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Mimikry

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Als Mimikry (engl. mimicry, von engl. mimic: „Nachahmung“, abgeleitet von griechisch mimesis, „der Nachahmung fähig“) bezeichnet man in der Biologie eine angeborene Form der Tarnung, die zur Täuschung eines Signalempfängers durch ein nachgeahmtes, gleichsam "gefälschtes" Signal führt, das für den Empfänger eine bestimmte Bedeutung hat.

Diese im Verlauf der Stammesgeschichte entstandene Analogie der Signale hat letztlich den biologischen Zweck, dass die Überlebenschancen der Individuen der nachahmenden Art erhöht werden. Bekanntestes Beispiel für Mimikry sind die Individuen einer Art, die denen einer anderen Art in bestimmter Weise zum verwechseln ähneln.

Batessche Mimikry

Die Batessche Mimikry ist die bekannteste Form der Mimikry. Sie wurde 1862 von Henry Walter Bates in den Transactions der Linnean Society zu London erstmals wissenschaftlich beschrieben, nachdem er zwischen 1849 und 1860 in den brasilianischen Urwäldern im Amazonasgebiet umhergestreift war und dort u.a. die Schmetterlingsarten erforscht hatte. Bates bezeichnete die Nachahmung eines wehrhaften oder ungenießbaren Tieres durch harmlose Tiere zur Täuschung von Feinden als Mimikry. Inzwischen ist bekannt, dass es sich hierbei um einem Spezialfall der Schutzmimikry handelt, die den Namen des Entdeckers erhielt.

Bates war sich der weit reichenden evolutionsbiologischen Konsequenzen seiner Entdeckung wohl bewusst, denn er schrieb bereits 1862:

  • "The process by which a mimetic analogy is brought about in nature is a problem which involves that of the origin of all species and all adaptations." (Der Prozess, durch den die mimetische Analogie in der Natur hervorgerufen wird, ist ein Problem, das verknüpft ist mit dem Entstehen aller Arten und aller Anpassungen." )

Historisches

Im Jahre 1844 erschien in England unter dem Titel Vestiges of natural history of creation eine von Robert Chambers anonym verfasste Broschüre [1], die jahrelang für Aufregung sorgte, denn sie enthielt eine Reihe von Theorien über die Entstehung der Welt und der Tiere. Die Broschüre wurde in Deutschland unter dem Titel Natürliche Geschichte der Schöpfung bekannt.

Der junge britische Zoologe Alfred Russel Wallace interessierte sich für diese Broschüre und er begann, über die Entstehung der Art nachzudenken. Er lernte den britischen Entomologen Henry Walter Bates kennen, der ebenfalls von dieser Broschüre sehr angetan war. Wallace schlug Bates vor, gemeinsam eine Reise nach Südamerika zu unternehmen. Beide verfolgten ein ehrgeiziges Ziel, denn sie wollten Tatsachen über den Ursprung der Arten im Amazonasgebiet sammeln. Dort sind die beiden unabhängig von Darwin auf die Idee des Prinzips der natürlichen Zuchtwahl gekommen.

Während Wallace nur drei Jahre im brasilianischen Urwald blieb, sammelte Bates elf Jahre lang Tiere und Pflanzen. Er hatte eine sehr große Kollektion mit vielen gänzlich unbekannten Arten, doch im Gegensatz zu vielen früheren Reisenden betätigte sich Bates bereits als echter Naturforscher, der nicht nur seltenen Tieren nachspürte, sondern auch die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Tierarten und deren Verhaltensweisen beobachtete. Er stellte beim Sortieren seiner umfangreichen Schmetterlingssammlung immer wieder fest, dass sich unter den farbenprächtigen Fleckenfaltern einzelne Exemplare befanden, die sehr selten waren und zu einer ganz anderen Familie, den Weißlingen, gehörten.

Die Ähnlichkeit dieser beiden Arten war so groß, dass sie als lebende Falter praktisch nicht voreinander zu unterscheiden waren. Bates erwähnte einmal: „Es ist mir nie gelungen die Leptalis-Arten von den ihnen ähnlichen Arten zu unterscheiden.

Genaueres zur Entdeckung von Bates

Leptalis bildet eine ganze Reihe verschiedener Rassen aus. Diese Rassen gleichen außerordentlich verschiedenen Ithomia-Arten.

Leptalis zählt zur Familie der Weißlinge, deren bekanntester Vertreter der Kohlweißling ist. Sehr auffallend ist es, dass Leptalis nicht nur in ihrer Färbung, sondern auch in ihrer Flügelform ganz erheblich von ihren Verwandten abweicht. Selbst der gute Schmetterlingskenner Bates hätte die Art beim Sortieren seiner Sammlung beinahe falsch eingeordnet. Denn Leptalis glich äußerlich verschiedenen Ithomia-Arten viel mehr als der eigenen Verwandtschaft. Ithomia gehört jedoch zu einer ganz anderen Familie, nämlich den Fleckenfaltern.

Weder Verwandtschaft noch ähnliche Lebensweise kamen als Grund für die großartige Übereinstimmung zwischen Leptalis und Ithomia in Frage. Bates suchte nach einer anderen Erklärung. Das Grundproblem war, warum die Schmetterlinge ausgerechnet den Fleckenfaltern der Gattung Ithomia glichen. Er hatte beobachtet, dass die Ithomia-Arten sehr häufig vorkamen, auffallend bunt waren und so langsam flogen, dass sie leicht zu fangen waren. Dies machte den Gelehrten stutzig.

Bates konnte nie beobachten, dass die von Vögeln erbeuteten Ithomia-Arten von diesen wirklich gefressen werden. Daraus folgerte er, dass diese Schmetterlinge ungenießbar sein müssten: Ekelgeschmack, Giftigkeit, .. Vögel würden dies schnell feststellen, sich das Aussehen der ungenießbaren Falter einprägen und sie künftig meiden.

Gäbe es nun im gleichen Gebiet einen deutlich selteneren Schmetterling, der – obwohl prinzipiell genießbar – die Ithomia-Arten in Aussehen und Verhalten nachahmte, so würde er die Vögel täuschen und gleichfalls nicht gefressen werden. Ein solcher seltenerer Schmetterling war Leptalis.

Europäisches Beispiel von Batesscher Mimikry

[[bild:echte_wespe.jpg|thumb||Echte Wespe [[Bild:Schwebfliege.jpg|thumb|Hainschwebfliege]]

Echter Widderbock (Clytus arietis)
Schwarzhörniger Totengräber (Nicrophorus vespilloides)

Bates hätte nicht unbedingt die beschwerliche und gefahrvolle Reise in die Tropen unternehmen müssen, um das Phänomen der Batesschen Mimikry zu entdecken.

In unserer Heimat sind Wespen, Bienen und Hummeln weit verbreitet. Sie alle, jedenfalls die stachelbewehrten Weibchen, werden von einigen anderen, offenbar völlig wehrlosen Insekten "nachgeahmt". Giftige und ungenießbare Arten haben oft eine auffallende Färbung, eine so genannte Warntracht. Wird diese nachgeahmt, spricht man auch von Scheinwarntracht.

Unter den Fliegen kennen wir die Familie der Schwebfliegen, bei der viele Arten anscheinend auf Signalfälschung spezialisiert sind. Hier finden wir zahlreiche Arten, die im Aussehen den wehrhaften Wespen und Honigbienen stark ähneln. Die Schwebfliegen der Gattung Eristalis ahmen mehr oder weniger gut die Europäische Honigbiene nach und werden deshalb auch als "Mistbienen" bezeichnet (Ihre "Rattenschwanzlarven" entwickeln sich meist in der Gülle von Misthaufen).

Noch auffälliger ist die Ähnlichkeit zahlreicher Schwebfliegen mit Wespen. Sie nutzen das leuchtend gelb-schwarze Warnsignal auf den Hinterleibern ihrer wehrhaften Vorbilder und verursachen so manche Panik bei Menschen, die Schwebfliegen und Wespen nicht unterscheiden können.

Wenn man jedoch Schwebfliegen genauer betrachtet, sind sie relativ leicht als ganz normale, harmlose Fliegen zu identifizieren, denn ihnen fehlen einige charakterische Merkmale der Wespen, die zu der Ordnung der Hautflügler gehört, während Schwebfliegen zur Ordnung der Zweiflügler gehören. Wespen haben immer vier Flügel und längere, gekniete Fühler, während Fliegen nur zwei Hauptflügel und stummelförmige Fühler haben.

Das Warnsignal der Wespen nutzen auch andere Insektenarten. Unter den Käfern kann man z.B. den Wespenbock und einige andere Bockkäfer auf den ersten Blick für Wespen halten.

Die Nachahmung der großen Hornisse durch den Hornissenschwärmer ist so vollkommen, dass er in der Größe, Färbung und Flügelhaltung der gefürchteten Hornisse fast gleicht. Auch Hummeln werden von einem Schmetterling nachgeahmt: vom Hummelschwärmer.

Die Nachahmung wehrhafter Vorbilder sollte sich nicht nur auf Köpermerkmale beschränken. Weitere Übereinstimmungen im Verhalten, im Lebensraum und im Lebensrhythmus tragen dazu bei, dass das Vorbild und der Nachahmer miteinander verwechselt werden.

Unerfahrene Räuber fressen die wehrlosen Nachahmer, z.B. wespenähnliche Schwebfliegen, sogar sehr gerne. Erjagten aber Kröten und Vögel zuerst einige der wehrhaften Wespen, lehnen sie anschließend auch ähnliche Schwebfliegen für lange Zeit ab. Allerdings können viele Vögel und andere Räuber Farben und Muster sehr gut erkennen und genau unterscheiden. Nachahmer stehen somit vor dem Problem, dass sie ihren Vorbildern so weitgehend wie möglich gleichen müssen.

Da die Existenz ungiftiger Nachahmer den Lernerfolg bzw. das Vermeidungsverhalten der Fressfeinde verringert, ist es wichtig, dass das zahlenmäßige Verhältnis unausgewogen ist, also nicht zu viele harmlose Nachahmer entstehen.

Müllersche Mimikry

Gemeine Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus)
Rote Mordwanze (Rhynocoris iracundus)

Passen sich verschiedene Arten aus verschiedenen Gattungen aneinander an, die ihre Vorzüge teilen, dann spricht man von Müllerscher Mimikry.

Müller fand bei seinen Beobachtungen von Schmetterlingen heraus, dass gleich aussehende Tiere nicht immer der selben Gattung angehören mussten. Im Laufe der Evolution hatten sich ungenießbare Schmetterlinge eine gemeinsame Warntracht zugelegt, damit die Fressfeinde sie nicht mehr auseinander halten konnten. So musste der Fressfeind nur bei einem Tier die schlechte Erfahrung machen und mied in Zukunft alle gleichaussehenden Tiere. Hier profitiert nicht nur eine Tierart, sondern alle von dem gleichen Aussehen.

Im gesamten Insektenreich gibt es viele Fälle von Müllerschen Mimikry. Ein Beispiel hierfür sind die Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus) und die rote Mordwanze (Rhynocoris iracundus).

Mertensche Mimikry

Angegebene Gattung: Micrurus

Passt sich ein gefährliches oder ungefährliches Tier einer mäßiggefährlichen Gattung an, so spricht man von Mertenscher Mimikry.

Ein Beispiel für diese Art Mimikry sind die Korallenschlangen der Gattung Micrurus und Micruroides.

Auf dem amerikanischen Kontinent kommen ca. 75 außergewöhnlich farbenprächtige Korallenschlangen vor. Ihre leuchtenden Farben Gelb und Rot dominieren neben dem Schwarz. Sie können daher leicht verwechselt werden. Diese Schlangen sind nicht näher verwandt und gehören zu 18 verschiedenen Gattungen.

Es gibt eine Unterscheidung der Gefährlichkeit der Korallenschlangen nach drei verschiedenen Gruppen:

Die echten Korallenschlangen haben einen sehr effektiven Giftapparat und das Gift ist ein tödliches Nervengift. Sie sind aber so klein und ihre Kiefer sind so schwach, dass ihr Biss für den Menschen zwar sehr schmerzhaft ist, aber nicht sehr gefährlich.

Die nur mäßig giftigen Korallenottern zählen zu den Trugnattern. Bei ihnen sind im Unterschied zu den Giftnattern nur die hinteren Zähne als Giftzähne ausgebildet. Sie haben ein verhältnismäßig schwaches Gift, das für den Menschen nicht tödlich ist. Die Korallennattern gehören, wie die völlig harmlose Milchschlange, zu den ungiftigen Nattern.

In diesem Falle haben sich die hochgiftigen und die ungiftigen Schlangen den mäßig Giftigen angepasst. Die Hochgiftigen profitieren dadurch, dass ihre Opfer sie unterschätzen; die Ungiftigen wiederum wirken abschreckend auf potentielle Fressfeinde.

Peckhamsche Mimikry

Datei:DSC02177.JPG
Kopf des Seeteufels mit deutlich erkennbarer Angel

Anders als die oben genannten Mimikry-Formen zielt die Peckhamsche Mimikry (nach G. W. und E. G. Peckham 1889), auch aggressive Mimikry genannt, nicht darauf ab, Angreifer abzuwenden. Sie soll ganz im Gegenteil, andere Arten anlocken. Der Seeteufel, eine Meeresfischart, hat am isoliert stehenden vordersten Strahl seiner Rückenflosse ein Hautanhängsel, das er wie einen Wurm bewegen kann, um andere Fische anzulocken, die er dann selbst verzehrt. Ähnlich verfährt eine Schlangenart, die ihr wurmähnliches Schwanzende bewegt.

Nicht immer muss es bei Peckhamscher Mimikry um das Anlocken von Beute gehen. Einige Orchideenarten ahmen mit ihren Blüten das Aussehen von weiblichen Insekten, z.B. Hummeln nach, um paarungsbereite Insekten-Männchen anzulocken, die dann bei der vermeintlichen Begattung die Blüte bestäuben.

Mimikry – nicht nur die aggressive – muss sich auch nicht auf das Aussehen beziehen. Weibchen der Leuchtkäfer-Gattung Photuris ahmen die charakteristischen Leuchtsignale von Weibchen anderer Leuchtkäferarten aus der Gattung Photinus nach, um deren Männchen anzulocken und zu verzehren. Manche Spinnenarten zupfen mit den Beinen an den Netzen anderer Spinnen, um Beute zu imitieren und die herbeieilende Netzbesitzerin zu fressen.

Molekulare Mimikry

Molekulare Mimikry sind Moleküle auf der Oberfläche von Krankheitserregern, die körpereigenen Molekülen ähneln oder mit ihnen identisch sind. Dies stellt für den Erreger eine Tarnung gegenüber Immunkompetenten Zellen dar, denen das Erkennen der Keime als Fremdstruktur somit erschwert wird. Werden diese Moleküle trotzdem vom Immunsystem als Antigen erkannt, kann sich die darauf folgende Immunreaktion nicht nur gegen den Erreger, sondern auch gegen körpereigenes Gewebe richten. Dieser Vorgang wird auch Kreuzreaktion genannt und gilt als Ursache für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen. Molekulare Mimikry wird als Ursache für Krankheiten wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und den Magenulcus diskutiert.

Literatur

  • Wickler, Wolfgang: Mimikry. Nachahmung und Täuschung in der Natur. München 1968
  • Lunau, Klaus: Warnen, Tarnen, Täuschen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002

Siehe auch