Die Justizvollzugsanstalt Siegburg ist eine für 649 Insassen ausgelegte Justizvollzugsanstalt (JVA) in Siegburg. Die neben der eigentlichen JVA errichteten Bedienstetenwohnungen sind als Nr.215 in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Siegburg aufgenommen worden. Die drei Straßen der Siedlung wurden nach den drei erschossenen luxemburgischen Kriegsgefangenen vom Ulrather Hof benannt.
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Justizvollzugsanstalts-Information | |
Name | Justizvollzugsanstalt Siegburg |
Bezugsjahr | 1896 |
Haftplätze | 544[1] |
Mitarbeiter | ca. 300 |
Anstaltsleiter | Wolfgang Klein |
Geschichte
Der Gefängniskomplex wurde im Jahre 1886 als königlich-preußische Strafanstalt eröffnet. Dazu wurden zunächst Gebäude der Abtei auf dem Michaelsberg umgebaut, die dann zwischen 1889 und 1891 um einen Zellentrakt erweitert wurden. 1896 kam es auf Betreiben des Leiters des preußischen Gefängniswesens, Geheimrat Carl Krohne, zu einem Neubau auf dem heutigen Gelände. Ein baulich sehr ähnlicher Gefängniskomplex findet sich auch im niederschlesischen Wolow (Wohlau) nordwestlich von Wroclaw (Breslau).
Zuständigkeit
Die JVA Siegburg ist Zuständig für die Vollstreckung von:
- Jugendstrafe, Freiheitsstrafe (§ 114 JGG) an Männern[2]
Die Zuständigkeiten der Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen sind im Vollstreckungsplan des Landes NRW geregelt (AV d. JM v. 16. September 2003 – 4431 – IV B. 28 -).[3]
Ausbildung und Weiterbildung
Die JVA Siegburg ist eine Anstalt in NRW, die auch die Berufsausbildung für Gefangene anbietet. Die JVA verfügt derzeit über 110 Ausbildungsplätze in verschiedenen Bereichen. Träger der Ausbildungsmaßnahmen ist das Berufsförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ausgebildet werden:
- Modulare Qualifizierung auf dem Gebiet Konstruktionsmechaniker
- Modulare Qualifizierung auf dem Gebiet Zerspanungsmechaniker
- Modulare Qualifizierung auf dem Gebiet Maler und Lackierer
- Bauten- und Objektbeschichter mit Weiterbildung zum Maler und Lackierer
- Kfz-Mechatroniker
- Kfz- Servicetechniker
- Modulare Qualifizierung im Bereich Holz[4]
Die Zwischen und Abschlussprüfungen werden von der Industrie- und Handelskammer (IHK) oder der Kreishandwerkerschaft (HwK) abgenommen.
Die JVA Siegburg in den Medien
Die JVA Siegburg geriet im November 2006 bundesweit in die Schlagzeilen. Anlass war das Bekanntwerden eines Vorfalls am 11./12. November, bei dem ein 20 Jahre alter Gefangener in seiner Zelle durch drei 17- bis 20-jährige Mithäftlinge über Stunden hinweg systematisch gefoltert, vergewaltigt und schließlich ermordet wurde, indem man ihn zwang, sich zu strangulieren. Dadurch sollte vermutlich Suizid vorgetäuscht werden, welcher für die Täter zu Hafterleichterungen hätte führen können. Das Geschehen blieb bis zum Morgen unbemerkt vom Wachpersonal, obwohl ein Vollzugsbeamter die Zelle laut Medienberichten noch persönlich inspizierte, nachdem sich andere Insassen über Lärm beschwert hatten.
Im anschließenden Prozess vor dem Landgericht Bonn zeigten sich die Männer geständig. Am 4. Oktober 2007 wurde das Urteil verkündet. Der zur Tatzeit 17-jährige Danny K., der als Anstifter der Tat galt, wurde nach Jugendstrafrecht zur Höchststrafe von 10 Jahren Haft verurteilt, Ralf A. wurde zu 14 Jahren, und der als Haupttäter betrachtete Pascal I. zu 15 Jahren Haft verurteilt.[5] Anders als erwartet wurde keiner der beiden zur Tatzeit volljährigen Angeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt, was der Richter damit begründete, dass eine Wiedereingliederung beider Täter "möglich" sei. [6] Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof ein, der am 13. August 2008 entsprochen wurde. Die Entscheidung über das Strafmaß gegen Pascal I. wurde zurück an das Landgericht Bonn verwiesen, wo dieser am 8. Mai 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde.[7] Das Landgericht Bonn folgte in seiner Urteilsbegründung der Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass die Prognose auf eine erfolgreiche Resozialisierung von Pascal I. nicht auf Tatsachen, sondern auf Vermutungen beruhte.[7]
Die Ermittlungen gegen die diensthabenden Vollzugsbeamten wurden bereits im April 2007 eingestellt, nachdem die Staatsanwaltschaft kein juristisch relevantes Fehlverhalten feststellen konnte.[8][9]
In der Folge kamen neue Debatten zum Thema Überbelegung und Personalmangel in deutschen Gefängnissen auf, insbesondere nachdem sich herausstellte, dass das „nur“ wegen Diebstahls inhaftierte Opfer mit einschlägigen Gewalttätern in einer Zelle saß. Die nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) geriet zunehmend unter Druck, schloss einen Rücktritt aber dennoch aus.
Der Vorfall wurde 2009 unter dem Titel Siegburg verfilmt. Ein Jahr später wurde die Tat von dem Spielfilm Picco aufgegriffen.
Im Übrigen hat der Vorfall zur Folge gehabt, dass die den heutigen Maßstäben des Jugendstrafvollzugs entsprechende Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf für jugendliche Untersuchungs- und Strafgefangene in Wuppertal-Ronsdorf errichtet und Anfang August 2011 in Betrieb genommen wurde. Mittelfristig werden dadurch in Siegburg keine jugendlichen bzw. heranwachsenden Gefangenen mehr untergebracht werden, sondern die Anstalt wird ausschließlich dem Erwachsenenvollzug dienen.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen, Herausgeber: Justizministerium NRW, 2008, S. 58
- ↑ http://www.datenbanken.justiz.nrw.de/pls/jmi/vp_zweck
- ↑ Vollstreckungsplan für das Land NRW, (AV d. JM v. 16. September 2003-4431-IV B. 28-)
- ↑ Informationsbroschüre: Berufsbildungsangebot in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen, Herausgeber: Justizministerium des Landes NRW, 2011, S. 34
- ↑ N-TV: Siegburger Foltermord - 15 Jahre Haft für Pascal I., 4. Oktober 2007
- ↑ Die Zeit: JVA Siegburg: Folter-Pause nur zur "Sportschau", 4. Oktober 2007
- ↑ a b Süddeutsche Zeitung: Siegburg: Foltermordprozess - 15 Jahre Haft plus Sicherungsverwahrung, 8. Mai 2009
- ↑ Der Spiegel: Siegburger Foltermord: „Ich habe schließlich keinen Bock, in der Hölle zu landen“, 1. August 2007
- ↑ WDR.de: Foltermord in Siegburger: Der Prozess, 21. August 2007
Koordinaten: 50° 48′ 19,5″ N, 7° 11′ 37,2″ O