Als Neonazi (wörtlich Neu-Nazi) bezeichnet man einen Anhänger nationalsozialistischen oder faschistischen Gedankenguts, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Dritten Reiches politisch aktiv wurde.

Geschichte
Deutschland
Bis in die 70er-Jahre hinein war die in Parteien wie der SRP oder der NPD organisierte rechtsextreme Szene in der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen von sogenannten Altnazis bestimmt, die schon während des Dritten Reichs Anhänger Adolf Hitlers gewesen waren. Seit Ende der 70er-Jahre wird das Bild dieser Szene jedoch überwiegend von Nachgeborenen bestimmt, die keine eigenen Erfahrungen mehr mit der NS-Diktatur und Krieg gemacht und sich die Ansichten der Altnazis meist kritiklos angeeignet haben. Sie unterscheiden sich von diesen in der Regel auch durch eine erheblich höhere Gewaltbereitschaft.
Die Neonazis (in ihren Grundüberzeugungen sind sie den Alt-Faschisten gleichzusetzen) zeichnen sich im Allgemeinen durch ihre extreme Ablehnung von Minderheiten aus. Juden, vermeintliche Ausländer - insbesondere Asylbewerber und türkischstämmige Einwanderer dienen als bevorzugtes Feindbild, ebenso wie politisch Andersdenkende, z.B. Kommunisten, Sozialdemokraten. Neonazis vertreten die Ansicht, Deutschland solle nur von „Deutschstämmigen“ bewohnt sein. Dazu zählen sie weder die deutschen Juden, noch von Ausländern abstammende oder eingebürgerte Deutsche. Zu ihrer ausgeprägten Fremdenfeindlichkeit kommen extreme sozialdarwinistische Einstellungen, die sich in ihrem Hass auf gesellschaftliche Randgruppen wie Behinderte, Homosexuelle, Pädophile und sozial Schwache – z.B. Obdachlose – ausdrücken. Ein großer Teil der Neonazis leugnet die Verbrechen des Nationalsozialismus (in der Bundesrepublik strafbar), speziell den Holocaust, den sie mit dem Schlagwort der „Auschwitzlüge“ abtun.
Neben den Neonazis formieren sich auch zusehends sog. „Nationalrevolutionäre“ Kräfte im Umfeld des rechtradikalen Spektrums. Diese fallen durch eine stärkere theoretische Ausrichtung auf und orientieren sich teilweise an den Vorbildern Ernst Niekisch und Karl Otto Paetel und insgesamt an einem „Sozialrevolutionären Nationalismus“. Bekannt wurden diese Gruppierungen und Zirkel durch Zeitschriften wie „Junges Forum (etwa Anfang der 1970er Jahre) oder „Wir selbst“. Aus diesen Zirkeln gingen Gruppen wie die „Nationalrevolutionäre Koordination“ hervor. Man ist insgesamt bemüht, sich offiziell vom sog. "Dritten Reich" abzukapseln und formuliert eigene Theorien. Im Mittelpunkt stehen hierbei der Ethnopluralismus und ein Antikapitalismus mit teilweise stark antimodernen Ideologiemomenten. Laut Verfassungsschutzberichten verzeichnen derartige Projekte zur Zeit einen starken Zulauf, stellen aber immer noch eine verschwindene Minderheit innerhalb der rechten Szene dar. Zu den wichtigsten Publikationen zählt unter anderem der „Fahnenträger“ eine nach eigenem Selbstverständnis sozialrevolutionäre und nationalistische Zeitschrift. Hinzu zählt man auch die Internetseiten „Die Kommenden“ oder „Dritte Front“. Diese seien angeblich Vorreiter einer sich neu abzeichnenden „Nationalrevolutionären Bewegung“.
International
In fast allen europäischen Ländern und den USA gibt es Gruppierungen, die dem Neo-Nationalsozialismus zuzuordnen sind. Die fremdenfeindlichen, antisemitischen und sozialdarwinistischen Ansichten dieser Neonazis entsprechen in jeweils abgewandelter Form denen der deutschen Gruppierungen. So sind amerikanische Neonazis in der Regel durch Hass auf Schwarze, Asiaten und Juden gekennzeichnet und vertreten die Ansicht, die „weiße Rasse“ der „Arier“ müsse „rein“ erhalten werden.
Viele Neonazis vertreten ihre Ansichten aktiv und gewalttätig. Seit Anfang der 90er-Jahre kam es in Deutschland vermehrt zu Anschlägen auf Asylbewerberwohnheime, auf Politiker, zu Übergriffen auf Ausländer und zu Demonstrationen, bei denen gewaltsame Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und der Polizei zur Tagesordnung gehörten.
In der Vergangenheit übernahmen viele junge Neonazis das Outfit der Skinheads, wodurch das Bild des kahlgeschorenen, stiefeltragenden Nazis herrührt, das in den Medien häufig zitiert wird, aber zu dem Fehlschluss führen kann, dass Neonazis allgemein an ihrem Auftreten als Boneheads zu erkennen sind und dass Skinheads automatisch auch Nazis seien. In jüngerer Zeit benutzen einige deutsche Neonazis, insbesondere die Freien Kameradschaften, Elemente von linksradikalen Autonomen, wie die Übernahme autonomer Organisationsformen, Bildung vermummter „Schwarzer Blöcke“ und abgewandelte Parolen – selbst das Emblem der linksautonomen Antifa wird von sogenannten „Autonomen Nationalisten“ in veränderter Form genutzt.
Internet
Das Internet mit seinen dezentralen Strukturen und unklarer Rechtslage wird neben vielen anderen politischen Gruppen auch von Neonazis intensiv genutzt.
Erkennungsmerkmale und Zeichen
Neonazis liessen sich in der Vergangenheit meist schon an der Kleidung erkennen. So trugen viele Bomberjacken (olivgrün oder schwarz), Stahlkappenschuhe oder Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln. Heute werden diese Elemente immer seltener bzw. sind eher in ländlichen Gebieten anzutreffen. Als Kleidermarken sind besonders Lonsdale, Ben Sherman, Fred Perry, Pit Bull, Everlast, Thor Steinar und Consdaple beliebt. Lonsdale und Consdaple werden dabei gern als T-Shirt unter einer geöffneten Jacke getragen, damit die Buchstabenfolge „nsda(p)“ zu sehen ist. Nicht jeder, der diese Marken trägt, muss gleich ein Neonazi sein, zumindest Consdaple wird jedoch bewusst für diesen Markt produziert.
Als wichtige Zeichen sind die Zahlen „88“, „14“, „18“ und neuerdings auch „28“ zu nennen. Da der achte Buchstabe des Alphabets das „H“ ist, leitet sich die Bedeutung „Heil Hitler“ her. Die Zahl 14 steht für die „14 words“ („We must secure the existence of our people and a future for White children“) und wurde ursprünglich von amerikanischen Rassisten benutzt. Die Zahl 18 steht für AH (Adolf Hitler). Die 28 steht für die mittlerweile in Deutschland verbotene Organisation Blood & Honour, deren Kürzel die 28 symbolisiert. Kombinationen aus diesen Zahlen (1488 und 1888) sind ebenfalls sehr beliebt.
Allerdings können diese Erkennungsmerkmale bei weitem nicht auf alle Neonazis bezogen werden. Oftmals kann man die politischen Fädenzieher, wie z.B. Christian Worch oder Siegfried Borchardt, kaum von "normalen" Personen unterscheiden. Ferner gibt es auch Aktivisten wie Axel Reitz oder Philipp Hasselbach, die in SA-ähnlichen Uniformen oder langen, schwarzen "Gestapo-Ledermänteln" auftreten.
Seit ca. 2000 übernehmen Neonazis zunehmend ursprünglich linke oder linksradikale Symbolik und Outfits wie die der Autonomen-Bewegung. Sie kleiden sich teilweise ganz in Schwarz mit Kapuzenpulli, Basecap etc. Immer häufiger tragen deutsche Neonazis eine Kufiya oder Palituch als Bekenntnis gegen Israel und Juden allgemein (siehe z.B. die Kameradschaftskader Norman Bordin, Alexander Hohensee und Hayo Klettenhofer). Ebenfalls beliebt sind T-Shirts mit dem Bildnis von Che Guevara). Teilweise werden auch Symbole und Abzeichen unverändert oder nur leicht verändert übernommen wie das Antifa-Symbol z.B. für die "Antizionistische Aktion".
Siehe auch: Rechtsextreme Symbole und Zeichen
Rechte Musik (Rechtsrock)
Hauptartikel: Rechtsrock
Der erste Kontakt zur rechten Szene geschieht meist über die Musik der Neonazis. Diese kann teils sehr balladenhaft sein (Frank Rennicke), meist wirkt sie jedoch aggressiv. Ursprünglich kommt der Rechtsrock aus England (Skrewdriver, No Remorse), seit den 80er Jahren steigt die Zahl der rechten Bands auch in Deutschland stetig an. Seit Mitte/Ende der 90er Jahre erkennt die rechte Szene das Rekrutierungspotential, das in der Musik liegt. Bekannte Bands nennen sich Störkraft, Kraftschlag, Landser, Zillertaler Türkenjäger, Endstufe, Kettenhund, Agitator, Sturmgewehr, Stahlgewitter, Oidoxie oder Noie Werte. Auch die ersten Demos der Böhsen Onkelz sind hier zu nennen. Im Verlauf ihrer Bandgeschichte distanzierten sie sich formell und öffentlich von diesen Aufnahmen, die im Internet nach wie vor frei zirkulieren.
Es gibt jährlich Hunderte illegaler Konzerte. Per Handy geben die Veranstalter die Orte der Konzerte erst in letzter Minute an die Besucher weiter. Diese stehen untereinander in Kontakt und werden dann dorthin gelotst. Vorab ist nur der ungefähre Standort bekannt, so dass sich alle in unmittelbarer Nähe befinden.
Siehe auch
Literatur
- Michael Schmidt: Heute gehört uns die Straße. Der Inside Report aus der Neonazi-Szene. Econ Verlag. Düsseldorf/Wien/New York, 1993. ISBN 3612261657
- Eine sehr umfangreiche Literaturliste vom Informationsdienst gegen Rechtsextremismus findet sich hier
Weblinks
- lexikon.idgr.de Umfangreiches Lexikon zum Thema Rechtsextremismus IDGR
- www.bnr.de Blick nach Rechts - Informationsdienst zu Rechtsextremismus
- www.dasversteckspiel.de Das Versteckspiel - Informationen über nationalsozialistische Symbole
- www.mein-dortmund.de/ Fotos: Neonazi-Demo und Gegendemonstration
- www.adl.org/ Artikel über Neonazi Skinheads (englisch)
- www.heise.de/tp/ Artikel über die russische Neonaziszene