Jörg Haider

österreichischer Politiker
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Jörg Haider (* 26. Januar 1950 in Bad Goisern, Oberösterreich) ist der umstrittentste österreichische Politiker (FPÖ) seit 1945. Von den einen als politischer Erneuerer mit großer Volksverbundenheit und einem Gespür für die Anliegen und Nöte des "Kleinen Mannes" verehrt gilt er anderen als unberechenbarer Demagoge ohne wirklich klare Abgrenzung zu rechsextremem Gedankengut. Unstrittig ist, daß unter seiner Führung die Freiheitliche Partei Österreichs einen beispiellosen Höhenflug erlebte (u.a.zweitstärkste Partei bei den Nationalratswahlen 1999, stärkste Partei und Eroberung des Landeshauptmansessels in Kärnten), er aber auch für die größte Wahlniederlage in der österreichschen Parteiengeschichte (Verlust von fast zwei Dritteln der Wählerstimmen bei den Nationalratswahlen 2002) mitverantwortlich gemacht wurde. Zur Zeit ist Haider Landeshauptmann von Kärnten.

Ausbildung

Zwischen 1969 und 1973 absolviert Haider ein Studium der Rechte und Staatswissenschaften an der Universität Wien, das er als Doktor der Rechte abschließt. Danach arbeitet er bis 1976 als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien.

Politische Karriere

Haiders Elternhaus war deutschnational geprägt; beide Elternteile waren Mitglied der NSDAP gewesen. Der Vater, ein Schuhmacher, der 1929 der Hitler Jugend (HJ) und ein Jahr später der SA beigetreten war, wurde 1938 Gaujugendverwalter der Deutschen Arbeitsfront in Linz. Später kämpfte er als Leutnant an der russischen und französischen Front. Haiders Mutter Dorothea war zuletzt 1945 Bannjugendführerin. Beide wurden nach dem zweiten Weltkrieg als minderbelastet eingestuft. .

Erste öffentliche Aufmerksamkeit gewann Haider 1966, als er sich an einem Redewettbewerb des (deutschnational eingestellten) Turnerbunds Innsbruck beteiligte. Er gewann mit dem Beitrag "Sind wir Österreicher Deutsche?". Schon seit 1965 in der freiheitlichen Jugendbewegung politisch aktiv, baute er während seines Studiums den "Ring Freiheitlicher Jugend" (RFJ) auf, dessen Sprecher er 1971-1975 war und den er gemeinsam mit dem "Attersee-Kreis" als liberales Korrektiv der Freiheitlichen Partei Österreichs/ FPÖ zu profilieren versuchte. Dabei sparte er auch nicht an interner Kritik und warf der Parteiführung wiederholt mangelnde inhaltliche und personelle Reformbereitschaft vor.


1977 machte Haider mit der Übernahme des Postens des FPÖ-Landesparteisekretärs in Kärnten die Politik zu seinem Beruf. Zugleich führte er die Geschäfte der Landtagsfraktion. 1979 -1983 war Haider in der österreichischen Bundespolitik als Parlamentsabgeordneter und Sozialsprecher der FPÖ engagiert. Als die SPÖ 1983 nach dem Verlust der absoluten Mehrheit eine Koalition mit der FPÖ bildete, hatte er Ambitionen auf das Amt des Sozialministers, diese wurden ihm jedoch nicht erfüllt Einen ersten Höhepunkt seiner zielstrebigen Politkarriere stellte hingegen 1983 die Wahl zum FPÖ-Landesparteivorsitzenden in Kärnten dar. Unter seiner Führung nahm die FPÖ im Okt. 1984 bei der Landtagswahl in Kärnten von 11,7 auf 16 % der Stimmen zu und setzte ihren Erfolgskurs bei den Gemeinderatswahlen in Kärnten im März 1985 fort. Im Anschluss daran ließ Haider den Konflikt zwischen sich und dem FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Steger eskalieren und löste Steger auf einem dramatischen außerordentlichen Landesparteitag am 13. Sept. 1986 mit 57,7 % der Delegiertenstimmen im Parteivorsitz ab. Der Führungswechsel an der Spitze der FPÖ bedeutete auch das Ende für die Regierungskoalition mit der Sozialistischen Partei Österreichs/SPÖ in Wien. Bundeskanzler Franz Vranitzky kündigte die Zusammenarbeit mit der FPÖ auf, und am 23. Nov. 1986 fand die Neuwahl des Nationalrats statt, bei der die FPÖ ihren Stimmenanteil mit 9,72 % (1983: 4,98 %) nahezu verdoppelte. Wie erwartet, führte das Wahlergebnis zur Bildung einer Großen Koalition.


In der Opposition bemühten sich Haider und seine Parteifreunde mit Erfolg um die Aufmerksamkeit der Medien und ließen keine Gelegenheit aus, die heterogene Regierungsmannschaft zu kritisieren. Der Siegeszug der FPÖ setzte sich währenddessen auf Landesebene in Wien (11/1987), Niederösterreich (10/1988), Tirol, Salzburg und Kärnten (3/1989) fort. In seinem Heimatland Kärnten nahm die FPÖ bei der Landtagswahl 1989 sensationell um 13,03 % zu und verwies die ÖVP auf Platz drei. Die Regierungsneubildung war begleitet von persönlich verunglimpfenden Attacken gegen Haider und von großen Zwisten zwischen der lokalen ÖVP-Organisation und den jahrzehntelang beherrschenden Sozialisten. Schließlich kam eine FPÖ/ÖVP-Koalition mit Haider als neuem Landeshauptmann von Kärnten zu Stande. Ende Mai 1989 wurde er mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ in dieses Amt gewählt, das damit zum ersten Mal seit 1949 nicht mit einem Vertreter der beiden Großparteien besetzt war. Mit 99,02 % der Stimmen wurde Haider im Okt. 1989 als Kärntner Landeschef und mit 97,5 % der Stimmen im Mai 1990 auf dem 20. Bundesparteitag als FPÖ-Chef bestätigt. "Schon nahe an Wien" sah die Frankfurter Allgemeine Zeitung (15.10.1990) den populären Politiker mit dem Hang zu populistischen Einlassungen, als die FPÖ bei der Nationalratswahl vom 7. Okt. 1990 fast 7 Prozent dazugewann und 16,6 % (SPÖ 43,0 %; ÖVP 32,1 %) der Stimmen bekam.


Jäh gestoppt schien Haiders Politkarriere allerdings im Juni 1991, nachdem er bei einer seiner zahlreichen verbalen Entgleisungen der Wiener Bundesregierung die "ordentliche Beschäftigungspolitik" des Dritten Reiches als beispielhaft vorgehalten hatte. Nach einem Sturm der Entrüstung und tagelangen Auseinandersetzungen zwischen der FPÖ und der SPÖ/ÖVP um Haiders Verbleib an der Regierungsspitze in Kärnten kündigte er am 21. Juni 1991 die Koalition mit der ÖVP auf. Im Landtag stürzte er daraufhin über einen Misstrauensantrag der Kärntner SPÖ, den die ÖVP geschlossen unterstützt hatte. Neuer Landeshauptmann wurde am 25. Juni 1991 der Obmann der Kärntner ÖVP, Christof Zernatto. Nach dessen Vereidigung wurde der umstrittene FPÖ-Chef mit den dafür nach dem Verhältniswahlrecht ausreichenden Stimmen seiner Fraktion zum zweiten Landeshauptmann-Stellvertreter gewählt. Die SPÖ hatte aus Protest gegen Haiders neuerlichen Einzug in die Landesregierung den Sitzungssaal vor der Wahl verlassen; die ÖVP wählte ungültig mit.


In seinen weitreichenden politischen Ambitionen, die vorübergehend bis zur Kandidatur für das Bundespräsidentenamt reichten (endgültig nominiert wurde von der FPÖ für 1992 die dritte Nationalratspräsidentin Heide Schmidt), sah Haider sich nach den erneuten FPÖ-Wahlerfolgen im Herbst 1991 in der Steiermark, in Oberösterreich , in Wien und der Wiederwahl als FPÖ-Chef von Kärnten (99,5 %) politisch bestätigt. Wenig zimperlich verfuhr er nunmehr mit seinen innerparteilichen Gegnern, deren Zahl immer kleiner wurde. Im März 1992 erklärte der als "letzter Liberaler in der FPÖ-Spitze" (SZ) apostrophierte FPÖ-Clubobmann und Parteivize Norbert Gugerbauer seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern und machte damit den Weg für Haider frei, der sich erneut als Abgeordneter im Nationalrat platzieren konnte und den Vorsitz der FPÖ-Fraktion übernahm. Wenig später trat der liberale wirtschaftspolitische Sprecher der FPÖ, Georg Mautner-Markhof, wegen des autoritären Führungsstils von Haider von seinen Parteiämtern und seinem Abgeordnetenmandat zurück. "Ab jetzt ist die FPÖ eine lupenreine deutschnational-rechtspopulistische Führerpartei", kommentierte der Wiener "Kurier" die innerparteiliche Säuberungsaktion.


Für Aufsehen sorgte Haider erneut im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl vom 24. Mai 1992, als er der liberalen FPÖ-Kandidatin Heide Schmidt (die bei der Wahl mit 16,4 % der Stimmen einen Achtungserfolg erlangte) zeitweise die Unterstützung versagte und dem angesehenen Kandidaten der Grünen, Robert Jungk, vorwarf, er habe 1942 eine Jubelbroschüre für das Dritte Reich geschrieben. Die letztere Behauptung musste Haider auf Anweisung eines Klagenfurter Gerichts im Fernsehen widerrufen.


Eine neue Möglichkeit, die Wiener Bundesregierung mit einer spektakulären Aktion unter Druck zu setzen, fand Haider mit der Androhung eines Volksbegehrens gegen Ausländer, das er selbst als "Probegalopp" für die Nationalratswahl von 1994 bezeichnete. Sein im Nov. 1992 vorgelegtes Zwölf-Punkte-Programm reichte vom "Einwanderungsstopp" bis zur Ausweispflicht für "Ausländer" am Arbeitsplatz. In der Parteileitung der FPÖ verweigerte sich Heide Schmidt als Einzige dem geplanten Volksbegehren, das in den folgenden Wochen und Monaten die politische Diskussion in Österreich bestimmte und zunächst auf breite Zustimmung zu stoßen schien, dann aber zur Solidarisierung gegen Ausländerhass führte. Das ab 25. Jan. 1993 durchgeführte Volksbegehren "Österreich zuerst" blieb mit nur 417.000 Unterschriften (7,37 % der Wahlberechtigten) weit unter den Erwartungen der FPÖ und wurde als klare Niederlage von Haider gewertet. Wenige Tage später zogen Heide Schmidt und vier weitere prominente Mitglieder des liberalen FPÖ-Flügels die Konsequenzen aus der "extremen Vorgehensweise der Parteiführung in wichtigen politischen Fragen" und verließen die FPÖ. Die Abgeordnetengruppe, die sich als "Liberales Forum" organisierte, erhielt im Nationalrat Fraktionsstatus. Von Haider wurde sie als "fünfte Kolonne der Großparteien" abqualifiziert. Mit Hohn reagierte Haider auch im März 1993 auf den Beschluss der deutschen FDP, alle offiziellen Kontakte zur FPÖ abzubrechen und deren Ausschluss aus der "Liberalen Internationalen" zu beantragen. Dem erwarteten Ausschluss kamen die Freiheitlichen im August des Jahres durch ihren Austritt aus der Organisation zuvor.


Bei der Landtagswahl in Niederösterreich (5/1993) konnte sich die FPÖ von 9,4 auf 12,1 % verbessern, aber das "Liberale Forum" schaffte auf Anhieb 5,1 % der Stimmen und kam damit ins Parlament. Im gleichen Monat legte die FPÖ auf einem außerordentlichen Parteitag ein klares Bekenntnis zu Europa ab, knüpfte aber die Zustimmung zu einem EG/EU-Beitritt Österreichs an zahlreiche Bedingungen (u. a. lehnte Haider einen europäischen Zentralstaat ab). In diesem Sinne empfahl der FPÖ-Sonderparteitag vom April 1994 seinen Mandatsträgern im Nationalrat, die Beitrittsgesetze abzulehnen, vermied aber eine Empfehlung für das Abstimmungsverhalten beim Referendum am 12. Juni 1994, das mit einer großen Zustimmung (66,39 %) für den EU-Beitritt endete.


Erfolgreich intervenierte Haider, der die FPÖ über ein neues Thesenpapier offiziell von ihrem bisherigen Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft abrücken und stattdessen die "Heimat Österreich" und einen "positiven Patriotismus" betonen ließ, bei der Regierungsbildung in Kärnten nach der Landtagswahl vom März 1994 (FPÖ 33,3 %; SPÖ 37,4 %, ÖVP 23,8 %). Im April 1994 brachte er eine überraschende Regierungskoalition zwischen der FPÖ und ÖVP zu Stande, bis sich der um seine Wiederwahl als Landeshauptmann bemühte Christof Zernatto (ÖVP) auf Druck der Wiener Bundespartei wieder mit der SPÖ arrangieren musste. In der Folge blockierte die FPÖ Wochen lang durch den Auszug ihrer Abgeordneten aus dem Plenum alle Versuche, Zernatto mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP zum Kärntner Landeshauptmann zu wählen. Erst Anfang Juni 1994 gab Haider die Blockadepolitik auf und ermöglichte damit die SPÖ/ÖVP-Koalition unter Zernatto.


Auch der Ausgang der Landtagswahlen in Salzburg und Tirol (3/1994) bestätigte den Einfluss der FPÖ, die in Salzburg auf 18,5 % und in Tirol auf 16,2 % der Stimmen kam. Haider selbst erreichte bei seiner Wiederwahl als FPÖ-Parteichef im Juni 1994 96,6 % der Stimmen. Bei der Landtagswahl in Vorarlberg (9/1994) überholte die FPÖ mit 18,4 % der Stimmen erstmals in einem Bundesland die SPÖ (16,3 %). Das Ergebnis der Nationalratswahl vom Okt. 1994 (SPÖ 35,2 % ; ÖVP 27,7 %; FPÖ 22,6 %) bestätigte nach Beobachtermeinung Haiders Strategie, die erstarrten "Systemparteien" zu attackieren, und wurde als das vermutlich "definitive Ende" des vertrauten österreichischen Parteiensystems gewertet. Die Wahlverlierer ÖVP und SPÖ fanden sich noch einmal zu einer Großen Koalition zusammen, nachdem die ÖVP Haiders Angebot, mit einer konservativen Minderheitsregierung zu kooperieren, abgelehnt hatte. Im Jan. 1995 beschlossen die FPÖ-Verantwortlichen eine radikale Strukturreform der FPÖ (verstärkte Rechte für "Fast-Mitglieder" und "Bündnisbürger) und ergänzten den Parteinamen mit Die Freiheitheitlichen . Gleichzeitig distanzierte sich Haider sowohl von traditionellen "deutschnationalen" als auch "großdeutschen" Inhalten und rief stattdessen zu einer "Rückbesinnung auf zutiefst bürgerliche Werte wie Ehrlichkeit, Anstand, Fleiß und Ordnung" auf. Haider wähnte sich damit "auf dem Weg zur Dritten Republik, die eine Stärkung des Präsidialsystems, das Ende des Kammerstaates sowie mehr Elemente der direkten Demokratie bringen soll" (NZZ, 18.1.1995). Als außenpolitische Schwerpunkte nannte er im April 1995 die Abschaffung der österreichischen Neutralität und den Beitritt zur NATO. Einen seiner publicityträchtigen rhetorischen Ausrutscher leistete sich Haider im Febr. 1995, als er in einem Debattenbeitrag im Parlament die nationalsozialistischen Konzentrationslager als "Straflager" bezeichnete.


Bei der Nationalratswahl vom 17. Dez. 1995 behaupteten sich die Freiheitlichen mit 22,2 % der Stimmen, und auch bei der Landtagswahl im Burgenland (6/1996; 14,6 %), der ersten österreichischen Direktwahl zum EU-Parlament (10/1996; 27,6 %) sowie der Wiener Kommunal- und Landtagswahl (10/1996; 27,9 %) blieb Haiders Partei auf Erfolgskurs. Er selbst, der sich vor allem mit wahrheitsverdrehenden Attacken und einem Lob für die "anständige Gesinnung" von Vertretern der Waffen SS bei einem Veteranentreffen in Krumpendorf im öffentlichen Gespräch hielt, wurde im November 1996 mit 98,5 % der Stimmen als FPÖ-Chef bestätigt. Gleichzeitig wurde die Parteispitze mit der Wahl von Susanne Riess-Passer als neuer "geschäftsführenden Bundesparteiobfrau" erweitert. Haider stellte die FPÖ auf dem Parteitag als "Prototyp einer Erneuerungskraft in einer ermüdeten Demokratie" vor. Im April 1997 überraschte er durch einen Schulterschluss mit dem konservativen Katholizismus unter der Formel eines "wehrhaften Christentums". Um moderate Töne bemüht zeigte sich hingegen der Parteitag in Linz Ende Okt. 1997, auf dem sich die Freiheitlichen als "Partei des Österreichpatriotismus" präsentierten und die Abkehr von der "Deutschtümelei" ankündigten. Als Versuch eines Spagats zwischen einer freien Marktwirtschaft und sozialdemokratischen Wirtschaftsvorstellungen wurde das Modell einer "fairen Marktwirtschaft" vorgestellt. Nicht mobilisieren konnte Haider die Österreicher gegen die Einführung des Euro (12/1997). Mehr Erfolg hatte er mit der am 1. Mai 1998 neu gegründeten Freien Gewerkschaft Österreichs (FGÖ) , die u. a. Front gegen Arbeitnehmer aus den osteuropäischen Reformstaaten machte. Haider wandte sich in diesem Zusammenhang auch gegen die geplante Osterweiterung der EU.


Im April 1998 kam es nach längeren Querelen zu einem spektakulären Konflikt zwischen der Salzburger Landes-FPÖ und der Bundespartei, den Haider zum Anlass nahm, rd. 700 Salzburger Orts-, Bezirks- und Landesfunktionäre der FPÖ abzusetzen. An ihre Stelle trat der FPÖ-Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold. Gleichzeitig wurde eine "Neugründung" der Salzburger FPÖ über eine "Basiswahl" in Aussicht gestellt. Haiders Vorgehen stieß innerhalb der Partei auf überraschenden Widerstand, was ihn zu erheblichen Zugeständnissen zwang: Der zum Rücktritt getriebene FPÖ-Landesvorsitzende Karl Schnell entschuldigte sich förmlich beim Parteivorsitzenden, der seinerseits einer "Neubegründung" der Salzburger FPÖ mit den bisherigen Funktionsträgern zustimmte. Im Mai 1998 geriet Haider in die Bredouille, als die Kreditbetrugsaffäre um den FPÖ-Abgeordneten Peter Rosenstingl das von Haider gepflegte Saubermänner-Image der Partei ernsthaft in Frage stellte. Auf dem außerordentlichen FPÖ-Kongress in Linz (6/1998) leitete Haider eine nicht minder spektakuläre Gegenoffensive mit einem "Demokratievertrag" als eine Art Treueschwur gegenüber den Bürgern und eine bessere Kontrolle der Parteifinanzen ein. Im Sept. 1998 sorgte Haider mit seiner provokanten Forderung nach einer Wiedergutmachung für Sudetendeutsche für neue Schlagzeilen. Im Oktober überraschte er mit dem Vorschlag eines linearen Steuermodells, das er von Alvin Rabushka, einem der amerikanischen Begründer der "Flat-Tax", hatte speziell für Österreich ausarbeiten lassen.


Im Okt. 1998 gab Haider nach 15 Jahren den Parteivorsitz der Kärntner Freiheitlichen an Jörg Freunschlag ab und wurde stattdessen mit 99,7 % der Delegiertenstimmen zum Landeshauptmann-Kandidaten bestimmt. Bei dieser Landtagswahl vom 7. März 1999 erreichte die FPÖ mit 42,1 % der Wählerstimmen eine überraschend deutliche Mehrheit (SPÖ 32,9 %; ÖVP 20,7 %), und am 8. April 1999 genügten Haider die 16 Stimmen der eigenen Partei, um zum zweiten Mal in seiner politischen Karriere Landeshauptmann von Kärnten zu werden. Starke Beachtung fand sein definitiver Verzicht auf eine Spitzenkandidatur bei der Nationalratswahl vom Okt. 1999, der eine spekulative Debatte über eine mögliche Koalition von ÖVP und FPÖ auf Bundesebene auslöste. Diese Nationalratswahl endete für die ÖVP (26,91 %) mit leichten Verlusten. Die Sozialdemokraten blieben zwar stärkste Partei, erzielten aber mit 33,15 % ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis, während die FPÖ mit 26,91 % erstmals die ÖVP überrundete. Nach den gescheiterten SPÖ/ÖVP-Koalitionsverhandlungen entschloss sich der ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel für eine Koalition mit der FPÖ und wurde am 4. Febr. 2000 als Bundeskanzler vereidigt. Die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen löste im In- und Ausland heftige Proteste aus, obwohl Haider, der sich noch im Nov. 1999 öffentlich bei Juden für "missverständliche Äußerungen" entschuldigt hatte, auf einen Posten in der Regierung und Ende Febr. 2000 auf den Vorsitz der FPÖ ("Bin nur mehr einfaches Parteimitglied") verzichtete (seine Nachfolgerin wurde im Mai 2000 Susanne Riess-Passer), und obwohl beide Parteien in einer Präambel zum Koalitionsvertrag ein entschiedenes Bekenntnis zu den Grundwerten der EU und deren Zielen ablegten und sich klar von nationalsozialistischem Gedankengut distanzierten. Die Partnerstaaten in der EU einigten sich darauf, ihre bilateralen Kontakte zu Österreich vorübergehend stark einzuschränken, und Israel erließ für Haider ein Einreiseverbot.


Die umstrittenen EU-Sanktionen gegen Österreich verschafften Haider ein unerwartetes Maß an internationaler Aufmerksamkeit. Weit über die Landesgrenzen hinaus fanden seine verbalen Ausfälle nunmehr breite Beachtung: Er drohte mit dem Austritt Österreichs aus der EU, nannte den bundesdeutschen Außenminister Joschka Fischer einen "früheren RAF-Sympathisanten", den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac einen "Westentaschen-Napoleon" und warf Belgien ein "zutiefst korruptes politisches System" vor. Im bundespolitischen Tagesgeschäft blieb der "gerissene, vorlaute Provinzpolitiker" (SZ, 24.4.2000), "Teflon-Jörgl" (SPIEGEL, 14.2.2000) und "Bierzelt-Sozialist" (ZEIT, 6.7.2000) nach allgemeiner Lesart der wahre FPÖ-Machthaber, zumal sowohl die FPÖ-Vizekanzlerin Riess-Passer als auch der FPÖ-Fraktionsvorsitzende Peter Westenthaler keinen Zweifel darin ließen, dass sie allein Haiders Autorität und Ideen als Maßstab ihres politischen Handelns akzeptierten. Ohne Rücksicht auf bundespolitische Solidarität gefiel sich Haider nach Beobachtermeinung in der Rolle des "wilden Mannes" aus dem Hinterhalt, der (bis 2/2002) vier FPÖ-Bundesminister zu Fall brachte und politischen Druck auf laufende Gerichtsverfahren ausüben ließ, einen Empfang bei Papst Johannes Paul II. (16.12.2000) medienwirksam verwertete, gegen die Umsetzung eines Urteils des österreichischen Verfassungsgerichtshofs zum Volksgruppengesetz opponierte (12/2001) und immer wieder mit dem Koalitionsbruch in Wien drohte. In ihre bis dato schwerste Krise geriet die Mitte-rechts-Koalition in Wien im Jan. 2002 nach dem von Haider gestarteten Volksbegehren gegen das tschechische Atomkraftwerk Temelín, das mehr als 915.000 Österreicher unterschrieben. Verheerend für den internationalen Ruf Österreichs und die Wiener Bundesregierung war nach einhelliger Meinung politischer Kommentatoren Haiders Besuch beim irakischen Diktator Saddam Hussein (2/2002), den der Kärntner Landeshauptmann laut Süddeutscher Zeitung (14.2.2002) als "rein humanitär" bezeichnete. "Die Sucht nach Aufmerksamkeit, die kindische Lust am Radau treibt einen politisch und physisch rapide alternden Egomanen zu solchen Ausritten", kommentierte die SZ die höchst umstrittene Visite beim amerikanischen Erzfeind, die eine interne Krise der FPÖ auslöste. "Zur Strafe" erklärte Haider seinen Rückzug aus dem Koalitionsausschuss (ÖVP/FPÖ-Koordinationsgremium) und aus der Bundespolitik ("Bin schon weg") Nach den Bitten der Parteibasis und wichtiger FPÖ-Spitzenpolitiker machte Haider den angekündigten Rückzug aus der Bundespolitik rückgängig ("Bin wieder da") und blieb damit der starke Mann der FPÖ.

Ab Sommer 2002 kritisierte Haider die FPÖ-Regierungsmitglieder wegen der Verlegung einer Steuerreform (zur Finanzierung von Hochwasserschäden) erneut stark und löst dabei einen FPÖ-internen Machtkampf aus. Seinen Höhepunkt fand dieser bei einer außerordentlichen Parteiversammlung im obersteirischen Knittelfeld, als ein Kompromisspapier öffentlich zerrissen wurde, woraufhin Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und zwei weitere Minister zurücktraten. (siehe: Knittelfelder)


Haider übernahm erneut den Parteivorsitz, trat jedoch gleich wieder zurück, da angeblich Attentatsdrohungen gegen ihn und seine Familie vorlagen. Neuwahlen werden anberaumt, bei denen Haider als Spitzenkandidat nun nicht zur Verfügung steht. Stattdessen wurde Herbert Haupt ins Rennen geschickt. Während Haupt sich für ein Fortbestehen der Koalition mit der ÖVP einsetze, war Haider dagegen. Nach einer dramatischen - in der österreichischen Nachkriegsgeschichte einmaligen - Wahlniederlage (Rückgang von fast 27% auf knapp über 10%, Verlust von fast zwei Drittel der Wählerstimmen), für die ihm eine Hauptschuld gegeben wurde, kündigt er zunächst seinen Rücktritt als Kärntner Landeshauptmann an, machte später - auf Drängen seiner Kärtner Parteifreunde - jedoch einen Rückzieher. 2003 scheiterte sein Versuch, erneut FPÖ Parteiobmann zu werden, jedoch wurde seine Schwester Monika Haubner zur geschäftsführenden Parteiobfrau designiert.

Politisch weitgehend abgeschrieben, gelang es ihm, nach einem ideologiefreien, allein auf seine echten oder vermeintlichen Leistungen als Landeshauptmann abgestellten Wahlkampf, bei den Kärntner Landtagswahlen am 7. März 2004 wieder die relative Mehrheit zu erringen und sogar noch Stimmen hinzuzugewinnen. Daraufhin ging er zur allgemeinen Überraschung eine Koalition auf Landesebene mit der SPÖ ein und wurde in der konstituierenden Landtagssitzung vom 31. März 2004 erstmals mit Unterstützung sowohl der SPÖ (durch Anwesenheit) als auch der ÖVP (durch aktive Ja-Stimmen) - wieder zum Landeshauptmann gewählt. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, im Wahlkampf für die Europawahlen 2004 EU Politiker von SPÖ und ÖVP scharf anzugreifen und als "Landesverräter" zu bezeichnen, denen Stimmrecht bzw. Staatbügerschaft entzogen werden sollten.

Kritik an Haider

Aufgrund mehrfacher fremdenfeindlicher und antisemitischer Äußerungen sowie zuletzt auch anscheinend freundschaftlicher Kontakte zu Iraks Diktator Saddam Hussein wird Haider von Gegnern als Rechtspopulist eingestuft.

Die "österreichische Nation" nennt er in deutschnationalem Stil eine "ideologische Missgeburt".

Das Buch eines Holocaust-Leugners relativiert er schriftlich. Haider lobt 1991 die nationalsozialistische Beschäftigungspolitik als "ordentlich". 1995 sagt er zu ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS bei einem Treffen in Krumpendorf:

"(...) Dass es in dieser regen Zeit, wo es noch anständige Menschen gibt, die einen Charakter haben und die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind. Und das ist eine Basis, mein lieben Freunde, die auch an uns Junge weitergegeben wird. Und ein Volk, das seine Vorfahren nicht in Ehren hält, ist sowieso zum Untergang verurteilt. Nachdem wir aber eine Zukunft haben wollen, werden wir jenen Menschen, den politisch Korrekten, beibringen, dass wir nicht umzubringen sind und dass sich Anständigkeit in unserer Welt allemal noch lohnt, auch wenn wir momentan nicht mehrheitsfähig sind, aber wir sind den anderen geistig überlegen. (...) Wir geben Geld für Terroristen, für gewalttätige Zeitungen, für arbeitsscheues Gesindel, und wir haben kein Geld für anständige Menschen.«

Gegenüber politischen Gegnern fällt er durch pöbelhaftes Verhalten auf:

Seine Anhänger vermag er durch folgende Punkte zu überzeugen:

  • Kritik an tatsächlich vorhandenen, aber z.T. mit erfundenen Schauergeschichten aufgebauschten Missständen
  • das Benennen von Sündenböcken (Ausländer, Asylbewerber, "Parteibonzen", "Sozialschmarotzer", die "Ostküste" [sc. die New Yorker Juden, ein in Österreich geläufiges antisemitisches Klischee])
  • diesen werden die "guten", "fleißigen" und "anständigen" Österreicher gegenübergestellt
  • die Appelle an Ressentiments, bewusste Tabubrüche und das Aufdecken von Missständen werden als Heldentaten dargestellt ("der Jörgl traut sich was")
  • gewandtes, betont jugendliches, auch unpolitisches Auftreten etwa in Diskotheken

Die FPÖ befürwortete bis 1993 den Beitritt Österreichs zur damaligen Europäischen Gemeinschaft, danach sprach sich die FPÖ gegen den Beitritt aus. Haider gilt derzeit als EU-Skeptiker.

Literatur