Giornico

Gemeinde im Kanton Tessin in der Schweiz
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Giornico [dʒorˈniko], in der alpinlombardischen Ortsmundart [ʒjorˈniːk],[5] deutsch veraltet Irnis, ist eine politische Gemeinde und der Hauptort des Kreises Giornico (Bezirk Leventina) im Schweizer Kanton Tessin.

Giornico
Wappen von Giornico
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Tessin Tessin (TI)
Bezirk: Bezirk Leventinaw
Kreis: Kreis Giornico
BFS-Nr.: 5073i1f3f4
Postleitzahl: 6745
Koordinaten: 710460 / 139748Koordinaten: 46° 24′ 0″ N, 8° 52′ 30″ O; CH1903: 710460 / 139748
Höhe: 391 m ü. M.
Höhenbereich: 303–2740 m ü. M.[1]
Fläche: 26,00 km²[2]
Einwohner: 1694 (31. Dezember 2023)[3]
Einwohnerdichte: 65 Einw. pro km²
Ausländeranteil:
(Einwohner ohne
Schweizer Bürgerrecht)
36,6 %
(31. Dezember 2023)[4]
Website: www.giornico.ch
Giornico
Giornico
Lage der Gemeinde
Karte von GiornicoGelmerseeRäterichsbodenseeGrimselseeToteseeGöscheneralpseeLai da CurneraLai da NalpsLai da Sontga MariaLago di LuzzoneLago di LucendroLago della SellaLago RitómLago di TomLago della StabbioLago di CadagnoLago di DentroLaghi ChièraLago TremorgioLago del SambucoLago di MorghiroloLago LaghettoLago del NarètLago NeroLago SfundauLago di RobieiLago del ZöttLago dei CavagnööLago del ToggiaLago CastelLago di MorascoLago del SabbioneGriessee (Schweiz)Bacino di Val MalvagliaItalienKanton BernKanton GraubündenKanton UriKanton WallisBezirk BellinzonaBezirk BlenioBezirk LocarnoBezirk RivieraBezirk VallemaggiaAiroloBedrettoFaidoGiornicoPersonicoPollegioDalpeQuinto TI
Karte von Giornico
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Geographie

Das Dorf liegt in der Talsohle der Leventina beidseits des Flusses Tessin. Zwischen den Dorfteilen liegt eine bewohnte Flussinsel. Zur Gemeinde gehört das kleine Dorf Altirolo nordwestlich Giornicos. Von Norden kommend ist Giornico der erste Ort mit südlichem Charakter.

Die Gemeinde grenzt im Norden an Faido, im Osten an Sobrio, im Ostsüdosten an Bodio, im Süden an Personico, im Südwesten an Frasco und im Westen an Chironico.

Geschichte

 
Denkmal Battaglia dei Sassi Grossi

Im Mittelalter gehörte Giornico, zusammen mit den drei ambrosianischen Tälern, dem Domkapitel Mailand und war zugleich ein Gerichtsort der Leventina. 1403 wurde es erstmals von Uri und Unterwalden erobert.

Am 28. Dezember 1478 kam es als Folge der die Alpen übergreifenden Machtansprüche der Eidgenossenschaft zur Schlacht bei Giornico, der Battaglia dei Sassi Grossi, bei der die Schweizer die Mailänder besiegten. Sie besiegelte die bis 1798 dauernde Herrschaft von Uri über die Leventina.

1803 kam Giornico wie die gesamte Leventina zum neu gegründeten Kanton Tessin.

Sehenswürdigkeiten

Das Dorf ist von Weinbergen und Kastanienwäldern umgeben. Der alte Dorfkern besteht vorwiegend aus Steinhäusern. Bekannt ist Giornico besonders für seine romanischen Kirchen.

Kirchen

 
Kirchen San Nicola (links) und
S. Michele
  • Die Kirche San Nicolao ist die bedeutendste romanische Kirche des Kantons Tessin. Sie entstand um 1150 und weist kunstgeschichtlich herausragende Kapitelle sowie Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert auf. Unter Letzteren befindet sich ein Tricephalus, die mehrmals verbotene Darstellung der Dreifaltigkeit mittels ineinander übergehender Gesichter.[6][7][8] Taufstein.[9]
  • Die Pfarrkirche San Michele[6] ist seit 1210 bezeugt, wurde aber später vielfach umgebaut.
  • Die Kirche Santa Maria di Castello ist die letzte Zeugin des Castello di Santa Maria, einer Kirchenburg auf einem Hügel westlich des Dorfes.[10][6][11]
  • Die Kirche San Pellegrino liegt im Ortsteil Altirolo, an der alten Strasse, die von Giornico nach Chironico und zum Gotthardpass führte.[6][12][13] Sie gilt als die Kirche mit der reichsten Ausmalung im Stil der Spätrenaissance im Kanton Tessin.

Wohnhäuser und Museen

  • Im Dorfzentrum des Ortsteiles Chironico steht ein gut erhaltener sechsgeschossiger Wohnturm. Er wird mit dem im 10. Jahrhundert wirkenden Bischof Atto von Vercelli in Verbindung gebracht. Die Bausubstanz des heute sichtbaren Turmes reicht ins 14. Jahrhundert zurück.[14][6][15][16]
 
Museo della Leventina
  • Die Casa Stanga[6][17][18] ist ein altes Wirtshaus aus dem 16. Jahrhundert, dessen Fassade um 1589 vielleicht von Tarilli oder Caresana mit gemalten Wappen berühmter Gäste verziert worden ist. Seit 1972 beherbergt es das Regionalmuseum der Leventina.
  • La Congiunta ist ein modernes Museum am nördlichen Dorfrand von Giornico. Es ist dem Bildhauer Hans Josephsohn gewidmet, wurde vom Schweizer Architekten Peter Märkli entworfen und von 1989 bis 1992 errichtet. 1995 wurde es im Rahmen des Wettbewerbes Neues Bauen in den Alpen mit dem ersten Preis ausgezeichnet.[6][19]

Brücken

Zwei romanische Steinbrücken, über die der mittelalterliche Saumpfad führte, verbinden den rechtsseitigen Dorfteil über eine Tessininsel mit dem links des Flusses gelegenen Viertel. Sie wurden im 14. Jahrhundert erstmals erwähnt.[20][21]

Weitere Sehenswürdigkeiten

Weitere Sehenswürdigkeiten und Baudenkmäler sind

  • das Schlachtendenkmal von 1937 (Bildhauer: A. Pessina)[6], das Oratorium Santa Maria di Loreto,[6][22],
  • das Oratorium San Carlo[6][23],
  • ein Wohnhaus mit Fresko Madonna und zwei Bischöfe[24],
  • das Wohnhaus Robertini Spadaccini[6], das Wohnhaus ex Scalabrini[25],
  • das Beinhaus[6][26], der Kreuzweg im Friedhof,[6],
  • im Ortsteil Altirolo: das Oratorium Santa Maria Maddalena[6][27],
  • im Ortsteil Caslasc: alte militärische Anlagen und Wehrbauten[28]
  • Schalenstein im Alpe Cramosino im Ortsteil Sprügh (1720 m ü. M.)[29]

Verkehr und Wirtschaft

Giornico war jahrhundertelang ein Bauern- und Säumer­dorf, das vom Gotthardverkehr lebte.

Von der Inbetriebnahme der Gotthardbahn 1882 konnte es trotz eines eigenen Bahnhofs nicht wie andere Gemeinden profitieren, da dieser aufgrund der schwierigen topographischen Verhältnisse zwei Kilometer ausserhalb der Gemeinde gebaut werden musste.[30] Die Teilstrecken zu den Nachbarbahnhöfen Lavorgo und Bodio mit 26.8 und 27 ‰ weisen die grössten Steigungen der Gotthardbahn auf. Die spätere Verlegung des Bahnhofs mehr zum Zentrum der Gemeinde hin vermochte den Trend nicht aufhalten; heute ist die Station geschlossen. Die Linienführung der Gotthardbahn direkt oberhalb von Giornico ist gekennzeichnet durch zwei unmittelbar aufeinander folgende Spiraltunnel (Pianotondo und Travi Spiral Tunnel) auf der linken Seite des Tessintals, die zusammen auch als Biaschina-Schleifen bezeichnet werden. – Bei Giornico befindet sich heute der längste und höchste Autobahnviadukt der A2, der Biaschina-Viadukt.

Die 1946 eröffneten Stahlwerke der FIrma Monteforno beschleunigten den Wandel zum Industrieort; sie wurden 1994 allerdings geschlossen. Einen Ersatz bietet die im Jahr 2000 nach Giornico gezogene Tensol Rail, die im Bereich Eisenbahnzubehör und Schienenunterhalt tätig ist. Etwa zwei Drittel der aktiven Bevölkerung sind Wegpendler.

Persönlichkeiten

  • Francesco Martino Stanga (15. Jahrhundert), Leventinerführer im 1478 in der Schlacht bei Giornico.[33]
  • Rachele Giudici (* 7. April 1987 in Giornico; † 20. Oktober 1959 in Faido), Malerin, Illustratorin, Vorscherin, Dozent in der Magistrale femminile von Locarno[34]
  • Agostino Robertini (* 13. Oktober 1904 in Giornico; † 21. Dezember 1988 in Intragna TI), Priester, Pfarrer von Tremona und Verscio, Ehrendomherr der Kathedrale San Lorenzo (Lugano), Kunsthistoriker[35]
  • Francesco Vallana (* 17. September 1944 in Giornico, Bürger von Russo), Ingegneur, Maler[36]

Sport

  • Associazione Calcistica Giornico[37]

Literatur

Geschichte
Kunstgeschichte
  • Johann Rudolf Rahn: I monumenti artistici del medio evo nel Cantone Ticino. Tipo-Litografia di Carlo Salvioni, Bellinzona 1894, S. 98–113.
  • Marina Bernasconi Reusser: Monumenti storici e documenti d’archivio. I «Materiali e Documenti Ticinesi» (MDT) quali fonti per la storia e le ricerche sull’architettura e l’arte medievale delle Tre Valli. In: Archivio Storico Ticinese. II Serie, Nummer 148, Casagrande, Bellinzona 2010.
  • Peter Märkli: Stiftung La Congiunta: Haus für Reliefs und Halbfiguren des Bildhauers Hans Josephsohn. Hatje, Stuttgart 1994.[39]
  • Simona Martinoli und andere: Guida d’arte della Svizzera italiana. Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007.
  • Anton-Heinz Schmidt: Schweiz – Theater aus Stein oder Unbiblisches in Tessiner Kirchen: die wenig erforschten Kirchen San Nicola in Giornico, San Vittore in Muralto. A.-H. Schmidt, Aigen-Voglhub 2011.[40]
  • Franco Binda: Il mistero delle incisioni. Armando Dadò editore, Locarno 2013, ISBN 978-88-8281-353-6.
Commons: Giornico – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Generalisierte Grenzen 2024. Bei späteren Gemeindefusionen Höhenbereich aufgrund Stand 1. Januar 2024 zusammengefasst. Abruf am 22. August 2024.
  2. Generalisierte Grenzen 2024. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2024 zusammengefasst. Abruf am 22. August 2024.
  3. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2024 zusammengefasst. Abruf am 22. August 2024
  4. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Ausländeranteil aufgrund Stand 2024 zusammengefasst. Abruf am 22. August 2024
  5. Lexikon der schweizerischen Gemeindenamen. Hrsg. vom Centre de Dialectologie an der Universität Neuenburg unter der Leitung von Andres Kristol. Frauenfeld/Lausanne 2005, S. 388 f.
  6. a b c d e f g h i j k l m n Simona Martinoli und andere: Guida d’arte della Svizzera italiana. Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007, ISBN 978-88-7713-482-0, S. 117–122.
  7. Kirche San Nicolao
  8. Kirche San Nicolao (Foto)
  9. Taufstein (Foto)
  10. Kirche des Castello di Santa Maria
  11. Kirche Santa Maria di Castello (Foto)
  12. Kirche San Pellegrino (Foto)
  13. Kirche San Pellegrino
  14. Turm des Bischofs Atto
  15. Attoneturm (Foto)
  16. Turm des Bischofs Atto auf portal.dnb.de (abgerufen am 3. Mai 2016.)
  17. Museo di Leventina
  18. Wohnhaus Stanga (Foto)
  19. La Congiunta auf portal.dnb.de (abgerufen am 3. Mai 2016.)
  20. Steinbrücke Ost (Foto)
  21. Steinbrücke West (Foto)
  22. Oratorium Santa Maria di Loreto (Foto)
  23. Oratorium San Carlo (Foto)
  24. Fresko Madonna und zwei Bischöfe (Foto)
  25. Wohnhaus ex Scalabrini (Foto)
  26. Beinhaus (Foto)
  27. Oratorium Santa Maria Maddalena (Foto)
  28. Militärische Anlagen und Wehrbauten im Ortsteil Caslasc
  29. Franco Binda: Il mistero delle incisioni. Armando Dadò editore, Locarno 2013, S. 70–71.
  30. Mario Fransioli: Giornico. In: Historisches Lexikon der Schweiz..
  31. Braun, Adolphe, Photographische Ansichten der Gotthardbahn, Dornach im Elsass, ca. 1875
  32. Dietler, H.: Gotthardbahn in Röll, V. Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1912, p. 356 and 358 on www.zeno.org/Roell-1912
  33. Eva Camenisch Luisoni: Francesco Martino Stanga. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  34. Rachele Giudici (italienisch) auf archividonneticino.ch (abgerufen am 14. Oktober 2016).
  35. Agostino Robertini (italienisch) in chiesaverscio.it (abgerufen am 11. März 2017).
  36. Francesco Vallana. In: Sikart
  37. Associazione Calcistica Giornico
  38. Kuno Müller: Frischhans Teiling: Der Held von Giornico. auf portal.dnb.de (abgerufen am 3. Mai 2016.)
  39. Peter Märkli: Stiftung La Congiunta: Haus für Reliefs und Halbfiguren des Bildhauers Hans Josephsohn. auf portal.dnb.de (abgerufen am 3. Mai 2016.)
  40. Anton-Heinz Schmidt: Schweiz – Theater aus Stein oder Unbiblisches in Tessiner Kirchen: die wenig erforschten Kirchen San Nicola in Giornico, San Vittore in Muralto. auf portal.dnb.de (abgerufen am 3. Mai 2016.)