An die Freude

Gedicht von Friedrich Schiller (1785)
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Die Ode „An die Freude“ (1785) ist eines der berühmtesten Gedichte Friedrich Schillers.

Mit hohem Pathos wird in der Ode das Ideal einer Gesellschaft von gleichberechtigten Menschen beschrieben, die durch das Band der Freude und der Freundschaft verbunden sind.

Schiller war mit dem Freimaurer Christian Gottfried Körner befreundet, der von 1812 bis 1816 eine Gesamtausgabe von Schillers Werken herausgab. Auf dessen Bitte entstand im Sommer 1785 in einem nahegelegenen Dorf von Leipzig, dem heutigen Stadtteil Gohlis die „Ode an die Freude“ für die Tafel der Freimaurerloge in Dresden „Zu den drei Schwertern“ [1].

Schon in ihrer Entstehungszeit war die Ode äußerst populär, wie bereits die vielfachen Umdichtungen in studentischen Stammbüchern beweisen.

Die Ode „An die Freude“ liegt dem letzten Satz der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven zugrunde. Beethoven verwendete die komplette 1. und 3. Strophe, sowie einige Teile der 2. und 4. Strophe. Obwohl die Absicht der Vertonung von Schillers Hymne fast das ganze Leben Beethovens begleitete, war es nicht immer eindeutig, ob nun wirklich ein Chor oder ein rein instrumentales Finale das Werk abschließen sollte. Eine Entscheidung für den Chor fiel wahrscheinlich erst gegen Ende des Jahres 1823.

Der Freimaurer Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi schlug schon 1955 Beethovens Vertonung als neue Europäische Hymne vor (Brief im PDF-Format). Seit 1972 ist die Melodie offizielle Hymne des Europarats und seit 1985 die offizielle Hymne der Europäischen Union. Auf Bitte des Europarates arrangierte Herbert von Karajan drei Instrumentalversionen: für Klavier, für Blasinstrumente und für Orchester.

Berühmt wurde auch die von Miguel Rios 1970 geschaffene, poppige Version Song of Joy.

Text

Schillers Originalfassung, Beethoven unternahm tiefe Veränderungen für seine 9. Symphonie.

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elisium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
was der Mode Schwerd geteilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.
Chor
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder - über'm Sternenzelt
muß ein lieber Vater wohnen.
Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein;
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja - wer auch nur eine Seele
sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund!
Chor


Freude trinken alle Wesen
an den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
folgen ihrer Rosenspur.
Küße gab sie uns und Reben
einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,
und der Cherub steht vor Gott.
Chor
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahndest du den Schöpfer, Welt?
Such ihn überm Sternenzelt,
über Sternen muß er wohnen.
Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
die des Sehers Rohr nicht kennt.
Chor
Froh, wie seine Sonnen fliegen,
durch des Himmels prächtgen Plan,
laufet, Brüder, eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen.
Aus der Wahrheit Feuerspiegel
lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
sie im Chor der Engel stehn.
Chor
Duldet mutig, Millionen!
Duldet für die beßre Welt!
Droben überm Sternenzelt
wird ein großer Gott belohnen.
Göttern kann man nicht vergelten,
schön ists, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
unserm Todfeind sei verziehn,
Keine Thräne soll ihn pressen,
keine Reue nage ihn.
Chor
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder- überm Sternenzelt
richtet Gott, wie wir gerichtet.
Freude sprudelt in Pokalen,
in der Traube goldnem Blut
trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut --
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
wenn der volle Römer kraißt,
Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:
Dieses Glas dem guten Geist.
Chor
Den der Sterne Wirbel loben,
den des Seraphs Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist
überm Sternenzelt dort oben!
Festen Mut in schwerem Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königstronen
Brüder, gält es Gut und Blut, -
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!
Chor
Schließt den heilgen Zirkel dichter,
schwört bei diesem goldnen Wein:
Dem Gelübde treu zu sein,
schwört es bei dem Sternenrichter!
Rettung von Tirannenketten,
Großmut auch dem Bösewicht,
Hoffnung auf den Sterbebetten,
Gnade auf dem Hochgericht!
Auch die Toten sollen leben!
Brüder trinkt und stimmet ein,
Allen Sündern soll vergeben,
und die Hölle nicht mehr seyn.
Chor
Eine heitre Abschiedsstunde!
süßen Schlaf im Leichentuch!
Brüder - einen sanften Spruch
Aus des Todtenrichters Munde!
  1. Freimaurerloge in Dresden „Zu den drei Schwertern“
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