Sexualität (sinngemäß „Geschlechtlichkeit“, von spätlat. sexualis; aus lat. sexus „Geschlecht“; vgl. Sex) bezeichnet im weiteren biologischen Sinne die Gesamtheit der Lebensäußerungen, Verhaltensweisen, Empfindungen und Interaktionen von Lebewesen in Bezug auf ihr Geschlecht. Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff die Formen dezidiert geschlechtlichen Verhaltens zwischen Geschlechtspartnern.

Zwischenmenschliche Sexualität wird in allen Kulturen auch als ein möglicher Ausdruck der Liebe zwischen zwei Personen verstanden. Die moderne ethologische Verhaltensforschung hingegen versucht, Liebe eher dem Sozialinstinkt oder der Erotik zuzuordnen. (Siehe auch Instinktreduktion und Psychoanalyse).
Evolution der Sexualität
Die Herausbildung der Sexualität ist einer der Hauptfaktoren und gleichzeitig das Ergebnis der biologischen Evolution. Die Entstehung von genetisch unterschiedlichen Geschlechtern und Paarungstypen gilt als Ausgangspunkt für die Entwicklung höherer Lebewesen aus ursprünglich geschlechtslosen Einzellern, die sich nur asexuell (vegetativ) fortpflanzen.
Genetische Grundlagen
Man nimmt an, dass sich die Sexualität erst spät in der Evolution - vor ca. 600 Millionen Jahren - etabliert hat. Vermochten sich die Lebewesen anfangs nur durch einfache Zellteilung unter Vermehrung fortzupflanzen, was fast ausschließlich zu genetisch identischen Nachkommen führte, ist am Ende dieses Evolutionsschrittes die Fortpflanzung mit einer Vereinigung und Neuaufteilung der Genome zweier Individuen verbunden, was in der Regel zu genetisch verschiedenen Nachkommen führt. Dadurch wird die Variabilität der Individuen einer Population und damit deren Fähigkeit zur Anpassung und Evolution erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei verschiedene Genome vereinigt werden, wird dadurch erhöht, dass es mindestens zwei verschiedene Paarungstypen gibt und nur die Genome zweier verschiedener Paarungstypen vereinigt werden können. Die Vereinigung von identischen Genomen (den Mitglieder eines Klons) wird so verhindert. Bei den meisten Lebewesen kommen nur jeweils zwei Paarungstypen vor, die im Fall der Oogamie als die bekannten zwei Geschlechter männlich und weiblich bezeichnet werden.
Viele Einzeller betreiben als sexuellen Akt die Verschmelzung ganzer Individuen, einige Einzeller wie das Pantoffeltierchen die sogenannte Konjugation mit Austausch von Genomen. Sogar bei Bakterien kommen sexuelle Phänomene vor: Sie bilden so genannte F-Pili, röhrenförmige Proteinfortsätze, durch die sie Teile des Erbguts (DNA) von einem Individuum auf ein anderes übertragen; dies geschieht unabhängig von der Vermehrung, die meistens durch Zellteilung erfolgt.
Zoologische Grundlagen
In der Zoologie erschließt sich der Erfolg für das Prinzip „Reproduktion durch Sexualität“ erst durch des Verständnis eines zwangsläufig begleitenden Evolutionsschrittes. Zunächst mussten Sinnessysteme (Sinnesorgane mit nachgeordneten verhaltensrelevanten Instanzen) entwickelt werden, die eine Suche und Findung möglicher Geschlechtspartner der eigenen Art erst ermöglichten. Anfangs sicher noch auf biochemischen Sinnesreizen basierend entwickelte sich in der Folge eine Vielzahl von Sinnessystemen im Tierreich, die etwa die des Menschen an Leistungsfähigkeit oftmals überbieten.
Diese Sinnessysteme bieten allerdings auch dem wichtigsten Aspekt des Lebens, nämlich dem Selbsterhalt, einen Selektionsvorteil. Der allseits zitierte Vorteil der Möglichkeit einer genetischen Rekombination ist so mehr als Folge denn als Ursache des Erfolges der sexuellen Reproduktion zu sehen.
Für männliche Individuen gilt, dass sie mit dem Geschlechtsakt ihren biologischen Anteil zur erfolgreichen Reproduktion bereits beigetragen haben. Die ethologischen Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen aber auch, daß für viele Tierarten und Menschen die gemeinsame Sexualität die Basis für vielfältigste weitergehende Sozialstrukturen darstellt, die im Extremfall lebenslange exklusive Sexualpartnerschaft zwischen einem Weibchen und einem Männchen bedeuten kann.
Allen uns bisweilen skurril anmutenden Sexualverhaltensmustern, die oft nach einem sehr starren Schema ablaufen, ist eines zwangsläufig gemeinsam: Diese Muster sind auf etwas oder jemanden in der Außenwelt des Individuums gerichtet; in der Regel ist dies bezüglich eines optimalen Reproduktionserfolgs ein gegengeschlechtlicher Artgenosse.
Bei Eukaryoten (d.h. Tieren, Pflanzen, Pilzen und Protisten) bedeutete die Trennung in verschiedene Geschlechter den Übergang zur geschlechtlichen Fortpflanzung durch den Austausch und die Rekombination von Erbgut bei der Befruchtung und die Bildung einer befruchteten Keimzelle. Die Entwicklung eines durch Hormone gesteuerten Systems war ein weiterer Schritt zur Herausbildung sexueller Verhaltensweisen. Neben der Fortpflanzung mittels Austausch von Erbinformationen hat geschlechtlicher Verkehr bei höheren Organismen teils auch eine soziale Bedeutung, insbesondere bei den Primaten (wie dem Menschen und den Zwergschimpansen).
Zur Entstehung der Sexualität bei Pflanzen und ihrer Modifikation im Verlauf der Stammesgeschichte siehe auch: Generationswechsel.
Menschliche Sexualität
Beim Menschen scheint die Sexualität im Gegensatz zu fast allen Tieren kein reines Instinktverhalten zu sein, sondern sie unterliegt auch bewussten Entscheidungsprozessen. Menschen drücken ihre sexuelle Anziehung zum Anderen durch unterschiedliche Formen und Aspekte aus: Zärtlichkeiten, Worte, verschiedene sexuelle Praktiken, im negativen Sinne durch besitzergreifendes Verhalten und im Extrem durch Formen sexueller Gewalt.
Kindliche Sexualität
Ab welchem Alter sich Sexualität beim Menschen zeigt, ist noch heute Gegenstand von Diskussionen. Sigmund Freud bezeichnete die Sexualität des Menschen von der Geburt bis zum Erreichen der Pubertät mit infantiler Sexualität. Dieses Konzept spielt in der klassischen Psychoanalyse eine wesentliche Rolle, da man annimmt, dass die psychische Entwicklung erheblich durch die Sexualität beeinflußt wird.
Allgemeines Konzept nach Freud
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte die Ansicht vor, dass Kinder zunächst asexuelle Wesen seien und sich der Geschlechtstrieb erst mit Beginn der Pubertät entwickle. 1904-1905 publizierte der Wiener Arzt und Sexualforscher sein Aufsehen erregendes Werk Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, worin er die entgegengesetzte These darlegt, nach der Kinder trotz ihrer sexuellen Unreife von Geburt an im Besitz einer Geschlechtlichkeit und geschlechtlichen Identität seien, was sich in vielerlei Sexualäußerungen zeige. Freuds Lehren zur Sexualität von Kindern sind nicht unumstritten, aber in ihren Grundzügen auch 100 Jahre nach der Publikation noch weithin anerkannt.
Nach Freud ist die angebliche Asexualität des Kindes ein realitätsfernes Erziehungsideal und ein folgenschwerer Irrtum. Bereits das neugeborene Kind bringt Keime von sexuellen Regungen mit auf die Welt, die sich zunächst eine Zeitlang weiterentwickeln, nach einer Blütephase um das dritte bis vierte Lebensjahr aber einer fortschreitenden Unterdrückung unterliegen. Erst mit der Pubertät setzt sich die sexuelle Entwicklung wieder fort. Freud spricht hier von einem zweizeitigen Ansatz der sexuellen Entwicklung des Menschen, der von einer mehrere Jahre andauernden sexuellen Latenzperiode unterbrochen wird.
Jede Phase der psychosexuellen Entwicklung ist nach Freud durch das Vorherrschen bestimmter erogener Zonen gekennzeichnet, die Freud als Lustzentren bezeichnete.
Die orale Phase
Die erste Äußerung der kindlichen Sexualität ist die orale Phase, welche beim Säugling unmittelbar nach der Geburt auftritt und sich bei gesunder Entwicklung ca. 1,5 Jahre fortsetzt. Typischer Weise treten rhythmisch wiederholte saugende Bewegung mit dem Mund auf, die nicht der Nahrungsaufnahme dienen und bereits angeboren sind. Das Kind erlernt sodann, dass diese Betätigung bereits beim Saugen an der Mutterbrust (oder dem Fläschchen) mit weiteren Lustquellen verbunden wird. Gesaugt wird dann auch an greifbaren Objekten, vorzugsweise jedoch an geeigneten Stellen des eigenen Körpers, wodurch eine zweite, wenngleich minderwertigere, erogene Zone gebildet wird. Nach Ende der oralen Phase lösen andere erogene Zonen den Mund als vorherrschendes Lustzentrum ab, der Mensch behält aber die Fähigkeit zum oralen Lustgewinn, wie beispielsweise bei der Berührung seiner Lippen mit den Lippen des Partners als erotischer Reiz beim Kuss.
Nach Freud stellt die orale Phase eine Form der Autosexualität dar, da der Trieb nicht auf andere Personen gerichtet ist.
Die anale Phase
Das Kind beginnt den After zu entdecken und zu erforschen. Die zugehörige Entwicklungssphase wird als die anale Phase bezeichnet und zeichnet sich außerdem auch durch Spiele mit den Ausscheidungsprodukten aus. Je nach Erziehungsumständen wird die Aufmerksamkeit auf die Reinlichkeit gelenkt. Diese Phase dauert ab etwa 15 Lebensmonate und drei Jahre an. Ihr folgt die genitale Phase, die mit einer weiteren Wandlung der vorherrschenden erogenen Zonen beginnt.
Die genitale Phase
Auch die Genitalien spielen bereits in der kindlichen Sexualität eine Rolle. Das Kind entdeckt und erforscht seine Genitalen. Diese Zeit liegt zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr und wird von der Latenzperiode beendet.
Die genitale Phase durchläuft drei Perioden:
- als Säugling - das Kind entdeckt das Genital als Teil seines Körpers, das jedoch nicht als erogene Zone vorherrschend wird
- während der kurzen Blütezeit der Sexualentwicklung um das dritte bis vierte Lebensjahr - das Kind erforscht das Genital aktiv und nimmt das erste Mal Unterschiede von Geschlechtern wahr
- in der Pubertät - das Kind/ Jugendliche entdeckt die Funktion des Genitals
Mit Abschluß der genitalen Phase erkennt sich das Kind einem Geschlecht zugehörig und kann eine geschlechtliche Identität entwickeln.
Die sexuelle Latenzperiode
Der genitalen Phase folgt nach Freud eine Latenzperiode, in der das Kind keine sexuellen Interessen haben sollte. Beendet wird diese Periode erst durch die Pubertät. Es ist derzeit ungeklärt, ob die Latenzperiode natürlichen Ursprungs ist oder durch die Sozialisation verursacht wird. Freud selbst hat Zweifel an der Natürlichkeit der Latenzperiode geäußert, das Konzept aber nicht aufgegeben.
Die Sexualäußerungen des Kindes treten hauptsächlich vor und nach der Latenzzeit auf. Sie sind vielfältig, überwiegend autosexuell, und offenbaren ihre sexuelle Natur oft erst bei genauer Betrachtung. Sie folgen typischen Entwicklungsphasen.
Während der Latenzperiode entwickelt das Kind seelische Regungen, die sich später der Sexualität als Hemmnisse in den Weg stellen und diese in Bahnen lenken: der Ekel, das Schamgefühl, die ästhetischen und moralischen Idealanforderungen. Durch äußere Einflüsse kann die sexuelle Latenzperiode jedoch durchbrochen werden. Dabei zeigt sich der Geschlechtstrieb des Kindes in seiner Natur als polymorph pervers.
Laut Freud bringt das Kind so genannte "polymorph perverse" Anlagen mit auf die Welt, die sich bei Durchbrüchen der sexuellen Latenzperiode in vielfältigen Paraphilien manifestieren können. Das vorpubertäre Kind neigt gegenüber dem Erwachsenen verstärkt zu Paraphilien, da seine seelischen Dämme gegen diese - Scham, Ekel und Moral - je nach Alter erst in der Bildung begriffen sind. Nach Freud besitzen paraphile Erwachsene somit eine Sexualität, die in ihrer Entwicklung gehemmt wurde und auf einer kindlichen Stufe stehengeblieben ist. Wo eine bestehende Neigung zur Paraphilie jedoch verdrängt wird, entsteht an deren Stelle eine Neurose. Die Neurose bezeichnet Freud als das Negativ der Perversion.
Durch den Prozess der Sublimierung dagegen kann eine paraphile Neigung in intellektuelle oder künstlerische Schaffenskraft umgewandelt werden. Hierin sieht Freud einen Motor der Kulturentwicklung.
Zu den in der Kindheit ausgelösten Paraphilien zählen unter anderem die sexuellen Neigungen
- Fokussierung auf nichtgenitale Körperteile oder auf Objekte, siehe auch Fetischismus
- Exhibitionismus
- Voyeurismus
- Sadomasochismus
Kastrationskomplex und Penisneid
Sigmund Freud diagnostizierte zwei geschlechtstypische kindliche Komplexe, die sich aus dem anatomischen Merkmal ergeben, dass die weiblichen Genitalien im Gegensatz zu den männlichen äußerlich kaum zu sehen sind. Demnach leiden Knaben unter der bewussten oder unbewussten Angst, man könnte ihren Penis abschneiden, da die Existenz von penislosen Altersgenossinnen diese Möglichkeit impliziere. Mädchen dagegen würden an ihrem Körper ein dem Penis gleichwertiges Organ vermissen und sich dadurch minderwertig fühlen. Heutige Ansichten gehen davon aus, dass Penisneid und Kastrationsangst nicht zwangsläufig auftreten, sondern nur, wenn die sozialen Umstände dies befördern, bzw. durch eine erzieherische soziale Benachteiligung von Mädchen gegenüber Jungen, wie das zu Freuds Zeiten praktisch immer der Fall war.
Die Pubertät
Nach der Überwindung der sexuellen Latenzperiode erhält in der Pubertät der Genitalapparat des Kindes das Primat über die anderen erogenen Zonen (Lustzentren). War der Sexualtrieb bis dahin vorranging autosexuell, so findet er nun sein Sexualobjekt und stellt sich in den Dienst der Fortpflanzungsfunktion.
Das Primat der Genitalzone entsteht durch die Ausnützung der Vorlust, wobei die zuvor selbstständigen Akte, die mit Lust und Erregung verbunden sind, nun zu vorbereitenden Akten für das neue Sexualziel, den Orgasmus, werden.
Bei der Objektwahl ist das Kind durch seine vorpubertäre Prägung zunächst versucht, diejenigen Personen zu Sexualobjekten zu machen, die es mit einer "abgedämpften Libido" seit seiner Kindheit liebt, also seine Eltern bzw. Pflegepersonen. Jedoch ist in der Zeit der sexuellen Latenz neben anderen Sexualhemmnissen auch die Inzestschranke gereift. So wird die Objektwahl von diesen Personen weg, jedoch oftmals zunächst auf ihnen ähnliche Personen gelenkt. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass sich Jugendliche in unereichbare Personen verlieben. Diese "Liebe" hat in der Regel schwärmerischen Charakter, Erfüllung und Leben der Partnerschaft ist nicht wirklich angestrebt, so äußert sich diese "Verliebtheit" z.B. in Verehrung von fernen Popstars, Filmschauspielern, auch Politikern etc..
Teilweise geschieht die Ablösung von den Eltern nur mangelhaft. In diesen Fällen unterdrückt die Person ihren Sexualtrieb und schafft es so, ihren Eltern weit über die Pubertät hinaus in Kinderliebe verbunden zu bleiben. Jedoch zeigt sie als negative Folge davon oftmals in ihren partnerschaftlichen Beziehungen eine Neigung zur Frigidität.
Die Frühreife
Die spontane sexuelle Frühreife äußert sich in der Durchbrechung, Verkürzung oder Aufhebung der sexuellen Latenzzeit. Sie veranlaßt Sexualäußerungen, die infolge des unfertigen Zustands der Sexualhemmungen und des unterentwickelten Genitalsystems stets den Charakter von Paraphilien an sich tragen. Die sexuelle Frühreife erschwert die spätere Beherrschung des Sexualtriebes durch die höheren seelischen Instanzen und ist häufig mit vorzeitiger intellektueller Entwicklung gekoppelt. Etliche weltbekannte Persönlichkeiten waren sexuell frühreif.
Siehe auch: Doktorspiele, Sexualmoral
Die Sexualität des Menschen beeinflusst seine Psyche, seine persönliche Entwicklung, die Formen seines Zusammenlebens sowie - auch beeinflusst von der Sexualmoral - die gesamte Sozialstruktur, also die Kultur und Gesellschaft, in der er lebt. Da zwischen der Sexualität des Mannes und der Sexualität der Frau teils erhebliche Unterschiede bestehen, führt diese Diskrepanz bei der Heterosexualität zu mannigfaltigen Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Geschlechtern. Folge mangelnder Anpassung auf beiden Seiten können sich auch in Funktionsstörungen bei Frau und Mann niederschlagen.
Außer der am weitesten verbreiteten Ausrichtung des Sexualverhaltens, der Heterosexualität, weist das Sexualverhalten des Menschen weitere sexuelle Orientierungen auf. Dazu gehören zum Beispiel die Homosexualität, d.h. die Ausrichtung des Sexualtriebs auf das eigene Geschlecht, die Bisexualität, die sich auf beide Geschlechter richtet, die Asexualität, wo kein Verlangen nach Sex - weder mit dem männlichen noch weiblichen Geschlecht - besteht, oder auch die fetischistische Sexualität, die sich auf unbelebte Gegenstände oder bestimmte Handlungen richtet. Früher teilweise tabuisiert und verboten, gewinnen diese Ausrichtungen heute in aufgeklärten Gesellschaften zunehmend an Akzeptanz und sind in vielen Ländern heute gesetzlich legal.
Geschichte und Gesellschaft
Vor und Frühgeschichte
Funde wie die Venus von Willendorf zeugen von einer mystischen Behandlung der Sexualität, als Teil eines göttlichen, mütterlichen Wirkungskreises. Sexualität und Körper sind heilig, Geschlechtsteile werden übertrieben dargestellt und eingefärbt. Vulva- und phallusartige Steinsetzungen wie Lochsteine oder Menhire zeugen von einer tiefen Verehrung von Geschlechtsorganen als Quellen des Lebens. Durch die Neolithische Revolution verändert sich das Verhältnis des Menschen zur Sexualität. Die Sexualität der Frau wird vom Mann zunehmend als gefährlich betrachtet, die kontrolliert werden muß. Nicht mehr das Kind an sich ist wichtig, sondern nur noch, wenn es vom eigenen Samen stammt. Da die Frau aber eine verdeckte Befruchtung hat, d. H. der Mann nicht kontrollieren kann, ob der Nachwuchs auch von ihn stammt, fängt er an die weibliche Sexualität mit Tabus und Verboten zu belegen.
Altertum und Antike
In Altertum und Antike ist das Verhältnis zur Sexualität äußerst ambivalent. Durch die vermehrte Aussperrung der Frau aus der Aussenwelt und vorwiegende Reduktion auf Gebärfähigkeit oder teuren Vergnügungsobjekt (Prostituierte oder Hetäre), wird in Anbetracht mangelnder Möglichkeiten, offene Homosexualität gesellschaftsfähig.
Mittelalter
Die christliche Moral der Kirche war stets sexualfeindlich, Sexualität diente der Zeugung von Kindern, jeder Lustgewinn dabei wurde mit dem Satan in Verbindung gebracht, Homosexualität galt als krankhaft. In den Erzählungen über Hexen fanden sich oft Vorstellungen von sexuellen Exzessen mit Teufeln oder Dämonen (etwa auf dem Blocksberg), die auch der Hexenverfolgung weitere Legitimität verleihen sollten. Sexualität hatte heimlich stattzufinden.
Beginn der Moderne
Während im Mittelalter teils aber dennoch häufig noch ungezwungene Sitten in den Badehäusern und Schlafzimmern herrschten, breitete sich spätestens mit dem Puritanismus und den Moralvorstellungen des viktorianischen Englands oder wilhelminischen Deutschlands repressive Moralvorstellungen aus, die etwa Masturbation und Onanie als absolut schädlich darstellten und bekämpften, aber auch der Sexualität insgesamt misstrauisch gegenüberstanden, die z.B. als tierisch, roh und gefährlich angesehen wurde, da sie die Grenzen der Vernunft zu sprengen drohte. Speziell der Frau wurden solche Gefühle nicht zugestanden, Sexualität sollte eheliche Pflicht für sie sein.
20. Jahrhundert
Mit der Psychoanalyse von Freud, und anschliessenden Vorstellungen wie denen von Wilhelm Reich kamen Anfang des 20. Jahrhunderts neue Ideen auf: Sexualität sei befreiend, notwendig, und positiv, ihre Unterdrückung erzeuge Neurosen. Dennoch blieb bis in die 60er eine oftmals als bigott angesehene Moral vorherrschend, so galten z.B. Zimmerwirte als Kuppler, wenn sie unverheirateten Paaren gemeinsame Schlafräume vermittelten. Sexualität war ein Tabu-Thema, über das in der Öffentlichkeit nicht gesprochen wurde. Erst die Welle der sexuellen Befreiung der 68er führte im Anschluss mit Aufklärungsliteratur wie der von Shere Hite zu neuem Nachdenken über Orgasmus, Lust, Begierden. In der Gegenwart wird die Sexuelle Selbstbestimmung mehr und mehr zum leitenden Gedanken, und abweichende sexuelle Praktiken, Beziehungsformen und sexuelle Orientierungen werden zunehmend akzeptiert, solange Einverständnis zwischen den (erwachsenen) Beteiligten besteht.
Sexualität in Kunst und Kultur
Schon 1917 hatte Richard Oswald den Aufklärungsfilm über Geschlechtskrankheiten „Es werde Licht!“ im Auftrag des deutschen Kriegsministeriums gedreht. Der Film brachte eine Filmlawine ins Rollen. Allein dieser Film hatte drei Folgen. 1919 brachte Oswald das Problem Homosexualität und Erpressung in einer kriminalistischen Handlung unter: „Anders als die Andern“.
Weil vom Ende des Ersten Weltkriegs bis 1920 keine Filmzensur in Deutschland existierte, folgte 1919 auf die Welle der „Aufklärungsfilme“ die der eigentlichen „spekulativen Sexfilme“, damals noch „Sittenfilme“ genannt.
In den 60er Jahren wiederholte sich das Geschäft auf eine erstaunlich ähnliche Weise.
Spielfilme zum Thema „Liebe“ und „Sexualität“
- Helga (Premiere 22. September 1967) (mit Entbindungsszene!!)
- Oswalt Kolle: Dein Mann, das unbekannte Wesen (1968)
- Eis am Stiel (Teile 1-8, 1977 -1988)
- Woody Allen: Was Sie schon immer über Sex wissen wollten (USA 1972)
- Filme von François Truffaut und Eric Rohmer
- Mike Nichols: Die Reifeprüfung (USA 1967; mit Dustin Hoffman)
- Michel Deville: Die Vorleserin (Frankreich 1988)
- Jean-Charles Tacchella: Der kleine Tod der feinen Damen (Frankreich 1990)
- Denys Arcand: Liebe und andere Grausamkeiten (Love and Human Remains), Kanada 1993
- Patrice Chéreau: Intimacy (2001)
- Steven Shainberg: Secretary 2002, IMDb
Siehe auch
Literatur
Allgemeines
- dtv-Atlas Sexualität.Erwin J. Haeberle: Dtv, München 2005, ISBN 3-423-03235-9
- Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. De Gruyter, Berlin u.a. 2003, ISBN 3-11-016965-7
- Schülerduden: Sexualität. Duden, Mannheim 1997, ISBN 3-411-05491-3
- Sexualität in der Tierwelt. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg, Neckar 2003, ISBN 3-936278-46-6
- Max Marcuse (Hrsg.): Handwörterbuch der Sexualwissenschaft. Enzyklopädie der natur- u. kulturwissenschaftlichen Sexualkunde des Menschen. Neuausg. [Nachdr. der 2. Aufl. 1926.] De Gruyter, Berlin u.a. 2001, ISBN 3-11-017038-8
Sexualität der Gegenwart
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Sexualität und Kontrazeption aus der Sicht der Jugendlichen und ihrer Eltern. Eine repräsentative Studie im Auftrag der BZgA. 3. Aufl. BZgA, Köln 2002, ISBN 3-9805282-1-9
- William H. Masters, Virginia E. Johnson, Robert C. Kolodny: Liebe und Sexualität. Neuaufl. Ullstein, Berlin u.a. 1993, ISBN 3-548-35356-8
- Christiane Pönitzsch: Chatten im Netz. Sozialpsychologische Anmerkungen zum Verhältnis von Internet und Sexualität. Tectum, Marburg 2003, ISBN 3-8288-8540-3
- Queer denken. Gegen die Ordnung der Sexualität (Queer Studies), hg. von Andreas Kraß, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003 ISBN 3-518-12248-7
- Dagmar Herzog: Die Politisierung der Lust. Sexualität in der deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Siedler, München 2005, ISBN 3-88680-831-9
Kulturgeschichte
- Div. Autoren: Liebe und Sexualität. Klaus-Boer-Verlag, 1995, ISBN 3-924963-39-8
- Franz X. Eder: Kultur der Begierde. Eine Geschichte der Sexualität. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47593-0 (Rezension)
- Philippe Ariès u.a.: Die Masken des Begehrens und die Metamorphosen der Sinnlichkeit. Zur Geschichte der Sexualität im Abendland. Fischer, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-596-27357-9
- Michel Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit. 1. Band. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1995, ISBN 3-518-28316-2
- Rüdiger Lautmann, Michael Schetsche: Sexualität im Denken der Moderne. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 9, Sp. 730-742.
Weblinks
- Archiv für Sexualwissenschaft http://www2.hu-berlin.de/sexology/
- The International Encyclopedia of Sexuality (ed. R.T.Francoeur)
- Growing Up Sexually, Studie zur sexuellen Entwicklung in primitiven Gesellschaften
- Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung
- http://www.sexualberatung4you.de
- http://www.geschichte-der-sexualitaet.de
- Sexueller Mißbrauch und Psychoanalyse - Sigmund Freud zwischen Verführungstheorie und Ödipuskomplex