Schwarze Hefte

Werk von Martin Heidegger
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Schwarze Hefte ist die Bezeichnung für die schwarz eingebundenen Denktagebücher des Philosophen Martin Heidegger, die er in den Jahren von 1931 bis 1975 mit postumer Publikationsabsicht führte. Seine Aufzeichnungen sollen in geplanten neun Bänden (fast 1300 Seiten) erscheinen und die Gesamtausgabe abschließen.

Namensursprung

Der Name stammt von der schwarzen Farbe des Einbandes. Nach Meinung des Herausgebers Peter Trawny wurde diese Bezeichnung von Heidegger selbst erfunden und verwendet, da es eine Notiz von Heidegger gebe, in der er von den „Aufzeichnungen der schwarzen Hefte“ spreche.[1] Der ehemalige Privatassistent Heideggers Friedrich-Wilhelm von Herrmann bezweifelt, dass der Titel „Schwarze Hefte“ auf Heidegger selbst zurückgehe. Die Hefte haben zum größten Teil einfache Überschriften wie „Überlegungen“, „Anmerkungen“, „Vier Hefte“, „Winke“ und „Vorläufiges“.[2] Es handele sich also um Kommentare am Rande des Textes und nicht um ein philosophisches Hauptwerk.[3] Mit kleinen Skizzen versucht Heidegger, eine große Erzählung von Aufgang und Untergang und erneutem Aufgang des „Seyns“ und des „Menschentums“ zu konturieren, die zugleich sichtbar zu machen prätendiert, „was jetzt geschieht“.[4]

Inhalt

  • Überlegungen II-VI (1931–1938): Auseinandersetzung mit der Entscheidung zum einjährigen Rektorat an der Universität Freiburg 1933/34.[5]
  • Überlegungen VII-XI (1938/39): Zunehmende Kritik am Bolschewismus und an der Rassentheorie als Verkörperungen der „Machenschaft“. Das „Judentum“ gerät zum ersten mal auf problematische Weise in den Blick.
  • Überlegungen XII-XV (1939–1941): Deutung des Weltkriegs und des Alltags als „Zeichen“ der „Machenschaft“ in allen Lebensreichen.
  • Anmerkungen I-V (1942–1948): Deutung des geistigen Untergangs der Deutschen. In diesem Rahmen setzen sich die auftauchenden problematischen Deutungen des Judentums fort. Die Nachkriegszeit wird als Selbstverrat des deutschen Auftrags, den „anderen Anfang“ der Seinsgeschichte zu stiften, erfahren. Heidegger beschreibt auch seine Reaktion auf den Entzug der Lehrerlaubnis durch die Freiburger Universität.

Diskussion

Der dritte, zur Frage nach Heideggers Verhältnis zum Antisemitismus von Fachphilosophen und im Feuilleton der Zeitungen in der Folge besonders rezipierte Band der „Schwarzen Hefte“ (1939–1941) erschien im März 2014. Für eine Zusammenfassung der Debatte siehe Die Heidegger-Kontroverse.

Der erste (1931–1938) und zweite Band (1938/39) wurden zeitnah im Februar und März 2014 veröffentlicht. Ein vierter Band (1942–1948) erschien im März 2015. Es fehlen noch die „Überlegungen I“, das erste Heft überhaupt. Was mit den fehlenden Aufzeichnungen geschah, ist unbekannt.

Von den insgesamt 33 Wachstuchheften galt auch jenes aus den Jahren 1945/46 für lange Zeit als verschollen. Heidegger hatte es der Mutter von Silvio Vietta geschenkt. Kurz vor der Veröffentlichung der anderen „Schwarzen Hefte“ 2014 tauchte es aus dessen Bestand wieder auf. Im Heft gebe es, so Vietta, „keinen einzigen Satz gegen Juden, kein einziges antisemitisches Wort“. Dem widersprach inzwischen der Herausgeber des Bandes, Peter Trawny.[6] Nach Verhandlungen mit dem Marbacher Literaturarchiv wurde das Heft im Jahr 2015 im Band 97 veröffentlicht.[7]

Siehe auch

Ausgabe

  • Peter Trawny (Hrsg.): Martin Heidegger: Überlegungen II-VI (Schwarze Hefte 1931-1938). Gesamtausgabe Band 94. Klostermann, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-465-03814-6.
  • Peter Trawny (Hrsg.): Martin Heidegger: Überlegungen VII-XI (Schwarze Hefte 1938/39). Gesamtausgabe Band 95. Klostermann, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-465-03832-0.
  • Peter Trawny (Hrsg.): Martin Heidegger: Überlegungen XII-XV (Schwarze Hefte 1939-1941). Gesamtausgabe Band 96. Klostermann, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-465-03838-2.
  • Peter Trawny (Hrsg.): Martin Heidegger: Anmerkungen I-V (Schwarze Hefte 1942-1948). Gesamtausgabe Band 97. Klostermann, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-465-03870-2.

Literatur

  • Hans-Helmuth Gander und Magnus Striet (Hrsg.): Heideggers Weg in die Moderne. Eine Verortung der "Schwarzen Hefte". Klostermann, Frankfurt 2017, ISBN 978-3-465-04269-3
  • Marion Heinz und Sidonie Kellerer (Hrsg.): Martin Heideggers "Schwarze Hefte". Eine philosophisch-politische Debatte. Suhrkamp, Berlin 2016, ISBN 978-3-518-29778-0
  • Peter Trawny: Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Klostermann, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-465-04238-9.

Einzelnachweise

  1. Michael Hesse (Frankfurter Rundschau, 24. Juni 2015): Mit Heidegger gegen Heidegger
  2. Peter Trawny: Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Klostermann, Frankfurt 2015, S. 13.
  3. Günter Figal („Neue Zürcher Zeitung“, 12. April 2014): „Wie soll man Heidegger noch lesen? Nicht alles hat mit allem zu tun.“
  4. Uwe Justus Wenze (NZZ, 12. April 2014): Das Schwarz der Seele. Ein Versuch, Martin Heideggers „Schwarze Hefte“ zu lesen.
  5. Quelle: Vittorio Klostermann Verlag
  6. Peter Trawny: Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Klostermann, Frankfurt 2015, S. 139.
  7. Alexander Cammann (Die Zeit, 22. Januar 2014): Vermisstes Werk von Heidegger aufgetaucht; Hermann Schlösser (Wiener Zeitung, 16. Februar 2014): „Die Macht ist das Lockmittel“