf, Demenz) unter dem Aspekt des praktischen Nutzens (Alltagsrelevanz) betrieben.

Gedächtnissportler greifen auf Mnemotechniken zurück, welche bereits die alten Griechen verwendeten. Diese Techniken sind in ihren Grundzügen leicht erlernbar. Um jedoch mit Mnemotechniken Leistungen zu vollbringen, mit denen man auch eine Gedächtnismeisterschaft gewinnen kann, müssen die Gedächtnissportler trainieren und die Techniken immer wieder verfeinern und ausbauen. Durch gezieltes Training und Spezialisieren der Techniken auf die Wettbewerbsdisziplinen erreichen sie Gedächtnisleistungen wie beispielsweise das Memorieren einer 1000-stelligen Zahl in 30 Minuten.

Organisationsstrukturen

Portal: Geist und Gehirn – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Geist und Gehirn

Deutschland

In Deutschland gibt es den 2002 in Weimar gegründeten Verein MemoryXL. Neben den Meisterschaften organisiert MemoryXL auch Seminare für Lehrer und Schüler und unterstützt Projekte in Zusammenhang mit Gedächtnistraining. Seit 2003 wird je eine Nord- und Süddeutsche Meisterschaft national ausgetragen. Dies soll mittelfristig auf Nord-, West-, Süd- und Ostdeutsche Meisterschaften ausgeweitet werden. Bei den Nord- und Süddeutschen Meisterschaften nehmen die allerbesten der letzten deutschen Meisterschaft nicht teil. Dies dient dazu, neue Teilnehmer nicht durch für sie unerreichbar hoch wirkende Ergebnisse abzuschrecken.

Die deutsche Meisterschaft wird von der Gesellschaft für Gedächtnis- und Kreativitätsförderung e. V. (GGK) seit 1997 organisiert. Seitdem es MemoryXL gibt, findet die Meisterschaft unter Organisations-Kooperation von MemoryXL und GGK statt. MemoryXL sieht sich dabei als europäische Gesellschaft und organisiert auch die National-Meisterschaften von Tschechien und Rumänien.

MemoryXL veranstaltet außerdem eine Landesmeisterschaft in Nordrhein-Westfalen für Kinder und Jugendliche. Einmalig fand eine solche Landesmeisterschaft auch in Baden-Württemberg statt. Eine ähnliche Landesmeisterschaft ist in Berlin geplant. Solche Landesmeisterschaften gibt es in Österreich schon länger. Diese Wettbewerbe dienen dem Gewinn neuer Schüler für Gedächtnistechniken.

International

Tony Buzan, der Begründer der Weltmeisterschaften

1990 wurde von Tony Buzan das World Memory Sports Council (WMSC) gegründet. Seit 1991 organisiert das WMSC die Gedächtnisweltmeisterschaften, welche bis 2002 immer in London stattgefunden haben. Wegen wachsender internationaler Beteiligung wurden diese in den folgenden Jahren an unterschiedlichen Orten ausgetragen. 2003 war die Weltmeisterschaft in Kuala Lumpur, 2004 in Manchester und 2005 in Oxford. Zum 15. Jubiläum der Meisterschaft kehrte sie im August 2006 wieder nach London zurück.

Im Jahr 2006 gab es Umstrukturierungen im Gedächtnissport. Um dem Ziel der offiziellen Anerkennung als Sportart z. B. bei dem IOC und dem Deutschen Sportbund Rechnung zu tragen, wurde der WMSC als Welt-Dachverband neuformiert. Die einzelnen Länder sind aufgefordert, nationale Gedächtnissportverbände zu gründen. Diese Rolle hat in Deutschland MemoryXL übernommen. Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft ist ab 2006 nur noch möglich, wenn der Gedächtnissportler einem Verein angehört. Der Verein ist wiederum einem nationalen Verband zugeordnet. Ausnahmen sind nur für Sportler aus Nationen ohne eigenen Verband möglich. Mit diesem System werden die Organisationsstrukturen denen anderer Sportarten angelehnt.

Verbreitung

Gedächtnissport weist immer noch den Charakter einer Randsportart auf, so zählt man in Deutschland gerade einmal rund 100 Aktive. In der Altersklasse der Erwachsenen liegt Deutschland dabei international vorn. Bei den Kindern und Jugendlichen hebt sich Österreich hervor, was auf eine größere Verbreitung dieses Sports durch eine umfassende Basisarbeit mit einem speziell zugeschnittenen Kursangebot und eigenen Turnieren zurückzuführen ist. Die Weltspitze unter den Studenten stellt Malaysia. An der Weltmeisterschaft 2006 nehmen rund 50 Teilnehmer aus 15 Ländern, von allen fünf Kontinenten teil.

Disziplinen

Es gibt folgende Disziplinen, die je nach Meisterschaft über unterschiedliche Zeiten (5 Minuten, 10 Minuten, 30 Minuten oder 60 Minuten) stattfinden:

Geschriebene Dezimalziffern

Dies ist die klassische Disziplin, die bei keinem Turnier fehlt. Die Aufgabe hierbei ist einfach, sich so viele Ziffern in der vorgegebenen Zeit zu merken wie möglich.

Gesprochene Ziffern

Diese werden im 1-Sekunden-Takt vorgelesen und haben die zusätzliche Schwierigkeit, dass sich der Sportler an den Takt halten muss. Der Sportler hat in dieser Disziplin keine Möglichkeit, die Ziffern zu wiederholen. Daher ist diese Disziplin eine der schwierigsten. Den Weltrekord hält Clemens Mayer mit 198 Ziffern.

Geschriebene Binärzahlen

Analog zu den geschriebenen Dezimalziffern, werden hier Binärziffern memoriert. Zum Einprägen erhalten die Gedächtnissportler nur einen Zettel mit Nullen und Einsen, deren Reihenfolge sie sich einprägen müssen. Bei dem Memorieren von Binärziffern in fünf Minuten liegt der Weltrekord bei 780, in einer halben Stunde bei 3710.

Könnten Sie sich die Reihenfolge merken?

Spielkarten

Spielkarten in vorgegebener Zeit

Hierbei geht es darum möglichst viele gemischte Pakete von Spielkarten (52er Blatt, Rommé) zu memorieren. Die Wiedergabe auf den Meisterschaften erfolgt in dieser Disziplin schriftlich. In eine leere Tabelle mit 52 Reihen ist jeweils einzutragen, welche Karte sich an dieser Stelle befindet.

Die Kartenspiele werden nicht untereinander, sondern nur einzeln gemischt, so dass bei der Wiedergabe ein Kartenspiel einen Wertungsblock bildet und jede mögliche Spielkarte genau einmal enthält. Der Weltrekord im Memorieren von möglichst viel Kartenstapeln in einer Stunde liegt 27 Stapeln, also 1404 Karten.

Speed Cards

Hauptartikel: Speed Cards

Andi Bell auf der Weltmeisterschaft, bevor er den Weltrekord aufstellt

Speed Cards ist die Königsdisziplin des Gedächtnissports. Es geht darum, die Reihenfolge eines gemischten Kartenstapels mit 52 Blatt auf Zeit einzuprägen.

Der Weltrekord liegt bei 31.16 Sekunden im Einprägen eines 52er Kartenstapels, gehalten von Andi Bell.


Die nachfolgenden Disziplinen werden auf Grund der Abhängigkeit von der Sprache des Sportlers nur bei einigen Meisterschaften durchgeführt:

Namen und Gesichter

Es sind eine fest definierte Anzahl Fotos (bei Erwachsenenmeisterschaften 100) mit Vor- und Nachnamen vorgegeben. Die Teilnehmer sollen sich möglichst viele Namen einprägen. Hinterher bekommen die Teilnehmer die Fotos in veränderter Reihenfolge und müssen die Namen dazu notieren. Der Weltrekord liegt bei 181 Punkten in 15 Minuten, aufgestellt von Clemens Mayer. Dabei zählt jeder richtige Vor- oder Nachname einen Punkt. Wenn zu einer Person Vor- und Nachname stimmen, gibt es für die Person zwei Punkte. Wird ein richtiger Name in falscher Schreibweise notiert(z. B. Schmitt statt Schmidt), so wird ein halber Punkt vergeben.

Wörter

Weltrekordhalter Boris Nikolai Konrad

Eine Liste mit Wörtern ist hierbei auswendig zu lernen und in der richtigen Reihenfolge wiederzugeben. Der Weltrekord liegt momentan bei 214 Wörtern memoriert in 15 Minuten von Boris Nikolai Konrad.

Diese Disziplin wird üblichweise in der Landessprache abgehalten. Auf Weltmeisterschaften erhalten alle Teilnehmer die gleichen Wörter, allerdings jeweils in der gewünschten Sprache.

Weltrekordhalterin Astrid Plessl

Text

Ein vorgegebener Text muss mit Satzzeichen, Zeilenumbrüchen, besonderen Schreibweisen etc. komplett richtig eingeprägt werden. Hierbei kommt es darauf an, dass auch das assoziative Gedächtnis sehr gut ist. Der Weltrekord liegt bei 345 Punkten in 15 Minuten, aufgestellt von Astrid Plessl. Hierbei wird pro Wort und Satzzeichen ein Punkt vergeben. Da Texte sehr unterschiedlich schwer sein können, schwanken die Ergebnisse relativ stark.

Historische Daten

Zu Jahreszahlen zwischen 1000 und 2099 werden fiktive Daten (z. B. „Krönung Kaiser Konstantin“, „Sinken der Queen Margot vor Grönland“ etc.) gegeben. Hinterher werden die Daten in anderer Reihenfolge vorgelegt und die Jahreszahlen sind dazu zu schreiben. Der aktuelle Weltrekord liegt bei 96 Daten in 5 Minuten, der deutsche Rekord bei 75. Aufgrund der Sprachabhängigkeit dieser Disziplin wird bei internationalen Meisterschaften mit Übersetzungen gearbeitet.

Abstrakte Bilder

Im Jahr 2006 neu eingeführt wurde die Disziplin abstrakte Bilder. Jeweils 5 kleine, schwarz-weiße Grafiken werden in einer Reihe abgebildet. Nach der Einprägezeit bekommen die Gedächtnissportler die selben Grafiken, allerdings ist die Reihenfolge innerhalb einer Reihe vertauscht. Durch die Angabe von Ziffern ist die ursprüngliche Reihenfolge anzugeben.

Wertungsystem

Hauptartikel: Wertungssystem im Gedächtnissport

In allen Disziplinen werden die einzuprägenden Inhalte in Gruppen vorgelegt. Also z. B. immer 40 Ziffern in einer Reihe oder 20 Wörter in einem Block. Ein Fehler in einem Block hat eine Reduzierung der Punktzahl für diesen auf die Hälfte, ein zweiter Fehler auf Null Punkte zur Folge. Wenn sich also ein Gedächtnissportler 120 Ziffern in 5 Minuten merken möchte, so wären dies drei 40er-Reihen. Hat er nun zum Beispiel die erste und die dritte Reihe korrekt wiedergegeben und im zweiten Block genau eine der 40 Ziffern falsch, würde dies wie insgesamt 100 fehlerfrei memorierte Zahlen gewertet. Hat er in jedem Block genau zwei Ziffern falsch, so gibt dies keinen Punkt mehr, obwohl er 114 Ziffern richtig hatte.

Ausnahmen gibt es nur bei den gesprochenen Zahlen und bei der Disziplin „Speed Cards“, bei denen jeweils nur bis zum ersten Fehler gewertet wird.

Die Roh-Punktzahl wird mithilfe eines Schlüssels, dem Millennium-Standard, in Meisterschaftspunkte umgewandelt. Der Millennium-Standard ist so festgelegt, dass 1000 Meisterschaftspunkte für eine Disziplin in etwa dem Weltrekord entsprechen. Für das Gesamtergebnis werden die Punkte aus den einzelnen Disziplinen zusammengezählt.

Titel

Zur Ehrung und Motivation gibt es im Gedächtnissport auch verschiedene Titel, die an erfolgreiche Sportler verliehen werden. Meist gibt es auf Gedächtnismeisterschaften drei Klassen:Erwachsene, Jugendliche, Kinder

Neben dem Meister in der jeweiligen Kategorie gibt es immer auch noch einen Vizemeister. Für Frauen gelten noch einmal gesonderte Klassen.

An herausragende Gedächtnissportler wird weiterhin der Großmeister-Titel vergeben. Mit den Jahren stieg der Standard für die Bezeichnung "Gedächtnisgroßmeister" immer weiter an. Momentan muss man für den Titel folgende drei Bedingungen erfüllen:

  1. Memorieren von mehr als 1000 Ziffern in einer Stunde
  2. Memorieren von mehr als 10 Kartenstapeln in einer Stunde
  3. Memorieren eines Kartenstapels in unter zwei Minuten

Die andere, weitaus schwierigere, Möglichkeit, den Titel zu erlangen ist, in einem Turnier mehr als 6000 Punkte zu erzielen. Derzeit hat allerdings jeder, der eine solche Punktzahl erzielte, auch bei weitem die Hürde aus den drei Disziplinen erfüllt.

Leistung

Der Leistung im Gedächtnissport wird oft zugeschrieben, dass sie von verschiedenen Faktoren abhängt.

Alter

In Gedächtnissport hat die Leistung mit dem Alter nichts zu tun. Das Alter der ersten Zehn in der Weltrangliste reicht von 18 bis 43 Jahren. Das natürliche Gedächtnis verschlechtert sich mit dem Alter, sagen Gedächtnisforscher, aber in den Gedächtnissportsdiziplinen kann man sich mit Training so stark verbessern, dass das natürliches Gedächtnis wenig ausmacht.

Körperliche Fitness

Einige Leute, wie der dreifache Gedächtnisweltmeister Andi Bell oder der Begründer der Weltmeisterschaften Tony Buzan, sagen mens sana in corpore sano, und empfehlen, intensiv Fitnesstrainings zu betreiben. Der momentane Gedächtnisweltmeister Clemens Mayer betreibt ebenfalls intensiv Mittel- und Langstreckenlauf und besuchte auch ein spezielles Sportgymnasium. Andere Gedächtnissportler betreiben hingegen keinerlei körperlichen Sport; teils aus Desinteresse, teils aus gesundheitlichen Gründen. Ein Zusammenhang zwischen der Leistung im Gedächtnissport und der körperlichen Fitness ist deswegen nur schwer festzumachen.

Potential des Gedächtnissports

Der Weltranglistenerste Ben Pridmore schätzt das Potential des Gedächtnissports circa 20 Prozent über der momentanen Leistung ein.

In der Disziplin Binary Digits (30 min), in welcher er den Weltrekord mit 3710 Ziffern hält, vermutet er für die WM 2008 eine Leistung von 4500 Ziffern oder vielleicht sogar mehr. In der Disziplin Hour Cards, welche er momentan mit 27 Decks dominiert, hält er 32 Stapel für möglich.

Für die Disziplin Namen & Gesichter erwartet er einen Anstieg von 90 auf 100 Gesichter, memoriert in 15 Minuten. Den Weltrekord hier hält Clemens Mayer. Bei dem Memorieren von möglichst vielen Dezimalziffern in fünf Minuten spekuliert er auf eine Leistung von 400 Ziffern.

Im Merken von möglichst vielen historischen Daten innerhalb von fünf Minuten hält Pridmore derzeit den Weltrekord mit 96 Ereignissen. Als Maximimum nennt er eine Gedächtnisleistung von 100-110. Ein Ergebnis von 120 hingegen hält er für unmöglich.

Beim 1-Stunden-Zahlenmarathon mutmaßt er eine Leistung von 2400 Ziffern. Der momentane Weltrekord (Stand:10/06) liegt bei 1949. In der Wörterdisziplin, welche 15 Minuten lang ist, rechnet er für 2008 mit einem Weltrekord von 250 Wörtern.

Eine der heikelsten Disziplinen im Gedächtnissport sind die gesprochenen Zahlen. Dort ist die Konzentration von elementarer Bedeutung. Wenn ein Sportler sich nicht richtig konzentirert und daher eine Zahl verpasst, hat er keine Möglichkeit, sie noch einmal zu hören. Außerdem ist in dieser Disziplin keine Wiederholung möglich. Daher müssen alle Merkbilder beim ersten mal sitzen. Hier hält Pridmore einen Anstieg von derzeit 198 auf 250 für möglich.

In der Königsdisziplin des Gedächtnissport, dem Kartensprint, oder englisch Speed Cards, rechnet Pridmore mit einem Fall der magischen 30-Sekundengrenze, welche von vielen Leuten als 4-Minute-Mile des Gedächtnissports bezeichnet wurde.

Der Standard im Gedächtnissport stieg mit den Jahren, seit der Einführung der Weltmeisterschaft 1991 immer weiter an. So hat sich die Leistung in sämtlichen Disziplinen mehr als verdreifacht.

Hierbei ziehen viele Sportler einen Vergleich mit dem Schach, das seit der meisterschaftsorientierten Betätigung eine enorme Steigerung in der Spielstärke erlebte. Dies lag zum einen an der Weiterentwicklung von Strategien und daran, dass mit der größeren Verbreitung höher begabte Menschen mit dem Schachsport begannen.

Memoriersysteme

Hauptartikel: Memoriersysteme im Gedächtnissport

Die Gedächtnissportler verwenden verschiedene Gedächtnistechniken, um ihre Memorierleistungen zu erreichen. Die unterschiedlichen Techniken haben jedoch alle einen gemeinsamen Kern und beruhen auf den selben Prinzipien. Die wichtigste und geschichtlich älteste Technik ist die Loci-Methode. Sie wird auch von allen Gedächtnissportlern verwendet. Das neurologische Prinzip, auf dem diese Methode aufbaut, ist das evolutionär-bedingt hervorragende Ortsgedächtnis des Menschen. Die Loci-Methode besteht aus mentalen Rundgängen durch zuvor festgelegte Routen. Diese Wege können aus realen Bauwerken bestehen oder aber auch rein fiktiv sein. „Reale“ Routen werden jedoch meist bevorzugt. Diese Wege bestehen dann aus vielen Punkten, auf denen dann die Informationen durch Verknüpfen von Bildern abgelegt werden. Gilt es beispielsweise das Wort „Freiheit“ abzuspeichern, dann würde man sich auf dem ersten Punkt der Route die Freiheitsstatue vorstellen. Das mag auf den ersten Blick viel komplizierter wirken, als sich einfach den Begriff Freiheit zu merken, jedoch ist das Anwenden der Technik nur eine Frage der Übung und das natürliche Gedächtnis würde bei Gedächtnisleistungen wie dem Memorieren von 214 Wörtern in 15 Minuten versagen.

Für das Memorieren von sehr abstraktem Material ist es wichtig, den abstrakten Zahlen oder Karten lebhafte und gut vorstellbare Bilder zu zuordnen, um diese dann auf Routen abzulegen. Bei dem Finden dieser Bilder gibt es zwei grundlegende Richtungen. Einige, eher wenige, Personen wählen die Bilder willkürlich oder mithilfe eines Wörterbuches aus. Auch wenn das ein wenig chaotisch ist, hat es den Vorteil wesentlich bessere Bilder zu haben. Die andere grundlegende Richtung, die die meisten Mnemotechniker gehen, ist das Finden der Wörter bzw. Bilder mithilfe eines alphanumerischen Codes. Dabei wird erst den Grundzahlen ein bestimmter Buchstabe zugeordnet, wobei jedoch gewisse Buchstaben freibleiben, um anschließend die Lücken zu füllen. Danach werden je nach Länge der Zahl (meistens zwei- oder dreistellig) die Buchstaben zusammengefügt und mithilfe der unvergebenen Buchstaben, die zwischen die bereits festgelegten Buchstaben eingefügt werden, ein Wort gebildet.

Neurologische Grundlagen

Studie

2006 gab es eine Studie über die neurologischen Grundlagen des Gedächtnissports, welche auch in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde. Bei dieser wurden Gedächtnissportler zusammen mit Menschen ohne mnemotechnische Kenntnisse vor die Aufgabe gestellt, bestimmte Formen, Zahlen und Gesichter innerhalb kurzer Zeit im Gedächtnis zu behalten.

Bei der Studie stellte sich heraus, das bei einigen Aufgabenstellungen gleiche Erfolge erzielt wurden (Dies waren wohl solche, die nicht so leicht mnemotechnisch transformierbar waren.), bei anderen aber die Gedächtnissportler (Auch ein ehemaliger Weltmeister, Namen wurden nicht genannt) um bis zu zehnmal besser abschnitten.

Bei den Aufgaben wurde untersucht, welche Art von Gehirnaktivität jeweils vorliegt. Belegbar war, daß die Gedächtnissportler auch Gehirnbereiche bewusst aktivierten, die für die räumliche Wahrnehmung zuständig sind. Dies resultiert aus der Verwendung der Loci-Methode, welche stark auf dem räumlichen Vorstellungsvermögen aufbaut.

Die Studie nennt dies als Grund für ihre Überlegenheit in einigen Bereichen und erwähnt noch, um festzustellen, ob Gedächtnissportler eine methodenunabhängige höhere Gedächtnisbegabung hätten, müsste in einer weiteren Studie ein Vergleich zwischen Laien, welche für die Studie mnemotechnisch geschult würden, und der Gedächtnissportgruppe durchgeführt werden.

Letztlich belegt die Studie nur das Funktionieren der Loci-Methode, was aber keinen Gedächtnissportler sonderlich überraschen dürfte.

Geschwindigkeit

System

Die Geschwindigkeit des gedanklichen Verknüpfens hängt stark vom Gedächtnissystem ab. Sportler beherschen das Verknüpfen bei kleineren Informationsclustern schneller als bei größeren. Wenn ein Sportler ein 2er-System (00-99) lernen will, dann wird er diese schneller im Kopf haben als, wenn er ein 3er-System (000-999) lernen will. Er benutzt die einzelnen Bilder häufiger wie bei einem 3er-System. Dieses häufigere Benutzen führt dazu, dass am einfachsten Myelin durch Üben aufgebaut werden kann, wodurch die Übertragunsgeschwindigkeit zwischen den Neuronen von 1 Meter pro Sekunde auf bis zu 100 Meter pro Sekunde erhöht wird. Die Erkennungsrate einer Zahl wird dadurch drastisch erhöht. Je öfter man an etwas denkt, desto mehr Myelin wird an den entsprechenden Axonen angelagert und man erinnert sich zunehmend schneller an diese Information. Man spart also Zeit beim memorieren.

Beim 3er muß man zehn mal soviele Bilder lernen, wodurch die Myelinisierung erschwert wird. Sicherlich kann man diese durch sehr hartes Training ausgleichen, man erreicht allerdings nur schwer eine ähnliche Erkennungsgeschwindigkeit wie bei 100 Bildern (2er).

Es gibt also drei wichtige Faktoren:

  1. Je kleiner der Cluster ist, desto schneller und sicherer hat man das Bild im Bewusstsein. Dafür braucht man aber mehr Routenpunkte, um die Bilder abzuspeichern.
  2. Je öfter ein Gedächtnissportler seine Bilder trainiert, umso mehr Myelin wird aufgebaut und und umso mehr nimmt die Übertragung zu.
  3. Je größer der Cluster, desto weniger Routenpunkte werden benötigt und umso weniger Gesamtzeit wird beim Assoziieren von Bildern und Routenpunkten verbraucht.

Routen

Bei den Routen gilt das gleiche wie bei den Zahlenbildern: Je öfter man sie durchgeht, um so schneller und sicherer kann man sie wieder abrufen.

Viele Gedächtnissportler rasen eine Route in Gedanken entlang und versuchen dabei immer schneller zu werden. In der Praxis ist das aber nicht besonders relevant, denn an der Route hapert es meistens nicht, da man diese in den meisten Fällen wesentlich schneller parat hat, als man sie überhaupt verarbeiten kann. Hier machen wir uns das grandiose Ortsgedächtnis des Menschen zu nutze.

Das Assoziieren

Das Assoziieren ist der wahrscheinlich wichtigste Punkt des Merkens. Hier lassen sich folgende Faktoren auflisten:

  • Kreativität
  • Verarbeitungskanal (visuell, auditiv, kinästhetisch)
  • Vertrauen auf das eigene Gedächtnis
  • Wiederholung

Die Kreativität läßt sich relativ gut trainieren. Jeder der sich mit Gedächtnissport beschäftigt, wird am Anfang die Erfahrung gemacht haben, dass es oft nicht reicht, das Bild auf den Routenpunkt zu legen. Hinterher weiß man nur noch, das da was drauf lag, aber nicht mehr, was es war. Deshalb kommt man schnell drauf, das Lasso auf andere, bessere Weise mit dem Routenpunkt zu assoziieren. So wickelt man es dann beispielsweise um den Routenpunkt oder lässt es auf ihm Tanzen.

Der Verarbeitungskanal ist schon schwieriger zu trainieren. Am Anfang des Trainings sind die geistigen Bilder keine wirklichen Bilder, sondern nur Ideen in einem schwarzem Raum. Deshalb üben sie, sich ihre Zahlenbilder und Routenpunkte vor dem inneren Auge auszumalen, damit sie überhaupt in die Lage kommen, sich die Assoziationen bildlich vorzustellen. Katharina Bunk ihre Kartenbilder (bzw. ihre Personen, die sie für die einzelnen Bilder hat) eher hört als sieht und ihre Personen an den einzelnen Routenpunkten etwas sagen. Sie verarbeitet verarbeitet das ganze also eher auditiv. Diesen Kanal muss man jedoch erst für sich finden, denn möglicherweise ist das bildliche für einige gar nicht so vorteilhaft.

Ein ganz heikler Punkt ist das Vertrauen in sein eigenes Gedächtnis. Um letztlich den Sprung zu schaffen, schneller und schneller zu werden, muß man sich auch trauen. Wenn ich jedoch schneller sein möchte, muss man sich an jedem Routenpunkt zwingen, etwas kürzer die frische Assoziation zu betrachten. Vielen Leuten fällt es schwer, einfach darauf zu vertrauen, getroßt eine Sekunde schneller pro Bild zu sein.

Letztendlich sei noch die Wiederholung erwähnt, welche sehr eng mit dem Punkt Vertrauen verknüpft ist. Durch Wiederholung wird eine Erinnerung gefestigt. Dies entsteht durch die Myelinisierung. Jedoch kostet die Wiederholung viel Zeit.

Inspiration

Die meisten der Gedächtnissportler sind durch verschiedene TV-Shows (Wetten, dass..?, Die Grips-Show, Die Guinness-Show, etc.) zu ihrem Hobby gekommen. Das Gros der Übrigen hat durch Gedächtnisgruppen mit diesem Sport begonnen. Verbreitet sind solche Kurse vor allem in der Hochbegabtenförderung und werden in zahlreichen Städten von Organisationen zur Hochbegabtenförderung angeboten. Viele jugendliche Gedächtnissportler bieten an ihren Schulen Gedächtnisgruppen an, welche dann von der Schule unterstützt werden.

Sinn des Gedächtnissports

Der Gedächtnisforscher Hans J. Markowitsch von der Universität Bielefeld sagte in Bezug auf den Sinn des Gedächtnissports folgendes:

"Wie Weit sich das Gedächtnis verbessert, hängt von der Motivation ab. Ob man diese "Denksportaufgabe" als Antrieb nimmt, sich überhaupt mit seinen Gedächtnisleistungen zu befassen und evtl. danach strebt, diese zu optimieren, oder ob man nur damit "glänzen" will, mehr Zahlen abrufen zu können als andere. Nachteile sehe ich grundsätzlich keine, es sei denn, man übt sehr verbissen und vernachlässigt deswegen Alltagsfähigkeiten. Vorteile liegen sicher in Aufmerksamkeits- und Kontrationsvermögen und möglicherweise in der Generalisierung hinsichtlich Verbesserung anderer Gedächtnisleistungen."

Gedächtnissportler führen als Zweck des sportlichen Wettkampfs häufig die Motivation auf. Durch den Wettbewerb fühlen sie sich motiviert, ihre Leistung zu verbessern und die Mnemotechnik zu perfektionieren. Außerdem empfinden sie den Gedächtnissport als ein freudebereitendes Hobby, welches sie mit mit Jogging oder Schwimmen gleichsetzen. Zudem sind viele der Ansicht, dass sich der Gedächtnissport fördernd auf ihre kognitive Leistungsfähigkeit auswirkt.

Viele Leute kritisieren den Gedächtnissport als eine sinnlose Zeitverschwendung. Teils wird auch damit argumentiert, dass Gedächtnissportler ihr Gehirn zumüllen. Ulrich Voigt, welcher lange den deutschen Pi-Rekord mit 5000 memorierten Nachkommastellen hielt, stellt vor Allem die Kategorie Historische Daten in Frage. Seiner Meinung nach, führt sie zu einem falschen Faktenwissen, da dabei erfundene historische Daten auswendig gelernt werden. Gedächtnissportler antworten darauf damit, dass sie die Daten - bewusst - mit der Zeit vergessen und es auch nicht zu Missverständnissen kommen kann, da diese fiktiv sind und außerdem das Merken mithilfe von Bildern als Statthalter für die Jahreszahlen erfolgt, wodurch keine direkte Verbindung zwischen dem Ereignis und dem Jahresdatum vorhanden ist.

Aktuelle Meister

Literatur