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Linksruck

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Linksruck ist eine trotzkistische Organisation in Deutschland, die der International Socialist Tendency angehört. Sie wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft.

Die Ursprünge von Linksruck liegen in der Sozialistischen Arbeitergruppe (SAG), die in den 1970er Jahren unter dem Einfluss der britischen International Socialists (IS) gegründet wurde. Ein wichtiges Mitglied der SAG war Volkhard Mosler, der der IS seit 1966 nahestand. In den 1970er Jahren baute die SAG eine bundesweite Struktur auf, die jedoch bis zur Wiedervereinigung relativ klein blieb. Relativ stark war der Einfluß der Gruppe auf die sogenannte "Heimkampfbewegung" in Frankfurt am Main. Dabei spielte die Jugendorganisation "Rote Panther" eine wesentliche Rolle. Die SAG gab erst die „Sozialistische Arbeiterzeitung“ und später den „Klassenkampf“ heraus.

Die SAG intervenierte 1991/92 sehr erfolgreich in die Antifa-Bewegung und initiierte teilweise mit grossem Erfolg selbst Antifas. In Dresden hatte die SAG ebenfalls ein Antifa-Bündniss mitinitiiert. Durch machtpolitische Spielchen und Gängelungen von Bündnismitgliedern wurde Dresden zum Fiasko für die SAG. Das Bündniss zerbrach und die SAG wurde vor allem in der autonomen Antifa-Bewegung gemieden. Es war der SAG mithin nicht mehr möglich, sich in der Antifa-Bewegung aufzubauen - zumindest dort, wo die Autonomen dominierten. 1992 gab daraufhin die Zentrale Leitung (ZL) unter Werner Hallbauer die Parole aus "Raus aus dem Sumpf", d.h. Beendigung der Antifa-Arbeit. In vielen Städten arbeiteten SAGler jedoch immer noch mit gutem Erfolg in Antifas mit, waren sie doch zu großen Teilen über diese Arbeit gewonnen worden. Da die Neonazis immer noch ein reale Gefahr waren, zogen es viele Genossen vor, als sie sich zwischen SAG und Antifa entscheiden mussten, weiterhin Antifa-Arbeit zu machen. Das Ergebnis war nun, dass die SAG durch ihren Schwenk aus der Antifa-Bewegung sich von ca. 2000 Mitgliedern auf ca. 800 verkleinerte. Im Sommer 1993 fand in England das jährliche Treffen "Marxism" der SAG statt. Als Reaktion auf die Krise der SAG äusserte Tony Cliff sinngemäß: "Der Fisch stinkt zuerst vom Kopf ... ich schicke sie in die Jusos ... das ist meine letzte Hoffnung". Die Operation der Entsendung der SAG in die SPD-Jugend sollte mehreres Bewirken: Zum einen war es ein Enthauptungsschlag gegen den auf Eigenständigkeit bedachten Alt-Kader um Halbauer - man durfte als Juso-Mitglied maximal 35 Jahre alt sein -, andererseits sollten die SAGler in der Auseinandersetzung mit den Juso-Funktionären auch praktisch ihre sektiererischen Tendenzen verlieren. Die SAG löste sich damit faktisch in die Jusos auf. Diese Strategie wurde den Mitgliedern als "Entrismus" verkauft, da aber kurz vorher die SAV bereits Entrismus bei den Jusos gemacht hatten, konnte der "Entrismus" der SAG nur ein Vorwand sein. Es gab keinen linken Flügel in den Jusos den man hätte gewinnen können. Der SAG Alt-Kader überwinterte derweil mit der Zeitschrift "Sozialismus von Unten".

1993 begannen einige Mitglieder der SAG mit einer auf die Jusos gerichteten entristischen Strategie und fingen an, die Zeitschrift „Linksruck“ zu verlegen. Dies geschah auf Anweisung des Leiters der Socialist Workers Party, Tony Cliff. Allerdings erwies sich diese Entrismus-Strategie als nicht erfolgreich, da Mitglieder vor allem von außerhalb der Jusos gewonnen werden konnten und die Organisation einige "Altkader" an die Jusos verlor. In dieser Periode spalteten sich mehrere, heute zumeist zerfallene Gruppen von der SAG ab, die es ablehnten, sich in die Jusos aufzulösen.

Sie schlossen sich mit der deutschen Exilgruppe der Sosyalist İşçi (SI, Sozialistische Arbeiter), der türkische Schwesterorganisation der SAG zur Gruppe Internationaler Sozialisten zusammen und vereinigten sich später mit der Initiative Sozialistischer Internationalisten (ISI) um den SAG Alt-Kader Norbert Nelte zur 1994 gegründeten Internationalistisch-Sozialistische Organisation (ISO). Hauptkritikpunkte dieser Gruppen an der SAG waren u. a. mangelnde innerorganisatorische Demokratie, Theoriefeindlichkeit und Antifeminismus. Des Weiteren wurde von N.Nelte die Taktik von Werner Halbauer kritisiert, statt inhaltlicher Qualität auf Masse zu setzen, d.h. die Inhalte zu verstecken um mehr - vor allem jugendliche - Mitglieder gewinnen zu können, was zu einer "Sozialdemokratisierung" der SAG, bzw. des Linkrucks führen würde, sowie zu einer Organisation in der Organisation, in der die "klaren Kader" ihren neu gewonnenen, noch reformistisch denkenden Mitgliedern kein echtes Mitspracherecht zugestehn würden. N.Nelte verließ 1995 nach innerorganisatorischen Auseinandersetzungen die ISO und gründete die Internationalen Sozialisten (IS). Die ISO zerfiel in der Folgezeit, die SI verließ ebenfalls die ISO, die größte der Restgruppen, die 1999 gegründete Gruppe Internationale SozialistInnen, vertritt wie die 2002 von ihr abgespaltene Initiative Linkskommunismus Positionen, welche sich eher aus antinationalen, rätekommunistischen und linkskommunistischen Wurzeln speisen.

Nach der „Mehr Druck von unten“-Demonstration in Bonn 1996 und im Zuge der Vorbereitungen auf die Bundestagswahl 1998 wandelte sich die Organisationsstruktur von Linksruck. Man legte größeren Wert darauf, in die vorhandene Bewegung der Bevölkerung gegen soziale Ungerechtigkeiten, Sparpakete der Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl und gegen die Globalisierung mit sozialistischen und marxistisch-trotzkistischen Argumenten einzugreifen. Diese Zeitspanne wurde mit dem von Tony Cliff geprägten Slogan, man solle „das Gedächtnis der Arbeiterklasse“ sein, geprägt. Es sollten Erfahrungen der Arbeiterklasse gesammelt und in die Bewegung eingebracht werden, auf dass diese erkennen möge, dass die Ursachen ihrer Probleme systemimmanenter Natur seien.

Seit der Jahrhundertwende engagiert sich Linksruck stark in der globalisierungskritischen Bewegung, mobilisierte zu den Protesten in Genua 2001 und wurde Mitglied von Attac. Gleichzeitig wurde es für Linksruck schwieriger, Personen, die politisch aktiv werden wollten, in ihre bestehenden Strukturen zu integrieren. Es folgte ein Mitgliederschwund, der nur durch erneute Rückbesinnung auf die eigentliche Aufgabe, nämlich revolutionäre Ideen in Protestaktionen einzubringen, gestoppt werden konnte.

2001/2002 kam es zu einer Welle von Austritten aus Linksruck, die einerseits mit unterschiedlichen Strategien im Zusammenhang mit antikapitalistischen Bewegungen zusammenhing und die andererseits mit dem Vorwurf gegenüber der Linksruck-Führung, sexuelle Übergriffe und Fehlverhalten vertuscht zu haben, begründet wird. Weiterhin konstatierten die KritikerInnen einen Mangel an innerorganisatorischer Demokratie. Ein Teil der Kritiker konstituierten sich 2001 zunächst als Strömung "Seattle Bolschewik" innerhalb Linksrucks, nach dem Austritt als Antikapitalistisches Netzwerk (Antikapitalistas), welches inzwischen weitgehend zerfallen ist.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt von Linksruck neben der antifaschistischen und der Antirassismus-Arbeit ist spätestens seit dem 11. September 2001 die Friedensbewegung und seit 2003 der Protest gegen die Besatzung im Irak.

Mit der Verschärfung der Krise der SPD im Jahre 2004 richtet sich das Interesse von Linksruck nun auch auf die Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative. Am Zustandekommen des Bündnisses der WASG mit der Linkspartei zur Bundestagswahl 2005 waren Linksruck-Mitglieder maßgeblich beteiligt und Linksruck stellt Personal in Bundes- und Landesvorständen der WASG.

Organe von Linksruck sind die jährlich stattfindende Mitgliederversammlung, die dort gewählte Bundesleitung und die in unregelmäßigen Abständen stattfindende Delegiertenkonferenz „Orga-Rat“. Stadtgruppen wählen auf ihren Mitgliederversammlungen die Gruppenleiter/innen.

Linksruck hat heute etwa 500 Mitglieder.

Die österreichische Schwesterorganisation von Linksruck heißt Linkswende, die britische heißt Socialist Workers Party.

Kritik an Linksruck

Die Gruppe Linksruck genießt innerhalb von Teilen der Linken einen kontroversen Status.

Mitglieder anderer linker Gruppierungen werfen der Organisation einen Mangel an Demokratie vor. Außerdem lassen sich u.a. nach Ansicht von Antideutschen antisemitische Tendenzen innerhalb von Linksruck nachweisen. Vor allem von linksextremer Seite wird Linksruck eine zentristische Arbeitsweise vorgeworfen, oft verbunden mit dem Vorwurf, reformistische Positionen einzunehmen. Dabei werden Aktionen wie die „Stoppt Stoiber“-Kampagne von Linksruck zur Bundestagswahl 2002 als nicht revolutionär kritisiert.

Manche andere Parteien und außerparlamentarische Gruppen zeigen sich skeptisch gegenüber der Teilnahme von Linksruck-Mitgliedern an ihren Arbeitsgruppen und Plenen, da sie fürchten, Linksruck verfolge ihnen gegenüber eine Unterwanderungsstrategie wie Ende der 1990er Jahre in den Versammlungen der Jusos.

Es kursieren auch Kritiken an einer angeblich zu undifferenziert pro-palästinensischen Position Linksrucks.

Es wird vor allem in Berlin kritisiert, daß der Linksruck sich in Berlin zum Gehilfen der PDS macht, um eine Eigenkandidatur der WASG gegen die PDS Kürzungspolitik -siehe auch Berliner Bankenskandal - zu verhindern.