Zikadenwespen

Familie der Ordnung Hautflügler (Hymenoptera)
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Zikadenwespen (Dryinidae) stellen eine ursprüngliche Gruppe der Überfamilie der Chrysidoidea innerhalb der Taillenwespen (Apocrita) dar. Zwar sind von etlichen Dryinidae noch keine Wirte bekannt, jedoch wird angenommen, dass alle Zikadenwespen Parasitoide von Zikaden (Auchenorrhyncha) sowohl der Rundkopfzikaden (Cicadomorpha) als auch der Spitzkopfzikaden (Fulgoromorpha) sind.

Zikadenwespen
Habitus einer Zikadenwespe, Weibchen
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Classis: Insekten (Insecta)
Vorlage:Subclassis: Fluginsekten (Pterygota)
Vorlage:Superordo: Neuflügler (Neoptera)
Vorlage:Ordo: Hautflügler (Hymenoptera)
Vorlage:Subordo: Taillenwespen (Apocrita)
Vorlage:Sectio: Stechimmen (Aculeata)
Vorlage:Superfamilia: Goldwespen und Verwandte

(Chrysidoidea)

Wissenschaftlicher Name
Dryinidae

Verbreitung

Zikadenwespen sind weltweit verbreitet. Sie leben in allen terrestrischen Lebensräumen in denen auch ihre Wirtstiere die Zikaden existieren. Jene leben in allen mit Pflanzen bestandenen Lebensräumen, von den Salzwiesen der Nord- und Ostsee, über die Hochgebirge bis in die Tropen und Subtropen. Zikaden besiedeln alle Habitate vom Gewässerufer bis hin zu Trockenrasen und Wälder. Neben dem Vorkommen der entsprechenden Wirtspflanze(n) sind weitere Umweltbedingungen wie Mikroklima und die Vegetationsstruktur für die Artenverteilung in Raum und Zeit maßgeblich.

Beschreibung

Die Weibchen der Zikadenwespen sind durch den Besitz eines Giftstachels anstatt eines Legebohrers gekennzeichnet. Flügellose oder kurzflügelige (brachyptere) Formen sind bei den Weibchen häufig. Diese sehen dann Ameisen ähnlich. Die Fühler sind in beiden Geschlechtern zehngliedrig und setzen nahe der Stirnplatte (Clypeus) an. Die Wespen sind nur etwa drei Millimeter lang. Die Vorderfüße der Weibchen sind zu Fangorganen umgebildet, die ähnlich wie die Fangarme der Gottesanbeterinnen funktionieren. Mit ihnen werden Zikadenlarven gefangen, an welche die Wespen ihre Eier legen. Von etlichen Arten sind bisher keine oder nur wenige Männchen bekannt, besonders in der Unterfamilie Gonatopodinae. Erwachsene Tiere sind meist von April bis September, vor allem im Hochsommer zu finden. Oft sind sie aber selten, obwohl die Parasitierungsraten einzelner Zikaden lokal hoch sein.

Lebensweise und Fortpflanzung

 
Zikadenlarve mit „Dryiniden-Säckchen“.

Die Weibchen der Zikadenwespen fangen kleinere, meist noch larvale Zikaden, um ihnen ein Ei in den Körper zu stechen. Sie greifen dazu die Zikaden mit den zu einer Fangschere umgebauten Vordertarsen. Aus dem Ei schlüpft eine Larve. Diese durchbricht später die Haut zwischen den Segmenten des Zikadenkörpers (Intersegmentalhaut) und wird dadurch zum Ektoparasiten. Die Larve der Zikadenwespe wird durch die Hüllen ihrer ersten abgestreiften Larvenhaut (Exuvie) weiter geschützt. Es bildet so ein sogenanntes charakteristischer Dryiniden-Sack in dem die Larve bis zur Verpuppung lebt. Die Altlarve (5. Larvenstadium) sprengt nach einer Zeit von etwa zwei bis vier Wochen den stark angeschwollenen Sack und spinnt sich auf der Pflanze oder im Boden einen kompakten, seidigen, häufig zweischichtigen Kokon, in dem die Verpuppung erfolgt. Die Puppenruhe dauert im Sommer weitere vier Wochen. Die Überwinterung erfolgt meist als Altlarve oder Präpuppe im Kokon oder als Junglarven im überwinternden Wirt. Etliche Arten der Zikadenwespen verbringen ihr Larvenstadium aber auch endoparasitisch.

Durch die Parasitierung können erhebliche Veränderungen bei der älter werdenden Zikade verursacht werden. Meist erreicht diese das Erwachsenenstadium nicht. Der Stoffwechsel wird "parasitengerecht" umprogrammiert. Die Zikade bildet viel Hämolymphe und Fettkörper. Die Ausbildung des Außenskeletts Exoskelett und die Bildung der Geschlechtsorgane Gonaden wird stark unterdrückt. Die Zikade wird quasi parasitär kastriert, wovon vor allem männlichen Zikaden betroffen sind, die teilweise weibliche Charaktere annehmen. Zusätzlich tritt oft eine Depigmentierung befallener Wirte auf, die dann blasser gefärbt erscheinen.

Zikadenwespen sind auch potentielle Räuber. Die in ein bis drei Wochen lebensfähigen Weibchen töten mit den Scheren der Vorderbeine gefangenen Beutetiere, ohne ein Ei in den Wirt abzulegen und fressen es auf. Dadurch können mehr Wirte abgetötet werden als durch die eigentliche Parasitierung.

Viele Weibchen der Zikadenwespenarten imitieren in ihrem äußeren Erscheinungsbild Ameisen. Dieses erlaubt ihnen, ihre Wirte leichter zu befallen. Die Wirte leben häufig in enger Beziehung mit Ameisen, die den von ihnen ausgeschiedenen Honigtau fressen. Die Wirte erkennen somit ihre Feinde nicht (Mimikri).

Wirtstiere

Innerhalb der Unterfamilien gibt es offenbar Vorlieben für bestimmte Wirte. So schmarotzen die Aphelopinae bei den Familien der Blatt- und Zwergzikaden. Die Anteoninae sind durchweg Parasiten der Zwergzikaden, während die Dryininae Käferzikaden und Glasflügelzikaden und die Bocchinae Kleinzikaden der Unterfamilie der Zirpen bevorzugen. Die Gonatopodinae schmarotzen teilweise bei den Spornzikaden, andere hingegen bei den Zwergzikaden.

Die einzelnen Arten sind selten auf eine Wirtsart beschränkt, sondern zeigen oft eine breite Oligophagie (Nutzung von nur einer oder maximal zwei Zikadenfamilien). So ist beispielsweise in England die Zikadenwespe Gonatopus sepsoides (= G. clavipes (Thunverg, 1827) var. sepsoides Westwood, 1833)[1] aus 16 verschiedenen Arten aus elf Gattungen der Zirpen gezogen worden und für Dicondylus bicolor (= G. bicolor (Haliday, 1828))[2] sind in Europa 17 Wirte aus elf Gattungen der Spornzikaden als Wirte nachgewiesen.

Systematik

Insgesamt sind bisher an die 850 Arten beschrieben, davon 110 aus Europa bzw. um die 140 Arten aus dem paläarktischen Faunengebiet. Die Zuordnung der stark sexualdimorphen Geschlechter ist oft schwierig und nur durch die Zucht sicher zu begründen. Nicht selten können daher nur die Weibchen bestimmt werden.

Unterfamilien:

  • Anteoninae
  • Aphelopinae
  • Apodryininae
  • Boccinae
  • Conganteoninae
  • Dryininae
  • Gonatopodinae
  • Labertinae
  • Plesiodryininae
  • Transdryininae

Europäische Arten:[3]

  • Anteon abdulnouri Olmi, 1987
  • Anteon arcuatum Kieffer, 1905
  • Anteon brachycerum (Dalman, 1823)
  • Anteon ephippiger (Dalman, 1818)
  • Anteon exiguum (Haupt, 1941)
  • Anteon faciale (Thomson, 1860)
  • Anteon flavicorne (Dalman, 1818)
  • Anteon fulviventre (Haliday, 1828)
  • Anteon gaullei Kieffer, 1905
  • Anteon infectum (Haliday, 1837)
  • Anteon jurineanum Latreille, 1809
  • Anteon pinetellum olmii De Rond, 1998
  • Anteon pinetellum pinetellum De Rond, 1998
  • Anteon pinetellum De Rond, 1998
  • Anteon pubicorne (Dalman, 1818)
  • Anteon reticulatum Kieffer, 1905
  • Anteon scapulare (Haliday, 1837)
  • Anteon tripartitum (Kieffer, 1905)
  • Aphelopus atratus (Dalman, 1823)
  • Aphelopus camus Richards, 1939
  • Aphelopus melaleucus (Dalman, 1818)
  • Aphelopus nigriceps Kieffer, 1905
  • Aphelopus orphanidesi Olmi, 1994
  • Aphelopus querceus Olmi, 1984
  • Aphelopus serratus Richards, 1939
  • Bocchus europaeus (Bernard, 1939)
  • Bocchus italicus Olmi, 1984
  • Bocchus lautereri Olmi, 1998
  • Bocchus paglianoi Olmi, 1984
  • Bocchus scaramozzinoi Olmi, 1984
  • Bocchus scobiolae Nagy, 1967
  • Bocchus slovacus Strejcek, 1964
  • Bocchus umber Olmi, 1984
  • Bocchus vernieri Olmi, 1995
  • Dryinus albrechti (Olmi, 1984)
  • Dryinus balearicus Olmi, 1987
  • Dryinus berlandi (Bernard, 1935)
  • Dryinus canariensis (Ceballos, 1927)
  • Dryinus collaris (Linnaeus, 1767)
  • Dryinus corsicus Marshall, 1874
  • Dryinus dayi (Olmi, 1984)
  • Dryinus gryps (Reinhard, 1863)
  • Dryinus ibericus (Olmi, 1990)
  • Dryinus maroccanus (Olmi, 1984)
  • Dryinus niger Kieffer, 1904
  • Dryinus sanderi Olmi, 1984
  • Dryinus tarraconensis Marshall, 1868
  • Dryinus tussaci Olmi, 1989
  • Echthrodelphax baenai Olmi, 1995
  • Echthrodelphax hortusensis (Abdul-Nour, 1976)
  • Echthrodelphax italicus Olmi, 1984
  • Gonatopus albolineatus Kieffer, 1904
  • Gonatopus albosignatus Kieffer, 1904
  • Gonatopus ater Olmi, 1984
  • Gonatopus atlanticus Olmi, 1984
  • Gonatopus audax (Olmi, 1984)
  • Gonatopus azorensis (Olmi, 1989)
  • Gonatopus baeticus (Ceballos, 1927)
  • Gonatopus bicolor (Haliday, 1828)
  • Gonatopus bilineatus Kieffer, 1904
  • Gonatopus blascoi Olmi, 1995
  • Gonatopus brunneicollis (Richards, 1972)
  • Gonatopus camelinus Kieffer, 1904
  • Gonatopus canariensis (Olmi, 1984)
  • Gonatopus chersonesius Ponomarenko, 1970
  • Gonatopus clavipes (Thunberg, 1827)
  • Gonatopus distinctus Kieffer, 1906
  • Gonatopus distinguendus Kieffer, 1905
  • Gonatopus doderoi (Olmi & Currado, 1974)
  • Gonatopus dromedarius (Costa, 1882)
  • Gonatopus europaeus (Olmi, 1986)
  • Gonatopus felix (Olmi, 1984)
  • Gonatopus focarilei (Olmi, 1984)
  • Gonatopus formicarius Ljungh, 1810
  • Gonatopus formicicolus (Richards, 1939)
  • Gonatopus fortunatus Olmi, 1993
  • Gonatopus graecus Olmi, 1984
  • Gonatopus helleni (Raatikainen, 1961)
  • Gonatopus horvathi Kieffer, 1906
  • Gonatopus kenitrensis Olmi, 1990
  • Gonatopus lindbergi Hellén, 1930
  • Gonatopus longicollis (Kieffer, 1905)
  • Gonatopus lunatus Klug, 1810
  • Gonatopus lycius Olmi, 1989
  • Gonatopus mediterraneus Olmi, 1990
  • Gonatopus nearcticus (Fenton, 1927)
  • Gonatopus pallidus (Ceballos, 1927)
  • Gonatopus pedestris Dalman, 1818
  • Gonatopus planiceps Kieffer, 1904
  • Gonatopus plumbeus Olmi, 1984
  • Gonatopus popovi Ponomarenko, 1965
  • Gonatopus pulicarius Klug, 1810
  • Gonatopus rosellae (Currado & Olmi, 1974)
  • Gonatopus solidus (Haupt, 1938)
  • Gonatopus spectrum (Snellen van Vollenhoven, 1874)
  • Gonatopus striatus Kieffer, 1905
  • Gonatopus subtilis Olmi, 1984
  • Gonatopus tenerifei Olmi, 1984
  • Gonatopus tussaci (Olmi, 1989)
  • Gonatopus unilineatus Kieffer, 1904
  • Gonatopus vistosus Olmi, 1984
  • Haplogonatopus oratorius (Westwood, 1833)
  • Lonchodryinus ruficornis (Dalman, 1818)
  • Mirodryinus atlanticus Olmi, 1984
  • Mystrophorus apterus Ponomarenko, 2000
  • Mystrophorus formicaeformis Ruthe, 1859
  • Neodryinus typhlocybae (Ashmead, 1893)
  • Prioranteon biroi Olmi, 1984
  • Prioranteon hispanicum Olmi, 1989

Referenzen

Literatur

  • H. Bellmann (1995): Bienen, Wespen, Ameisen. Hautflügler Mitteleuropas. Franckh-Kosmos, Stuttgart. ISBN 3-440-06932-X
  • A. Guglielmino (2002): Dryinidae (Hymenoptera Chrysidoidea): an interessting group among the natural enemies of the Auchenorrhyncha (Hemiptera). In: Denisia 4, N.F. 176: 549-556. ISBN 3-85474-077-8
  1. Naamlijst Wespen en Mieren, Niederlande
  2. Naamlijst Wespen en Mieren, Niederlande
  3. Fauna Europaea - Dryinidae

Weitere Literatur

  • J. Zahradnik (1985): Bienen, Wespen, Ameisen. Die Hautflügler Mitteleuropas. Franckh-Kosmos, Stuttgart. ISBN 3-440-05445-4