Österreichische Filmgeschichte
Die österreichische Filmgeschichte beginnt mit den Entwicklungen mehrerer wissenschaftlicher und unternehmerischer Pioniere im Österreich des 19. Jahrhunderts. Einige wesentliche Entwicklungen in der Filmtechnik gehen auf österreichische Wissenschaftler und Unternehmer zurück.
Die ersten zehn Jahre nach der ersten Filmvorführung 1896 in Österreich-Ungarns Hauptstadt Wien durch die Gebrüder Lumière waren weiterhin durch reges Erfindertum und das Entstehen der ersten Kinos gekennzeichnet. Die Filmproduktion beschränkte sich vorerst auf einzelne Versuche und Vorstöße von Privatpersonen. Erst ab etwa 1906 bis zum Ersten Weltkrieg entstanden dann zahlreiche Filmproduktionsunternehmen, die mit Literaturverfilmungen und Dramen am internationalen Stummfilmmarkt, der vor allem von den Franzosen dominiert wurde, erstmals aufhorchen ließen. Kapitalstarke französische Unternehmer waren es auch, die bis zum Ersten Weltkrieg den österreichischen Filmproduzenten selbst am Heimmarkt große Konkurrenz machten. Frauen kam zu dieser Zeit als Regisseurinnen, Produzentinnen und Drehbuchautorinnen eine wichtige Rolle zu, wie sie seither nicht mehr erreicht wurde.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs und dadurch bedingtem Importverbot ausländischer Filme brachte der nun isolierten österreichischen Filmindustrie einen unerwarteten Aufschwung. In der weiteren Stummfilmzeit erreichte das österreichische Filmschaffen seinen Höhepunkt in der Filmproduktion, zumal sich die heimischen Filmstudios nun auch an große und aufwändige Produktionen heranwagten. Zugleich setzt aber auch die Emigration heimischer Regisseure, Produzenten und Schauspieler ins Ausland ein. Verstärkt wurde dies ab Mitte der Dreißiger durch die zunehmenden Repressionen der Nationalsozialisten auf dem gesamten deutschsprachigen Filmmarkt, der die Auswanderung vor allem in das im Entstehen befindliche Hollywood lenkte.
Während des Nationalsozialismus wird Wien neben Berlin und München zu einem der Hauptproduktionsstätten der deutschen Propagandafilme, hauptsächlich durch die nationalsozialistisch verwaltete Wien-Film. In der Nachkriegszeit werden trotz großer Zerstörungen, Armut und Hunger bereits ab 1946 die ersten Filmproduktionsgesellschaften wieder eröffnet oder neu gegründet. Mit Musikkomödien und Heimatfilmen möchten die heimischen Filmschaffenden an das österreichische Filmschaffen vor dem Nationalsozialismus anschließen, und sich zugleich vom nationalsozialistischen Film distanzieren.
Ab den späten 1960er-Jahren ist neben dem einsetzenden Kinosterben aufgrund des immer weiter verbreiteten Mediums Fernsehen auch das Aufkommen einer Art „neuen österreichischen Films“ zu bemerken. Die Anzahl der Produktionen insgesamt erreichte jedoch in diesen Jahren einen noch nie da gewesenen Tiefstand mit vielen Jahren in denen gerade Mal fünf bis zehn Filme hergestellt wurden. Grund dafür war unter anderem der steigende Einfluss des amerikanischen Films.
In den 1990er-Jahren begann die Wiederbelebung des österreichischen Films. Nach Jahrzehnten der Musikkomödien, des Heimat- und Kriminalfilms wagte man sich nun wieder an - vielfach sozialkritische - Dokumentarfilme und Dramen heran, wie diese zuletzt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in großem Stil produziert wurden.
Erfindungen
1832 erfolgte die Erfindung des „Lebensrads“ - einer sich drehenden stroboskopischen Scheibe, auf welcher eine geringe Anzahl Bilder befestigt ist, die einen sich kontinuierlich wiederholenden Bewegungsablauf ergeben - durch den Tiroler Mathematiker und Astronomen Simon Stampfer. Er lässt es ab 1833 unter der Bezeichnung „Zauberscheiben“ erfolgreich vervielfältigen.
Einige Jahre später führte Franz von Uchatius Versuche durch, die „Zauberscheiben“ mit der Laterna magica zu kombinieren, damit die bewegten Bilder mehreren Personen gleichzeitig vorgeführt werden können. Daraus entstand der „Apparat zur Darstellung beweglicher Bilder“, der vom Schausteller und Zauberkünstler Ludwig Döbler am 14. Jänner 1847 im Josefstädter Theater das erste Mal vorgeführt wurde.
Zur Projektion wurden Objektive verwendet, die von Joseph Maximilian Petzval von der Firma Voigtländer ursprünglich für die Porträtfotografie geschliffen wurden. Petzval war zuvor 40 Jahre lang Universitätsprofessor für Mathematik, Mechanik und praktische Geometrie.
Viktor von Reitzner meldete am 25. Jänner 1891 einen „photographischen, continuierlich wirkenden Serien- und Projectionsapparat“ zum „Privileg“ (=Patent) an, im März erfolgt auch ein Patent in Deutschland. Die Auswertung erfolgte jedoch erst 1896 unter dem Namen „Kinetograf“. Auch der Physiker Ernst Mach trug seinen Teil zur Filmgeschichte bei. Bei Untersuchungen und Experimenten zum tierischen und pflanzlichen Wachstum entwickelte er die Zeitraffertechnik.
Seit 1887 beschäftigte sich der Reproduktionstechniker Theodor Reich mit Momentfotografien. Während seiner Beschäftigungszeit in London entwickelte er ab 1894 eine Serienbildkamera, die ab 1895 funktionstüchtig war. Doch als er sie im Juni 1896 in England zum Patent anmeldete, war es bereits zu spät um jedwege Ansprüche auf die Verwendung dieser Technik zu stellen.
Bereits 1897 experimentierte Hermann Casler mit dem 70-mm-Film-Verfahren, das erst gegen Mitte des 20. Jahrhunderts in die Kinopraxis eingeführt worden ist.
1898 entwickelte Paul Rudolph mit dem Cinemascope-Verfahren eine neue Methode zur Bildvergrößerung. Der Cinemascope-Film wurde jedoch erst in den 1950er-Jahren zu einer großen Konkurrenz gegenüber den bisherigen Filmproduktionen.
1904 meldete August Musger seinen „Serienapparat mit Spiegelrad“ zum Patent an. Jedoch scheiterte er bei der Herstellung des Prototyp. Wegen finanzieller Schwierigkeiten erlosch später auch das Patent. 1914 brachte jedoch das Unternehmen Ernemann in Dresden einen Zeitlupenapparat heraus, der das Konstruktionsprinzip August Musgers ohne dessen Nennung übernommen hatte. Mit dem Physiker der Gesellschaft, Dr. Hans Lehmann, stand Musger des öfteren im Briefwechsel.
Geschichtlicher Verlauf
Ab den Ersten Vorführungen bis 1914
Erste Filmvorführungen
Ab 1885 existierte mit dem „Kaiserpanorama“, in dem bis zu 12 Besucher gleichzeitig gegen Bezahlung in ein Stereoskop Einblick nehmen durften, bereits ein früher Vorgänger des Kinos.
1896 war das Jahr, als in der Schaubude von Josefine Kirbes im Wiener Wurstelprater die erste Präsentation von „Lebenden Bildern“ statt gefunden haben soll. Erst etwas später erfolgte am 20. März dieses Jahres in der Wiener Lehr- und Versuchsanstalt für Fotografie und Reproduktionsverfahren die erste belegte öffentliche Kinovorführung mit dem Lumière'schen Kinematographen vor geladenem Publikum.
Ab 27. März folgten tägliche Vorstellung im Mezzanin des Hauses Kärntnerstraße 45/Ecke Krugerstraße 2 im Ersten Wiener Gemeindebezirk. Dort präsentierte Eugène Dupont, ein Gesandter der Lumières, die ihre Erfindung in allen Großstädten Europas bekannt machen wollten, deren erste Werke. Dies geschah gegen eine Eintrittsgebühr von 50 Kreuzern und war täglich von 10 Uhr morgens bis 8 Uhr abends möglich. Am Programm standen kurze Dokumentarszenen der Lumières, die nur wenige Minuten lang dauerten. Die Neue Freie Presse lobte die Qualität der Aufnahmen, und lieferte mit ihrem Bericht zur Eröffnung dieses Vorführraumes die erste Filmkritik Österreichs ab. Im April 1896 wurde das Programm weitgehend mit neueren Werken aktualisiert, und am 17. April besuchter auch der Kaiser das Etablissement, der sich auf französisch mit dem Besitzer unterhielt - so die Neue Freie Presse damals.
Die ausnahmslos importierten Kinematographen - in Österreich existierte noch Jahre lang kein solcher Produzent - sind von da an zumeist bei Schaustellern im Wurstelprater, auf Jahrmärkten, in Wanderkinos und auch im „Stadt-Panoptikum“ von Louis Veltée am Kohlmarkt 5 zu finden. Als Oberösterreichs erster Wanderkinobetreiber gilt Johann Bläser.
Die Wanderkinos sind es auch, die in fast allen großen Städten der ganzen Monarchie erstmals den Kinematographen präsentieren - sofern nicht die Brüder Lumière persönlich zuvorgekommen waren. Gesetzlicher Rahmen war das bereits 1836 erlassene „Vagabunden- und Schaustellergesetz“, das bis in die erste Häfte des 20. Jahrhunderts auch für die Erwerbung von Kinos bzw. das Vorführen von Filmen zur Anwendung kommt.
Von Filmen konnte man damals noch nicht sprechen. Produziert wurden aus technischen Gründen nur wenige Minuten lange dokumentarische und fiktionale „Kurzfilme“ mit Titeln wie „Fällen eines Baumes“, „Taubenfüttern“, „Erschießung eines Spions im türkisch-griechischen Krieg“ oder „Ein unheimlicher Traum“, die umgehend in den Schaubuden im Prater oder anderswo in der Stadt, neben anderen Abnormitäten und Kuriositäten, gezeigt wurden. Wer die Schauspieler waren spielte damals zwangsläufig nur eine untergeordnete Rolle. Erste „Filmstars“ mit Wiedererkennungswert entstanden erst mit aufwändigeren und längeren Produktionen in den Jahren nach 1900.
Ebenfalls 1897 wurden in Linz erstmals kurze Filme im Rahmen eines Varietéprogramms in „Roithner's Varieté“ vorgestellt. Die erste vollständige Filmvorstellung fand am 20. März 1897 statt - im Gartensalon des Hotels „Zum goldenen Schiff“[1]. In Höritz im Böhmerwald fand in diesem Jahr bei der Aufführung des Theaterstückes Das Leben und Sterben von Jesus Christus die erste Aufführung von heimisch produziertem Filmmaterial statt. Zur Untersützung des Theaterstückes war ein Kinematograf vorhanden - 3000 Meter Film wurden in der Umgebung abgedreht, von welchen letztendlich 30 Rollen Aufnahmen zu je 30 Metern vorgeführt wurden[2].
1898, im Dezember, gastierte das Wanderkino von Gottfried Findeis im Wiener Neustädter Hotel „Zum goldenen Hirschen“ um dort selbst produzierte Filme im Stil der Gebrüder Lumière zu präsentieren: „Die Ankunft eines Zuges im Bahnhof von Wiener Neustadt“, „Eine Tunnelfahrt im Aussichtswagen während der Fahrt aufgenommen“, und „Ausgang der Arbeiter aus der Lokomotivfabrik Wiener Neustadt“[3]. Ebenfalls 1898 wurde gesetzlich veranlasst, dass alle Unternehmer zur öffentlichen Vorführung von Filmen eine Prüfung ablegen müssen. Dennoch wuchs in den folgenden Jahren die Zahl der Schaubuden und Kleintheater weiter an. „Laufende Bilder“ erfreuten sich großer Popularität.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Es sind anfangs einfache Räume in Eckgasthöfen und Höfen von Wohnanlagen, in welche möglichst viele Stühle hineingestellt und die Kinoprogramme mit der Ausschank von Getränken und dem Verkauf von Speisen begleitet wurden. Doch bereits 1902 erhielt der Wiener „Singspielhalle“-Betreiber Gustav Münstedt die Konzession zur Errichtung eines Kinos anstelle der Singspielhalle, den „Münstedt Kino Palast“. Bis dahin hatte es in Wien - abgesehen von den Vorführungen Eugène Duponts - nur Filmvorführungen in Zirkuszelten und Jahrmarktbuden am Wurstelprater gegeben. Ebenfalls 1902 begann der Brünner Emil Gottlieb - genannt Homes - in seinem Haus am Kohlmarkt neben „selbst spielendem Klavier“ und Abnormitätenschauen auch mit kinematographischen Vorführungen. Das Homes-Fey-Kino, wie das „Weltpanorama“ ab 1905 hieß, hatte sensationellen Erfolg, der jedoch nicht lange anhielt. Bald gab es besser ausgestattete Kinos. Zwischen 1903, als es in Wien erst drei Kinos gab, und 1905 entwickelten sich auch aus mehreren Schaubuden, Theatern und Zeltkinos weitere feste Kinos. Zentren waren dabei die Innere Stadt, der Wurstelprater und die Mariahilfer Straße in Wien-Mariahilf.
1904 ließ sich als erste der französischen Filmgesellschaften, die den österreichischen Produktionen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs große Konkurrenz bereiteten, die Pathé Frères in Wien nieder, und begann mit der Errichtung von Kinosälen. 1908 folgten Gaumont und 1909 die Société Eclair.
1905 wurde das erste Filmverleihunternehmen Österreich-Ungarns gegründet. In diesem Jahr existierten mit den Lichtspieltheatern Stiller, Schaaf, Münstedt, Kern, Klein und Busch bereits sechs Kinos im Prater, in denen die Laufkundschaft mit Hilfe von „Ausrufern“ zu den „Kinematographischen Vorstellungen“ angeworben wurden. Die Ausrufer - auch „Rekommandeure“ genannt - waren oft die Kinobetreiber selbst, die als wortwörtliche „Aushängeschilder“ der frühen Wiener Kinos Laufkundschaft auf ihren Betrieb aufmerksam machten. Damit schlossen sie an eine Tradition an, die es bereits in den Varietés gegeben hatte. Sie wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg durch Anzeigetafeln abgelöst. Ein großes Kino außerhalb des Praters war ab 1904 das von Louis Geni gegründete „Zeltkino Westend“, in welchem er eine Lichtanlage installieren ließ, die dem Kino zu großer Bekanntheit verhalf.
Als Vorbild für den Kinobetrieb nahm man sich das Theater, und so zeigte sich etwa der Schriftsteller und Komponist Max Brod bei einem Kinobesuch „belustigt, dass es hier eine Kassa, eine Garderobefrau, Musik, Programme, Saaldiener, Sitzreihen gibt, all dies pedantisch genauso wie in einem wirklichen Theater mit lebendigen Spielern“. Manche der 12 festen Kinos, die in Wien um 1906 existieren, gingen tatsächlich auch aus Theatern hervor. So zum Beispiel das 1898 errichtete Jantsch-Theater, welches 1905 in „Lustspieltheater“ umbenannt wurde, und Filme vor 800 bis zu 1000 Zusehern präsentierte. Begleitet wurden die Stummfilme damals zumeist mit elektrischen Orgeln auf denen die bekanntesten Opern- und Operettenmelodien gespielt wurden. Es gab in der frühen Stummfilmzeit jedoch auch „Tappeure“ genannte Pianospieler.
„Pikante“ Erotikproduktionen ab 1906
Bis zum Jahre 1906 wurden in Österreich nur ausländische Filme, oder Filme ausländischer Produzenten gezeigt, da bis zu diesem Jahr noch keine österreichische Filmgesellschaft existierte.
International äußerster Beliebtheit unter den Männern erfreuten sich rasch die ab Mitte 1906 produzierten erotischen Kurzfilme des damals 26-jährigen Wiener Fotografen Johann Schwarzer. In seinem Fotoatelier in der Fasangasse 49 des 3. Wiener Gemeindebezirkes gründete er dazumals die Saturn-Film, die noch zu den ersten Filmproduktionsgesellschaften der Monarchie zählte. Wenig später übersiedelte er an den Ahrenbergring 15, wo er die Herstellung ausbauen konnte. Seine Kataloge zur Filmauswahl versandte er auch ins Ausland. So stand am Katalog des Jahres 1907 geschrieben „Saturn-Atelier pour films piquants“, gefolgt vom Hinweis „Wir machen an dieser Stelle aufmerksam, daß unsere Films rein künstlerischer Tendenz sind und wir auf das peinlichste vermeiden, der Schönheit durch Geschmacklosigkeit Abbruch zu tun“.
Zu jedem der 20 im Katalog angebotenen Filme gab es eine genaue Beschreibung und ein Foto - so hatte er sich von den großen französischen Produktionsgesellschaften wie den Pathé Frères abgeschaut. Verrechnet wurde nach Filmlänge. So kostete „Eine moderne Ehe“ (1907) bei 110 Metern 1.907.198 Kronen. Andere Filme im Katalog waren etwa „Am Sklavenmarkt“, „Das Sandbad“ und „Weibliche Ringkämpfer“. Kurzfristig unterbrochen wurde sein Geschäftstreiben 1911, als die Polizei die Filme beschlagnahmte oder zensierte. Ein Jahr später war es, als auch Egon Schiele wegen „pornographischer Darstellungen“ für 24 Tage im Bezirksgericht Neulengbach arrestiert wurde.
1912 produzierte auch Max Reinhardt seinen ersten Film, der aufgrund von Nackt- und Sexszenen zensiert werden sollte. Darauf wird im Absatz „Max Reinhardt und der Film“ noch näher eingegangen werden. Im selben Jahr gründete der Librettist Felix Dörmann gemeinsam mit dem Architekten Tropp, der jedoch noch im selben Jahr austrat, die „Vindobona Film“. In weiterer Folge wurde sie in „Helios Film“, 1913 in die „Austria Film“ und danach in die „Duca Film“ umbenannt, deren Aufnahmeatelier sich in der Kandlgasse 35 im siebten Wiener Gemeindebezirk Neubau befand. Da Dörmanns Produktionen nicht den erhofften Erfolg brachten, spekulierte er mit dem Bedürfnis der Besucher nach Nacktszenen. Es erschienen Filme wie „Ein Tag im Leben einer schönen Frau“, „Die Göttin der Liebe“ und „Seitensprung“, die dadurch auffielen, dass die hauptdarstellenden Frauen häufig im Badezimmer, beim Strumpfwechsel und sogar beim Toilettenbesuch gezeigt wurden. Vor allem die Badesezenen waren Anlass für die Polizei diese Filme zu zensieren, auch Jahre nach den „pikanten Filmen“ von Johann Schwarzer. Dessen Schaffen endete spätestens mit Beginn des Ersten Weltkriegs, wo er als Reserveleutnant einrücken mussten, und bereits in einer der ersten Schlachten, am 10. Oktober 1914, ums Leben kam. Felix Dörmanns Filmgesellschaft beendete ihre Tätigkeit 1914, nicht zuletzt aufgrund des ausbleibenden Erfolges.
Aufblühen der österreichischen Filmproduktion
Während in anderen europäischen Städten von Beginn an eigene Kinogebäude errichtet wurden, entstanden in Wien viele Ladenkinos. Dies waren meist adaptierte Gaststätten, oder schmale, lang gestreckte Geschäftslokale. 1908 gab es bereits 25 solcher Kinos, darunter auch das „Bellaria Kino“. Die ersten Filmzeitschriften waren die „Kinematographische Rundschau“ die ab 1907 herausgegeben wurde, und „Der Österreichische Komet“ ab 1908.
Der mit 35 Minuten Spiellänge erste abendfüllende österreichische Spielfilm, „Von Stufe zu Stufe“, soll unter der Regie von Heinz Hanus - der mit Luise Kolm auch Drehbuch geschrieben haben soll - dem Produzenten und Ehemann von Luise, Anton Kolm, sowie dem Gehilfen Jacob Julius Fleck im Dezember 1908 in Wien uraufgeführt worden sein. Doch der einzige der dies - mit genauen Angaben zu Drehorten und Handlung, sowie, dass der Film auch im Ausland verbreitet wurde und noch vielen weiteren Details, die er in Interviews Jahrzehnte später von sich gab - bezeugte, war der vermeintliche Drehbuchautor und Regisseur Heinz Hanus selbst. Weder in Zeitungsberichten noch in den beiden Filmzeitschriften der damaligen Zeit Österreichischer Komet und Kinematographische Rundschau ließ sich ein Hinweis auf solch eine Produktion finden.
Es konnten zwar mehrere Filme mit dem Titel „Von Stufe zu Stufe“ aufgespürt werden, doch stammten diese von den deutschen, französischen und amerikanischen Produzenten Pathé (1907), Duskes (1910), E. Grünspan (1912) und Universal (1913). Belastet wird die Glaubwürdigkeit von Hanus' Aussagen auch dadurch, dass die ersten öffentlich angekündigten Spielfilme von Anton Kolm, dem vermeintlichen Produzenten von „Von Stufe zu Stufe“, die im Jahre 1910 erschienen, allesamt wesentlich kürzer als 35 Minuten waren, und die Filmproduktionen generell erst in späteren Jahren, mit dem Aufkommen neuer Techniken, länger wurden. Belegt ist jedoch eine Aufführung von Robert Stolz - „Das Glücksmädel“ - im Wiener Raimundtheater 1910. Dieses Theaterstück glich dem vermeintlich ersten österreichischen Spielfilm inhaltlich in weiten Teilen.
Im Jahr 1908 bestand mit Sophie Nehez die erste Frau die Wiener Filmvorführerprüfung. Führende Wiener Cinemascope-Kinos waren in den ersten Jahren das „Weltspiegel“ und das „Eos Kino“. Karl Köster und Hermann Prechtl gründeten 1908 feste „Kinematografen-Theater“ in Klagenfurt. In Villach existierten zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Kinos. Zwischen 1908 und 1910 erschienen 19 Tonbilder (Schellack-Schallplatte wurde synchron mit dem Film vorgeführt) der in Europa sehr erfolgreichen Operette „Der Walzertraum“.
1909 erschien der erste exakt datierbare Dokumentarfilm aus österreichischer Produktion. Zwischen 8. und 11. September 1909 filmte die Photobrom G.m.b.H. in Groß Meseritsch „Die Kaisermanöver in Mähren“, auf welcher Kaiser Franz-Joseph und sein deutscher Kollege Kaiser Wilhelm II. agierten. Dies blieb jedoch auch die einzige Produktion dieser Firma.
1910 gründeten das Ehepaar Anton und Luise Kolm - die Tochter von Louis Veltée - sowie Jacob Fleck Österreichs erstes Filmstudio unter dem Namen „Erste Österreichische Kinofilms-Industrie“ in Wien. Noch im selben Jahr nannten sie das Unternehmen in „Oesterreichisch-Ungarische Kinoindustrie Ges.m.b.H.“ um, und 1911 gründeten sie es als „Wiener Kunstfilm-Industrie Ges.m.b.H.“ neu. Die erste Produktion der Gesellschaft erschien im Frühjahr 1910: Der Faschingszug in Ober-St. Veit. Wenig später, am 14. März, filmte das Jungunternehmen das Begräbnis von Bürgermeister Karl Lueger. Der Film wurde in 22 Wiener Kinos gezeigt. Der österreichische Komet kommentierte dies in seiner Ausgabe vom 24. März mit „Also endlich einmal ein Wiener Film, der seinen Weg durch die Welt nehmen wird.“ Ebenfalls bereits 1910 entstand die erste Werbeproduktion im weiteren Sinne: Da Damenhüte zu dieser Zeit sehr beliebt waren, in Kinos jedoch für schlechte Sicht in den hinteren Reihen sorgten, produzierte Anton Kolm Der Hut im Kino, um diesem Problem Abhilfe zu verschaffen.
Die Konkurrenz durch ausländische Unternehmen, die den Markt nach wie vor beherrschten, war groß. Die Kolms und Jacob Fleck reagierten darauf in dem sie von Beginn an so viel wie möglich filmten, um den Wiener Kinos aktuelle Berichte aus Wien liefern zu können. Darunter Ereignisse wie den Stapellauf des k.u.k.-Kriegsmarine-Schlachtschiffs SMS Zrinyi im Hafen von Triest oder die Flugwoche am Flugfeld Wiener Neustadt - damals einer der größten Flughäfen der Welt in der noch jungen Luftfahrtsgeschichte.
Nach französischem Vorbild führte Anton Kolm auch in Österreich den komischen Kurzfilm ein. Mit dem Berliner Schauspieler Oskar Sabo hatte er seinen Hauptdarsteller in der Produktion aus 1910, Die böse Schwiegermutter, gefunden. 1911 filmte Kolm Typen und Szenen aus dem Wiener Volksleben, wo unter anderem der berühmte Wiener Volkssänger Edmung Guschelbauer zu sehen war, und 1912 Karl Blasel als Zahnarzt mit gleichnamigem Hauptdarsteller, der bereits seit rund einem Jahrzehnt ein beliebter Wiener Komiker war.
Österreichische Filmszene um 1910
Nach den ersten Jahren des „Kinobooms“ waren auch in den 74 Wiener Kinos - von denen 41 innerhalb des Gürtels lagen - die zahlreichen Filme mit dem Franzosen Max Linder äußerst beliebt. Diesbezüglich konnte sich das „Kino Klein“ einen guten Ruf verschaffen, da es bereits früh regelmäßig mit aktuellen ausländischen Produktionen aufwarten konnte, die es aus Paris importierte. Von Max Linder erschien alleine im Oktober 1910 jede Woche ein neuer Film: „Les Débuts de Max au cinéma“ (Österreichpremiere am 1. Oktober 1910), „Comment Max fait le tour du monde“ (8. Oktober), „Qui a tué Max?“ (15. Oktober), „Max prend un bain“ (22. Oktober) und „Le Soulier trop petit“ (29. Oktober).
Andere Filme, die zu dieser Zeit prämierten, waren unter anderem die italienische Produktion „Come fu che l'ingordigia rovino il Natale a Cretinetti“ mit dem französischen Schauspiele André Deed oder ein Jahr später die deutsch-österreichische Co-Produktion „Der Müller und sein Kind“, Teil eins, in dem neben den deutschen Stummfilm-Stars Henny Porten und Friedrich Zelnik mit Curt A. Stark auch ein Österreicher mitspielte, sowie die rein österreichische Fortsetzung mit anderer Besetzung, Der Müller und sein Kind, Teil II, produziert von der Wiener Kunstfilm-Industrie.
Damals griff man gerne auf literarische Vorlagen bekannter Schriftsteller zurück, um mit bekannten Titeln Publikum ins Kino zu locken. Die Handlung der Bücher konnte mangels Ton und wegen der geringen verfügbaren Aufnahmezeit jedoch nur stark abgeschwächt wiedergegeben werden. Österreichs einzige bedeutende Filmgesellschaft der damaligen Zeit, die Wiener Kunstfilm-Industrie rund um Regisseur und Produzent Anton Kolm griff in ihren Produktionen auf Werke von Ernst Raupach, Franz Grillparzer, E. T. A. Hoffmann oder Ludwig Anzengruber zurück. Angeregt wurden solche Verfilmungen jedoch durch die Pariser Produktionsfirma Film d'Art, die bereits 1908 ihre Manuskripte bei den bekanntesten Autoren bestellten, und diese dann von den Regisseuren und Schauspielern der größten Bühnen realisieren ließ. Auch die Begleitmusik ließ das nicht sehr lange existente Unternehmen von berühmten Komponisten komponieren.
Auf Literaturvorlagen basierten 1911 auch die Sozialdramen Der Müller und sein Kind, Der Dorftrottel, Die Glückspuppe, Mutter - Tragödie eines Fabriksmädels und Nur ein armer Knecht der Wiener Kunstfilm-Industrie.
In den zahlreichen Wanderkinos der damaligen Zeit wurden vor allem Komödien und „Dokumentationen“ wie „Österreichische Alpenbahn, eine Fahrt nach Mariazell“ gezeigt.
Da noch immer das „Vagabunden- und Schaustellergesetz“ des Jahres 1836 galt, gab es in Wien eine rege, aber ungeregelte, Kino-Bewegung. Lizenzen wurden „nach Bedarf“ eines Kinos in einem Stadtviertel vergeben. Dies führte dazu, dass sich die zumeist kleinen Ladenkinos oft in wenig frequentierten Seitengassen oder -straßen ansiedelten. Die Folge war, dass viele dieser Kinos noch in den ersten Monaten und Jahren schlossen, oder unter Beibehaltung ihrer Namen in andere, besser frequentierte Straßen übersiedelten.
Folge der unscharfen Gesetzeslage waren auch fragwürdiger Vorschriften und Vorgehensweisen in der Verwaltung. So war etwa für jedes Kino neben einer Notbeleuchtung auch eine „Anstandslampe“ verpflichtend, und die Praterinspektionsbehörde verfolgte während des Kinobooms genauestens die Ertragsentwicklung. So kam es 1912, am Höhepunkt des Booms, zur Erhöhung der Pachtzinse für Kinobetreiber auf das Zehnfache, während die übrigen Praterbetriebe von diesem Schritt des Obersthofmeisteramts verschont blieben.
1911 wurde der „Verband der Kinoindustriellen“ gegründet und im Jahr 1912 erschien Wiens erstes eigenes Kinogesetz, die „Kinematographenverordnung“. Seither benötigte man für den Betrieb eines Kinos eine Konzession. Im selben Jahr fand in Wien der Internationale Kinematographenkongress und die Internationale Kinoausstellung statt.
Der Schriftsteller Felix Salten, der 1911 ein Buch über den Wurstelprater herausbrachte, beschied dem Film eine große Zukunft, was in den primitiven Kurzproduktionen damals nur wenige erkennen konnten. Künstlerischen Anspruch wollte aber auch er dem Film erst dann zugestehen, „wenn es Regisseuren und Schauspielern gelänge, sich vom Niveau armseliger Provinzbühnen abzuheben“.
Basierend auf einem beliebten Roman des Franzosen George du Maurier erschien 1912 der Film Trilby, welcher 1914 unter dem Namen Svengali in etwas längerer Form gleich nochmals verfilmt wurde. 1915 wurde das Buch auch in den USA, und 1927 in Deutschland verfilmt - mit Paul Wegener und Anita Doris (der späteren Frau des Regisseurs E. W. Emo und Mutter von Maria Emo) in den Hauptrollen. 1932 folgte eine weitere US-Produktion der Kolmschen Erstverfilmung nach.
Erste Auslandskarrieren
Abgesehen vom vielfach in Deutschland schaffenden Max Reinhardt, der nach seinen Filmproduktionen als bekanntester österreichischer Filmschaffender im Ausland betrachtet werden konnte, versuchten noch einige andere ihr Karriereglück im Ausland. So zog Erich von Stroheim 1909 in die Vereinigten Staaten, wo er sich im neu gegründeten Hollywood vorerst als Komparse verdingte. Bald wurde er jedoch Assistent von Regisseur und Produzent David Griffith. Joe May inszenierte Operetten in Hamburg und drehte ab 1912 unter anderem die Filmserien rund um Detektiv Stuart-Webbs. 1933 emigrierte der gebürtige Joseph Mandel - ebenfalls nach Hollywood. Seine Frau Hermine Pfleger, bekannt unter dem Künstlernamen Mia May, ging mit ihm. Sein Bruder, Heinrich Eisenbach, blieb als Schauspieler vorerst in Wien.
Der Wiener Schauspieler Georg Wilhelm Pabst begann an der „Neuen Wiener Bühne“, spielte aber ab 1910 in New York, und wurde im Ersten Weltkrieg von den Franzosen interniert. Bekannt wurde er jedoch als Regisseur in Österreich. Joseph Delmont, der seine Karriere als Kameramann in Der Müller und sein Kind begann, arbeitete kurzzeitig in den Vereinigten Staaten mit wilden Tieren vor der Kamera, machte jedoch in Deutschland als Regisseur und Drehbuchautor Karriere. Richard Oswald arbeitete ab 1913 in Berlin als Filmdramaturg, wechselte aber nur wenig später ins Regiefach. Für Aufsehen sorgte er als Begründer des Aufklärungsfilms mit der Behandlung von Tabuthemen wie etwa dem Schwangerschaftsabbruch.
Hans Theyer und Eduard Hoesch machten sich als Kameraleute von Wochenschauen und Spielfilmen weltweit, vor allem in Dänemark, verdient. Die Mehrheit ihres Schaffens erbrachten sie jedoch in Österreich, wo sich Hoesch nach dem Zweiten Weltkrieg als Produzent und Regisseur von Heimatfilmen einbrachte. 1911 beginnt Josef von Sternberg seine Hollywood-Karriere. Bis zu seiner ersten Regie sollte es jedoch noch bis 1924 dauern. In den folgenden Jahren arbeitete er für die großen Filmproduktionsgesellschaften, und 1930 versieht er Marlene Dietrich, die auch bereits in einem von Mays Filme mitgewirkt hatte, mit der Hauptrolle in „Der blaue Engel“, womit Dietrich der Durchbruch gelingt.
Max Reinhardt und der Film
1912 war das Jahr, in welchem der Theaterregisseur und Intendant Max Reinhardt sein erstes Filmprojekt verwirklicht. Er gründete eine eigene Filmfirma und ließ die Literaturverfilmung Das Mirakel produzieren. Zugleich ließ er sich auch die alleinigen Rechte für die Verfilmung dieses Werkes in vielen Ländern der Welt sichern, kam aber dennoch nicht um einen Rechtsstreit herum, als noch im selben Jahr eine Berliner Produktionsfirma das Buch unter gleichem Namen verfilmt.
1913 schloss Reinhardt mit der Berliner Projektions-AG "Union" (PAGU) einen Vertrag ab, für 600.000 Mark in den folgenden Jahren mehrere Filme herzustellen. Heraus kamen jedoch lediglich zwei in Italien produzierte Stummfilme: „Die Insel der Seligen“ und „Eine venetianische Nacht“. In beiden Filmen verlangte Max Reinhardt seinem Kameramann Karl Freund einiges ab, da er auf Spezialaufnahmen wie etwa von der Lagune im Mondlicht verlangte. Die Insel der Seligen wurde von der Kritik vor allem dahingehend gelobt, da Reinhardt „größeres Gewicht auf die Deutlichkeit des Ausdruckes und die Belebung des Mienenspiels legte“ (Kinematographische Rundschau, Nr. 276, 22. Juni 1913). Der durch erotischen Spielstil auffallende Film spielte zum einen Teil in der Antike, wo Meergötter, Nymphen und Faune vorkamen, und die Schauspieler nackt in Erscheinung traten, und zum anderen Teil in der Gegenwart, den strengen Sitten angepasst. Die vorwiegend Berliner Schauspieler mussten teilweise zwei Rollen einnehmen - eine in der Vergangenheit und eine in der Gegenwart. So spielten Wilhelm Diegelmann und Willy Prager sowohl die spießigen Väter als auch die Meergötter, und Ernst Matray einen Junggesellen und einen Faun. Leopoldine Konstantin mimte die Circe.
Weite Teile des Films hätten jedoch der Filmzensur zum Opfer fallen sollen. Hierbei handelte es sich neben Nacktszenen auch um „die ersten von Meisterhand gedrehten Sexszenen“[4], die im Zensurbericht wie folgt umschrieben wurden: „Im II. Akt ‚Menschen in Sicht‘ haben die Szenen der nackten Najaden bis zu dem Augenblicke entfernt zu werden, wo sich dieselben umwenden und in Wasser springen. Ferner mit Ausschluß der Szene, wo der Faun von Amors Pfeil gestochen wird und konvulsische Zuckungen macht, wo er das Mädchen betastet und fortträgt, weiters müssen die Szenen entfernt werden, wo das Mädchen am Boden liegt und vom Faun gestreichelt wird, wo sie der Meergott dem Faun entreißen will, so daß die Szene erst wieder einsetzt, wo der Jüngling das Mädchen rettet. Im III. Akt aus der Szene Philister auf der Insel der Seligen, wo Circe mit den beiden Alten auf der Bank sitzt, muß alles entfernt werden von dem Augenblicke, wo ihre Dienerin den Zaubertrank bringt. Weiters muß die Liebesszene zwischen Circe und den beiden Junggesellen wegbleiben. Nur beim Wegbleiben aller hier aufgezählten Szenen darf der Film zur Vorführung gelangen.“ (aus Der Kinobesitzer Nr. 37, dem offiziellen Organ des Reichsverbandes der Kinobesitzer in Österreich). Tatsächlich aber wurde nicht so geschnitten, wie vorgeschrieben.
In „Eine venetianische Nacht“ spielten ebenfalls Schauspieler vom Deutschen Theater. Maria Carmi spielte die Braut, Alfred Abel den jungen Fremden, und Ernst Matray erhielt von Max Reinhardt dieses Mal die Rollen von Anselmus und Pipistrello. Die Dreharbeiten, die am Bahnhof von Venedig begannen, fielen vor allem dadurch auf, dass die anwesenden Venezianer von einem alten Fanatiker gegen die deutschsprachigen Filmschaffenden aufgehetzt wurden, die sich in der Folge auf den Filmapparat stürzten und die Aufnahmen blockierten. Als die Polizei eintraf, wurden jedoch nicht die Unruhestifter, sondern die Filmschaffenden festgenommen. Erst auf Intervention eines deutschen Konsuls konnten die Dreharbeiten unter Anwesenheit von Polizei fortgesetzt und fertiggestellt werden.
Rasantes Wachstum der Kino- und Filmwirtschaft
Am 15. März 1912 fand in Wien die Premiere des ersten großen Films aus österreichischer Produktion statt: Der Unbekannte - basierend auf einem Kriminaldrama von Oskar Bendiener. Regie führte Luise Kolm, die 10.000 Meter Negativmaterial abdrehte und 10.000 Kronen für die Produktion aufbrachte. Als Schauspieler engagierte man unter anderem den Wiener Publikumsliebling Karl Blasel, Viktor Kutschera, Karl Ehmann, Anton Edthofer, Hans Homma und Eugenie Bernay. Claire Wallentin vom deutschen Volkstheater spielte die Gräfin Claire Wolff-Metternich-Wallentin in einem Kostüm des Österreichischen Theater-Kostüm- und -Dekorations-Ateliers.
Im November 1912, als bereits weitere österreichische Filmproduktionsgesellschaften mit der ausländischen Konkurrenz um Marktanteile in den Kinos rangen, erschien mit Das Gänsehäufel die erste Dokumentation der Wiener Kunstfilm-Industrie, die sich neben den Wochenschauberichten von aktuellen Ereignissen vor allem auf Spielfilme konzentrierte.
Noch im selben Jahr erschien auch Österreichs erster historischer Spielfilm: „Kaiser Joseph II.“. Produziert wurde er von der Sascha-Film im Freilichttheater Engerthstraße und in Klosterneuburg. Viel ist über den Film jedoch nicht mehr bekannt. Lediglich der Name einer Darstellerin: Else Heller vom „Bürgertheater“, die auch schon 1911 in Der Müller und sein Kind mitgespielt hatte. Die Regisseure waren Sascha Kolowrat-Krakowsky und der weniger bekannte J. H. Groß. Auch die „Vindobona“-Produktion „Die Musikantenlene“, mit der von der Kritik viel gelobten Hauptdarstellerin Eugenie Bernay, erschien in jenem Jahr.
Als interessanteste Neuentdeckung dieses Jahres gilt der Komiker Heinrich Eisenbach, der im „Budapester Orpheum“, einem im Zentrum des jüdischen Zuwandererviertels in Wien-Leopoldstadt gelegenen Kabarett, seine ersten Auftritte absolvierte. Bekannte Kabarettsoloszenen führte er in Filmen wie „Hausball beim Blunzenwirt“ oder „Klabriaspartie“, wo das Verhalten jüdischer Kartenspieler im Kaffeehaus gezeigt wird, auf. In „Die Zirkusgräfin“ der „Vindobona Film“ von 1912 spielte er den Zirkusclown, neben Eugenie Bernay als „Minka“. Felix Dörmann selbst trat ebenfalls in diesem bereits 900 Meter langen Film als „Graf Veckenhüller“ mit.
Mit dem Aufblühen der heimischen sowie internationalen Filmindustrie entstanden auch nach und nach weitere Filmzeitschriften. „Das Lichtbild-Theater“ und die „Dramagraph-Woche“ folgten ab 1911, und ab 1912 erschien die „Filmkunst“, welche vom „Cinéma Eclair“ in Auftrag gegeben wurde. Ebenfalls 1912 erschien die „Kastalia“, welche für wissenschaftliche und Unterrichtsfilme von Schulleuten herausgegeben wurde. In den weiteren Jahren folgten noch „Die Filmwoche“ (ab 1913) und „Paimanns Filmlisten“ (ab 1916) - eine Zeitschrift, in der bis 1965 in lexikalischer Form Kritiken sämtlicher in Österreich angelaufener Filme aufgelistet wurden.
1913 existierten in der gesamten Monarchie rund 400 Kinobetriebe, wie aus einer Statistik dieses Jahres hervorgeht. Davon waren etwa die Hälfte Wanderkinos, und von den 200 festen Kinos befanden sich mehr als die Hälfte in Wien.
Im September 1913 wurden mit Vorführungen unter dem Titel „Sprechender Film“ in den Sophiensälen (Edison Kinetophon und Gaumont-Vorführungen) erstmals auch in Wien Tonfilme präsentiert. Aus unterschiedlichen Gründen - vor allem wegen der hohen Materialkosten und des zu geringen internationalen Verleihs zu jener Zeit - fanden diese jedoch wenig Anklang. Im selben Jahr gründet der 1912 nach Wien übersiedelte Alexander Joseph „Sascha“ Graf Kolowrat-Krakowsky, der bereits 1910 die Sascha-Filmfabrik in Pfraumberg in Böhmen gegründet hatte - mit der „Sascha-Filmfabrik“ in der Pappenheimgasse 2/Ecke Treustraße im heutigen Wiener Gemeindebezirk Liesing seine erste Filmfabrik in Wien. Eine seiner ersten Produktionen war „Die Gewinnung des Erzes am steirischen Erzberg in Eisenerz“, doch experimentierte er bereits Jahre zuvor mit der Filmerei. So errichtete er 1910 in seinem Schloss in Groß Meierhöfen ein Filmlaboratorium, welches er 1912 nach Wien mitnahm, und bereits 1909 filmte er privat unter anderem ein Autorennen am Semmering. 1915 übernimmt er die Filmexpositur des k.u.k. Kriegspressequartiers in Wien.
Vorgehen bei Dreharbeiten
J. H. Groß war nach Regisseur Walter Friedemann jedoch der Zweite, der seine Filmarbeit beschrieb. Im Österreichischen Kometen, Ausgabe Nr. 151 vom 5. April 1913, schrieb er einst einen Bericht über sein Filmschaffen unter dem Titel Die Wiener Kinokunst. Zur Besetzung seiner Filme mit Schauspielern verlautete er darin: „Ich bin jedoch der größte Feind von sogenannten Mimikern beim Kino, die ballettartigen Bewegungen stören und wirken unnatürlich. Aber ein ebenso großer Feind bin ich auch von dem, was man in Deutschland jetzt macht, daß man z.B. einen Friseur von einem wirklichen Friseur, einen Kellner von einem wirklichen Kellner spielen läßt. Der Dilettant wird im Augenblick, wenn er auf die Bühne kommt, unnatürlich und linkisch. Es sollten nur Schauspieler, und zwar gut bezalte Schauspieler verwendet werden [...] Bei Besetzung der Rollen gehe ich nach dem Aussehen des Schauspielers vor, daß möglichst wenig Perücken und Schminke verwendet werden müssen.“
Über die Schwierigkeiten bei den Dreharbeiten schrieb er: „Der Apparat darf höchstens 5 1/2 m vom Schauspieler entfernt sein, so daß der vordere Spielraum höchstens 4 1/2 m beträgt. Es müssen also die Personen, die sonst nebeneinander stehen, hintereinander angeordnet werden. Die Schwierigkeit besteht also darin, daß niemand gedeckt wird, die Bewegungsfreiheit erhalten bleibt und das Ganze natürlich aussieht.“
Experimente zur Attraktivierung des Films
J. H. Groß war es auch, der sich gemeinsam mit einem Herrn Brüll ein Patent auf die Kombinierung von Film- mit Theatervorstellungen ausstellen ließ. Die Realität sollte mit dem Kinofilm zusammenwirken. „Z.B.: Aus dem Film wird ein Ball von einer Person gegen den Zuschauer geworfen, hier von einer wirklichen Person aufgefangen und dann wieder der Person im zugeworfen. Order ein Barmädchen geht aus dem Film heraus ins Publikum, bedient hier mit Erfrischungen und kehrt wieder in ihr schemenhaftes Filmleben zurück.“, so Groß ebenfalls in seinem Die Wiener Kinokunst-Artikel. Versuchsweise umgesetzt wurde dieses Konzept unter der Regie von Hans Otto Löwenstein 1913 in der Adria-Ausstellung, die ähnlich des Themenparks Venedig in Wien mit Nachbauten - in diesem Fall von Adria-Ansichten, Schiffsmodellen und einem kleinen Teich als Adria - aufwartete. Der Film „König Menelaus im Kino“ wurde mit Schauspielern auf der Bühne vor der Leinwand, die das Publikum miteinbezogen, ergänzt.
Um eine scheinbare Plastizität der Filmbilder zur erreichen, riefen im Jahre 1912 die Wiener Karl Juhasz und Franz Haushofer die „Wiener Kinoplastikon Ges.m.b.H.“ in einem Theater am Naschmarkt, das spätere „Wienzeile Kino“, ins Leben. Die Filmleinwand befand sich auf einer eigenen, dekorierten Bühne. Die Wiener Kunstfilm-Industrie produzierte 1913 mehrere kolorierte Titel eigens für dieses Theater: „Die Boxer“, „Das Gewissen“, „Helfer in der Not“, „Der hungrige Ritter“ und „Mirza, die weiße Sklavin“. Da der Erfolg jedoch ausblieb, bestand das Theater nicht lange, und die Idee wurde wieder vergessen.
Während im Ausland, in Deutschland vor allem von Oskar Messter, bereits seit Jahren „Tonbilder“ hergestellt wurden, so sollen in Wien bereits ab 1913 versucht worden sein, Tonfilme im Kinetofon-Verfahren herzustellen. Näheres ist dazu leider nicht bekannt.
Der Kaiser und das Kino
Obwohl Kaiser Franz Joseph technischen Neuerung grundsätzlich skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, hatte er vom Film eine positive Meinung - wohl in Anerkennung des großen Werbe- und Propagandapotentials dieses vor allem unter der einfachen Bevölkerung besonders beliebten Mediums. So ließ er sich häufig von - vorerst jedoch nur französischen Operateuren - bei seinen Aktivitäten filmen: Etwa bei den „Kaisermanövern“ mit seinem deutschen Pendant Kaiser Wilhelm in Mähren 1909, bei der Gamsjagd im selben Jahr in Bad Ischl, bei der Hochzeit von Thronfolger Karl 1911 in Schwarzau, oder auch an der Adria-Ausstellung 1913 in Wien.
1911 berichtete die Kinematographische Rundschau über ein Vorkommnis bei einer Rede des Kaisers an seinem 81. Geburtstag, an der auch ein Operateur der Oesterreichisch-Ungarischen Kinoindustrie, wie die Wiener Kunstfilm-Industrie damals noch hieß, anwesend war. Er stellte seinen Aufnahmeapparat nahe an den Kaiser, wurde jedoch von einem Mann des Gefolges aufgrund des Knarrens des Apparates aufgefordert, während der Rede des Kaisers nicht zu filmen. „Kaiser Franz Joseph hörte es, faßte den Herrn des Gefolges beim Arm und sagte, so daß es der Operateur hören konnte: ‚Lassen Sie den Mann nur seine Arbeit verrichten, mich stört es nicht!‘ Der Operateur drehte weiter, und als der Kaiser geschlossen, winkte er dem Kinematographen freundlich zu.“
Als der Kaiser 1916 starb, entstand der letzte große „Hofbericht“ aus der Monarchie. Sascha Kolowrat-Krakowsky filmte das Begräbnis für die Wiener Kinos.
1993 stellte das Österreichische Filmarchiv unter dem Titel „k.u.k.: Kaiser und Kinematographie“ eine 3-stündige Aneinanderreihung sämtlicher Aufnahmen von Kaiser Franz Joseph zusammen. Darunter auch Aufnahmen von seiner „Reise durch Bosnien und die Herzegowina“ im Jahr 1910, wo unter anderem christliche und mohammedanische Kinder gemeinsam beim friedlichen Vorbeigehen an einem Aufnahmeort zu sehen sind.
Situation von Kino und Film unmittelbar vor Kriegsbeginn
Das erste Kino in Wien, das sich ab 1913 der Gattung Schul- und Wissenschaftlicher Film verschrieben hatte, war das 638 Besucher fassende „Universum Kino“ im 15. Wiener Gemeindebezirk. Im erst 1913 eröffneten Kino wurden beginnend mit September 1914 auch immer öfter Kriegsberichte über das Frontgeschehen gezeigt.
1914 spielte Max Neufeld, der rasch zum ersten Star der Wiener Kunstfilm wurde, in Der Pfarrer vom Kirchfeld mit. Wenig später folgte Frau Gertraud Namenlos, wo er an der Seite der Volksschauspielerin Hansi Niese, die 1913 auch schon eine kleine Rolle in Johann Strauß an der schönen blauen Donau inne hatte und mit dem Direktor des Theaters in der Josefstadt, Josef Jarno, verheiratet ist, spielt.
Ebenfalls 1914 erfolgte mit Speckbacher eine Monumentalproduktion des französischen Regisseurs Pierre Paul Gilmans, die vom Befreiungskampf der Tiroler gegen Napoleon handelte. Für die Aufnahmen, an denen auch Mitglieder der Exl-Bühne, wie zum Beispiel Eduard Köck beteiligt waren, wurden originale Speckbacher-Säbel und 2000, ebenfalls historische Waffen tragende, Statisten verwendet.
Von 1911 bis 1914 eröffneten 102 neue Kinos in Wien, so dass nun nicht weniger als 150 Kinos bestanden. Die ständigen Kinos beherrschten die Unterhaltungsszene in den großen Städten. In Wien existierten auch mehrere Freiluftkinos und Dachateliers. 25 Produktionsfirmen sorgten für vielfältige Produktionen. Zu dieser Zeit erlebten auch die Diskussionen um den „Schutz der Kinder vor dem Film“, die Zensur im Allgemeinen, das Verhältnis zwischen Theater- und Filmbetreibern und dergleichen ihren Höhepunkt, worauf im Abschnitt „Kulturkampf um Kino und Film“ näher eingegangen wird.
In den ersten Jahren österreichischer Filmproduktion entstanden bis 1914 etwa 130 kurze und längere Spielfilme, vielfach aus eigenen Ideen oder heimischen Buchvorlagen, teils - vor allem was Technik betraf - auch vom Ausland, insbesondere Frankreich, beeinflusst. Hinzu kamen über 210 Dokumentarfilme. Die Bandbreite des österreichischen Filmschaffens erstreckte sich von kurzen Dokumentarfilmen und Wochenschauberichten, kleinen Volksstücken, Dramenverfilmungen und Familiendramen, Kriminalgeschichten, Operetten und historischen Großfilmen bis hin zu Filmgrotesken.
1914, 25 Jahre nach der Fertigstellung von Bertha von Suttners Roman „Die Waffen nieder“, wurde in Kopenhagen, der Hauptstadt des damals bedeutenden Filmproduktionslandes Dänemark, dieser Roman der Nobelpreisträgerin von 1905 von Holger-Madsen verfilmt. Die Erstaufführung erfolgte jedoch erst im September 1915, mitten im Kriegsgeschehen des Ersten Weltkriegs.
Der österreichische Filmhistoriker Walter Fritz stellte zum österreichischen Filmschaffen der Vorkriegszeit fest: „Die Gedanken des Historikers Johnston zur schöpferischen Potenz der Monarchie, die sich anscheinend als ‚fröhliche Apokalypse‘ verstand, zeigenm daß eine Endstimmung vorherrschte, damals von den Kritikern so gesehen wurde und die Kraft hatte, bis heute zu wirken.“[5]
Während des Ersten Weltkriegs, 1914 bis 1918
Im Zuge der gegenseitigen Kriegserklärungen der europäischen Großmächte, die zum Ersten Weltkrieg führten, wurde auch Frankreich zum Feind Österreich-Ungarns, was unter anderem die Auflösung sämtlicher französischer Filmgesellschaften in der Monarchie zur Folge hatte. Zugleich wurde die Einfuhr von ausländischen Filmen verboten. In den folgenden Kriegsjahren trat zwar der erwartete Aufschwung der heimischen Filmproduktion ein, doch ging dies wesentlich langsamer von statten als gedacht.
1915 erreichte Sascha Kolowrat-Krakowsky seine Überstellung vom Automobilkorps in Galizien zum Kriegspressequartier nach Wien, wo er die Leitung der Filmexpositur übernahm, die dem Kriegsarchiv unterstand. Zur Mitarbeit engagierte er zahlreiche Regisseure und andere Filmschaffende gewinnen, unter anderem die noch jungen Talente Karl Hartl, Fritz Freissler, Gustav Ucicky und Hans Theyer.
1916 ließ Kolowrat-Krakowsky ein Hangargerüst aus Düsseldorf liefern, um das bereits von einigen Regisseuren vermisste erste große Filmatelier darin in Sievering einrichten zu lassen. Es war das erste frei stehende Filmatelier Österreichs. Am 4. April des Jahres ging aus der bisher losen Zusammenarbeit zwischen Kolowrat-Krakowsky und Oskar Meßter die „Oesterreichisch-ungarische Sascha-Meßter-Film Gesellschaft m.b.H.“, später Sascha-Meßter-Film.
1916 starb Kaiser Franz-Joseph, und der politisch unerfahrene Karl wurde sein Nachfolger. Er hielt sich im Gegensatz zu seinem Vater häufig an der Front auf, wovon einige Filmaufnahmen zeugen. Auf diesen ist er häufig in Gesprächen mit Soldaten und beim Verleihen von Orden zu sehen. Ohne Rücksicht auf Stand und Rang schüttelte das kaiserliche Paar jedermann formlos die Hand. Seine Rolle als Volkskaiser konnte Karl mit Hilfe von Kino und Film leichter annehmen. 1917 ernannte Kaiser Karl Eduard Hoesch zu seinem persönlichen Operateur (Kameramann). Im Propagandafilm „Unser Kaiser“ sieht man Karl sogar für das Waffenglück seiner Truppen betend.
1916 wurden die baubehördlichen Auflagen zur Gründung von Kinos in Wien wesentlich verschärft. Diese Auflagen führten ebenso wie der Erste Weltkrieg zu einer Reihe von Schließungen und zu einer ersten Stagnation bei den Kinogründungen in Wien. Dennoch wurden auch während der Krieges weitere Kinos in Wien eröffnet. Zu dieser Zeit wurden knapp 50 % der Wiener Kinos und rund 90 % der Verleihunternehmen von jüdischen Inhabern geführt. 1916 erschien auch die erste Ausgabe von Paimann's Filmlisten - genauer gesagt waren es damals noch Briefe, die österreichische Kinos über die Neuerscheinungen von Filmen berichtete, und dazu Zusammenfassung des Inhalts und Kritiken abgab. Erst ab 1921 wurden Paimanns's Filmlisten zu einer periodische Druckschrift, die bis 1965 erschien. 1917 eröffnen nur noch vier neue Kinos in der Stadt. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges wurde aus dem ehemaligen „Reichsverband der Kinematographenbesitzer“ der „Bund“. Dieser wird 1920 in „Zentralverband der österreichischen Lichtspieltheater“ umbenannt. 1918 kam nur noch ein Kino zu den bereits bestehenden 154 Wiener Kinos hinzu.
Als im Dezember 1917 in Deutschland die UFA auf Anregung von Militärs und Politikern gegründet wurde, und mit dem Aufkaufen von Produktionsfirmen, Ateliers, Kopieranstalten und Kinoketten begann, kam auch Oskar Meßters Firma in die Hand der UFA, und dadurch auch zu einem gewissen Teil die Sascha-Film, an der Oskar Meßter Anteile hielt.
Das spätere NSDAP-Mitglied Heinz Hanus, einer der Pioniere des österreichischen Films, gründet in diesem Jahr den „Verband der Filmregisseure und Kameraleute“. Kolowrat-Krakowsky eröffnet die „Sascha-Filmindustrie AG“ - die größte Filmproduktions- und Filmverleihanstalt Wiens.
Von allen während des Ersten Weltkriegs produzierten Filmen existieren nur von vier Filmen Aufnahmen.
Entwicklung der Filmproduktion
Neben den unzähligen Wochenschauen und den dutzenden Propagandafilmen, die in den fünf Kriegsjahren produziert wurden, machten sich noch andere Veränderungen in der Filmproduktion bemerkbar. So wurden kaum Detektivfilme produziert, und Grotesklustspiele, wie sie bis vor kurzem noch sehr beliebt waren, verschwanden fast vollständig aus den Kinos. Statt dessen hatten Gesellschaftsdramen, diffizilere literarische Lustspiele und Kostümfilme Hochkonjunktur. Wie eingangs erwähnt, dauerte es seine Zeit, bis die österreichische Filmproduktion zu bisher nicht da gewesenen Höhen zunahm, und zu Kriegsbeginn gab es denn auch erst einmal einen Einbruch der gezeigten Filme in den Kinos. Doch bis 1918, als die Kinos mangels Kohle nicht mehr beheizt werden konnten, und Rohfilmmangel die Filmproduktion in Bedrängnis brachte, stieg die Anzahl der Produktionen jährlich an.
Von den Literaturvorlagen waren besonders die Werke Ludwig Anzengrubers, die sich häufig in bäuerlichem Milieu abspielten, sehr beliebt. Von diesen wurden unter anderem „Der Meineidbauer“ (1915), „Doppelselbstmord“ (1916), „Im Banne der Pflicht“ (1917) oder auch „Der Schandfleck“ (1917) höchst erfolgreich verfilmt. Wie Filmkritiken von damals die Handlungen, Spielart, Drehbuchvorlagen und Regiepraktiken beschrieben, hat sich die österreichische Filmproduktion damals stark weiterentwickelt. Die Drehbücher waren durchdachter und die Handlung trotz größerer Komplexität einfacher zu verstehen. Dem deutschen expressionistischen Film der 1920er Jahre wurde hier thematisch bereits manches vorweggenommen. So etwa in „Die Schlange der Leidenschaft“ aus dem Jahr 1918, die dem deutschen Film „Der blaue Engel“ (1930) aber auch Carl Theodor Dreyers „Vampyr“ (1932) von der Thematik stark ähnelt. Vorreiter solch eigenständiger, komplexerer Produktionen, waren die Drehbuchautoren Carl Mayer und Hans Janowitz, die wesentliche Vertreter des frühen Filmexpressionismus in Österreich waren.
Waren in den Jahren zuvor die Wiener Kunstfilm und die Sascha-Film bzw. Sascha-Meßter-Film die größten heimischen Produktionsfirmen, so wurde im isolierten Österreich-Ungarn neuen Unternehmen Platz geboten. Mit Filmag, A-Zet Film, Astoria Film und Leyka Film konnten sich neue Produzenten am Markt behaupten. 1913 gründete der spätere Leiter der Decla-Film-Gesellschaft in Berlin, Erich Pommer, die „W. A. F.“ - die „Wiener Autorenfilms“-Produktionsgesellschaft. Auf W. A. F. ist auch die Propaganda-Dokumentation „Unsere Kriegsflotte“, die am 22. Mai 1914 erstaufgeführt wurde, zurückzuführen. Zuvor hatte er 1911 die Agenden der Société Eclair übernommen, und 1914 zog er zurück nach Deutschland - eben nach Berlin.
Wurden von 1908, dem Jahr der ersten längeren Spielfilme, und 1914, dem Jahr des Kriegsbeginnes, insgesamt rund 120 Filme produziert, so waren es in den Kriegsjahren zwischen 180 und 190. Alleine 1918 wurden 100 österreichische Spielfilme hergestellt - ein Wert der in den Zwischenkriegsjahren sogar noch übertroffen werden konnte. Hinzu kam noch eine Vielzahl an Kriegswochenschauen, die ebenfalls in den Kinos gezeigt wurden. Bekannte Schauspieler waren damals der exzentrische Harry Walden sowie Karl Götz, die zum Beispiel in „Der Mandarin“, einer Produktion der Sascha-Film von Paul Frank und Fritz Freisler, Hauptrollen spielten. Nach einem Lustspiel von Rudolf Österreicher und Belá Jenbach erschien mit Gustav Waldau in der Hauptrolle im Dezember 1915 „Der Herr ohne Wohnung“. Als Regisseure wirkten unter anderen auch die Brüder Conrad und Robert Wiene, die später beide in Deutschland große Erfolge feierten.
1914 machter Robert Müller, Besitzer der gleichnamigen Filmproduktionsgesellschaft, erste Versuche mit Trickfilmen. Er engagierte den Zeichner Theo Zasche der aus aktuellem Anlass mehrere Propaganda-Karikaturen fürs Kino herstellte. In den folgenden Jahren tauchten mit Ladislaus Tuszyński und Peter Eng zwei vielseitigere Vertreter erster österreichischer Zeichentrickversuche auf. Von Anfang an wurde auch mit der Vermischung von Trickfilmelementen mit realen Aufnahmen experimentiert, so zum Beispiel, wenn die Hand des Zeichners Louis Seel die eben gezeichnete nackte Frau in einer Badewanne abdeckt.
Erste Filmstars
Was Filmstars zu dieser Zeit ausmachte, war, dass sie von den Gagen aus dem Filmgeschäft leben konnten, ohne nebenbei etwa an Theatern zu arbeiten. Die Gagen für die Filme mussten daher dementsprechend höher sein, wenn Schauspieler nicht vom Theater kamen, und auch sonst keinen anderen Tätigkeiten nachgingen, was bei der Fülle der Filmproduktionen ohnehin nur schwer möglich gewesen wäre. So gesehen entstanden in den Jahren des ersten Weltkriegs, im Zuge der steigenden Anzahl der heimischen Produktionen, zwei Filmstars: Liane Haid bei der Wiener Kunstfilm und Magda Sonja bei der Sascha-Film. Männliche Filmstars gab es in diesem Sinne keine, doch existierte eine Fülle von viel beschäftigten männlichen Darstellern, die jedoch nicht vom Film alleine leben konnten, und nebenbei meist der Theaterschauspielerei oder dem Kabarett nachgingen. Einige der bekanntesten davon waren Hubert Marischka, Georg Reimers, Franz Höbling, Otto Tressler und Willy Thaller. Weitere Stars gab es nur am Theater, wobei diese gelegentlich für Filmauftritte gewonnen werden konnten, wie etwa Hermann Benke, Karl Baumgartner, Hermann Romberg, Josef Reithofer, Anton Edthofer, Friedrich Feher und Hans Rhoden.
1915 war das Jahr in dem Österreichs erster Filmstar seine erste Rolle erhielt. Liane Haid spielte im Propagandafilm „Mit Herz und Hand fürs Vaterland“ eine Doppelrolle. Im Gegensatz zu anderen vielbeschäftigten Schauspieler bei der Wiener Kunstfilm erhielt sie von Anfang an monatlich 200 Kronen, statt den üblichen 150. Die Produktionsgesellschaft baute sie nach und nach zum Star auf, und bis 1918 stieg die monatliche Gage auf 400 Kronen an, was sie dennoch nicht hinderte, ihren Arbeitgeber zu klagen. Sie nannte sie „Ausbeuter“ und gab an sich bei den Dreharbeiten bereits einen Lungenspitzkatarrh und eine Rippenfellentzündung zugezogen zu haben. Auch wegen der Kostüme beschwerte sie sich, wobei ein eigener Kostümbildner, wie ihn die Wiener Kunstfilm hatte, damals bei vielen anderen Produktionsgesellschaften nicht üblich war. Ab und zu konnten auch Kostüme aus Theatern ausgeliehen werden.
1917 spielte Liane Haid in „Der Verschwender“ mit, einer Verfilmung von einem Stück Ferdinand Raimunds. Mit 3400 Metern Spiellänge war dies die bis dahin längste österreichische Produktion. Damit wurde die Wiener Kunstfilm ihre Vorreiterrolle noch vor der Sascha-Film wie in vielen anderen Bereichen erneut gerecht. Liane Haids Auftritte in diesem Langspielfilm wurden von der Kritik wegen ihrer Natürlichkeit und der „Echtheit der Charakterisierung einer bejahrten Familienmutter“ gelobt. Nach dem ersten Weltkrieg ließ Haids Vater Georg ihr in Schönbrunn ein eigenes Filmatelier bauen, welches noch heute existiert. Liane Haid drehte später noch für andere Filmgesellschaften zahlreiche weitere Filme. Ihre Nachfolger als Filmstar bei der Wiener Kunstfilm war zuerst Dora Kaiser, die von A-Zet-Film kam, und wenig später Thea Rosenquist. Bei der Sascha-Film war die meist eingesetzte Schauspielerin zu dieser Zeit Magda Sonja. Über die Wirkung der Maskengestaltung im Film machte sich die dänische Schauspielerin Eva Roth gedanken, die vor dem Ersten Weltkrieg in mehreren österreichischen Produktionen mitwirkte.
Propagandafilme
Als Leiter der Filmexpositur, zuständig für Propagandafilme, ließ Sascha Kolowrat-Krakowsky benötigte Mitarbeiter und Schauspieler aus der Filmbranche für das Kriegspressequartier abkommandieren. So entging der größte Teil der damaligen österreichischen Filmschaffenden Tod und Gefangenschaft im Krieg. Eine bekannte Ausnahme war jedoch Max Neufeld, der erst nach dem Kriegsdienst wieder als Held und Liebhaber in Erscheinung treten konnte. Einige der Propagandadokumentationen und -filme waren „Die Befreiung der Bukowina“, „Krieg in 3000 Meter Höhe“, „Kampftag bei den Tiroler Kaiserjägern“ sowie die Zweiteiler „Die wirtschaftliche Erschließung Montenegros“ und „Der Zusammenbruch der italienischen Front“. Von der Zensur wurden diese Filme dennoch geprüft. Zum Beispiel mussten Nahaufnahmen von verarztet werdenden oder gefallenen italienischen Soldaten mit „verzerrten Gesichtern“ aus den Filmen geschnitten werden.
Ein bekannter Propagandafilm von Sascha-Meßter, der Skeptiker und Kriegsgegner „eines Besseren“ belehren sollte, handelte von einem Nörgler, der im Traum die Anstrengungen der Soldaten im Krieg miterlebt, was ihn sehr erschüttert. Als in der „Realität“ zwei Buben zu wenig Geld haben, um Kriegsanleihen zeichnen zu können, gibt er ihnen das Geld und zeichnet auch gleich selbst. Weitere erwähnenswerte Propagandafilme waren die „Wiener Kunstfilm“-Produktionen „Der Traum eines österreichischen Reservisten“ (1915), „Mit Herz und Hand fürs Vaterland“ (1915), „Mit Gott für Kaiser und Reich“ (1916), „Freier Dienst“ (1918). Nie in die Kinos kam die unvollendete Dokumentation unter dem Titel „Kriegsgefangenenlager Feldbach“.
Die Filmproduktionsgesellschaft „Robert Müller“ ließ von Alfred Deutsch-German „Das Patenkind“ (1915) produzieren. „A-Zet Film“ trug mit „Das Kind meines Nächsten“ zur Propagandafilmproduktion bei und die „Filmag“ ließ 1918 mit Regisseur Karl Tema „Konrad Hartls Lebensschicksal“ aufnehmen. Die Qualität solcher Filme trat naturgemäß in den Hintergrund, ging es doch lediglich darum, Kriegsbegeisterung in der Bevölkerung zu erwecken und zu erhalten. Die Filmkritiken kannten nur noch gute Filme und schwärmten von den Inhalten. 1918 wagte sich die Sascha-Meßter-Film an die Verfilmung eines Werkes Beethovens heran. Fritz Kortner spielte in „Der Märtyrer seines Herzens“ Beethoven so gut, dass er in der Folge zu einem der wichtigsten expressionistischen Schauspieler im deutschsprachigen Raum avancierte.
Aufnahmen fanden beispielsweise im neu errichteten großen Filmatelier der „Sascha-Film“ in Wien-Sievering statt, wo eigens Schützengräben ausgehoben wurden. Die Filmmusik stammte häufiger als vor den Kriegsjahren von bekannten Komponisten wie Franz Lehár und Carl Michael Ziehrer, die sich wie viele andere kulturelle Persönlichkeiten dieser Zeit vom Krieg begeistern ließen.
Seltene, aber umso prominentere, Kritik an den Propagandafilmen kam von Karl Kraus, der das Kriegspressequartier, die „Sascha-Film“, Hubert Marischka, Dichterkollegen und Wochenschauoperateure öffentlich kritisierte.
Kriegswochenschauen
Im September produzierte die Wiener Kunstfilm die erste Kriegswochenschau des Landes: das „Kriegs-Journal“. Als Kameraleute waren Raimund Czerny und Heinrich Findeis an den Fronten. Nach Erscheinen der ersten acht Ausgaben trat auch die Sascha-Film gemeinsam mit „Philipp und Pressburger“ und der Oesterreichisch-Ungarischen Kinoindustrie Gesellschaft mit der Veröffentlichung derer erster Kriegswochenschau auf den Markt. Diese trug die Bezeichnung „Österreichischer Kino-Wochenbericht vom nördlichen und südlichen Kriegsschauplatz“. Trotz des ausschweifenden Titels hatte diese Wochenschau mehr Erfolg. 1915 wurde sie in „Kinematographische Kriegsberichterstattung“, danach „Sascha-Kriegswochenbericht“ bezeichnet. Parallel dazu erschien auch die „Sascha-Meßter-Woche“.
Die Zwischenkriegszeit
In der Zwischenkriegszeit stieg einerseits die Anzahl österreichischer Produktionen weiter an, andererseits vermischte sich die österreichische und deutsche Filmindustrie immer mehr. Österreichische Filmschaffende, wie etwa die Regisseurin Leontine Sagan mit „Mädchen in Uniform“ im Jahr 1931, wirkten in deutschen Produktionen mit, und deutsche Filmschaffende - wie etwa Regisseur und Drehbuchautor Henry Koster in den 1930er-Jahren, in österreichischen. Es überwog aufgrund der größeren Möglichkeiten und Bedeutung des deutschen Filmmarkts jedoch das Engagement österreichischer Filmtreibender in Deutschland, wo einige als Regisseure und Produzenten für die damals größte deutschsprachige Filmgesellschaft, die Ufa in Berlin, tätig waren. Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg waren auch von starker Inflation geprägt.
Der französische Journalist und Autor Zo d'Axa vertrat 1919 die Auffassung, dass Filmkomik dramatisch sein müsse, wie etwa die irische oder die amerikanische. Bei der Wiener Filmkomödie stellte er hingegen fest: „Das wienerische Lustige scheint mir im gesprochenen und gesungenen Wort, wenn überhaupt wo, zu liegen, also kann etwas, das auf der Bühne die Wiener zum Lachen bringt, im Film nur mater Schimmer einer Komik sein.“ Der erste Schauspieler, der gemäß dieser Beobachtung die Wiener durch gesprochenes und gesungenes zum Lachen brachte, war Hans Moser, der bereits in den 1920er-Jahren zu seinen ersten Rollen kam, aber erst mit dem Tonfilm seine wahren Fähigkeiten zur Geltung bringen konnte.
Seit der Einführung der Kinematographenverordnung 1912 änderten sich die Vergabemodalitäten von Kino-Konzessionen insofern, als man in den Nachkriegsjahren weniger Einzelpersonen, als vielmehr gemeinnützigen Vereinen Konzessionen zur Führung von Kinos bzw. Lichtspielen genehmigte. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg waren dies vor allem Kriegsveteranen, Invaliden- und Witwenvereine, wie sie in den Jahren nach 1918 zahlreich entstanden. Auch Volksbildungsvereine, die vor allem in den Jahren des „Roten Wien“ eine Reihe von Wiener Kinos leiteten - am bekanntesten das „Kosmos Kino“ in Wien-Neubau - erhielten bevorzugt Konzessionen. 1919 wurden fünf Kinolizenzen in Wien vergeben, 1920 kamen 13 und 1921 7 weitere Kinos hinzu.
Am 19. September 1919 wurde in Wien das „Ausstattungsinstitut Schmiedl“ gegründet. Es verlieh von nun an fast alles was in einem Film gebraucht werden konnte: Geschirr, dekorative Kunstobjekte, Kostüme und vieles andere. Schon länger existierte die „Wiener Werkstätte für dekorative Kunst Ges.m.b.H. Wien“, die bereits eine Vielzahl von Kostümen aus Filmproduktionen der letzten Jahre auf Lager hatte.
In den Jahren 1919 bis 1922 erreichte die österreichische Filmproduktion ihren Höhepunkt. 1919 wurden 130 Spielfilme produziert, und 1920 war mit 142 Spielfilmen das produktivste Jahr der österreichischen Filmgeschichte. 1921 und 1922 folgten je 70 bis 75 Normal- und Großfilme, sowie 50 bis 60 einaktige Lustspiele. Hinzu kamen jährlich noch zahlreiche Lehr-, Kultur-, Dokumentar- und Propagandafilme. Drehorte und Filmthemen boten sich aufgrund der vielen Architekturdenkmäler, bezaubernder Landschaften und der vielfältigen Kultur und Literatur in großer Anzahl an. Obwohl die Ausstattung der Filmstudios der der deutschen Konkurrenz zurückstand, konnte mit einfacheren Mitteln ebenso große Effekte und Filme hergestellt werden. Die österreichische Filmindustrie zählte trotz der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg europaweit, und somit auch weltweit, da nur die US-amerikanische Filmindustrie dem europäischen Filmschaffen zunehmend Konkurrenz bot, wieder zu den führenden.
Führende Produktionsfirmen waren in diesen Jahren die Sascha-Film, die Astoria-Film, Listo-Film, Schönbrunn-Film und die Dreamland-Film. Die Wiener Kunstfilm trat etwas in den Hintergrund, wurde jedoch später als Vita-Film neu gegründet, und erreichte ebenfalls wieder einen Platz unter den führenden Produktionsgesellschaften. Während sich die Sascha-Film an US-amerikanischen Produktionen orientierte, nahm sich die Vita-Film, wie auch schon der Vorgänger Wiener Kunstfilm, französischen Vorbildern an. Am 31. Dezember 1922 wurde auch der Filmbund gegründet, ein Zusammenschluss aller Interessensvertretungen der österreichischen Filmschaffenden.
1922 war Ottakring mit 13 Lichtspieltheatern und 5.764 Kinoplätzen der Kino-stärkste Bezirk Wiens. Es folgten Landstraße, Neubau und Leopoldstadt (ohne Prater) mit je zwölf Kinos. Im Prater selbst gab es zu dieser Zeit acht Kinos mit 4439 Sitzplätzen, was nach Ottakring die zweithöchste Sitzplatzanzahl Wiens bedeutete. In Favoriten, Meidling und in der Inneren Stadt gab es je elf Kinos, in allen anderen Bezirken weniger als zehn. Der Bezirk mit den wenigsten Kino-Sitzplätzen war Döbling mit knapp 1.000.
Die frühen 1920er: Höhepunkt der Filmproduktion
Zu Beginn der 1920er-Jahre kamen auch in Österreich Monumentalfilme in Mode. Grund war natürlich geschäftliches Interesse, da solche exotischen Großproduktionen, in denen neben noch nie da gewesenen Massenszenen und detailgetreuen Kulissen und Kostümen auch Nacktszenen vor kamen, das Publikum in Scharen anlockten. Interesse bestand auch, zumal man 1922 das Grab des ägyptischen Pharaos Tutenchamun entdeckte, was weltweit für Aufsehen sorgte, und eine regelrechte Modewelle auslöste.
Anfang der 1920er-Jahre flohen auch zahlreiche ungarische Filmschaffende vor dem Béla Kun-Regime nach Österreich, was sich in der Filmproduktion wiederspiegelt. So waren die bedeutendsten Regisseure österreichischer Monumentalfilme - Alexander Korda und Michael Kertész - Ungarn. Einige weitere große Namen des damaligen ungarischen Films, die damals nach Wien übersiedelten, waren Vilma Banky, Michael Varkonji, Béla Balázs und Oskar Beregi. Obwohl die Monarchie nicht mehr existierte, war das österreichische Filmschaffen noch immer von vielen, nunmehr ausländischen, Filmschaffenden geprägt.
1923 eröffnet die Vita-Film am Rosenhügel in Mauer die größten und modernsten österreichischen Filmstudios. Mit dem Bau begonnen wurde bereits 1919, bespielbar war das Grundstück und bereits fertig gestellte Teile der Anlage auch schon vorher. Dort drehte die Vita-Film, die Nachfolgefirma der Wiener Kunstfilm-Industrie, für 12 Millionen Kronen im Jahr 1922 den Monumentalfilm „Samson und Delila“, wo auch Hedy Lamarr mitspielte. Regisseur war Alexander Korda, der wie auch Michael Kertész vor dem Béla Kun-Regime in Ungarn nach Wien geflohen war. Wie auch bei „Sodom und Gomorrha“ spielte auch in „Samson und Delila“ die Frau des Regisseurs die Hauptrolle. Der kräftige Samson wurde von Alfredo Gal gespielt.
Weiteres Großprojekt dieser Jahre war der Sascha-Film „Harun al Raschid“, der dem Fritz Lang-Film „Dr. Mabuse, der Spieler“ nachempfunden war. Regisseur war abermals Michael Kertész, der für die Sascha-Film auch folgenden Monumentalfilm inszenierte.
Früher Expressionismus und Neue Sachlichkeit
1920 erschien Paul Czinners „wichtigster“ Film - wie er 1970 im Fernsehen rückblickend meinte - während seiner Schaffenszeit in Wien: Der frühe expressionistische Film „Inferno“. In Berlin, damals Karriere-Sprungbrett für zahlreiche österreichische Filmschaffende, hielt er Kontakte zu den österreichischen Autoren Carl Mayer und Hans Janowitz, die gerade an der Vorlage zu „Das Kabinett des Dr. Caligari“ arbeiteten, sowie zu Fritz Lang, der gerade „Der Herr der Liebe“ inszenierte und am Anfang seiner erfolgreichen Karriere stand. Gemeinsam haben sie allesamt den expressionistischen Einfluss in ihren Werken. Czinner berichtete auch, dass er Bewegung im Film haben wollte, und zu diesem Zweck auf einem Dreirad eine Kamera aufbauen lassen habe. Dies soll die erste Fahraufnahme gewesen sein, die daraufhin weltweit zur Anwendung und Weiterentwicklung kam.
Basierend auf den Sozialreportagen des Journalisten Emil Klägers aus der Wiener Kanalisation und anderen Zufluchtsorten von Obdach- und Arbeitslosen wurde der Dokumentarfilm „Nachtstück aus dem Leben der Vaganten, der Entgleisten und Gestürzten“ bzw. „Durch die Quartiere des Elends und Verbrechens“ produziert, der 1920 in den Wiener Kinos erschien. Bei diesem Filme dürfte es sich um die erste filmische Sozialreportage Österreichs handeln. In den folgenden Jahren erschienen auch Spielfilme die sich mit der tristen Lage des inflationsgeplagten Österreichs nach dem Ersten Weltkrieg auseindersetzte: „Frauen aus der Wiener Vorstadt“ (1925), „Haifische der Nachkriegszeit“ (1926), „Saccho und Vanzetti“ (1927), „Andere Frauen“ (1928), „Eine Dirne ist ermordet worden“ (1930), um einige zu nennen.
Bereits 1921 erschien ein Film, der die jüngste österreichische Geschichte thematisierte: „Kaiser Karl“ mit Josef Stätter als Hauptdarsteller und Grit Haid, der Schwester von Liane Haid, als seine Frau „Zita“. Mit Kronprinz Rudolfs Tod setzte sich 1925 der Film „Leibfiaker Bratfisch“ auseinander, der Erinnerungen seines Fiakers wiedergab. Der Regisseur Hans Otto Löwenstein verwendete hierzu auch viele Szenen aus seinem 1919 verbotenen Mayerling-Film. Auch „Kaiser Karl“ wurde von ihm inszeniert. Im selben Jahr erschien auch „Oberst Redl“, der einen Spionagefall des Jahres 1913 thematisierte. Die Themen beider Filme wurden auch in der jüngsten österreichischen Filmgeschichte wieder aufgegriffen.
1921, 25 Jahre nach Erscheinen des utopischen Werkes „Der Judenstaat“ von Theodor Herzl, erschien ein Tribut an diesen Autor und Psychologen: „Theodor Herzl, der Bannerträger des jüdischen Volkes“. Hauptdarsteller waren Rudolf und Josef Schildkraut im historischen Teil des Films, und Ernst Bath als Theodor Herzl.
1924 erscheint die deutsch-österreichische Koproduktion „Orlacs Hände“ mit dem expressionistischen Darsteller Conrad Veidt als „Orlac“ und Robert Wiene als Regisseur.
1924 wurde die Verfilmung von Hugo Bettauers Roman „Die Stadt ohne Juden“, in dem Bettauer die Zeichen der Zeit erkannte, fertiggestellt. Regisseur des 80-minütigen Films war Hans Karl Breslauer. Der Film ging in den folgenden Jahren verloren, tauchte aber 1990 im holländischen Filmarchiv wieder auf. Der bereits Zersetzungserscheinungen aufweisende Nitrofilm wurde vom Bundesarchiv Koblenz „notkopiert“ und vom Österreichischen Filmarchiv rekonstruiert und an verbleichten Stellen eingefärbt. Auffallender Unterschied zum Roman ist, dass „die Stadt“ nicht Wien, sondern „Utopia“ heißt. Eine seiner ersten Rollen erhielt in diesem Film Hans Moser, der einen antisemitischen Parlamentarier spielt, der durch Alkohol außer Gefecht gesetzt wird, sodass mit Zweidrittelmehrheit die Heimholung der Juden beschlossen werden kann. Als Hauptdarstellerin diente auch in diesem Film die Frau des Regisseurs, Anna Milety. Die bekannten jüdischen Schauspieler Gisela Werbezirk und Armin Berg waren in diesem Film nur in kleineren Rollen zu sehen. Der Film wurde 1924 uraufgeführt, erschien jedoch erst 1926 regulär in den Kinos.
Die berühmteste Verfilmung eines Hugo Bettauer-Werkes war jedoch die 1925 erschienene Produktion „Die freudlose Gasse“ unter Regisseur G. W. Pabst. Der auch heute noch als Vertreter des frühen Filmschaffens international aufgeführte Film erschien erstmals in den Kinos, nachdem Hugo Bettauer durch ein NSDAP-Mitglied ermordet worden war. Der Film wurde in Berliner Studios aufgenommen, mit Schauspielern wie Greta Garbo, Asta Nielsen und Werner Krauß. Er spielte im stark von der Inflation geprägten Wien der Gegenwart und gilt international als Startschuss für die Stilrichtung Neue Sachlichkeit im Film. Seine Deutschland-Premiere hatte er ebenfalls in Berlin - wo G. W. Pabst neben Fritz Lang, Paul Czinner und anderen Österreichern ihre Hauptschaffenszeit verbrachten - im Kino „Mozartsaal“. In Frankreich erreichte Pabst mit diesem Film fast noch mehr Ruhm als im deutschsprachigen Raum. Er erschien unter dem Namen „La rue sans joie“ und wurde am 21. Jänner 1926 im Studio des Ursulines uraufgeführt.
Aufklärung und Freizügigkeit als neue Filmthemen
Im Zuge aufkommender freizügigerer Mode im Alltag und der „Neuen Sachlichkeit“ als Realität-bezogener Stilrichtung in vielen Bereichen der Kunst, wagten sich nun auch die etablierten Filmgesellschaften erstmals Vorstöße zu freizügigeren Filmen zu machen. So erschien Anita Berber als dürftig bekleidete Tänzerin in „Irrlichter der Tiefe“ (1923), und in „Café Elektric“ wurden nicht nur Marlene Dietrichs Beine ausführlich zur Schau gestellt, sondern auch ausgedehnte Kussszenen mit Willi Forst gezeigt.
Die 1920er-Jahre wurden zum „goldenen Zeitalter“ des Aufklärungs- und Sittenfilms. Filme bedienten sich der körperlichen Freizügigkeit sowie Traum- und Wahnszenen. Diesbezüglich erschienen 1924 „Was ist Liebe?“ mit Dora Kaiser und Carmen Cartellieri und „Moderne Laster“ über Trunksucht. Im Jahr 1928 erschien mit „Andere Frauen“ eine weitere Hugo Bettauer-Verfilmung.
Herrschten zwischen 1918 und 1924 die aufklärerischen Filme vor so waren die Filme ab 1927 mehr von Voyeurismus geprägt. Der erste Aufklärungsfilm erschien 1918 und thematisierte Erbkrankheiten: „Die Geisel der Menschheit“. Wie bereits in so vielen Stilrichtungen des Films war auch dieses Mal die Wiener Kunstfilm-Industrie Pionier. Aufklärungsfilme wurden vielfach auch staatlicher Seite finanziert und es erschienen Produktionen wie „Alkohol, Sexualität und Kriminalität“ und „Wie sag' ichs meinem Kinde?“ von der Pan-Film. Mit „Paragraph 144“ wurde auch der Schwangerschaftsabbruch in einer Filmproduktion thematisiert. Als Regisseur diente in vielen dieser Aufklärungsfilme Dr. Leopold Niernberger, unter Mithilfe von gelehrten Professoren.
Ab 1924 kamen dann kaum noch Filme aus dem Gebiet der Aufklärung heraus. 1927 wurde das Gebiet auf andere Weise wiederbelebt. Es erschien „Vom Freudenhaus in die Ehe“ und 1930 „Eros in Ketten“. 1930 starb die Schauspielerin und Tänzerin Anita Berber, die bis dahin in Wiener Varietés feuchtfröhlich mit halbnackten oder nackten Auftritten für Aufsehen sorgte. Dokumentiert wurde dies 1923 in „Tänze des Grauens und Lasters“. Der Film ist jedoch nicht mehr erhalten.
Aufwändige Monumentalfilme
Bereits 1920 ließ Sascha Kolowrat-Krakowsky im Wiener Prater, westlich der Rotunde, die Filmstadt „Alt-London“ erbauen. Dort drehte Alexander Korda „Prinz und Bettelknabe“, basierend auf einem Roman Mark Twains. 1922 erhielt Alexander Kordas Produktion „Eine versunkene Welt“ in Mailand sogar einen Filmpreis.
1922 erschien der Monumentalfilm „Sodom und Gomorrha“, produziert von der Sascha-Film Sascha Kolowrat-Krakowskys. Dieser befand sich 1918 in den Vereinigten Staaten um die dortige Filmwirtschaft zu begutachten. Dort kam ihm auch die Idee, in Österreich Monumentalfilme mit einer Vielzahl von Komparsen zu produzieren, da diese in den USA zu dieser Zeit sehr beliebt waren, und er auch die USA als Absatzmarkt im Visier hatte. In dem 1920 bis 1922 produzierten Film führte Michael Kertész, der sich später in den USA Michael Curtiz nannte, Regie und die Ungarin Lucy Doraine spielte die Hauptrolle.
Einer der Hauptdarsteller, Walter Slezak, Sohn des Sängers Leo Slezak, erzählte in seinem 1974 erschienen Buch „Wann geht der nächste Schwan“ von seiner Entdeckung durch den Regisseur Michael Kertész, der sein Leben lang für seine Sprachschwierigkeiten bekannt war: „Eines Nachts gegen halb zwölf, strolchte ich in die Sacherbar am Opernring, setzte mich und verlangte einen Scotch mit Soda. Ich rauchte eine Zigarre und bot das Bild eines blasierten eleganten Roués und Lebemannes. Am Nebentisch saßen zwei Herren und eine Dame. Diese wies auf mich, die Herren drehten sich um und starrten mich an - lange und gründlich. Ich erkannte die Frau – sie war ein damals sehr berühmter ungarischer Filmstar, Lucy Doraine. Sie lächelte mir zu - ich lächelte zurück. Und dann stand einer der beiden Herren auf [...] und setzte sich zu mir: ‚Gestotten, Sie sind mir vorgeschwebt!‘. Diesen Satz sprach er todernst und mit einem dicken ungarischen Akzent. Ich muß sehr blöd dreingeschaut haben, denn er fuhr fort: ‚Bitte verstehen Sie - Sie sind meine Vision!‘. Ich dachte ein entsprungener Irrenhäusler hätte sich zu mir gesetzt, und ich war entschlossen, ihn nicht zu reizen. ‚Natürlich, ich verstehe vollkommen.!‘. - ‚Nein, Sie verstehen nicht‘, sagte er ganz traurig, ‚aber werd ich erklären, bittaschön. Ich heiße Kertész, Mischka. Ich bereite vor ‚Sodom und Gomorrha‘. Legende von Sünde - und ich brauche bildschöne junge Bursche -, und Sie, bittaschön, sind bildschöne junge Bursche!‘. Langsam begriff ich [...]“
Einzigartig in der österreichischen Filmgeschichte ist der Film ob seiner Ausmaße bei den Dreharbeiten. Die amerikanischen Monumentalfilme, die italienischen Antikfilme und die deutschen Kostümfilme sollten allesamt überboten werden. Hunderte Handwerker, Architekten, Dekorateure, Bildhauer, Stukkateure, Bühnenbauer, Pyrotechniker, Kameramänner, Frisöre, Maskenbildner, Schneider und Tausende Hilfsarbeiter und Statisten, zumeist Arbeitslose und Kinder, fanden während den drei Jahre andauernden Dreharbeiten Beschäftigung im vom Inflation und Arbeitslosigkeit geprägten Österreich. Tausende Kostüme, Perücken, Bärte, Sandalen, Flitterschmuck, Standarten, Pferdegespänne und dergleichen wurden eigens für die Produktion zumeist vor Ort angefertigt. Architektonisches Meisterwerk war der von drei Architekten entworfene „Tempel von Sodom“, welcher in dieser Epoche weltweit zu den größten Filmbauwerken zählte. Wenig verwundernd, dass „Sodom und Gomorrha“ einer der teuersten je in Österreich hergestellten Filme wurde. Dennoch kostete er etwa fünf Mal so viel, wie geplant war.
Am Ende des Filmes sollte der Tempel in sich zusammenstürzen, weshalb Pyrotechniker zur Sprengung angestellt wurden. Dennoch traten Pannen auf, bei denen es sogar Tote und Verletzte gab, was auch gerichtliche Folgen haben sollte. Der Regisseur wurde frei gesprochen, der „Wannenmacher“ (Kunstfeuerwerker) zu 10 Tagen Arrest und 500.000 Kronen Geldstrafe verurteilt.
Vom Film befand sich bis 1987 lediglich 25 Minuten in Gewahrsam des Österreichischen Filmarchivs. Weitere Teile des Films konnten jedoch vom sowjetischen Filmarchiv, vom Filmarchiv der DDR und der ČSSR, sowie aus Bologna und Ungarn erhalten werden, so dass heute sämtliche vier Sequenzen des Films wieder erhalten sind.
In „Die Sklavenkönigin“ teilte man 1924 mitten in Wien das Rote Meer. Dank tricktechnischer Nachbearbeitung ist im Ergebnis die gigantische Holzkonstruktion, aus der von beiden Seiten auf ein Mal das gesamte Wasser ausgelassen werden konnte, nicht mehr zu erkennen. Die insgesamt 100 m³ ergossen sich in ein abgeschlossenes, acht mal acht Meter großes und einen Meter tiefes, Holzbecken. Die Wasserwände beiderseits des Weges wurden aus Gips modelliert, was im Schwarzweißfilm täuschend echt aussah. Mit einer einzigen Aufnahme konnte nun sowohl die Teilung als auch die Wiederzusammenführung des Meeres dargestellt werden. Für ersteres schnitt man die Aufnahmen der zusammenstürzenden Wassermassen einfach rückwärts in den Film.
Die Schauspieler wurden im Trockenen gefilmt, und erst im Nachhinein vom „Meer“ überflutet. Regisseur war abermals Michael Kertész. Die Kosten für den Film sollen 1,5 Milliarden Kronen betragen haben. Die Summe wird zwar durch die konstant hohe Inflation bis Mitte der 1920er-Jahre relativiert, ist aber dennoch einer der höchsten je für einen österreichischen Film aufgewendeten Beträge. Hauptdarstellerin war dieses Mal nicht die Frau des Regisseurs, das Michael Kertész von Lucy Doraine geschieden wurde. Daher griff er auf die Frau seines Konkurrenten Alexander Korda zurück, Maria Corda. Den Moses spielte der Burgtheater-Schauspieler Hans Marr.
Die Filmprämiere fand im Eos-Kino statt, an welchem die Sascha-Film Beteiligungen hielt. Das Kino war zu diesem Anlass altägyptisch aufgemacht und mit Götterbildern und Kriegerstatuen verziert.
1925 produzierte die Sascha-Film seine letzte Großproduktion - eine Koproduktion mit einer französischen Gesellschaft. Die Literaturverfilmung „Salammbô - der Kampf um Karthago“ wurde in Wien und im Sascha-Filmatelier in Sievering gedreht. Hauptdarstellerin war die Französin Jeanne de Balzac, die in aufwändigen, martialischen Kostümen, im zur Zeit der Punischen Kriege spielenden Film, in Erscheinung trat. Die Filmmusik schrieb Florent Schmitt, und die Filmkritik betonte, dass „die Musik dem Roman näher kam als der Film selbst“.
1925 wurde mit „Der Rosenkavalier“, basierend auf der gleichnamigen Oper, von der Pan-Film eine Großproduktion der anderen Art hergestellt. Der von Robert Wiene inszenierte Film spielte im barocken Wien und wartete mit unzähligen Kostümen, Perücken und etwa 10.000 Statisten auf. Für die Filmmusik, die seperat auf einer Schallplatte aufgenommen wurde, stammte wie auch schon im Opernstück von Richard Strauss. Auch die Uraufführung fand wie das Opernstück in der Dresdner Semperoper statt, am 10. Jänner 1926.
Filmwirtschaftskrise durch enorme US-Konkurrenz
Nach den produktivsten Jahren 1921 und 1922 begann ab 1923 die Filmproduktion wieder rasant abzunehmen. 1924 wurden nurmehr 32 Filme produziert, waren es 1922 noch rund 130 gewesen. Die aufwändigen Monumentalfilme waren lediglich der finanzielle und qualitative Höhepunkt dieser Zeit, denn längst machten US-amerikanische Filmproduktionen den österreichischen immer stärkere Konkurrenz in den Kinos. Die US-amerikanische Filmindustrie spielte die Produktionskosten in den Vereinigten Staaten herein, und konnte danach ihre Filme weltweit zu Niedrigstpreisen auf den Markt werfen. Da die Qualität der amerikanischen Filme nicht zuletzt durch stetige Imigration von europäischen Filmschaffenden und deren Wissen konstant zugenommen hat, während die europäische Filmindustrie im Ersten Weltkrieg qualitativ beinahe still stand, hatte man den US-Produktionen nur noch wenig entgegenzusetzen.
1925 erreichte die US-amerikanische Filmflut, die bereits Frankreich, England und Italien lahm gelegt hatte, auch Österreich. In diesem Jahr wurden von der Zensurbehörde 1200 US-Produktionen zum Import zugelassen, während in Österreich nur noch 35 Spielfilme, in den mittlerweile technisch bestens eingerichteten Ateliers, produziert wurden. Der Filmbedarf der 750 österreichischen Kinos wurde auf lediglich 300 bis 350 Filme geschätzt. Zahlreiche Produktionsgesellschaften schlossen zu dieser Zeit, und etwa 3000 Filmschaffende (direkt wie indirekt vom Film abhängig) wurden arbeitslos. Zur gleichen Zeit stieg jedoch die Zahl der Verleihfirmen auf etwa 70 an, wobei kleinere österreichische Verleiher ebenso zu Grunde gingen, wie die Filmproduktionsgesellschaften.
Aus diesem Anlass rief der Filmbund Anfang Mai zu einer Demonstration auf, der sich rund 3.000 Künstler, Musiker, Artisten, Arbeiter und Angestellte sowie Gewerbetreibende der Filmbranche anschlossen. Darunter auch Größen wie Sascha Kolowrat-Krakowsky, Jacob und Luise Fleck, Walter Reisch, Magda Sonja, Michael Kertész, Hans Theyer und viele andere. Die Demonstration zog ausgehend von der Neubaugasse über die Mariahilfer Straße zum Parlament. Dies machte die Bundesregierung auf die Existenzbedrohung der österreichischen Filmwirtschaft aufmerksam, und bereits am 19. Mai trat ein Filmkontingentierungsgesetz in Kraft. Von nun an mussten in österreichischen Filmproduktionen zumindest 75 % der Beschäftigten Österreicher sein, und die Einfuhr ausländischer Filme wurde kontingentiert. Zwar war die Zeit der Massenproduktionen dennoch vorbei, aber der Fortbestand der heimischen Filmindustrie, wenn auch in abgespeckter Form, war somit gesichert.
Nichtsdestotrotz übersiedelten die meisten österreichischen Filmschaffenden endgültig nach Berlin - das „Hollywood Europas“. Lediglich die Sascha-Film, mit dem Familienvermögen Sascha Kolowrat-Krakowskys im Hintergrund, vermochte noch Großproduktionen herzustellen.
Die letzten Jahre des Stummfilms
Erst acht Jahre nach Kriegsende und dem Ende der Zensur im Zuge der Republik-Gründung wurde 1926 die Kinozensur abgeschafft. Trotz der Einführung einer Bewilligungspflicht für importierte ausländische Filme - resultierend aus der schlechteren Situation der österreichischen Produktionsfirmen - blühen die Filmverleihfirmen immer mehr auf. 1926 wurde auch das „erste Wiener Kinogesetz“ erlassen, nach dem die Kompetenz in Kinoangelegenheiten von nun an beim Land lag. Im selben Jahr erschien neben 19 Spielfilmen auch die Filmzeitschrift „Mein Film“, die fortan, bis zur Einstellung 1956, eine der einflussreichsten Wiener Filmzeitschriften war.
1925 produzierte die Sascha-Film „Das Spielzeug von Paris“ mit der französischen Schauspielern Lily Damita in der Hauptrolle. Der Film bestach durch die Fülle prachtvoller Abendkleider, die vom „Modehaus Ludwig Zwiback und Bruder“ stammten. Dies wurde auch in den Filmzeitschriften nicht zu erwähnen vergessen. Die heimischen Filme mit ihren bekannten Darstellern waren damals häufig eine werbewirksame Modeschau der lokalen Bekleidungshäuser. 1927 stellte Sascha-Film „Die Pratermizzi“ her. Ein vorprogrammierter Erfolg, angesichts der Tatsache, dass die Sascha-Film der einzig verbliebene Großproduzent Österreichs war. Regisseur war Gustav Ucicky und Hauptdarstellerin die „Säuferin großen Stils“, die US-Amerikanerin Nita Naldi. „Stets mussten mehrere Flaschen französischen Champagners, Kognak und erstklassige Schnäpse in ihrer Garderobe bereitstehen, sonst wollte sie nichts spielen. Während ihres Ankleidens und Schminkens trank sie schon mindestens eine Flasche leer, nach jeder Szene folgte eine weitere - untermischt mit Gläsern Schnaps [...] Zum Überdruss hatte sich die schon sehr ramponierte Frau in den damals noch sehr jungen Partner Igo Sym verliebt und attackierte ihn, wo es nur möglich war. Schon während der Fahrt ins Atelier ging es los, und in ihrer Garderobe kam es zu wüsten Verführungsszenen.“[6]
1927 folgte der Film Café Elektrik, für welchen der inzwischen schwer Krebskranke Sascha Kolowrat-Krakowsky Willi Forst und Marlene Dietrich als Hauptdarsteller entdeckte. Die Untertitel waren „Wenn ein Weib den Weg verliert“, aber auch „Die Liebesbörse“. Regisseur führte abermals der ehemalige Kameramann Gustav Ucicky, der sich bei Die Pratermizzi behaupten konnte und so Sascha Kolowrat-Krakowsky Vertrauen erlangte. Willi Forst spielte glaubwürdig einen Unterweltganoven, entfaltete aber erst in den Tonfilmen seinen sympathischen Charakter. Und Marlene Dietrich, die bereits in dieser ersten Rolle in vielen Szenen mit ihren körperlichen Reizen aufwarten konnte, erlangte ihre einzigartige Ausstrahlung erst in den von Josef von Sternberg inszenierten Filmen.
1927 gelang dem für die Ufa arbeitenden Fritz Lang mit dem sozialkritischen Science-Fiction-Klassiker Metropolis ein Film von Weltgeltung. Es war zudem der teuerste Film den die Ufa jemals finanziert hatte, was die Filmgesellschaft vorübergehend auch in finanzielle Bedrängnis brachte. In diesem Jahr verfügte Wien über 170 Kinos mit 67.000 Sitz- und 308 Stehplätzen. Dabei fassten nur vier Wiener Kinos mehr als 1000 Personen, das Gros der anderen Wiener Kinos fasste zwischen 200 und 400 Personen.
Ebenfalls 1927 kam nach einem Rechtswissenschaftsstudium der 20-jährige Wiener Alfred Zinnemann über einer Kameraausbildung in Paris zum Film. Er ging zuerst als Kameraassistent nach Berlin, und emigrierte 1929 in die Vereinigten Staaten, wo er ab den späten 1930er-Jahren als Regisseur und Produzent Karriere macht. Für seinen Kurzfilm That mothers might live erhielt er sogar einen Oscar.
1927 erschienen 21 österreichische Spielfilme, 1928 stieg die Zahl auf 28 an. Auch die Kinoanzahl erhöhte sich auf 178 in Wien und 750 in Österreich insgesamt. Es existierten 70 Verleihunternehmen. In Wien wurde in diesem Jahr die Kinobetriebsanstalt GmbH (Kiba) gegründet, zu deren primären Aufgaben es gehörte, die sozialdemokratischen Interessen innerhalb Wiens durch die Führung von Propagandakinos zu stärken. 1929 erschienen dann 23 Stummfilme und der erste Tonfilm, und 1930 13 Stumm- und 4 Tonfilme.
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 gab es in Wien einen Einheitspreis von 50 Groschen pro Parkettplatz, 60 Groschen pro Balkon- oder Logenplatz. Im selben Jahr wurde auch der erste Tonfilm gezeigt was zu ersten heftigen Protesten der Kinomusiker führte. In der Folge wurden die meisten Stummfilmkinos Wiens konsequent zu Tonfilmkinos umgebaut.
Beginn der Tonfilmära
Die ersten Kinos, die auf Tonfilm umstellten, waren 1929 unter anderem die Kinos „Ufa“, „Burg“ und „Opern Kino“. Verwendet wurde das Tobis-Klangfilmverfahren. Der Anteil von Tonfilmen an der Gesamtzahl der gezeigten Filme stieg auf 158 von 569 in diesem Jahr. Ein Jahr später überwog bereits der Tonfilm in den Kinos, und 1932 liefen keine Stummfilme mehr in Wien. Dies bewirkte eine schwere Krise der sogenannten Kinomusiker, die ab 1929 mehrmals auf den Straßen der Hauptstadt demonstrierten.
Viele der ehemaligen kleinen Grätzelkinos überstanden die Einführung des Tonfilms aus finanziellen Gründen nicht, und andere, besser situierte Kinos, nutzten diese Umbruchphase für große Umbauaktionen wie etwa der Verschönerung von Portalen, Eingangs- und Kassenhallen, der Zuschauerräume und der technischen Einrichtungen. Zu den drei Tonsystemen die damals in den Wiener Kinos verwendet wurden zählten neben dem am meisten verwendeten Movietonverfahren von Western Electric und dem Klangfilmsystem der damaligen Tobis Klangfilm der Ufa auch das Magnettonverfahren.
1930 erlangte der 1896 in Budapest geborene Attila Hörbiger in Der unsterbliche Lump an der Seite seines zwei Jahre älteren Bruders Paul seine erste Filmrolle. Zur selben Zeit schrieb der zuerst als Journalist in Wien tätige, und später als Drehbuchautor nach Berlin gezogene Samuel Wilder mit „Menschen am Sonntag“ sein erstes verfilmtes Drehbuch. 1931 folgte das Drehbuch zur Erstverfilmung von „Emil und die Detektive“, welches er gemeinsam mit Erich Kästner schrieb. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland emigriert der jüdischgläubige Samuel Wilder in die Vereinigten Staaten, wo er als Billy Wilder zuerst weiterhin Drehbücher schrieb, und dann als Regisseur zu Weltruhm gelangte. Der spätere Regisseur und Drehbuchautor Harald Reinl begann zu dieser Zeit seine Karriere als Stuntman in Ufa-Produktionen.
Als 1931 der Film „Im Westen nichts Neues“ Premiere in Wien hatte, führte dies zu einem politischen Skandal, begleitet von Demonstrationen, Störaktionen und Tumulte. Im selben Jahr erschien mit dem Südtiroler Luis Trenker in der Hauptrolle „Berge in Flammen“. Ein Film des für die Ufa in Deutschland arbeitenden österreichischen Regisseurs Karl Hartl, der 1938 auch Leiter der Wien-Film wurde. Als Hauptdarsteller in der deutschen Produktion M – Eine Stadt sucht einen Mörder gelang in diesem Jahr auch dem aus der heutigen Slowakei stammenden Österreicher Peter Lorre der Durchbruch.
Die bereits in den 1920er-Jahren zu einer Kopier- und Einfärbeanstalt im Verbund des damaligen Kolowrat-Filmimperiums verkommene Sascha-Film-Fabrik in Wien geriet im Zuge der Umstellung der Filmproduktion von Stumm- auf Tonfilm in eine schwere Krise die 1930 zum Ausgleich führte. 1932 wurde das Unternehmen von den Gebrüdern Pilzer übernommen, und wenig später, nach Einstieg der deutschen Tobis Tonbild-Syndikat AG, wurde die Produktionsgesellschaft in Tobis-Sascha-Filmindustrie AG umbenannt.
Bis 1932 wurden sämtliche Kinos Wien zu Tonkinos umgebaut. Dies bewirkte eine schwere Krise der sogenannten Kinomusiker, die ab 1929 mehrmals auf den Straßen Wiens demonstrierten.
Im österreichischen Ständestaat
Die politisch instabile Situation in der jungen Bundesrepublik Österreich führte 1933 zu einem Putsch von Engelbert Dollfuß und gipfelte 1934 im österreichischen Bürgerkrieg, in welchem Dollfuß seine Stellung festigen konnte. Unter dessen autoritäter Führung wurde die Meinungsfreiheit stark eingeschränkt und die Zensur in vielen Bereichen eingeführt. Diese Zeit ist aber auch gekennzeichnet durch den steigenden Einfluss und Druckausübung der Nationalsozialisten auf den österreichischen Staat und dessen Einrichtungen - auch kulturelle.
Als Reaktion auf die politische Situation nahm in den 1930er-Jahren der Anteil der Filme, die im Prater gedreht wurden, weiter zu. Denn die im Ständestaat offiziell nicht existenten gesellschaftlichen Brüche konnten im Prater, den Jung und Alt aus allen gesellschaftlichen Klassen besuchten, noch ansatzweise thematisiert werden. Solche Filme wie „Vorstadtvarieté“ aus 1936 hatten aber dennoch mit der Zensur zu kämpfen.
1933 wird der „Zentralverband der österreichischen Lichtspieltheater“ in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft umgewandelt, und die Interessenvertretung wird ständisch umorganisiert. Es wurde ein Gremium der Lichtspielunternehmer Österreichs eingerichtet, die als Körperschaft öffentlichen Rechts fungierte, und der jeder Kinobetreiber in Österreich angehören musste. Im Wesentlichen blieb die Struktur des Gremiums identisch mit jener des Zentralverbandes aus dem Jahr 1920.
Im gleichen Jahr sorgte die Wiener Schauspielerin Hedwig Eva Maria Kiesler mit einer zehnminütigen Nackt- sowie einer Liebeszene im Film „Ekstase“ für einen Skandal. Der Wiener Rüstungsindustrielle Fritz Mandl, den sie noch im selben Jahr heiratete, verbot ihr die Schauspielerei, worauf sie 1937 in die Vereinigten Staaten emigrierte und als Hedy Lamarr Karriere bei MGM Karriere machte.
Ende 1933 wurden die Rosenhügel-Ateliers neu adaptiert, und die Tobis-Sascha produzierte dort 1934 mit „Maskerade“, der zum Aushängeschild des „Wiener Films“ werden sollte, ihren letzten Film. Die Studios wurden seither nur noch vermietet, und Tobis-Sascha konzentrierte sich auf die Distribution von Filmen.
Ebenfalls 1933 verbot der deutsche Propagandaminister Joseph Goebbels die Mitwirkung von Juden in der deutschen Filmindustrie, was zu einer Emigration zahlreicher Filmschaffender nach Österreich, respektive Wien, führte. So drehte Henry Koster hier Komödien, u.a. mit Franziska Gáal, weiters waren Paul Czinner, Elisabeth Bergner u.a. aktiv. Die deutsche Reichsfilmkammer reagierte auf die Auswanderung jüdischer Filmschaffender mit der Androhung eines Importverbotes für österreichische Produktionen, sollten weiterhin Juden bei österreichischen Filmen mitwirken. Diese Drohung konnte nur durch Zugeständnisse von Oskar Pilzer, in der Rolle des Präsidenten der Wiener Filmproduzentenvereinigung, abgewendet werden.
1934 war auch das Jahr der späteren Grande Dame der deutschen Schauspielkunst Paula Wessely. Die erfolgreiche Volkstheater- und Josefstadt-Schauspielerin nahm das Angebot einer Hauptrolle in Maskerade an der Seite von Adolf Wohlbrück an, und erlangte internationale Bekanntheit.
1934 führten im österreichischen Ständestaat mehrere Bundesländer die Filmzensur wieder ein. 1935 folgte mit dem neuen „Wino Kinogesetz“ eine weitere Verschärfung der ständestaatlichen Kontrollmaßnahmen. Zu diesem Zeitpunkt gab es 179 Kinos in Wien und 738 in ganz Österreich. In Wien waren 13 Produktionsfirmen ansässig. Von den 300 Filmen, die in diesem Jahr anliefen, waren die meisten amerikanischer Herkunft, gefolgt von deutschen Produktionen. Lediglich 27 Filme wurden in Österreich produziert.
1935 konnten sich die aus Deutschland agierenden Nationalsozialisten mit dem Druckmittel des Importverbotes österreichische Filme nach Deutschland doch noch durchsetzen. Jüdischgläubige Mitarbeiter waren von nun an in der österreichischen Filmindustrie de facto verboten. Obwohl die Wiener Filmproduzentenvereinigung nachgegeben hatte, erließen die Nationalsozialisten 1935, dass in Deutschland entstandene Erlöse nach Österreich rückgeführt werden dürfen. Dies führte dazu, dass österreichische Filmunternehmen zwar in Deutschland über Geld verfügten, in Österreich jedoch einer Pleite nahe standen. Daraus resultierte ein Stillstand der österreichischen Filmproduktion.
Auch Tobis-Sascha war von diesen Maßnahmen schwer betroffen. Verhandlungsversuche von Oskar Pilzer über einen Geldtransfer scheiterten daran, dass die Nationalsozialisten nicht mehr mit Nichtariern verhandeln wollten. Da er unter seiner Führung das Unternehmen in einer aussichtslosen Situation glaubte, verkaufte er die Tobis-Sascha-Filmindustrie AG am 23. Jänner 1937 an die Creditanstalt um lediglich 1000 Schilling, die er jedoch nicht ausbezahlt bekam.
Die Creditanstalt schloss wenig später ein Syndikatsabkommen mit der deutschen Tobis AG, die bereits der nationalsozialistischen Treuhandgesellschaft Cautio unterstellt war. Die Tobis-Sascha wurde aufgelöst und 1938 als Wien-Film GmbH wiedergegründet.
Ab 1937 konnte aufgrund einer Gesetzesnovelle zum Wiener Kinogesetz nur noch demjenigen eine Konzession übertragen werden, der einen tatsächlichen Bedarf („Ortsbedarf“) nach einem neuen Kinostandort nachweisen konnte.
Während des Nationalsozialismus, 1938 bis 1945
Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland erlitt das Filmwesen aufgrund der starken Zensur, der einsetzenden Vertreibung und Tötung jüdischer, ausländischer und regimekritischer Bürger, einen erneuten Tiefschlag. Dies traf das österreichische Film- und Kinowesen auch daher sehr hart, als vor Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland rund 90 % der Filmverleiher und 50 % der Wiener Kinobesitzer jüdischen Glaubens waren. Jüdische Kinobetriebe wurden binnen weniger Tage „arisiert“, und die Zensur wurde weiter verschärft. Ebenfalls bereits unmittelbar nach dem Einmarsch, am 12. März 1938, wurde der „Zentralverband der österreichischen Lichtspieltheater“ sowie das „Gremium der Lichtspielunternehmer Österreichs“ aufgelöst.
Durch die Produktionen der nun als Wien-Film in Erscheinung tretenden Tobis-Sascha-Film wurde Wien neben Berlin und München zur Hauptproduktionsstätte von Propagandafilmen. Die Berliner Reichsfilmkammer, die das österreichische Filmwesen überwachte, richtete ihre Außenstelle in der Siebensterngasse in Neubau ein. Am 18. Juni wurde die deutsche Reichskulturkammergesetzgebung in Österreich gültig.
Am 27. August des Jahres erschien im Kinojournal eine Liste, nach der es kurz nach dem Anschluss 65 „jüdische“, 19 unter „jüdischem Einfluss“ stehende und 86 „arische“ Kinos in Wien gab. Bis zum Oktober 1938 wurden 55 der Wiener Kinos an „verdiente Parteigenossen“ übergeben. Die „Ostmärkische Filmtheater Betriebs Ges.m.b.H.“ erhielt die größten Kinos der Stadt wie das „Scala“ und „Apollo Kino“ oder das ehemalige „Zentral Kino“, das in „Ufa Kino“ umbenannt wurde.
Einst Augenzeuge der Novemberpogrome in Wien, beschloss der damals junge Oskar Werner sich zeitlebens gegen Faschismus und Antisemitismus zu engagieren. Über einen Onkel kam der erst 16-jährige als Komparse zum Film, wo er im kurz vor dem Ersten Weltkrieg spielenden Film „Hotel Sacher“ eine kleine Sprechrolle erhielt. Wenig später nach der Erstaufführung in den Kinos brach der Zweite Weltkrieg aus.
Im Dezember des Jahres war die „Arisierung“ bis auf das „Westend“ und das „Arkaden Kino“ abgeschlossen. Die Kinos „Kruger“, „Nestroy“, „Votivpark“, „Schweden“ und „Elite Kino“ sowie das „Burg Kino“ spielten zu diesem Zeitpunkt als einzige Wiener Kinos noch „feindliche Filme“ des fremdsprachigen Auslands.
In den folgenden Jahren wurde schließlich auch der zu „fremdländisch“ klingende Begriff „Kino“ gegen „Lichtspiele“ oder „Filmtheater“ ausgewechselt. Das „Maria Theresien Kino“ wurde vom neu eingesetzten Konzessionär in „Ostmark“ umbenannt, andere ehemalige „Kinos“ verloren einfach diesen bis dahin gebrauchten „Zunamen“ und hießen in den folgenden Jahren schlichtweg „Kurbel“, „Kreuz“ oder „Royal“. Lediglich das „Höchstädt Kino“ konnte den Beinamen „Kino“ noch bis 1941 halten.
Die Wiener Kiba betrieb in diesem Jahr sieben Kinos in Wien: „Apollo“, „Busch“, „Mariahilf“, „Opern“, „Scala“, „Schweden“ und „Weltspiegel“. Weitere Kinos wurden in Linz und Steyr betrieben. Im Herbst des Jahres wurde schließlich auch die Kiba von der „Ostmärkischen Filmtheater Betriebs GmbH“ übernommen, einer Tochter der deutschen „Filmtheater GmbH“. Damit war auch hier die „Gleichschaltung“ erfolgt. Die Kiba blieb während des Krieges auch die einzige Betriebskette, die in den „Donau- und Alpenreichsgauen“ neben den arisierten Einzelbetrieben weiterbestehen durfte.
1939 hatte die Anzahl der Kinos in Wien mit 222 einen bis heute nicht mehr da gewesenen Höchststand erreicht. Von da an ging die Zahl der Kinos wieder deutlich zurück.
1939 gelangte auch die Wienerin Marte Harell über ihren Mann, den Wien-Film-Leiter, Karl Hartl zum Film. Sie beginnt ihre Karriere gleich mit einer Hauptrolle - in der Opernball-Verfilmung von 1939. Ihre Paraderolle liefert die stets im Wiener Dialekt sprechende Schauspielerin 1944 im Wiener Liebesfilm "Schrammeln" ab.
Die Produktion von Filmen, gelenkt vom Reichspropagandaministerium, beschränkte sich nun fast ausschließlich auf Propagandafilme für das Deutsches Reich. Nur vereinzelt gelang es, weiter Meisterwerke zu schaffen, so etwa Willi Forst, dessen Wiener Blut erstaunlich anti-deutsche Töne anschlug, die nicht nur retrospektiv als Kommentar zur politischen Lage gelesen werden konnten.
In Wien waren zu diesem Zeitpunkt die Kinos „Kruger“, „Nestroy“, „Votivpark“, „Schweden“ und „Elite Kino“ sowie das „Burg Kino“ die einzigen Kinos die noch „feindliche Filme“ des fremdsprachigen Auslands spielten.
Am 8. Jänner 1943 wurde vom Wiener Polizeipräsidenten die Kino-Betriebssperre ab 22 Uhr eingeführt.
Bei schweren Bombenangriffen im Juni wurde rund ein Viertel aller Wiener Kinobetriebe zerstört, darunter das „Busch Kino“ im Prater, der „Sascha Filmpalast“ und das „Schweden Kino“. Am 1. September wurde ein Spielverbot für alle Theater erlassen, Kinos durften jedoch weiterspielen. Dies führte zum Kuriosum, dass aus der Volksoper ab 6. Oktober 1944 für einige Monate das zweitgrößte Kino der Stadt mit nicht weniger als 1.550 Plätzen wurde.
Gegen Kriegsende, im April 1945, wurden weitere Wiener Kinos bei Luftangriffen zerstört, und auch die Geschichte der lebhaften Kinoszene im Wiener Prater endete mit dessen Zerstörung durch die Bombardments Ende des Zweiten Weltkriegs. Lediglich das Lustspieltheater bestand unter verschiedenen Namen bis zu einem Brand 1981 weiter.
In der Zweiten Republik, seit 1945
Im besetzten Nachkriegsösterreich
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Befreiung vom Nationalsozialismus war Österreich von den Alliierten besetzt, und die Filmindustrie kam aufgrund der Kriegsfolgen wie Zerstörung, Armut und Hunger nur sehr schleppend wieder ins Laufen. Die österreichischen Kinos mussten erst einen Monat geschlossen bleiben, bis das Überwachungsorgan der Alliierten, der „Information Service Brunch“, installiert war. Er übernahm die Programmüberwachung sowie die „Entnazifizierung“ der in Film und Theater tätigen Künstler. Am 10. Mai des Jahres wurde das diesbezügliche Gesetz zur „Entnazifierung“ verabschiedet. Es betraf einen Großteil der Wiener Kinos. Bei der Umsetzung der Entnazifizierungsmaßnahmen traten in Wien jedoch zahlreiche Unregelmäßigkeiten auf. So wurden die meisten Kinobetriebe nicht ihren ehemaligen Besitzern oder deren Erben übergeben, sondern der stadteigenen Kiba. Ebenfalls noch im Mai wurde aus der ehemaligen „Reichsfilmkammer“ unter der neuen Verwaltung das „Gremium der Lichtspielunternehmer Österreichs“ („Zentralverband der österreichischen Lichtspieltheater“) wieder hergestellt. Ein Bombenfonds zur Behebung der schlimmsten Schäden wurde ebenfalls ins Leben gerufen. Bereits im August 1945 waren 35 Kinos wieder in Betrieb.
1946 gründeten die sowjetischen Besatzer mit der „Sowexport-Film-Verleih“ ihren eigenen Filmverleih. Die Produktion der ersten Heimatfilme setzte ab 1946 ein, wobei die düstere Atmosphäre der Nazi-Heimatfilme von größerer Leichtigkeit abgelöst wurde. 1946 gründeten Elfi von Dassanowsky und Emmerich Hanus am Bauernmarkt 24 in Wiens Erstem Bezirk die Belvedere-Film. Dessen erste Produktionen waren „Die Glücksmühle“ (1946) und „Märchen vom Glück“ (1949), welcher Gunther Philipp und Nadja Tiller ihre ersten Filmrollen verschafften. Rasch kam es zur Verbindung von Motiven des Heimatfilms mit jenen der Komödie, so etwa bereits im ersten österreichischen Nachkriegs-Heimatfilm, Glaube an mich von 1946 (Regie Geza von Cziffra). Hier spielte der Regisseur Franz Antel eine wesentliche Rolle – oft in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler und Drehbuchautor Gunther Philipp.
1949 erlangte die 1938 in die Schweiz geflohene Maria Schell in Der Engel mit der Posaune ihre erste Hauptrolle. 1954 erhielt sie für ihre Rolle in Die letzte Brücke die Goldene Palme an den Filmfestspielen von Cannes.
Ebenfalls 1949 schrieben Antel und Philipp das Buch zu Kleiner Schwindel am Wolfgangsee (mit Waltraut Haas, Hans Holt, Gunter Philipp, Nadja Tiller, Rolf Olsen u.a.). Rasch kam es zu weiteren Wolfgangsee-Filmen, und dieses Modell wurde in den Wörthersee-Filmen der 1960er und 1970er mit wenigen Änderungen weiter verwendet.
1953 existierten immer noch über 200 Kinos in Wien - zahlreiche Bezirks- und Grätzelkinos, die in den ersten Jahren nach Kriegsende von den zahlreichen internationalen Filmen profitierten, die man nun endlich auch in Wien zeigen konnte. Am 1. Oktober 1954 gingen 32 Kinos Groß-Wiens infolge einer neuen Grenzziehung in niederösterreichisches Territorium über.
Franz Antel drehte in den 1950ern einige der erfolgreichsten österreichischen Filme, wobei er zwischen den Genres pendelte und in Spionage (1955) sogar den Fall des Oberst Redl aus der Monarchie aufgriff und einen durchaus seriösen Film vorlegte. Allerdings war Antel sehr bald als Regisseur in der Bundesrepublik Deutschland mit großem Erfolg tätig und kehrte erst in den späten 1960ern auch als Produzent nach Österreich zurück. Wichtige Regisseure dieser Jahre waren Alfred Stöger, Hubert Marischka, Harald Reinl, Gustav Ucicky, Hans Schott-Schöbinger, Alfred Lehner oder Alfons Stummer, wobei sie in der Regel keine ästhetischen Neuerungen durchsetzten, sondern für eher konventionelle Inszenierungen sorgten. Das Heimat-Genre wurde schließlich auf die Zeit der Monarchie ausgedehnt und mit neuen Motiven angereichert, wobei insbesonders Sissi von Ernst Marischka (mit Romy Schneider, Karlheinz Böhm u.a.) aus dem Jahr 1955 das herausragende Beispiel darstellt, das auch internationalen Erfolg erzielte und zwei Fortsetzungen erlebte.
Der Wiener Prater, einst beliebter Drehort, schien nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch sporadisch in Filmproduktionen auf, etwa in „Wienerinnen“ von 1952.
1955 wurde das Wiener Kinogesetz erlassen, das in den folgenden Jahren mehrfach novelliert wurde - zuletzt 1980. Es schreibt für den Kinobetrieb die Konzessionspflicht vor. Jeder Betrieb muss in einer genehmigten Betriebsstätte statt finden und einen ausgebildeten und geprüften Filmvorführer beschäftigen, der dem Magistrat (MA 7) gemeldet werden muss. Im selben Jahr erschien auch die Kinobetriebsstättenverordnung, die sich zum Großteil auf die ersten kinobaurechtlichen Bestimmungen aus dem Jahr 1916 beriefen.
Höhepunkt der Heimatfilmproduktion
1956 wurde das Breitwandverfahren und die Cinemascopetechnik eingeführt, bald danach auch der Stereoton.
1958 erreichte die Nachkriegsfilmproduktion einen Höhepunkt. Dem Heimatfilm verwandt waren auch einige Operettenverfilmungen, zumal Im Weißen Rössl von Werner Jacobs (mit Waltraut Haas, Peter Alexander) aus dem Jahr 1960. Vereinzelte Versuche, Heimatfilme zu drehen, die auf Positivzeichnungen verzichteten und stärker zeitgenössische Aspekte in den Vordergrund rückten, blieben Einzelfälle und ereigneten sich erst, als das Genre bereits im Abflauen begriffen war. Beispiele sind Der rote Rausch von 1962 (Regie Wolfgang Schleif; mit Klaus Kinski) oder Der Weibsteufel von 1966 nach dem Drama von Karl Schönherr (Regie Georg Tressler; mit Sieghardt Rupp, Maria Emo, Hugo Gottschlich u.a.). Weil der Heimatfilm anfangs viele Zuschauer anzog und finanziell erfolgreich schien, kam es rasch zu einer Überproduktion, sodass immer weniger Filme Gewinne erzielten.
Neben den Heimatfilmen und ihm verwandten Genres nahmen andere Ziele verfolgende Projekte einen untergeordneten Rang ein. So drehte Georg Wilhelm Pabst mit Der letzte Akt von 1955 (mit Albin Skoda als Hitler) den ersten Film über die letzten Tage von Adolf Hitler. Zuvor hatte er sich bereits in Der Prozess (mit Ernst Deutsch) mit dem Thema Antisemitismus beschäftigt.
Österreich war in den 1950ern ein beliebter Drehort für bundesdeutsche Produktionen, die hier auf günstige Bedingungen zurückgreifen konnten. Zugleich ergab sich für österreichische Filmschaffende die Chance, über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu werden. Zahlreiche Filmregisseure und vor allem Schauspieler wanderten in die Bundesrepublik ab. Einst vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten geflüchtet, etablierte sich Otto Preminger in den 1940er- und 1950er-Jahren als Produzent und Regisseur. So produzierte er 1952 den US-Film Engelsgesicht und spielte 1953 als Schauspieler in Billy Wilders bedeutendem US-Nachkriegsfilm Stalag 17 als deutscher Lagerkommandant mit. Weiters entdeckte er bereits Anfang der 1930er-Jahre das Filmtalent Paul Henreid. Ebenfalls in die Vereinigten Staaten geflohen, avancierte er dort zum erfolgreichen Schauspieler - er spielte eine der Hauptrollen im Kultfilm Casablanca - und Regisseur.
In den 1960er erlitt der Filmstandort Österreich einen Rückschlag. Zwar kamen vor allem US-Produktionen nach Österreich, um hier zu drehen, aber aus dem europäischen Koproduktionszirkus war Österreich ausgeschlossen, weil es nicht Mitglied der EWG war. Nur vereinzelt waren Koproduktionen, etwa mit Italien oder Frankreich, zu verzeichnen. Es gelang jedoch nicht, an moderne Filmästhetiken anzuschließen, etwa die französische Nouvelle Vague. Der Regisseur Eddy Saller versuchte, einen österreichischen Trashfilm zu etablieren, scheiterte aber. Erfolgreicher waren Produktionen im Erotikbereich, etwa die Mutzenbacher-Filme von Kurt Nachmann mit Christine Schuberth.
In den 1950ern und 1960ern kam es hingegen zu einer für den österreichischen Film typischen Entwicklung: Der große Kinofilmen verschloss sich Neuerungen, dafür blühte der Avantgardefilm mit Arbeiten von Peter Kubelka oder Kurt Kren, die heute internationale Wertschätzung genießen und zu den wesentlichen Werken dieses Genres zählen. Diese Tradition setzten Ernst Schmidt jr. und Dietmar Brehm erfolgreich fort.
Mitte der 1960er-Jahre setzte in Österreich ein Kinosterben ein, das erst Mitte der 1990er mit dem Neubau zahlreicher Kinocenter ein Ende fand. Zwischen 1960 - besonders ab 1965 - und 1977 schlossen ganze 700 Kinos ihre Pforten. Alleine zwischen 1970 und 1972, die als die „schwärzesten“ Kinojahre der österreichischen Geschichte gelten, schloss ein Drittel aller Kinos. Als einen der Hauptgründe wird die steigende Verbreitung von TV-Geräten genannt. Das erste Kinocenter Österreichs eröffnete 1979 in Braunau. 1980 eröffnete dann auch in Wien mit dem „Multiplex“ das erste Kinocenter. 1983 gab es in Wien 96 Säle in 69 Kinos. 1984 fand in Wien die „Wiener Kinoausstellung“ in der Wiener Stadthalle statt. 1986 bestanden 536 Kinos in Österreich, davon 97 in Wien.
Seit der ersten öffentlichen Kinovorführung im Jahr 1896 sind an die 400 Kinos in Wien belegt. Hatte es zeitweise in allen Bezirken Kinos gegeben, so gab es 1992 bereits neun Bezirke, in denen es kein Kino mehr gab. In den anderen Bezirken gab es fünf mit nur einem Kino. Bei einer Reihe von Kinos handelte es sich auch um einschlägige Sexkinos.
Jüngere Entwicklungen
Neue, jüngere Regisseure erhielten erst in den 1970ern die Möglichkeit, ihr Können zu zeigen. Dazu zählte vor allem Peter Patzak, der von vornherein internationale Ansprüchen genügen wollte und rasch mit den ironisch gebrochenen Kriminalfilmen der ORF-Reihe Kottan ermittelt (die kongenialen Drehbücher verfasste Helmut Zenker) für Aufsehen sorgte (in den 1980ern wurde aus der Reihe eine Serie, die aus einstündigen Episoden bestand und bis 1984 produziert wurde). Dieter Berner konnte mit der ORF-Serie Alpensaga erstmals einen kritischen Heimatfilm etablieren, der über die Grenzen hinaus bekannt wurde. Weitere wichtige Regisseure, die in jenen Jahren aufstiegen, waren Fritz Lehner, Mara Mattuschka, Franz Novotny (Exit - nur keine Panik, 1980) oder Kitty Kino. Der bedeutende Kameramann Christian Berger versuchte sich auch vorübergehend im Regiefach.
1993 existierten 260 Kinos in Österreich, davon 50 in Wien. Wurden 1994 nur noch 379 Kinosäle verzeichnet, stieg deren Anzahl bis 2001 auf einen neuen Höchststand von 564 an. Zugleich sank aber die Zahl der Kinos weiter, auf 176 im Jahr 2003. Diese verfügten jedoch über 553 Säle und über 100.000 Sitzplätze, was einen Durchschnitt von mehr als 3 Sälen pro Kino ergibt. Allein in Wien wurde mit dem Bau mehrerer großer Kinocenter ein dermaßen hoher Sitzplatzüberschuss und damit verbundene niedrige Auslastung erreicht, dass sich die Zahl der Kinosäle aufgrund wirtschaftlicher Probleme alleine zwischen 2001 und 2002 von 191 auf 166 wieder verringerte.
Als ältestes Kino der Welt galt bis zu seiner Schließung im Jahr 1999 das Wiener Erika-Kino, welches 1900 gegründet wurde.
Öffentlicher Umgang mit Kino und Film im Wandel der Zeit
Archivierung
Bereits 1900 gründete die Wiener „Akademie der Wissenschaften“ als erstes wissenschaftliches Institut Europas ein Phonogramm-Archiv, um unter anderem auch Stimmporträts von Künstlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu sammeln. Aus dieser Institution ging 1955 das Österreichische Filmarchiv hervor.
Entstehung des Unterrichtsfilms
1910 erwirkte die Gräfin Walterskirchen das Erlassen eines Gesetzes, welches Kindern den Besuch von Kinos untersagte, um diese zu „schützen“. Die Möglichkeiten des Kinos nutzen, anstatt es abzulehnen, wollte der Wiener Gymnasialprofessor Dr. Alto Arche im Jahre 1907, als er um eine Subvention von 300 Kronen zur Produktion von Unterrichtsfilmen ansuchte. Dies wurde ihm zwar gewährt, doch erschienen die auch heute noch erhaltenen Filme, die Glasbläser, einen Hafnermeister bei der Arbeit, eine Zeugfärberei und ein Kürturnen zeigten, erst 1912 in den Kinos. Die erste Filmvorführung in einer Schule fand am 20. Mai 1912 in der Bürgerschule am Friedrichsplatz im 15. Wiener Gemeindebezirk Rudolfsheim-Fünfhaus statt.
Der Verein „Kastalia“ gründete 1912 die „Erste österreichische Schule- und Reformkinogesellschaft m.b.h.“, welche sodann am Kriemhildplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus das erste Großschulkino „Universum“, das 1913 die ersten Schulvorstellungen gab. Dies geschah nach dem selben Muster wie bei den von Schulrat Jaksch geleiteten Schülervorstellungen an der Urania. Schulgruppen aus ganz Wien wurden zu den Vorstellungen geführt.
Kulturkampf um Kino und Film
Gewisse Kreise der Bevölkerung und die Behörden sahen Kino und Film in dessen Entstehungsjahren trotz der großen Beliebtheit, oder gerade deswegen, als „Unkultur“ an. Dieser negative Aspekt haftet dem österreichischen Film bis heute an, was sich unter anderem darin zeigt, dass Österreich mit jahrzehntelanger Verspätung das letzte westeuropäische Land war, das ein Filmförderungsgesetz verabschiedete. Bis in die 1980er-Jahre wurde die österreichische Filmgeschichte kaum thematisiert oder als kultureller Bestandteil der österreichischen Geschichte angesehen. Die zaghaften Ansätze der heimischen Universitäten zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der österreichischen Filmgeschichte wurde stets nur minimal finanziell unterstützt.
Die bis heute von offiziellen Stellen nicht vollständig erfolgte Anerkennung des Film als künstlerisches Medium wurzelte bereits im „Vagabunden- und Schaustellergesetz“ von 1836, das bis in die 1920er-Jahre Kinobesitzer Vagabunden gleich stellte, was bedeutete, dass Kinobetreiber um eine Lizenz bitten mussten, und diese nur nach Gutdünken des diensthabenden Beamten erhielten, oder auch nicht.
Ein Gesetz verbot ab 1910 Kindern den Besuch von Kinos, und komplizierte Zensurprüfungen machten der Filmwirtschaft das Leben weiterhin schwer. Proteste der Kino- und Filmschaffenden ab 1907, die sich ab 1910 in Verbänden zusammenschlossen, führten erst 1912, am „Internationalen Kinematographenkongreß“ in Wien, zu Erleichterungen. Der Vizepräsident des „Bundes der Kinoindustriellen“, Alexander Ortony, verwies bei dieser Gelegenheit in einer Rede darauf, dass „viele Kulturvölker der Zensur ganz entbehren, und niemand kann behaupten, dass Frankreich, Italien oder Ungarn sich deshalb am Rande des Verderbens befänden“. Ähnlich wie Österreich ging es damals in Westeuropa nur Deutschland, welches über ein unübersichtliches und dezentrales Zensursystem verfügte. Bis 1918 war den Schauspielern des Burgtheaters verboten in irgendeiner Form in Filmen mitzuwirken. Ausnahmen gab es nur sehr selten. Weitere Theater, wie etwa das Volkstheater, folgten diesem Beispiel, um sich vor dem direkten Konkurrenten Kino zu schützen. Erst mit den Auftritten von Alexander Girardi und den Produktionen des Intendanten Max Reinhardt ab 1913 begann sich die Situation etwas zu entspannen.
In den Zeitungen, Film- und Literaturzeitschriften erschienen laufend Beiträge von Größen aus Film, Theater und Literatur, die sich mit Fürs und Wider einen andauernden Schlagabtausch lieferten, wie etwa ob die Theater dadurch nun geschädigt werden, und die Buchabsätze zurückgehen, oder ob Film deren Positionen einnehmen, ersetzen oder ergänzen.
Zwar erschienen ab 1913 (Gedanken zu einer Ästhetik des Kinos von Georg Lukács) und 1914 in Deutschland („Zur Soziologie des Kino“ von Emilie Altenloh) bereits erste wissenschaftliche Abhandlungen zu Kino und Film, doch änderte dies vorerst nichts am steigenden Widerstand von Schulbehörden, Kirche, Polizei und Theaterverbänden gegen das Kino. Erst Mitte der 1920er entspannte sich dieser „Kulturkampf“ mit dem Erscheinen der großen filmtheoretischen Schriften von Sergej Eisenstein und Béla Balázs.
Literatur
- Walter Fritz: Kino in Österreich 1896 - 1930. Der Stummfilm. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1981
- Walter Fritz: Kino in Österreich 1929 - 1945. Der Tonfilm. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1991, 256 S.
- Walter Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt: 100 Jahre Kino und Film in Österreich. 1. Auflage. Verlag Christian Brandstätter, Wien 1997, ISBN 3854476612
- Walter Fritz, Margit Zahradnik: Erinnerungen an Graf Sascha Kolowrat. Österreichisches Filmarchiv, Wien 1992, 83 S.
Quellenzitate
- ↑ Richard Kutschera: Geliebte Traumwelt. Linz 1961
- ↑ Peter A. Schauer: Filme im alten Österreich. Der Höritzer Passionsfilm. Wien 1996
- ↑ E. Kieninger: A la Lumière. In: Medien und Zeit 4 (1993), S. 23
- ↑ Walter Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt. Wien, 1996. S. 63
- ↑ Walter Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt. Wien 1996. S. 54
- ↑ Walter Fritz, Margit Zahradnik: Erinnerungen an Graf Sascha Kolowrat. Wien 1992, S.32 f
Weblinks
- www.filmarchiv.at - Österreichisches Filmarchiv