Freier Beruf (Deutschland)

Berufe, die nicht der Gewerbeordnung unterliegen; selbständig ausgeübte Tätigkeit
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Als Freiberuf oder freier Beruf werden – im deutschen Recht – Tätigkeiten bezeichnet, die nicht der Gewerbeordnung unterliegen. Sie betreffen nach § 18 EStG und § 1 PartGG selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten. Beispiele sind: Ingenieur, Arzt, Jurist und Steuerberater. Die freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt (§ 1 Abs. 2 PartGG).

Menschen, die freie Berufe ausüben, werden auch als Freiberufler (im Gegensatz zum Gewerbetreibenden) bezeichnet. Die Personen, die in einem Unternehmen die für die Einordnung dieses Unternehmens als freier Beruf notwendige Qualifikation besitzen, werden als Berufsträger bezeichnet.

Überblick

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit etwa eine Million Freiberufler[1]. Um deren allgemeine Belange auf Bundes- und europäischer Ebene kümmert sich der Bundesverband der Freien Berufe (BFB).

Viele freiberufliche Tätigkeiten werden in Deutschland durch sogenannte Standesordnungen geregelt. Viele Freiberufler sind in Standesvertretungen bzw. berufsständischen Körperschaften organisiert.

Laien verwechseln den „Freiberufler“ gelegentlich mit dem „Freien Mitarbeiter“. Beide Begriffe haben jedoch grundverschiedene Bedeutungen. Die Bezeichnung „Freier Mitarbeiter“ bezieht sich nur auf die Art des Beschäftigungsverhältnisses – in Abgrenzung zum Arbeitnehmer –, besagt aber nichts über den ausgeübten Beruf. Die Bezeichnung „Freiberufler“ bezieht sich hingegen immer auf Angehörige bestimmter wissenschaftlicher und künstlerischer Berufe (Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte usw.), sie besagt nichts darüber, ob der Beruf selbständig oder nichtselbständig ausgeübt wird.

Einen Sonderfall stellen die selbständigen Bilanzbuchhalter dar, die zwischen Gewerbetreibenden und freien Berufen stehen.

Charakter der freien Berufe

Ein Angehöriger eines freien Berufs bleibt auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Hilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen.

Nicht zu den freien Berufen gehören z. B. die Ausübung eines Gewerbes, der Betrieb einer Land- oder Forstwirtschaft, die Verwaltung eigenen Vermögens und die selbständige Ausübung eines Berufes, der nicht unter die Definition eines freien Berufes fällt, z. B. Hellseher.

Freiberufler ist nicht, wer vornehmlich gewerbliche Leistungen erbringt. Hierzu gehört der Verkauf von Waren. Apotheker sind Freiberufler und Gewerbetreibende zugleich und daher Pflichtmitglied in der Apothekerkammer und als selbständiger Apotheker zusätzlich in der Industrie- und Handelskammer. Steuerlich ist ein Apotheker kein Freiberufler, wenn er eine Apotheke betreibt. Eine Kapitalgesellschaft wird, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Aktivität, nie als Freiberufler behandelt, auch wenn das Standesrecht insoweit teilweise Anwendung findet. Freie Berufe unterliegen, mit Ausnahme der Apotheker, nicht der Gewerbesteuer. Kapitalgesellschaften sind kraft Rechtsform immer gewerbesteuerpflichtig.

Katalogberufe und ähnliche Berufe

Die nicht gewerblichen Berufe werden abschließend in § 18 EStG aufgeführt. Diese Aufzählung ähnelt einem Katalog, wodurch die Bezeichnung der Katalogberufe entstand. Wer einen dieser Katalogberufe selbständig ausübt, bezieht Einkünfte aus selbständiger Arbeit und unterliegt weder der Gewerbeordnung noch der Gewerbesteuer (§ 2 GewStG).

Die klassischen Katalogberufe gemäß § 18 EStG beziehungsweise § 1 PartGG sind:

  • Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Dentisten, Physiotherapeuten, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, selbstständige Gesundheits- und Krankenpfleger beziehungsweise Altenpfleger (Pflegedienst)
  • Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte
  • Ingenieure, Vermessungsingenieure, Architekten, Handelschemiker
  • Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratende Volks- und Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte
  • Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer
  • Lotsen, hauptberufliche Sachverständige
  • Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher

Das Gesetz schließt „ähnliche Berufe“ ausdrücklich mit ein, so dass folgende Selbständige als Freiberufler gelten können:

In den juristischen Berufen

  • Notar, soweit nicht Beamter (der Notar ist in den meisten Bundesländern gleichzeitig Freiberufler und beliehener Amtsträger)
  • Patentanwalt
  • Rechtsanwalt

In den wirtschaftswissenschaftlichen Berufen

In den Heilberufen

In den Medizinalfachberufen

In den pädagogischen und verwandten Berufen

In den kreativen Berufen

In den publizistischen Berufen

Naturwissenschaftliche und technische Berufe

Wirtschaftliche Bedeutung der freien Berufe

In Deutschland gibt es derzeit etwa eine Million Freiberufler (von insgesamt 42 Mio. Erwerbstätigen[3]), von denen ca. 906.000 selbständig sind. Diese beschäftigen rund 2,9 Millionen Mitarbeiter und 136.000 Auszubildende (BFB-Angaben, Stand: 1. März 2009) und erwirtschaften etwa 9 % des BIP. Die wirtschaftliche Bedeutung ist mit der des Handwerks oder der anderer Sektoren des Mittelstandes vergleichbar. Es gibt innerhalb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ein eigenes wirtschaftspolitisches Referat für die Freien Berufe.

Steuerliche Behandlung

Ausübende der klassischen freien Berufe, auch Katalogberufe genannt, sind nicht gewerbesteuerpflichtig, da sie kein gewerbliches Unternehmen betreiben § 2 GewStG. Sie sind aber umsatzsteuerpflichtig (allerdings sind bestimmte Leistungen der Humanmedizin, für Bildung und Kultur, usw., umsatzsteuerfrei) und einkommensteuerpflichtig. Das Finanzamt entscheidet, ob eine selbständig ausgeübte Tätigkeit gewerblich oder freiberuflich ist.

Abgrenzungsprobleme

Beispiel Programmierer

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Programmierer freiberuflich tätig sein können, solange sie keine Trivialsoftware herstellen. Die früher maßgebliche Trennung zwischen „Systemsoftware“ und „Anwendungssoftware“ wurde aufgegeben. Auch künftig ist nicht jede Tätigkeit im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware als freiberufliche Tätigkeit zu beurteilen. Diese setzt vielmehr die Entwicklung qualifizierter Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion, Überwachung) voraus sowie eine Ausbildung, die der eines Ingenieurs zumindest vergleichbar ist.[4]

Zusammenschluss von Freiberuflern

Die übliche Form der Zusammenarbeit ist die Organisationsform der Personengesellschaft, meist in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach §§ 705 ff. BGB, die auch dann entsteht, wenn von den Gesellschaftern nichts weiter vereinbart wird. Personengesellschaften sind keine juristischen Personen; sie sind nur eingeschränkt rechtsfähig.

Seit 1994 gibt es die Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz. Die Partnerschaft ist eine Gesellschaft, in der sich Angehörige freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe zusammenschließen. Angehörige einer Partnerschaft können nur natürliche Personen sein. Die Partnerschaftsgesellschaft haftet für ihre gemeinschaftlichen Aktivitäten mit ihrem Geschäftsvermögen und dem Privatvermögen der Gesellschafter; die Haftung für Fehler im Rahmen der Berufsausübung ist auf den Verursacher beschränkt. Damit soll vermieden werden, dass z. B. Ärzte in einer Gemeinschaftspraxis für evt. Kunstfehler eines Kollegen haften, obwohl sie mit dessen Operation nichts zu tun hatten. Die § 129 und § 130 Handelsgesetzbuch sind entsprechend anzuwenden. Rechtlich gesehen ist die PartG eine Mischung aus GbR und oHG. Die PartG wird in das Partnerschaftsregister eingetragen und ist somit rechtsfähig. D.h. sie kann im Rechtsverkehr unter ihrem Namen handeln. Die PartG wird trotz ihrer weitreichenden Vorteile bisher kaum genutzt. Die PartG ermöglicht auch Freiberuflern, die standesrechtlichen Beschränkungen unterliegen (z. B. Rechtsanwälten), einen Zusammenschluss.

Die traditionelle Bezeichnung eines Zusammenschlusses von Anwälten (und teilweise auch anderen Freiberuflern) ist Sozietät, die sowohl eine GbR als auch eine Partnerschaftsgesellschaft sein kann.

Eine andere Form der Zusammenarbeit von Freiberuflern bietet die Unternehmensform der Genossenschaft. Insbesondere Dienstleistungsgenossenschaften bieten Freiberuflern vielfältige Vorteile. Jeder Freiberufler bleibt wirtschaftlich und juristisch selbständig und die Genossenschaft arbeitet ihren Mitgliedern wirtschaftlich zu. Beispiele sind Datev oder die IT-Dienstleistungsgenossenschaft JARIVA.

Eine reine Bürogemeinschaft stellt keinen Zusammenschluss dar.

Standesordnungen und Gebührenordnungen

Für einige der oben genannten Berufe ist das Entgelt in einer Gebührenordnung festgelegt. Meist wird diese als Verordnung der Verwaltungsbehörde erlassen und den sich ändernden Bedingungen gelegentlich angepasst. Durch die Regelung soll Willkür bei der Rechnungslegung, aber auch ruinöser Wettbewerb der Berufsträger untereinander vermieden werden. Zu nennen sind hier als Beispiele für Rechtsanwälte das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und für Steuerberater die Steuerberatervergütungsverordnung [1].

Derzeit werden die Standes- und Gebührenordnungen der Freien Berufen teilweise als überkommen kritisiert. Die EU-Kommission hat im Februar 2004[5] und erneut am 5. September 2005 als sog. Follow-up (KOM[2005]-405)[6] auf wettbewerbsrechtliche Probleme hingewiesen und die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, nicht zu rechtfertigende gesetzliche Beschränkungen für freiberufliche Dienstleister, zum Beispiel Gebührenordnungen oder bei der Werbung, aufzuheben.

Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung

Am 17. Mai 2010 ist die auch für Freiberufler geltende Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungsträger (Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung - DL-InfoV) vom 12. März 2010 in Kraft getreten, verkündet im Bundesgesetzblatt I Nr. 11 vom 17. März 2010, Seiten 267 ff. Sie beruht auf der Umsetzung einer EG-Dienstleistungsrichtlinie und enthält folgende Bestimmungen:

  • Anwendungsbereich
  • Stets zur Verfügung zu stellende Informationen
  • Auf Anfrage zur Verfügung zu stellende Informationen
  • Erforderliche Preisangaben
  • Verbot diskriminierender Bestimmungen
  • Ordnungswidrigkeiten
  • Inkrafttreten (17. Mai 2010)

Ein Informationsmuster für Rechtsanwälte zur Handhabung der Dienstleistungspflichten-Verordnung hat die Bundesrechtsanwaltskammer in Form eines Merkblattes auf ihrer Homepage unter www.brak.de zur Verfügung gestellt.

Literatur

  • Svenja Hofert: Praxisbuch für Freiberufler. Alles, was Sie wissen müssen, um erfolgreich zu sein. 4., völlig überarbeitete Neuauflage. Gabal, Offenbach 2012, ISBN 978-3-86936-435-3.

Einzelnachweise

  1. Bundesverband der Freien Berufe: Daten und Fakten
  2. IHK Magdeburg zur Abgrenzung Gewerbe und Freier Beruf
  3. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Erwerbstaetigkeit.html
  4. Bundesfinanzhof, BFH (XI R 9/03) Urteil vom 4. Mai 2004
  5. KOM/2004/0083 endg. auf EUR-Lex
  6. KOM/2005/0405 endg. auf EUR-Lex