Der Betrieb der Wiener Straßenbahn (auch Bim genannt) blickt in Wien auf eine lange Tradition zurück: Schon am 4. Oktober 1865 fuhr die erste Pferdetramway Wiens vom Schottentor nach Hernals. Um einen leistungsfähigeren Betrieb zu ermöglichen wurde am 27. Oktober 1883 die erste Dampftramwaystrecke eröffnet. Betrieben wird die Straßenbahn von den Wiener Linien, welche sich zur Gänze im Besitz der Stadt befinden. Die Spurweite beträgt wie auch bei der Eisen- und U-Bahn 1435 Millimeter.

Liniennetz
Die 33 (40) Wiener Straßenbahnlinien | |
---|---|
Linie | Strecke |
D | Südbahnhof - Nußdorf, Beethovengang |
J | Karlsplatz, Bösendorferstraße - Ottakringer Straße, Erdbrustgasse |
N | Prater Hauptallee - Floridsdorfer Brücke, Friedrich-Engels-Platz |
O | Raxstraße, Rudolfshügelgasse - Praterstern |
1 | Ring - Kai - Ring (im Uhrzeigersinn) |
2 | Ring - Kai - Ring (entgegen dem Uhrzeigersinn) |
5 | Praterstern - Westbahnhof |
6 | Burggasse, Stadthalle - Zentralfriedhof 3. Tor |
9 | Gersthof, Wallrißstraße - Westbahnhof |
10 | Dornbach, Güpferlingstraße - Hietzing, Kennedybrücke |
18 | Burggasse, Stadthalle - Schlachthausgasse |
21 | Schwedenplatz - Praterkai |
25 | Aspern, Oberdorfstraße - Leopoldau |
26 | Kagran - Strebersdorf (Wien), Edmund-Hawranek-Platz |
30 | Floridsdorf - Stammersdorf |
31 | Schottenring - Stammersdorf |
33 | Josefstädter Straße - Floridsdorfer Brücke, Friedrich-Engels-Platz |
37 | Schottentor - Hohe Warte (Wien) |
38 | Schottentor - Grinzing |
40 | Schottentor - Gersthof, Herbeckstraße |
41 | Schottentor - Pötzleinsdorf |
42 | Schottentor - Antonigasse |
43 | Schottentor - Neuwaldegg |
44 | Schottentor - Dornbach, Güpferlingstraße |
46 | Dr.-Karl-Renner-Ring - Joachimsthalerplatz |
49 | Dr.-Karl-Renner-Ring - Hütteldorf, Bujattigasse |
52 | Westbahnhof - Baumgarten |
58 | Westbahnhof - Unter St. Veit, Hummelgasse |
60 | Hietzing, Kennedybrücke - Rodaun |
62 | Kärntner Ring, Oper - Lainz, Wolkersbergenstraße |
65 | Kärntner Ring, Oper - Stefan-Fadinger-Platz |
67 | Otto-Probst-Platz - Kurzentrum Oberlaa |
71 | Schwarzenbergplatz (Schubertring) - Kaiserebersdorf, Zinnergasse |
Sonderlinien, Einschublinien | |
E | Schottenring - Gerasdorfer Straße |
O | Stadion - Raxstraße, Rudolfshügelgasse |
5 | Stadion - Westbahnhof |
29 | Stadion - Floridsdorf |
43 | Stadion - Betriebsbhf. Hernals |
45 | Stadion - Joachimsthalerplatz |
81 | Praterstern - Elderschplatz |
Die Wiener Straßenbahn verfügt über eine Gesamtgleislänge von 188 km, womit Wien nach St. Petersburg (ca. 288 Kilometer) über das zweitgrößte Streckennetz Europas und das Drittgrößte der Welt (Melbourne: 238 Kilometer) verfügt. Köln verfügt mit 188,5 Kilometer Gesamtgleislänge über ein in etwa gleich langes Streckennetz, jedoch erst seit der Übernahme der Köln-Bonner Eisenbahn. Die Länge des Gesamtliniennetzes ergibt sich durch das addieren der Streckenlänge jeder einzelnen Straßenbahnlinie und beträgt für die 33 Stammlinien 231,7 Kilometer.
Geschichte
Der erste Vorläufer der Straßenbahn in Wien war die Brigittenauer Eisenbahn, eine Pferdebahn, die von 1840 bis 1842 vom Donaukanal zum Vergnügungsetablissement Kolosseum am Ende der Jägerstraße in der Brigittenau führte.
Um den Bau einer Pferdetramway in Wien bewarben sich mehrere Firmen, von denen sich Schaeck-Jaquet & Comp. durchsetzen konnte. Am 4. Oktober 1865 konnte der Betrieb zwischen Schottentor und Hernals aufgenommen werden, am 24. April 1866 wurde die Strecke bis Dornbach verlängert. In der Folge versuchte die Gemeinde Wien, auch andere Unternehmen zum Bau von Straßenbahnstrecken zu bewegen. Wegen der harten Bedingungen schlossen sich jedoch alle Bewerber (inkl. Schaeck-Jaquet) zusammen, so dass die nun gebildete Wiener Tramwaygesellschaft als alleinige Unternehmung übrigblieb. Sie baute in der Folge den größten Teil des Wiener Straßenbahnnetzes. Als Konkurrent bildete sich 1872 die Neue Wiener Tramwaygesellschaft, die aber vorläufig nur ein Netz in den Vororten aufbauen konnte.
Am 28. Jänner 1897 fuhr erstmals eine elektrische Straßenbahn auf den Gleisen der heutigen Linie 5. Auch begünstigt durch die geringere Lärm- und Geruchsbelästigung im Vergleich zur Pferdetramway und Dampftramway setzte sich die elektrische Straßenbahn langfristig durch. 1903 fuhr die Pferdetramway letztmals, die Dampftramway hingegen konnte noch bis 1922 ihre Dienste auf einigen Streckenästen verrichten.
Bis 1910 wurden - noch in der Tradition der Pferdestraßenbahn, wo der Direktkontakt des Fahrers mit den vorgespannten Pferden erforderlich war - ausschließlich Straßenbahnwagen ausgeliefert, deren Plattformen (bzw. Führerstände) nicht verglast waren, sprich: keine vor Kälte und Wind schützenden Fenster hatten. Es dauerte bis 1930 bis die Führerstände und Plattformen aller Straßenbahnwagen über schützende Glasscheiben verfügten.
Während des Ersten Weltkrieges war der Betrieb zunehmend schwieriger durchzuführen. Ab 1916 mussten teilweise Frauen die Arbeiten der zum Militär eingerückten Männer übernehmen, und aufgrund der harten Rahmenbedingungen dieser Zeit musste der Betrieb teilweise auch eingestellt werden.
Dass das Wiener Straßenbahnnetz seine größte Ausdehnung mit 292 Kilometern Strecke bereits in der Zwischenkriegszeit erfuhr, erscheint auf den ersten Blick erstaunlich. Doch man muss an dieser Stelle auch erwähnen, dass Wien selbst bereits um die Jahrhundertwende mit über 2 Millionen Einwohnern seine größte Einwohnerzahl erlebte, welche erst nach dem 1. Weltkrieg merklich zu sinken begann, auf rund 1,5 Millionen bei der Volkszählung von 1991. (Seither steigt die Einwohnerzahl wieder leicht.)
1938, nach dem Anschluss, wurde der Straßenbahnverkehr von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt. Während des Zweiten Weltkriegs, so lange Wien noch von Kampfhandlungen verschont blieb, erlebte der Straßenbahnbetrieb seine Beförderungshöchstleistung. Auf dem damals noch umfangreicheren Streckennetz wurden 1943 fast 732 Millionen Fahrgäste befördert. 18.000 Personen fanden bei der Wiener Straßenbahn Arbeit. Zu Kriegsende allerdings, als auch Wien von Kampfhandlungen nicht mehr verschont blieb, war ein Großteil der insgesamt 4.000 Straßenbahnwagen mehr oder weniger beschädigt. Rund 400 davon waren irreparabel. Die Wiederherstellung des Streckennetzes sollte bis ca. 1950 andauern, einige kurze Streckenabschnitte wurden nicht mehr in Betrieb genommen.
Bis in die 50er-Jahre wurde das Netz noch durchwegs mit den alten, reparierten und teilweise mit neuen Aufbauten versehenen Wagen bedient, da erst ab 1951 neue angeschafft werden konnten. Diese Fahrzeugtypen waren jedoch durchwegs in Serien geringer Stückzahl beschafft worden, da ab 1955 die vollständige Abschaffung der Straßenbahn auch in Wien als verkehrsplanerische Vision umging und Investitionen daher nur zögerlich getätigt wurden.
Waren Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts private PKWs noch die Ausnahme, da schlicht zu teuer für den größten Teil der Bevölkerung, wurde mit der Zunahme des motorisierten Individualverkehrs in der Nachkriegszeit der Ruf nach einer autogerechten Stadt laut. Der Schienenverkehr auf der Straße wurde dabei als "Verkehrshindernis" angesehen (der Begriff Verkehr dabei nur noch auf das Automobil bezogen), die vollständige Verlagerung des öffentlichen Verkehrs auf die Untergrundbahn und Omnibusse als Zukunftsvision verfolgt.
1958 wurde mit der Umstellung der kurzen Linie 158 die Praxistauglichkeit des Omnibusses als Ersatz für die Tram getestet, ab 1960 erfolgte die kontinuierliche Umstellung von Linien mit Streckenführungen durch enge Straßenzüge im dicht verbauten Gebiet innerhalb des Wiener Gürtels, bekanntestes Beispiel die Linie 13 vom Südbahnhof zur Alserstraße. Aber auch einzelne Strecken an der Peripherie und über die Stadtgrenze hinaus in Umlandgemeinden wurden durch Buslinien ersetzt.
Die Erkenntnis, dass die geplante Abschaffung der Straßenbahn insbesonders durch den eher langwierigen Bau des geplanten U-Bahn-Netzes kein kurzfristiges Vorhaben sein würde, führte mit den ab 1959 gebauten sechsachsigen Gelenktriebwagen der Typen "E" und "E1", von denen bis zum Jahr 1976 insgesamt 427 Exemplare gebaut wurden, zu einem auf Langlebigkeit ausgerichteten Generationswechsel im Fuhrpark.
Mit dem Bau der Wiener U-Bahn kam es zu weiteren, teils umfangreichen Streckeneinstellungen im Straßenbahnnetz. Parallelführungen mit der U-Bahn auch auf kurzen Abschnitten sind nicht vorgesehen. Da diese Planungspolitik auch heute noch umgesetzt wird, ist mit dem Ausbau des U-bahn-Netzes auch weiterhin mit Stilllegungen im Straßenbahnbetrieb zu rechnen. Das Verkehrsmittel Straßenbahn an sich ist in Wien heute jedoch nicht mehr in Frage gestellt.
Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde in den Beiwagen ab 1964, und in den Triebwagen ab 1972 damit begonnen, keine Schaffner mehr einzusetzen. Aber nicht zuletzt aus personalpolitischen Gründen dauerte es noch bis 1996, bis der letzte Schaffner auf der Linie 46 seinen Dienst beendete.
Bereits 1995 setzte Wien die ersten Niederflurwagen, genannt "ULF" (Ultra Low Floor = extrem niedriger Boden) ein. Diese von Simmering-Graz-Pauker (heute Siemens) und Elin gemeinsam entwickelten und hergestellten Fahrzeuge weisen mit 18 Zentimetern die niedrigste Einstiegshöhe weltweit aus. Im Bedarfsfall kann die Einstiegstufe sogar verlängert und auf 10 Zentimeter gesenkt werden. In Wien sind derzeit (Mai 2006) rund 150 Exemplare in zwei Varianten im Einsatz.
Über die lange Straßenbahntradition in Wien kann man sich heutzutage an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 16 Uhr von Mai bis Oktober im Wiener Straßenbahnmuseum am Ludwig-Koeßler-Platz im 3. Bezirk auf einer Ausstellungsfläche von 7.500 Quadratmetern informieren.
Siehe auch: Liste der Streckeneröffnungen
Nummerierung der Linien
Um das Streckennetz übersichtlich zu gestalten, wurde es erforderlich, den Fahrgästen den Laufweg der Wagen kenntlich zu machen. Im Jahre 1907 trat die prinzipiell heute noch gültige Ordnung in Kraft. Entsprechend der Einteilung der Stadt in die einzelnen Bezirke und dem Verlauf der wichtigsten Verkehrswege schien nachfolgende Gliederung damals am zweckmäßigsten:
- Rundlinien (Tangentiallinien) - Nummerngruppe 1 bis 20
Diese verkehren in kreisförmigen Abschnitten um die Innenstadt.
- Radiallinien - Nummerngruppe 21 bis 82
Diese verkehren von der Innenstadt stadtaus- oder stadteinwärts. Ausgehend von der sogenannten "Direktionslinie" die der Achse Ausstellungsstraße - Praterstraße entspricht, erfolgt die Nummerierung gegen den Uhrzeigersinn in aufsteigender Reihenfolge.
Nummern über 100 waren einigen ehemaligen Dampftramwaystrecken an den Stadtrand vorbehalten, die zum Teil auch in Umlandgemeinden in Niederösterreich hinausführten und bis ca. Ende der 60er-Jahre eingestellt wurden. Bis zum Jahr 1967 existierte z. B. noch die Linie 360, die als Fortsetzung der Linie 60 von Mauer über Perchtoldsdorf und Brunn nach Mödling führte.
- Durchgangslinien - Buchstabengruppe A bis Z
Diese stellen die Verbindung zwischen einer Rundlinie und einer oder zwei Radiallinien unter Befahrung eines Teilstückes der Ringstraße her. Die Bezeichnung beginnt ebenfalls ausgehend von der Direktionslinie gegen den Uhrzeigersinn in aufsteigender Reihenfolge. Durchgangslinien, die ein Teilstück der Lastenstraße befuhren, erhielten Buchstaben mit dem Index "2" zugeteilt, z. B. E2 oder H2. (In der Wiener Umgangssprache "Zweierlinien" genannt.)
Daneben waren noch weitere Unterscheidungsmerkmale, wie K für Linien, die über den Kai Donaukanal oder R für Linien über den Ring fuhren, eingeführt worden.
Mit der Einführung und Ausdehnung des städtischen Autobusnetzes wurde dieses System etwas verwässert und heutzutage bestehen einige Inkonsequenzen. Zur besseren Unterscheidung zum Straßenbahnnetz führen Autobuslinien seit mehreren Jahren generell hinter der Linienbezeichnung einen Buchstaben (A oder B)
Die Signalisierung der Linien erfolgte ursprünglich in Form von schwarz lackierten Blechscheiben mit einem Durchmesser von 35 Zentimetern, aus denen die Buchstaben der jeweiligen Linie ausgeschnitten waren. Diese wurden auf die mit einer Milchglasscheibe versehenen Dachsignale der Triebwagen aufgesteckt und wiesen somit bei Tag und Nacht eine gute Lesbarkeit auf.
Ab dem Jahre 1949 kamen so genannte Zweisicht-Dachsignale zur Anwendung, die auch von der Seite lesbar waren. Diese Einrichtung bewährte sich derart gut, dass sie noch bis in unsere Tage angewandt wird. Die Type E2 verfügt über Brosebänder, sie haben möglicherweise die beste Lesbarkeit aller Anzeigen. Bei den ULF werden große Matrixanzeigen verwendet, die unter vielen Bedingungen durch Reflexionen (Tageslicht, Straßenbeleuchtung) auf der davorliegenden Frontscheibe jedoch schlecht ablesbar sind.
Fuhrpark
Der Fuhrpark der Wiener Straßenbahn umfasst 544 Triebwagen, wovon 152 ULF-Niederflurstraßenbahnen sind, und 301 Beiwagen. Stand: April 2006.
Literatur
Wolfgang Kaiser, Die Wiener Straßenbahnen, Verlag GeraMond, 2004, ISBN 3-7654-7189-5