Otto Stichling

deutscher Bildhauer
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Otto Stichling (* 10. April 1866 in Ohrdruf; † 28. April 1912 in Berlin) war ein deutscher Bildhauer und Mitglied der Werkring-Vereinigung[1] sowie Mitglied im Werdandi-Bund.[2]

Ausbildung

 
Relief am Erker der Villa Lehmann, 1902
 
Die Trauernde, 1906
 
Pilaster mit Motiven der Weinseeligkeit am Haus Trarbach, 1906
 
Die vier kupfernen Turmfiguren am Rathaus Charlottenburg
 
Chemnitz-Bellmann-Brunnen, 1907

Otto Stichling wurde als unehelicher Sohn der minderjährigen Auguste Wilhelmine Rosalie Stichlingg geboren. Der leibliche Vater Ottos Stichlings blieb unbekannt. Es wurde verfügt, dass Otto „laut Notification des herzöglischen Justizamtes vom 29. Mai 1866 den Zunahmen der Mutter „Stichling“ zu führen hat. Am 26. Juli 1868 heiratete seine Mutter, die einzige Tochter des Schuhmachermeisters Johann Christian Friedrich Stichling, den Ohrdrufer Schneidermeister Wilhelm Bernhard Frommann.[1]

Nach dem Besuch der Bürgerschule in Ohrdruf absolvierte Otto Stichling eine Lehre als Porzellanmaler in der ortsansässigen Porzellanmanufaktur Kestner & Comp..[1] In dieser Zeit wurde Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha auf ihn aufmerksam und förderte ihn mit einem Stipendium für ein Studium in Berlin. Von 1886 bis 1893 studierte Otto Stichling an der Berliner Akademie der Künste bei Fritz Schaper und Ernst Herter. Während seines Studiums arbeitete er, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, als künstlerischer Hilfsarbeiter in den Ateliers der Bildhauer Joseph Uphues, Eduard Lürssen, Ernst Westphal und Gustav Eberlein[3].

Leben und Werk

Erste künstlerische Erfolge seines Schaffens waren ein Erster Preis für einen Entwurf eines „Spreabrunnen“, der im Berliner Rathaus aufgestellt werden sollte, aber nie ausgeführt wurde, und ein Sieg 1890 bei einem Wettbewerb für zwei Kolossalfiguren für das Staatstheater Wiesbaden.[3]

Um 1900 modellierte Otto Stichling die plastischen Teile[4] - unter anderem vier vergoldete Bronzestandbilder (Malerei, Plastik, Musik und Dichtung) - ergänzt durch Inschriften Stefan Georges und Friedrich Nietzsches,[5][6] sowie 24 figürliche Holzreliefs (Türfüllungen) und zwei Majolikaplastiken im, von Melchior Lechter gestalteten, Pallenberg-Saal. Der Prunk-Saal des Kölner Kunstgewerbemuseums wurde auf der Pariser Weltausstellung 1900 mit einem Grand Prix als „räumliches Gesamtkunstwerk des Jugendstils“ ausgezeichnet.[7][8]

Von 1901 bis 1902 war Otto Stichling am Umbau des Wohnhauses des Spielzeugfabrikanten Ernst Paul Lehmann in Brandenburg an der Havel beteiligt. Stichling schuf das Relief am Erker des Hauses.[9] Diese Umbauarbeiten wurden vom Berliner Architekten Bruno Möhring geleitet. Dies war der Beginn der gemeinsamen Arbeit der beiden und der Beginn der gemeinsamen Mitgliedschaft in der Künstlervereinigung Werkring.[1]

Für die Familie des Kommerzienrates Alfred Abraham Cohn entwarf er 1903 auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee ein aufwendiges Wandgrab mit Pylonen aus Odenwälder Syenit mit blauen Emaillekacheln und Bronze-Verzierungen mit Jugendstilornamenten.[10][11]

Im Jahr 1904 nahm die Künstlervereinigung Werkring gemeinsam an der Weltausstellung in St. Louis teil. Otto Stichling erhielt eine Grosse Gold-Medaille für zwei auf dem Ehrenhof ausgestellte kupferne Brunnenfigurengruppen, die anschließend einen unbekannten amerikanischen Käufer fanden.[8][1][3]

Für das Rathaus Charlottenburg schuf Otto Stichling die vier in Kupfer getriebenen Turmfiguren sowie die bronzenen, allegorischen Beleuchtungsfiguren an der Fassade des Eingangsbereichs. [8][12][13] Ebenso wie die Marmorbüsten Kaiser Wilhelms II. und der Kaiserin Auguste Viktoria für den Magistratssitzungssaal des Rathauses Charlottenburg sind sie heute nicht mehr erhalten.[8]

Im Jahr 1905 führte Otto Stichling nach den Entwürfen von Bruno Möhring das Jugendstilgrabmal für Auguste und Oskar Haussmann in Traben-Trarbach aus.[9][14] Im selben Jahr entwarf Stichling Die Sinnende, einen stehenden Akt mit geneigtem Kopf. Erst nach dem Tode Otto Stichlings erwarb im Mai 1912 die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin das Modell von seinen Erben und formte es nur wenige Male aus weißem Biskuitporzellan.[15] Die 1905 in Bronze gegossene 1,55 Meter, lebensgrosse Frauenfigur Junges Weib wurde auf den Großen Berliner Kunstausstellungen 1906 und 1908 ausgestellt und erhielt 1908 eine Goldmedaille. Im Jahr 1908 wurde die Statue durch die Berliner Nationalgalerie angekauft und stand seit 1930 als Dauerleihgabe am Eingang des Eichtalparks in Hamburg-Wandsbek.[8][16] 2006 wurde das Junge Weib umfassend restauriert[17] und ist 2010 aus dem Eichtalpark spurlos verschwunden.[18] Ebenfalls auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1908 wurde die Büste Die Träumende ausgestellt.[19]

1906 schuf Stichling die Bronzestatue Trauernde für das Erbbegräbnis Schumann-Recke auf dem St.-Marien- und St.-Nikolai-Friedhof I in Berlin-Prenzlauer Berg und die grossen Reliefgruppen an den Pilastern des Weinhauses Haus Trarbach in Berlin (Behrenstraße 47). Diese zeigen in 2,50 Meter hohen Figuren die verschiedenen Szenen des Weingenusses (Liebestrunk und Labetrank, die Traube, die Blume des Weines, der Wein, der fertige Trank und Der Tanz als Wirkung des Weines). Für den vom Charlottenburger Architekt Richard Walter entworfenen Hofbrunnen des Weinrestaurants fertigte Otto Stichling die Bronzefiguren.[20]

Ab 1907 war Otto Stichling in Altona ansässig und schuf, vermutlich nach Entwürfen von Hermann Hausmann (1865–1907), den Chemnitz-Bellmann-Brunnen, mit einer Reliefplatte aus allegorischen Figuren und der Inschrift: „Dem Dichter des Liedes Schleswig Holstein meerumschlungen, deutscher Sitte hohe Wacht, Matthäus Friedrich Chemnitz“, aus Sandstein an der Stützmauer der Rainvilleterrasse in Hamburg-Ottensen.[21] Auf Vermittlung von Hermann Muthesius[3] war Otto Stichling von 1907 bis 1910 als Lehrer an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Altona tätig[8] und gehörte dem Altonaer Künstlerverein (AKV) an.[1] Für die von 1908 bis 1910 erbaute Oberrealschule in Altona schuf er die Sandsteinstatuen von Martin Luther und Nikolaus Kopernikus am Haupteingang.[8][22]

1910 kehrte Otto Stichling nach Berlin zurück und folgte dem Ruf an die Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Charlottenburg, dort lehrte er bis zu seinem Tode 1912.[3] Im Frühjahr 1911 erlitt Otto Stichling einen ersten Schwächeanfall, nahm aber seine Arbeiten an der bereits in Altona begonnenen Innenaustattung des Ozeandampfers Cap Finestere und seine Lehrtätigkeit wieder auf, bis ein weiterer schwerer Schwächeanfall sein künstlerisches Wirken beendete.

Otto Stichling war verheiratet und starb im Alter von nur 46 Jahren am 28. April 1912 an einem Herzschlag in einem Sanatorium in Berlin.[3]

Bildergalerie

Einzelnachweise

  1. a b c d e f ohrdruf.de - Bildhauer Professor Otto Stichling, abgerufen am 16. August 2015
  2. Uwe Puschner, Walter Schmitz, Justus H. Ulbricht: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871-1918, Verlag Walter de Gruyter 1996, Seite 319. (Digitalisat), abgerufen am 17. August 2015
  3. a b c d e f Otto Stichling - Ein Nachruf von Hans Schliepmann: in Berliner Architekturwelt 15. Jahrgang, Dezember 1912, Seite 344-355) (PDF), abgerufen am 19. August 2015
  4. Walther Greischel, Stefan George Stiftung: Stefan George im Bildnis: Auswahl. Klett-Cotta Verlag 1976, Seite 24. (Digitalisat), abgerufen am 15. August 2015
  5. Jürgen Krause: "Märtyrer" und "Prophet": Studien zum Nietzsche-Kult in der bildenden Kunst der Jahrhundertwende. Verlag Walter de Gruyter 1984, Seite 81. (Digitalisat), abgerufen am 15. August 2015
  6. Wolfgang Osthoff: Stefan George und "les deux musiques": tönende und vertonte Dichtung im Einklang und Widerstreit. Franz Steiner Verlag 1989. Seite 53. (Digitalisat), abgerufen am 15. August 2015
  7. stadt-koeln.de:Rede von Herrn Oberbürgermeister Jürgen Roters anlässlich des Festakts zum 125-jährigen Bestehen des Museums für Angewandte Kunst Köln am 10.Juni 2013, 19Uhr, MAKK (PDF), abgerufen am 16. August 2015
  8. a b c d e f g Stichling, Otto. In: Thieme, Becker, Vollmer: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, DVD Ausgabe, Ste-Sz, Seite 123, ISBN 978-3-86502-177-9
  9. a b kmkbuecholdt.de - Bruno Möhring (1863-1929) Vom Brückenmännchen zum Städtebau, abgerufen am 16. August 2015
  10. berliner-grabmale-retten.de Alfred Cohn, abgerufen am 21. August 2015
  11. stadtentwicklung.berlin.de Jüdischer Friedhof Weißensee, abgerufen am 21. August 2015
  12. berlin.de -Gisela Scholtze: Die drei Rathäuser der Stadt Charlottenburg, abgerufen am 16. August 2015
  13. architekturmuseum.ub.tu -berlin.de - Otto Stichling: Allegorischer Figurenschmuck, mehrheitlich für die Hauptfassade des Rathauses Berlin-Charlottenburg, Entwurfs- bzw. Ausführungsmodelle, abgerufen am 17. August 2015
  14. bildindex.de:Grabmal Oskar Haussmann, gestorben 1905, abgerufen am 16. August 2015
  15. beyars.com - Auktion (08. 05. 2010 - 08. 06. 2010): Figur "Sinnende", abgerufen am 16. August 2015
  16. bildindex.de:Junges Weib, abgerufen am 16. August 2015
  17. alscher-restaurierung.de: Junges Weib, abgerufen am 18. August 2015
  18. hamburger-wochenblatt.de: Der „Hunne“ muss zurück nach Berlin, abgerufen am 18. August 2015
  19. ansichtskarten-center.de -Otto Stichling "Träumende" Große Berliner Kunstausstellung, abgerufen am 16. August 2015
  20. M. Creutz. - Der Neubau „Haus Trarbach“: in Berliner Architekturwelt 8. Jahrgang, Dezember 1906, Seite 61-76) (PDF), abgerufen am 20. August 2015
  21. Rainvilleterrasse Chemnitz-Relief, Hamburg - Ottensen (Hamburg), abgerufen am 16. August 2015
  22. hamburg.de: Baudenkmal Gymnasium Altona, abgerufen am 20. August 2015

Literatur

Commons: Otto Stichling – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


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