Koreanische Sprache

hauptsächlich in Nord- und Südkorea gesprochene Sprache
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Die Koreanische Sprache (Koreanisch) wird hauptsächlich in Korea (Süd- und Nordkorea) von mehr als 70 Mio. Menschen gesprochen. Die lokalen Namen sind Chosŏnŏ (조선어) oder Chosŏnmal (조선말) in Nordkorea und Han-guk-eo (한국어) oder Han-gungmal (한국말) in Südkorea. Die unterschiedlichen Namen kommen von den unterschiedlichen Eigenbezeichnungen Süd- bzw. Nordkoreas für ihr Land. Auf dem Gebiet der Volksrepublik China gibt es eine koreanischsprachige Minderheit (Eigenbezeichnung "Joseonjeok" ;조선적). In China hat koreanisch offiziell den Status einer anerkannten Minderheitensprache. In den zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion lebt eine koreanischsprachige Minderheit mit der Eigenbezeichnung "Goryeoin" oder "Goryeosaramdeul" (고려인, 고려사람들). Weitere größere koreanischsprachige Minderheiten außerhalb Koreas gibt es in Japan und den USA.

Die koreanische Sprache wird seit dem 15. Jahrhundert mit Hilfe ihrer eigenen Schrift, dem Hangeul-Alphabet, geschrieben. Ein großer Teil der koreanischen Sprache besteht aus chinesischen Lehnwörtern, so daß auch die chinesischen Zeichen (in Korea Hanja genannt) benutzt werden, auch wenn ihr Gebrauch stark zurückgeht. In Nordkorea wird ausschließlich Hangeul benutzt.

Der Language Code ist ko bzw. kor (nach ISO 639).

Einordnung der Sprache

Die Klassifizierung der koreanischen Sprache ist diffizil. Ein großer Teil der Forschergemeinde geht von einer Einordnung des Koreanischen in die Gruppe der altaischen Sprachfamilien aus, aber auch die Meinung, dass es sich um eine isolierte Sprache handle, wird vertreten. Historisch belastet ist die Annahme einer Verwandtschaft mit dem Japanischen, mit dem das Koreanische auffallende strukturelle Gemeinsamkeiten (wenn auch praktische keine Übereinstimmungen im Wortschatz) besitzt. Teilweise wird diese mögliche Verwandtschaft aufgrund des schwierigen historischen Verhältnisses (nicht erst seit dem japanischen Imperialismus) zwischen den beiden Nationen nicht weiter verfolgt. Die gewagte These des deutschen Koreanisten Andre Eckardt, wonach die koreanische Sprache gar der indogermanischen Sprachfamilie zuzuordnen sei, die er mit der auf den ersten Blick beeindruckenden Anzahl von bis zu 500 Vokabelübereinstimmungen zu belegen versuchte, gilt heute nach herrschender Lehrmeinung als vollständig unhaltbar. Eine Verwandtschaft mit dem Chinesischen kann ebenso ausgeschlossen werden, da das Koreanische keinerlei strukturelle Gemeinsamkeiten mit den sino-tibetischen Sprachen besitzt. Bei den mit chinesischen Zeichen geschriebenen sino-koreanischen Wörtern handelt es sich um Lehnwörter, die aufgrund der engen kulturellen Beziehung zu China übernommen wurden, ohne dass zwischen den Sprachen der beiden Länder eine verwandtschaftliche Beziehung bestand. Für die Einordnung der koreanischen Sprache in die Gruppe der altaischen Sprachfamilien sprechen folgende Gemeinsamkeiten mit den Sprachen dieser Familie:

  1. Vokalharmonie
  2. Restriktion des Konsonantensystems am Wortanfang
  3. Agglutination
  4. fehlende Vokal- und Konsonantenalternation
  5. fehlende [[Pronomen#Relativpronomen_(bez%fcgliches_F%fcrwort)|Relativpronomina]] und Konjunktionen
  6. Vorhandensein einer Konverbalform

Geschichte

Das Koreanische ist heute eine einheitliche Sprache, die sich außer in den Dialekten nicht regional unterscheidet. Im Altertum war diese Einheitlichkeit der koreanischen Sprache aber noch nicht gegeben. Es wird angenommen, dass sich die Sprachen, aus denen das heutige Koreanische entwickelte, zu Beginn unserer Zeitrechnung in die Gruppe der Buyeo-Sprachen (夫艅) im Norden und der Han-Sprachen (韓) im Süden aufteilten. Chinesische Quellen aus dem 3. Jahrhundert bestätigen diese Einteilung.

Urformen: Sprachen der Buyeo-Stämme

Aus der Buyeo-Gruppe entwickelte sich die Sprache des Reiches Goguryeo (auch: Koguryŏ; 高句麗; 고구려, 1 Jahrhundert n. Chr. bis 668 n. Chr.). Einzig aus der Goguryeo-Sprache sind schriftliche Zeugnisse aus der Buyeo-Gruppe erhalten geblieben. Aus der Analyse des vorhandenen Wortschatzes lässt sich schliessen, dass es sich bei der Goguryeo-Sprache um eine dem tungusischen nahestehende Sprache mit deutlich altaischem Charakter handelt. Die Goguryeo-Sprache weist erstaunliche Parallelen einerseits zum Mittelkoreanischen, andererseits zum Altjapanischen auf. So entspricht Goguryeo *tan, *tuan dem altjapanischen tani (Tal) und Goguryeo *usaxam entspricht auf Altjapanisch usagi (Hase). Aufgrund dieser und anderer Übereinstimmungen (etwa in den Zählwörtern) wird teilweise von der Hypothese einer Verwandschaft des Koreanischen mit dem Japanischen über das Bindeglied der Goguryeo-Sprache ausgegangen. Gleichzeitig kann die Goguryeo-Sprache als Beleg für die Einordnung des Koreanischen in die altaische Sprachfamilie gesehen werden.

Urformen: Sprachen der Han-Stämme

Aus den Sprachen der Han-Gruppe entwickelte sich die Sprache des Baekje-Reiches (auch: Paekche; 백제, 百濟;, 660 n. Chr. untergegangen). Die heute erhaltenen Fragmente der Baekje-Sprache zeigen, dass diese Sprache dem Mittelkoreanischen bzw. der Sprache des folgenden Silla-Reiches sowohl im Wortschatz als auch morphologisch sehr nahe stand.

Vereinheitlichung durch Silla

Als das Königreich Silla (auch: Shilla; 신라; 新羅) im 7. Jahrhundert die anderen Reiche der koreanischen Halbinsel unterwarf und zur absoluten kulturellen Hegemonialmacht wurde, löschte es nicht nur die sonstigen Vorgängersprachen des Koreanischen aus, sondern einte auch erstmals die Stämme Koreas politisch. Dieser für die Entwicklung der koreanischen Sprache gar nicht hoch genug einzuschätzende Vorgang kann geschichtlich mit der Übernahme des Lateinischen, einer ursprünglich von Hirten aus der Umgebung der späteren Stadt Rom gesprochenen Sprache, auf dem gesamten Gebiet Italiens verglichen werden, nachdem Rom diese Gebiete erorberte. Im Grunde kann erst seit der Periode des vereinigten Silla-Reiches von einer gemeinsamen koreanischen Sprache gesprochen werden. Aus der Sprache des Silla-Reiches entwickelte sich das Mittelkoreanische.

Mittelkoreanisch

Die Entwicklung des Mittelkoreanischen begann etwa im frühen 10. Jahrhundert. Bis zur Einführung einer eigenen koreanischen Schrift im 15. Jahrhundert, dem Hangeul, sind sprachliche Zeugnisse allerdings nur fragmentarisch und in der damals üblichen chinesischen Schrift erhalten. Etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts (zur Zeit der Hideyoshi-Invasion) kann man allerdings phonologische und morphologische Veränderungen nachweisen, die etwa im 17. Jahrhundert (zur Zeit des Joseon-Reiches) abgeschlossen waren. Das nun entstandene Koreanisch weicht vom vorher üblichen Mittelkoreanisch teilweise erheblich ab und stellt im Grunde die heute in Korea gesprochene Sprache dar.

Heutiges Koreanisch

In der neusten Geschichte gab es bedingt durch die mit dem Korea-Krieg entstandene Teilung des Landes sprachpolitisch getrennte Entwicklungen in den beiden Teilen Koreas. In Südkorea orientiert sich die Standardsprache in Aussprache und Rechtschreibung am Dialekt der Hauptstadt Seoul, in Nordkorea wurde der um Pjöngjang gesprochene Dialekt zur Standardsprache. Die Unterschiede zwischen den koreanischen Dialekten sind allerdings marginal, so dass Koreanisch von allen Koreanern (mit Ausnahme dem auf der Insel Jeju gesprochenen Dialekt) überall auf der koreanischen Halbinsel gleich gut verstanden wird.

Grammatik

Wie bereits oben erwähnt handelt es sich beim Koreanischen um eine agglutinierende Sprache. Weitere Besonderheiten des Koreanischen sind die reich ausgeprägten Regeln zur Morphologie der Verben und das Honorativsystem. Sowohl Verb als auch Nomen können innerhalb des Satzes in ihrer Beziehung zum Aussagegehalt und zum Stellenwert durch morphologische Mittel bestimmt werden. Bei den Verben geschieht das im wesentlichen durch Affixe (Suffix und Infix), bei den Nomen durch Postpositionen.

Verben

Die Verben gliedern sich im Koreanischen in zwei Hauptgruppen: Prozessive Verben, die Vorgänge oder Tätigkeiten beschreiben (먹다 meogda essen, 감사하다 gamsa hada Dank aussprechen) und die qualitativen Verben, die Eigenschaften oder Zustände bezeichnen und damit von der Funktion den Adjektiven im Deutschen oft nahe kommen (싸다 ssada preiswert sein, 까맣다 ggamada schwarz sein). Eine Sonderstellung nimmt das Verb "이다 ida" ein, das im Deutschen "sein" entspricht und damit als Kopula fungiert.

Das koreanische Verb besteht in seiner Infinitivform aus einem Stamm und dem Affix "다" -da. Aus dem Stamm wird die Konverbalform (auch erweiterter Stamm) gebildet, die Basis für weitere Verformen, die sich an sie anschließen könne, etwa die Vergangenheitsform.

Beispiel für das Verb 먹다 meogda (essen):

meog Verbstamm
먹다 meogda Infinitivform aus Stamm + 다 -da
먹어 meogeo Konverbalform aus Stamm + 어 eo
먹었다 meogeossda Vergangenheitsform aus Konverbalform + Vergangenheitsform ㅆ ss + Infinitivendung 다 -da: "gegessen haben"

Honorativsystem

Das koreanische System der Höflichkeitsstufen (Honorativ) ist ausgesprochen komplex und eine Einteilung der Sprechstufen ist in der Literatur nicht einheitlich geregelt. Am häufigsten begegnet man im Alltag aber zwei wichtigen Sprechstufen, die als Honorativ I und Honorativ II bezeichnet werden und beide in etwa dem deutschen "Sie" entsprechen. Sie sollen beispielhaft für das koreanische Honorativsystem vorgestellt werden.

Honorativ I

Diese Form wird durch die Konverbalform des Verbes und das Suffix 요 -yo gebildet. Ursprünglich allein im Seouler Dialekt benutzt, wurde diese Honorativform lange Zeit hauptsächlich von Frauen benutzt, ist aber jetzt überall in Korea bei beiden Geschlechtern verbreitet. Benutzt wird sie meistens (aber nicht ausschließlich) gegenüber Fremden gleicher oder niedrigerer sozialer Rangstufe, aber auch unter befreundeten Erwachsenen.

Honorativ II

Diese Form wird durch den Verbstamm und das Suffix ㅂ니다 / 습니다 -bnida bzw. seubnida gebildet. Sie wird meistens (aber nicht ausschließlich) benutzt gegenüber Älteren, Menschen mit deutlich höherem sozialen Rang oder bei formellen Anlässen. Auch Nachrichtensprecher im Fernsehen benutzen diese Sprechstufe.

Honorativinfix -si-

Die meisten Verben können zusätzlich zur benutzten Honorativform noch mit dem Honorativinfix 시 -si- versehen werden. Zum Einsatz kann dieser Infix zum Beispiel kommen, wenn sich die Gesprächspartner auf einer niedrigeren Sprechstufe unterhalten, aber über eine nicht anwesende Person höherer sozialer Rangordnung reden. Ebenso kann so in Zusammenhang mit Honorativ I oder II eine besonders höfliche direkte Anrede gebildet werden.

Anrede in der Konverbalform

Auch die Anrede in der Konverbalform ist grundsätzlich möglich, die von der Höflichkeit etwa einer Stufe unterhalb dem "Du" im Deutschen entspricht. Gegenüber kleinen Kindern oder sehr engen Freunden und einigen Familienangehörigen ist sie die Norm, gegenüber den meisten Erwachsenen wird sie so gut wie nie eingesetzt, es sei denn, der Sprecher möchte gerne einen Streit anfangen.

Grußformel

Als Beispiel soll die in Korea übliche Begrüßung in verschiedenen Honorativformen vorgestellt werden:

안녕 annyeong Nur akzeptabel gegenüber kleinen Kindern und sehr engen Freunden
안녕 하세요 annyeong haseyo Honorativ I + Honorativinfix: übliche Begrüssung normaler Höflichkeit. "Mögen Sie Frieden haben!"
안녕 하십니까? annyeong hasimnikka? Honorativ II + Honorativinfix: höflichere Begrüßung. "Haben Sie Frieden, verehrter Herr/verehrte Dame?"

Nomen

Nomen besitzen im Koreanischen grundsätzlich weder Genus, noch Numerus oder Kasus. Allerdings kann bei Bedarf eine entsprechende Markierung als Postposition angehängt werden. Einen sehr kleinen Ausschnitt aus der Liste der möglichen Postpositionen zeigt die folgende Tabelle.

가, 이 -ga, -i Nominativpostposition
-deul Pluralpostposition
-eui Genitivpostposition
과, 와, 하고 -gwa, -wa, -hago Koordinationspostposition
으로, 로 -euro, -ro Instrumentalpostposition

Nomen können auch weggelassen werden, solange Thema und Rhema der Aussage aus dem Kontext erschlossen werden können. Ein typischer koreanischer Satz kann so vollkommen ohne Nomen auskommen.

Wortschatz

Der Wortschatz des modernen Koreanisch entstammt hauptsächlich zwei Quellen, der "rein koreanischen" Volkssprache und aus dem Chinesischen übernommene sino-koreanische Lehnwörter. Eine genaue Angabe des Verhältnisses der beiden Quellen ist schwer möglich, allerdings wird allgemein angenommen, dass zwischen 40% und 60% aller Nomen im Koreanischen sino-koreanisch und damit chinesischen Ursprungs sind. Der Grund für die ausserordentlich hohe Anzahl von chinesischen Lehnwörtern liegt in dem ungemein engen Kontakt, den Korea im Laufe der gesamten Geschichte zum "großen Bruder" China pflegte und in der in Korea zur Staatsreligion erhobenen Philosophie bzw. Religion des Konfuzianismus.

In jüngerer Zeit wurden besonders in Südkorea Lehnworte aus dem Englischen übernommen und der koreanischen Phonologie angepasst (z.B. 콤퓨터 Kompyuteo für Computer).

Fast völlig verschwunden sind dagegen Lehnwörter aus dem Japanischen. Statt wie noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts (zur Zeit der japanischen Kolonialherrschaft) 벤토 bento, heißt die Lunchbox in Korea heutzutage rein koreanisch 도시락 dosirak. Der Grund für die Ausmerzung japanischer Lehnwörter liegt an den schmerzhaften Erinnerungen an die Zeit der japanischen Besatzung, die sie hervorrufen.

Selten, aber vorhanden, sind auch Lehnwörter aus dem Deutschen. Mit 호프 hopeu (Anpassung des Wortes "Hof" an die koreanische Phonologie) wird in Korea eine Kneipe bezeichnet, in der Getränke im westlichen Stil, insbesondere Bier, ausgeschenkt werden. Und mit 아르바이트 areubaiteu (von "Arbeit") bezeichnen Koreaner Aushilfs- und Studentenjobs.

Literatur

  • B. Lewin; T. Kim (1974). Einführung in die koreanische Sprache. Heilbronn
  • Lee, Ki-Moon (1977). Geschichte der koreanischen Sprache. Wiesbaden