Diese Liste beschreibt die Gerichtsorganisation in Berlin. Nicht dargestellt sind die in Berlin ansässigen Gerichte für ganz Deutschland.
Reichsjustizgesetze
Mit Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes im Jahr 1879 bestanden zwei Berliner Landgerichte: das Landgericht I für den Stadtkreis, das Landgericht II für das Umland. Darunter waren 14 Amtsgerichte eingerichtet: Alt-Landsberg, Berlin (II), Bernau, Charlottenburg, Cöpenick, Königs-Wusterhausen, Liebenwalde, Mittenwalde, Nauen, Oranienburg, Rixdorf, Berlin-Spandau, Strausberg, Zossen.[1] 1899 erfolgte die Aufteilung in Landgericht I (für den Bezirk des Amtsgerichts Mitte), Landgericht II (südliches Umland)[2] 1920 wurden die Landgerichte II und III aufgrund der Zusammenfassung verschiedener Gemeinden zu Groß-Berlin (flächenmäßig etwa dem heutigen Stadtstaat entsprechend) für weitere Teile der Stadt zuständig.
In Groß-Berlin bestanden so 12 Amtsgerichte. Alle Strafkammern der drei Landgerichte waren im Kriminalgericht Moabit eingerichtet.
Im Juli 1933 legte der kommissarische preußische Justizminister Hanns Kerrl die drei Landgerichte zum einheitlichen Landgericht Berlin zusammen.[3] Zum ersten Präsidenten des Landgerichtes Berlin ernannte er Richard Hoffmann, bis Mai 1933 Rechtsanwalt in Magdeburg.[4]
Neuaufbau nach dem Krieg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Mit der Besetzung Berlins begann die sowjetische Siegermacht mit dem Wiederaufbau eines Gerichtswesens. Der sowjetische Stadtkommandant Generaloberst Nikolai Erastowitsch Bersarin befahl am 18. Mai 1945 die Bildung je eines Bezirksgerichtes je Bezirk der Stadt Berlin. Diese sollten den jeweiligen sowjetischen Bezirkskommandanten direkt unterstellt sein. Als „Bezirksgerichtsdirektoren“ wurden überwiegend Personen ohne Befähigung zum Richteramt gewählt; entscheidend war die Distanz der neuen Richter zum nationalsozialistischen Staat. Am 25. Mai 1945 kam es zu einer Versammlung der ernannten Bezirksgerichtspräsidenten, Bezirkskommandanten und General Bersarin im Gebäude des nur gering zerstörten AG Lichtenberg. Bersarin wies die Anwesenden an, bis zum 1. Juni den Gerichtsbetrieb aufzunehmen. So entstanden anstelle der bisherigen 12 Amtsgerichte 21 Bezirksgerichte. Je Gericht wurde eine Staatsanwaltschaft gebildet und je zwei Rechtsanwälte zugelassen. Diese Gerichte hatten die Aufgaben eines Eingangsgerichtes in Zivil- wie in Strafsachen (das Kriminalgericht Moabit war nicht wieder eingerichtet worden). Daneben hatten die Bezirksgerichte (die in der Folge auch als Amtsgerichte bezeichnet wurden) auch zusätzliche Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, da keine Notare ernannt wurden.
So entstanden folgende erstinstanzliche Gerichte:
Als Obergericht wurde ein Stadtgericht Berlin eingerichtet. Dieses bestand aus drei Kammern mit jeweils drei Richtern. Dieses nahm seinen Sitz nicht im Kammergerichtsgebäude sondern im Gebäude des Amtsgerichts Berlin-Mitte. Auch personell bestand keine Kontinuität zum Kammergericht. Der letzte Kammergerichtspräsident, Johannes Bloch war von den Sowjets verhaftet worden und blieb seitdem „verschwunden“. Am 20. Mai 1945 wurde statt dessen der Professor der Pharmazie Arthur Kanger als Stadtgerichtsdirektor eingesetzt.
Mit dem Einmarsch der Amerikaner in den amerikanischen Sektor am 4. Juli 1945 bildeten diese das Landgericht Berlin II mit Sitz in der Argentinischen Allee 4–6 in Berlin-Zehlendorf. Direktor dieses Landgerichtes wurde Siegfried Loewenthal, bis 1933 Landgerichtspräsident in Oels.
Auch die Briten sahen ein „eigenes“ Obergericht vor und ernannten Wagin zum Präsidenten der Gerichte im britischen Sektor.
Diese Teilung der Gerichtsorganisation wurde nach kurzer Zeit aufgehoben. Auf seiner 12. Sitzung beschloss die alliierte Kommandantur am 27. September 1945 die Gerichtsstruktur der besetzten Stadt. Man kehrte hierbei zu der traditionellen Aufteilung mit drei Instanzen zurück. Es wurden wieder zwölf Amtsgerichte gebildet. Darüber stand das Landgericht Berlin und das Kammergericht. Arthur Kanger wurde Kammergerichtspräsident, Loewenthal und Wagin Stellvertreter.
Militärgerichtsbarkeit
Aufgrund der Besetzung hatte die alliierte Militärgerichtsbarkeit Vorrang vor der zivilen Gerichtsbarkeit. 1949 endete die alliierte Militärgerichtsbarkeit und wurde durch die Gerichte der Amerikanischen Militärregierung in Deutschland und vergleichbare Gerichte der anderen Besatzungsmächte abgelöst.
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Am 8. Oktober 1945 beschloss der Magistrat ein Stadtverwaltungsgericht zu errichten, die Alliierte Kommandantur lehnte dies jedoch ab. Die amerikanische Militärregierung ordnete am 19. November 1945 die Einrichtung von Stadtverwaltungsgerichten und einem Bezirksverwaltungsgericht für den amerikanischen Sektor ab. Am 15. Dezember 1945 folgten die Briten diesem Schritt. Nach Protesten der Sowjets einigte sich die Alliierte Kommandantur am 10. Mai 1946 darauf, dass Verwaltungsgerichte eingerichtet werden durften aber nicht mussten. Diese sollten aber der Justizverwaltung und nicht dem Innensenator unterstehen. Auch wenn das Kontrollratsgesetz Nr. 36 die Einrichtung von Verwaltungsgerichten in ganz Deutschland vorsah, bildeten Sowjets und Franzosen keine Verwaltungsgerichte in ihren Sektoren.
Arbeitsgerichtsbarkeit
Gemäß Kontrollratsgesetz 21 sollten in Deutschland Arbeitsgerichte errichtet werden. Mit Verordnung vom 13. April 1946 wurde das Landesarbeitsgericht Berlin eingerichtet.
Justizverwaltung
Die Alliierten hatten festgelegt, dass die Justizhoheit ausschließlich bei ihnen lag. Daher konnte in der Stadtverwaltung keine Justizverwaltung aufgebaut werden. Diese Funktion nahm daher das Kammergericht selbst vor.
Die Spaltung der Justiz
Die Teilung Berlins wurde spätestens mit der Spaltung der Berliner Stadtverordnetenversammlung im September 1948 wirksam. Die Justiz war damit zwar vorgezeichnet, sollte aber erst einige Monate später erfolgen. Die Justiz, die ja nicht dem Magistrat sondern der durch die sowjetische Obstruktionspolitik handlungsunfähige Alliierten Kommandantur unterstand, hatte sich auch im Ostsektor ein gewisses Maß an Unabhängigkeit bewahrt. So waren in Ost-Berlin im Gegensatz zur SBZ keine Volksrichter eingesetzt worden.
Die Justizspaltung begann mit der Affäre um Blasse. Dieser war Vizepräsident des Kammergerichtes und wurde nach Bereichungsvorwürfen von Kammerpräsident Siegfried Loewenthal suspendiert. Während die drei Westmächte diese Position stützten, befahl der sowjetische Gerichtsoffizier die Wiedereinsetzung. Da eine solche Anweisung nur von allen vier Mächten gemeinsam erteilt werden konnte, verweigerte Loewenthal den Befehl am 4. Februar 1949. Nach der Drohung mit Verhaftung und mit Unterstützung durch die Westalliierten, verlegte Loewenthal das Gericht am 5. Februar 1949 in das Yorckhaus am Fehrberliner Platz in West-Berlin. Die weitaus überwiegende Zahl der Richter setzte dort seine Arbeit fort. Allein von den elf Senatspräsidenten entschieden sich zehn für die Weiterarbeit im Yorckhaus.
Im Ostteil der Stadt erklärten die Sowjets Loewenthal für abgesetzt und ernannten Hartmann zum neuen Kammergerichtspräsidenten. Die Spaltung der Justiz war erfolgt.
Die Gerichtsorganisation in den beiden Teilen der Stadt blieb zunächst unverändert. Im Westen wurde am 14. Mai 1949 das kleine Besatzungsstatut erlassen. Dies war die Grundlage, zum Aufbau einer Justizverwaltung.
In West-Berlin
Die Struktur der Gerichtsorganisation in West-Berlin war relativ stabil. Mit dem Gesetz über die Zusammenlegung der Amtsgerichte Lichterfelde, Schöneberg und Zehlendorf vom 13. Juli 1973 wurden die Amtsgerichte Lichterfelde und Zehlendorf aufgehoben.[5]
In Ost-Berlin
In der DDR wurde 1952 eine neue Gerichtsstruktur eingeführt. Ost-Berlin war aufgrund des Vier-Mächte-Status nicht Teil der DDR. Dort wurde die DDR-Gerichtsstruktur mit der Verordnung des Ost-Berliner Magistrats vom 21. November 1952 über die „Verfassung der Gerichte von Groß-Berlin“[6] eingeführt. Das Bezirksgericht trug hier (wie im Westen) weiterhin den Namen Kammergericht Berlin. Die Kreisgerichte trugen in Ost-Berlin die Bezeichnung Stadtbezirksgericht. Ursprünglich gab es hiervon 8 (für jeden Stadtbezirk eines), mit der Erhöhung der Zahl der Stadtbezirke auf 11 stieg entsprechend auch die Zahl der Stadtbezirksgerichte.
Stadtbezirk | Stadtbezirksgericht | Bemerkungen |
---|---|---|
Mitte | Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte | |
Prenzlauer Berg | Stadtbezirksgericht Prenzlauer Berg | |
Friedrichshain | Stadtbezirksgericht Friedrichshain | |
Pankow | Stadtbezirksgericht Pankow | |
Weißensee | Stadtbezirksgericht Weißensee | 1986 um Teile Pankows erweitert |
Hohenschönhausen | Stadtbezirksgericht Hohenschönhausen | 1985 aus Teilen Weißensees neu gebildet |
Lichtenberg | Stadtbezirksgericht Lichtenberg | |
Marzahn | Stadtbezirksgericht Marzahn | 1979 aus Teilen Lichtenbergs neu gebildet |
Hellersdorf | Stadtbezirksgericht Hellersdorf | 1986 aus Teilen Marzahns neu gebildet |
Treptow | Stadtbezirksgericht Treptow | |
Köpenick | Stadtbezirksgericht Köpenick |
Im wiedervereinigten Berlin
Nach der Wende war es notwendig, eine einheitliche Gerichtsstruktur für ganz Berlin festzulegen und gleichzeitig die DDR-Justiz personell und organisatorisch in rechtsstaatliche Strukturen zu überführen. Hierzu ging man zweistufig vor: In einem ersten Schritt wurden zum 3. Oktober die Stadtbezirksgerichte aufgehoben. Es verblieben die 7 Westberliner Amtsgerichte, deren Sprengel um die Ost-Berliner Bezirke erweitert wurden. Die Stadtbezirksgerichte wurden als Zweigstellen dieser Gerichte weitergeführt. In einem zweiten Schritt wurden 1991 fünf Amtsgerichte in den ehemals Ost-Berliner Bezirken errichtet, um eine gesamtberliner Gerichtsorganisation zu erhalten. Mit dem Gesetz über die Zuständigkeit der Berliner Gerichte vom 25. September 1990[7] entstand daher folgende Gerichtsstruktur:
Mit dem Ersten Gestz zur Änderung des Gesetzes über die Zuständigkeit der Berliner Gerichte vom 21. Oktober 1991[8] entstanden dann zusätzlich zum 1. November 1991 folgende Gerichte:
Das Amtsgericht Hohenschönhausen wurde zum 1. Januar 2009 eine Zweigstelle des Amtsgerichts Lichtenberg. Diese wurde zum 2. April 2012 geschlossen. Der Grund war die Baufälligkeit des Gerichtsgebäudes.[9]
Bezüglich der Obergerichte wurde der Sprengel des Landgerichtes und des Kammergerichte auf den Ost-Teil von Berlin ausgedehnt. Das Ost-Kammergericht wurde aufgehoben. Mit dem Gesetz über den Verfassungsgerichtshof von Berlin vom 8. November 1990 entstand das Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin.
Aktuelle Gerichtsorganisation
Literatur
- Friedrich Scholz: Berlin und seine Justiz: die Geschichte des Kammergerichtsbezirks 1945 bis 1980, 1982, ISBN 978-3-11-008679-9, Teildigitalisat
Einzelnachweise
- ↑ Verordnung, betreffend die Errichtung der Amtsgerichte vom 26. Juli 1878 (PrGS S. 275/276) und Verordnung, betreffend die Bildung der Amtsgerichtsbezirke vom 5. Juli 1879 (PrGS S. 393/410 ff.); ferner hier (Stand: 1894)
- ↑ Gesetz, betreffend die Gerichtsorganisation für Berlin und Umgebung vom 16. September 1899 (PrGS S. 391)
- ↑ Gesetz zur Umgestaltung des Gerichtswesens in Berlin vom 26. April 1933 (PrGS S. 125)
- ↑ Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich 1933–1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner München 1990; S. 229
- ↑ Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin S. 1015
- ↑ VOBl. (Ost) S. 533
- ↑ GVBl. 1990, Nr. 67, S. 2076-2077
- ↑ GVBl. 1991, Nr. 43, S. 2230-231
- ↑ Pressemitteilung des Senates