Die Pflegeversicherung (PV) ist eine umlagefinanzierte Pflichtversicherung im Rahmen des deutschen Sozialversicherungssystems. Die Versicherung trägt bei nachgewiesenem erhöhtem Bedarf an pflegerischer und hauswirtschaftlicher Versorgung (im Pflegefall) einen Kostenanteil der häuslichen oder stationären Pflege.
Die Pflegeversicherung wurde zum 1. Januar 1995 mit dem Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) als „fünfte Säule“ der Sozialversicherung - nach Krankenversicherung, Berufsunfallversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung - eingeführt („Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, Pflegeversicherungsgesetz – PflegeVG“). Die Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen, deren Aufgaben von den Krankenkassen wahrgenommen werden. Alle gesetzlich krankenversicherten Personen wurden mit Inkrafttreten des SGB XI in die soziale Pflegeversicherung aufgenommen. Dort nicht Versicherte können freiwillig in die Pflegeversicherung aufgenommen werden (§ 6a SGB XI). Alle Vollversicherten einer privaten Krankenversicherung wurden Mitglieder der privaten Pflegeversicherung (PPV). Damit wurde erstmals ein Versicherungsschutz für praktisch die gesamte Bevölkerung eingeführt.
In Österreich bietet das Bundespflegegeldgesetz BPGG eine vergleichbare Absicherung im Pflegefall. In der Schweiz und in anderen Ländern ist ein solches System nicht vorhanden oder anderen Institutionen zugeordnet.
Entstehen der Pflegeversicherung
Die Pflegeversicherung wurde eingeführt, weil durch die Erosion traditioneller, familienorientierter Lebensformen und der damit wegfallenden Bereitschaft oder Fähigkeit, Familienangehörige innerhalb der Familie zu versorgen, immer mehr Menschen im Alter im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit auf Hilfe von außen angewiesen waren, die sie aus eigenen Mitteln nicht finanzieren konnten.
Vor Einführung der Pflegeversicherung wurden die Pflegekosten zunächst aus Eigenmitteln (Renten- oder Pensionseinnahmen sowie eigene Rücklagen) gedeckt. Wenn diese Mittel nicht ausreichten, wurden Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen.
Die daraus resultierenden Sozialhilfe-Ausgaben drohten zu einer immer größeren Belastung der Haushalte der Kommunen zu werden. Mit Einführung der Pflegeversicherung wurden also sowohl die Privatmittel der Pflegebedürftigen als auch besonders die kommunalen Haushalte entlastet. Zudem soll die Pflegeversicherung alte oder kranke Menschen davor bewahren, im Pflegefall von der Sozialhilfe abhängig zu werden und sich somit als mittellos wahrzunehmen.
Um der Pflegeversicherung ausreichende Geldmittel zu verschaffen, begann die Beitragspflicht am 1. Januar 1995, während die ersten Leistungen erst ab 1 April 1995 beansprucht werden konnten. Seitdem gewährte die Pflegeversicherung Leistungen für die „häusliche“ Pflege, ab 1. Juli 1996 auch Leistungen für die „stationäre“ Pflege. Der Beitragssatz lag zwischen Einführung und Juni 1996 bei 1,0 % und stieg zum 1. Juli 1996 auf 1,7 % des Bruttoeinkommens (je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu tragen). Zur Entlastung der Arbeitgeber und zur Teilfinanzierung der von ihnen zu leistenden Beiträge wurde deutschlandweit 1995 der Buß- und Bettag als Feiertag abgeschafft. Nur das Land Sachsen bildet eine Ausnahme, denn dort wurde der Feiertag beibehalten, allerdings zahlen die Arbeitnehmer mit 1,35 % einen höheren Eigenanteil.
Die Einführung der Versicherung und ihre Ausgestaltung als konventionell umlagefinanzierte Pflichtversicherung ist maßgeblich auf Norbert Blüm als verantwortlichen Bundesminister und Karl Jung als Staatssekretär, dem „Vater der Pflegeversicherung“, zurückzuführen.
Pflegestufen
Um Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können, stellt die pflegebedürftige Person einen Antrag bei ihrer Krankenkasse oder bei der ihrer Krankenkasse angeschlossenen Pflegekasse; das gilt auch bei einer angestrebten Einstufung in eine andere Pflegestufe. Die Kasse lässt daraufhin vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder bei knappschaftlich Versicherten vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) ein Gutachten anfertigen, um die Pflegebedürftigkeit und den Pflegeaufwand dafür im Einzelnen festzustellen. Das geschieht bei einem - zuvor angemeldeten - Hausbesuch eines Gutachters. Vorteilhaft ist es, zuvor eine Zeit lang ein Pflegetagebuch zu führen; Vordrucke dafür gibt es bei der Krankenkasse.
Der Gutachter stellt - ggf. anhand des Pflegetagebuches - den Zeitbedarf für die persönliche Pflege (Grundpflege: Körperpflege, Ernährung und Mobilität) sowie für die hauswirtschaftliche Versorgung in einem Pflegegutachten fest. Bei Einführung der Pflegeversicherung wurden oftmals die tatsächlich von der jeweils vorhandenen Pflegeperson benötigten Zeiten angesetzt, die stark von deren Fähigkeiten und ihrem Alter abhingen. Seit dem 1. Juni 1997 wird jedoch für jede einzelne Tätigkeit von dem Zeitbedarf ausgegangen, den ein fiktiver „geübter, gesunder Laie mittleren Alters“ für diese Tätigkeit benötigen würde; d. h. es bleibt unberücksichtigt, ob die aktuell vorgesehene Pflegeperson selbst schon älter oder aus anderen Gründen nicht voll arbeitsfähig ist. Seitdem gelten für jede einzelne Tätigkeit Vorgabezeiten in Form von Zeitkorridoren, die dazu dienen, um individuelle Besonderheiten der zu Pflegenden berücksichtigen zu können.
Beispiel: Als Zeitkorridor für eine Ganzkörperwäsche sind 20 bis 25 Min. vorgegeben. Liegen erschwerende Faktoren vor - z. B. besonders hohes Körpergewicht oder Abwehrverhalten - kann der Gutachter jedoch hiervon abweichen und einen über 25 Minuten liegenden Wert ansetzen. Entsprechendes gilt für erleichternde Faktoren; so empfiehlt der Gutachter bei besonders niedrigem Körpergewicht einen geringeren Wert als 20 Minuten. Er muss aber bei solchen Abweichungen immer angeben, welche Tatbestände diese Ausnahme rechtfertigen. Vorgegebene Zeitkorridore gelten auch nur für die komplette Tätigkeit; Teilhilfen oder Anleitungen werden geringer bewertet.
Diese Begutachtung richtet sich nach den sogenannten Begutachtungsrichtlinien [1] der Spitzenverbände der Pflegekassen, die in neuer Fassung ab dem 01. September 2006 bundesweit gelten. Sie regeln detailliert das Verfahren der Begutachtung und definieren im Anhang F die genannten Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung - die „Zeitkorridore“.
Entsprechend dem auf diese Weise festgestellten Pflegeaufwand empfiehlt der Gutachter der Pflegekasse eine der Pflegestufen und die Art der Pflege; d. h. ob häusliche Pflege durch ehrenamtliche Pflegepersonen, durch einen ambulantem Pflegedienst oder stationäre Pflege in Betracht kommt. Bei ehrenamtlicher häuslicher Pflege beurteilt und berichtet er der Pflegekasse auch, ob und durch welche Pflegeperson(en) diese gesichert erscheint.
Die Entscheidung zur Pflegeeinstufung trifft die Pflegekasse unter maßgeblicher Berücksichtigung des Pflegegutachtens. Je nach Pflegestufe bestehen für Pflegebedürftige unterschiedliche Leistungsansprüche.
Die „Pflegestufen“ sind:
- I - erhebliche Pflegebedürftigkeit,
- d. h. Hilfebedarf mindestens 90 Minuten pro Tag. Auf die Grundpflege müssen dabei mehr als 45 Minuten täglich entfallen.
- II - schwere Pflegebedürftigkeit,
- d. h. Hilfebedarf mindestens 180 Minuten pro Tag mit einem Grundpflegebedarf von mindestens 120 Minuten täglich.
- III - schwerste Pflegebedürftigkeit,
- d. h. Hilfebedarf mindestens 300 Minuten pro Tag. Der Anteil an der Grundpflege muss dabei mindestens 240 Minuten täglich betragen.
- Härtefall - schwerste Pflegebedürftigkeit wie Stufe III,
- Hilfebedarf jedoch mindestens 420 Minuten pro Tag rund um die Uhr, auch regelmäßig nachts; nachts mindestens 120 Minuten; Grundpflege mindestens 360 Minuten pro Tag, nur von einer Pflegefachkraft auszuführen.
Die Bezeichnung „Pflegestufe 0“ existiert von ihrer Wirkung her de facto, sie wird im Gesetz allerdings nur negativ geregelt: „Darunter (90 Minuten etc.) gibt es keine Leistung.“ Umgangssprachlich wird der Ausdruck allerdings oft sachlich richtig verwendet (gesprochen: Pflegestufe Null), um auszudrücken, dass der Betreuungsbedarf einer Person zwar besteht, aber unterhalb der Zeitaufwandsschwelle liegt, die von der Pflegeversicherung als Voraussetzung für Leistungen der Pflegestufe I mindestens verlangt wird. Das heißt nicht, dass keine Pflege oder hauswirtschaftliche Unterstützung nötig wäre. Der Begriff hat nichts mit dem objektiven Pflegebedarf zu tun, sondern nur mit den gesetzlichen Zeitgrenzwerten. Pflegebedürftige der „Pflegestufe 0“ sollten prüfen, ob ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege besteht, die allerdings nur einkommens- und vermögensabhängig gewährt wird.
Wenn der Gutachter den Pflegeaufwand niedriger einschätzt als die betroffenen Angehörigen - sei es, um die Pflegestufe I zu erwirken oder später eine Höherstufung - kann innerhalb einer Frist von einem Monat gegen den Bescheid der Pflegekasse begründeter Widerspruch eingelegt werden. Hilfreich ist hierfür in jedem Falle die Anforderung des MDK- bzw. SMD- Gutachtens. Sollte der Widerspruch keinen Erfolg haben, besteht aber weiterhin die Überzeugung, die Einstufung (oder Ablehnung) entspreche nicht dem Bedarf, kann Klage beim Sozialgericht erhoben werden.
Bei erhöhter Pflegebedürftigkeit kann jederzeit erneut ein Antrag gestellt werden.
Leistungen
Es gibt folgende unten genauer beschriebene Leistungen:
- Bei häuslicher Pflege:
- - monatliche Geldleistungen für private und privat organisierte häusliche Pflege z. B. durch Angehörige
- (gleichzeitig auch: Soziale Absicherung der Pflegeperson; Qualitätssicherungsbesuche)
- - Sachleistungen durch die Pflegekasse (ambulante Versorgung)
- (ein vom Pflegebedürftigen ausgesuchter zugelassener ambulanter Pflegedienst kommt zur Pflege ins Haus)
- - Kombinationsleistungen aus den beiden vorgenannten Möglichkeiten
- bei den drei vorgenannten Arten häuslicher Pflege kann es „zusätzliche“ Leistungen geben
- - Kurzzeitpflege (kurzfristige stationäre Pflege)
- - Verhinderungspflege
- - Pflegehilfsmittel
- - Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung
- Bei Unterbringung in einem Heim:
- - Leistungen für die Dauerpflege (ständige stationäre Versorgung)
Anmerkung: Die Leistungen der von den Krankenkassen finanzierten so genannten „Häusliche Krankenpflege“ gibt es weiterhin; Grundpflege kann jedoch in diesem Rahmen in der Regel nur für bis zu 4 Wochen übernommen werden.
Leistungen bei häuslicher Pflege
Gegenwärtig entscheiden sich über zwei Drittel der mehr als zwei Millionen Pflegebedürftigen für die häusliche Pflege. In der häuslichen Umgebung ist der Pflegebedürftige vor allem erheblich geringeren psychischen Belastungen ausgesetzt als bei einem Heimaufenthalt.
Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen
Politisch ist diese Unterstützung ein Ausdruck der Anerkennung privater Hilfe, die als „ehrenamtliche“ Tätigkeit gilt. Pflegepersonen stehen also nicht in einem Arbeitsverhältnis. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Familienangehörige oder Familienfremde handelt und ob diese für die persönliche Grundpflege oder die hauswirtschaftliche Versorgung tätig sind. Sie bedürfen also keiner Anmeldung z. B. als Minijob und keiner Arbeitserlaubnis oder irgendwelcher sonstiger für Arbeitsverhältnisse nötigen Genehmigungen oder Anmeldungen.
Für diese häusliche Pflege werden dem Pflegebedürftigen „Geldleistungen“ gewährt. Diese beträgt in Pflegestufe
- I 205 €,
- II 410 €,
- III 665 €.
Eine Härtefallregelung gibt es bei dieser „Geldleistung“ nicht. Die Pflege und das Pflegegeld kann der Pflegebedürftige auch auf mehr als eine Person aufteilen (z. B. persönliche Pflege durch den Ehepartner und die zur Pflege gehörige hauswirtschaftliche Versorgung durch eine familienfremde Person). Der Pflegebedürftige muss die Verwendung der Gelder nicht im Einzelnen nachweisen. Voraussetzung ist nur, das die Pflege gesichert ist. Unterstützend kommen folgende Maßnahmen hinzu:
Soziale Absicherung der Pflegeperson
Über das Pflegegeld hinaus zahlt die Pflegekasse für ehrenamtliche Pflegepersonen - soweit sie keine Altersrente oder Pension beziehen - Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzlichen Unfallversicherung. Das gilt aber nur für Pflegepersonen, die neben der Pflege nicht mehr als 30 Wochenstunden versicherungspflichtig erwerbstätig sind. Damit erhalten sowohl pflegende Angehörige als auch familienfremde Pflegepersonen während der Pflegezeit einen gewissen Versicherungsschutz. Die Beitragshöhe richtet sich nach der wöchentlichen Stundenzahl (mindestens 14 Std.) sowie nach der Pflegestufe und wird jährlich neu festgelegt. Für 2006 gelten folgende Beiträge:
Pflegestufe wöchentlich € mtl. € mtl. mind. Std. West Ost I 14 127,40 107,38 II 14 169,87 143,17 II 21 254,80 214,76 III 14 191,10 161,07 III 21 286,85 241,61 III 28 382,20 322,14
Bei der Rentenberechnung werden die dem Rentenversicherungsträger gemeldeten Pflegezeiten wie Zeiten einer versicherten Beschäftigung auf die Rente angerechnet und wirken sich somit wesentlich günstiger aus als eine Berechnung auf Basis des tatsächlich erhaltenen Pflegegeldes. Es handelt sich hierbei um eine echte Rentenversicherungspflicht, die Pflegekasse muss daher die notwendigen Daten der Pflegeperson erfragen.
Qualitätssicherungsbesuch
Eine zur „Geldleistung“ zugehörige Dienstleistung der Pflegeversicherung sind regelmäßige „Qualitätssicherungsbesuche“ daheim. Sie dienen zur Beratung und Sicherstellung einer ausreichenden pflegerischen Versorgung durch die Angehörigen (Laienpflege). Die pflegenden Angehörigen vereinbaren dies mit einem ambulanten Dienst ihrer Wahl. Die Häufigkeit der Beratung (es sollte wirklich nicht als Kontrolle verstanden werden) richtet sich nach der Pflegestufe. Bei Pflegestufe I und II findet alle 6 Monate, bei Pflegestufe III alle 3 Monate ein Pflichtbesuch statt. Fragen, die gestellt werden bzw. werden können: „Wie mache ich dies oder das leichter? Woher bekomme ich Hilfsmittel? Wie verabreiche ich Getränke? Welche Kosten entstehen, wenn Teile der Pflege von Profis übernommen werden? Wie oft sollte die Person anders gelagert werden? ...“
Sachleistungen durch die PV
Der Begriff „Sachleistungen“ ist möglicherweise missverständlich, denn von der PV wird dabei ein ambulant tätiger Pflegedienst bezahlt, der die Pflege zu Hause durchführt. Der Pflegedienst wird von der zu pflegenden Person ausgesucht. Die Pflegedienste rechnen direkt mit der Pflegekasse ab, eine Auszahlung an die gepflegte Person oder deren Angehörige erfolgt nicht.
Pflegebedürftige können solche „Sachleistungen“ der Pflegekasse von ambulanten Pflegediensten in Anspruch nehmen bis zu einem monatlichen Maximalbetrag, in Pflegestufe
- I 384 €,
- II 921 €,
- III 1432 €,
in anerkannten Härtefällen 1918 €. Ein „Härtefall“ im Sinne des PVG liegt bei einem zeitlich oder kostenmäßig außergewöhnlich hohen und vom MDK überprüften Pflegeaufwand vor, z. B. im Endstadium einer Krebserkrankung oder im Wachkoma.
Kombinationsleistungen
Bei der „Kombinationsleistung“ können sowohl Leistungen der Pflegedienste als „Sachkosten“ abgerechnet als auch der dabei nicht verbrauchte Anteil am Höchstbetrag als „Geldleistung“ in Anspruch genommen werden. Wird z. B. 80 % des Höchstbetrages der „Sachleistung“ verbraucht, stehen daneben noch 20 % des Pauschalbetrages der „Geldleistung“ zur Verfügung. So kann z. B. die persönliche Pflege durch einen Pflegedienst erfolgen und die hauswirtschaftliche Versorgung durch einen Familienangehörigen.
Sonstige Leistungen bei häuslicher Pflege
Neben den vorgenannten Leistungen können bei häuslicher Pflege folgende weitere Leistungen der Pflegeversicherung zur Anwendung kommen:
Kurzzeitpflege
Bei der „Kurzzeitpflege“ werden im Bedarfsfall auch die Kosten für eine stationäre Unterbringung in einem Pflegeheim bis zu 4 Wochen jährlich bis zu einem Betrag von 1432 € übernommen. Übernahmefähig sind dabei die pflegedingte Kosten, die Unterkunft und Verpflegung sind selbst aufzubringen. Leistungsgründe können z. B. Urlaub der Pflegeperson oder eine kurzfristige Verschlechterung der Pflegebedürftigkeit sein (diese Kurzzeitpflege ist also keine selbständige Leistung der Pflegeversicherung, sondern eine zusätzliche Leistung bei bestehender häuslicher Pflege).
Teilstationäre Pflege (Tages- und Nachtpflege)
Verhinderungspflege
Bei einer häuslichen Pflege, die bereits länger als 12 Monate andauert, ist die Inanspruchnahme einer „Verhinderungspflege“ (bei Verhinderung der Pflegeperson infolge Krankheit oder Urlaub; auch Ersatzpflege genannt) durch eine Ersatzkraft möglich. Das wird ebenso bis zu insgesamt 4 Wochen jährlich bis zu einem Betrag von 1432 € übernommen, wenn die Ersatzkraft nicht mit der zu pflegenden Person nahe verwandt ist. Bei der Ersatzkraft kann es sich dabei auch um einen professionellen Pflegedienst handeln. Besteht der Anspruch auf Verhinderungspflege noch nicht, kann alternativ Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden.
Pflegehilfsmittel
Für „zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel“ wie z. B. Einmalhandschuhe und Einmal-Bettschutzeinlagen werden bis 31 € monatlich übernommen. Technische Hilfsmittel können leihweise zur Verfügung gestellt oder von der Kasse erstattet werden. Hierbei besteht eine Zuzahlungspflicht von 10 %, höchstens jedoch 25 € je Hilfsmittel.
Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung
Für die Verbesserung des Wohnumfeldes (z. B. Hebegeräte, Einbau eines behindertengerechten Bades, Treppenlift) können von der Pflegeversicherung Kosten bis zur Obergrenze von 2557 € je Maßnahme durch den MDK bewilligt werden. Der Pflegebedürftige hat einen Eigenanteil von 10 % der Kosten der Umbaumaßnahme zu leisten. Der Eigenanteil darf dabei aber 50 % seiner monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt nicht übersteigen. Verfügt er über keine eigenen Einkünfte, entfällt der Eigenanteil. Die Einnahmen anderer im Haushalt lebender Personen (z. B. Ehegatte) bleiben grundsätzlich unberücksichtigt.
Sind gleichzeitig verschiedene Um- bzw. Einbauten nötig (z. B. Türverbreiterungen und Rollstuhlrampe und Treppenlift), so gelten diese einheitlich als eine Umbaumaßnahme. Ein erneuter Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes ist nur möglich, wenn eine zwischenzeitlich eingetretene Veränderung der Pflegesituation dies erfordert. Alternativ zu nötigen Umbaumaßnahmen kann auch ein Umzug in eine den Anforderungen des Pflegebedürftigen entsprechende Wohnung bezuschusst werden. Sofern auch hier weitere Aufwendungen zur Wohnumfeldverbesserung nötig sind, können diese ebenfalls bezuschusst werden. Insgesamt darf aber auch in dieser Kombination der Höchstzuschuss von 2557 € nicht überschritten werden.
Pflegekurse
Die Kosten für Pflegekurse für Angehörige und andere ehrenamtliche Pflegepersonen werden bei Bedarf von der PV übernommen. Das Vorliegen einer Pflegestufe ist hierfür nicht erforderlich.
Zusätzliche Betreuungsleistungen
gibt es „für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf“ z. B. bei an Demenz erkrankten Versicherten ab Pflegestufe I; die zusätzliche Förderung beläuft sich auf maximal 460 € pro Kalenderjahr; siehe: Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz). Die Abrechnung mit der Pflegekasse erfolgt im Rahmen der Kostenerstattung bei Sachleistungen (siehe oben). Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Leistungen ist ein gesonderter Antrag und die Beurteilung durch den Medizinischen Dienst. Zusätzliche Betreuungsleistungen können sein:
- Tagespflege
- Nachtpflege
- Kurzzeitpflege (s. o.)
- besondere Betreuungsangebote, z. B. von Pflegediensten oder speziellen Betreuungsgruppen.
Leistungen bei stationärer Pflege
Bei Unterbringung in einem Pflegeheim (oder in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe) zahlt die Pflegekasse eine Pauschale an das Heim; bei Pflegestufe
- I 1023 €,
- II 1279 €,
- III 1432 €;
in Härtefällen bis zu 1688 €. Diese Beträge sind nur für den Pflegeaufwand und die soziale Betreuung im Heim bestimmt. Die betreute Person muss also die darüber hinaus anfallenden Kosten für Unterbringung und Verpflegung (siehe Pflegesatz) selbst bezahlen. Außerdem darf der von der Pflegekasse zu übernehmende Betrag 75 % des tatsächlichen Heimentgeltes (bestehend aus Pflegesatz, Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie den gesondert berechenbaren Investitionskosten) nicht übersteigen.
Falls das Einkommen (auch von evtl. unterhaltspflichtigen Personen) dafür nicht ausreicht, kann dafür „Hilfe zur Pflege“ bei der zuständigen Gemeinde oder dem Landkreis beantragt werden (es gibt dabei Schonbeträge, die nicht angetastet werden müssen - und trotzdem kann diese Hilfe in Anspruch genommen werden. Das gilt unter Umständen auch für das von einer Familie bisher gemeinsam genutzte Wohneigentum.).
Kritische Anmerkungen zu den Leistungen
Mit Einführung der Pflegeversicherung hat das „Pflegefallrisiko“ Anerkennung als ein allgemeines Lebensrisiko gefunden. Allerdings handelt es sich dabei um ein „Budgetierungssystem“ und nicht um ein „Bedarfsdeckungssystem“. Budgetierungssystem bedeutet, dass es je nach Pflegestufe einen festen Betrag gibt, der als Unterstützung von der Versicherung bezahlt wird, unabhängig davon, wie hoch die Preise für solche Dienstleistungen, z. B. durch Inflation, im Lauf der Jahre ansteigen sollten.
Sozialhilfe in Form von „Hilfe zur Pflege“ wird deshalb auch künftig, und zwar mit steigender Tendenz notwendig werden.
Einige wichtige Faktoren werden bei der Ermittlung des Zeitbedarfs für die Pflege prinzipiell nicht berücksichtigt:
- Betreuung von Menschen, die an Demenz (Altersverwirrtheit) leiden und auf ständige Anwesenheit einer zur Hilfe bereiten Person angewiesen sind,
- Unterstützung in sozialen Bereichen des Lebens,
- Hilfe zur Bewältigung von Krisen und bei Vereinsamung,
- Umgang mit Sterben und Tod.
Auch Pflegefälle von kürzerer Dauer als einem halben Jahr bewirken keine Leistungen aus der Pflegeversicherung (z. B. eine 4-monatige Pflegebedürftigkeit nach schwerem Unfall; das sind aber ggf. Fälle für die Häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) der Krankenkasse).
Ferner fassen Pflegende die Erstattungsbeträge für die einzelnen Leistungspakete als vorgegebene Zeitwerte für jede einzelne Hilfe auf. Der Gesetzgeber hat das so nicht vorgesehen, sondern betrachtet die Erstattungsbeträge als einen Durchschnittswert, der mal unter- aber auch nach den individuellen Gegebenheiten überschritten werden muss. Der Zeitdruck für professionelle Pflegekräfte in schwierigen Pflegesituationen geht auch zu Lasten der gepflegten Personen. Die Pflegeversicherung wollte und will nicht alle entstehenden Kosten, sondern nur einen festgelegten Anteil daran tragen. Durch die Inflation sinkt der Anteil im Laufe der Jahre immer etwas weiter ab. Die pflegebedürftigen Personen müssen privat für weitere (auch für erforderliche) Dienste zuzahlen (siehe hierzu die statistischen Angaben in „Pflegesatz“ aus dem Jahre 2001).
Beiträge
Gesetzlich Versicherte
Für die gesetzlich Versicherten beträgt der Beitragssatz derzeit (2006) 1,7 % vom Bruttobetrag des Arbeitsentgelts oder der Rente - jedoch nur bis zum Höchstbetrag für die Krankenversicherung, derzeit 3562,50 € - (siehe Sozialgesetzbuch XI § 55). Familienangehörige sind beitragsfrei mitversichert, wenn in der Krankenkasse ein Anspruch auf Familienversicherung besteht.
Rentnerinnen und Rentner tragen seit dem 1. April 2004 den Beitrag zur Pflegeversicherung allein; davor erhielten sie 50 % Beitragszuschuss vom Träger der Rentenversicherung.
Personengruppe | Beitragssatz 2006 | |
---|---|---|
Versicherte | Arbeitgeber/Träger | |
Arbeitnehmer u. ä. im Freistaat Sachsen | 1.35 % | 0.35 % |
Arbeitnehmer u. ä. (restliches Bundesgebiet) | 0.85 % | 0.85 % |
Familienversicherte | 0.00 % | 0.00 % |
Rentner | 1.70 % | 0.00 % |
Freiwillig Versicherte (z. B. selbständig Tätige u. a.) | 1.70 % | 0.00 % |
Studenten bei Nebenverdienst, wenn der Krankenkassenbeitrag dafür 47,53 € mtl. überschreitet (sonst: siehe Anmerkung unten) | 1.70 % | 0.00 % |
Seit dem 1. Januar 2005: Zusatzbeitrag für kinderlose Jahrgänge ab Vollendung des 23. Lebensjahres, aber nicht vor dem 1. Januar 1940 Geborene. | 0.25 % | 0.00 % |
Anmerkung für Studenten: Bis zum Alter von 25 Jahren sind Studenten bei den Eltern mitversicherbar (ggf. zuzüglich einer Dienstzeit bei der Bundeswehr); danach gilt ein eigener Beitrag von 7,92 € bzw. 9,09 € für Kinderlose.
Anmerkung für Beihilfeberechtigte (z. B. Beamte): Es gelten die halben Beitragssätze und die halben Leistungssätze; die andere Hälfte der Leistungen übernimmt der Träger der Beihilfe.
Zusatzbeitrag für Kinderlose
Die Pflegeversicherung verteilt massiv von Kinderhabenden zu Kinderlosen um. Denn die Systematik der Pflegeversicherung führt dazu, dass die Gruppe der heutigen Kinder in der Zukunft nicht nur für die Pflege der Gruppe ihrer eigenen Eltern, sondern zusätzlich auch für die immer größer werdende Gruppe der Kinderlosen aufkommen muss. Eltern ziehen zwar die nächste Generation an Pflegeversicherungszahlern auf, erhalten aber bei Alterspflegebedürftigkeit nur die gleichen Pflegeleistungen wie die ehemals Kinderlosen, obwohl die Pflegeversicherung auf künftige Beitragszahler, also Kinder angewiesen ist.
Zur Entlastung von Eltern bei der Einzahlung in die Pflegeversicherung zur Honorierung ihrer mit der Erziehung der Kinder übernommenen gesellschaftlichen Verantwortung wurde ein Kinderlosigkeitsmalus eingeführt, der allerdings aus Sicht von Familienverbänden völlig unzureichend ist.
Danach müssen kinderlose Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung seit 1. Januar 2005 einen um 0,25 % höheren Beitragssatz zahlen als bisher, wenn sie über 23 Jahre alt, aber nicht vor dem 1. Januar 1940 geboren sind. Damit zahlen sie statt der bisherigen 0,85 % künftig einen Beitrag in Höhe von 1,1 % ihres Bruttoeinkommens. Der Arbeitgeberanteil in Höhe von 0,85 % bleibt unverändert.
Pflegeversicherte, die Kinder erziehen oder erzogen haben, sind von der Zahlung des Zusatzbeitrags befreit, wenn sie dem Arbeitgeber einen Nachweis über die Elterneigenschaft vorlegen. Bezieher von Sozialleistungen (z. B. Arbeitslose, Rentner) müssen den Elternstatus dem zuständigen Sozialleistungsträger gegenüber belegen.
Kritische Anmerkungen zu den Beiträgen
Eine relative Entlastung der Familien, wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt, wurde durch die Einführung des Zusatzbeitrags nur mittelbar, nämlich durch die Mehrbelastung Kinderloser erreicht. Dabei sind auch nachweislich (z. B. erfolglose künstliche Befruchtung) ungewollt Kinderlose betroffen; eine gesellschaftliche Diskussion der ungewollten Kinderlosigkeit als Behinderung, die vom Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes in Artikel 3 Absatz 3 erfasst würde, hat bisher nicht stattgefunden.
Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, den Beitragssatz bis 2015 stabil zu halten. Wegen der demografischen Veränderungen einerseits und der durch die Massenarbeitslosigkeit geminderten Einnahmen andererseits erscheint aber schon die Finanzierung der jetzigen Leistungen langfristig fraglich. Die laufenden Defizite könnten die anfänglichen Rücklagen in wenigen Jahren aufgezehrt haben (siehe unten "Statistiken"). Falls sich die Pflege hin zu mehr professioneller Pflege im ambulanten Bereich und zu mehr stationärer Pflege entwickelt, sind weitere finanzielle Mittel erforderlich, ebenso für die absehbar notwendige Ausweitung der Leistungen (z. B. für Demenzkranke). Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Leistungen der Pflegeversicherung seit deren Einführung noch nicht dynamisiert wurden.
Private Pflegezusatzversicherung
Von vielen Krankenkassen und Versicherungsgesellschaften werden für gesetzlich Pflegeversicherte private Pflegezusatzversicherungen angeboten, die das Risiko von privaten Zuzahlungen abfangen oder abmildern sollen.
Privat Versicherte
Für die Mitglieder der „privaten Pflegepflichtversicherung“ gelten altersabhängige Beiträge. Die Beitragsregelungen für Familienangehörige, für privat krankenversicherte Rentner, für Selbständige, etc. sind komplex (siehe Weblinks). Die privaten Pflegeversicherungen arbeiten auf der Basis des Anwartschaftsdeckungsverfahrens, d. h. es müssen Altersrückstellungen gebildet werden. Die „Leistungen“ sind denen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig. An die Stelle der Sachleistungen tritt jedoch die Kostenerstattung.
Statistiken
Pflegebedürftige 2003
Anzahl der der dafür tätigen Pflegepersonen, Pflegedienste, Pflegeheime und professionellen Pflegekräfte (2003)
Die statistische Quelle enthält keine Hinweise, ob bei der häuslichen Pflege die sowohl familiär als auch durch Pflegedienste betreuten Pflegebedürftigen doppelt gezählt wurden. In anderen Angaben des statistischen Bundeamtes (vgl. nächste Tabelle) sind jedoch nur 1.895.000 Leistungsempfänger der Pflegeversicherung für 2003 ausgewiesen; die Differenz von 185.000 zur hier genannten Gesamtzahl von 2.080.000 Pflegefällen lässt den Schluss zu, dass diese 185.000 sowohl von Angehörigen als auch von Pflegediensten betreut wurden, das sind etwa 10 % aller Leistungsempfänger oder knapp 15 % der häuslich Gepflegten.
Ferner sind die Härtefälle nicht gesondert ausgewiesen, die wohl in Pflegestufe III (in der mittleren und rechten Spalte) enthalten sind.
Ausgaben der PV (gezahlte Beträge) lassen sich aus dieser Statistik nicht errechnen: In der linken und mittleren Spalte gibt es die schon angesprochenen Fälle, die anteilig sowohl familiär als auch durch Pflegedienste gepflegt wurden; in der mittleren Spalte gibt es keine Pausch-, sondern Höchstbeträge; in der rechten Spalte (stationäre Heimpflege) gibt es zwar Paschalbeträge, aber es fehlen die Härtefälle.
Einnahmen und Ausgaben der PV
Gesetzliche Pflegeversicherung | 2003 | 2004 | 2005 | ||
---|---|---|---|---|---|
Basisdaten: Statistisches Bundesamt | S | ||||
1 | Versicherte in 1000 (incl. Familienversicherte) | S | 70457 | 70293 | 70586 |
2 | Beitragszahler in 1000 (rd.) | 50000 | 50000 | 50000 | |
3 | Einnahmen in Mio. Euro | S | 16844 | 16817 | 17493 |
4 | Ø Einnahmen je Versichertem in Euro | S | 239,07 | 239,24 | 247,83 |
5 | Leistungsempfänger/-innen in 1000 | S | 1895 | 1926 | 1952 |
6 | Ausgaben in Mio. Euro | S | 17468 | 17605 | 17858 |
7 | Ø Ausgaben je Leistungsempfänger in Euro | 9217,94 | 9140,71 | 9148,57 | |
8 | das sind monatlich | 768,16 | 761,73 | 762,38 | |
9 | Auf wie viele Beitragszahler kam ein Pflegefall? | 27,4 | 27,2 | 26,1 | |
10 | Fehlbeträge in Mio. Euro | 624 | 788 | 365 | |
11 | in % der Einnahmen | 3,70 | 4,69 | 2,09 | |
12 | das wäre von wie viel weiteren Beitragszahlern gedeckt gewesen | 1852 | 2343 | 1043 | |
13 | oder von wie viel mehr Beitrag (Euro / Beitragszahler und Jahr) | 12,48 | 15,76 | 7,30 | |
14 | bzw. wie hoch hätte der Beitrag sein müssen (Euro / Jahr) | 349,36 | 352,10 | 357,16 | |
15 | dto. in % (anstelle 1,7 %) | 1,763 | 1,780 | 1,735 | |
16 | oder durch welche mtl. Einsparung an den Leistungen je Pflegefall | 27,44 | 34,09 | 15,58 |
Die vom statistischen Bundesamt übernommenen Zahlen sind mit „S“ gekennzeichnet. Aus der Versicherungsstruktur der Krankenkassenmitglieder stammt die Zahl der Beitragszahler mit (rd.) 50 Mio. – diese Zahl bezieht sich aber wohl nicht auf 2003-2005. Die Berechnungen in den Zeilen 11 – 16 beziehen sich hierauf, nicht auf die Anzahl der Versicherten. Aufgrund der uneinheitlichren statistischen Grundlagen sind alle Zahlen mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet. Die in Zeile 15 verwendete Beitragsbezugsgröße von 1,7 % gibt in Anbetracht unterschiedlicher Beitragssätze auch nur ungefähre Anhaltpunkte für die theoretisch nötige Erhöhung aufgrund des Fehlbetrages.
Insgesamt sind aber die Fehlbeträge nicht so dramatisch und die Zahlen nicht so ungünstig, wie manche Kommentare glauben machen möchten. Die Anzahl der Leistungsempfänger ist von 2003 auf 2004 um 31000 angestiegen, im Folgejahr um 26000. Eindeutige finanzielle Trends sind aus diesen drei Jahren nicht ablesbar. Die höheren Beiträge der Kinderlosen ab 2005 haben sich nur geringfügig ausgewirkt. Das konjunkturell voraussichtlich günstigere Jahr 2006 lässt mit höheren Beiträgen und mehr Beschäftigten eher keinen Fehlbetrag erwarten.
Pflegeversicherung und Einkommensteuer
Für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen
- die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen oder
- im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person erbracht werden,
für Personen,
- bei denen ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht oder
- die Leistungen der Pflegeversicherung beziehen,
ermäßigt sich die Einkommensteuer auf Antrag um 20 vom Hundert, höchstens aber um 1200 Euro im Jahr.
Aber: Leistungen der Pflegeversicherung sind hierbei anzurechnen, mit der Folge, dass nur diejenigen Aufwendungen zu einer Steuerermäßigung führen, die nicht aus den Leistungen der Pflegeversicherung finanziert werden können.
Steuerliche Behandlung der Beiträge: Die Beiträge zur PV gehören zu den Sonderausgaben und werden folglich genau so gehandhabt wie die Krankenkassenbeiträge.
- Anmerkung: Für Pflegebedürftige kommen zumeist steuerliche Freibeträge für „Behinderte“ oder „Schwerbehinderte“ in Betracht, die unabhängig von Leistungen der Pflegeversicherung gewährt werden. Anträge auf eine entsprechende Einstufung sind beim zuständigen Versorgungsamt zu stellen.
Gesetzliche Regelungen
Im Sozialgesetzbuch XI (auch abgekürzt gesprochen „SGB 11“) finden sich die gesetzlichen Regelungen zur Pflegeversicherung.
Kritik an der Pflegeversicherung
Die Pflegeversicherung war bei ihrer Einführung heftig umstritten. Viele der damals angesprochenen Themen sind auch heute noch aktuell.
Kritik kam aus folgenden Reihen:
- Liberale Ökonomen und führende Wirtschaftsverbände forderten eine private Pflichtversicherung, deren Beiträge ausschließlich durch die Versicherten getragen werden,
- Gewerkschaften und Sozialverbände forderten eine Ausgestaltung als paritätisch finanzierte Sozialversicherung,
- Ökonomen, Demografen und Politiker der jüngeren Generation forderten eine kapitalgedeckte Versicherung zur Abdeckung des demografischen Risikos.
Da die Kritik aus unterschiedlichen Richtungen geäußert wurde, sind die Kritikpunkt naturgemäß in sich widersprüchlich. Bei der Darstellung der Kritikpunkte sind die Kritiker genannt. Dort, wo keine Kritiker genannt sind, ist die Kritik aus Sicht liberaler Ökonomen formuliert.
Diskutiert wurden im Einzelnen:
Fehlende Kapitaldeckung
Die Pflegeversicherung arbeitet nach dem Umlageverfahren, nicht nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Die demographischen Probleme der bestehende Sozialversicherungen (insbesondere der Rentenversicherung) würden hierdurch auch zu Problemen der Pflegeversicherungen.
Gerechtigkeit
Kritisiert wurde das Prinzip der Umlageversicherung auch mit dem Argument, dass Menschen, die zum Zeitpunkt der Einführung der Pflegeversicherung pflegebedürftig waren, Leistungen erhielten, ohne vorher jemals mehr als für die drei Vorlaufmonate Beiträge eingezahlt zu haben.
Weiterhin wurde kritisiert, die Pflegeversicherung führe zu einer Umverteilung von Arm zu Reich. Während bisher Vermögende ihre Pflegekosten aus eigenem Vermögen und Arme ihre Pflegekosten aus Sozialhilfe zahlten, erfolgte die Finanzierung nun für alle aus öffentlichen Leistungen. Während sich für die Armen nichts änderte, schonten die Reichen ihr Vermögen. Kritiker bezeichneten die Pflegeversicherung daher als „Erbschutzversicherung“.
Auch wurde die Möglichkeit der privat Krankenversicherten, auch das Pflegerisiko privat zu versichern, als ungerecht kritisiert. Die privaten Pflegekassen waren nicht nur in der Lage, günstigere Beiträge anzubieten, sondern konnten durch die Kapitaldeckung die Leistungen auch sicherer anbieten.
Organisatorisches
Kritisiert wurde
- Die Ausgestaltung der Pflegeversicherung als öffentliche Sozialversicherung statt (wie z. B. bei der KFZ-Haftpflicht) als private Pflichtversicherung
- Die Trennung von Krankenkassen und Pflegekassen in unterschiedlichen Organisationen
Paritätische Finanzierung der Beiträge
Heftig gerungen wurde um die paritätische Finanzierung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es wurde letztlich der folgende Kompromiss gefunden: Eine paritätische Finanzierung erfolgt (bis auf Sachsen), die Arbeitgeber werden jedoch durch die Streichung eines Feiertags hierfür kompensiert.
Aus Sicht der Unternehmer(verbände) ist der Kompromiss aus folgenden Gründen kritikwürdig:
- Das Verursacherprinzip wird nicht eingehalten (das Pflegerisiko ist weitgehend unabhängig vom Arbeitsverhältnis)
- Die Steigerung der Lohnnebenkosten wird nur teilweise kompensiert. Insbesondere künftige Steigerungen des Beitragssatzes würden anteilig auch die Arbeitgeber treffen
Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren in umgekehrter Weise:
Mit der Einführung der Pflegeversicherung wurde erstmals das Prinzip der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungen nicht mehr angewendet: in allen Bundesländern außer Sachsen gibt es zwar eine nominelle Halbteilung der Beitragszahlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern; durch die gleichzeitige Streichung des gesetzlichen Feiertags „Buß- und Bettag“ wurde aber bewirkt, dass die Arbeitgeber durch die Arbeitnehmer mit dem Wert der Produktion dieses Tages finanziell entlastet werden; die Pflegeversicherung wird faktisch also fast ausschließlich arbeitnehmerseitig finanziert. In Sachsen ist der Feiertag erhalten geblieben, dafür werden die Pflegeversicherungsbeiträge aber von den Arbeitnehmern mit 1,35 % und den Arbeitgebern mit 0,35 % getragen. Die gesetzliche Pflegeversicherung unterscheidet sich von den anderen Zweigen der Sozialversicherung also im Wesentlichen dadurch, dass es sich um eine fast einseitig arbeitnehmerfinanzierte Pflichtversicherung handelt, während die Kranken-, die Renten- und die Arbeitslosenversicherung paritätisch finanziert werden. Der Abschied von der paritätischen Finanzierung bei der Einführung der Pflegeversicherung wird im Allgemeinen von Sozialversicherungsexperten als Wendepunkt angesehen, der den Abschied von der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Lebensrisiken der Arbeitnehmer markiert.
Die Kirchen ergänzten die Kritik und sprachen sich für den Erhalt des Buß- und Bettages aus.
Siehe auch
- Häusliche Krankenpflege der Krankenkasse (umgangssprachlich oft auch Behandlungspflege genannt)
- Hilfsmittelverzeichnis der GKV zu Pflegehilfsmitteln.
- Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz
- Hilfe zur Pflege in der Sozialhilfe (Deutschland)
Literatur
- Thomas Klie: „Pflegeversicherung“. Vincentz, Hannover. 2005. 7. Auflage. ISBN 387870125X . 812 Seiten.
- Jutta König: „100 Fehler bei der MDK-Prüfung und was Sie dagegen tun können“. Schlütersche VB. 2005. ISBN 389993427X : 88 Seiten.
Weblinks
- Karlheinz Bayer: „Pflegeversicherung: Rezepte zur Genesung. Erfahrungen zehn Jahre nach dem Start.
- Zum Österreich. Bundespflegegesetz (BPGG) (von konsument.at)
- „Pflegeversicherungsgesetz“in der PFLEGEWIKI
- Pflegebedürftigkeitsrichtlinien
- Pflegetagebuch als Exceltabelle zur Vorbereitung des Besuches des MDK mit Erklärungen zu den Richtlinien auf Neuro24