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„Hannah Arendt“ – Versionsunterschied

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[[Bild:Hannah Arendt by Fred Stein 2.jpeg|thumb|Hannah Arendt]]
[[Datei:Hannah Arendt auf dem 1. Kulturkritikerkongress, Barbara Niggl Radloff, FM-2019-1-5-9-16.jpg|mini|Hannah Arendt auf dem 1. Kulturkritikerkongress 1958, Fotografie von [[Barbara Niggl Radloff]] [[Datei:Hannah Bluecher-Arendt signature.svg|rahmenlos|rechts|klasse=skin-invert-image|Signatur]]]]
'''Hannah Arendt''' (* [[14. Oktober]] [[1906]] in [[Linden-Limmer|Linden]], heute Stadtteil von [[Hannover]]; † [[4. Dezember]] [[1975]] in [[New York City|New York]]) war eine jüdische Publizistin und Gelehrte deutscher Herkunft, die seit 1933 in der [[Emigration]] lebte, seit 1937 staatenlos war und 1951 die Staatsbürgerschaft der [[Vereinigte Staaten|USA]] erhielt. Sie war unter anderem als Journalistin und Hochschullehrerin tätig und veröffentlichte wichtige Beiträge zur politischen Philosophie. Gleichwohl lehnte sie es stets ab, als „Philosophin” bezeichnet zu werden, auch der Begriff „[[politische Philosophie]]” gefiel ihr nicht, sie bevorzugte „[[politische Theorie]]”.


'''Hannah Arendt''' (geboren am [[14. Oktober]] [[1906]] als ''Johanna Arendt'' in [[Linden-Limmer|Linden]], heutiger Stadtteil von [[Hannover]]; gestorben am [[4. Dezember]] [[1975]] in [[New York City]]) war eine [[Judentum|jüdische]] [[Deutschland|deutsch]]-[[Vereinigte Staaten|US-amerikanische]] [[Politische Theorie|politische Theoretikerin]] und [[Publizistin]].
Im Rückblick wird sie dennoch – nicht zuletzt auf Grund ihrer zahlreichen theoretischen Bezüge zu Philosophen wie [[Sokrates]], [[Platon]], [[Aristoteles]], [[Augustinus von Hippo]], [[Johannes Duns Scotus]], [[Immanuel Kant|Kant]], [[Søren Kierkegaard]], [[Karl Jaspers]] und [[Martin Heidegger]] sowie den maßgeblichen Vertretern der [[Neuzeit|neuzeitlichen]] politischen Philosophie wie [[Niccolò Machiavelli]], [[Thomas Hobbes]], [[John Locke]] und [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu]] - häufig als Philosophin bezeichnet. Auch und gerade wegen ihres eigenständigen Denkens, der von ihr entwickelten Theorie zum [[Totalitarismus]], ihrer existenzphilosophischen Arbeiten und ihrer Forderung nach einer freien pluralistischen Diskussion im politischen Raum nimmt sie in der Diskussion der Gegenwart eine bedeutende Rolle ein.


Die Entrechtung und Verfolgung von [[Juden]] in der [[Zeit des Nationalsozialismus]] sowie ihre eigene kurzzeitige Inhaftierung durch die [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]] im Juli 1933 bewogen sie zur [[Auswanderung|Emigration]] aus Deutschland. Sie emigrierte über [[Karlsbad]] und [[Genf]] nach [[Paris]], wo sie als [[Soziale Arbeit|Sozialarbeiterin]] bei jüdischen Einrichtungen wirkte. Nachdem sie vom [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] Regime 1937 [[Ausbürgerung|ausgebürgert]] worden war, war sie [[Staatenloser|staatenlos]], bis sie 1951 die [[Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten|US-amerikanische Staatsbürgerschaft]] erhielt. Seitdem verstand sie sich als US-Amerikanerin und bekannte sich zur [[Verfassung der Vereinigten Staaten|US-amerikanischen Verfassung]]. Arendt war unter anderem als [[Journalistin]] sowie [[Hochschullehrerin]] tätig und veröffentlichte wichtige Beiträge zur [[Politische Philosophie|politischen Philosophie]]. Gleichwohl lehnte sie es ab, als „[[Philosophin]]“ bezeichnet zu werden. Auch dem Begriff „Politische Philosophie“ stand sie eher distanziert gegenüber; sie zog die Bezeichnung „[[Politische Theorie]]“ für ihre entsprechenden Publikationen vor<ref>{{Literatur |Autor=[[Paul R. Bartrop]], Steven Leonard Jacobs |Titel=Fifty key thinkers on the Holocaust and Genocide |Auflage=1 |Verlag=Routledge |Ort=Florence (Kentucky), USA |Datum=2010 |ISBN=978-0-415-77551-9 |Seiten=14}}</ref> und legte Wert darauf, dass sie als [[Historiker]]in arbeite. Auch wegen ihrer theoretischen Auseinandersetzungen mit Philosophen wie [[Sokrates]], [[Platon]], [[Aristoteles]], [[Immanuel Kant]], [[Martin Heidegger]] und [[Karl Jaspers]] sowie mit den maßgeblichen Vertretern der [[Philosophie der Neuzeit|neuzeitlichen]] politischen Philosophie wie [[Niccolò Machiavelli]], [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Charles-Louis de Montesquieu]] und [[Alexis de Tocqueville]] wird sie dennoch häufig als Philosophin bezeichnet. Gerade wegen ihres eigenständigen Denkens, der [[Totalitarismus#Totalitarismus-Modell von Hannah Arendt|Theorie der totalen Herrschaft]], ihrer [[Existenzphilosophie|existenzphilosophischen]] Arbeiten und ihrer Forderung nach freien politischen Diskussionen nimmt sie in den Debatten der Gegenwart eine bedeutende Rolle ein. Sie verachtete diejenigen deutschen Intellektuellen, die sich ab 1933 [[Adolf Hitler]] zuwandten.
== Leben und Werk ==


Arendt vertrat ein Konzept von „[[Pluralismus (Politik)|Pluralität]]“ im politischen Raum. Demnach bestehe zwischen den Menschen eine potentielle Freiheit und Gleichheit in der Politik. Wichtig sei es, die Perspektive des anderen einzunehmen. An politischen Vereinbarungen, Verträgen und Verfassungen sollten auf möglichst konkreten Ebenen gewillte und geeignete Personen beteiligt sein. Aufgrund dieser Auffassung stand Arendt rein [[Repräsentative Demokratie|repräsentativen Demokratien]] kritisch gegenüber und bevorzugte [[Räterepublik|Rätesysteme]] sowie Formen [[Direkte Demokratie|direkter Demokratie]].

Ihre öffentlichen Stellungnahmen zu politischen Ereignissen waren unter Gegnern und Freunden häufig umstritten; ihre Zivilcourage wurde oft als Unnachgiebigkeit wahrgenommen und bekämpft, insbesondere ihre Arbeit zum [[Eichmann-Prozess]]. Durch ihr politisches Hauptwerk ''[[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]]'' Anfang der 1950er Jahre wurde sie öffentlich bekannt. ''[[Vita activa oder Vom tätigen Leben]]'' gilt als Arendts philosophisches Hauptwerk.

[[Datei:Martha Cohn.jpg|mini|Arendts Mutter Martha Cohn, ca. 1899]]
[[Datei:Paul Arendt.jpg|mini|Arendts Vater Paul Arendt, ca. 1900]]
Als Quellen für ihre Überlegungen nutzte Arendt neben philosophischen, politischen und historischen Dokumenten unter anderem Biografien und literarische Werke. Diese Texte wertete sie wortgetreu aus und konfrontierte sie mit ihren eigenen Denkansätzen.

== Leben und Werk ==
=== Kindheit und Jugend ===
=== Kindheit und Jugend ===
[[Datei:Lindener Marktplatz 2, Ecke Falkenstraße, Hannover-Linden-Mitte, Hannah-Arendt-Haus mit Markt-Apotheke Linden.jpg|mini|links|Geburtshaus [[Lindener Marktplatz 2]] in [[Hannover-Linden]] (weißes Eckhaus)]]
Hannah Arendt war Tochter [[säkular]]er [[Judentum|jüdischer]] Eltern und ist in Linden geboren. Tiefer als in ihrer Geburtsstadt war sie jedoch in [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] verwurzelt: Nicht nur, dass ihre unmittelbaren Vorfahren zu Königsberger Familien gehörten – auch kehrten der schwer erkrankte Vater und die Mutter (geb. Cohn) in die [[Ostpreußen|ostpreußische]] Metropole zurück, als Johanna kaum drei Jahre alt war. Nach dem frühen Tod ihres Vaters (1913) wurde sie von ihrer sozialdemokratisch orientierten Mutter liberal erzogen. Religion stand für sie vollkommen im Hintergrund, auch wenn Arendt durch die Großeltern noch jüdische Traditionen kennenlernte. Bereits im Alter von 14 Jahren las sie [[Immanuel Kant|Kants]] ''[[Kritik der reinen Vernunft]]'' und [[Karl Jaspers|Jaspers]] ''Psychologie der Weltanschauungen''. Sie musste die Schule wegen Differenzen mit einem Lehrer nach einem Schulverweis verlassen, ging anschließend nach Berlin, wo sie ohne formalen Schulabschluss unter anderem die [[Romano Guardini|Guardini]]-Vorlesung zur christlichen Theologie besuchte. In diesem Rahmen beschäftigte sie sich neben anderen Philosophen auch zum ersten Mal mit [[Søren Kierkegaard|Kierkegaard]]. Zurück in Königsberg, bestand sie nach intensiver Vorbereitung durch Verwandte und Bekannte als externer Prüfling vorzeitig das Abitur.
[[Datei:Lindener Marktplatz 2, Ecke Falkenstraße, Hannover-Linden-Mitte, Stadttafel Nummer 129 Hannah-Arendt-Haus, am 14. Okober 1906 Geburtshaus der deutsch-jüdischen Historikerin und politischen Philosophin.jpg|mini|hochkant|Gedenktafel am Geburtshaus in Hannover-Linden]]

Johanna Arendt wurde 1906 als Tochter [[Säkulares Judentum|säkularer jüdischer]] Eltern im heute zu [[Hannover]] gehörenden [[Linden (Hannover)|Linden]] geboren. Ihre Vorfahren stammten aus [[Königsberg (Preußen)|Königsberg i. Pr.]], wohin ihr schwer erkrankter Vater, Paul Arendt (1873–1913), und die Mutter, Martha geb. Cohn (1874–1948), zurückkehrten, als sie kaum drei Jahre alt war. Nach dem frühen Tod des Vaters, der [[Ingenieur]] war,<ref name="gaus" /> wurde sie von ihrer [[Geschichte der deutschen Sozialdemokratie|sozialdemokratisch]] eingestellten Mutter freiheitlich erzogen. In den gebildeten Kreisen Königsbergs war die Mädchenbildung selbstverständlich. Durch die Großeltern (ein Großvater war der Großkaufmann und Kommunalpolitiker [[Max Arendt]]) hatte sie das liberale [[Reformjudentum]] kennengelernt. Sie gehörte keiner religiösen Gemeinschaft an, verstand sich jedoch immer als Jüdin.

Bereits mit 14 Jahren las Arendt [[Immanuel Kant|Kants]] ''[[Kritik der reinen Vernunft]]'' und [[Karl Jaspers]]’ ''[[Psychologie der Weltanschauungen]]'' sowie [[Søren Kierkegaard]].<ref>Vgl. Kurt Sontheimer: ''Hannah Arendt.'' Piper, München / Zürich 2005, S. 23.</ref> Sie musste die Schule wegen Differenzen mit einem Lehrer verlassen<ref>Vgl. Kurt Sontheimer: ''Hannah Arendt.'' Piper, München / Zürich 2005, S.&nbsp;23f.</ref> und ging anschließend nach Berlin, wo sie ohne formalen Schulabschluss, u.&nbsp;a. als Gasthörerin, Vorlesungen zur christlichen Theologie, so bei [[Romano Guardini]], besuchte.<ref>Vgl. Kurt Sontheimer: ''Hannah Arendt.'' Piper, München / Zürich 2005, S.&nbsp;24.</ref> Zurück in Königsberg, bestand sie 1924 als externer Prüfling das Abitur. Noch während ihrer Schulzeit hatte sie einen [[Philosophie|philosophischen]] Kreis gegründet, in dem sie 1920 [[Ernst Grumach]] traf. Durch ihn lernte sie ihre langjährige Freundin Anne Mendelsohn,<ref>Der Familienname war Mendelsohn mit einem S und nicht wie fälschlich von [[Elisabeth Young-Bruehl]] kolportiert mit zwei S, siehe: ''Wie ich einmal ohne dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen. Briefwechsel mit den Freundinnen Charlotte Beradt, Rose Feitelson, Hilde Fränkel, Anne Weil und Helen Wolff,'' 2017, S. 22, Fn. 5.</ref> später Anne Weil, kennen.


=== Studienzeit ===
=== Studienzeit ===
[[Datei:Hannah-Arendt-Haus Marburg.jpg|mini|links|Arendts Studentenzimmer 1924–1925 in Marburg, Lutherstraße 4]]
Angeregt durch ihren Schulfreund Ernst Grummach nahm sie 1924 in [[Marburg]] ihr Studium auf und hörte für ein Jahr Philosophie bei [[Martin Heidegger]] und [[Nicolai Hartmann]], Theologie bei dem evangelischen Theologen [[Rudolf Bultmann]], außerdem Griechisch.
[[Datei:Gedenktafel Hannah Arendt Marburg.jpg|mini|hochkant|Gedenktafel in Marburg]]


1924 nahm sie ihr Studium an der [[Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]] auf und studierte ein Jahr lang Philosophie bei [[Martin Heidegger]] und [[Nicolai Hartmann]], außerdem als Nebenfächer [[Evangelische Theologie]], wobei sie insbesondere Vorlesungen bei [[Rudolf Bultmann]] hörte, sowie [[Gräzistik]].
Der zwei­fache Familienvater Heidegger und die 17 Jahre jüngere Studentin verliebten sich ineinander; sie wechselte auf sein Zuraten im darauffolgenden Jahr den Studienort und ging für ein Semester zu [[Edmund Husserl]] nach Frei­burg im Breisgau. In Hei­delberg schließlich studierte sie ab 1926 Philosophie und promovierte 1928 über den [[Liebe|Liebesbegriff]] bei [[Augustinus]] – ebenfalls auf Heideggers Anregung hin. Ihr Doktorvater indessen war [[Karl Jaspers]], dem sie bis zu dessen Tod besonders freundschaftlich verbunden blieb.


Der 35-jährige Familienvater Heidegger und die 18-jährige Studentin verliebten sich ineinander und begannen eine Beziehung.<ref>Vgl. die Darstellung v.&nbsp;a. aufgrund beider Briefwechsel bei Elzbieta Ettinger: ''Hannah Arendt – Martin Heidegger. Eine Geschichte.'' München 1995.</ref> Arendt war nicht die erste und nicht die einzige Liebesbeziehung Heideggers in seiner Marburger Zeit.<ref>Alfred Denker: ''Unterwegs in Sein und Zeit. Einführung in Leben und Denken von Martin Heidegger.'' Stuttgart 2011, S.&nbsp;67.</ref> Arendt lebte in Marburg wegen ihrer Beziehung zu Heidegger, die dieser geheim halten wollte, sehr zurückgezogen. Sie pflegte lediglich Kontakte zu ihrem Kommilitonen [[Hans Jonas]] und zu ihren Königsberger Freunden. Die Beziehung zwischen Heidegger und Arendt blieb der Öffentlichkeit verborgen, bis 1982 die große Arendt-Biografie von [[Elisabeth Young-Bruehl]] gleichzeitig in den USA und Großbritannien erschien.<ref>''Hannah Arendt: For Love of the World.'' Yale University-Press, New Haven / London 1982, dt.: ''Hannah Arendt. Leben und Werk.'' Übers. Hans Günter Holl. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.&nbsp;M. 1986, S.&nbsp;92ff.</ref> Seitdem gibt es darüber zahlreiche Veröffentlichungen.
Während Arendt in Marburg wegen ihrer Beziehung zu Heidegger sehr zurückgezogen lebte und lediglich zu ihrem Kommilitonen [[Hans Jonas]], mit dem sie sich angefreundet hatte und viel über Heideggers Philosophie diskutierte, sowie ihren Königsberger Freunden Kontakte hatte, weitete sich ihr Freundeskreis in Heidelberg aus. Dazu gehörten der Psychologe Karl Frankenstein, der [[Carl Gustav Jung|Jungianer]] [[Erich Neumann (Psychologe)|Erich Neumann]] und Erwin Loewenson, ein [[Expressionismus|expressionistischer]] Essayist, mit dem sie auch eine kurze Beziehung hatte.


Anfang 1926 fasste sie auf Drängen Heideggers den Entschluss, den Studienort zu wechseln, und ging für ein Semester zu [[Edmund Husserl]] nach [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Freiburg]]. In [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Heidelberg]] studierte sie anschließend Philosophie und wurde auf Vermittlung Heideggers 1928 bei [[Karl Jaspers]] nach erfolgreicher Verteidigung ihrer Arbeit ''[[Der Liebesbegriff bei Augustin]]'' promoviert. Mit Jaspers blieb sie bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden. In Heidelberg weitete Arendt ihren Freundeskreis aus. Dazu gehörten [[Karl Frankenstein]], der 1928 eine geschichtsphilosophische Dissertation vorlegte, der [[Carl Gustav Jung|Jungianer]] [[Erich Neumann (Psychologe)|Erich Neumann]] und [[Erwin Loewenson]], ein expressionistischer Essayist. Auch Jonas kam nach Heidelberg und arbeitete dort ebenfalls über Augustinus.
Ein anderer Kreis und das Thema der [[Romantik]] erschloss sich ihr durch die Bekanntschaft und Freundschaft mit [[Benno von Wiese]] und die von Jaspers empfohlenen Vorlesungen von [[Friedrich Gundolf]]. Für ihre Dissertation wichtig war der ebenfalls zu Jaspers Freundeskreis zählende Neutestamentler [[Martin Dibelius]]. Große Bedeutung hatte für sie in der Heidelberger Zeit zudem [[Kurt Blumenfeld]], der Geschäftsführer und Hauptsprecher der deutschen [[Zionismus|Zionistenorganisation]], dessen Thema die Erforschung der Judenfrage und der [[Assimilation (Soziologie)|Assimilation]] war. Auch Hans Jonas fand sich in Heidelberg ein, während er an seinem erstem Buch mit dem Titel ''Augustinus und das paulinische Problem der Freiheit'' arbeitete, also einem zur Dissertation von Arendt eng verwandtem Gebiet. Mit Jonas und Blumenfeld verband Arendt eine intensive, langjährige Freundschaft.


Ein anderer Kreis erschloss sich ihr durch die Freundschaft mit [[Benno von Wiese]] und die von Jaspers empfohlenen Vorlesungen von [[Friedrich Gundolf]]. Große Bedeutung hatte für sie zudem [[Kurt Blumenfeld]], der Geschäftsführer und Hauptsprecher der deutschen [[Zionismus|Zionistenorganisation]], dessen Thema die Erforschung der so genannten [[Judenfrage]] und der [[Assimilation (Soziologie)|Assimilation]] war. Ihm verdanke sie, heißt es in einem Brief an ihn aus dem Jahr 1951, ihr Verständnis für die Situation der [[Judentum|Juden]].<ref>''Die Korrespondenz: Hannah Arendt, Kurt Blumenfeld.'' Hamburg 1995, S. 52.</ref>
=== Heirat und Beginn der Naziherrschaft ===
[[File:DrUrkundeArendt.jpg|mini|Dr. Urkunde von Arendt, 1930, Uni Heidelberg]]
1929 arbeitete Arendt in Berlin an der Veröffentlichung ihrer Dissertation. Dort traf sie Günther Stern, der sich später [[Günther Anders]] nannte, und zog mit ihm nach wenigen Wochen zusammen, für damalige Verhältnisse ungewöhnlich für eine Frau. Nach neun Monaten heirateten beide in Nowawes bei Berlin. Nach einem kurzen Aufenthalt in Heidelberg zog das Ehepaar für ein Jahr nach Frankfurt. Während Stern an seiner Habilitation arbeitete, schrieb Arendt für die Frankfurter Zeitung und besuchte Seminare bei [[Paul Tillich]] und [[Karl Mannheim]], über dessen Buch ''Ideologie und Utopie'' sie eine Rezension verfasste. Dabei wandte sie sich gegen Mannheims These, dass das Denken allein im Dienste des Handelns steht. Zugleich begann sie sich mit dem Thema der Berliner Romantik und mit [[Rahel Varnhagen]] zu befassen.


=== Heirat, Beginn der NS-Herrschaft, erste politische Aktivitäten ===
Nachdem sich abzeichnete, dass Sterns Arbeit vor dem Hintergrund der marxistisch geprägten musiksoziologischen Auffassung Adornos keine Anerkennung fand, zogen beide wieder nach Berlin. Dort nahm Arendt unterstützt von ihrem Mann die konkrete Arbeit über die deutsche Romantik und insbesondere das Leben Rahel Varnhagens auf. Nach einem positiven Gutachten von Jaspers, der weitere Gutachten von Heidegger und [[Otto Dibelius|Dibelius]] besorgte, wurde die Arbeit unterstützt durch ein Stipendium der [[Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft]]. In der Auseinandersetzung mit der Frage der Assimilation der Juden und der dennoch bestehenden Ausgrenzung entwickelte sie eine Beziehung zur ''Judenfrage'', der sie anhand des von [[Max Weber]] übernommenen Begriffs des [[Paria]] weiter nachging. Sie stellte diesem angeregt durch die Schriften von [[Bernard Lazare]] den entgegengesetzten Terminus des [[Parvenu]] gegenüber.
Ihr erstes Buch trägt den Titel ''[[Der Liebesbegriff bei Augustin]]. Versuch einer philosophischen Interpretation.'' Es handelt sich um ihre bereits im Alter von 22 Jahren verfasste und 1929 in Leipzig gedruckte und in Berlin bei Julius Springer publizierte Dissertation. Darin verbindet sie philosophische Ansätze Martin Heideggers mit denen von Karl Jaspers und betont bereits damals die wichtige Rolle der Geburt (später Gebürtlichkeit, [[Natalität]]) für das Individuum wie auch für seine Mitmenschen. Damit grenzt sie sich von ihrem Lehrer Heidegger ab.<ref>[[Elisabeth Young-Bruehl]]: ''Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1986, S.&nbsp;123–127.</ref> Das Werk wurde in wichtigen philosophischen und literarischen Publikationen besprochen. Auf Kritik stieß, dass sie Augustinus als Philosophen betrachtet und nicht als [[Kirchenvater]]. Außerdem wurde bemängelt, dass sie neuere theologische Literatur nicht zitiert habe. Einige Interpreten sehen in diesem Werk indes bereits spätere Leitmotive Arendts vorbereitet.<ref>Vgl. [[Herta Nagl-Docekal]], [[Ludwig Nagl]]: ''Augustinuslektüren im Kontext der Gegenwartsphilosophie.'' In: Bert van den Brink, Marcus Düwell u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Geschichte – Politik – Philosophie.'' FS Willem van Reijen, Wilhelm Fink Verlag, München 2003, S. 24–38 (zu Arendt 25–30), 25; unter Bezugnahme insbesondere auf Ronald Beiner: ''Love and Worldliness: Hannah Arendt’s Reading of Saint Augustine.'' In: Larry May, Jerome Kohn (Hrsg.): ''Hannah Arendt. Twenty Years Later.'' Cambridge MA / London 1996, S.&nbsp;269–284, 276; Joanna Vecchiarelli Scott, Judith Chelius Stark: ''Rediscovering Hannah Arendt.'' In: Hannah Arendt: ''Love and Saint Augustine.'' Chicago / London 1996, S.&nbsp;115–212, 135&nbsp;f.</ref>


[[Datei:Günther Stern and Hannah Arendt (cropped).jpg|mini|Günther Stern und Hannah Arendt, ca. 1929]]
In Berlin begann sie sich intensiver für Politik zu interessieren, las [[Karl Marx|Marx]] und [[Leo Trotzki|Trotzki]] und knüpfte neue Kontakte an der [[Hochschule für Politik]]. Vor dem Hintergrund ihrer Arbeit über Rahel schrieb sie eine Rezension über ''Die Entstehung des deutschen Bildungsprinzips'' von [[Hans Weil]], veröffentlichte den Artikel zu ''[[Aufklärung]] und Judenfrage'' und eine weitere Rezension über ''Das Frauenproblem in der Gegenwart'' von [[Alice Rühle-Gerstel]], in der sie insbesondere die Doppelbelastung der berufstätigen Frau thematisierte.
[[Datei:Gedenktafel Merkurstr 3 (Babelsberg) Hannah Arendt.jpg|mini|[[Gedenktafel]] in [[Babelsberg]]]]
In Berlin traf sie ebenfalls 1929 [[Günther Anders|Günther Stern]] wieder, den sie schon aus Marburg kannte und der später unter seinem Pseudonym ''Günther Anders'' bekannt wurde.<ref>Ursula Ludz (Hrsg.): ''Hannah Arendt / Martin Heidegger, Briefe 1925–1975.'' Vittorio Klostermann, Frankfurt a.&nbsp;M. 1999, S.&nbsp;50&nbsp;f. (Brief H. an A. vom 18. Oktober 1925).</ref> Kurz darauf zog sie mit ihm zusammen, für die damalige Zeit ein in der öffentlichen Meinung verpöntes Verhalten; die beiden heirateten noch im selben Jahr in [[Nowawes]].<ref>Kerstin Putz (Hrsg.): ''Hannah Arendt – Günther Anders. Schreib doch mal hard facts über Dich. Briefe 1939 bis 1975.'' Texte und Dokumente. München 2016, S.&nbsp;229.</ref> Sie wohnten dann in Drewitz, in Heidelberg, ein Jahr in Frankfurt am Main und dann wieder in Berlin. Arendt schrieb für die ''[[Frankfurter Zeitung]]'' und besuchte Seminare bei [[Paul Tillich]] und [[Karl Mannheim]], dessen Buch ''Ideologie und Utopie'' sie rezensierte.<ref>''Philosophie und Soziologie. Rezension.'' In: ''Die Gesellschaft,'' 1930, S.&nbsp;163&nbsp;ff.</ref> Zugleich befasste sie sich mit [[Rahel Varnhagen von Ense]], einer intellektuellen Jüdin der [[Romantik]].


[[Datei:Gedenktafel Opitzstr 6 (Stegl) Hannah Arendt.JPG|mini|[[Berliner Gedenktafel]] am Haus Opitzstraße&nbsp;6, in [[Berlin-Steglitz]]]]
Schon 1932 sah sie die Notwendigkeit der [[Emigration]] auf sich zukommen, blieb aber zunächst in Deutschland als ihr Mann im März 1933 nach Paris emigrierte. Nach dem [[Reichstagsbrand]] und den einsetzenden Verfolgungen wurde sie erstmals politisch aktiv.
Als sich abzeichnete, dass Sterns Habilitationsschrift von [[Theodor W. Adorno]] nicht akzeptiert werden würde,<ref>Dagegen betont Christian Dries: (Zwar) „scheiterten seine Habilitationspläne – jedoch nicht, wie häufig kolportiert, an einer Intrige des ein Jahr jüngeren Adorno, der wie Stern [= Anders] auf musikphilosophischem Terrain arbeitete.“ (Ch. Dries: [https://www.guenther-anders-gesellschaft.org/vita Vita Günther Anders (1902–1992)], abgerufen am 28. Juni 2023.)</ref> gingen beide wieder nach Berlin. Dort begann Arendt mit der Arbeit an ihrem als Habilitation angelegten [[Rahel Varnhagen (Arendt)|Werk über Rahel Varnhagen]]. Nach einem positiven Gutachten von Jaspers, der weitere Gutachten von Heidegger und [[Martin Dibelius|Dibelius]] besorgte, wurde die Studie durch ein Stipendium der [[Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft|Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft]] gefördert. Gleichzeitig begann Arendt, sich mehr für politische Fragen zu interessieren. Sie las [[Karl Marx|Marx]] und [[Leo Trotzki|Trotzki]] und knüpfte neue Kontakte an der [[Deutsche Hochschule für Politik|Hochschule für Politik]]. Die Ausgrenzung der Juden trotz [[Assimilation (Soziologie)|Assimilation]] analysierte sie anhand des erstmals von [[Max Weber]] in Bezug auf die Juden verwendeten Begriffs „[[Paria]]“ ([[Außenseiter]]). Sie stellte diesem, angeregt durch die Schriften [[Bernard Lazare]]s, den entgegengesetzten [[Terminus technicus|Terminus]] „[[Parvenü|Parvenu]]“ (Aufsteiger) gegenüber. 1932 veröffentlichte sie in der Zeitschrift ''Geschichte der Juden in Deutschland'' den Artikel ''[[Aufklärung und Judenfrage]],'' in dem sie in der Auseinandersetzung mit [[Gotthold Ephraim Lessing]] und [[Moses Mendelssohn]] als [[Vordenker der Aufklärung|Aufklärern]] und [[Johann Gottfried Herder]] als Vorläufer der Romantik ihre Ideen über die Eigenständigkeit des Judentums entwickelte.<ref>''Aufklärung und Judenfrage.'' In: ''Geschichte der Juden in Deutschland.'' 4. Jahrgang, Heft 2/3, Berlin 1932. Wieder in: H. A.: ''Die verborgene Tradition.'' Acht Essays. Suhrkamp 1976, S.&nbsp;108–126. Engl. Fassung in: H. A.: ''Jewish Writings.'' Hrsg. Jerome Kohn, Ron Feldman. Schocken, New York 2007.</ref>


[[Datei:Hannah Arendt 1924.jpg|mini|Hannah Arendt, 1924]]
Vermittelt durch ihren Freund Kurt Blumenfeld war sie für eine [[Zionismus|zionistische]] Organisation tätig, um die beginnende [[Judenverfolgung]] zu recherchieren. Ihre Wohnung diente Flüchtlingen als Zwischenstation. Sie kam im Juli 1933 kurz in [[Gestapo|Gestapo-Haft]]. 1964 sagte sie im Interview mit [[Günter Gaus]] dazu: „Wenn man als [[Juden|Jude]] angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.”
Ebenfalls 1932 verfasste sie eine Rezension über das Buch ''Das Frauenproblem in der Gegenwart'' von [[Alice Rühle-Gerstel]],<ref>''Rezension über Alice Rühle-Gerstel: Das Frauenproblem in der Gegenwart. Eine psychologische Bilanz.'' In: ''Die Gesellschaft,'' Jg. 10, Nr.&nbsp;2, 1932, S.&nbsp;177–179.</ref> in der sie die [[Frauenbewegung|Frauenemanzipation]] im öffentlichen Leben würdigte, ihr jedoch die Beschränkungen – insbesondere in der Ehe und im Arbeitsleben – gegenüberstellte. Sie konstatierte die „faktische Geringschätzung“ der Frau in der Gesellschaft und kritisierte die Pflichten, die mit ihrer Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren seien. Der [[Frauenbewegung]] stand Hannah Arendt indes distanziert gegenüber. Die politischen Fronten seien „Männerfronten“, betonte sie einerseits. Andererseits sah sie jedoch die „Fragwürdigkeit“ der Frauenbewegung ebenso wie die der [[Jugendbewegung]], weil beide – klassenübergreifend angelegt – dabei scheitern müssten, einflussreiche politische Parteien zu bilden.


Kurz vor der Machtübergabe an Adolf Hitler versuchte Karl Jaspers, sie in mehreren Briefen davon zu überzeugen, dass sie sich als Deutsche betrachten solle. Dies lehnte sie stets mit dem Hinweis auf ihre Existenz als Jüdin ab. Sie schrieb: „Für mich ist Deutschland die Muttersprache, die Philosophie und die Dichtung.“ Ansonsten fühlte sie sich zur Distanz verpflichtet. Besonders kritisierte sie den von Jaspers gebrauchten Ausdruck „deutsches Wesen“. Jaspers antwortete: „Es ist mir wunderlich, daß Sie als Jüdin sich vom Deutschen unterscheiden wollen.“<ref>Hannah Arendt und Karl Jaspers: ''Briefwechsel 1926–1969.'' München 2001, S.&nbsp;52&nbsp;ff.</ref> Diese kontroversen Positionen nahmen beide auch nach dem Krieg ein.
Diese Ansicht hatte Arendt bereits 1933 vertreten. Sie stand damit im Gegensatz zu vielen Deutschen mit jüdischem Hintergrund, die sich mit dem [[Nationalsozialismus]] arrangieren wollten, die neuen Herrscher manchmal sogar lobten oder die Diktatur zunächst unterschätzten. Als sie las, dass der deutsch-jüdische Germanist [[Eugen Rosenstock-Huessy]] [[Adolf Hitler|Hitler]] mit [[Friedrich Hölderlin|Hölderlin]] verglich, war Arendt davon abgestoßen und wollte mit dieser Art von affirmativen, opportunistischen oder sogar begeisterten Intellektuellen nichts gemein haben.


Im Jahr 1931 ging Arendt davon aus, dass die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] an die Regierung kommen würden, dachte 1932 an Emigration, blieb jedoch zunächst in [[NS-Staat|Deutschland]] und wurde erstmals politisch aktiv. Ihr Mann, der sich inzwischen Günther Anders nannte, flüchtete im März 1933 nach Paris. Vermittelt durch [[Kurt Blumenfeld]], war Arendt für die [[Zionistische Vereinigung für Deutschland]] tätig, um die beginnende [[Judenfeindlichkeit|Judenverfolgung]] zu dokumentieren. Ihre Wohnung in Berlin diente Flüchtlingen als Zwischenstation. Im Juli 1933 wurde sie verhaftet und kam für acht Tage in [[Geheime Staatspolizei|Gestapo-Haft]]. Gegenüber [[Günter Gaus]] äußerte sie sich 1964 über ihr Motiv: „Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.“<ref>[https://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html Transkript des Interviews Arendt–Gaus], 1964. Zum Verständnis ihres Judentums siehe Iris Pilling: ''Denken und Handeln als Jüdin. Hannah Arendts politische Theorie vor 1950.'' Frankfurt a.&nbsp;M. u.&nbsp;a. 1996; und [[Michael Daxner]]: {{Webarchiv|url=http://www.uni-oldenburg.de/arendt-zentrum/download/Hannah_Arendt_Ringvorlesung.pdf |wayback=20070221090215 |text=''Die jüdische Gestalt von Hannah Arendt.'' |archiv-bot=2022-11-12 03:54:40 InternetArchiveBot }} (PDF; 187&nbsp;kB) In: ''Universität Oldenburg,'' 2006, (PDF; 192&nbsp;kB).</ref><ref>[https://www.youtube.com/watch?v=J9SyTEUi6Kw Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus], [[YouTube]].</ref>
Hieraus resultierte auch der Streit mit [[Leo Strauss]], dessen konservative Auffassungen sie strikt ablehnte, und der bis zur gemeinsamen Zeit als Professoren in Chicago reichte.


Im Jahr 1933 vertrat sie die Auffassung, dass das nationalsozialistische Regime aktiv zu bekämpfen sei. Sie stand damit im Gegensatz zu vielen gebildeten Deutschen, teilweise mit jüdischem Hintergrund, die sich mit dem [[NS-Regime]] arrangieren wollten, die neuen Herrscher manchmal lobten oder die Diktatur zunächst unterschätzten. Im Gaus-Interview<ref name="gaus">[https://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html Transkript des Interviews Arendt–Gaus.] In: ''[[rbb]],'' 1964.</ref> drückte sie ihre Verachtung für die umgehende – damals noch freiwillige – „Gleichschaltung“ der meisten Intellektuellen aus. Arendt war davon abgestoßen und wollte mit dieser Art von [[Affirmation|affirmativen]], [[Opportunismus|opportunistischen]] oder sogar begeisterten Gelehrten nichts gemein haben.
Ebenso war sie von Heidegger enttäuscht, der bereits 1933 der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] beitrat. Daraufhin hatte sie bis 1950 keinen Kontakt mit Heidegger. Auch die Freundschaft mit [[Benno von Wiese]] beendete sie, als er sich frühzeitig dem Nationalsozialismus zuwandte und ebenfalls 1933 Parteimitglied wurde.


Daraus resultierte auch der Streit mit [[Leo Strauss]], dessen konservative Auffassungen sie ablehnte. Ebenso war sie von [[Martin Heidegger und der Nationalsozialismus|Heideggers NS-Engagement]] enttäuscht, dessen Parteieintritt in die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] mit Datum 1. Mai 1933 registriert worden war. Daraufhin brach sie den Kontakt ab und traf Strauss erst 1950 wieder. Auch die Freundschaft mit [[Benno von Wiese]] beendete sie, als er sich frühzeitig dem Nationalsozialismus zuwandte und ebenfalls 1933 Parteimitglied wurde.<ref>In der Nachkriegszeit nahm von Wiese den Kontakt wieder auf, den A. jedoch nach einigen Jahren ein zweites Mal abbrach wegen seiner öffentlichen Bagatellisierung seiner Beteiligung an der NS-[[Gleichschaltung]]. 1933 hatte er sich für die „Entfernung des jüdischen Blutes“ von deutschen Universitäten ausgesprochen. Dieser bisher unveröffentlichte Briefwechsel ist in Auszügen enthalten in: Klaus-Dieter Rossade: ''„Dem Zeitgeist erlegen.“ Benno von Wiese und der Nationalsozialismus.'' Synchron, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-935025-81-2 (= ''Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte;'' Bd.&nbsp;9).</ref>
Diese Erfahrung der tiefen Entfremdung von Freunden beschrieb sie mehrmals in ihren Werken und in ihrer Korrespondenz. Sie ging davon aus, dass es sich um Willensentscheidungen gehandelt hatte, für die der Einzelne verantwortlich war. Noch kurz vor ihrem Tod konstatierte sie, dass gerade viele professionellen Denker bezüglich des [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialismus]] nicht in der Lage waren, zu denken, zu sprechen, zu urteilen und zu handeln.


Diese Erfahrung der tiefen Entfremdung von Freunden beschrieb sie in ihren Werken und in ihrer Korrespondenz mehrmals. Sie war davon überzeugt, dass es sich jeweils um Willensentscheidungen handelte, für die der Einzelne verantwortlich war. Noch kurz vor ihrem Tod stellte sie fest: Gerade viele professionelle Denker hätten hinsichtlich des [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialismus]] versagt, als sie sich für das Regime engagierten. Arendt verlangte nicht von jedem aktiven Widerstand. Schon das Schweigen erkannte sie als Ablehnung der totalen Herrschaft an.<ref>Arendt an Jaspers, S. 126 (Mitte 1947).</ref>
=== Flucht ins Exil und zweite Ehe ===
Über das tschechische Karlsbad, Genua und Genf [[Emigration|emigrierte]] sie 1933 zunächst nach Frank­reich: in Paris war sie in einer jüdischen Flüchtlingsorganisation aktiv. Hannah Arendt und ihr Mann hatten schon in Berlin unterschiedliche Interessen und Freundeskreise. Er mehr im kommunistischen Umfeld, befreundet mit [[Bert Brecht]], sie immer mehr im Kontakt zu [[Zionismus|zionistischen]] und anderen jüdischen Persönlichkeiten. Arendt zog zwar zu Günter Stern, sie unternahmen auch einiges zusammen, wie den Besuch der Seminare von [[Alexandre Kojève]] oder Treffen mit anderen Intellektuellen im Exil, doch die Ehe funktionierte nicht mehr und wurde 1937 geschieden.


=== Exil, zweite Ehe und Engagement für jüdische Flüchtlinge ===
Ebenfalls 1937 wurde Arendt die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 1939 glückte es ihr gerade noch, ihre 65-jährige Mutter aus Königsberg in Sicherheit zu bringen. Im Januar 1940 heiratete sie den ehemaligen Kommunisten [[Heinrich Blücher]], der sich zum Kritiker des orthodoxen [[Marxismus]] gewandelt hatte. Vom Mai bis Juli 1940 wurde sie im südfranzösischen Lager [[Gurs]] interniert. Sie galt als „feindliche Ausländerin”. Nach fünf Wochen gelang ihr mit anderen die Flucht, als die französische Lagerverwaltung die Aufsicht vorübergehend lockerte, nachdem die [[Deutsche Wehrmacht|Wehrmacht]] Paris besetzt hatte und nach Süden vorrückte. Im französischen [[Exil]] verband sie eine enge Freundschaft mit [[Walter Benjamin]].
[[Datei:Hannah Arendt 1933.jpg|mini|Hannah Arendt 1933]]


Über das tschechische [[Karlsbad]], [[Genua]] und [[Genf]] emigrierte sie 1933 zunächst nach Frankreich. In Paris war sie, ohne Papiere, wiederum für zionistische Organisationen tätig, die beispielsweise [[Kinder- und Jugend-Alijah|jüdischen Jugendlichen]] zur Flucht nach [[Völkerbundsmandat für Palästina|Palästina]] verhalfen. Sie arbeitete wissenschaftlich über den [[Geschichte des Antisemitismus bis 1945|Antisemitismus]] und hielt Vorträge vor verschiedenen Vereinigungen sowie in der [[Freie Deutsche Hochschule|Freien Deutschen Hochschule Paris]].
=== Immigration in die USA ===
Im Mai 1941 erreichten Arendt, ihr zweiter Ehemann und ihre Mutter über Lissabon New York. Arendt schrieb seit Oktober 1941 Beiträge für das deutsch-jüdische Magazin [[Aufbau]] in New York. Sie wollte das politische Bewusstsein der jüdischen Öffentlichkeit in aller Welt wecken und forderte eine selbständige jüdische Armee als Mitwirkende der [[Alliierte]]n. Mit diesem Verlangen, das sie bereits vor Beginn der Massenmorde in den [[Konzentrationslager]]n formulierte, konnten sie und ihre Mitstreiter sich nicht durchsetzen.


Hannah Arendt und ihr Ehemann hatten schon in Berlin unterschiedliche Interessen und Freundeskreise:<ref>Christian Dries: ''Günther Anders und Hannah Arendt – eine Beziehungsskizze.'' In: Günther Anders: ''Die Kirschenschlacht. Dialoge mit Hannah Arendt.'' Hrsg. Gerhard Oberschlick, München 2011, S.&nbsp;71–116.</ref> „Er verkehrt(e) unter Linken, im Umfeld von [[Bertolt Brecht|Brecht]]“, sie hatte zunehmend Kontakt zu [[Zionismus|zionistischen]] und anderen jüdischen Persönlichkeiten.<ref>Christian Dries: ''Günther Anders und Hannah Arendt – eine Beziehungsskizze.'' In: Günther Anders: ''Die Kirschenschlacht. Dialoge mit Hannah Arendt.'' Hg. Gerhard Oberschlick, München 2011, S.&nbsp;71–116, hier S.&nbsp;80.</ref> Zunächst wohnten beide in Paris zusammen, besuchten gemeinsam die Seminare [[Alexandre Kojève]]s und Versammlungen mit anderen Intellektuellen im [[Exil]]. Doch die Ehe scheiterte und wurde 1937 geschieden. Arendt vertraute Elfride Heidegger in einem Brief vom 10. Februar 1950 an, dass sie, als sie Marburg verließ, fest entschlossen war, nie wieder einen Mann zu lieben: „Und dann heiratete ich, nur um zu heiraten, einen Mann, den ich nicht liebte.“ Arendt führt weiter aus, dass sie sich den Dingen absolut überlegen fühlte, dass sie glaubte, über alles verfügen zu können, gerade weil sie nichts von sich selbst erwartete. Schließlich sagte sie, dass sich alles erst änderte, als sie den Mann traf, der ihr zweiter Ehemann werden sollte.<ref>Auf Italienisch: ''Hannah Arendt Martin Heidegger, Lettere 1925-1975,'' Einaudi 2007, S. 55. Auf Deutsch: Ursula Ludz (Hrsg.) ''Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse.'' Klostermann, Frankfurt am Main 1998; 3., erweiterte Aufl. ebenda 2002, ISBN 3-465-03205-5, darin: H.A. für M.H.: Schatten. April 1925.</ref>
1944-1946 war sie als Forschungsleiterin der ''Conference on Jewish Relations'' tätig. Anschließend arbeitete sie bis 1949 als Lektorin für den ''Salman Schocken Verlag''. Von 1948 bis 1952 leitete sie die Organisation zur Rettung jüdischen Kulturguts, in deren Auftrag sie 1949 und 1950 die [[Bundesrepublik Deutschland]] besuchte.


Bereits 1936 hatte sie [[Heinrich Blücher]] kennengelernt, einen ehemaligen Kommunisten, der sich schon früh gegen die Politik [[Josef Stalin]]s gewandt hatte. In Paris gehörten beide mit [[Walter Benjamin]], dem Rechtsanwalt [[Erich Cohn-Bendit]], dem Nervenarzt [[Fritz Fränkel]]<ref>Arendt bezeichnete Fränkel gegenüber Scholem als Psychiater (Brief an Scholem v. 22.&nbsp;September 1945, in: ''Der Briefwechsel. Hannah Arendt Gerschom Scholem.'' Berlin 2010, S.&nbsp;79).</ref> und dem Maler [[Carl Heidenreich]] zu einem Kreis deutscher Flüchtlinge.<ref>Wolfgang Heuer: ''Hannah Arendt.'' Reinbek bei Hamburg 1987, S.&nbsp;31.</ref>
=== Stellungnahme zu Palästina und Israel ===
Hannah Arendt schrieb Ende 1948 den Artikel ''Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten?'' (veröffentlicht im Januar 1950). Darin setzt sie sich mit der Geschichte [[Palästina (Region)|Palästinas]] und der Gründung des Staates [[Israel]] auseinander. Frieden kann demnach nur durch eine Verständigung und faire Vereinbarungen zwischen Arabern und Juden erreicht werden. Sie beschreibt die Einwanderungsgeschichte seit 1907 und betont, dass sich bisher beide Gruppen feindselig gegenüberstanden und sich - auch wegen der Besetzung durch die [[Türken]] und später [[Briten]] - niemals als gleichberechtigte Partner oder auch nur als Menschen angesehen haben. Während sie die „[[Heimatlosigkeit]]“ als größtes Problem der Juden beschreibt, kritisiert sie die meisten [[Zionismus|zionistischen]] Führer, die die Probleme der arabischen Bevölkerung übersehen hätten.


1937 wurde Arendt die [[Deutsche Staatsangehörigkeit|deutsche Staatsbürgerschaft]] [[Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit|aberkannt]]. 1939 glückte es ihr gerade noch, ihre Mutter aus [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] in Sicherheit zu bringen. Im Januar 1940 heiratete sie Heinrich Blücher.<ref>Ausführlich zu beider Beziehung: [[Bernd Neumann (Germanist)|Bernd Neumann]]: ''Hannah Arendt und Heinrich Blücher.'' Berlin 1998.</ref> Für Blücher war es die dritte Ehe.
Ihre Vision ist ein binationales Palästina auf der Grundlage nicht-[[Nationalismus|nationalistischer]] Politik, eine [[Föderation]], die möglicherweise sogar andere Staaten des [[Naher Osten|Nahen Ostens]] umfassen könnte. Die Einwanderung und die Vertreibung eines Teils der arabischstämmigen Bevölkerung stellt demnach eine moralische Hypothek dar, während die auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhenden Kollektivsiedlungen ([[Kibbuzim]]) und die Hebräische Universität sowie die Industrialisierung auf der Habenseite stehen. Israel konnte sich von den Gesetzen des Kapitalismus befreien, da es durch Spendengelder aus den USA finanziert wird und daher nicht dem Gesetz der Profitmaximierung unterliegt. Ihre Sorge nach dem gewonnenen Krieg, der Unglück über Juden und Araber gebracht habe und alle jüdisch-arabischen Wirtschaftssektoren zerstört habe, besteht darin, dass Israel eine aggressive expansionistische Politik betreiben könnte. Doch hofft sie auf den universalistischen Geist im Judentum und auf verständigungsbereite Kräfte in den arabischen Staaten. (Israel, Palästina und der Antisemitismus, 1991, S. 39ff).


Anfang Mai 1940 wiesen die französischen Behörden über die Presse die deutschstämmigen Ausländer an, sich zum Abtransport zu melden. Arendt wurde mit vielen anderen Frauen für eine Woche im [[Vélodrome d’Hiver]] inhaftiert.<ref>[[Käthe Hirsch]]: ''Im Pariser Sammellager Vélodrome d’Hiver.'' Paris, September 1976. In: [[Hanna Schramm]], Barbara Vormeier: ''Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein französisches Internierungslager 1940–1941.'' Heintz, Worms 1977, ISBN 3-921333-13-X, Anhang, S. 332–334.</ref> Danach wurden sie in das südfranzösische [[Camp de Gurs]] deportiert. In ihrem Essay ''[[Wir Flüchtlinge]]'' schreibt sie dazu sarkastisch, dass „die Zeitgeschichte eine neue Gattung von Menschen geschaffen hat – Menschen, die von ihren Feinden ins [[Konzentrationslager]] und von ihren Freunden ins [[Internierungslager]] gesteckt werden“.<ref>Hannah Arendt: ''Wir Flüchtlinge.'' In: dies.: ''Zur Zeit. Politische Essays.'' Hrsg. von Marie Luise Knott. München 1989, S.&nbsp;8&nbsp;f.</ref> Nach etwa einem Monat gelang ihr mit wenigen anderen die Flucht aus Gurs, denn die Wachsamkeit der französischen Lagerverwaltung hatte in der chaotischen Lage, nachdem die [[Wehrmacht]] Paris besetzt hatte und nach Süden vorgerückt war, vorübergehend nachgelassen.<ref>Elisabeth Young-Bruehl, S.&nbsp;223&nbsp;ff. und leicht davon abweichend Katrin T. Tenenbaum (Universität Rom) in ihren Erläuterungen zum von ihr herausgegebenen Briefwechsel zwischen Arendt und Adler-Rudel (veröffentlicht 2005).</ref> In einem Brief an [[Salomon Adler-Rudel]] schilderte Arendt wenig später die Umstände der Internierungen von Flüchtlingen aus NS-Deutschland. Die folgende Zeit verbrachten sie und ihr Mann in [[Montauban]].
Es gab zu in dieser Zeit nur sehr wenige Persönlichkeiten auf arabischer und jüdischer Seite, die für ein binationales Palästina eintraten. Arendt greift den ersten Präsidenten der Hebräischen Universität [[Juda Leib Magnes]] und Vorsitzenden der Gruppe [[Ihud]] (Vereinigung) und den libanesischen Politiker und Philosophieprofessor [[Charles Malik]] heraus und betont ihre Einmaligkeit. Beide setzten sich für eine jüdisch-arabische Übereinkunft zur Lösung des Palästinaproblems ein, Magnes 1946 und Malik vor dem [[Weltsicherheitsrat]] im Mai 1948. (IuP, 1991, S. 60ff)
Als im Dezember 1948 der ehemalige Führer der anti-britischen Terror-Organisation ''[[Irgun]] Zwi Leumi'' [[Menachem Begin]] New York besuchte, um Spenden für seine neugegründete ''[[Cherut]]''-Partei zu sammeln, verfassten 26 Intellektuelle, darunter viele mit jüdischem Hintergrund, einen scharf formulierten Leserbrief, der am 4. Dezember 1948 in der [[New York Times]] veröffentlicht wurde. (IuP, 1991, S.117ff). Zu den Unterzeichnern gehörten neben Hannah Arendt u.a. [[Isidore Abramowitz]], [[Albert Einstein ]], [[Sidney Hook]] und [[Stefan Wolpe]]. Sie warnten eindringlich vor dieser Partei und bezeichneten sie als „rechtsradikal“ und „rassistisch“.


Im französischen Exil verband sie eine enge Freundschaft mit dem damals noch weitgehend unbekannten [[Walter Benjamin]], den sie auch materiell unterstützte. Nachdem er sich 1940 das Leben genommen hatte, setzte sie sich 1945 vergeblich beim [[Salman Schocken|Schocken-Verlag]] für die Veröffentlichung seiner Werke ein. Erst 1968 konnte sie seine Essays – mit Anmerkungen und einem Vorwort versehen – in den USA herausgeben.<ref>''Illuminations. Walter Benjamin. Essays and Reflections.'' Hrsg. Hannah Arendt. Schocken, New York 1969.</ref>
An Mary McCarthy schrieb Arendt am 17.Oktober 1969 Israel sei ein eindrucksvolles Beispiel für die Gleichheit der Menschen. Für noch wichtiger hielt sie die „Überlebens-Leidenschaft“ des jüdischen Volkes seit der [[Antike]]. Sie äußert die Angst, dass sich der [[Holocaust]] wiederholen könnte. Als Rückzugsort und wegen des unausrottbaren [[Antisemitismus]] ist Israel notwendig. Arendt betont, dass jede wirkliche Katastrophe in Israel sie mehr berühren würde als fast alles andere.


=== Immigration in die USA, Erwerbstätigkeit und Kampf für eine jüdische Armee ===
=== Formen totalitärer Herrschaft ===
Direkt nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]] begann Arendt ein umfassendes Werk über die Ursprünge und Besonderheiten des Nationalsozialismus, 1948 und 1949 ergänzt durch den [[Stalinismus]]. Ihre Studien standen zunächst unter dem Arbeitstitel ''Elemente der Schande: Antisemitismus – Imperialismus – Rassismus''. Weitere in Erwägung gezogene Titel waren ''Die drei Säulen der Hölle'' oder ''Eine Geschichte der totalen Herrschaft''.


Ihr erster Ehemann Günther Anders und Morris Gintzler gaben Unterhaltgarantien für das Ehepaar Blücher-Arendt ab. Damit konnten sie mit der Hilfe von [[Varian Fry]] in Marseille die Visa für die Einreise in die USA bekommen. Am 10. Mai 1941 legte das Schiff Guiné mit den Blücher-Arendts von Lissabon ab und erreichte am 22. Mai 1941 New York.<ref>Thomas Meyer: ''Hannah Arendt. Die Biografie.'' 2023, S. 15–18.</ref>
Arendt vertrat die Auffassung, dass die Historiker die Antwort auf die Frage, warum gerade die Juden in das Sturmzentrum der Ereignisse getrieben wurden, bisher erstaunlicherweise schuldig geblieben seien. (1986. S. 31) Ihr Werk beruhte insbesondere auf einer Kritik der [[Ideologie]]n des 19. Jahrhunderts, die die bisherige [[Geschichtsschreibung]] hinterfragte. Damit kam sie dem Charakter des „Bruchs der Geschichte“ durch die totalitären Bewegungen des Nationalsozialismus und Stalinismus näher als bisherige Arbeiten dazu. Das Werk war keine reine Geschichtsschreibung. Sie kritisierte vielmehr ausdrücklich das [[Kausalität]]sdenken der meisten Historiker. Ihr Ziel war es stattdessen, eine Analyse der Ursachen und Hauptelemente des Nationalsozialismus vorzulegen unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden politischen Verflechtungen.


Das Ehepaar wohnte zunächst in Hotelzimmern und lebte von einem geringen Stipendium der zionistischen Flüchtlingsorganisation. Arendt vervollkommnete sehr schnell ihre Kenntnisse der englischen Sprache. Ab Oktober 1941 war sie für das deutsch-jüdische Magazin ''[[Aufbau (jüdische Zeitung)|Aufbau]]'' in New York tätig. Sie schrieb regelmäßig eine kurze deutschsprachige Kolumne unter dem englischen Aufmacher ''This Means You'' („Das geht dich an“). Der Startartikel unter dem Titel ''Moses oder Washington''<ref>[https://archive.org/details/aufbau81942germ/page/n196/mode/1up? Originalausgabe] 27.&nbsp;März 1942, Wiederabdruck im ''Aufbau,'' Doppelheft 12/2008 und 1/2009, S.&nbsp;33.</ref> knüpft in der Gestalt des [[Mose]]s an die jüdische Exilgeschichte an. Arendt argumentiert, dass das moderne [[Reformjudentum|(Reform-)Judentum]] den Bezug zu seiner eigentlichen Tradition verloren habe, ein Motiv, das auch die These ihres Buches über Rahel Varnhagen bildet. Es „wächst bei uns höchst paradoxerweise die Zahl jener, die Moses und [[David]] durch [[George Washington|Washington]] oder [[Napoleon Bonaparte|Napoléon]] ersetzen“, Juden, die sich auf fremde Kosten (nämlich der Nichtjuden) „verjüngen“ wollten. Kritisch merkt sie an, dass die (jüdische) Geschichte kein Vehikel sei, aus dem man beliebig aussteigen könne; sie fordert, aus dem Judentum einen „Segen“ zu machen, nämlich eine Waffe im Kampf um die Freiheit. Damit wollte sie das politische Bewusstsein der jüdischen Öffentlichkeit in aller Welt wecken. In zahlreichen Artikeln forderte sie den Aufbau einer selbstständigen jüdischen Armee auf Seiten der [[Alliierte]]n. Mit diesem Verlangen, das sie bereits vor Beginn der [[Massenmord]]e in den [[Vernichtungslager|Konzentrationslagern]] formulierte, konnten sie und ihre wenigen Mitstreiter sich nicht durchsetzen.
Das Werk enthielt nach mehreren Zwischenentwürfen die drei Teile ''Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft''. Während Arendt für die beiden ersten Teile in hohem Maße auf vorhandenes historisches und literarisches Quellenmaterial zurückgreifen konnte, musste sie sich den Hintergrund für den dritten Teil neu erarbeiten. „Den muss ich ganz neu schreiben, weil mir dazu wesentliche Dinge, vor allem auch der Zusammenhang mit Rußland, erst jetzt aufgegangen sind.“ (4.9.47 Arendt an Jaspers, 134). 1951 wurde das umfangreiche Buch schließlich unter dem Titel ''The Origins of Totalitarism'' veröffentlicht. Die von ihr bearbeitete deutsche Fassung (1955) nannte sie ''Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft''.


Zwar bezeichnete sich Arendt in dieser Zeit noch als ([[Säkularismus|säkulare]]) Zionistin, nahm aber eine zunehmend kritische Haltung zur Weltanschauung des Zionismus ein, die sie mit anderen [[Ideologie]]n wie [[Sozialismus]] oder [[Liberalismus]] verglich, welche Voraussagen über die Zukunft machten. Sie hielt Freiheit und [[Gerechtigkeit]] für Grundprinzipien der Politik, die mit der Vorstellung eines auserwählten Volkes nicht zu vereinbaren seien. Diese Positionen stießen in der jüdischen Öffentlichkeit zumeist auf Ablehnung.<ref>Elisabeth Young-Bruehl, S.&nbsp;250ff. Im Herbst 1945 erschien ihr kritischer Artikel ''Zionism Reconsidered.'' In: ''The Menorah Journal,'' 33.&nbsp;Jahrgang, 1945, Nr.&nbsp;2, S.&nbsp;162–196, dessen deutsche Ausgabe erst nach ihrem Tod veröffentlicht wurde. (''Der Zionismus aus heutiger Sicht.'' In: ''Die verborgene Tradition.'' Acht Essays. Frankfurt a.&nbsp;M. 1976, S.&nbsp;127–168.)</ref>
Sie stellt die neuartige und vieldiskutierte These auf, dass sich totalitäre Bewegungen jeder [[Weltanschauung]] und Ideologie bemächtigen können und sie durch [[Terror]] in eine neue Staatsform überführen können. Geschichtlich realisieren konnten dies ihrer Ansicht nach bis 1966 (Edition der dritten und letzten Auflage) der Nationalsozialismus ([[Rassismus]], Antisemitismus) einerseits und der Stalinismus („klassen- und nationslose Gesellschaft“. 1986. S. 706) andererseits.


1943 veröffentlichte sie den Essay ''We Refugees'' (dt. ''[[Wir Flüchtlinge]]''), in dem sie sich mit der Rechtlosigkeit von Flüchtlingen und Staatenlosen auseinandersetzt.
Anders als andere Autoren, sieht Arendt ausschließlich diese beiden Systeme als totalitär an, nicht aber „Einparteiendiktaturen“ wie den italienischen Faschismus oder das Nachkriegsregime in der DDR. Arendt stellt die neue Qualität der „totalen Herrschaft“ gegenüber den oft mit ihr verwechselten gewöhnlichen Diktaturen heraus. Erstere beziehe sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, nicht nur auf die politischen. Im Nationalsozialismus habe eine völlige Verkehrung der Rechtsordnung geherrscht. Verbrechen, Massenmorde seien nicht die Ausnahme, sondern die Regel gewesen. „Der Kampf um totale Herrschaft im Weltmaßstab und die Zerstörung aller anderen Staats- und Herrschaftsformen ist jedem totalitären Regime eigen...“ (Elemente und Ursprünge ... 1962, S.579)


Von 1944 bis 1946 war Hannah Arendt als Forschungsleiterin der ''Conference on Jewish Relations'' tätig, anschließend bis 1949 als Lektorin im jüdischen Schocken-Verlag. Am 26. Juli 1948 starb ihre Mutter Martha Arendt während einer Reise zu ihrer Stieftochter Eva Beerwald in England. Von 1949 bis 1952 arbeitete sie als ''Executive Secretary'' (Geschäftsführerin) für die Organisation zur Rettung und Pflege jüdischen Kulturguts Jewish Cultural Reconstruction Corporation (JCR). Bis Heinrich Blücher 1951 Philosophie-Kurse an einem College erteilen konnte, sorgte Hannah Arendt nahezu alleine für den Lebensunterhalt der Familie.
Sie arbeitet heraus, wie vor dem Hintergrund der [[Massengesellschaft]] und dem Zerfall der [[Nationalstaat]]en durch den [[Imperialismus]] traditionelle Politikformen, insbesondere die [[Partei]]en, den totalitären Bewegungen mit ihren vervollkommneten Techniken der [[Propaganda|Massenpropaganda]] unterlegen waren.


=== Erste Reisen in die Bundesrepublik und Berichte über die Nachwirkungen des NS-Regimes ===
Laut Arendt neigt neben dem Kommunismus auch der „Antikommunismus“ als „offizielle Gegenideologie“ in der Ära des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] dazu, einen Anspruch auf Weltherrschaft zu entwickeln. (EuU 1986, S.635) Weltmächte hat es bereits mehrmals im Verlauf der Geschichte gegeben, z.B. [[Römisches Reich|das Römische Reich]]. Sie haben jedoch nicht immer totalitäre Züge.
1949/1950 bereiste Arendt im Auftrag der Jewish Cultural Reconstruction die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] und setzte sich dafür ein, die nicht zerstörten jüdischen Kulturgüter, darunter ganze Bibliotheken, nach Israel oder in die USA zu bringen. Arendt traf während dieses Aufenthalts zum ersten Mal seit 1933 Karl Jaspers und Martin Heidegger. Eine zweite Reise folgte 1952. Seitdem fuhr sie jedes Jahr für einige Monate nach Europa, bisweilen auch nach Israel, besuchte viele Freunde und Verwandte, jedes Mal aber Karl und Gertrud Jaspers. Während ihrer Recherchen in der Bundesrepublik stand sie in brieflichem Kontakt mit [[Gershom Scholem]].


In dem Essay ''Besuch in Deutschland. Die Nachwirkungen des Naziregimes''<ref>In: ''Zur Zeit. Politische Essays.'' Hamburg 1999, S.&nbsp;43–70. Der Artikel erschien zunächst ausschließlich in den USA.</ref> (1950) schreibt Arendt sehr differenziert über die Nachkriegssituation. Deutschland habe in kurzer Zeit durch Verbrechen, die niemand für möglich gehalten hätte, das moralische Gefüge der westlichen Welt zerstört. Millionen von Menschen aus Osteuropa strömten in das zerstörte Land. „Man kann bezweifeln, ob die Politik der Alliierten, alle deutschen Minderheiten aus nichtdeutschen Ländern zu vertreiben – als ob es nicht schon genug Heimatlosigkeit auf der Welt gäbe&nbsp;– klug gewesen ist; doch außer Zweifel steht, daß bei denjenigen europäischen Völkern, die während des Krieges die mörderische Bevölkerungspolitik Deutschlands zu spüren bekommen hatten, die bloße Vorstellung, mit Deutschen auf demselben Territorium zusammenleben zu müssen, Entsetzen und nicht bloß Wut auslöste.“ Sie stellt eine seltsame Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung fest. Über Europa liege wegen der deutschen Konzentrations- und [[Vernichtungslager]] ein Schatten tiefer Trauer. Doch dieser Alptraum von Zerstörung und Schrecken werde nirgends weniger besprochen als in Deutschland. „Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.“
Neben dem historischen Quellenstudium, der Hinzuziehung von Denkern wie Kant und Montesquieu, literarischen Quellen wie [[Marcel Proust]], wendet Arendt ihre Methode „des buchstäblichen Ernstnehmens ideologischer Meinungen“ an, die von vielen Beobachtern unterschätzt worden seien. (EuU, 1986, S.968) Ihr Stil ist nüchtern und sachlich.


Hingegen kursierten zahlreiche Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die „Leidensbilanz“ in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte. Die Flucht vor der Verantwortung und die Zuschreibung von Schuld auf die [[Besatzungsmacht|Besatzungsmächte]] seien weit verbreitet. „Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.“
=== US-Staatsbürgerschaft und Stellungnahme zu politischen Ereignissen ===
1951 erhielt Arendt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Dies war für sie von ganz besonderer Bedeutung. Unter dem Status der Staatenlosigkeit hatte sie sehr gelitten, weil sie ihn als einen Ausschluss aus der menschlichen Gesellschaft ansah. Die Staatsbürgerschaft bedeutete für sie „das Recht, Rechte zu haben“, und so forderte sie eine Ergänzung zur amerikanischen Verfassung, dass niemand seine Staatsangehörigkeit verlieren dürfe, wenn er dadurch staatenlos werde.


=== Arbeiten zur Existenzphilosophie ===
1953 trat sie eine Professur am Brooklyn College (New York) an. In New York wirkte sie 1955 neben [[Martin Buber]] u.a. bei der Gründung des [[Leo Baeck Institut]], einer wichtigen Dokumentations- und Forschungsstätte für die Geschichte der deutschsprachigen Juden mit. Die Bestände sind in elektronischer Form im ''[[Jüdisches Museum Berlin|Jüdischen Museum Berlin]]'' einsehbar.
Nach Kriegsende veröffentlichte Arendt zwei Artikel zur [[Existenzphilosophie]]. In ''[[The Nation (Vereinigte Staaten)|The Nation]]'' erschien Anfang 1946 der Text ''French Existentialism,'' in dem sie vor allem das Denken [[Albert Camus]]’ zustimmend und dasjenige [[Jean-Paul Sartre|Sartres]] kritisch beleuchtete. Sie äußerte gegenüber Jaspers ihre große Hoffnung auf einen neuen Typus von Menschen, der ohne allen „europäischen Nationalismus“ Europäer ist und sich für einen europäischen [[Föderalismus]] einsetzt. Dazu zählte sie Camus aus der französischen [[Résistance]], dem sie in einem Brief Ehrlichkeit und politische Einsicht bescheinigte.<ref>Arendt an Jaspers, 11.&nbsp;November 1946, S.&nbsp;103., französische Edition dieses Textes 1946.</ref>


Den Artikel ''[[Was ist Existenzphilosophie?]]''<ref>''Was ist Existenzphilosophie?'' Wieder Anton Hain, Frankfurt a.&nbsp;M. 1990.</ref> veröffentlichte sie in den USA 1946 in der ''[[Partisan Review]],'' auf Französisch in Paris 1947<ref>''La Philosophie de l’Existence.'' in: ''Deucalion. Cahiers de Philosophie.'' Vol. 2. Editions de la Revue Fontaine, Paris 1947, S. 215–252.</ref> und in der Schriftenreihe der von Jaspers und anderen gegründeten Zeitschrift ''[[Die Wandlung (Monatszeitschrift)|Die Wandlung]]'' 1948 zusammen mit fünf weiteren Beiträgen als Essayband.<ref>Hannah Arendt: ''Sechs Essays.'' Reihe: ''Schriften der Wandlung.'' 3. Lambert Schneider, Heidelberg 1948.</ref> Es handelte sich um die erste Buchveröffentlichung nach ihrer 1929 erschienenen Dissertation.
In den fünfziger Jahren plante Arendt im Anschluss an die Analyse des Totalitarismus eine Arbeit über den Marxismus. Aus den Vorarbeiten entstanden einige Essays und Vorlesungen. Das Buch wurde jedoch nicht fertig gestellt, weil Arendt in der Auseinandersetzung mit dem Thema die umfassende Berücksichtigung der politischen Philosophie für erforderlich hielt und im Verlaufe der Zeit ihre Aufmerksamkeit auf andere Themenbereiche richtete.


In dieser Schrift entwickelte Arendt eine eigene Position innerhalb der Existenzphilosophie, verfolgte sie in späteren Werken aber nicht weiter. Als [[Uwe Johnson]] 1974 anfragte, ob der Text erneut herausgegeben werden dürfe, fand sie diesen zwar akzeptabel, wollte aber den Abschnitt über Heidegger herausnehmen, woran die Veröffentlichung scheiterte.<ref>''Hannah Arendt – Uwe Johnson. Der Briefwechsel.'' Frankfurt am Main 2004, S.&nbsp;114.</ref> Auch die englische Fassung ließ sie zu Lebzeiten nicht wieder auflegen.
Große Sorge bereitete ihr in dieser Zeit die Verfolgung ehemaliger Kommunisten, Intellektueller und Künstler durch [[Joseph McCarthy]] und seine Anhänger, während sie den [[Ungarischer Volksaufstand|Volksaufstand in Ungarn]] 1956 äußerst positiv aufnahm. Später verurteilte sie den [[Vietnamkrieg]].


Arendt setzt sich in dieser kleinen Arbeit kritisch mit der Philosophie Martin Heideggers auseinander, dem sie eine Nähe zum modernen [[Nihilismus]] zuschreibt. Seine [[Ontologie|Lehre des Seins]] habe er niemals wirklich vollendet. Mit der Analyse des [[Dasein]]s vom Tode her begründe Heidegger die Nichtigkeit des [[Sein]]s. Der Mensch werde gottähnlich beschrieben, zwar nicht als „Welt-erschaffendes“, aber als „Welt-zerstörendes“ Wesen. Arendt wendet dagegen ein, dass „der Mensch Gott nicht ist und mit seinesgleichen zusammen in einer Welt lebt“, ein Gedanke, den sie später noch oft wiederholen wird. Heidegger umgehe die vorläufigen [[Immanuel Kant|Kantschen]] Begriffe von Freiheit, Menschenwürde und Vernunft, reduziere den Menschen auf seine Funktionen in der Welt und spreche ihm Existenz allein durch das Philosophieren zu. Darüber hinaus kritisiert sie Heideggers „mythologisierende Unbegriffe“ wie „Volk“ und „Erde“, die er in Vorlesungen der 1930er Jahre seinen „isolierten Selbsten“ nachträglich als gemeinsame Grundlage untergeschoben habe. Es sei evident, dass „derartige Konzeptionen nur aus der Philosophie heraus- und in irgendeinen [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistischen]] Aberglauben hineinführen“.
1958 brachte sie ihre große philosophisch grundierte Arbeit: ''The Human Condition'' (dt.: Vita activa, 1960) heraus. Im selben Jahr erschien ''Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus'' (engl.: als Teil der 2. Auflage von The Origins of Totalitarism) und die mit einem aktuellen Vorwort versehene Biographie über ''Rahel Varnhagen'' sowie 1961 ''Between Past and Future'' (Sechs Essays über das politische Denken) und 1963 ''Über die Revolution'' (engl.: On Revolution 1965).


Die Existenzphilosophie Karl Jaspers’ hingegen beschreibt sie ausschließlich positiv. Er vollziehe einen Bruch mit allen philosophischen Systemen, mit Weltanschauungen und „Lehren vom Ganzen“, setze sich mit „[[Grenzsituation]]en“ auseinander und betrachte die Existenz als eine Form der Freiheit. Der Mensch könne sich „in spielender [[Metaphysik]]“ an die Grenzen des Denkbaren herantasten und sie überschreiten. Im Gegensatz zu Heidegger sei für Jaspers das Philosophieren lediglich die Vorbereitung auf das „Tun“ durch die [[Kommunikation]] auf der Basis der allen gemeinsamen Vernunft. Jaspers wisse, dass das Denken der [[Transzendenz]] zum Scheitern verurteilt ist. Die Jaspers'sche Philosophie, unterstreicht die Autorin, liegt im Wesentlichen in den Wegen seines Philosophierens. Diese können aus den „Sackgassen eines [[Positivismus|positivistischen]] oder nihilistischen Fanatismus“ herausführen.
=== Eichmann-Prozess ===
====Prozessberichterstattung und nachfolgende Kontroversen====
1961 nahm sie von April bis Juni als Reporterin der Zeitschrift ''The New Yorker'' an dem Prozess gegen [[Adolf Eichmann]] in Jerusalem teil. Daraus ging eines ihrer bekanntesten und damals sehr umstrittenen Bücher ''Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen'' hervor, welches 1963 veröffentlicht wurde. Adolf Eichmann wurde 1960 in Argentinien vom [[Mossad|israelischen Geheimdienst]] gefasst und nach Jerusalem entführt. Ihre vieldiskutierte Wendung im Hinblick auf Eichmann – die „Banalität des Bösen” – wurde zu einem [[Geflügeltes Wort|geflügelten Wort]].


=== Stellungnahmen zu Palästina und Israel ===
:„In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren »Banalität des Bösen«, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert.” (Eichmann in Jerusalem, 2004, S. 371)
[[Datei:Albert Einstein and others letter.jpg|mini|Erklärung als Leserbrief an die ''[[New York Times]]:'' ''New Palestine Party. Visit of Menachen Begin and Aims of Political Movement Discussed.'' Unterschrieben von [[Albert Einstein]], Arendt und anderen.]]


Hannah Arendt schrieb Ende 1948 den Artikel ''Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten?'' (veröffentlicht in den USA im Januar 1950). Darin setzt sie sich mit der Geschichte Palästinas und der Gründung des Staates [[Israel]] auseinander. Frieden könne ihr zufolge nur durch Verständigung und faire Vereinbarungen zwischen [[Araber]]n und Juden erreicht werden. Sie beschrieb die Einwanderungsgeschichte seit 1907 und betonte, dass sich bisher beide Gruppen feindselig gegenüberstanden und sich – auch wegen der Besetzung durch die [[Türken]] und später die [[Vereinigtes Königreich|Briten]] – niemals als gleichberechtigte Partner oder auch nur als Menschen angesehen hatten. Während sie in der „Heimatlosigkeit“ und „Weltlosigkeit“ das größte Probleme der Juden beschrieb, kritisierte sie die meisten [[Zionismus|zionistischen]] Führer, da sie die Probleme der arabischen Bevölkerung übersehen hätten.
Um das Werk wurden heftige Kontroversen geführt. Insbesondere der Ausdruck ''Banalität'' in Bezug auf einen Massenmörder wurde von verschiedenen Seiten, darunter auch von [[Hans Jonas]], angegriffen.


Ihre Vision war ein binationales Palästina auf der Grundlage nicht-[[Nationalismus|nationalistischer]] Politik, eine [[Föderalismus|Föderation]], die möglicherweise andere Staaten des [[Naher Osten|Nahen Ostens]] umfassen könne. Die Einwanderung und die Vertreibung eines Teils der arabischstämmigen Bevölkerung stellten eine moralische Hypothek dar, während die auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhenden Kollektivsiedlungen ([[Kibbuz]]im) und die [[Hebräische Universität Jerusalem|Hebräische Universität]] sowie die Industrialisierung auf der Habenseite stünden.
In ihrer Einleitung zur deutschen Ausgabe 1964 erläutert Arendt den Terminus. „...in dem Bericht kommt die mögliche Banalität des Bösen nur auf der Ebene des Tatsächlichen zur Sprache, als ein Phänomen, das zu übersehen unmöglich war. Eichmann war nicht ... Macbeth ... Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive.” (Ausg. 1976, S. 15f.) Niemals hätte er seinen Vorgesetzten umgebracht, er sei nicht dumm gewesen, sondern „schier gedankenlos”. Dies habe ihn prädestiniert, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden. Dies sei „banal”, vielleicht sogar „komisch“. Man könne ihm beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen. Trotzdem sei er nicht alltäglich. „Daß eine solche Realitätsferne und Gedankenlosigkeit in einem mehr Unheil anrichten können als alle die dem Menschen innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen, das war in der Tat die Lektion, die man in Jerusalem lernen konnte. Aber es war eine Lektion und weder eine Erklärung des Phänomens noch eine Theorie darüber.”


Israel konnte sich Arendt zufolge von den Gesetzen des Kapitalismus befreien, da es durch Spendengelder aus den USA finanziert werde und daher nicht dem Gesetz der Profitmaximierung unterliege. Ihre Sorge nach dem gewonnenen [[Palästinakrieg]], der Unglück über Juden und Araber gebracht und alle jüdisch-arabischen Wirtschaftssektoren zerstört habe, besteht darin, dass Israel eine aggressive expansionistische Politik betreiben könne. Doch hofft sie auf den [[Universalismus (Philosophie)|universalistischen]] Geist im Judentum und auf verständigungsbereite Kräfte in den arabischen Staaten.<ref>''Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten.'' In: ''Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze.'' Berlin 1991, S.&nbsp;39–75.</ref>
In einem Brief an Mary McCarthy (20.&nbsp;September 1969) weist Arendt darauf hin, dass „die Wendung »Banalität des Bösen« als solche steht im Gegensatz zu der vom »radikal Bösen«, die ich [Arendt] im Totalitarismus-Buch benutze.“ (S. 234)


Es gab in dieser Zeit nur sehr wenige Persönlichkeiten auf arabischer und jüdischer Seite, die für ein binationales Palästina eintraten. Arendt bezieht sich auf den ersten Präsidenten der Hebräischen Universität [[Judah Leon Magnes]]<ref>In ''Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten.:'' Juda Leib Magnes</ref> sowie den [[Libanon|libanesischen]] Politiker und Philosophieprofessor [[Charles Malik]] und streicht deren Einmaligkeit heraus. Beide setzten sich für eine jüdisch-arabische Übereinkunft zur Lösung des Palästinaproblems ein, Magnes 1946 und Malik vor dem [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]] im Mai 1948.
Hinzu kam die Art des Verbrechens, die nicht einfach kategorisierbar wäre. Was in [[Auschwitz]] geschah, sei beispiellos gewesen, der vom englischen Imperialismus herkommende Ausdruck „Verwaltungsmassenmord” sei der Sache angemessener als der Begriff „[[Genozid]]”.


Als im Dezember 1948 der ehemalige Führer der zionistischen Terror-Organisation ''[[Irgun Tzwa’i Le’umi|Irgun]]'' [[Menachem Begin]] New York besuchte, um Spenden für seine neugegründete ''[[Cherut]]''-Partei zu sammeln, verfassten 26 Intellektuelle, darunter viele mit jüdischem Hintergrund, einen scharf formulierten Leserbrief, der am 4. Dezember 1948 in der ''[[The New York Times|New York Times]]'' veröffentlicht wurde.<ref>Hannah Arendt u.&nbsp;a.: ''Der Besuch Menahem Begins und die Ziele seiner politischen Bewegung. Offener Brief an die „New York Times“.'' In: ''Israel, Palästina …,'' S.&nbsp;117&nbsp;ff. ({{archive.org|AlbertEinsteinLetterToTheNewYorkTimes.December41948}}).</ref> Zu den Unterzeichnern gehörten neben Arendt u.&nbsp;a. [[Isidore Abramowitz]], [[Albert Einstein]], [[Sidney Hook]] und [[Stefan Wolpe]]. Sie warnten eindringlich vor dieser Partei und charakterisierten sie als [[Faschismus|faschistisch]] und [[Terrorismus|terroristisch]]. Als schockierendes Beispiel für Charakter und Vorgehensweise der Organisation erwähnen sie auch das von Begin kommandierte [[Massaker von Deir Yasin]].
====Debatte über die Rolle der Judenräte====
Darüber hinaus wurde Arendt vorgeworfen, die Rolle der [[Judenrat|Judenräte]] zu kritisch betrachtet zu haben. Eichmann habe „Kooperation” von den Juden verlangt und sie in „wahrhaft erstaunlichem Maße” erhalten. Auf dem Weg in den Tod hätten die Juden nur wenige Deutsche gesehen. Die Mitglieder der Judenräte hätten von den Nazis eine „enorme [[Macht]] über Leben und Tod” bekommen, „so lange, bis sie selbst auch deportiert wurden.” So seien beispielsweise die Transportlisten für [[Theresienstadt]] vom Judenrat zusammengestellt worden. „Diese Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte.” (S.153). Der ehemalige Oberrabiner von Berlin, [[Leo Baeck]], einer der wichtigsten Vertreter der Juden in Deutschland, hatte geäußert, es sei besser für die Juden, über ihr „Schicksal” nicht Bescheid gewusst zu haben, da diese Erwartung des Todes nur noch belastender gewesen wäre. (S. 155)


An ihre Freundin, die US-amerikanische Schriftstellerin [[Mary McCarthy]], schrieb Arendt mehr als zwanzig Jahre später, Israel sei ein eindrucksvolles Beispiel für die Gleichheit der Menschen. Für noch wichtiger hielt sie die „Überlebensleidenschaft“ des jüdischen Volkes seit der Antike. Sie befürchtete, dass sich der [[Holocaust]] wiederholen könne. Als Rückzugsort und wegen des unausrottbaren [[Geschichte des Antisemitismus seit 1945|Antisemitismus]] sei Israel notwendig. Arendt betont, dass jede wirkliche Katastrophe in Israel sie mehr berühre als fast alles andere.<ref>Hannah Arendt, Mary McCarthy: ''Im Vertrauen. Briefwechsel 1949–1975.'' München 1997, S.&nbsp;365&nbsp;f., (Okt. 1969).</ref>
Diese kurze Passage wurde von vielen jüdischen Organisationen besonders heftig kritisiert. In einem Brief an Mary McCarthy vom 16.&nbsp;September 1963 schreibt Arendt, sie habe gehört, dass die ''[[Anti-Defamation League]]'' einen Rundbrief an alle New Yorker Rabbiner geschickt habe, am Neujahrstag (Rosh ha Shana, 04.Oktober) gegen sie zu predigen. Bei der erfolgreichen politischen Kampagne gehe es darum, ein „Image“ zu schaffen, dass das wirkliche Buch zudecken werde. Sie fühlte sich machtlos gegenüber der großen Zahl der Kritiker mit Geld, Personal und Verbindungen. (Brief an McCarthy 20.&nbsp;September 1963)


=== Formen totaler Herrschaft ===
Hannah Arendt sah es als eine „Wohltat” an, vor Gericht den „ehemaligen jüdischen Widerstandskämpfern” zu begegnen. „Ihr Auftreten verjagte das Gespenst einer allseitigen Gefügigkeit ...” (S. 159) In den „Todeslagern” wurden „die direkten Handreichungen zur Vernichtung der Opfer im allgemeinen von jüdischen Kommandos verrichtet” ... „Das alles war zwar grauenhaft, aber ein moralisches Problem war es nicht. Die Selektion .. der Arbeiter in den Lagern wurde von der [[SS]] getroffen, die eine ausgeprägte Vorliebe für kriminelle Elemente hatte.” Das moralische Problem sei das „Gran” (kleines Gewicht) Zusammenarbeit bei der [[Endlösung]] gewesen. (S. 159f)
Direkt nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] begann Arendt mit der Arbeit an einer umfassenden Studie über den Nationalsozialismus, 1948 und 1949 ausgeweitet auf den [[Stalinismus]]. Das Buch enthält die drei Teile ''Antisemitismus,'' ''[[Imperialismus]]'' und ''Totale Herrschaft.'' Während Arendt für die beiden ersten Teile in hohem Maße auf vorhandenes historisches und literarisches Quellenmaterial zurückgreifen konnte, musste sie sich den Hintergrund für den dritten Teil neu erarbeiten.<ref>Arendt an Jaspers, S.&nbsp;134.</ref> 1951 erschien die US-amerikanische Ausgabe unter dem Titel: ''The Origins of Totalitarianism.'' Die von ihr selbst bearbeitete, teilweise vom Original abweichende deutsche Fassung (1955) nannte sie ''[[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]].'' Ihr Werk bearbeitete und erweiterte sie bis zur Edition der dritten Auflage 1966. Die Arbeit stellt keine reine [[Geschichtsschreibung]] dar. Vielmehr kritisiert sie das [[Kausalität]]sdenken der meisten Historiker und bemerkt: Alle Versuche von Geschichtswissenschaftlern, den Antisemitismus zu erklären, seien bisher unzulänglich gewesen.


Sie stellt die neuartige und vieldiskutierte These auf, dass sich totalitäre Bewegungen jeder [[Weltanschauung]] und Ideologie bemächtigen und sie durch [[Terror]] in eine neue Staatsform überführen können. Geschichtlich vollständig realisieren konnten dies ihrer Ansicht nach bis 1966 lediglich der Nationalsozialismus und der Stalinismus.
[[Gershom Scholem]] äußerte sich einige Monate nach Erscheinen des Buches, er vermisse ein abgewogenes Urteil. „In den Lagern wurden Menschen entwürdigt und, wie Sie selber sagen, dazu gebracht, an ihrem eigenen Untergang mitzuarbeiten, bei der Hinrichtung ihrer Mitgefangenen zu assistieren und dergleichen. Und deswegen soll die Grenze zwischen Opfern und Verfolgern verwischt sein? Welche Perversität! Und wir sollen da kommen und sagen, die Juden selber hätten ihren ,Anteil’ an dem Judenmord.” (Der Zeitgeist. Halbmonats-Beilage des [[Aufbau]]'', No. 208, New York, December 20, 1963, S.17f).


Im Gegensatz zu anderen Autoren sieht Arendt ausschließlich diese beiden Systeme als totalitär an, nicht aber Einparteiendiktaturen wie den [[Geschichte Italiens|italienischen Faschismus]], den [[Franquismus]] oder die [[Deutsche Demokratische Republik]]. Sie stellt die neue Qualität der totalen Herrschaft gegenüber gewöhnlichen [[Diktatur]]en heraus. Erstere beziehe sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, nicht nur auf die politischen. Im Zentrum stehe eine Massenbewegung. Im Nationalsozialismus habe eine völlige Verkehrung der Rechtsordnung geherrscht. Verbrechen, Massenmorde<ref>Arendt benutzt auch den Begriff „Verbrechen gegen die Menschheit“, wie Karl Jaspers und sie den Ausdruck der Alliierten: „crime against humanity“ – in Abgrenzung zu der gebräuchlicheren Fassung „[[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]]“ – übersetzten.</ref> seien die Regel gewesen. Neben dem Terror hält sie das Streben nach Weltherrschaft für ein wichtiges Kennzeichen der totalen Herrschaft.
====Persönliche Verantwortung versus Kollektivschuld====
In ihrem Vortrag: ''Persönliche Verantwortung in der Diktatur'', den sie 1964 und 1965 in der BRD gehalten hat, betonte Arendt erneut, dass die Veröffentlichung lediglich ein „Tatsachenbericht“ war. Ihre Kritiker und Apologeten hätten dagegen Probleme der „Moralphilosophie“ diskutiert. Mit Entsetzen habe sie u.a. vernommen: „Jetzt wissen wir, dass in jedem von uns ein Eichmann steckt.“ Der Mensch sei jedoch ein frei handelndes, für seine Taten verantwortliches Wesen. Schuld haben demnach bestimmte Personen auf sich geladen. Die Idee einer [[Kollektivschuld]] lehnte sie entschieden ab. „Wo alle schuldig sind, da ist es niemand... Ich habe es immer für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, daß sich im Deutschland der Nachkriegszeit diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie sich fühlten, wohingegen nur wenige der Verbrecher bereit waren, auch nur die geringste Spur von Reue zu zeigen.“


Sie arbeitet heraus, wie vor dem Hintergrund der [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]] und des Zerfalls der [[Nationalstaat]]en durch den Imperialismus traditionelle Politikformen, insbesondere die Parteien, den totalitären Bewegungen mit ihren neuen Techniken der [[Propaganda|Massenpropaganda]] unterlegen waren.
Sie stellte heraus, der Prozess gegen Eichmann sei korrekt abgelaufen. Seine Einlassung, er sei nur ein Rädchen im großen bürokratischen Apparat gewesen, ist für das juristische Urteilen irrelevant, und er wurde mit Recht hingerichtet. Im Nationalsozialismus waren alle Schichten der offiziellen Gesellschaft an den Verbrechen beteiligt. Als Beispiel gibt sie an, dass dem Massenmord eine Reihe antijüdischer Maßnahmen vorangingen, die im Einzelfall gebilligt wurden, „bis eine Stufe erreicht war, daß Schlimmeres überhaupt nicht mehr passieren konnte.“ Die Taten wurden nicht von „Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“. Folglich sollten diejenigen, die mitmachten und Befehlen gehorchten, nie gefragt werden: „Warum hast du gehorcht?“ sondern: „Warum hast du Unterstützung geleistet?“


Neben historischen benutzt Arendt auch literarische Quellen wie beispielsweise [[Marcel Proust]] und setzt sich mit zahlreichen Denkern seit der Antike auseinander, mit Kant ebenso wie mit Montesquieu. Sie verwendet ihre Methode „des buchstäblichen Ernstnehmens ideologischer Meinungen“. Die Äußerungen totalitärer Ideologen seien von vielen Beobachtern unterschätzt worden.<ref>''[[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]]. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft.'' Piper, München / Zürich 1986 (TB), 17. Auflage, 2014, S.&nbsp;968.</ref>
Hannah Arendt wies selbst darauf hin, dass sie diese Anforderungen eventuell nicht erfüllt hätte: „Wer hat je behauptet, daß ich, indem ich ein Unrecht beurteile, unterstelle, selbst unfähig zu sein, es zu begehen?“ (Israel, Palästina und der Antisemitismus)


Die Beschreibungen der totalen Herrschaft dienten vor allem Politikwissenschaftlern dazu, Theorien des [[Totalitarismus]] zu entwickeln, die z.&nbsp;T. weit über die strenge Definition Arendts hinausgehen.
====Arabischer Antisemitismus====
Weitsichtig sah Arendt den kommenden [[Arabischer Antisemitismus|arabischen Antisemitismus]] als Fortsetzung nationalsozialistischer Ideen und Taten. „Die Zeitungen in Damaskus und Beirut, in Kairo und Jordanien verhehlten weder ihre Sympathie für Eichmann noch ihr Bedauern, daß er »sein Geschäft nicht zu Ende geführt« habe; eine Rundfunksendung aus Kairo am Tag des Prozessbeginns enthielt sogar einen kleinen Seitenhieb auf die Deutschen, denen jetzt noch vorgeworfen wurde, dass »im letzten Krieg nicht ein deutsches Flugzeug je eine jüdische Siedlung überflogen und bombardiert« hätte.“ (Eichmann, 1986, S. 81)


=== US-Staatsbürgerschaft, berufliche Position und politische Stellungnahmen ===
====Späte hebräische Ausgabe====
1951 wurde Hannah Arendt Staatsbürgerin der USA. Unter dem Status der [[Staatsbürgerschaft#Staatenlosigkeit|Staatenlosigkeit]] hatte sie sehr gelitten, weil sie ihn als einen Ausschluss aus der menschlichen Gesellschaft ansah. Die Staatsbürgerschaft bedeutete für sie „das Recht, Rechte zu haben“.<ref>''Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft.'' Piper, München / Zürich 1986 (TB), 17. Auflage, 2014, S. 614.</ref> Daher forderte sie eine Ergänzung zur [[Verfassung der Vereinigten Staaten|amerikanischen Verfassung]], dass niemand seine Staatsangehörigkeit verlieren dürfe, wenn er dadurch staatenlos wird.
Als im Sommer 2000 endlich in Tel Aviv eine hebräische Ausgabe von ''Eichmann in Jerusalem'' als erstes Werk Arendts veröffentlicht wurde, flammte die Diskussion noch einmal auf. Es ging einmal um die Prozessführung, die von Hannah Arendt kritisiert worden war. Ihr wurde in diesem Zusammenhang grundsätzlicher [[Antizionismus]] vorgeworfen.[http://sti1.uni-duisburg.de/publikationen/kalonymos/2000/2000_4.pdf]


In Deutschland hatte sich Hannah Arendt Anfang 1933 auf dem Weg zu einer normalen akademischen Karriere mit einer ordentlichen Professur befunden. Der [[Nationalsozialismus]] machte diese Pläne zunichte. Arendt betont in ihren Briefen bis wenige Jahre vor ihrem Tod, sie verfüge weder über Besitz noch über eine Stellung, was nach ihrer Auffassung zur Unabhängigkeit ihres Denkens beitrug.
Darüber hinaus wurde, wie schon seit Erscheinen des Buches, ihre Auffassung über die Rolle der Judenräte und der Begriff der „Banalität des Bösen“ abgelehnt.


Immer wieder zeigte sie persönlichen [[Mut]], z.&nbsp;B. durch ihre praktischen Tätigkeiten für jüdische Organisationen während der Zeit des Nationalsozialismus. Ihre öffentlichen und persönlichen Stellungnahmen zu politischen Ereignissen waren häufig unter Gegnern, aber auch Freunden umstritten; ihre [[Zivilcourage]] wurde oft als Unnachgiebigkeit wahrgenommen und bekämpft.
=== Berufung an die Universität Chicago und Auszeichnungen ===
Von 1963 bis 1967 war Hannah Arendt [[Professorin]] an der [[University of Chicago]] und von 1967 bis 1975 an der Graduate Faculty der [[New School for Social Research]] in New York.


In einer auf 1948 zu datierenden kurzen Aufzeichnung ''Memo on research'' benennt Arendt die wichtigsten zeitgenössischen politischen Themen. Sie unterscheidet zentrale politische Probleme der Zeit:
In den USA wurde Hannah Arendt mit zahlreichen Ehrendoktoraten ausgezeichnet. Im [[BRD|westlichen Nachkriegs-Deutschland]] wurden ihr bedeutende Auszeichnungen zuteil: so 1959 der [[Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg]] und 1967 der [[Sigmund-Freud-Preis]] der [[Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung|Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung]] in Darmstadt. 1975 erhielt sie den [[Sonnig-Preis]] für Beiträge zur europäischen Kultur der dänischen Regierung.
: „Totalitarismus, die Rassenfrage, der Verfall des europäischen nationalstaatlichen Systems, die Emanzipation der [[Kolonialismus|Kolonialvölker]], die Liquidierung des Britischen Imperialismus“
und rein jüdische Probleme:
: „Antisemitismus, die Palästina-Angelegenheit, Fluchtbewegungen, Heimatlosigkeit, etc.“<ref>In der engl. Originalfassung: {{" |Text=Totalitarism, the race question, the decay of the European nation state system, the emancipation of colonial peoples, the liquidation of British imperialism |lang=en}} und {{" |Text=Antisemitism, the Palestine issue, migrations, homelessness, etc. |lang=en}} Zit. nach: I. Pilling, S. 13 f. Es handelt sich um eine Dissertation, die größtenteils auf veröffentlichten und unveröffentlichten Originalquellen beruht.</ref>


Etwas früher, 1947, schrieb sie an Jaspers:
=== Entfaltung ihres Denkens in den Reden anlässlich der Preisverleihungen===
{{Zitat
Anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises äußerte sich Hannah Arendt in ihrer Rede über Lessing ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten'' zu ihrer ''[[Gesinnung]]''. Im Sinne Lessings sei Kritik stets das Begreifen und Beurteilen im Interesse der Welt, woraus niemals eine [[Weltanschauung]] werden könne, „die sich auf eine mögliche Perspektive festgelegt hat.” Nicht das ''Misstrauen'' gegen [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] oder Humanitätsglauben des 18. Jahrhunderts erschwere das Lernen von [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]], sondern das 19. Jahrhundert mit seiner ''Geschichtsbesessenheit'' und ''[[Ideologie]]verschworenheit'' steht zwischen uns und Lessing. Ziel ist das freie Denken „ohne das Gebäude der [[Tradition]]” mit Intelligenz, Tiefsinn und Mut. Eine absolute [[Wahrheit]] existiert nicht, da sie sich im Austausch mit anderen sofort in eine „Meinung unter Meinungen“ verwandelt und Teil des unendlichen Gesprächs der Menschen ist, in einem Raum, wo es viele Stimmen gibt. Jede einseitige Wahrheit, die auf nur einer Meinung beruht, ist ''unmenschlich''.
|Text=Unter freien Umständen sollte eigentlich jeder einzelne entscheiden dürfen, was er nun gerne sein möchte, Deutscher oder Jude oder was immer […]. Woran mir liegen würde, und was man heute nicht erreichen kann, wäre eigentlich nur eine solche Änderung der Zustände, daß jeder frei wählen kann, wo er seine politischen Verantwortlichkeiten auszuüben gedenkt und in welcher kulturellen Tradition er sich am wohlsten fühlt.
|ref=<ref>Arendt an Jaspers, S. 127.</ref>
}}


Im Alter von 47 Jahren bekam sie 1953 endlich eine befristete Professur am [[Brooklyn College]] (New York), auch auf Grund des Erfolgs, den sie mit ihrem Totalitarismus-Buch in den USA erzielt hatte. In New York wirkte sie 1955 neben [[Martin Buber]] u.&nbsp;a. bei der Gründung des ''[[Leo Baeck Institut]]e'' mit, einer Dokumentations- und Forschungsstätte für die Geschichte der deutschsprachigen Juden. Die Bestände sind in elektronischer Form im ''[[Jüdisches Museum Berlin|Jüdischen Museum Berlin]]'' einsehbar.
1975 betonte sie in ihrer Rede zur Preisverleihung des Sonnig-Preises, wie sehr sie die USA als [[Rechtsstaat]] schätze, es handele sich dabei um die Herrschaft der Gesetze ([[Verfassung der USA]]) und nicht um diejenige der Menschen. Als amerikanische Staatsbürgerin halte sie dennoch an der deutschen Sprache fest. Sie unterstrich, wie wichtig die Rolle [[Dänemark]]s im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] gewesen sei, als es gelang, durch politischen Druck (auch durch den König) und Druck der öffentlichen Meinung die Juden, die sich in Dänemark aufhielten, vor der [[Deportation]] durch die Nazis zu bewahren. „Nirgendwo sonst war das passiert.”


In den 1950er Jahren plante Arendt im Anschluss an die Analyse des Totalitarismus eine Arbeit über den [[Marxismus]]. Aus den Vorarbeiten entstanden einige Artikel, Essays und Vorlesungen. 1953 veröffentlichte sie im ''Aufbau'' den Text: ''Gestern waren wir noch Kommunisten…''<ref>Amerikanische Originalfassung, Neuauflage: ''In der Gegenwart. Übungen zum politischen Denken II.'' München 2000, S.&nbsp;228&nbsp;ff.</ref> Sie unterscheidet darin zwischen „ehemaligen Kommunisten“ und „Exkommunisten“. Erstere seien entweder als Künstler Aushängeschilder gewesen oder hätten schon früh die [[Moskauer Prozesse]], den [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Hitler-Stalin-Pakt]] oder den Mangel an innerparteilicher Demokratie durchschaut und sich danach vielfach ins Privatleben zurückgezogen. Letztere indes hätten ihre Bekenntnisse gegen den Kommunismus zum Sprungbrett einer neuen Karriere als Experten des [[Antikommunismus]] und des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] gemacht.
Politisch sprach sich Arendt auf dem Hintergrund des [[Ungarn-Aufstand]]s für einen [[Räterepublik|Rätegedanken]] auf der Grundlage der [[Freiheit]] des Einzelnen aus, ein staatliches Ideal, wie es auch ihr zweiter Ehemann, ein ehemaliger Kommunist vertreten hatte. Sie ging davon aus, dass jeder Mensch zum ''Denken'' und damit zur Politik befähigt ist und der politische Raum nicht für Spezialisten reserviert werden darf.


Große Sorge bereitete ihr in dieser Zeit die [[McCarthy-Ära|Verfolgung]] ehemaliger Kommunisten, Intellektueller und Künstler durch [[Joseph McCarthy]] und seine Anhänger in den USA, während sie den [[Ungarischer Volksaufstand|Volksaufstand in Ungarn]] 1956 als Beispiel für den Versuch einer friedlichen Revolution mit Ansätzen zu einem Rätesystem bewertete. 1960 erschienen ''Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus'' (engl. als Teil der 2. Auflage von ''The Origins of Totalitarianism'') und 1961 ''Between Past and Future'' (sechs Essays über das politische Denken).
===Vergleich von amerikanischer und französischer Revolution und Verfassung===
In ihrem wie Vita activa auf Vorlesungen beruhenden 1963 erschienenen Buch: ''On Revolution'' vergleicht Arendt [[Französische Revolution|die französische]] mit der [[Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung|amerikanische Revolution]] und stellt auch hier das Politische in den Mittelpunkt ihres Denkens.


Schon Mitte der 1950er Jahre hatte Arendt einen Antrag auf [[Deutsche Wiedergutmachungspolitik|Wiedergutmachung]] des ihr von den Nationalsozialisten zugefügten Unrechts gestellt, der mehrmals abgelehnt wurde. Karl Jaspers schrieb ein Gutachten dazu, dass es sich bei ihrer Schrift über Rahel Varnhagen in der Fassung von 1933 um eine abgeschlossene erfolgreiche Habilitationsarbeit gehandelt habe, die nur wegen der [[Machtergreifung|Machtübernahme]] nicht vorgelegt werden konnte. Sie erhielt zunächst 40.000 [[Deutsche Mark|DM]] zugesprochen. Im Jahr 1966 legte sie [[Verfassungsbeschwerde (Deutschland)|Verfassungsbeschwerde]] gegen eine Neufassung des [[Bundesentschädigungsgesetz]]es ein. Im Jahr 1971 entschied das [[Bundesverfassungsgericht]], dass dieses Gesetz wegen Ungleichbehandlung verfassungswidrig ist.<ref>BVerfG, Beschluss vom 4. November 1971 – Aktenzeichen {{Rspr|2 BvR 493/66}}</ref> Ihr Fall wurde zum [[Präzedenzfall]], so dass auch andere Wissenschaftler, die – trotz Erfüllung der Voraussetzungen – ab 1933 keine Professur an deutschen Universitäten erreichen konnten, in der Folgezeit von ihrer jahrelangen Prozessführung profitierten.<ref>Elisabeth Young-Bruehl, S. 609.</ref>
Demnach scheiterte die Französische Revolution am Terror [[Robbespiere]]s, der dem Versuch folgte, das soziale Elend zu überwinden und eine egalitäre Gesellschaft auf moralischer Grundlage zu schaffen. Die amerikanische Revolution konnte dagegen fast ausschließlich politische Ziele verfolgen, da die soziale Frage nicht so brennend gewesen sei. So war es möglich, eine freie [[Republik]] zu bilden, in der der Bürger in öffentlich-politischen Angelegenheiten bei aller Pluralität mit anderen Bürgern gleichberechtigt war. Philosophischer Fortschrittsglaube dürfe nicht zum Kriterium im politischen Raum werden, was bei der französischen Revolution der Fall gewesen sei. Gerade die Umsetzung der philosophischen Ideen habe zur Schreckensherrschaft geführt. In der amerikanischen Revolution sind hingegen die Grundsätze der Antike und daran anschließend diejenigen [[Montesquieu]]s verwirklicht worden: das Prinzip der [[Gewaltenteilung]] oder „Machtteilung“ (Über die Revolution 1974, S. 198) und das Prinzip des Föderalismus kleiner Republiken mit einer zentralen Gewalt, das die [[Macht]] begrenzt.


Zur [[Adenauer-Ära]] in Deutschland äußerte sie sich mehrmals kritisch. Nachdem zunächst NS-Täter kaum bestraft worden seien, wurden nach dem [[Eichmann-Prozess]] langsam die schlimmsten vor Gericht gestellt.
Die politische Gemeinschaft der [[Pilgerväter|Auswanderer]] habe einen „[[Mayflower Compact|Bund]]“ geschlossen, der aus einem „Akt des Sichaneinanderbindens“ bestehe.
{{Zitat
:„Die politische Gemeinschaft, die auf Grund dieses <Bundes> entsteht, enthält die Quelle für die Macht, die allen denen zufließt, die ihm angehören und die außerhalb der politischen Gemeinschaft zur Ohnmacht verurteilt wären. Im Gegensatz hierzu erwirbt der Staat, der aus der Zustimmung der Untertanen entsteht, ein Machtmonopol, das außerhalb des Zugriffs der Beherrschten steht, die aus dieser politischen Ohnmacht nur heraustreten können, wenn sie beschließen, den Staatsapparat zu brechen...“ (ÜdR 1974, S.221f)
|Text=Ein böses Zeichen sind die unglaublich milden Urteile der Gerichte. Ich glaube, für 6500 vergaste Juden bekommt man 3&nbsp;Jahre 6&nbsp;Monate oder so ähnlich […]. Diese sogenannte Republik ist wirklich ‚wie gehabt‘. Und über diese politischen Dinge wird auch die wirtschaftliche Entwicklung auf die Dauer nicht hinweghelfen.
|ref=<ref>Arendt an Jaspers, S.&nbsp;52&nbsp;ff. (Juli/August 1962).</ref>
}}


Im Laufe der Jahre setzte sie sich wiederholt mit der „[[Geschichte der Afroamerikaner]]“, der Diskriminierung der Schwarzen in den USA, auseinander; deren Lösung hielt sie für unabdingbar für die Existenz der Vereinigten Staaten. Auch zu diesen Äußerungen gab es heftige Kontroversen, da sie zwar die grundsätzliche rechtliche und politische Gleichstellung forderte, aber Quoten oder andere Bevorzugungen vehement ablehnte. Hannah Arendt reagierte mit einem kurzen Brief vom 29. Juli 1965 an [[Ralph Ellison]] auf seine Kritik an ihrem Essay ''Reflections on Little Rock.'' Der Brief gilt allgemein als Revision ihres Essays.<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 11.</ref>
Die [[Unabhängigkeitserklärung der USA]] von 1776 habe diesem Grundsatz der Freiheit im Rahmen einer[[ Verfassung der Vereinigten Staaten]] entsprochen, während die französische [[Verfassung des 3. September 1791|Verfassung]] auf der Grundlage eines zentralistisch organisierten Nationalstaates entstand, der die Bürger nicht mit mehr, sondern mit weniger Macht ausstattete. Da die französische Revolution aus der absolutistischen Monarchie, die amerikanische jedoch aus einer <begrenzten Monarchie> hervorgegangen sei, sei in Frankreich nunmehr der „Wille der Nation die Quelle der Gesetze“ geworden, während in den Vereinigten Staaten im Anschluss an Montesquieu die Regierungsgewalt durch Gesetze beschränkt worden sei. (ÜdR 1974, S. 203)

Der oberste Gerichtshof urteilte in [[Brown v. Board of Education]], dass die [[Rassentrennung|Trennung]] von schwarzen und weißen Schülergruppen gegen den [[14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten]] verstieß. Im Süden der USA stieß das Urteil auf heftigen Widerstand. In [[Little Rock]] wurde der obersten Schulbehörde angeordnet, dass [[Little Rock Nine|neun Schüler und Schülerinnen]] zur Schule durften. Der Gouverneur widersetzte sich. Die „Nationalgarde des Bundesstaates Arkansas gemeinsam mit einem »Mob von kreischenden und hysterischen Demonstranten«“<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 39.</ref> versuchte, den Schulbesuch zu verhindern. Liberale in den USA verurteilten dies. Präsident [[Dwight D. Eisenhower]] griff ein und setzte den Schulbesuch durch.

Arendt beurteilte dies anders als ihre liberalen Freunde. „Sie beunruhigte offensichtlich, dass Eltern ihre Kinder einem weißen Mob aussetzten, und in Anlehnung ihrer normativen Unterscheidung zwischen politischem, sozialem und privatem Bereich aus ''Vita Activa'' kritisierte sie die Politik der schwarzen Vertretungsorgane.“<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 40.</ref> Sie verteidigte die Privatsphäre der Eltern. „Dass auch »Kinder«, in diesem Fall 16-Jährige, politische Subjekte sein können, schien ihr ausgeschlossen.“ Kinder sollten außerdem „nicht die Kämpfe der Erwachsenen ausfechten“.<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 42.</ref> Die Politik kann nach Arendt nur „die Gleichheit aller vor dem Gesetz garantieren“.<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 43.</ref> [[Marie Luise Knott]] merkt an, dass Arendt als Kind Rassismus ausgesetzt war und dass Little Rock „offensichtlich Erinnerungen wachgerufen“ hatte. Arendt habe aber übersehen, dass der „Antisemitismus nicht mit dem Hautfarbenrassismus in den USA“<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 44.</ref> gleichgesetzt werden konnte. Auch hatten die Juden in Europa keine Sklavengeschichte.

Die Kritik von Ellison „war grundsätzlicherer Natur als die ihrer früheren Kritiker“.<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 55.</ref> Er „konstatierte schlicht, sie habe keine Ahnung von der Lage der Schwarzen und keinerlei Ahnung, welche Qualen sich tagtäglich im Kopf einer jeden schwarzen Mutter abspielten“. Nach Knott muss Arendt „bei der Lektüre des Buches »Who Speaks for the Negro« verstanden haben […] in welchen Ausmaß schwarzes Heranwachsen ein tagtäglicher Überlebenskampf war“.<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 55f.</ref>

Knott schreibt, dass Arendt am Beispiel von [[Bernard Lazare]] die „Figur des »[[Paria#Paria als politischer und soziologischer Begriff|bewussten Parias]]«“<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 57.</ref> entworfen hatte. Lazare, ähnlich Ellisons Romanfigur, betraten die Bühne der Politik, weil „jeder Jude bzw. jeder Schwarze, der nicht zum Rebell wurde, mitverantwortlich war für die fortgesetzten gesellschaftlichen Lügen, für die eigene Unterdrückung und für die »Schändung der Menschheit« in ihm … Die Schwarzen hatten wie die Juden einen Doppelkampf zu führen – einerseits gegen die fortgesetzte Gewalt der modernen Sklavenhalter und andererseits gegen die Fortsetzung der Sklavenmentalität in den eigenen Köpfen.“<ref>Marie Luise Knott: ''370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise.'' Berlin 2022, S. 58.</ref>

Vielfach verurteilte sie den [[Vietnamkrieg]], z.&nbsp;B. anhand einer Analyse der ''[[Pentagon-Papiere]],'' die sie unter dem Titel ''Lying in Politics'' (dt. ''Die Lüge in der Politik'') 1971 publizierte.

Im Juni 1968 heißt es in einem Brief an Karl Jaspers: „Mir scheint, die Kinder des nächsten Jahrhunderts werden das Jahr [[68er|1968]] mal so lernen wie wir das Jahr [[Deutsche Revolution 1848/1849|1848]].“<ref>Arendt an Jaspers, S. 715 f.</ref> Der weltweiten [[Studentenbewegung]] stand sie zwar positiv gegenüber, kritisierte aber von ihr wahrgenommene Auswüchse heftig. In ihrem 1970, gleichzeitig auf Englisch und Deutsch, veröffentlichten Werk ''[[Macht und Gewalt]]'' legte sie eine ausführliche differenzierte Analyse der Studentenrebellion vor und grenzte zugleich die Begriffe [[Macht]] und [[Gewalt]] voneinander ab. Unter Macht versteht sie eine bedeutsame Einflussnahme der Bürger auf politische Angelegenheiten im Rahmen von Verfassung und Gesetzen. Keine Herrschaftsform komme ohne Machtbasis aus. Selbst die sehr weitgehend auf Gewalt beruhende totale Herrschaft bedürfe der Unterstützung von vielen.

Adelbert Reif gegenüber betonte sie 1970 in einem Interview, sie schätze an den Studenten die „Lust am Handeln“ und „die Zuversicht, die Dinge aus eigener Kraft ändern zu können“. In den USA sei zum ersten Mal seit langer Zeit eine spontane politische Bewegung entstanden, die nicht nur Propaganda betreibe, sondern nahezu ausschließlich aus moralischen Motiven handele. Andererseits lehnte sie die weitere Entwicklung dieser Bewegung zu „Fanatismus“, „Ideologien“ und „Zerstörungswut“ ab. „Die guten Sachen in der Geschichte sind gewöhnlich von sehr kurzer Dauer.“ So würden wir heute noch (1970) von dem kurzen [[Attische Demokratie|klassischen Zeitalter in Griechenland]] zehren.<ref>Adelbert Reif: ''Interview mit H.A.'' (1970). In: ''Macht und Gewalt.'' München 1970, S.&nbsp;107, 109.</ref>

=== Eichmann in Jerusalem ===
{{Hauptartikel|Eichmann in Jerusalem}}

==== Prozessberichterstattung und nachfolgende Kontroversen ====
[[Datei:Arendt in Jerusalem during Adolf Eichmann trial.jpg|mini|Arendt in Jerusalem]]
[[Datei:Adolf Eichmann at Trial1961.jpg|mini|hochkant|[[Eichmann-Prozess|Eichmann]] vor Gericht 1961]]

1961 nahm Arendt von April bis Juni als Reporterin der Zeitschrift ''[[The New Yorker]]'' am [[Eichmann-Prozess|Prozess]] gegen [[Adolf Eichmann]] in Jerusalem teil. Daraus gingen zunächst Reportagen hervor und schließlich eines ihrer bekanntesten und damals bis heute<ref>zur aktuellen Auseinandersetzung siehe insbesondere die kritischen Analysen der Holocaustforscher [[Raul Hilberg]] und [[David Cesarani]]</ref> sehr umstrittenen Bücher, ''[[Eichmann in Jerusalem]]'' mit dem Untertitel ''Ein Bericht von der Banalität des Bösen.'' Es wurde 1963 zunächst in den USA und kurz darauf in der Bundesrepublik veröffentlicht. Der [[Mossad|israelische Geheimdienst]] hatte Adolf Eichmann 1960 in Argentinien gefasst und nach Jerusalem entführt. Ihre vieldiskutierte Wendung im Hinblick auf Eichmann – „Banalität des Bösen“ – wurde zu einem [[Geflügeltes Wort|geflügelten Wort]].

{{Zitat
|Text=In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren »Banalität des Bösen«, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert.
|ref=<ref>''Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.'' EiJ, S. 371.</ref>
}}

Um das Werk gab es heftige Kontroversen. Insbesondere der Ausdruck „Banalität“ in Bezug auf einen Massenmörder wurde von verschiedenen Seiten, darunter auch von [[Hans Jonas]], angegriffen.

In der Einleitung zur deutschen Ausgabe 1964 erläutert Arendt ihre Wortwahl: „In dem Bericht kommt die mögliche Banalität des Bösen nur auf der Ebene des Tatsächlichen zur Sprache, als ein Phänomen, das zu übersehen unmöglich war. Eichmann war nicht […] [[Macbeth (Shakespeare)|Macbeth]] […]. Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive.“<ref>EiJ, S. 56.</ref> Niemals hätte er seinen Vorgesetzten umgebracht. Er sei nicht dumm gewesen, sondern „schier gedankenlos“. Dies habe ihn prädestiniert, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden. Dies sei „banal“, vielleicht sogar „komisch“. Man könne ihm beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen. Trotzdem sei er nicht alltäglich. „Dass eine solche Realitätsferne und Gedankenlosigkeit in einem mehr Unheil anrichten können als alle die dem Menschen innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen, das war in der Tat die Lektion, die man in Jerusalem lernen konnte. Aber es war eine Lektion und weder eine Erklärung des Phänomens noch eine Theorie darüber.“

Häufig wurde ihr vorgehalten, es sei völlig unangemessen, überheblich und für die Opfer verletzend, wenn sie Eichmann „komisch“ oder einen „Hanswurst“ nenne, der ohne Motiv lediglich im Sinne seines persönlichen Aufstiegs gehandelt und im Prozess leere Phrasen von sich gegeben habe. Ihre teilweise ironische Ausdrucksweise stieß großenteils auf Ablehnung. Arendt selbst sprach von ihrer Sprach- und Heimatlosigkeit angesichts des beispiellosen Massenmordes. All dies könne sie nur mit einem Lachen bewältigen.<ref>Zur Bedeutung der „burschikosen Ironie“ (Äußerung gegenüber [[Joachim Fest]]) bei Arendt, siehe: Marie Luise Knott: ''Verlernen. Denkwege bei Hannah Arendt.'' Berlin 2011, Kapitel: ''Lachen – Wie der Geist sich plötzlich wendet.'' S.&nbsp;13–35.</ref>

1969 schrieb sie in einem Brief an Mary McCarthy: „Die Wendung ‚Banalität des Bösen‘ als solche steht im Gegensatz zu der vom [[Das radikal Böse|‚radikal Bösen‘]] [Kant], die ich [A.] im Totalitarismus-Buch benutze.“<ref>Arendt an McCarthy, S. 234 (September 1969).</ref>

Die Art des Verbrechens war Arendt zufolge nicht einfach kategorisierbar. Was in [[KZ Auschwitz|Auschwitz]] geschah, sei beispiellos gewesen. Den vom „englischen Imperialismus“ herkommenden Ausdruck „Verwaltungsmassenmord“ hielt sie für der Sache angemessener als den Begriff „[[Völkermord]]“. Auch wandte sie sich dagegen, von ''[[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]]'' zu sprechen, und prägte den Terminus ''Verbrechen gegen die Menschheit.'' Dazu heißt es in ihrem Buch:
{{Zitat
|Text=Das den [[Nürnberger Prozesse]]n zugrunde liegende Londoner Statut hat […] die »Verbrechen gegen die Menschheit« als »unmenschliche Handlungen« definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten »Verbrechen gegen die ''Menschlichkeit''« geworden sind – als hätten es die Nazis lediglich an »Menschlichkeit« fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig das Understatement des Jahrhunderts.
|ref=<ref>EiJ, S.&nbsp;399.</ref>
}}

In der Einleitung der deutschen Ausgabe gibt Arendt an, dass sie für ihren Bericht „durchgängig »Die Endlösung« von Reitlinger herangezogen“, sich aber vor allem „auf das Werk von Raul Hilberg, »The Destruction of the European Jews«, die ausführlichste und auch fundierteste quellenmäßige Darstellung der Judenpolitik des Dritten Reiches“, verlassen hat. Die Arbeit von [[Raul Hilberg]] ''[[Die Vernichtung der europäischen Juden|The Destruction of the European Jews]]'' war erst 1961 im Druck erschienen. Als Gutachterin hatte sie Hilbergs Dissertation 1959 noch als unbedeutende Fallstudie beurteilt.<ref>[[Götz Aly]]: [http://www.zeit.de/2006/23/Holocaust-Forschung_xml ''Logik des Grauens.''] In: ''[[Die Zeit]],'' Nr.&nbsp;23/2006.</ref>

Nach [[Avner Werner Less]], der Eichmann 275 Stunden lang verhört hatte, haben viele Prozessbeobachter und insbesondere Hannah Arendt völlig verkannt, dass Eichmanns Aussagen ein Lügengewebe gewesen seien, um seine eigene bedeutende Rolle in der Judenvernichtung systematisch zu verschleiern. Er sei kein kleiner, armer und unbedeutender Beamter, der nur seine Pflicht tat und blind an Kadavergehorsam glaubte. Eichmanns Verteidigungsstrategie habe darin bestanden, die Richter von der Unwichtigkeit und Geringfügigkeit seiner eigenen Person zu überzeugen. Dies hätten viele Beobachter nicht durchschaut, sondern seine gespielte Rolle naiv für wahr erachtet.<ref>Avner Werner Less: ''„Lüge! Alles Lüge“ – Aufzeichnungen des Eichmann-Verhörers.'' Rekonstruiert von Bettina Stangneth. Zürich, Hamburg 2012, S.&nbsp;220–222.</ref> [[Jacob Robinson]] warf Arendt bereits 1965 vor, mit ihrem Bild von Eichmann als ideologiefreiem, beflissenem Bürokraten dessen antisemitische Weltanschauung zu ignorieren. Insbesondere die sogenannten [[Willem Sassen|Sassen-Protokolle]], die zum Zeitpunkt des Prozesses in Teilen bekannt waren und auf die sich auch die Anklage im Eichmann-Prozess stützte, seien ein Beweis für Eichmanns fanatischen Antisemitismus.<ref>Jacob Robinson: ''And the crooked shall be made straight. The Eichmann Trial, the Jewish Catastrophe, and Hannah Arendt’s Narrative.'' New York/London 1965.</ref> Diese These wird von der aktuellen Arbeit zu Eichmann von [[Bettina Stangneth]] gestützt.<ref>Bettina Stagneth: ''Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders,'' Zürich 2011.</ref>

Die weitgehende Ablehnung, auf die Arendt mit ihrem Bericht stieß, veranlasste Jaspers zu umfangreichen Aufzeichnungen mit vornehmlich positiver Rezeption von Arendts Arbeiten, die im [[Deutsches Literaturarchiv Marbach|Marbacher Literaturarchiv]] unter der Bezeichnung ''Das Buch Hannah'' aufbewahrt werden. Seine Absicht, eine Verteidigungsschrift zu veröffentlichen, hat er nicht verwirklicht.<ref>Ausstellung: {{Webarchiv |url=http://www.dla-marbach.de/aktuelles/wechselausstellungen/archiv/karl_jaspers_das_buch_hannah/index.html |wayback=20120118165001 |text=Karl Jaspers. Das Buch Hannah.}}. In: ''[[Deutsches Literaturarchiv Marbach]].''</ref>

==== Debatte über die Rolle der Judenräte ====
Neben ihren Überlegungen zur ''Banalität des Bösen'' führte auch ihre Darstellung der Rolle der [[Judenrat|Judenräte]] im Prozess der Vernichtung zu kontroversen Debatten. Laut Arendt habe Eichmann „Kooperation“ von den Juden verlangt und sie in „wahrhaft erstaunlichem Maße“ erhalten. Auf dem Weg in den Tod hätten die Juden nur wenige Deutsche gesehen. Die Mitglieder der Judenräte hätten von den Nationalsozialisten eine „enorme Macht über Leben und Tod“ bekommen, „so lange, bis sie selbst auch deportiert wurden“. So seien beispielsweise die Transportlisten nach [[KZ Theresienstadt|Theresienstadt]] vom Judenrat zusammengestellt worden.

{{Zitat
|Text=Diese Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte.
|ref=<ref>EiJ, S. 209.</ref>
}}

Andererseits sah es Arendt als eine „Wohltat“ an, vor Gericht den „ehemaligen jüdischen [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerstandskämpfern]]“ zu begegnen. „Ihr Auftreten verjagte das Gespenst einer allseitigen Gefügigkeit.“<ref>EiJ, S. 215.</ref> In den „Todeslagern“ seien „die direkten Handreichungen zur Vernichtung der Opfer im Allgemeinen von jüdischen Kommandos verrichtet“ worden.

{{Zitat
|Text=Das alles war zwar grauenhaft, aber ein moralisches Problem war es nicht. Die [[Selektion (Konzentrationslager)|Selektion]] […] der Arbeiter in den Lagern wurde von der [[Schutzstaffel|SS]] getroffen, die eine ausgeprägte Vorliebe für kriminelle Elemente hatte. Das moralische Problem sei das Gran [kleines Gewicht] Zusammenarbeit bei der [[Endlösung der Judenfrage|Endlösung]] gewesen.
|ref=<ref>EiJ, S. 216.</ref>
}}

[[Leo Baeck]], einer der wichtigsten Vertreter der Juden in Deutschland, habe geäußert, es sei besser für die Juden gewesen, über ihr Schicksal nicht Bescheid zu wissen, da diese Erwartung des Todes nur noch härter gewesen wäre.<ref>EiJ, S. 210.</ref>

Arendts Ansichten stießen bei vielen jüdischen Organisationen auf vehemente Ablehnung. Demnach hatte sie die Judenräte verkürzt und nicht abgewogen beurteilt. In einer Reaktion auf die Kritik an ihr schrieb Arendt Mary McCarthy am 16. September 1963, sie habe gehört, dass die [[Anti-Defamation League]] alle New Yorker Rabbiner per Rundbrief aufgefordert habe, am Neujahrstag ([[Rosch ha-Schana]], 4. Oktober 1963) gegen sie zu predigen. Bei der erfolgreichen politischen Kampagne gehe es darum, ein „[[Image]]“ zu schaffen, um das wirkliche Buch zuzudecken. Sie fühle sich machtlos gegenüber der großen Zahl der Kritiker mit Geld, Personal und Verbindungen.<ref>Arendt an McCarthy, S. 231ff.</ref>

Im Radiointerview mit [[Joachim Fest]] am 9. November 1964 bekundete Arendt, dass die Judenräte („natürlich“) Opfer seien. Sie seien deshalb nicht hundertprozentig entschuldigt, „aber selbstverständlich stehen sie auf der anderen Seite, das ist ja offenbar.“<ref>Hannah Arendt und Joachim Fest: ''„Eichmann war von empörender Dummheit“. Gespräche und Briefe.'' Hrsg. Ursula Ludz und Thomas Wild. München 2011, S.&nbsp;37.</ref>

Raul Hilberg distanzierte sich in seinen ''Unerbetenen Erinnerungen'' sowohl von Arendts Begriff der ''Banalität des Bösen'' als auch von ihrer Analyse der Judenräte. Hilberg zufolge sind diese „nicht nur Werkzeuge der Deutschen, sondern auch ein Instrument der jüdischen Gemeinde“ gewesen.<ref>Raul Hilberg: ''Unerbetene Erinnerung. Der Weg eines Holocaust-Forschers.'' S. Fischer Verlag, Frankfurt a.&nbsp;M., 1994, S.&nbsp;130.</ref>

[[Gershom Scholem]], der mit Arendt seit 1939 in regelmäßigem Briefwechsel stand, äußerte im Juni 1963<ref>Brief vom 23. Juni 1963, in: ''Der Briefwechsel. Hannah Arendt, Gershom Scholem.'' Berlin 2010, S. 428ff. Der letzte erhaltene Brief stammt vom Juli 1964.</ref> eine scharfe Kritik an dem Buch, die – gemeinsam mit Arendts Replik – wenig später mit ihrer Zustimmung veröffentlicht wurde. Hinsichtlich der Judenräte vermisste er ein abgewogenes Urteil. „In den Lagern wurden Menschen entwürdigt und, wie Sie selber sagen, dazu gebracht, an ihrem eigenen Untergang mitzuarbeiten, bei der Hinrichtung ihrer Mitgefangenen zu assistieren und dergleichen. Und deswegen soll die Grenze zwischen Opfern und Verfolgern verwischt sein? Welche Perversität! Und wir sollen da kommen und sagen, die Juden selber hätten ihren ‚Anteil‘ an dem Judenmord.“<ref>Gershom Scholem: ''Wir waren beide nicht dabei.'' In: ''Der Zeitgeist.'' Halbmonatsbeilage des ''[[Aufbau (jüdische Zeitung)|Aufbau]],'' Nr.&nbsp;208, New York, 20.&nbsp;Dezember 1963, S.&nbsp;17f. Vorherige Veröffentlichung in der Neuen Zürcher Zeitung am 20.&nbsp;Oktober 1963.</ref>

==== Persönliche Verantwortung gegen Kollektivschuld ====
{{Belege fehlen|1=Siehe Diskussionsseite, Abschnitt „Widersprüchliches zu Vorträgen 1964 und 1965 in der BR Deutschland“.}}
1964 und 1965 hielt Arendt in der Bundesrepublik Deutschland mehrmals einen Vortrag unter dem Titel: ''Persönliche Verantwortung in der Diktatur.'' Sie betonte erneut, dass ihre Veröffentlichung über den Eichmann-Prozess lediglich ein „Tatsachenbericht“ gewesen sei. Ihre Kritiker hätten dagegen Probleme der „[[Ethik|Moralphilosophie]]“ diskutiert. Mit Entsetzen habe sie u.&nbsp;a. vernommen: „Jetzt wissen wir, dass in jedem von uns ein Eichmann steckt.“ Der Mensch ist jedoch nach Arendt ein frei handelndes, für seine Taten verantwortliches Wesen. Schuld haben demnach bestimmte Personen auf sich geladen. Die Idee einer [[Kollektivschuld]] verwarf sie und bezeichnete es als moralische Verwirrung, dass im Nachkriegsdeutschland die Unschuldigen sich schuldig fühlten, während die meisten Verbrecher keine Reue zeigten.

Sie stellte heraus, der Prozess gegen Eichmann sei korrekt abgelaufen. Seine Einlassung, er sei nur ein Rädchen im großen bürokratischen Apparat gewesen, bezeichnete sie als irrelevant für das juristische Urteilen. Er wurde, so Arendt, mit Recht hingerichtet. Im Nationalsozialismus waren alle Schichten der offiziellen Gesellschaft an den Verbrechen beteiligt. Als Beispiel nennt sie eine Reihe antijüdischer Maßnahmen, die dem Massenmord vorangegangen waren und die in jedem Einzelfall gebilligt worden waren, „bis eine Stufe erreicht war, daß Schlimmeres überhaupt nicht mehr passieren konnte“. Die Taten wurden nicht von „Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“. Folglich sollten diejenigen, die mitmachten und Befehlen gehorchten, nie gefragt werden: „Warum hast du gehorcht?“, sondern: „Warum hast du Unterstützung geleistet?“

Hannah Arendt wies selbst darauf hin, dass sie diese hohen Anforderungen eventuell nicht erfüllt hätte: „Wer hat je behauptet, dass ich, indem ich ein Unrecht beurteile, unterstelle, selbst unfähig zu sein, es zu begehen?“<ref>''Persönliche Verantwortung in der Diktatur.'' In: Israel, Palästina …, S.&nbsp;7–38.</ref>

==== Späte hebräische Ausgabe ====
Als im Sommer 2000 in Tel Aviv eine hebräische Ausgabe von ''Eichmann in Jerusalem'' als erstes Werk Arendts veröffentlicht wurde, flammte die Diskussion noch einmal auf. Es ging um ihre Kritik an der Prozessführung. Ihr wurde in diesem Zusammenhang grundsätzlicher [[Antizionismus]] vorgeworfen.<ref>Rainer Wenzel: ''Ein unabgeschlossener Prozess. Hannah Arendts „Eichmann in Jerusalem“ in hebräischer Übersetzung.'' In: ''Kalonymos,'' Heft 4 (2000), S.&nbsp;11–17, [http://www.steinheim-institut.de/edocs/kalonymos/kalonymos_2000_4.pdf#P.11 online-Datei] (PDF; 1,1&nbsp;MB) in: [[Steinheim-Institut]], (PDF; 1,18&nbsp;MB).</ref>

Außerdem stieß, wie schon bei Erscheinen des Buches, ihre Auffassung über die Rolle der Judenräte und der Begriff der „Banalität des Bösen“ auf Ablehnung.

==== „Wahrheit und Politik“ ====
Auf Grund der zahlreichen negativen Reaktionen auf die Veröffentlichung ihrer Prozessberichte und das daraus entstandene Buch reflektierte Hannah Arendt 1964 in ihrem Essay ''[[Wahrheit und Politik]],''<ref>Neu abgedruckt in: ''Hannah Arendt über Wahrheit und Politik.'' Berlin 2006.</ref> ob es stets richtig sei, die Wahrheit zu sagen, und urteilte über die vielen „Lügen“ hinsichtlich der Tatsachen, die sie berichtet habe. Dieser Text zeigt, wie sie in der US-amerikanischen Fassung von 1967 ausdrücklich anmerkt, dass sie inhaltlich an ihren Ausführungen festhielt und die Methoden ihrer Kontrahenten auch aus der [[Retrospektive]] ablehnte. Hauptsächlich handelt der Aufsatz jedoch vom Verhältnis zwischen [[Philosophie]] und [[Politik]], von der Beziehung zwischen „Vernunftwahrheit“ und „Tatsachenwahrheit“.

=== Lehre an Universitäten und Auszeichnungen ===
Im Frühjahr 1959 erhielt Hannah Arendt für ein Semester eine Gastprofessur an der renommierten ''[[Princeton University]].'' Sie war die erste Frau, die dort lehrte. Von 1963 bis 1967 war sie Professorin an der ''[[University of Chicago]]'' und von 1967 bis 1975 an der ''Graduate Faculty'' der ''[[The New School for Social Research|New School for Social Research]]'' in New York. Dort befindet sich ein großer Teil ihres Nachlasses.<ref>[http://www.newschool.edu/nssr/hannah-arendt-center/ ''Hannah Arendt Center.''] In: ''[[The New School]].''</ref>

In den USA wurde sie mit zahlreichen Ehrendoktoraten ausgezeichnet. 1962 wurde sie in die [[American Academy of Arts and Sciences]] gewählt, 1964 in die [[American Academy of Arts and Letters]] aufgenommen.<ref>[https://artsandletters.org/academy-members/ ''Members.''] In: ''[[American Academy of Arts and Letters]],'' Arendt in die Suchmaske eingeben.</ref> Auch im [[Deutschland|westlichen Nachkriegs-Deutschland]] erhielt sie bedeutende Auszeichnungen: so 1959 den [[Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg]] und 1967 den [[Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa]] der [[Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung|Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung]] in Darmstadt, deren Mitglied sie bereits seit 1958 war. 1969 ehrte die ''Emerson-Thoreau-Medaille'' der American Academy ihr Schaffen, ihre Dankesrede ist überliefert.<ref>[http://memory.loc.gov/cgi-bin/ampage?collId=mharendt&fileName=05/051300/051300page.db&recNum=0 Online auf den Seiten der ''Library of Congress'']; als Print in: H.A., ''Reflections.'' 2007, ISBN 978-0-8047-4499-7, S.&nbsp;282ff.</ref> Das Bryn Mawr College in Pennsylvania zeichnete sie 1971 mit dem ''M. Carey Thomas Prize'' aus. 1975 wurde ihr der [[Sonning-Preis]] der dänischen Regierung für Beiträge zur europäischen Kultur verliehen.

=== Entfaltung ihres Denkens in Reden und Essays ===
Anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises äußerte sich Arendt 1959 in ihrer Rede über [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]] ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten'' zu ihrer „Gesinnung“. Im Sinne Lessings sei Kritik stets das Begreifen und Beurteilen im Interesse der Welt, woraus niemals eine [[Weltanschauung]] werden könne, „die sich auf eine mögliche Perspektive festgelegt hat“. Nicht das „Misstrauen“ gegen [[Aufklärung]] oder Humanitätsglauben des 18. Jahrhunderts erschwere das Lernen von Lessing, sondern das 19. Jahrhundert stehe mit seiner „Geschichtsbesessenheit“ und „[[Ideologie]]verschworenheit“ zwischen uns und Lessing. Ziel sei das freie Denken, mit Intelligenz, [[Tiefsinn]] und Mut – „ohne das Gebäude der Tradition“. Eine absolute Wahrheit existiere nicht, da sie sich im Austausch mit anderen sofort in eine „Meinung unter Meinungen“ verwandle und Teil des unendlichen Gesprächs der Menschen sei, in einem Raum, wo es viele Stimmen gibt. Jede einseitige Wahrheit, die auf nur einer Meinung beruht, sei „unmenschlich“.<ref>Rede über Lessing. ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten.'' München 1960, erneut veröffentlicht in: ''Menschen in finsteren Zeiten.'' München, Zürich 1989, S.&nbsp;11–42.</ref>

Kurz vor ihrem Tod betonte sie in ihrer Rede zur Verleihung des Sonning-Preises, wie sehr sie die USA als [[Rechtsstaat]] schätze. Es handele sich dabei um die Herrschaft der Gesetze ([[Verfassung der Vereinigten Staaten]]) und nicht um diejenige der Menschen. Als US-amerikanische Staatsbürgerin halte sie dennoch an der deutschen Sprache fest. Sie unterstrich, wie wichtig die Rolle [[Geschichte Dänemarks|Dänemarks]] im Zweiten Weltkrieg gewesen sei, als es gelang, durch politischen Druck (auch durch [[Christian X.|den König]]) und Druck der öffentlichen Meinung die Juden, die sich in Dänemark aufhielten, vor der [[Deportation#Deportationen während des Nationalsozialismus|Deportation]] durch die Nationalsozialisten zu bewahren. „Nirgendwo sonst war das passiert.“<ref>''Die Sonning-Preis-Rede.'' Kopenhagen 1975. In: ''[[Text und Kritik]]. Zeitschrift für Literatur.'' Heft 9, 2005, S.&nbsp;3–11.</ref>

Politisch sprach sich Arendt auf dem Hintergrund des [[Ungarischer Volksaufstand|Ungarn-Aufstands]] wiederholt für einen [[Räterepublik|Rätegedanken]] auf der Grundlage der [[Freiheit]] des Einzelnen aus, ein staatliches Ideal, wie es auch ihr Ehemann Heinrich Blücher, der 1919 selbst als [[Spartakusbund|Spartakist]] an den Kämpfen während der [[Novemberrevolution]] und an der Bildung so genannter [[Arbeiter- und Soldatenrat|Arbeiter- und Soldatenräte]] beteiligt war, vertreten hat. Sie ging davon aus, dass jeder Mensch zum „Denken“ und damit zur Politik befähigt ist und der politische Raum nicht für Spezialisten reserviert werden darf.

Arendt verfasste, vielfach als Auftragsarbeiten von Zeitschriften, [[Essay]]s über Zeitgenossen, die durch ihr Leben und ihr politisches oder literarisches Werk Außergewöhnliches geleistet hatten. Sie legte Porträts unterschiedlicher Persönlichkeiten vor, wie das kurz nach Kriegsende herausgekommene über [[Franz Kafka]],<ref>''Franz Kafka,'' erstmals veröffentlicht, in: ''Sechs Essays'' (= ''Schriften der Wandlung.'' 3.) Heidelberg 1948, erneut erschienen kurz nach ihrem Tod, in: ''Die verborgene Tradition. Acht Essays.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1976, S.&nbsp;88–107, hier: S.&nbsp;89, 95, 101.</ref> wo sie ihn als wahrheitssuchend, auf Menschenrechte in einer kalten, bürokratischen und unwirklich scheinenden Welt bestehend, charakterisierte. Sie konstatierte eine Verbindung zwischen Kafkas Roman ''[[Der Prozess]]'' und seinen ausweglosen Erfahrungen mit der österreichischen Bürokratie, als er osteuropäischen Juden zu einer Aufenthaltserlaubnis verhelfen wollte. In den zwanziger Jahren sei aber das Wesen der Bürokratie, die sie zuvor als „bösartige bürokratische Maschine“ bezeichnet, in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt gewesen, so dass das Entsetzen und der Schrecken unerklärlich schienen.<ref>''Franz Kafka.'' In: ''Die verborgene Tradition. Acht Essays.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1976, S.&nbsp;91f, 94.</ref> Ein weiterer Essay handelte von Papst [[Johannes XXIII.]], den sie unter dem Titel ''Angelo Giuseppe Roncalli. Der christliche Papst'' beschrieb.<ref>Originalfassung: ''The Christian Pope.'' 1965.</ref> Weitere Darstellungen galten unter anderen der dänischen Schriftstellerin Isak Dinesen (in Deutschland bekannt als [[Karen Blixen]]), ihren Freunden [[Hermann Broch]], Walter Benjamin und [[W. H. Auden]] sowie [[Bertolt Brecht]],<ref>Bereits 1943 hatte sie in ihrem Essay über [[Stefan Zweig]] (in dt. Spr. veröffentlicht in: ''Sechs Essays,'' 1948) Kafka und Brecht als die größten deutschsprachigen Dichter nach dem Ersten Weltkrieg bezeichnet.</ref> dem Freund ihres Mannes, [[Robert Gilbert]], und der französischen Vertreterin des „[[Nouveau Roman]]“, [[Nathalie Sarraute]]. Diese Essays erschienen in Anspielung auf das Brechtgedicht ''[[An die Nachgeborenen]]'' 1968 unter dem Titel ''Men in Dark Times.'' 1989 kam die durch weitere Texte ergänzte deutsche Fassung ''Menschen in finsteren Zeiten'' heraus.<ref>Piper, 1989. Die englische Fassung ist bei ''[[Amazon.com]]'' online lesbar, ISBN 0-15-658890-0; die deutsche Fassung ist derzeit (2011) kaum greifbar. Essays über 13 Personen, u.&nbsp;a. über W. Gurian, [[Randall Jarrell]]. In dieser engl. Fass. fehlen ihre Essays über Heidegger (80 Jahre alt), Gilbert, Sarraute und Auden.</ref>

Darin findet sich auch ihr 1966 zuerst veröffentlichtes Porträt ''A Heroine of Revolution'' (deutsch 1968: ''[[Rosa Luxemburg]]'').<ref>''Rosa Luxemburg'' (RL), in: ''Menschen in finsteren Zeiten.'' Piper, München und Zürich 1968.</ref> Arendt würdigt die Revolutionärin als unorthodoxe, selbstständig denkende deutsch-jüdische Marxistin polnischer Herkunft. Niemals habe sie zu den „[[Politische Religion|Gläubigen]]“ gehört, die „Politik als Religionsersatz“ auffassten.<ref>RL, in: ''Menschen in finsteren Zeiten.'' Piper TB, München/Zürich 2001, S.&nbsp;48.</ref> Vielmehr habe Luxemburg gewagt, öffentlich [[Lenin]] zu kritisieren, insbesondere seine Instrumentalisierung des Krieges für die Revolution, und von den Gefahren „deformierter Revolutionen“ gesprochen: „Was die Frage der Organisation anging, so glaubte sie nicht an einen Sieg, an dem die breite Masse keinen Anteil und kein Mitspracherecht hatte, ja, sie hielt so wenig davon, um jeden Preis die Macht in den Händen zu halten, daß »sie eine deformierte Revolution weit mehr als eine erfolglose fürchtete« – im Grunde der Hauptunterschied zwischen ihr und den Bolschewiken.“<ref>RL 1968, S. 72.</ref> Arendt schließt sich in der Bewertung Luxemburg an, indem sie fragt:
{{Zitat
|Text=Hatte sie nicht recht mit ihrem Urteil, daß Lenin völlig im Irrtum war über die von ihm angewandten Mittel und daß die einzige Rettung in der »Schule des öffentlichen Lebens selber lag, in der unumschränktesten, breitesten Demokratie und öffentlichen Meinungsäußerung«, daß der Terror jedermann »demoralisiere« und alles zerstöre?
|ref=<ref>RL 1968, S. 72. Arendt bezieht sich auf Peter Nettl: ''Rosa Luxemburg.'' Oxford 1966, Köln/Berlin 1967. Die Luxemburg-Zitate entnahm sie diesem Werk.</ref>
}}

Wegen ihrer Eigenwilligkeit sowie der Verachtung für Karrieristen und Statusgläubige stand Luxemburg, hebt die Publizistin hervor, oft am Rande der kommunistischen Bewegung. Als radikale Kriegsgegnerin, Kämpferin für politische Freiheit und eine uneingeschränkte Demokratie zog sie häufig Kritik auf sich. Ihre moralische Haltung beruhte auf dem Ehrenkodex einer kleinen jüdischen und mehrsprachigen intellektuellen Elite der [[Juden in Osteuropa|Ostjuden]], die sich selbst als [[Kosmopolitismus|Kosmopoliten]] betrachteten, tatsächlich aber nach Meinung Arendts „vielmehr europäisch“ waren, so dass „ihr Vaterland in Wahrheit Europa war“.<ref>RL 1968, S. 59.</ref> Mit Bitterkeit vergleicht die Autorin die Rechtsauffassung der [[Weimarer Republik]] und der Bonner Republik von 1962. Zur Zeit der Ermordung [[Karl Liebknecht|Liebknechts]] und Luxemburgs habe die Regierungsgewalt „praktisch in den Händen der [[Freikorps]]“ gelegen. Dennoch wurden der Häscher und der Mörder Rosa Luxemburgs immerhin zu einer – wenn auch geringen – Gefängnisstrafe verurteilt. Hingegen habe die Bonner Regierung die [[Ermordung von Liebknecht und Luxemburg]] als eine „Hinrichtung in Übereinstimmung mit den Kriegsgesetzen und somit um einen legalen Vorgang“ verstanden.<ref>RL 1968, S. 51.</ref>

=== Vergleich von US-amerikanischer und französischer Revolution und Verfassung ===
In ihrem wie ''Vita activa'' auf Vorlesungen beruhenden 1963 erschienenen Buch: ''[[Über die Revolution|On Revolution]]'' (dt. ''[[Über die Revolution]]'') vergleicht Arendt [[Französische Revolution|die Französische]] mit der [[Amerikanische Revolution|Amerikanischen Revolution]] und stellt auch hier das Politische in den Mittelpunkt ihres Denkens.

Demnach scheiterte die Französische Revolution am [[Großer Terror (Frankreich)|Terror]] [[Maximilien de Robespierre|Robespierres]], der den Versuch gemacht habe, das soziale Elend zu überwinden und eine egalitäre Gesellschaft auf moralischer Grundlage zu schaffen. Die US-amerikanische Revolution konnte dagegen fast ausschließlich politische Ziele verfolgen, weil die [[soziale Frage]] nicht so brennend gewesen sei. So war es möglich, eine freie [[Republik]] zu bilden, in der der Bürger in öffentlich-politischen Angelegenheiten bei aller Pluralität mit anderen Bürgern gleichberechtigt war.

Philosophischer Fortschrittsglaube dürfe nicht, wie bei der Französischen Revolution, zum Kriterium im politischen Raum werden. Gerade die Umsetzung der philosophischen Ideen habe zur Schreckensherrschaft geführt. In der US-amerikanischen Revolution seien indes die Grundsätze der [[Antike]] und daran anschließend diejenigen Montesquieus verwirklicht worden: das Prinzip der [[Gewaltenteilung]] oder „Machtteilung“<ref>''Über die Revolution'' (ÜdR). München 1974, S.&nbsp;198.</ref> und das die Macht weiter begrenzende Prinzip des [[Föderalismus]] kleiner Republiken mit einer zentralen Gewalt.

Die politische Gemeinschaft der [[Pilgerväter|Auswanderer]] habe einen „[[Mayflower-Vertrag|Bund]]“ geschlossen, der aus einem „Akt des Sichaneinanderbindens“ bestehe.
{{Zitat
|Text=Die politische Gemeinschaft, die auf Grund dieses ‚Bundes‘ entsteht, enthält die Quelle für die Macht, die allen denen zufließt, die ihm angehören und die außerhalb der politischen Gemeinschaft zur Ohnmacht verurteilt wären. Im Gegensatz hierzu erwirbt der Staat, der aus der Zustimmung der Untertanen entsteht, ein Machtmonopol, das außerhalb des Zugriffs der Beherrschten steht, die aus dieser politischen Ohnmacht nur heraustreten können, wenn sie beschließen, den Staatsapparat zu brechen.
|ref=<ref>ÜdR, S. 221.</ref>
}}

Die [[Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten]] von 1776 hat laut Arendt diesem Grundsatz der Freiheit im Rahmen einer [[Verfassung der Vereinigten Staaten]] entsprochen, während die [[Französische Verfassung (1791)|französische Verfassung von 1791]] auf der Grundlage eines zentralistisch organisierten [[Nationalstaat]]es entstand, der die Bürger nicht mit mehr, sondern mit weniger Macht ausstattete. Somit ist die Französische Revolution aus der absolutistischen Monarchie, die US-amerikanische jedoch aus einer „begrenzten Monarchie“ hervorgegangen. Daher sei in Frankreich nunmehr der „Wille der Nation die Quelle der Gesetze“, während in den Vereinigten Staaten im Anschluss an Montesquieu die Regierungsgewalt durch Gesetze beschränkt worden sei.<ref>ÜdR, S. 203.</ref>


=== Zu Fragen der Ethik ===
=== Zu Fragen der Ethik ===
Arendt postuliert, dass die Menschen von Natur aus weder gut noch böse sind. Allein das Individuum trägt ihrer Auffassung nach die Verantwortung für seine Taten. Daher müssen Verbrechen aber auch politische „Lügen“ sanktioniert werden. In Staaten mit einer Verfassung, die das politische Leben regelt, ist es für den Einzelnen leichter, sich nach „moralischen Maßstäben“ zu verhalten als in „finsteren Zeiten“. Umso schwerwiegender ist das Denken, Urteilen und Handeln gerade in nichtdemokratischen Herrschaftsformen.
Arendt [[Postulat|postuliert]], dass die Menschen von Natur aus weder gut noch böse sind. Allein das Individuum trägt ihrer Auffassung nach die Verantwortung für seine Taten. Daher müssen Verbrechen, aber auch politische „Lügen“ geahndet werden. In Staaten mit einer Verfassung, die das politische Leben regelt, sei es für den Einzelnen leichter, sich nach „moralischen Maßstäben“ zu verhalten, als in „finsteren Zeiten“. Umso schwerwiegender sei das Denken, Urteilen und Handeln gerade in nichtdemokratischen Herrschaftsformen.


Menschen, die sich politisch interaktiv auf der Grundlage persönlicher Wahrhaftigkeit bewähren, handeln nicht unbedingt moralisch in Bezug auf den privaten Bereich. Sie lehnt den Rückgriff auf [[Transzendenz]] oder [[Gewissen]] zur Begründung von [[Moral]] ab, da sie davon überzeugt ist, dass auf diesen Wegen erzeugte [[Wert]]e manipulierbar sind. Für sie ist die totale Herrschaft ein System, in dem der bisherige Moralkodex umgedeutet wird.
Menschen, die sich politisch interaktiv auf der Grundlage persönlicher Wahrhaftigkeit bewähren, handeln nicht unbedingt moralisch in Bezug auf den privaten Bereich. Sie lehnt den Rückgriff auf [[Transzendenz]] oder [[Gewissen]] zur Begründung von [[Moral]] ab, da sie davon überzeugt ist, dass auf diesen Wegen erzeugte [[Axiologie (Philosophie)|Werte]] manipulierbar sind. Für sie ist die totale Herrschaft ein System, in dem der bisherige [[Zehn Gebote|Moralkodex]] umgedeutet wird.


{{Zitat
:''Denn so wie Hitlers <<[[Endlösung]]>> in Wirklichkeit bedeutete, dass die [[Elite]] der Nazipartei auf das Gebot <<Du sollst töten>> verpflichtet wurde, so erklärte Stalins Verlautbarung das <<Du sollst falsches Zeugnis reden>> zur Verhaltensregel für alle Mitglieder der [[Bolschewismus|bolschewistischen]] Partei.'' (EuU 1986, S. 645)
|Text=Denn so wie Hitlers ‚[[Endlösung der Judenfrage|Endlösung]]‘ in Wirklichkeit bedeutete, dass die [[Elite]] der Nazipartei auf das Gebot ‚Du sollst töten‘ verpflichtet wurde, so erklärte Stalins Verlautbarung das ‚Du sollst falsches Zeugnis reden‘ zur Verhaltensregel für alle Mitglieder der [[Bolschewiki|bolschewistischen]] Partei.
|ref=<ref>EuU, S. 645.</ref>
}}


Diejenigen, die im Nationalsozialismus nicht kollaborierten, stellten sich die Frage, inwiefern sie mit sich selbst in Frieden leben könnten, wenn sie bestimmte Taten begangen hätten. Dabei verlief die Trennungslinie quer zu allen sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Unterschieden. Festzustellen war der totale Zusammenbruch der „ehrenwerten Gesellschaft“. (IuP 1991, S.33ff)
Diejenigen, die im Nationalsozialismus nicht kollaborierten, stellten sich die Frage, inwiefern sie mit sich selbst in Frieden leben könnten, wenn sie bestimmte Taten begangen hätten. Dabei verlief die Trennungslinie quer zu allen sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Unterschieden. Festzustellen war der totale Zusammenbruch der „ehrenwerten Gesellschaft“.<ref>''Persönliche Verantwortung in der Diktatur.'' In: Israel, Palästina …, S.&nbsp;33&nbsp;ff.</ref>


Sie zitiert Kants [[Kategorischer Imperativ|Kategorischen Imperativ]] und stellt den Egoismus den Anforderungen des Gemeinwesens gegenüber. Dabei entwickelt sie die Vorstellung einer gemeinschaftlichen [[Ethik]], die immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Auch nach der Zeit des Totalitarismus sieht sie eine Hoffnung für die Welt durch jeden Menschen, der geboren wird und einen Neuanfang machen kann.
Sie zitiert Kants [[Kategorischer Imperativ|Kategorischen Imperativ]] und stellt den Egoismus den Anforderungen des Gemeinwesens gegenüber. Dabei entwickelt sie die Vorstellung einer gemeinschaftlichen [[Ethik]], die immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Den Philosophen lastet Arendt an, sie hätten sich zu wenig mit der Pluralität der Menschen auseinandergesetzt. Darüber hinaus gebe es eine Art von Feindseligkeit der meisten Philosophen gegen alle Politik. Im Gegensatz zu anderen Denkern sieht Arendt auch nach der Zeit des Totalitarismus eine Hoffnung für die Welt durch jeden Menschen, der geboren wird und einen Neuanfang machen kann.


Die Schlechtigkeit, d.&nbsp;h. das Böse betrachtet sie als ein Phänomen mangelnder Urteilskraft. Der Mensch ist – auch im Verbrechen – immer auf andere bezogen, entwickelt einen Willen, der mit dem Willen anderer konfrontiert wird, und muss seine Taten reflektieren, sonst wird er zum Getriebenen.
In ihrer posthum veröffentlichten 1965 gehaltenen Vorlesung: [[Über das Böse]] beschäftigt sich Arendt mit einer facettenreichen Definition des Bösen, die das Besondere des Nationalsozialismus mit seinen Vernichtungslagern wie auch das ''universal Böse'' umfasst.


In ihrer [[postum]] veröffentlichten, 1965 gehaltenen Vorlesung ''[[Über das Böse]]'' beschäftigt sich Arendt mit einer facettenreichen Definition des Bösen, die das Besondere des Nationalsozialismus mit seinen Vernichtungslagern wie auch das „universal Böse“ (Kant) umfasst.
=== Veröffentlichungen und Auftritte in der Öffentlichkeit ===
Arendts Bücher und Aufsätze sind teilweise in unterschiedlichen Fassungen in englischer und in deutscher Sprache erschienen. Dies trifft beispielsweise auf ''Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft'' (1955) und auf ''Macht und Gewalt'' (1970) zu. Arendt hat einige ihrer Texte selbst übersetzt und dabei verbessert, andere sind von professionellen Übersetzern übertragen und danach von Arendt korrigiert worden. Einige ihrer Werke hat ihre Freundin [[Mary McCarthy]] gegengelesen. Teilweise gab es vor dem Erscheinen der Bücher vorbereitende Artikel in Zeitschriften, vor allem in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich. Auch in ihren Vorlesungen hat sie die Themen ihrer Werke aufgegriffen und Passagen vor der Veröffentlichung mit ihren Studenten besprochen, ebenso im Briefwechsel mit ihrem Partner und ihren Freunden. Vorträge, Interviews, die Teilnahme an Tagungen und Diskussionsveranstaltungen, insbesondere in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, dienten der Verbreitung ihrer Gedanken.


=== Veröffentlichungen, Auftritte in der Öffentlichkeit, Eintreten für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit ===
Die Ausdrucksweise Hannah Arendts ist rational und nüchtern. Häufig werden Begriffe mit anderer als in der Umgangs- oder Wissenschaftssprache üblicher Bedeutung benutzt. Dies erläutert sie einfach und direkt.
Arendts Bücher und Aufsätze sind teilweise in unterschiedlichen Fassungen in englischer und in deutscher Sprache erschienen. Dies trifft z.&nbsp;B. auf ''[[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]]'' (1951, 1955) und auf ''[[Macht und Gewalt]]'' (1970) zu. Einige ihrer Texte übersetzte sie selbst und verbesserte sie dabei, andere wurden von professionellen Übersetzern übertragen und danach von Arendt korrigiert. Ihre Freundin [[Mary McCarthy]] hat ein paar ihrer in englischer Sprache verfassten Werke gegengelesen. Teilweise gab es vor dem Erscheinen vorbereitende Artikel in Zeitschriften, vor allem in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich. Auch in ihren Vorlesungen griff sie Themen ihrer späteren Veröffentlichungen auf, besprach Passagen vor dem Erscheinen mit ihren Studenten, ebenso in der Korrespondenz. Die Einträge in ihr sogenanntes ''Denktagebuch'' korrespondieren mit ihren Veröffentlichungen. Vorträge, Interviews, die Teilnahme an Tagungen und Diskussionsveranstaltungen, insbesondere in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, dienten der Verbreitung ihrer Gedanken.


Die Ausdrucksweise Hannah Arendts ist rational und nüchtern. Häufig benutzt sie Begriffe mit anderer als der in der Umgangs- oder Wissenschaftssprache üblichen Bedeutung. Zuweilen kehrt sie gängige Verständnisse in ihr Gegenteil. Ihre Thesen erläutert sie klar und direkt.
Hannah Arendt scheute dennoch Zeit ihres Lebens persönliche Auftritte in der Öffentlichkeit. Dies äußerte sie zuletzt in ihrer Rede zur Verleihung des Sonnig-Preises in Dänemark kurz vor ihrem Tod. Im Brief an ihren Mann [[Heinrich Blücher]] vom 8.03.1955 schreibt sie dazu: „Kein Erfolg hilft mir über das Unglück »im öffentlichen Leben« zu stehen, hinweg... Was ich nicht schaffen kann, ist das auf dem Präsentierteller stehen und auf ihm dauernd verbleiben.“ Sie machte einen radikalen Unterschied zwischen „Privat und Öffentlich“ (25.5.1958 ebenda). Ihre Briefwechsel mit verschiedenen Partnern, in denen sie häufig harte Urteile über bekannte Persönlichkeiten fällte, zählte sie wohl zum Privatleben. Vor der [[Laudatio]] auf [[Karl Jaspers]], als dieser 1958 den [[Friedenspreis des Deutschen Buchhandels]] erhielt, hatte Arendt zunächst Skrupel die Festrede zu halten, da sie mit Jaspers eng befreundet war.


Zeit ihres Lebens scheute Hannah Arendt persönliche Auftritte in der Öffentlichkeit. Dies äußerte sie zuletzt in ihrer Rede zur Verleihung des Sonning-Preises in Dänemark kurz vor ihrem Tod. Heinrich Blücher schrieb sie dazu bereits 1955: „Kein Erfolg hilft mir über das Unglück ‚im öffentlichen Leben‘ zu stehen, hinweg […] Was ich nicht schaffen kann, ist das "auf dem Präsentierteller"-Stehen und auf ihm dauernd [zu] verbleiben.“<ref>''Hannah Arendt. Heinrich Blücher. Briefe.'' München 1999, S. 353.</ref> Sie machte einen „radikalen“ Unterschied zwischen „privat und öffentlich.“<ref>Arendt an Blücher, S. 469. (Mai 1958).</ref>
In dieser Rede in der [[Frankfurter Paulskirche]] setzte sie sich mit den Vorstellungen ''Öffentlichkeit'', ''Person'' und ''Werk'' auseinander: Nach [[Cicero]] werde mit einer Laudatio die Würde eines Menschen, die mehr ist als die Summe seiner Werke, gefeiert und zwar nicht nur von Fachkollegen und Experten, sondern von der ''Öffentlichkeit''. Zwar sei in der modernen Zeit das Vorurteil verbreitet, dass nur das von der Person abgelöste Werk das Objektive sei und in die Öffentlichkeit gehöre. Alles Private könne leicht pathetisch wirken. Daher sei es angemessen, nicht das Subjektive und das Objektive, sondern das Subjektive und das ''Personhafte'' zu unterscheiden. Das Subjektive an einem Werk, wie beispielsweise der Arbeitsprozess, gehe die Öffentlichkeit nichts an. In Werken, die nicht rein akademisch sind, sondern Resultate ''lebendigen Handelns und Sprechens'', werde eine zwar erkannte aber über das eigene Bewusstsein hinausgehende Personhaftigkeit erscheinen, die römische ''[[humanitas]]'', die [[Immanuel Kant|Kant]] und Jaspers ''[[Humanität]]'' nennen. Diese Humanität könne nur erreichen, wer sein Leben, seine Person und das damit verbundene Werk ''dem Wagnis der Öffentlichkeit'' auszusetzen bereit sei.


Ihre Briefwechsel, in denen sie bisweilen harte Urteile über Zeitgenossen fällte, zählte sie wohl zum Privatleben. Während die Korrespondenz mit Jaspers,<ref>Nach Jaspers Tod ordnete sie selbst den Briefwechsel im Literaturarchiv Marbach.</ref> Blücher, McCarthy, Blumenfeld, [[Uwe Johnson|Johnson]] und Scholem fast vollständig veröffentlicht werden konnte, fehlen zahlreiche Arendt-Briefe an Heidegger und [[Hermann Broch|Broch]]. Einige ihrer Briefe an andere Freunde sind bisher noch unveröffentlicht.
Jaspers habe häufig den akademischen Raum verlassen und sich in der Öffentlichkeit nicht nur philosophisch, sondern auch politisch geäußert. Er habe jedoch nie im Namen einer Gruppe gesprochen. Er suchte den freien Austausch mit anderen, denn nur so sei es möglich ''[[Vernunft|vernünftig]]'' zu sein. Jaspers habe zur ''Existenzerhellung'' auch in Zeiten der Gewaltherrschaft beigetragen, nicht als Vertreter Deutschlands, sondern der Vernunft, die nur zerstört werden könne, wenn der letzte Vernünftige „totgeschlagen“ sei. Arendt vertritt eine Version der geistig - [[Freiheit|freiheitlichen]] Person, wenn sie abschließend sagt: „Es ist das Reich der ''humanitas'', zu dem ein jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ursprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich...“


Als [[Karl Jaspers]] 1958 den ''[[Friedenspreis des Deutschen Buchhandels]]'' erhielt, hatte Arendt vor der [[Laudatio]] auf ihn zunächst wegen ihrer engen Freundschaft – vielleicht auch wegen ihrer Freundschaft mit Heidegger – Skrupel, die Festrede zu halten. Jaspers bat jedoch darum. Bei dieser Gelegenheit setzte sie sich mit den Vorstellungen von „Öffentlichkeit“, „Person“ und „Werk“ auseinander: Nach [[Marcus Tullius Cicero|Cicero]] wird mit einer Laudatio die „Würde eines Menschen“ in der „Öffentlichkeit“ und nicht nur von Fachkollegen gefeiert. In der modernen Zeit sei indessen das „Vorurteil“ verbreitet, dass nur „das Werk“ in die Öffentlichkeit gehöre. Aus Arendts Sicht geht zwar der „Arbeitsprozess“ die Öffentlichkeit nichts an, aber in Werken, welche nicht rein akademisch sind, sondern Resultate „lebendigen Handelns und Sprechens“, erscheine eine „Personhaftigkeit“, die römische „[[humanitas]]“, die Kant und Jaspers „Humanität“ nennen. Diese Humanität könne nur erreichen, wer seine Person und das damit verbundene Werk „dem Wagnis der Öffentlichkeit“ aussetze.
In ihrer Ansprache zum Tode von Karl Jaspers während der Gedenkfeier der Universität Basel im März 1969 kam sie auf dieses Thema zurück: Jaspers habe in seinem Leben exemplarisch die Dreieinigkeit von [[Vernunft]], [[Freiheit]] und [[Kommunikation]] dargestellt.


Jaspers habe sich über den akademischen Raum hinaus in der Öffentlichkeit nicht nur philosophisch, sondern auch politisch geäußert. Als Einzelperson habe er den freien Austausch mit anderen gesucht. Nur so sei es möglich, „[[Vernunft|vernünftig]]“ zu sein. Der Preisträger habe damit zur „Existenzerhellung“ auch in Zeiten der Gewaltherrschaft beigetragen, nicht als Vertreter Deutschlands, sondern der Vernunft. Arendt vertritt die Vorstellung einer geistig-[[freiheit]]lichen Person, wenn sie abschließend sagt: „Es ist das Reich der «humanitas», zu dem ein jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ursprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich.“<ref>H.&nbsp;A.: ''Karl Jaspers. Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels.'' München 1958. [http://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media.php/1290/1958_jaspers.pdf Rede online] (PDF; 226&nbsp;kB).</ref>
Hannah Arendt hat sich niemals als Marxistin bezeichnet, obwohl sie Marx, anders als den anderen „Ideologen“ des 19.Jahrhunderts „Mut“ und Gerechtigkeitssinn bescheinigte, seine Analysen und ihn selbst als „Rebellen und Revolutionär“ schätzte. Die „Fiktion“ des [[Kommunismus]] lehnte sie ausdrücklich ab. Arendt hatte lebenslang keinerlei Bezug zu [[Utopie|utopischem]] Denken. Die Begriffe ''links'' und ''rechts'' als politische Kategorien kommen in ihrem Werk nicht vor. Sie legte den Schwerpunkt hingegen auf politische Weltanschauungen bzw. Ideologien als Grundlagen für Staaten, die sie danach beurteilt, wieviel politische Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dem Einzelnen in der Öffentlichkeit und insbesondere in der Politik zugestanden wird, bzw. er sich mit anderen erkämpfen kann. Dabei unterscheidet sie lediglich drei Herrschaftsformen: Demokratie, Republik, Räterepublik u.ä. als unterschiedlich freiheitliche Systeme, Diktatur bzw. „Tyrannis“ als „normale“ Unterdrückungsregimes und die Totale Herrschaft.

Bei der Gedenkfeier der [[Universität Basel]] zum Tode von Karl Jaspers im März 1969 kam sie auf dieses Thema zurück: Jaspers habe in seinem Leben exemplarisch die „Dreieinigkeit“ von Vernunft, Freiheit und Kommunikation dargestellt.<ref>Veröffentlicht in: Hannah Arendt und Karl Jaspers: ''Briefwechsel 1926–1969,'' S.&nbsp;719&nbsp;f.</ref>

Hannah Arendt verstand sich nie als Marxistin. Sie betonte vielmehr ihr Herkommen aus der [[Philosophie]]. Dennoch bescheinigte sie [[Karl Marx|Marx]] anders als den anderen „Ideologen“ des 19. Jahrhunderts „Mut“ und „Gerechtigkeitssinn“ und schätzte seine Analysen und ihn selbst als „Rebellen und Revolutionär“. Die „[[Fiktion]]“ des [[Kommunismus]] lehnte sie aber ab, weil ihr jeder Bezug zu [[Utopie|utopischem]] Denken fehle. Die Begriffe „links“ und „rechts“ als politische Kategorien kommen in ihrem Werk nicht vor.

Sie legte den Schwerpunkt ihrer Analysen auf politische Weltanschauungen und Ideologien als Grundlagen für Staaten, die sie danach beurteilte, wie viel politische Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dem Einzelnen in der Öffentlichkeit und insbesondere in der Politik zugestanden werden oder er sich mit anderen erkämpfen kann. In einem Brief an Johnson heißt es dementsprechend 1972, von der Freiheit halte sie mehr als von [[Sozialismus]] oder [[Kapitalismus]].<ref>Arendt an Johnson, S. 79.</ref>

Sie differenzierte lediglich zwischen drei Herrschaftsformen: der Demokratie, der Republik oder [[Räterepublik]] u. Ä. als unterschiedlich freiheitlichen Systemen und der Diktatur bzw. „[[Tyrannis]]“ als „normalen“ Unterdrückungsregimes und der „totalen Herrschaft“.


=== Beziehungen und Freundschaften ===
=== Beziehungen und Freundschaften ===
[[Datei:Arendt and McCarthy (cropped).jpg|mini|alternativtext=Porträt von Hannah Arendt mit Mary McCarthy|Hannah Arendt mit [[Mary McCarthy]]]]
Neben ihrer sehr engen Partnerschaft mit ihrem Ehemann, der 1970 verstarb, pflegte sie geistig intensive Freundschaften u.a. mit Mary McCarthy, [[Kurt Blumenfeld]], Karl Jaspers und auch bis zuletzt mit [[Martin Heidegger]]. Jedoch hatte letztere einen besonderen Charakter. Während sie sich mehrmals abfällig über Heidegger als Menschen äußerte beispielsweise im Brief an Jaspers v. 29.09.1949 und in den Briefen an Blücher v. 3.01.1950 und v. 26.10.1959), schätzte sie sein philosophisches Werk ungemein. In den Jahren zwischen 1933 und 1951 hatte sie keinerlei Verbindung zu Heidegger, der der NSDAP angehört hatte. 1951 hat Arendt die Beziehung zu ihm wieder belebt, allerdings blieb sie zeitlebens ambivalent.
[[Datei:Heidegger 2 (1960).jpg|mini|Martin Heidegger (1960)]]

Freundschaften spielten eine sehr große Rolle in Hannah Arendts Leben. Neben ihrer engen Partnerschaft mit ihrem Ehemann [[Heinrich Blücher]], der 1970 starb, pflegte sie geistig intensive Freundschaften u.&nbsp;a. mit [[Mary McCarthy]], [[Dolf Sternberger]], [[Kurt Blumenfeld]], [[Uwe Johnson]],<ref>In einem Brief vom 6. Juli 1970 untersagte Arendt Johnson in seinem Romanzyklus ''Jahrestage,'' eine Romanfigur nach ihr zu benennen. Johnson wählte daraufhin ein Pseudonym. Auch das billigte Arendt nicht. Sie schrieb: „Mir ist schon niemals ganz wohl, wenn jemand zitiert, was ich geschrieben habe; es ist eine Art Freiheitsberaubung, als wolle man mich festlegen – wiewohl natürlich ich selbst mich festgelegt habe.“ Sie protestierte auch dagegen, dass er sie daraufhin als „Gräfin Seydlitz“ auftreten ließ, weil er offensichtlich ihre jüdische Herkunft vergessen habe. (Arendt an Johnson S.&nbsp;39f.)</ref> sowie vor allem mit [[Karl Jaspers]] und auch bis zuletzt mit [[Martin Heidegger]].<ref>Hannah Arendt: ''Wahrheit gibt es nur zu zweien. Briefe an die Freunde.'' Piper, München/Zürich 2013, chronologisch geordnet, kommentiert von der Herausgeberin Ingeborg Nordmann. Alle Briefe dieser Auswahl wurden bereits veröffentlicht.</ref> Jedoch hatte letztere einen besonderen Charakter. Während sie sich mehrmals abfällig über Heidegger als Menschen äußerte, beispielsweise im Brief an Jaspers vom 29. September 1949 und in den Briefen an Blücher vom 3. Januar 1950 und vom 26. Oktober 1959, betrachtete sie ihn und Karl Jaspers als die größten zeitgenössischen Philosophen.

1950 hatte Arendt die Beziehung zu Heidegger wieder aufleben lassen, allerdings blieb diese zeitlebens ambivalent. Gegenüber Blumenfeld zeigte sie sich Ende 1957 beeindruckt von Heideggers Arbeit über ''Identität und Differenz,'' gleichzeitig machte sie sich über seinen Stil lustig: „Er zitiert sich selbst und interpretiert sich, als ob es ein Text aus der Bibel sei.“<ref>Arendt an Blumenfeld, S.&nbsp;197.</ref>

Von ihrem philosophischen Hauptwerk ''[[Vita activa oder Vom tätigen Leben|Vita activa]]'' schickte sie Heidegger ein Exemplar mit der Bemerkung, wenn es zwischen ihnen je mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte sie ihm das Buch gewidmet:
{{Zitat
|Text=Du wirst sehen, daß das Buch keine Widmung trägt. Wäre es zwischen uns je mit rechten Dingen zugegangen – ich meine zwischen, also weder Dich noch mich -, so hätte ich Dich gefragt, ob ich es Dir widmen darf; es ist unmittelbar aus den ersten Marburger Tagen entstanden und schuldet Dir in jeder Beziehung so ziemlich alles.
|ref=<ref>Brief Arendt an Heidegger vom 28. Oktober 1960).</ref>
}}
Er antwortete darauf nicht und brach den Kontakt für einige Zeit ab. Enttäuscht schrieb sie im November 1961 an Jaspers:
{{Zitat
|Text=Ich weiß, daß es ihm [Heidegger] unerträglich ist, daß mein Name in der Öffentlichkeit erscheint, daß ich Bücher schreibe, etc. Ich habe ihm gegenüber mein Leben lang gleichsam geschwindelt, immer so getan, als ob all dies nicht existiert und als ob ich sozusagen nicht bis drei zählen kann, es sei denn in der Interpretation seiner eigenen Sachen“, da sei es ihm willkommen, dass sie sogar bis vier zählen könne. „Nun war mir das Schwindeln plötzlich zu langweilig geworden, und ich habe eins auf die Nase gekriegt.
|ref=<ref>Arendt an Jaspers, S. 494.</ref>
}}
In keiner seiner bekannten Schriften hat Heidegger auf die Arbeiten Hannah Arendts Bezug genommen.

Anlässlich von Heideggers 80. Geburtstag hielt sie im Herbst 1969, bereits nach Jaspers’ Tod, einen Vortrag im Bayerischen Rundfunk, in dem sie ausführte: {{"|Wir, die wir die Denker ehren wollen, wenn auch unser Wohnsitz mitten in der Welt liegt, können schwerlich umhin, es auffallend und vielleicht ärgerlich zu finden, daß [[Platon|Plato]] wie Heidegger, als sie sich auf die menschlichen Angelegenheiten einließen, ihre Zuflucht zu Tyrannen und Führern nahmen.}} Diese Vorliebe nennt sie eine „[[déformation professionnelle]]“. {{"|Denn die Neigung zum Tyrannischen läßt sich theoretisch bei fast allen großen Denkern nachweisen ([[Immanuel Kant|Kant]] ist die große Ausnahme).}} Heidegger zitierend, fährt sie fort: nur sehr wenige verfügten über das Vermögen, {{"|vor dem Einfachen zu erstaunen und […] dieses Erstaunen als Wohnsitz anzunehmen. […] Bei diesen wenigen ist es letztlich gleichgültig, wohin die Stürme ihres Jahrhunderts sie verschlagen mögen. Denn der Sturm, der durch das Denken Heideggers zieht&nbsp;– wie der, welcher uns nach Jahrtausenden noch aus dem Werk Platos entgegenweht&nbsp;– stammt nicht aus dem Jahrhundert. Er kommt aus dem Uralten, und was er hinterlässt, ist ein Vollendetes, das, wie alles Vollendete, heimfällt zum Uralten. |ref=<ref>''Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt.'' Neuauflage in: ''Menschen in finsteren Zeiten.'' München/Zürich 1989, S.&nbsp;183f.</ref>}}

Diese Passage hätte sie wohl nicht zu Lebzeiten Karl Jaspers’, der sich immer als Demokrat verstanden hatte, verfasst.

Sowohl die Veröffentlichung einiger Werke Jaspers’ als auch Heideggers in den USA unterstützte Hannah Arendt tatkräftig. Sie suchte Verlage, teilweise beaufsichtigte sie die Übersetzungen und gab die US-amerikanische Ausgabe von ''Die großen Philosophen'' heraus. In der jeweiligen Korrespondenz wird die Hilfe wiederholt thematisiert. Beide waren sehr an der Verbreitung ihrer Arbeiten in den Vereinigten Staaten interessiert und bedankten sich bei ihr.

=== „Denktagebuch“ ===
Hauptsächlich 1950 bis 1960 und weniger intensiv und stringent 1963 bis 1970 führte Hannah Arendt handschriftlich auf Deutsch – abgesehen von Originalzitaten auf Griechisch, Lateinisch, Englisch und Französisch und dem letzten Teil, in dem sie vor allem in englischer Sprache schreibt – ein von ihr gegenüber ihrer Freundin und späteren Nachlassverwalterin, der Germanistin [[Lotte Köhler (Germanistin)|Lotte Köhler]]<ref>''Nachwort.'' In: Hannah Arendt: ''Denktagebuch. Zweiter Band.'' München 2002, S.&nbsp;827.</ref>, so bezeichnetes ''Denktagebuch''. Sie setzt sich in 28 Heften, nach Jahren und Monaten geordnet, mit zahlreichen Philosophen und politischen Denkern auseinander. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der griechischen Antike. Sie behandelt aber auch Denker der [[Römisches Reich|Römerzeit]], des [[Philosophie des Mittelalters|Mittelalters]] und besonders zahlreich solche der [[Philosophie der Neuzeit|Neuzeit]].

Durchgehend debattiert sie die Philosophie und das politische Denken [[Platon]]s (anhand seiner Originalbegriffe), betrachtet sie in der Tradition [[Aristoteles]]’ und Heideggers kritisch. Häufig befasst sie sich mit Kant, Heidegger und Marx (vor allem mit dessen [[Arbeit (Philosophie)|Arbeitsbegriff]]), aber auch mit [[Friedrich Nietzsche|Nietzsche]], [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] und mit vielen anderen [[Politische Philosophie|politischen Denkern]]. Hinzu kommen in geringerem Maße Dichter wie [[Friedrich Hölderlin|Hölderlin]], [[Emily Dickinson|Dickinson]], [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], [[Rainer Maria Rilke|Rilke]], [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewski]], [[Franz Kafka|Kafka]] u.&nbsp;a.; außerdem notiert sie einige eigene (zu Lebzeiten unveröffentlichte) Gedichte und äußert sich nur hier zu Freundschaft, Liebe und Leidenschaft. Überdies stellt sie Reflexionen über die Sprache an.

[[Datei:Hannah Arendt 1975 (cropped).jpg|mini|alternativtext=Hannah Arendt 1975|Hannah Arendt, 1975]]

Vor diesem Hintergrund entwickelt Arendt im inneren Dialog mit sich selbst ihre eigenen Begriffe, wie beispielsweise die „Gebürtlichkeit“, die „Pluralität“ und das „Zwischen“. Allgemein gebräuchliche Begriffe benutzt sie mit spezieller Bedeutung: so z.&nbsp;B. das Politische, die Freiheit, das Arbeiten, das Herstellen, das Denken, das Handeln, das Urteilen, das Böse, die Macht, die Gewalt, die Wahrheit, die Lüge und die Ideologie. Weiterhin denkt sie über Geschichte, Politik und deutlich weniger über Gesellschaft sowie über [[Geschichtswissenschaft|Geschichts-]], [[Politikwissenschaft|Politik-]] und [[Sozialwissenschaft|Gesellschaftswissenschaften]] nach und stellt religionsbezogene Überlegungen an. Ihre kurzen, klar strukturierten Eintragungen, jeweils zu einem Thema, bilden eine der Grundlagen für ihre schriftlichen und mündlichen öffentlichen und privaten überlieferten Äußerungen. Unter dem Titel ''Denktagebuch'' wurden ihre Aufzeichnungen 2002 zusammen mit einem undatierten (ca. 1964 entstandenen) kleinen Heft über Kant<ref>[https://d-nb.info/1097283453/04 Inhaltsverzeichnis]</ref> in den USA und in Deutschland herausgebracht.<ref>Ausführlich mit dem ''Denktagebuch'' befasst haben sich Barbara Hahn in: ''Hannah Arendt – Leidenschaften, Menschen und Bücher.'' Berlin 2005, und Sigrid Weigel: ''Dichtung als Voraussetzung der Philosophie. Hannah Arendts Denktagebuch.'' In: ''[[Text und Kritik]]'' 166/167 (Hannah Arendt), Zeitschrift für Literatur. Hrsg. Heinz Ludwig Arnold, IX/2005, S.&nbsp;125–137.</ref>

=== Alter und Tod ===
[[Datei:GraveHannahArendt..jpg|mini|Grabstein am [[Bard College]] in [[Annandale-on-Hudson]], [[New York (Bundesstaat)|New York]]]]
Hannah Arendt hinterließ kein „Alterswerk“. Sie entfaltete vielmehr stetig ihr politisches Denken und zeigte häufig [[Zivilcourage]]. Tiefe Brüche gab es dabei nicht. Trotz der äußeren Umwälzungen, vor allem durch das Auftreten des [[Totalitarismus]], ist ihr Gesamtwerk in sich geschlossen und birgt nur wenige grundsätzliche Korrekturen. So hat sie – auf der Grundlage des Kantschen Begriffs vom „radikal Bösen“, den sie zunächst übernommen hatte – 1961 die These von der „Banalität des Bösen“ aufgestellt und später trotz jahrelanger Anfeindungen verteidigt.

In ihren Briefen spricht sie den Wunsch aus, bis zu ihrem Tod leistungsfähig zu bleiben. Nach einem ersten Herzinfarkt 1974 nahm sie ihr Schreiben und ihre Lehrtätigkeit wieder auf. Am 4.&nbsp;Dezember 1975 erlitt sie in Anwesenheit von Freunden einen zweiten, tödlichen Herzinfarkt in ihrem Arbeitszimmer, 370 Riverside Drive, [[Manhattan]].<ref>{{Der Spiegel |ID=30833366 |Autor=[[Johannes Saltzwedel]] |Titel=Diener vor der Dame |Jahr=2004 |Nr=20 |Seiten=160 f.}}</ref> Grabreden hielten u.&nbsp;a. ihr alter Freund [[Hans Jonas]] und Vertreter ihrer Studenten.<ref>Hans Jonas: ''Handeln, Erkennen, Denken. Zu Hannah Arendts philosophischem Werk.'' In: ''Hannah Arendt. Materialien zu ihrem Werk.'' Hrsg. Adelbert Reif. Wien 1979, S.&nbsp;353–370. Erstveröffentlichung: Social Research, New York, Jg. 44, Nr.&nbsp;1, Frühling 1977.</ref> Die Asche von Hannah Arendt wurde neben der ihres Mannes Heinrich Blücher auf dem Friedhof des [[Bard College]], [[Dutchess County]], [[New York (Bundesstaat)|New York]] beigesetzt.<ref>{{Internetquelle |autor=Klaus Nerger |url=https://www.knerger.de/html/arendthwissenschaftler_47.html |titel=Das Grab von Hannah Arendt |werk=knerger.de |abruf=2023-03-22}}</ref>


== Hauptwerke ==
== Hauptwerke ==
=== „Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik“ ===
Arendts Denk- und Lebensweg weisen ein hohes Maß an Übereinstimmung auf. Nach der eher noch traditionell philosophisch orientierten Dissertation „Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation”, die sie unter dem Einfluss von Heidegger und Jaspers aus existenzphilosophischer Perspektive schrieb, begann sie mit der biographischen Studie Rahel Varnhagens eine Arbeit, die sich mit dem Versuch der Assimilation der Juden im 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Die Erfahrung des Nationalsozialismus führte zur Analyse des Antisemitismus und totalitärer Herrschaft. Das Erleben der politischen Freiheit und der selbstverantwortlichen aktiven Mitwirkung der Bürger am öffentlichen Leben in den USA ließ sie die Theorie des politischen Handelns in Vita activa entwickeln. Ähnlich wie Karl Jaspers hatte sie dabei schon früh die Probleme der Massengesellschaft und des Imperialismus als eine weltweite Ausdehnung des Kapitals im Blick. In ihrem gesamten Werk steht die Verantwortung des Individuums im Zentrum ihrer Überlegungen, im Alterswerk insbesondere sein Denken, Wollen und Urteilen. Nach Arendt wird die Wahrheit auf der Grundlage von Freiheit und Differenz in jeder Generation neu ausgehandelt.
{{Hauptartikel|Rahel Varnhagen (Arendt)|titel1=Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik}}


Das Manuskript für ihr großes Jugendwerk über [[Rahel Varnhagen von Ense|Rahel Varnhagen]]<ref>''Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik. (RV)'' München / Zürich 1981.</ref> hatte Arendt bereits 1931 bis Anfang 1933 in Berlin verfasst. Die zwei letzten Kapitel zu ihrer Theorie über [[Paria]] und [[Parvenü]] entstanden im Exil in Paris 1938. Das Werk erschien erst 1958 mit einem aktuellen Vorwort in englischer Sprache, aus dem Deutschen übersetzt, herausgegeben vom Leo Baeck Institut. Die deutsche Fassung kam 1959 auf den Markt. Es stützt sich auf veröffentlichte und unveröffentlichte Briefe sowie Tagebuchaufzeichnungen, die Arendt z.&nbsp;T. erstmals auswertete.
=== Rahel Varnhagen ===
====Hannah Arendt über ihr Buch====
Das Manuskript für ihr großes Jugendwerk über [[Rahel Varnhagen von Ense|Rahel]], der berühmten Berliner Autorin und [[Salonière]], ''Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik'' hatte Arendt 1929 bis 1933 in Berlin verfasst. Karl Jaspers schreibt sie 1956, dass sie auf Anraten [[Walter Benjamin]]s und Blüchers 1938 das Buch im Exil in Paris durch die zwei letzten Kapitel vollendet habe. In diesem Brief bezeichnet sie ihre Arbeit als „Frauenbuch“ (Brief v. 07.09.1956, Briefwechsel 1985, S. 332).


Die Autorin bezeichnet ihr Werk Jaspers gegenüber als „Frauenbuch“<ref>Arendt an Jaspers (1956), S. 332.</ref> und im Vorwort als einen Beitrag zur [[Geschichte der Juden in Deutschland|Geschichte der deutschen Juden]]. Am Beispiel ihrer 1771 geborenen [[Protagonist]]in zeigt sie den am zunehmenden gesellschaftlichen Antisemitismus gescheiterten [[Assimilation (Soziologie)|Assimilationsversuch]] von wohlhabenden und gebildeten Juden im 19. Jahrhundert.
Das Werk erschien erst 1958 in englischer Sprache, aus dem Deutschen übersetzt, herausgegeben vom Leo Baeck - Institut. Die deutsche Fassung kam 1959 auf den Markt. Es stützt sich auf veröffentlichte und unveröffentlichte Briefe sowie Tagebuchaufzeichnungen Rahel Varnhagens, geb. Levin, die Arendt z.T. erstmals auswertete.


Aufgeklärt und auf Vernunft gestützt, war es Rahel Levin gelungen, in Berlin einen eigenen [[Salon der Rahel Varnhagen|literarischen Salon]] zu führen und damit gleichberechtigten Umgang mit Literaten, Wissenschaftlern und Philosophen zu pflegen, nicht aber Eingang in die deutsche [[Ständeordnung|Standesgesellschaft]] zu finden. Um in den Adel oder wenigstens in die höhere Gesellschaft aufzusteigen, versuchte Rahel mehrmals vergeblich, ihr Judentum durch eine Ehe zu überwinden. Dies scheiterte zweimal an ihrer jüdischen Herkunft und einmal an den Vorstellungen über die Unterordnung der Frau unter den Mann. Nach diesen Erfahrungen beschloss sie, den Nachnamen ''Robert'' anzunehmen, um die Trennung von der jüdischen Identität auch äußerlich sichtbar zu machen.
Arendt betont, sie wolle Personen und Literatur aus der Perspektive Rahels beschreiben, eine „Nacherzählung der Lebensgeschichte“ vorlegen. Sie sah sich als „reflektierendes Sprachrohr des Geschehens“. Die Kritik an der [[Protagonist]]in entspricht demnach deren Selbstkritik. Falls sie von einer höheren Warte über Rahel geurteilt habe, so sei ihre Arbeit eigentlich misslungen.


Anfang des 19. Jahrhunderts erschien die erste moderne „Hetzbroschüre“ ''Wider die Juden,'' der eine Welle von Antisemitismus folgte. 1806 wurde der Salon infolge des Einmarsches [[Napoleon Bonaparte|Napoleons]] geschlossen. Die neuen Berliner [[Literarischer Salon|Salons]] ab 1809 beschreibt Arendt als eher politisch-literarische Zirkel, vom Adel dominiert und patriotisch geprägt mit Statuten, die Frauen, Franzosen, [[Philister (Ästhetik)|Philistern]] und Juden den Zutritt verboten.
Arendt bezeichnet ihr Werk als einen Beitrag zur Geschichte der deutschen Juden und zwar desjenigen Ausschnitts, der die Problematik der [[Assimilation (Soziologie)|Assimilation]] (Anpassung) behandelt. Am Beispiel Rahels zeigt sie die Art und Weise, in der die gesellschaftliche und geistige Umwelt sich unmittelbar auf ein persönliches Schicksal auswirkt. Dieses ist mit dem dringenden Appell an die Leser verbunden, sich selbst ihrer Geschichte bewusst zu werden. Rahels ignorierende Haltung zur Judenfrage war typisch für einen Teil des gebildeten deutschen Judentums. Doch die nicht-wahrgenommene und umgedeutete Geschichte "rächt" sich, indem sie zum individuellen Schicksal wird. Rahels Glück war es letztendlich, diesen Erkenntnisprozess auf dem Sterbebett doch noch vollzogen zu haben. Ziel dieses Buches ist es nun, den Lesern jüdische Geschichte anhand dieses Einzelschicksals bewusst zu machen.


Rahel versuchte nunmehr sogar, eine philosophische Form des [[Nationalismus]] von [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]] zu übernehmen, um „dazuzugehören“. Dies konnte ihr, so Arendt, nicht gelingen, „denn der patriotische Antisemitismus, dem auch Fichte nicht fernstand, vergiftete alle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden“.<ref>RV 1981, S. 143.</ref>
Dabei möchte Arendt ihrer Arbeit nicht die Sichtweise der Moderne zu Grunde legen. „Pseudowissenschaftliche“ Methoden wie „Tiefenpsychologie“, „Psychoanalyse“, „Graphologie“ usw. lehnt sie ab. Neben der Biografie enthält das Werk Auszüge aus Rahels Briefen und Tagebüchern, wodurch Arendt versucht, der 'Innensicht' Rahels nahe zu kommen.


Endlich lernte sie 1808 [[Karl August Varnhagen von Ense]] kennen, ließ sich 1814 seinetwegen taufen und kam durch die späte Heirat der ersehnten Assimilation näher.
====Kampf um Anerkennung====
Rahel Levin, geb. 1771, wuchs in Berlin als Tochter reicher Eltern auf, die Teile ihres Vermögens verloren. Als zunächst wenig gebildete, nicht schöne, jüdische Frau hatte sie wenig Chancen, eine soziale Existenz in der Gesellschaft zu erlangen.


Schon 1815 etablierte sich der Antisemitismus erneut offen und stark. 1819 kam es in Preußen zu [[Pogrom]]en. Durch beruflichen Aufstieg, einen Adelstitel und steigenden Wohlstand verkehrte August von Varnhagen nunmehr mit den Honoratioren der Gesellschaft. Rahel hatte ihr Ziel erreicht. Sie war „dumm“ und „überschwenglich glücklich“, urteilt Arendt, „daß man ihr gnädigst erlaubt mitzutun“.<ref>RV 1981, S. 206.</ref> Trotzdem blieb Rahels Haltung zwiespältig. Sie fühlte sich weiterhin „fremd“ in einer judenfeindlichen Gesellschaft und beklagte sich, dass Frauen am Stand des Mannes und des Sohnes gemessen werden und vielfach nicht als Menschen mit Geist betrachtet werden.
In ihrer Jugendzeit forderten viele Vertreter der [[Aufklärung]] gleiche Rechte für die seit Jahrhunderten unterdrückten und verfolgten Juden. Von [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]] übernahm Rahel die Auffassung: ''Auf das Selbstdenken kommt es an.''(RV 1981,S.23) Die [[Vernunft]] befreit aber nur das Individuum, hat jedoch keinen Einfluss auf historisch gewachsene <Vorurteile> gegen Juden. So fühlte sich Rahel von Geburt an benachteiligt und unglücklich ohne Tradition und Vorbild. Sie konnte auf dieser Grundlage kein Realitätsbewusstsein entwickeln und blieb, so Arendt, bis kurz vor ihrem Tod abhängig von der Bestätigung durch andere.


Arendt versteht unter einem Parvenü einen Menschen, der sich in eine Gesellschaft „hineinschwindelt“, in die er nicht gehört. Arendt zufolge ist es dieses Lügen, das Rahel und ihr Mann perfekt beherrschen. Sie bezeichnet ihn als Parvenu, während sie Rahel als Person zwischen Paria und Parvenu kennzeichnet, da ihr das Schwindeln und Heucheln für den Aufstieg mehr und mehr als Lüge und Last erschienen.
Arendt beschäftigt sich hauptsächlich mit Rahels Denken und ihrer Stellung in der deutschen Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts als jüdische kluge Frau mit Witz, die auf unterschiedliche Weise versucht, ihr Judentum abzulegen. Rahels Leben versteht Arendt als Suche nach Heimat, Freundschaft und Liebe in einer selbst geschaffenen Welt, die nicht der Wirklichkeit entsprach. Aufgeklärt und auf Vernunft gestützt, war es Rahel gelungen, gleichberechtigten Umgang mit Literaten, Wissenschaftlern und Philosophen zu pflegen, nicht aber Eingang in die deutsche Standesgesellschaft zu finden.


Von 1821 bis 1832 führte Rahel von Varnhagen ihren zweiten Salon wiederum mit illustren Gästen. Doch dieser literarische Kreis blieb&nbsp;– mehr noch als der erste&nbsp;– nur eine Illusion der Gemeinsamkeit und der Integration. Außerhalb des Salons blieben die Varnhagens isoliert und erhielten keine Einladungen zu den angestrebten Kreisen. Daraus schließt Arendt: In einer im Großen und Ganzen judenfeindlichen Gesellschaft können sich Juden nur assimilieren, wenn sie sich an den Antisemitismus assimilieren.
Das Zurückziehen auf die Innerlichkeit, „Schamlosigkeit“ und das Verwischen der Grenzen zwischen „intim“ und „öffentlich“ sind, laut Arendt, Phänomene der [[Romantik]], die die Wirklichkeit der Welt ausblenden und Rahels Haltung verstärkten, durch Verstellung und Umdeutung der Wahrheit zu Ansehen zu gelangen.


Auch assimilierte Juden in Europa waren demnach [[Außenseiter]], also Parias geblieben, weil sie meistens von großen Teilen des Adels und vor allem vom Bürgertum nicht anerkannt wurden. Zwar konnten Wohlhabende in die Rolle des Parvenüs wechseln; dies war jedoch mit Lüge, Untertanengeist und Heuchelei erkauft. Den Status des unbeliebten Außenseiters konnten sie dadurch nicht überwinden. Einige der Parias wurden zu Rebellen und behielten auf diese Weise ihre Identität bei.
In Rahel Levins erstem Berliner Kreis verkehrten viele Geistesgrößen der damaligen Gesellschaft, aber auch [[Louis Ferdinand Prinz von Preußen]] (der 'Romantiker auf dem Thron') mit seiner Geliebten Pauline Wiesel sowie Schauspieler, die - wie Juden - von der Gesellschaft nicht anerkannt wurden. In den wenigen Stunden der Begegnung fühlte sich Rahel mit allen gleichberechtigt. Standesunterschiede, Religion und Geschlecht spielten hier, so schien es, keine Rolle. Während sich die jüdischen Männer ihren Geschäften widmeten – Rahel bedauert in einem Brief, dass Frauen dieser Bereich nicht zugänglich sei (RV, 1981, S. 287) – , vollzogen die eigentliche gesellschaftliche Assimilation die jüdischen Frauen, die kurzzeitig in der Zeit zwischen den [[Ghetto]]s und antisemitischen Entwicklungen [[Literarischer Salon|literarische Salons]] begründeten. „Gerade weil Juden außerhalb der Gesellschaft standen, wurden sie für kurze Zeit eine Art neutraler Boden, auf dem sich die Gebildeten trafen.“ RV,1981, S.72)


Rahel strebte, so Arendt, bis kurz vor ihrem Tod die vollständige Eingliederung in die Gesellschaft als Person an. Erst am Lebensende nahm sie eine klare Haltung ein, war wieder Jüdin und Paria geworden. Nunmehr sah sie die Realität des Antisemitismus klar. Als Anhängerin [[Henri de Saint-Simon|Saint-Simons]] forderte sie Gleichheit und Rechte ohne Berücksichtigung der Herkunft.
[[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], wie auch ihre Freunde, stellten Rahel Levins <große Originalität> heraus. Dies wurde jedoch nicht von allen positiv, sondern eher als Stillosigkeit und Unordnung betrachtet. Sie orientierte sich später an Goethe, ohne sich, wie sie schreibt, blindlings von einem Menschen einnehmen zu lassen. „Weil sie Goethe versteht und erst von ihm aus sich versteht, kann er ihr fast die Tradition ersetzen...Goethe vermittelt ihr die Sprache, die sie sprechen kann.“ RV, 1981, S.125f)


=== „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ ===
Durch Zufall lernte Rahel Levin 1795 den Grafen Karl von Finckenstein kennen. Beide verliebten sich ineinander und verlobten sich. Durch den Aufstieg in den preußischen Adel hoffte Rahel aus dem Judentum herauszukommen. Sie führte Finckenstein in ihren [[Salon der Rahel Varnhagen|Salon]] ein, wo ein Adelstitel nichts galt und er wenig Anerkennung fand. Sich auf seine Familie beziehend, die keine jüdische Schwiegertochter akzeptieren wollte, löste Finckenstein die Verlobung. Rahel litt lange unter Liebeskummer, doch auch, weil die Trennung eine Niederlage bedeutete, hatte sie doch gehofft, als Individuum akzeptiert zu werden.
{{Hauptartikel|Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft}}


Im ersten Teil ihres fast 1000 Seiten umfassenden Hauptwerkes, das 1951 zunächst in den USA und 1955 in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht wurde, rekonstruiert Arendt die Entwicklung des Antisemitismus im 18. und 19. Jahrhundert, im zweiten Teil den Verlauf und die Funktionsweise des Rassismus und des Imperialismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus. Schließlich beschreibt sie im dritten Teil die beiden Formen totaler Herrschaft – [[Nationalsozialismus]] und [[Stalinismus]] – vor dem Hintergrund ihrer These der wachsenden Zerstörung des politischen Raums durch die [[Entfremdung]] des Individuums in der [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]].
1800 ging Rahel nach Paris, um das Unglück und die 'Schande' hinter sich zu lassen. Sie fiel zunächst in eine [[Melancholie]], die sie jedoch durch das Leben in der Fremde ablegen konnte. "Leicht ist es, das Leben in der Fremde zu lieben." (RV, 1981, S. 75), man kann ein niemand sein, seinen Namen ablegen, und verlieben kann man sich ohne Gefahr. Und durch die Liebe lernte sie den Genuss kennen. Zurück in Berlin, suchte sie Halt in einer [[Deismus|deistischen]] Form der Religion, die weder dem Judentum noch dem Christentum ähnelte.


==== Antisemitismus, Imperialismus und totale Herrschaft ====
Eine weitere Liebesgeschichte mit [[Friedrich von Gentz]] scheiterte an dessen Verrat wegen ihrer jüdischen Herkunft.
Arendt verwirft alle [[Ideologie]]n des 19. Jahrhunderts, wie die bürgerliche Wissenschaftsgläubigkeit, z.&nbsp;B. des [[Darwinismus]]. Aber auch den [[Idealismus (Philosophie)|Idealismus]] lehnt sie als Ursprung des nationalsozialistischen „Gesetzes der Natur“ ab. Ebenso steht sie dem geschichtsphilosophischen [[Fortschritt]]soptimismus, der sich beispielsweise im [[Marxismus]] zeigt, und pessimistischen Geschichtsauffassungen kritisch gegenüber, da sie sich von allen Vorstellungen linearer Entwicklung abgrenzt und stattdessen von der Möglichkeit eines Neuanfangs oder des Scheiterns einer jeden neuen Generation überzeugt ist.
Auch eine zweite Verlobung mit einem spanischen Adligen, Don Raphael d'Urquijo, den sie leidenschaftlich liebte, ging in die Brüche, da dieser zwar an ihrem Judentum keinen Anstoß nahm, jedoch ganz bestimmte Vorstellungen über die Unterordnung der Frau unter den Mann hatte. (VS, 1981, S.107)


Der [[Antisemitismus]] wurde im 18. und 19. Jahrhundert zu einer an den [[Nationalismus]] gebundenen irrationalen Ideologie. Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung dieser national-völkischen Ideologie sieht Arendt im [[Imperialismus]], den sie mit Bezug auf die [[Imperialismustheorie]] [[Rosa Luxemburg]]s<ref>EuU 2005, S. 334. Vgl. auch EuU 1995, S. 254.</ref> als Grundlage für die weitere Entwicklung des Antisemitismus und des Rassismus untersucht. Während der „nationale“ Antisemitismus den Ausschluss der Juden aus der Nation fordere, gehe es dem „imperialistischen“ Antisemitismus nationenübergreifend um die Vernichtung der Juden.
Aus ihren Erfahrungen zog Rahel den Schluss, die Kunst zu erlernen, nicht die Wahrheit zu sagen, sondern das eigene Leben als Schauspiel oder als Erzählung darzustellen. "Es ist besser, nur eine Anekdote zu sein als ein Mensch mit Eigenschaften." (RV, 1981, S.142) Hauptadressatin ihrer Lebensgeschichte ist Rebecca Friedländer (eine Schwiegertochter [[David Friedländer]s, an die Rahel in diesen Jahren (1805-1810) hundertachtundfünfzig Briefe schreibt. Sie beschloss, wie vor ihr schon ihr Bruder, sich fortan Rahel Robert zu nennen, um sich von der jüdischen Identität auch äußerlich zu trennen.


Der Imperialismus zersetze die politischen Räume der Gesellschaft, indem er in der Innen- und Außenpolitik Hindernisse beseitige, die die Expansion des Kapitals stören. Arendt erweitert den marxistischen Imperialismusbegriff um die Dimension des [[Rassismus]] und kritisiert die Reduzierung der Auseinandersetzungen mit dem [[Kapitalismus]] auf die rein ökonomischen Fragen. Die politische Triebfeder des Imperialismus sei der Versuch, die Menschheit in „[[Herrenrasse|Herren-]] und [[Sklaverei|Sklavenrassen]]“, in „Schwarze und Weiße“ einzuteilen.<ref>EuU 1955, S. 209.</ref>
Anfang des Jahrhunderts erschien die erste moderne „Hetzbroschüre“ ''Wider die Juden'', der eine Welle von [[Antisemitismus bis 1945|Antisemitismus]] folgte. Hannah Arendt vergleicht die Anstrengung von Juden, einzeln in die Gesellschaft aufgenommen zu werden mit den Antisemiten, die jeweils einen „Ausnahmejuden“ kennen. (RV, 1981, S.97)


Im Zuge ihrer Welteroberungspolitik haben totalitäre Regierungen die Gruppen von Flüchtlingen und Staatenlosen stark vermehrt und sich bemüht, ihre rechtlichen und moralischen Positionen zu zerstören, um die Nationalstaaten von innen her zu zersetzen.
1806 wurde der Salon infolge des Einmarsches [[Napoleon]]s geschlossen. Die neuen Berliner [[Salon]]s, eher politisch-literarische Zirkel, ab 1809 waren exklusiver, vom Adel dominiert, patriotisch und von der Romantik geprägt und hatten wie z. B. die [[Christlich-deutsche Tischgesellschaft]] Statuten, die Frauen, Franzosen, [[Philister]]n und Juden den Zutritt verboten. „Worauf es ankam war, dass man sich geistig gegen die Aufklärung, politisch gegen Frankreich und gesellschaftlich gegen den Salon zusammenfand. Als direkter Protest gegen den jüdischen Salon der Zeit muss der Ausschluss der Frauen verstanden werden.“ (RV, 1981, S. 136)
{{Zitat
|Text=Wen immer die Verfolger als Auswurf der Menschheit aus dem Lande jagten – Juden, [[Trotzkismus|Trotzkisten]] und so weiter –, wurde überall auch als Auswurf der Menschheit empfangen, und wen sie für unerwünscht und lästig erklärt hatten, wurde zum lästigen Ausländer, wo immer er hinkam.
|ref=<ref>beide Zitate: EuU 1995, S. 425.</ref>}}


Die Frage, warum die Juden als Opfer ausgewählt wurden, beschäftigt die politische Denkerin durchgehend. Bereits in der Einleitung kritisiert sie Historiker, die das Bild vom „[[Ewiger Jude|ewigen Juden]]“, den ewigen natürlichen Antisemitismus nicht hinterfragen oder die [[Sündenbock]]these sowie die „Ventiltheorie“ als Erklärung für die nationalsozialistische Judenvernichtung verbreiten.
Rahel versuchte zunächst, sich Napoleon als Sieger und Vertreter der Aufklärung anzuschließen, während ihre früheren Freunde wachsendem [[Chauvinismus]] verfielen und sie in zunehmende Isolation geriet. In dieser verzweifelten Situation begegnete sie [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]], dessen Vorlesungsreihe Reden an die deutsche Nation gerade einen großen Erfolg erzielten, und übernahm von ihm eine philosophische Form des [[Nationalismus]]. Träger der neuen Welt sei nicht Geschichte oder Stand, sondern die [[Nation]]. Dies gab Rahel die Chance dazuzugehören, wenn sie ihre individuelle vorherige Existenz „vernichtete“. Gelingen konnte ihr das nicht, „denn der patriotische Antisemitismus, dem auch Fichte nicht fernstand, vergiftete alle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden.“ (RV, 1981, S.143)


„Wenn es wahr ist, daß die Menschheit immer darauf bestanden hat, Juden zu ermorden, dann ist Judenmord eine normale, menschliche Betätigung und [[Judenfeindlichkeit|Judenhaß]] eine Reaktion, die man noch nicht einmal zu rechtfertigen braucht.“ Tatsächlich sei jedoch nichts so „grauenhaft einprägsam“ wie die vollkommene Unschuld aller, die in der „Terrormaschine“ gefangen wurden.<ref>EuU 1995, S. 30f.</ref>
====Gelungene Assimilation?====
1808 lernte Rahel den 14 Jahre jüngeren [[Karl August Varnhagen von Ense|August Varnhagen]] kennen, einen abgebrochenen Medizinstudenten, der sich mit Philosophie und Literatur beschäftigte, kleinere Werke herausgebracht hatte und freisinnig dachte. Arendt charakterisiert ihn ambivalent als „unoriginell“, „geschmacklos“ und „banal“, jedoch andererseits „bildsam aus Einsicht; er bemüht sich zu verstehen, weil er Vernunft hat“ (RV, 1981, S. 158). Er wird zum „Propheten“ und „Priester“ Rahels, verwaltet ihre Tagebücher und Briefe, möchte ihr dienen und von ihr lernen, wird ihr lebenslanger Freund und Geliebter.


==== Abgrenzung und Charakterisierung der totalen Herrschaft ====
In ihrem Vorwort (von 1958) wirft Arendt Rahels Ehemann vor, er habe das Material korrigiert, z.T. verstümmelt und Namen geändert, so dass Rahels Umgang weniger „jüdisch“ und mehr „aristokratisch“ erschien (RV, 1981, S. 9). Dieses Handeln entspringt seinem dringenden Anpassungswunsch, das Arendt mit dem Bild des [[Parvenu]] verknüpft, als den sie ihn zeichnet (RV, S. 186). Der Parvenu "schwindelt" sich in eine Gesellschaft hinein, in die er nicht gehört. Es ist dieses Lügen, das Rahel perfekt beherrscht und sie ist es dann auch, die Varnhagen maßgeblich in diese Richtung beeinflusst hat.(RV, S. 188)
Den Begriff der totalen Herrschaft grenzt Arendt ein auf den Nationalsozialismus, endend mit Hitlers Tod, und das System des Stalinismus, das sie von 1929 an bis zu [[Josef Stalin|Stalins]] Tod 1953 in der [[Geschichte der Sowjetunion|Sowjetunion]] verwirklicht sieht. Es handelt sich ihrer Auffassung nach um „Variationen des gleichen Modells“.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 640.</ref> Nicht der Staat und die Nation sind für die totalitäre Politik letztendlich wichtig, sondern die [[Massenbewegung (Soziologie)|Massenbewegung]], die sich auf Ideologien, wie den Rassismus oder den Marxismus stützt.<ref>EuU 1995, S. 507.</ref>


Als Kennzeichen dieser Herrschaftsform sieht sie: die Umwandlung der [[Soziale Klasse|Klassen]] – auf der Grundlage von Interessen – in fanatisierte Massenbewegungen, die Beseitigung von Gruppensolidarität, das [[Führerprinzip]], millionenfache Morde, die Passivität der Opfer, Denunziationen sowie die „Bewunderung für das Verbrechen“.
Aufgrund der Heirat mit Varnhagen 1814 ließ sie sich auf die Namen Antonie Friederike taufen. Offizielles unterschrieb sie mit diesem Namen, behielt aber ansonsten ihren Vornamen Rahel bei. (RV, 1981, S. 299) Über ihre Ehe schrieb sie 1815, sie sei völlig frei und wahrhaftig bei Varnhagen, sonst hätte sie ihn nie heiraten können. (RV, 1981, S. 280)


Demnach sind Anhänger totalitärer Massenbewegungen Argumenten nicht zugänglich und ignorieren ihren Selbsterhaltungstrieb. Totalitäre Führer rühmen sich begangener Verbrechen und kündigen künftige an. Sie exekutieren „Gesetze von Natur oder Geschichte“. Während jedoch der [[Dialektischer Materialismus|dialektische Materialismus]] auf den besten Traditionen basiere, sei der Rassismus kläglich-vulgär. Beide Ideologien liefen auf die Ausscheidung von «Schädlichem» oder Überflüssigem zu Gunsten des reibungslosen Ablaufs einer Bewegung hinaus.<ref>EuU 1986 –TB –, S. 948ff.</ref>
Durch die späte Heirat kam sie endlich der ersehnte Assimilation näher und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem sich ihre finanzielle Lage erheblich verschlechtert hatte. Während sie zunächst von ihrer Mutter unterstützt wurde und eine Rente bezog, war sie nunmehr auf freiwillige Zuwendungen ihrer Brüder angewiesen. Varnhagen war zum Zeitpunkt der Eheschließung arm, ohne Namen und ohne Stand. Jedoch hatte er durch die Erfahrungen im Militär [[Koalitionskriege|1809]] und wiederum [[Koalitionskriege|1813/14]] Aussichten auf eine kleine diplomatische Position im Dienste Österreichs.


Für Arendt ist die totale Herrschaft die einzige Staatsform, mit der es keine Koexistenz und keinen Kompromiss geben kann.
Während des Krieges 1813/14 konnte Rahel sich erstmals praktisch als Deutsche bewähren und ihre neu erworbene Vaterlandsbegeisterung zeigen. Sie kümmerte sich um Verwundete und sammelte Geld. Doch sie lehnte Krieg - im Gegensatz zu den meisten ihrer Zeitgenossen - ab.


'''Zeitweiliges Bündnis zwischen Mob und Elite'''
Schon 1815 etablierte sich erneut der Antisemitismus offen und stark, 1819 gab es [[Pogrom]]e in Preußen.


Zu diesem Abschnitt ihres Buches stellt der bereits früher veröffentlichte Essay ''[[Über den Imperialismus]]'' eine Vorstudie dar.<ref>In die amerikanische Erstausgabe ''The Origins of Totalitarianism'' hat sie die englischsprachige bereits 1946 im jüdischen politischen Magazin [[Commentary]] erschienene Studie ''Imperialism: Road to Suicide, The Political Origins and Use of Racism'' (Dt. ''Über den Imperialismus'') wörtlich aufgenommen.</ref>
Nunmehr strebte Rahel die Aufnahme in den Adelsstand an. August recherchierte seine Herkunft aus der adeligen Familie von Ense und ließ auf ihre Veranlassung diesen Stand vom Kaiser bestätigen. (RV, 1981, S.196f) Er war zunächst Sekretär auf dem [[Wiener Kongress]], anschließend preußischer Geschäftsträger in Baden, wurde eine Art politischer Schriftsteller und verkehrte in der Funktion Geheimer Legationsrat mit den Honoratioren der Gesellschaft. Seine finanzielle Situation war gut. Rahel hat ihr Ziel erreicht. ''Sie wird richtig dumm und platt vor lauter überschwenglichem Glück darüber, daß man ihr gnädigst erlaubt mitzutun''. (RV, S. 184).


Totalitäre Bewegungen sind laut Arendt durch die echte Ergebenheit ihrer Anhänger geprägt. Gerade ein großer Teil der geistigen und künstlerischen [[Elite]] hat sich&nbsp;– wenigstens zeitweise&nbsp;– mit den totalitären Regierungen identifiziert. Die Elite habe sich (aus guten Gründen), bevor der „Zusammenbruch des Klassensystems“ die „Massenindividuen“ erzeugte, von der Gesellschaft losgesagt und könne nun die Massen „verstehen“. Ebenso stehe der [[Mob (Personen)|Mob]], der von Verfassungen, Parteien und Moralsystemen nicht berührt werde, die Unterwelt und das Gesindel umfasse, am Rande der Gesellschaft. Er sei erstmals bereit und in der Lage gewesen, die Massen zu organisieren und, da er keine berufliche Karriere anstreben konnte, politische Ämter zu übernehmen.
An diesem Punkt in Rahels Biografie angelangt, hatte Arendt das Schreiben unterbrochen. In den folgenden, später entstandenen Kapiteln nun, entwickelt sie ihr Konzept von [[Paria]] und [[Parvenu]]. Das "Schwindeln" und Geschichten erzählen, das Rahel als Aufsteigerin ein Leben lang begleitet hat, wird nun zu Heuchelei und Lüge und ihr zunehmend eine Last.


Die Führer der Parteien meinten, dies diskreditiere den Mob, doch es war umgekehrt, da die Lage der Massen so verzweifelt war, dass sie nicht mehr auf die bürgerliche Gesellschaft hofften. Hitlers „hysterischer Fanatismus“ und Stalins „rachsüchtige Grausamkeit“ trugen Arendt zufolge Züge des Pöbels.
Von 1821 bis 1832 führte Rahel ihren zweiten Salon mit wiederum illustren Gästen wie [[Heinrich Heine]], [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]], [[Leopold von Ranke]] oder [[Bettina von Arnim]]. Doch der Salon blieb - im Gegensatz zu dem ersten - nur eine Illusion der Gemeinsamkeit und der Integration. Außerhalb dessen blieben die Varnhagens isoliert und erhielten keine Einladungen zu den angestrebten Kreisen.
{{Zitat
Ihren inneren Konflikt drückte Rahel sehr drastisch aus: ''Was ist es garstig, sich immer erst legitimieren zu müssen! Darum ist es ja nur so widerwärtig, eine Jüdin zu sein!!'' (RV, 1981, S. 229). Arendt schlussfolgert:
|Text=Jedenfalls beruhte das zeitweilige Bündnis zwischen Elite und Mob weitgehend auf dem echten Vergnügen, das der Mob der Elite bereitete, als er daranging, die Respektabilität der guten Gesellschaft zu entlarven, ob nun die deutschen Stahlbarone den ‚Anstreicher [[Adolf Hitler|Hitler]]‘ empfingen oder ob das Geistes- und Kulturleben mit plumpen und vulgären Fälschungen aus seiner akademischen Bahn geworfen wurde.|ref=<ref>EuU 1986 -TB-, S. 703, 713.</ref>}}
:„Es gibt keine Assimilation, wenn man nur seine eigene Vergangenheit aufgibt, aber die fremde ignoriert. In einer im großen Ganzen judenfeindlichen Gesellschaft – und das waren bis in unser Jahrhundert hinein alle Länder, in denen Juden lebten – kann man sich nur assimilieren, wenn man sich an den Antisemitismus assimiliert.“ (RV, 1981, S. 233).


Die Elite war demnach vom Radikalismus besonders fasziniert, von der Aufhebung der Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem und von der Erfassung des ganzen Menschen durch die jeweilige Weltanschauung. Die Überzeugungen des Mobs betrachtet sie als reine, nicht durch Heuchelei abgeschwächte Verhaltensweisen der Bourgeoisie. Doch die Hoffnungen beider Gruppen wurden nicht erfüllt, da die Führer der totalitären Bewegungen, die zum großen Teil dem Mob entstammten, weder dessen Interessen noch die der intellektuellen Anhänger vertraten, sondern „[[Millenarismus|tausendjährige Reiche]]“ anstrebten. Initiativen von Mob und Elite wären „beim Aufbau funktionsfähiger Beherrschungs- und Vernichtungsapparate“ eher hinderlich gewesen. Die Machthaber griffen daher lieber auf die „Massen gleichgeschalteter [[Spießbürger|Spießer]]“ zurück.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 719ff.</ref>
Juden in Europa waren, auch wenn sie sich assimiliert hatten, Außenseiter, Parias, geblieben, weil sie meistens von großen Teilen des Adels und vor allem vom Bürgertum nicht anerkannt wurden. Zwar konnten die, deren Familien zu Geld gekommen waren, in die Rolle der Parvenus, d.h. Aufsteiger wechseln. Dies war jedoch mit Lüge, Untertanengeist und Heuchelei erkauft. Der Status des unbeliebten Außenseiters wurde auch dadurch nicht überwunden. Einige der Parias wurden zu Rebellen und behielten ihre Identität bei.


'''Totalitäre Propaganda und Indoktrination'''
Rahel strebte ehrgeizig bis kurz vor ihrem Tod die vollständige Eingliederung in den Gesellschaft als Person an, merkte jedoch zunehmend, dass sie nicht bereit war, die "Wahrheit" als Wert aufzugeben. ("Um ein Parvenu zu werden, muß man mit der Wahrheit bezahlen, und dies will Rahel nicht." (RV, 191) Auf diese Weise blieb ihr nichts anderes übrig, als in einem Raum zwischen „Paria“ und „Parvenu“ zu bleiben, denn sie wurde immer wieder mit der Vergeblichkeit ihrer widersprüchlichen Wünsche konfrontiert. Sie kannte den Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit und litt daran, sich immer wieder verstellen zu müssen.


Während Mob und Elite selbstständig alles Bestehende durch Terror umwälzen wollten, konnten die Massen erst durch [[Propaganda]] in totalitäre Organisationen eingebunden werden. Totalitäre Bewegungen verändern die Realitätswahrnehmung der Gesellschaft und fixieren sie auf universelle Bedeutungen. Die Bewegung nahm Ideologien von einer „Rassegesellschaft oder eine(r) klassen- und nationslosen Gesellschaft“<ref>EuU 1986 -TB-, S. 706.</ref> auf und verbreitete Theorien von [[Verschwörungstheorie|Verschwörungen]] gegen die Gesellschaft durch Juden oder Parteifeinde.
Erst am Lebensende war Rahel sich dieses Problems bewusst geworden und fand zu einer klareren Haltung zurück, war wieder Jüdin und „Paria“ geworden. Sie hatte im Alter die Chance ergriffen, sich mit ihrem Judentum zu versöhnen und die Realität des Antisemitismus, z.B. die Mähr von den Juden, die Brunnen vergiften, klar zu sehen. Als Anhängerin [[Saint-Simon]]s forderte sie Gleichheit und Rechte ohne Berücksichtigung der Herkunft.


Für den Nationalsozialismus stellt Arendt die Bedeutung dieses Phänomens anhand der ''[[Protokolle der Weisen von Zion]]'' heraus. Es müsse gefragt werden, wie diese offensichtliche Fälschung zu der „Bibel einer Massenbewegung“ werden konnte.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 30.</ref> Mit dem Glauben an die Jüdische Weltverschwörung und ihren modernen Elementen ließen sich Antworten auf Probleme der [[Moderne]] vermitteln. „Es sind die eigentümlich modernen Elemente, denen die Protokolle ihre außerordentliche Aktualität verdanken und die stärker wirken als die viel banalere Beimischung uralten Aberglaubens.“<ref>EuU 1986 -TB-&nbsp; S. 758, siehe auch: S. 757 ff.</ref>
=== Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft ===
In ihrem umfangreichsten, vielfach als Hauptwerk bezeichneten, Buch ''Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft'' beschäftigt sich Hannah Arendt mit dem Zustandekommen und den Wesensmerkmalen des Nationalsozialismus und des Stalinismus. In der ersten, 1951 erschienenen englischen Fassung sind die Ausführungen über den Stalinismus, aber auch die ausführlichere Analyse des Nationalsozialismus noch nicht vollständig. Hannah Arendt hat dieses auf vielen historischen und literarischen Quellen beruhende Werk im Laufe der Zeit fortgeschrieben. Die deutsche Fassung von 1955 enthielt neuere Quellen. 1958 erschien eine von der Autorin bearbeitete und erweiterte Neuauflage, 1966 schließlich die umfangreichste letzte Edition. Sie schreibt dazu 1966, das ursprüngliche Manuskript sei im Herbst 1949 fertiggestellt worden. (EuU 1986, S.629) Das Werk ist untergliedert in drei Teile: ''Antisemitismus'', ''Imperialismus'' und ''Totale Herrschaft''.


Auch im Stalinismus findet sie antisemitische Züge nach nazistischem Vorbild. Der Bezug auf eine jüdische Weltverschwörung im Sinne der ''Weisen von Zion,'' die Umdeutung des Begriffs „Zionismus“, die alle nichtzionistischen Organisationen und damit alle Juden einschloss, eignete sich auf Grund der vorhandenen antisemitischen Ressentiments in der Bevölkerung eher zur Verwirklichung der Ansprüche auf eine Weltherrschaft als der Kapitalismus oder der Imperialismus.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 641f.</ref>
Dazu rekonstruiert sie im ersten Teil ihres Buches die Entwicklung des Antisemitismus im 18. und 19. Jahrhundert, im zweiten Teil den Verlauf und die Funktionsweise des Rassismus und des Imperialismus im 19. und frühen 20. Jahrhunderts bis zum Nationalsozialismus und im dritten Teil die beiden Formen totaler Herrschaft auf dem Hintergrund ihrer These der wachsenden Zerstörung des politischen Raums durch die Entfremdung des Individuums in der Massengesellschaft.


Nach der Machtübernahme durch die „Bewegungen“ sei, so die Autorin, die Propaganda durch [[Indoktrination]] ersetzt worden. Der Terror richtete sich jetzt nicht allein gegen die angeblichen Feinde, sondern auch gegen die unbequem gewordenen Freunde. Die Ergebenheit der treuen Mitglieder ging dann so weit, dass sie jederzeit bereit waren, den Opfertod für den Führer oder die Partei zu sterben. Arendt belegt dies z.&nbsp;B. mit der Haltung der Angeklagten in den [[Moskauer Prozesse]]n.
Die Beschreibungen der totalitären Herrschaft, insbesondere im dritten Teil ihres Buches, dienten Politikwissenschaftlern dazu, Theorien des [[Totalitarismus]] zu entwickeln, die z.&nbsp;T. weit über die strenge Definition Arendts hinausgehen. Außer im Titel der amerikanischen Ausgabe findet der Begriff Totalitarismus in ''Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft'' keine Verwendung.


Die Lügen über die „Verschwörer“, argumentiert die Verfasserin, seien durch ihre Offensichtlichkeit nicht entkräftet worden:
==== Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft====
Arendt zeichnet den Zusammenhang des modernen Antisemitismus mit der Entwicklung der Nationalstaaten nach. Eine besondere Rolle in der Entstehung des modernen Antisemitismus spielt dabei der [[Rationalismus]]. Kritisch sieht sie alle [[Ideologie]]n des 19. Jahrhunderts, wie die bürgerliche Wissenschaftsgläubigkeit, z.B. des [[Darwinismus]]. Aber auch den [[Idealismus]] lehnt sie als Ursprung des nationalsozialistischen „Gesetzes der Natur” ab. Ebenso steht sie dem geschichtsphilosophischen Fortschrittsoptimismus, der sich beispielsweise im [[Marxismus]] zeige, kritisch gegenüber. Darüber hinaus bemängelt sie auch die pessimistischen Geschichtsauffassungen, da sie Vorstellungen linearer Entwicklungen in keiner Form akzeptiert, sondern von der Möglichkeit der Chance oder des Scheitern einer jeden neuen Generation überzeugt ist.


{{Zitat
Der Antisemitismus wird im 18. und 19. Jahrhundert zu einer an den [[Nationalismus]] gebundenen irrationalen [[Ideologie]]. „Man könnte sagen, daß es das Wesen der Ideologie ist, aus einer Idee eine [[Prämisse]] zu machen, aus einer Einsicht in das, was ist, eine Voraussetzung für das, was sich zwangsmäßig einsichtig ereignen soll. Jedoch haben die Verwandlung der den Ideologien zugrunde liegenden Ideen in solche Prämissen erst die totalitären Gewalthaber wirklich vollzogen.“ (EuU S.721)
|Text=So hat weder die offenbare Hilflosigkeit der Juden gegen ihre Ausrottung die Fabel von der Allmacht der Juden, noch haben die Liquidierung der Trotzkisten in Russland und die Ermordung Trotzkis die Fabel von der Verschwörung der Trotzkisten gegen die Sowjetunion zu zerstören vermocht.
|ref=<ref>EuU 1986 -TB-, S. 739ff. und 763.</ref>}}


'''Terror als Wesen totaler Herrschaft'''
Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung dieser national-völkischen Ideologie sieht Arendt im Imperialismus, den sie mit Bezug auf die [[Imperialismustheorie]] [[Rosa Luxemburg]]s (EuU, 2005, S. 334) als Grundlage für die weitere Entwicklung des Antisemitismus und des Rassismus untersucht. Während der „nationale“ Antisemitismus den Ausschluss der Juden aus der Nation fordert, geht es dem „imperialistischen“ Antisemitismus nationenübergreifend um die Vernichtung der Juden. Daraus formuliert sie ihre zentrale These zum Verhältnis von [[Bourgeoisie]], Imperialismus und nationalsozialistischer Bewegung:


In der [[Zeit des Nationalsozialismus]] wurde, fährt Arendt fort, der Machtapparat vollständig etabliert, [[Gleichschaltung|gleichgeschaltet]] und nach und nach immer radikaler und undurchschaubarer gestaltet. Das „Recht zum Morden“ zusammen mit Methoden, das Wissen aus der Welt zu schaffen, wurde zur sichtbaren Weltanschauung.
:„Überall widerstanden die Nationalstaatlichen Institutionen der Brutalität und dem Größenwahn imperialistischer Aspirationen, und die Versuche der Bourgeoisie, den Staat und seine Gewaltmittel als Instrumente für die eigenen wirtschaftliche Ziele zu benutzen, waren immer nur halb erfolgreich. Dies änderte sich erst, als die deutsche Bourgeoisie alle ihre Karten auf die Hitlerbewegung setzte in der Hoffnung, dass der [[Mob]] ihr die Herrschaft verschaffen werde. Aber da war es bereits zu spät. Zwar gelang es der Bourgeoisie, mit Hilfe der Nazibewegung den [[Nationalstaat]] zu zerstören; aber dies war ein [[Pyrrhussieg]], denn der Mob bewies sehr schnell, dass er willens und fähig war, selbst zu regieren, und entmachtete die Bourgeoisie zusammen mit allen anderen Klassen und staatlichen Institutionen.“ (1986. S. 218)
{{Zitat
|Text=Daß die Nazis die Welt erobern, ‚artfremde‘ Völker aussiedeln und ‚erbbiologisch Minderwertige ausmerzen‘ wollten, war so wenig ein Geheimnis wie die [[Weltrevolution]] und -eroberungspläne des russischen Bolschewismus.
|ref=<ref>EuU 1986 -TB-, S. 794.</ref>}}
Während die Nationalsozialisten immer die Fiktion der jüdischen Weltverschwörung aufrechterhielten, änderten die Bolschewisten ihre Fiktion mehrmals: von der trotzkistischen Weltverschwörung über den Imperialismus zur Verschwörung der «[[Wurzelloser Kosmopolit|wurzellosen Kosmopoliten]]» usw. Stalins Machtmittel war die Verwandlung der [[Kommunistische Partei|Kommunistischen Parteien]] in Filialen der von Moskau beherrschten [[Kommunistische Internationale|Komintern]]. Innerhalb der „totalen Welt“ herrschte der Polizeiapparat als Geheimpolizei, [[Gossudarstwennoje Polititscheskoje Uprawlenije|GPU]] oder [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]].


Die Zahl der in den NS-Vernichtungslagern ermordeten Juden sowie anderer Gruppen und der im „Raubkrieg“ getöteten Menschen sei nachweisbar. Aus Arendts Quellenlage war keine genaue Quantifizierung der Opfer des Stalinismus möglich. Die Morde reichten von der [[Entkulakisierung|Liquidierung der Kulaken]] über die Verluste während der [[Zwangskollektivierung in der Sowjetunion|Kollektivierung der Landwirtschaft]], die [[Moskauer Prozesse]] bis zum [[Großer Terror (Sowjetunion)|Großen Terror]]. Sie stützte sich u.&nbsp;a. auf Angaben zeitgenössischer junger russischer Intellektueller über „[[Politische Säuberung|Massensäuberungen]], Verschleppung und Ausrottung ganzer Völker“.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 639f., S. 827.</ref>
Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Imperialismus für den Antisemitismus beschäftigt sich der zweite Teil intensiv mit den Formen des Imperialismus im 19. Jahrhundert. Arendt zeichnet die Zwänge und Funktionsweisen der kapitalistischen Produktion nach und erklärt die Notwendigkeit des Imperialismus für die Nationalstaaten. „Und so kam es, daß zum ersten Mal die politischen Machtmittel des Staates den Weg gingen, der ihnen vom [[Kapital]] vorgewiesen war.“ (EuU 1955, S. 225)


Hannah Arendt beschreibt die Konzentrations- und Vernichtungslager als Versuchsanstalten, die der Ausrottung von Menschen, der Erniedrigung von Individuen dienten und dem Nachweis, dass Menschen total beherrschbar sind. Identität, Pluralität und Spontanität aller Menschen sollten vernichtet werden. Die Lager seien für die Erhaltung des Machtapparats zentral gewesen, die Verbrechen und [[Gräueltat]]en so ungeheuerlich, das Grauen so groß, dass sie auf Unbeteiligte leicht unglaubhaft wirkten. Denn die Wahrheit der Opfer beleidige den gesunden Menschenverstand. Hitlers „hundertfach wiederholten Ankündigungen, daß Juden Parasiten seien, die man ausrotten müsse“, wurde nicht geglaubt.
Neben der Notwendigkeit zur Expansion führt der Imperialismus gleichzeitig dazu, dass sich das Kapital seiner staatlichen Bindung entzieht. Arendt beschreibt , wie der Imperialismus die politischen Räume der Gesellschaft zersetzt. Sowohl in der Außenpolitik als auch in der Innenpolitik werden Hindernisse, die die Expansion des Kapitals stören, beseitigt. Sie stellt die These auf, dass das Politische in dem Maße zerstört wird, wie dem Imperialismus keine Grenzens gesetzt werden. „Insgesamt aber ist von dem Element des Antisemitismus im Aufbau der totalitären Herrschafts- und Bewegungsformen zu sagen, dass es sich voll erst im Zersetzungsprozeß des Nationalstaates entwickelte, zu einer Zeit also, als der Imperialismus bereits im Vordergrund des politischen Geschehens stand.“ (EuU 1986, S. 34)


Das Grauen vor dem „[[Das radikal Böse|radikal Bösen]]“ bringt die Erkenntnis, dass es hierfür keine politischen, geschichtlichen oder moralischen menschlichen Maßstäbe gibt.
Arendt erweitert den marxistischen Imperialismusbegriff um die Dimension des Rassismus und kritisiert die Reduzierung der Auseinandersetzungen mit dem [[Kapitalismus]] auf die rein ökonomischen Fragen: „Die frühzeitige Entdeckung der rein ökonomischen Veranlassungen und Triebfedern des Imperialismus (...) hat die eigentliche politische Struktur, den Versuch nämlich, die Menschheit in Herren- und Sklavenrassen, in <higher and lower breeds>, in Schwarze und Weiße (...) einzuteilen, eher verdeckt als aufgeklärt.“ (EuU, 1955, S. 209)


Konzentrationslager stehen immer außerhalb des normalen Strafsystems. Sie beruhen auf der „Tötung der [[Juristische Person|juristischen Person]]“. Der Mensch wird reduziert auf „Jude“, „Bazillenträger“, „Exponent(en) absterbender Klassen“. Bei den Verbrechern und Politischen kann die Vernichtung der juristischen Person laut Arendt nicht vollständig gelingen, „weil sie wissen, warum sie dort sind“. Die meisten Insassen seien aber völlig unschuldig gewesen. Gerade diese wurden in den Gaskammern liquidiert, während wirkliche Regimefeinde häufig schon im Vorfeld getötet wurden.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 907ff und 916ff.</ref> Die „Entrechtung“ des Menschen sei „Vorbedingung für sein totales Beherrschtsein“ und gelte für jeden, der in einem totalitären System lebt.
Sie unterscheidet hier zwei Ausformungen des Imperialismus, den überseeischen und den kontinentalen Imperialismus. Am Beispiel der „Rassengesellschaft“ in [[Südafrika]] und des [[Despotismus]] im [[Kolonialismus]] eines [[Carl Peters]] ("Ich hatte es satt, unter die [[Paria]]s gerechnet zu werden, und wollte einem [[Herrenvolk]] angehören.") verdeutlicht sie das Zusammenwirken von Rassismus und Kapitalismus im überseeischen Imperialismus. (EuU, 1986, S. 307f. ''Rasse und Bürokratie'')


Hinzu komme die „Ermordung der moralischen Person“. Es handele sich dabei um ein System des Vergessens, das bis in die Familien- und Freundeskreise der Betroffenen reiche. Der Tod werde anonymisiert. Moralisches Handeln, Gewissensentscheidungen wurden unmöglich. Arendt zitiert den Bericht von [[Albert Camus]] über eine Frau, der die Nationalsozialisten die Wahl zuschoben zu entscheiden, welches ihrer drei Kinder getötet werden sollte.
Der kontinentale Imperialismus findet seinen Ausdruck im völkischen Nationalismus der „verspäteten Nation“. Besonders die Nationen in Ost- und Mitteleuropa konnten noch auf keine nationale Geschichte zurückblicken. Hier finden nach Arendt diejenigen politischen Kräfte ihre Anliegen wieder, denen es nicht gelang, sich bisher national zu emanzipieren. Sie erläutert in diesem Zusammenhang wie der demokratische Volksbegriff der [[Aufklärung]] seitens der [[Völkische Bewegung|völkischen Bewegung]] abgelehnt und romantisch aufgeladen wird und zeigt auf, wie dieser völkische Nationalismus den Antisemitismus [[Biologismus|biologistisch]], rassistisch werden lässt, den Rassismus antisemitisch und in einem Antisemitismus der Vernichtung mündet. Aus dem [[Völkischen Nationalismus]] konnte sich die Ideologie der „[[Volksgemeinschaft]]“ entwickeln. (EuU, 1986, S. 277 f. „Völkische Verbundenheit als Ersatz für nationale Emanzipation“, S. 366 f. ''Der völkische Nationalismus'', u.a.)


Das einzige, was dann noch bleibt, um die Verwandlung von Personen in „lebendige Leichname“ zu verhindern, ist die Beibehaltung der „Differenziertheit, der Identität“. Hannah Arendt führt deutlich vor Augen: die Zustände bei den Transporten in die Lager, das Kahlscheren der Schädel, die Entkleidung, die Tortur und die Ermordung. Während die SA noch mit „Haß“ und „blinder Vertiertheit“ tötete, sei der Mord im Lager ein „mechanisierter Vernichtungsakt“ gewesen, teilweise ohne „individuelle Bestialität“ begangen von normalen Menschen, die zu Mitgliedern der [[Schutzstaffel|SS]] erzogen worden seien.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 929ff.</ref>
Totalitäre Regierungen, die im Zuge ihrer Welteroberungspolitik ohnehin trachten mußten, die Nationalstaaten zu zerstören, haben sich ganz bewusst darum bemüht, die staatenlosen Gruppen zu vermehren, um die Nationalstaaten von innen her zu zersetzen." (EuU,1986, S. 426) Die Situation der Flüchtlinge und Staatenlosen, die Zerstörung ihrer rechtlichen und anschließend moralischen Position, wie sie sich den Flüchtlingen in [[Internierungslager]] in der [[Zwischenkriegszeit]] bis hin zum [[Vernichtungslager]] im Nationalsozialismus voll entwickelt zeigt, wird entscheidend für Arendts Analyse totalitärer Politik:
:„Denaturalisierung und Entzug der Staatsbürgerschaft gehörten zu den wirksamsten Waffen in der internationalen Politik totalitärer Regierungen, weil sie hierdurch dem Ausland, das innerhalb seiner eigenen Verfassungen unfähig war, den Verfolgten die elementarsten Menschenrechte zu sichern, ihre eigenen Maßstäbe aufzwingen konnten. Wen immer die Verfolger als Auswurf der Menschheit aus dem Lande jagten – Juden, Trotzkisten und so weiter –, wurde überall auch als Auswurf der Menschheit empfangen, und wen sie für unerwünscht und lästig erklärt hatten, wurde zum lästigen Ausländer, wo immer er hinkam.“ (EuU, 1986, S.426)


Der [[Terror]] als ''Wesen'' einer totalitären Regierung übt zunächst eine eigentümliche Anziehungskraft auf moderne entwurzelte Menschen aus, presst später die Massen zusammen und zerstört alle Beziehungen zwischen Menschen. Das ''Prinzip'' ist die Ideologie, „der innere Zwang“, umgedeutet und so weit angenommen, bis die Menschen voller Furcht, Verzweiflung und Verlassenheit vorwärts in den eigenen Tod getrieben werden, wenn „man“ schließlich selbst zu den «Überflüssigen» und «Schädlingen» gehört.<ref>EuU 1986 -TB-, S. 960ff. Die Unterscheidung zwischen ''Wesen'' und ''Prinzip'' einer Regierung übernimmt Arendt von Montesquieu.</ref>
Arendt verweist auf einen Rundbrief des [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amtes]] vom Januar [[1939]], „also kurz nach den [[Novemberpogrom]]en, an alle deutschen Stellen im Ausland“ . Dort wird ausdrücklich betont, dass es sich bei diesen Verfolgungen nicht so sehr darum handle, die Juden aus Deutschland zu entfernen, als den Antisemitismus in die westlichen Länder, in denen Juden Zuflucht gefunden haben, zu tragen. Die Auswanderung von hunderttausend Juden habe in dieser Hinsicht bereits die erwünschten Resultate gezeigt; Deutschland sei an der Zerstreuung der Juden interessiert, da diese die beste Propaganda für die gegenwärtige deutsche [[Judenverfolgung|Judenpolitik]] bilde. Dabei wird darauf hingewiesen, dass es im deutschen Interesse liege, die Juden als Bettler über die Grenzen zu jagen, denn je ärmer der Einwanderer sei, desto größer die Last für das Gastland. (EuU, 1986, S. 426) Arendt verdeutlicht damit ausführlich den Zusammenhang von totalitaristischer Propaganda für den Antisemitismus mittels einer Politik der Entrechtung der Flüchtlinge und der Gebundenheit von Rechten an eine Staatlichkeit:
:„Da diese Propaganda der vollendeten Tatsachen bessere und schnellere Resultate erzielen würde als alle Propagandareden zusammen, war offenbar. Denn nicht nur gelang es auf dieser Weise, die Juden wirklich zum Abschaum der Menschheit zu machen, es gelang auch, was ihm großen gesehen ungleich wichtiger für totalitäre Herrschaft war, praktisch, am Modell einer unerhörten Not für unschuldige Menschen, darzulegen, dass solche Dinge wie unveräußerbare Menschenrechte bloßes Geschwätz und dass die Proteste der Demokratien nur Heuchelei seien. Das bloße Wort <[[Menschenrecht]]e> wurde überall und für jedermann, in totalitären und demokratischen Ländern, für Opfer, Verfolger und Betrachter gleichermaßen, zum Inbegriff eines heuchlerischen oder schwachsinnigen [[Idealismus]].“(EuU, 1986, S. 426)


Am Ende betont sie, dass die totale Herrschaft nicht in einem langwierigen Prozess, sondern plötzlich zusammenbricht und anschließend die meisten ihrer Anhänger die Teilnahme an Verbrechen, ja selbst die Zugehörigkeit zur Bewegung leugnen.
Indem Arendt die geschichtliche Entwicklung des vernichtenden Antisemitismus bis zum Nationalsozialismus in den Ursprüngen nachzeichnet, lehnt sie die [[Sündenbock]]theorie sowie die „Ventiltheorie“ als Erklärung ab und verweist auf die Entwicklung des Nationalismus, der den Juden keinen eigenen Platz im Staat einräumte. „Hier sieht es nun in der Tat so aus, als hätten wir die "Sündenböcke" jener Theorien vor uns, und es ist keine Frage, daß hier zum ersten Male eine wirkliche Verlockung besteht, den Antisemitismus als etwas zu erklären, was mit der geschichtlichen Existenz in keinerlei geartetem Zusammenhang steht. Denn an dem, was den Juden schließlich wirklich passierte, ist wohl nicht so grauenhaft einprägsam wie die vollkommene Unschuld aller, die in der Terrormaschine gefangen wurden. Über diesem berechtigten Grauen sollte man nicht vergessen, dass der [[Terror]] nur in seinem letzten Stadium sich als die Herrschaftsform des Regimes offenbart und dass diesem Stadium notwendigerweise eine Reihe von Etappen vorangehen müsse, in welchen er sich ideologisch rechtfertigen muß. Die Ideologie also muß erst einmal viele und sogar eine Majorität überzeugt haben, bevor der Terror voll losgelassen werden kann. Für den Historiker ist entscheidend, daß die Juden, bevor sie Opfer des modernen Terrors wurden, im Zentrum der Nazi-Ideologie standen, denn nur der Terror kann sich seine Opfer willkürlich auswählen, aber nicht Propaganda und Ideologie, die Menschen überzeugen und mobilisieren wollen.“ (EuU, 1986, S. 30)


=== „Vita activa oder Vom tätigen Leben“ ===
Die Frage, warum die Juden als Opfer ausgewählt wurden, beschäftigt Hannah Arendt durchgehend. Bereits in der Einleitung kritisiert sie [[Aporie]]n der Historiker, die das Bild vom ''ewigen Juden'' nicht hinterfragen und in der Suche nach der Schuld der Juden, die sich eben an Hypothesen wie der Sündenbocktheorie bindet, selbst zur antisemitischen Geschichtsschreibung werde:
{{Hauptartikel|Vita activa oder Vom tätigen Leben}}


Im Gegensatz zu [[Martin Heidegger|Heidegger]] begründete Arendt ihr Denken von der Geburt des einzelnen Menschen her und nicht vom Tod. In ihrem 1958 veröffentlichten, sich hauptsächlich auf Philosophie beziehenden zweiten Hauptwerk ''The Human Condition,'' in deutscher Sprache – von ihr selbst übersetzt – unter dem Titel: ''Vita activa oder Vom tätigen Leben,''<ref>''Vita activa oder Vom tätigen Leben.'' (VA) München, Zürich -TB- 2006.</ref> 1960 erschienen, führt Arendt diesen Gedanken aus. Mit der Geburt beginnt die Fähigkeit, einen Anfang machen zu können. Das Individuum hat die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei geht es ihr um die Grundbedingungen aktiven menschlichen Lebens, die sie auf „Arbeiten, Herstellen und Handeln“ beschränkt. Davon unterscheidet sie das „[[Wesen (Philosophie)|Wesen]]“ und die „Natur“ des Menschen, die begrifflich nicht zu definieren und menschlicher Erkenntnis nicht zugänglich seien. Versuche, sie zu bestimmen, endeten „zumeist mit irgendwelchen Konstruktionen eines Göttlichen“.<ref>VA -TB- 2006, S. 21.</ref>
:„... warum gerade die Juden in das Sturmzentrum der Ereignisse getrieben wurden, sind uns die Historiker bisher erstaunlicherweise schuldig geblieben. Zumeist behilft man sich mit der Annahme eines gleichsam ewigen Antisemitismus, den man nicht zu billigen braucht, um ihn als eine natürliche Angelegenheit hinzustellen, dokumentiert aus der Geschichte eines nahezu zweitausendjährigen Judenhasses. Daß die antisemitische Geschichtsschreibung sich dieser Theorie professional bemächtigt hat, bedarf keiner Erklärung; sie liefert in der Tat das bestmögliche Alibi für alle Greuel: Wenn es wahr ist, dass die Menschheit immer darauf bestanden hat, Juden zu ermorden, dann ist Judenmord eine normale, menschliche Betätigung und Judenhaß eine Reaktion, die man noch nicht einmal zu rechtfertigen braucht.“ (EuU, 1986, S. 31)


Das Handeln ist ihrer Ansicht nach enger an die Gebürtlichkeit gebunden als das Arbeiten und Herstellen.
So zeichnet Arendt nach, dass die totale Herrschaft durchaus eine passende politische Form für die [[Masse]]ngesellschaft darstellt: „Insofern die totalitären Bewegungen ungeachtet der Herkunft ihrer Führer, den Individualismus sowohl der Bourgeoisie wie des von ihr erzeugten Mobs liquidieren, können sie mit Recht behaupten, daß sie die ersten wirklich antibürgerlichen Parteien in Europa darstellen.” (EuU, 1986, S. 507)


==== Arbeiten und Herstellen ====
Anhand der terroristischen Staatform des Nationalsozialismus verdeutlicht Hannah Arendt sowohl den radikalen Bruch mit der bürgerlichen Gesellschaft und gleichzeitig die tiefe Verwurzelung der totalitären Herrschaft in der Geschichte Europas, der Ideologie des Antisemitismus und der imperialistischen Entwicklung.
Die [[Arbeit (Philosophie)#Aufhebung des Arbeitsbegriffs seit Mitte des 20. Jahrhunderts|Arbeit]] dient dem Fortbestand des Einzelnen und der Gattung. Daher gehört Arbeit notwendig zum menschlichen Leben, aber auch zu dem jedes anderen Lebewesens. Arbeit ist, so sieht es Arendt, nicht mit Freiheit verbunden, sondern stellt einen Zwang zur Erhaltung des Lebens dar, dem der Mensch von der Geburt bis zum Tod ständig unterliegt.


Auf der Grundlage der Arbeit beginnt das Individuum über die Endlichkeit seines Daseins nachzudenken. Um dieser Gewissheit zu entfliehen, baut der Mensch neben der natürlichen eine eigene künstliche Welt auf, für die er Dinge aus unterschiedlichen Materialien herstellt. Arendt geht davon aus, dass diese Welt beständig ist, und das Individuum eine Beziehung zu den hergestellten Dingen und [[Phänomen]]en aufbauen kann. Ein Beispiel dafür ist das Gefühl des „nach Hause Kommens“. In einer sich ständig ändernden Welt kann der Mensch sich nicht zu Hause fühlen.
===== Abgrenzung und Charakterisierung der totalen Herrschaft =====
Arendt grenzt den Begriff der totalen Herrschaft ein auf den Nationalsozialismus endend mit Hitlers Tod und das System des Stalinismus, das sie von 1929 an bis zu [[Stalin]]s Tod 1953 in der [[Geschichte der Sowjetunion|Sowjetunion]] verwirklicht sieht. Es handelt sich ihrer Auffassung nach um „Variationen des gleichen Modells“ (EuU,1986, S.640). Nicht der Staat und die Nation sind für die totalitäre Politik letztendlich wichtig, sondern die Massenbewegung, die sich auf Ideologien, wie den Rassismus oder den Marxismus stützt. Als weitere Kennzeichen dieser Herrschaftsform sieht sie: die Umwandlung der [[Klasse]]n mit Interessen in fanatisierte Massenbewegungen, die Beseitigung von Gruppensolidarität, das [[Führerprinzip]], millionenfache Morde, die Passivität der Opfer, Denunzierungen sowie die „Bewunderung für das Verbrechen“.


Die von Arendt eingeführte Unterscheidung zwischen „Arbeiten“ und „Herstellen“ bezieht sie auch auf die [[Produktion]]. Als Produkte der Arbeit bezeichnet sie Konsumgüter, die „verbraucht“ werden, während Produkte des Herstellens oder des Werkens „gebraucht“ werden.
Darüber hinaus kommt es zu einer „Selbstlosigkeit“, d.h. Selbstvergessenheit, der Einzelnen in der Bewegung. Das eigene Wohlergehen, die Erfahrungen und der Selbsterhaltungstrieb werden ignoriert. Argumenten sind Anhänger von totalitären Massenorganisationen nicht zugänglich. Dies ist nicht allein auf [[Demagogie]] zurückzuführen, sondern auf freiwillige Unterwerfung des Mobs, der außerhalb von Verfassungen, Parteien- und Moralsystemen steht. Totalitäre Führer rühmen sich der Verbrechen, die sie begangen haben und kündigen zukünftige an.


==== Handeln ====
Sie beschäftigt sich im Vorwort zum dritten Teil vom Juni 1966 mit der [[Geschichte Chinas]] unter [[Mao Zedong]], die zeitweise totalitäre Züge aufweise und äußert die Befürchtung, dass in China das vollständig ausgeprägte System der totalen Herrschaft unmittelbar bevorstehe. Einen Monat vorher hatte die [[Kulturrevolution]] in Peking ihren Anfang genommen. Wie stets, zitiert Arendt Quellen, die sie ernst nimmt. Es drohe eine „bourgoise Konterrevolution“ durch „Revisionisten“, „parteifeindliche Elemente in der Partei“, „intellektuelle Klapperschlangen“ und „Giftkräuter“. (EuU, 1986,S.637)
Das [[Soziales Handeln|Handeln]] schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. Es spielt sich ''zwischen'' den Individuen ab und zeigt gleichzeitig die Einzigartigkeit, die Verschiedenheit und [[Pluralismus (Politik)|Pluralität]] der Menschen. Der einzelne Mensch kann, argumentiert Arendt, in einer Gesellschaft überleben, ohne jemals selbst zu arbeiten oder selbst etwas herzustellen.


Handeln besteht in politischer [[Interaktion]], die für Arendt fundamental ist. Kommunikation, d.&nbsp;h. „Finden des rechten Wortes im rechten Augenblick“ ist bereits Handeln. „Stumm ist nur die Gewalt, und schon aus diesem Grunde kann die schiere Gewalt niemals Anspruch auf Größe machen.“<ref>VA -TB- 2006, S. 36.</ref> Arendt betont: Auch wenn der Einzelne noch weiß, dass er ein Mensch ist, so wird er anderen ohne Handlungen nicht als solcher erscheinen. Der für die deutsche Ausgabe gewählte Titel: ''[[Vita activa]]'' beruht auf diesem Gedankengang.
Laut Arendt ist die totale Herrschaft die einzige Staatsform, mit der es keine Koexistenz und keinen Kompromiss geben kann.
:''Was moderne Menschen so leicht in die totalitären Bewegungen jagt, ... ist die allenthalben zunehmende Verlassenheit. Es ist, als breche alles, was Menschen miteinander verbindet in der Krise zusammen. ... Das eiserne Band des [[Terror]]s, mit dem der totalitäre Herrschaftsapparat die von ihm organisierten Massen in eine <entfesselte> Bewegung reißt, erscheint so als ein letzter Halt...'' (EuU, 1986, S. 978)


Handeln findet im öffentlichen Raum statt. Am klarsten realisiert war dies für Arendt in der griechischen [[Polis]], wo das Arbeiten im privaten Raum des Haushalts – mit allen Folgen einer Zwangsherrschaft – stattfand, während sich das Handeln im öffentlichen Raum auf der [[Agora]] abspielte. Dieser öffentliche Platz war der Ort der ''Vita activa,'' der politischen Kommunikation, Gestaltung und Freiheit unter Gleichen.
Nicht auf der Grundlage des zeitgebundenen veränderlichen aber auch stabilisierenden [[Positives Recht|positiven Rechts]], sondern durch direkte Befehle, die die „Gesetze von Natur oder Geschichte “ ... „in furchtbarstem Sinne exekutiert“ handeln totalitäre Machthaber. Während der Glaube der Nazis an Rassegesetze auf der Darwinschen Vorstellung vom Menschen als zufällige Erscheinung der Naturentwicklung beruhe, stützten sich die Bolschewisten auf Marx' Vorstellung vom gigantischen Geschichtsprozess, der seinem Ende entgegenrase und die Geschichte selbst aus der Welt schaffe. Während jedoch der [[Dialektischer Materialismus|dialektische Materialismus]] auf den besten Traditionen basiere, sei der Rassismus kläglich-vulgär. Beide Ideologien liefen jedoch auf die Ausscheidung von <Schädlichem> oder Überflüssigem zugunsten des reibungslosen Ablaufs einer Bewegung hinaus. (EuU, 1986, S.948ff)


==== Vom Verständigungsprozess im politischen Raum zur Massengesellschaft ====
=====Zeitweiliges Bündnis zwischen „Mob“ und „Elite“=====
Demgegenüber kam es, so Arendt, im Mittelalter auf der Grundlage christlicher Dogmatik zu einer Verschiebung. Die höchste Freiheit für den Menschen lag nun in der auf Gott ausgerichteten „[[Vita contemplativa]]“. Dabei wurde das Element des handwerklich-künstlerischen Herstellens höher bewertet als das (philosophische) Denken und (politische) Handeln. Der Mensch wurde zum [[Homo faber (Anthropologie)|Homo faber]], d.&nbsp;h. Erschaffer einer künstlichen Welt. Das „sprachlose [[Staunen]]“, welches seit der [[Philosophie der Antike|Antike]] als „Beginn und Ende aller [[Philosophie]]“ galt und nur Wenigen zugänglich war, verlor an Bedeutung zugunsten des „betrachtend anschauenden Blicks der handwerklich-Schaffenden“.<ref>VA -TB- 2006, S. 387f.</ref>
Im eigentlichen Herrschaftsapparat spielten, so Arendt, weder [[Mob]] noch [[Elite]] eine Rolle. Totalitäre Bewegungen jedoch sind durch die echte Ergebenheit ihrer Anhänger geprägt. Gerade ein großer Teil der geistigen und künstlerischen Elite hat sich - wenigstens zeitweise - mit den totalitären Regierungen identifiziert. Die Elite hatte sich (aus guten Gründen), bevor der „Zusammenbruch des Klassensystems“ die „Massenindividuen“ erzeugte von der Gesellschaft losgesagt und konnte nun die Massen verstehen. Ebenso stand der Mob, der „als frühes Abfallprodukt der Bourgeoisie“ die Unterwelt, das Gesindel („Sexualverbrecher, Rauschgiftsüchtige oder Pervertierte“) bildete, am Rande der Gesellschaft und war erstmals bereit und in der Lage, die Massen zu organisieren und da sie keine berufliche Karriere anstreben konnten, politische Ämter zu übernehmen. Die Führer der Parteien meinten, dies diskreditiere den Mob, doch es war umgekehrt, da die Lage der Massen so verzweifelt war, dass sie nicht mehr auf die bürgerliche Gesellschaft hofften. Hitlers „hysterischer Fanatismus“ und Stalins „rachsüchtige Grausamkeit“ trugen Züge des Pöbels. Langfristig seien totale Systeme mit eher pedantischen sturen Führerfiguren möglich. (EuU, 1986, S.703ff)
:„Die anarchische Verzweiflung, die sich in diesem Zusammenbruch der Massen des Volkes bemächtigte, schien der revolutionären Stimmung der Elite ebenso entgegenzukommen wie den verbrecherischen Instinkten des Mobs.“ (EuU, 1986, S. 704) ... „Jedenfalls beruhte das zeitweilige Bündnis zwischen Elite und Mob weitgehend auf dem echten Vergnügen, das der Mob der Elite bereitete, als er daranging, die Respektabilität der guten Gesellschaft zu entlarven, ob nun die deutschen Stahlbarone den >Anstreicher Hitler> empfingen oder ob das Geistes- und Kulturleben mit plumpen und vulgären Fälschungen aus seiner akademischen Bahn geworfen wurde.“ (EuU, 1986, S.713)


Arendt kritisiert die christlich-abendländische Philosophie. Zwar hätten die meisten Philosophen sich zu politischen Fragen geäußert, aber kaum einer habe unmittelbar am politischen [[Diskurs]] teilgenommen. Als Ausnahme sah sie lediglich [[Niccolò Machiavelli|Machiavelli]]. Auch wenn bei [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] das Politische eine Aufwertung gefunden habe, wendet sich Arendt vor allem gegen die Vorstellung Hegels von der Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung. Die Idee des Absoluten als Ziel der Geschichte führe zur Ideologie und damit zur Rechtfertigung von undemokratischen Praktiken und schließlich am Ende zu den Formen der totalen Herrschaft.
Die Elite war besonders fasziniert vom Radikalismus, von der Aufhebung der Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem und von der Erfassung des ganzen Menschen durch die jeweilige Weltanschauung. Die Überzeugungen des Mobs waren in Wirklichkeit die reinen, nicht durch Heuchelei abgeschwächten, Verhaltensweisen der Bourgeoisie. Doch die Hoffnungen beider Gruppen wurden nicht erfüllt, da die Führer der totalitären Bewegungen, die zum großen Teil dem Mob entstammten, weder dessen Interessen noch die der intellektuellen Anhänger vertraten, sondern „tausendjährige Reiche“ anstrebten. Initiativen von Mob und Elite wären „beim Aufbau funktionsfähiger Beherrschungs- und Vernichtungsapparate“ eher hinderlich gewesen. Die Machthaber griffen daher lieber auf die „Massen gleichgeschalteter Spießer“ zurück. (EuU, 1986, S.719ff)


Das moderne Individuum entfernt sich ebenfalls vom Politischen auf Grund der „radikalen Subjektivität seines Gefühlslebens“ durch „endlose innere Konflikte“. Die Einzelnen werden gesellschaftlich normiert, Abweichungen von dieser Norm als asozial oder anormal verbucht. Es kommt zum Phänomen der Massengesellschaft mit der Herrschaft der [[Bürokratie]]. Dabei werden die [[Soziale Klasse|sozialen Klassen]] und Gruppierungen einander angeglichen und mit gleicher Macht kontrolliert. Das Gleichmachen, der [[Konformität|Konformismus]] in der Öffentlichkeit, führt dazu, dass Auszeichnungen und „Besonderheit“ zu Privatangelegenheiten von Individuen werden. Große Anhäufungen von Menschen entwickeln die Tendenz zur Despotie, entweder eines Einzelnen oder zum „[[Despotie|Despotismus]] der Mehrheit“.<ref>VA -TB- 2006, S. 51ff.</ref>
===== Totalitäre Propaganda =====
Während Mob und Elite selbständig alles Bestehende durch Terror umwälzen wollen, können die Massen erst durch [[Propaganda]] in totalitäre Organisationen eingebunden werden. Totalitäre Bewegungen verändern die Realitätswahrnehmung der Gesellschaft und fixieren sie auf universelle Bedeutungen, die ihnen die Bewegung mit den Ideologien von einer „Rassegesellschaft oder eine(r) klassen- und nationslosen Gesellschaft“ (EuU 1986, S. 706) sowie durch Theorien von Verschwörungen gegen die Gesellschaft durch Juden oder Parteifeinde wie Trotzkisten. „In der bolschewistischen Version der totalitären Bewegung finden wir eine merkwürdige Ansammlung von Verschwörungen im Unterschied zu den Nazis, die an einer, der jüdischen Weltverschwörung, festzuhalten pflegten.“ (EuU,1986,S. 559)


Auch in der Vorstellung der Geschichtlichkeit als Grundbedingung der menschlichen Existenz bei Heidegger bleibt für die Autorin das Denken in der Kontemplation verhaftet. Eine „Vita activa“ erfordert aber die Fragen nach den Prinzipien des Politischen und den Bedingungen der Freiheit. Als Ansatz hierzu sah Arendt wie Jaspers die Moralphilosophie Kants, in der die Frage nach den Bedingungen der menschlichen Pluralität im Vordergrund gestanden habe. Kant habe nicht nur Staatsmänner und Philosophen betrachtet, sondern alle Menschen als Gesetzgeber und Richter angesehen und sei so zu der Forderung nach einer Republik gekommen, der sich die Forscherin anschließt.
:„Die Mentalität moderner Massen vor ihrer Erfassung in totalitären Organisationen ist nur zu verstehen, wenn man die Durchschlagskraft dieser Art Propaganda voll in Rechnung stellt. Sie beruht darauf, dass Massen an die Realität der sichtbaren Welt nicht glauben, sie auf eigene, kontrollierbare Erfahrung nie verlassen, ihren fünf Sinnen misstrauen und darum eine Einbildungskraft entwickeln, die durch jegliches in Bewegung gesetzt werden kann, was scheinbar universelle Bedeutung hat und in sich konsequent ist. Massen werden so wenig durch Tatsachen überzeugt, dass selbst erlogene Tatsachen keinen Eindruck auf sie machen.“ (EuU, 1986, S. 559)


In diesem Werk geht Arendt der historischen Wandlung von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Glück, Öffentlichkeit, Privatheit, Gesellschaft und Politik nach und beschreibt genau den Bedeutungswandel im jeweiligen historischen Kontext. Dabei ist ihr Bezugspunkt das antike Griechenland, insbesondere zur Zeit des [[Sokratische Methode|Sokratischen Dialogs]]. Ihrer Auffassung nach gilt es, die verlorenen Bereiche des Politischen wiederum in der Gegenwart modifiziert zu verankern und damit die Fähigkeiten politisch denkender und handelnder freier Individuen, die versuchen, sich voreinander auszuzeichnen, fruchtbar zu machen. Im Gegensatz dazu sieht sie den verbreiteten [[Behaviorismus]], der darauf abziele, den Menschen in allen seinen Tätigkeiten „auf das Niveau eines allseitig bedingten und sich verhaltenden Lebewesens zu reduzieren“.<ref>VA -TB- 2006, S. 55f.</ref>
Hannah Arendt machte den Unterschied zwischen der Ideologie und dem Ziel des Terrors totalitärer Bewegungen deutlich, eine Sichtweise, die neu war und bis heute von Historikern nicht durchgehend geteilt wird. Die Ideologie - „Sozialismus oder Rassedoktrinen“ - ist in ihren Zielen nicht willkürlich. Sie stellt die Voraussetzung für den Einfluss und die Entwicklung totalitärer Bewegungen dar. Dagegen kann sich der Terror gegen jeden richten und ist letztlich völlig willkürlich, d.h. niemals an irgendeine sachliche oder kalkulierbare Begründung gebunden: „Für den Historiker ist entschieden, dass die Juden, bevor sie Opfer des modernen Terrors stellten, im Zentrum der Nazi-Ideologie standen, denn nur der Terror kann sich seine Opfer willkürlich auswählen, aber nicht Propaganda und Ideologie, die Menschen überzeugen und mobilisieren wollen.“ (1986, S. 30)


=== „Über die Revolution“ ===
Für den Nationalsozialismus stellt Arendt die Bedeutung für dieses Phänomen anhand der ''[[Protokolle der Weisen von Zion]]'' heraus. „Wenn, mit anderen Worten, eine so offensichtliche Fälschung wie die ''Protokolle der Weisen von Zion'' von so vielen geglaubt wird, dass sie die Bibel einer Massenbewegung werden kann, so handelt es sich darum, zu erklären, wie dies möglich ist, aber nicht darum, zum hundertsten Male zu beweisen, was ohnehin alle Welt weiß, nämlich, dass man es mit einer Fälschung zu tun hat. Geschichtlich gesehen ist die Tatsache der Fälschung ein sekundärer Umstand.“ (1986, S. 30). Mit diesem Glauben an die ''Jüdische [[Verschwörungstheorie|Weltverschwörung]]'' und ihren modernen Elementen, ließen sich mittels dieses Antisemitismus Antworten auf die Probleme vermitteln, die als Probleme der Moderne für die Massen neu waren: „Wesentlich ist ..., dass sie auf ihrer Manier alle zentralen Fragen unserer unmittelbaren Vergangenheit aufgreifen und auf sie eine, den bestehenden Zuständen entgegengesetzte Antwort geben. ... Es sind die eigentümlich modernen Elemente, denen die Protokolle ihre außerordentliche Aktualität verdanken und die stärker wirken als die viel banalere Beimischung uralten Aberglaubens“ (1986, 758, siehe auch: 757ff)
{{Hauptartikel|Über die Revolution}}


Laut ihrem zu Lebzeiten unveröffentlichten Essay ''Die Freiheit, frei zu sein,'' der Anfang 2018 erstmals auf Deutsch erschien,<ref>''Die Freiheit, frei zu sein.'' München 2018.</ref><ref>Eine stark gekürzte Fassung brachte am 4. Januar 2018 ''[[Die Zeit]]'' heraus (S.&nbsp;42), [http://www.zeit.de/2018/02/hannah-arendt-essay-freiheit-revolution-zyklus-zeitalter Revolutionen. Die Freiheit, frei zu sein; von Hannah Arendt, online], zuletzt bearbeitet am 8. Januar 2018.</ref> sah Arendt für die Entstehung von Revolutionen in der Erosion des bestehenden Herrschaftssystems eine Grundvoraussetzung:
Auch im Stalinismus findet sie antisemitische Züge nach nazistischem Vorbild. Der Bezug auf eine jüdische Weltverschwörung im Sinne der ''Weisen von Zion'', die Umdeutung des Begriffs „Zionismus“, die alle nichtzionistischen Organisationen und damit alle Juden einschloss, eignete sich aufgrund der vorhandenen antisemitischen Ressentiments in der Bevölkerung eher zur Verwirklichung der Ansprüche auf eine Weltherrschaft als der Kapitalismus oder der Imperialismus.(EuU, S. 641f)


{{Zitat
Haben die Bewegungen erst mal die Macht übernommen, wird die Propaganda durch [[Indoktrination]] ersetzt, und der Terror richtet sich nicht allein gegen die die angeblichen Feinde, sondern auch gegen die unbequem gewordenen Freunde der Bewegungen. Die Ergebenheit der treuen Mitglieder geht so weit, dass sie jederzeit bereit sind, den Opfertod für den Führer oder die Partei zu sterben. Arendt belegt dies z.B. mit der Haltung der Angeklagten in den [[Moskauer Prozesse|Moskauer Prozessen]]. (EuU, S. 739ff)
|Text=Allgemein gesprochen ist eine Revolution gar nicht möglich, wenn die Autorität des Staatswesens intakt ist, was unter neuzeitlichen Bedingungen heißt: wenn man darauf vertrauen kann, dass die Streitkräfte der staatlichen Obrigkeit gehorchen. Revolutionen sind keine notwendige, sondern eine mögliche Antwort auf den Niedergang eines Regimes, sie sind nicht Ursache, sondern Folge des Verfalls politischer Autorität.|ref=<ref>''Die Freiheit, frei zu sein.'' In: Die Zeit, 4.&nbsp;Januar 2018, S.&nbsp;42 ([http://www.zeit.de/2018/02/hannah-arendt-essay-freiheit-revolution-zyklus-zeitalter online]). Herrschaftslegitimation speise sich im Wesentlichen aus dem Wunsch, von „Lebensnotwendigkeiten“ zu emanzipieren; dazu bedürfe es der Zwangsmittel, „damit viele die Last der wenigen trugen, sodass zumindest einige frei sein konnten. Das – und nicht die Anhäufung von Reichtum – war der Kern der Sklaverei, zumindest in der Antike, und es ist lediglich dem Aufkommen moderner Technik und nicht irgendwelchen modernen politischen Vorstellungen, darunter auch revolutionären Ideen, geschuldet, dass sich diese Situation der Menschen zumindest in einigen Teilen der Welt geändert hat.“ (ebenda)</ref>}}


In dem Buch ''On Revolution'' (1963, deutsche Ausgabe 1965) analysiert und interpretiert Arendt die [[Französische Revolution|Französische]] und die [[Amerikanische Revolution]], wobei auch andere Revolutionen angesprochen werden. Sie kritisiert die Gesellschaften, die aus den Revolutionen hervorgegangen sind. Dabei verwendet sie einen anderen Revolutionsbegriff als gemeinhin üblich. Ihr Hauptanliegen ist es, die wesentlichen Merkmale des „revolutionären Geistes“ zu bestimmen. Diese erkennt sie in der Möglichkeit, etwas neu zu beginnen und im [[Soziales Handeln|gemeinsamen Handeln]] von Menschen.
Die Lügen bezüglich der Verschwörer werden durch ihre Offensichtlichkeit nicht entkräftet: „So hat weder die offenbare Hilflosigkeit der Juden gegen ihre Ausrottung die Fabel von der Allmacht der Juden, noch haben die Liquidierung der Trotzkisten in Rußland und die Ermordung Trotzkis die Fabel von der Verschwörung der Trotzkisten gegen die Sowjetunion zu zerstören vermocht.“ (EuU, 1986, S.763) Eine Mischung aus „Zynismus“ und „Leichtgläubigkeit“ findet sich in allen Hierarchieebenen totalitärer Bewegungen, wobei in den höheren Rängen eher der Zynismus überwiegt.


{{Zitat
=====Terror als Wesen totaler Herrschaft=====
|Text=In der Sprache des 18. Jahrhunderts heißen [die Prinzipien des revolutionären Geistes] öffentliche Freiheit, öffentliches Glück, öffentlicher Geist.
Zunächst wurde der Machtapparat vollständig etabliert, gleichgeschaltet und nach und nach immer radikaler gestaltet, z.B. von der [[SA]], über die [[SS]] als Eliteorganisation bis zu den Bewachungsmannschaften der [[Konzentrationslager]] und dem [[Sicherheitsdienst]], dem die negative Bevölkerungspolitik, das Rasse- und Siedlungswesen unterstand. Staats- und Parteigremien agierten gleichzeitig, und es blieb undurchschaubar, welche der Instanzen gerade die wirkliche Macht innehatte. Das „Recht zum Morden“ zusammen mit Methoden, das Wissen aus der Welt zu schaffen, wurde sichtbar als Weltanschauung dargestellt. „Daß die Nazis die Welt erobern, <artfremde> Völker aussiedeln und <erbbiologisch Minderwertige ausmerzen> wollten, war so wenig ein Geheimnis wie die Weltrevolution und -eroberungspläne des russischen Bolschewismus.“ (EuU,1986, S.794) Während die Nazis immer die Fiktion der jüdischen Weltverschwörung aufrechterhielten, änderten die Bolschewisten ihre Fiktion mehrmals: von der trotzkistischen Weltverschwörung, über den Imperialismus, zur Verschwörung der <wurzellosen Kosmopoliten> u.a. Stalins Machtmittel war die Verwandlung der Kommunistischen Parteien in Filialen der von Moskau beherrschten [[Komintern]]. Innerhalb der totalen Welt herrschte der Polizeiapparat als Geheimpolizei, [[GPU]] oder [[Gestapo]].
|ref=<ref>ÜdR -TB- 1974, S. 284, 286.</ref>}}


Arendt stellt die Frage, warum der „Geist der Revolution“ keine [[Institution]]en fand und daher verloren ging. Dabei geht sie von [[Thomas Jefferson]] aus, der nach seiner Amtszeit als dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika das Geschehene in Briefen reflektierte. Als Lösungsansatz betrachtet sie Jeffersons ''ward-system,'' das sie auch „Elementarrepubliken“ nennt.
Während die Zahl der in den Nazi-Vernichtungslagern ermordeten Juden sowie anderer Gruppen und der im „Raubkrieg“ getöteten Menschen nachweisbar war, war aus Arendts Quellenlage keine genaue Quantifizierung der Opfer des Stalinismus möglich. Die Morde reichten von der Liquidierung der [[Kulak]]en über die Verluste während der [[Geschichte der Sowjetunion|Kollektivierung der Landwirtschaft]], der Moskauer Prozesse und der Generalreinigung der gesamten Bürokratie. Sie stützte sich auch auf Angaben zeitgenössischer junger russischer Intellektueller über <Massensäuberungen, Verschleppung und Ausrottung ganzer Völker>. (EuU 1986, S. 639f, 827)


Laut Jefferson gab es nach der Amerikanischen Revolution und der Einführung der [[Verfassung der Vereinigten Staaten|Verfassung]] keine Institution, in der das Volk einen Beitrag zu öffentlichen Angelegenheiten leisten konnte. Das uralte Verhältnis von Regierten und Regierenden bestand weiter fort. Während und vor der Amerikanischen Revolution konnte das Volk in den ''townhalls'' aktiv am politischen Geschehen teilnehmen. Von dieser Möglichkeit machten die Einwanderer regen Gebrauch. Nach der Revolution jedoch bezogen sich die Menschen mehr und mehr auf ihr Privatleben, verfolgten ihre Privatinteressen und interessierten sich weniger für die öffentlichen Angelegenheiten.
Hannah Arendt beschreibt die Konzentrations- und Vernichtungslager als Versuchsanstalten, die zur Ausrottung von Menschen und zur Erniedrigung von Individuen dienten. In ihnen sollte nachgewiesen werden, dass Menschen total beherrschbar sind, „dass schlechthin alles möglich ist“. Identität, Pluralität, und Spontanität aller Menschen sollten vernichtet werden. Die Lager sind für die Erhaltung des Machtapparats zentral. Die Verbrechen und Greueltaten sind so ungeheuerlich, das Grauen so groß, dass sie auf Unbeteiligte leicht unglaubwürdig wirken. Denn die Wahrheit der Opfer beleidige den gesunden Menschenverstand. Hitlers „hundertfach wiederholten Ankündigungen, daß Juden Parasiten seien, die man ausrotten müsse“, wurde nicht geglaubt. (EuU 1986, S. 907ff)


Als Alternative zur repräsentativen [[Parteiendemokratie]] befürwortet Arendt eine [[Räterepublik]]. Erstere sei unfähig, das Volk am politischen Leben teilnehmen zu lassen. Auf Grund der Erfahrung nach dem Ersten Weltkrieg bezeichnet sie das [[Mehrparteiensystem]] als noch unattraktiver als das englische oder amerikanische [[Zweiparteiensystem]], da es im Wesen die [[Einparteiensystem|Ein-Partei-Diktatur]] in sich trage.
Das Grauen vor dem „radikal Bösen“ bringt die Erkenntnis, dass es hier keine politischen, geschichtlichen oder moralischen menschlichen Maßstäbe gibt. Es geht vielmehr um alles oder nichts: die Ausrottung des Menschen im Konzentrationslager und um die Ausrottung des Menschengeschlechts durch die Wasserstoffbombe. Die „irrsinnige Massenfabrikation von Leichen“ wird eher verständlich, wenn die historischen Vorgänge, die dazu geführt haben, nachvollzogen werden.


Elemente des Rätesystems tauchen nach Arendt in fast allen Revolutionen auf, bis auf die [[Februarrevolution 1848|Februarrevolution]] und die [[Deutsche Revolution 1848/1849|Märzrevolution 1848]]. Die Räte beschreibt sie als friedlich, parteilos und daran interessiert, einen neuen Staat aufzubauen. Die [[Politische Partei|Parteien]], ob links, rechts oder revolutionär, sahen in den Räten oder [[Sowjet]]s eine starke Konkurrenz, agitierten gegen sie und konnten sie mit staatlicher Hilfe letztendlich immer vernichten.
Konzentrationslager stehen immer außerhalb des normalen Strafsystems. Sie beruhen auf der „Tötung der juristischen Person“. Der Mensch wird reduziert auf: „Jude“, „Bazillenträger“, „Exponenten absterbender Klassen“. Verbrecher werden erst nach Verbüßung ihrer Strafen eingeliefert und bilden häufig die „Aristokratie“ des Lagers, in Deutschland während des Krieges hatten diese Rolle teilweise die Kommunisten inne. Bei den Verbrechern und Politischen könne die Vernichtung der juristischen Person, laut Arendt, nicht vollständig gelingen, „weil sie wissen, warum sie dort sind.“ Die meisten Insassen sind völlig unschuldig. Gerade diese wurden in den Gaskammern liquidiert, völlig ausgelöscht, während wirkliche Regimefeinde häufig schon im Vorfeld getötet wurden. (EuU, 1986, S. 916ff) Die Entrechtung des Menschen sei „Vorbedingung für sein totales Beherrschtsein“ und gelte für jeden Einwohner eines totalitären Systems.


Hannah Arendt favorisiert dieses politische System [[Direkte Demokratie|direkter Demokratie]], weil die Menschen sich in den Parteiendemokratien als Regierte fühlen – und das war gerade nicht der Sinn der Revolutionen. Dagegen kommt die Möglichkeit der politischen Teilnahme auf unterschiedlichen Ebenen Arendts Vorstellungen des Politischen wesentlich näher.
Hinzu kommt die „Ermordung der moralischen Person“. Es handelt sich um ein System des Vergessens, das bis in die Familien- und Freundeskreise der Betroffenen reicht. Der Tod wird anonymisiert. Moralisches Handeln, Gswissensentscheidungen werden unmöglich. Arendt zitiert den Bericht von [[Albert Camus]] über eine Frau, der die Nazis die Wahl gelassen hatten zu entscheiden, welches ihrer drei Kinder getötet werden sollte.


Sie hebt hervor, „daß keiner glücklich genannt werden kann, der nicht an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, daß niemand frei ist, der nicht aus Erfahrung weiß, was öffentliche Freiheit ist, und daß niemand frei oder glücklich ist, der keine Macht hat, nämlich keinen Anteil an öffentlicher Macht“.<ref>ÜdR -TB- 1974, S. 326f.</ref>
Das einzige, was dann noch bleibt, um die Verwandlung von Personen in „lebendige Leichname“ zu verhindern, ist die Beibehaltung der „Differenziertheit, der Identität“. Hannah Arendt führt deutlich vor Augen: die Zustände bei den Transporten in die Lager, das Kahlscheren der Schädel, die Entkleidung, die Tortur und die Ermordung. Während die SA noch mit „Hass“ und „blinder Vertiertheit“ tötete, war der Mord im Lager ein mechanisierter Vernichtungsakt, teilweise ohne „individuelle Bestialität“ durch normale Menschen, die zu Mitgliedern der SS erzogen worden waren. (EuU 1986, S. 929ff)


=== „Denken, Wollen, Urteilen“ ===
Nach [[Montesquieu]] gibt es in jeder politischen Formation das Wesen einer Regierung und ihr Prinzip. Das Wesen der totalitären Regierung ist, wie Arendt herausarbeitet, der Terror, der zunächst eine eigentümliche Anziehungskraft auf moderne entwurzelte Menschen ausübt, später die Massen zusammenpresst und alle Beziehungen zwischen Menschen zerstört. Das Prinzip ist die Ideologie, „der innere Zwang“, umgedeutet und so weit angenommen, bis die Menschen voller Furcht, Verzweiflung und Verlassenheit vorwärtsgetrieben werden in die Erfahrungen des eigenen Todes, wenn man schließlich selbst zu den <Überflüssigen> und <Schädlingen> gehört. (EuU,1986, S. 960ff)
Die 1989 posthum veröffentlichten Werke ''Das Denken'' und ''Das Wollen'' erschienen 1998 in dem Sammelband ''Vom Leben des Geistes.'' Diese Arbeit beruht wiederum auf Vorlesungen, die sie 1973 und 1974 gehalten hat. Der dritte Teil ''Das Urteilen'' wurde nach Vorarbeiten seitens ihrer Nachlassverwalterin Mary McCarthy von dem Politikwissenschaftler Ronald Beiner auf der Grundlage der Manuskripte ihrer Vorlesungen zu Kant, insbesondere aus dem Jahr 1970, zusammengestellt.


Arendt will, wie sie in der Einleitung schreibt, mit diesem anspruchsvollen Titel nicht als „Philosoph“, als „Denker von Gewerbe“ (Kant) wirken, aber das Denken auch nicht diesen überlassen. Anlass für ihre Studien war u.&nbsp;a. ihr Eichmann-Buch, in dem sie sich mit den „ungeheuerlichen Taten“ eines „gewöhnlichen“, „gedankenlosen“ Täters beschäftigt hatte. Dies führte zu der Frage, ob das Denken, d.&nbsp;h. die Gewohnheit, alles zu untersuchen, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse, zu den Bedingungen gehört, die die Menschen davor schützen, Böses zu tun.<ref>''Vom Leben des Geistes.'' (LdG) München, Zürich 1998 -TB-, S. 14f.</ref>
Arendt betont, dass die totale Herrschaft nicht in einem langwierigen Prozess, sondern plötzlich zusammenbricht und anschließend die meisten ihrer Anhänger die Teilnahme an Verbrechen, ja selbst die Zugehörigkeit zur Bewegung verleugnen. (EuU, 1986, S. 765)


=== Vita activa ===
==== Das Denken ====
In ihrem bereits zur Veröffentlichung fertiggestellten Werk über ''Das Denken'' erweiterte Arendt die Ideen aus ''Vita activa,'' indem sie nunmehr die „Vita contemplativa“, d.&nbsp;h. geistige Tätigkeiten, als ebenbürtig oder sogar überlegen beschreibt. Sie versucht, ihre Aussage im Eichmann-Buch über die „Banalität des Bösen“ mit der These zu untermauern, diese Art bösen Handelns sei mit dem „Fehlen des Denkens“ mit der „Gedankenlosigkeit“ verknüpft. Sie stellt folgende Frage:
Im Gegensatz zu Heidegger begründete Arendt ihr Denken von der Geburt des einzelnen Menschen her und nicht vom Tod. In ihrem 1958 veröffentlichten, sich hauptsächlich auf Philosophie beziehenden 2. Hauptwerk ''The Human Condition'', in deutscher Sprache unter dem Titel:''Vita activa oder Vom tätigen Leben'' 1960 erschienen, führt Arendt diesen Gedanken aus. Mit der Geburt beginnt die Möglichkeit, einen Anfang machen zu können. Das Individuum hat die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei geht es ihr um die Grundbedingungen menschlichen Lebens, die sie auf drei „Grundtätigkeiten“: „Arbeiten, Herstellen und Handeln“ beschränkt. Davon unterscheidet sie das „Wesen“ bzw. die „Natur“ des Menschen, die begrifflich nicht zu definieren und menschlicher Erkenntnis nicht zugänglich seien. „Versuche, das Wesen des Menschen zu bestimmen, (enden) zumeist mit irgendwelchen Konstruktionen eines Göttlichen.“ (VA, 2002, S.21)
:''Alle drei Grundtätigkeiten und die ihnen entsprechenden Bedingungen sind nun nochmals in der allgemeinsten Bedingtheit menschlichen Lebens verankert, dass es nämlich durch Geburt zur Welt kommt und durch Tod aus ihm wieder verschwindet. Was die Mortalität anlangt, so sichert die Arbeit das Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung; das Herstellen errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas wie Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. Auch an der Natalität sind alle Tätigkeiten gleicherweise orientiert, da sie immer auch die Aufgabe haben, für die Zukunft zu sorgen, bzw. dafür, dass das Leben und die Welt dem ständigen Zufluss von Neuankömmlingen, die als Fremdlinge in sie hineingeboren werden, gewachsen und auf ihn vorbereitet bleibt. Dabei ist aber das Handeln an die Grundbedingungen der Natalität enger gebunden als das Arbeiten und Herstellen. Der Neubeginn, der mit jeder Geburt in die Welt kommt, kann sich in der Welt nur darum zur Geltung bringen, weil dem Neuankömmling die Fähigkeit zukommt, selbst einen neuen Anfang zu machen, d.h. zu handeln.'' (VA 15)


{{Zitat
==== Arbeiten und Herstellen ====
|Text=Könnte vielleicht das Denken als solches – die Gewohnheit, alles zu untersuchen, was sich begibt oder die Aufmerksamkeit erregt, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse und den speziellen Inhalt – zu den Bedingungen gehören, die die Menschen davon abhalten oder geradezu dagegen prädisponieren, Böses zu tun?
Die [[Arbeit]] „entspricht dem biologischen Prozeß des menschlichen Körpers“. Sie dient dem Fortbestand der Gattung. Daher gehört Arbeit notwendig zum menschlichen Leben, aber auch zu dem jedes anderen Lebewesens. Arbeit ist laut Arendt nicht mit [[Freiheit]] verbunden, sondern stellt einen Zwang zur Erhaltung des Lebens dar, dem der Mensch von der Geburt bis zum Tod ständig unterliegt.
|ref=<ref>LdG 1998 -TB-, S. 15.</ref>}}


Als Motto stellte sie der Einleitung einen kurzen Text aus Heideggers ''Was heißt Denken?'' voran, in dem dieser die Bedeutung des Denkens an sich hervorhebt.
Auf der Grundlage der Arbeit, die seine Existenz sichert, beginnt der Mensch über die Endlichkeit seines Daseins nachzudenken. Um dieser Gewissheit zu entfliehen, schafft er sich eine Welt aus [[Ding]]en, die er mit „[[Geist]]“ und „Kraft“ aus unterschiedlichen Materialien [[Herstellung|herstellt]] und die seine Lebenszeit überdauern. Das Wichtige ist hierbei, dass der Mensch sich nicht nur in einer Umgebung wieder findet, so wie jedes Tier es tut, sondern er baut eine eigene Welt auf. Arendt geht davon aus, dass diese Welt beständig ist. Die einzelnen [[Artefakt]]e, die sie ausmachen, sind so dauerhaft, dass das Individuum eine Beziehung dazu aufbauen kann. Eine starke Form einer solchen Beziehung stellt zum Beispiel das Gefühl des „nach Hause Kommens“ dar. Ohne gewisse beständige Eigenschaften des „zu Hause Seins“ kann eine Beziehung nicht aufgebaut werden. In einer ständig sich ändernden Welt kann der Mensch sich nicht zu Hause fühlen.


Wiederum verfolgt sie Begriffe zu ihrem Ursprung zurück. [[Ethik]] und [[Moral]], so Arendt, sind die griechischen bzw. lateinischen Ausdrücke für Sitte und Gewohnheit. [[Gewissen]] dagegen bedeute „bei sich wissen“ und gehöre zu jedem Denkvorgang. Nur „gute Menschen“ hält sie für fähig, ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, während Kriminelle in der Regel über ein gutes Gewissen verfügten. Ethik und Moral (wörtlich: Sitten und Gewohnheiten) seien hauptsächlich von der entgegengesetzten [[Prämisse]] ausgegangen.
Die von Arendt eingeführte Unterscheidung zwischen „Arbeiten“ und „Herstellen“ bezieht sie auch auf die Produktion. Als Produkte der Arbeit bezeichnet sie Konsumgüter, die „verbraucht“ werden, während Produkte des Herstellens oder Werkens „gebraucht“ werden.


Angelehnt an [[Sokrates]]<ref>Zit. nach Platons Frühwerk [[Gorgias (Platon)|Gorgias]], wobei sie zwischen der dialogischen Philosophie des Sokrates und dem geschlossenen Weltbild Platons unterscheidet.</ref> findet sich bereits bei [[Demokrit]] die Aussage: „Es ist besser Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun“, entwickelt sie den Gedanken des inneren Gesprächs, wobei das Individuum sich davor hüten müsse, mit sich selbst in Zwiespalt zu geraten, um seine Selbstachtung zu bewahren, auch wenn viele Menschen sich anders entscheiden.
==== Handeln ====

Die dritte Komponente stellt das [[Handeln]] dar, das sich zwischen den Individuen abspielt und gleichzeitig die Einzigartigkeit, die Verschiedenheit und [[Pluralismus|Pluralität]] der Menschen zeigt. Das Handeln ist eine wahrhaft menschliche Eigenschaft. Der einzelne Mensch könnte in einer Gesellschaft überleben, ohne jemals zu arbeiten oder etwas herzustellen. Handeln jedoch besteht in politischer Interaktion, welche für Arendt fundamental ist. Kommunikation, d.h. „Finden des rechten Wortes im rechten Augenblick“ ist bereits Handeln. „Stumm ist nur die [[Gewalt]], und schon aus diesem Grunde kann die schiere Gewalt niemals Anspruch auf Größe machen.“ (VA, 2002, S. 36) Auch wenn dem Einzelnen noch bewusst wäre, dass er ein Mensch ist, so würde er anderen ohne Handlungen nicht als solcher erscheinen. Der für die deutsche Ausgabe gewählte Titel: ''Vita activa'' weist auf diesen Gedankengang hin.
{{Zitat
|Text=Als Bürger müssen wir schlechte Taten verhindern, weil es um die Welt geht, in der wir alle leben, der Übeltäter, das Opfer und die Zuschauer.
|ref=<ref>Zitat: LdG 1998 -TB-, S. 181, Text: LdG 1998 -TB-, S. 180ff.</ref>}}

Zum Handeln gehöre seit der [[Antike]] das Denken. Arendt grenzt ihr Verständnis vom Denken sowohl von Platon und [[Aristoteles]], die das Denken als passive Betrachtung verstanden hätten, wie auch vom Christentum ab, das die Philosophie zur „Magd der Theologie“ und das Denken zur Meditation und Kontemplation gemacht habe. Auch dem Ansatz der [[Neuzeit]], in der das Denken hauptsächlich der [[Empirie|Erfahrungswissenschaft]] diene, steht sie kritisch gegenüber. Die Mathematik hält sie als reines Denken für die „Königin der Wissenschaften“.<ref>LdG 1998 -TB-, S. 18.</ref> Sie kritisiert die Hegemonie der [[Naturwissenschaft]]en als Erklärungsmodell aller „Erscheinungen“, auch der gesellschaftlichen und politischen, und betont die Wichtigkeit des Nachdenkens über die Bedingtheit des menschlichen Lebens.


Die Bedeutung des Denkens im öffentlichen Leben trete in der modernen Gesellschaft, die immer mehr zur Arbeitswelt werde, weitgehend zurück. Die „vita activa“, das Herstellen und Handeln, siege über die „vita contemplativa“, die Suche nach dem Sinn, die einstmals&nbsp;– insbesondere im [[Mittelalter]]&nbsp;– vorrangig gewesen sei. Der Mensch gerate in eine Zwickmühle, da einerseits die Individualität gerade in der demokratischen [[Masse (Soziologie)|Massengesellschaft]] betont werde, andererseits die Massengesellschaft den Diskussionen im öffentlichen Raum Grenzen setze.
Handeln findet im öffentlichen Raum statt. Am klarsten realisiert sah Arendt dies in der griechischen [[Polis]], wo das Arbeiten im privaten Raum des Haushalts ([[oikos]]) stattfand - mit allen Implikationen von Zwangsherrschaft -, während das Handeln sich im öffentlichen Raum der Polis auf dem Marktplatz (der [[Agora]]) abspielte. Dies war der Ort der Vita activa, der politischen Kommunikation, Gestaltung und Freiheit unter Gleichen. Obwohl Aristoteles die höchste Erfüllung in der Vita contemplativa, in der philosophischen Suche der Weisheit sah, betrachtete er doch den Menschen als politisches Wesen ([[zoon politikon]]).


In dieser auf Vorlesungen beruhenden Abhandlung setzte sie sich mit zahlreichen bedeutenden Philosophen auseinander, die über das Denken – als Betrachten des Seins – Auskunft gegeben haben. Dabei behandelte sie die großen Denker lebenslang, genauso wie Jaspers, als wären sie Zeitgenossen.
==== Vom Verständigungsprozess im politischen Raum zur Massengesellschaft====
Demgegenüber kam es im Mittelalter zu einer Verschiebung. Die höchste Freiheit für den Menschen lag nun in der auf Gott ausgerichteten Vita contemplativa. Das Herstellen wurde höher bewertet als das Handeln. Der Mensch wurde zum [[Homo faber]], d.h. Erschaffer einer künstlichen Welt. Eine erneute Verschiebung der [[Wert]]e ergab sich in der [[Neuzeit]]. Durch Ausweitung der Ökonomie in den öffentlichen Raum trat die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit immer mehr in den Vordergrund und ist in der modernen Massengesellschaft dominierend geworden. Der Mensch wurde zum Animal laborans. Ziel ist die möglichst hohe Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Umwandlung aller Dinge in Konsumgüter. Der Begriff der [[Gesellschaft]] umfasst nunmehr auch tendenziell den politischen Bereich. Die Bedeutung des Politischen, des Handelns ist somit in den Hintergrund getreten.


Während das Denken als Unsichtbares in aller Erfahrung gegenwärtig sei und dazu neige, zu verallgemeinern, stünden die anderen beiden geistigen Tätigkeiten der „Erscheinungswelt“ viel näher, weil es immer um „einzelnes“ gehe: um das Urteilen über die Vergangenheit, dessen Ergebnis die Vorbereitung für das Wollen darstelle.
Arendt kritisierte die christlich-abendländische Philosophie. Zwar hätten die meisten Philosophen sich zu politischen Fragen geäußert, aber kaum einer hätte unmittelbar am politischen Diskurs teilgenommen. Als Ausnahme sah sie lediglich [[Niccolo Machiavelli|Machiavelli]]. Auch wenn bei [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]] das Politische eine Aufwertung fand, so lehnte Arendt vor allem die Vorstellung Hegels von der Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung ab. Die Idee des Absoluten als Ziel der Geschichte führt zur Ideologie und damit zur Rechtfertigung von undemokratischen Praktiken und schließlich am Ende zu den Formen der totalitären Herrschaft.


==== Das Wollen ====
Auch das moderne Individuum entfernt sich vom Politischen aufgrund der „radikalen Subjektivität seines Gefühlslebens“, der dauernd wechselnden „Stimmungen und Launen“, die ihn in „endlose innere Konflikte“ verstricken. Die Einzelnen werden gesellschaftlich [[Norm|normiert]]. Abweichungen von dieser Norm werden als asozial oder anormal verbucht. Es kommt zum Phänomen der Massengesellschaft mit der Herrschaft der Bürokratie. Dabei werden die sozialen Klassen und Gruppierungen nivelliert. Alle Glieder der Gemeinschaft werden mit gleicher Macht kontrolliert. Das Gleichmachen, der [[Konformismus]] in der Öffentlichkeit führt dazu, dass Auszeichnungen und Besonderheit zu Privatangelegenheiten von Individuen werden. Große Anhäufungen von Menschen entwickeln die Tendenz zur Despotie, entweder eines Einzelnen oder zum „Despotismus der Mehrheit“. (VA, 2002, S. 51ff)
Laut Arendt beruht der Wille auf dem kreatürlichen Begehren wie auch auf dem vernünftigen Denken. Sie betont die Bedeutung des Willens als ein dem Menschen eigenes Talent, das Alte zu überwinden, um mit dem Neuen beginnen zu können. Dieser Wille, verbunden mit der Gebürtlichkeit nicht gleicher, sondern voneinander abweichend denkender Menschen ''(„Differenz“),'' ermögliche einerseits Freiheit, berge aber andererseits die Gefahr des rein spontanen, intuitiven Handelns. Sie stellt fest: „Die freien Handlungen des Menschen sind selten.“<ref>LdG 1998 -TB-, S. 209.</ref>


Dem Begriff des Willens geht sie anhand seiner Geschichte nach. Er sei in der griechischen Antike unbekannt gewesen und habe erst in der Neuzeit im Zusammenhang mit dem der Innerlichkeit ''(„die innere Erfahrung“)'' große Bedeutung gewonnen.
Auch in der Vorstellung der Geschichtlichkeit als Grundbedingung der menschlichen Existenz bei Heidegger bleibt für Arendt das Denken in der Kontemplation verhaftet. Eine Vita activa erfordert die Fragen nach den Prinzipien des Politischen und den Bedingungen der Freiheit. Als Ansatz hierzu sah Arendt wie Jaspers die Moralphilosophie Kants, bei dem für sie die Frage nach den Bedingungen der menschlichen Pluralität im Vordergrund stand, der nicht nur Staatsmänner und Philosophen betrachtete, sondern alle Menschen als Gesetzgeber und Richter ansah und so, wie Arendt, zu der Forderung nach einer Republik kam.


Parallel dazu untersucht sie das Wollen als inneres Vermögen der Menschen zu entscheiden, in welcher Gestalt sie sich in der „Erscheinungswelt“ zeigen möchten. Der Wille schafft demnach mit seinen Projekten sozusagen die „Person“, die für ihren Charakter (ihr ganzes „Sein“) verantwortlich gemacht werden kann. Sie grenzt sich hier von den einflussreichen [[Marxistische Philosophie|marxistischen]] und [[Existentialismus|existentialistischen]] Thesen ab, die den Menschen als Schöpfer seiner selbst darstellen. Dieser Trugschluss entspreche der modernen Betonung des Wollens als Ersatz für das Denken.
In diesem Werk geht Arendt der historischen Wandlung von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Glück, Öffentlichkeit, Privatheit, Gesellschaft und Politik nach und beschreibt akribisch genau den Bedeutungswandel im jeweiligen historischen Kontext. Dabei ist ihr Bezugspunkt das antike Griechenland, insbesondere zur Zeit des [[Sokratische Methode|Sokratischen Dialogs]]. Ihrer Auffassung nach gilt es, die verlorenen Bereiche des Politischen wiederum in der Gegenwart modifiziert zu verankern und damit die Fähigkeiten politisch denkender und handelnder freier Individuen, die versuchen, sich voreinander auszuzeichnen, fruchtbar zu machen. Im Gegensatz dazu sieht sie den verbreiteten [[Behaviorismus]], der darauf abzielt, den Menschen in allen seinen Tätigkeiten „auf das Niveau eines allseitig bedingten und sich verhaltenden Lebewesens zu reduzieren“.


=== Denken, Wollen, Urteilen ===
==== Das Urteilen ====
Wie bereits dreißig Jahre zuvor in ihrer Arbeit zur Existenzphilosophie Heideggers und Jaspers’ bezieht Arendt Stellung im mittelalterlichen [[Universalienproblem|Universalienstreit]] und zwar wiederum zugunsten des Nominalismus. In ihrem nicht autorisierten posthum veröffentlichten Fragment ''Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie'' reflektiert sie das Zustandekommen von ''Urteilen'' als subjektiv. Sie setzt sich mit Kants Theorie des „ästhetischen Urteils“ in der ''[[Kritik der Urteilskraft]]'' auseinander, wobei sie das ästhetische Urteil als Vorbild für das politische Urteilen ansieht. Dieses Urteil beruhe auf dem Denken ohne die Vermittlung durch einen Begriff oder ein System. Als Beispiel führt Arendt an, dass, wenn man eine Rose als schön bezeichne, man zu diesem Urteil komme ohne die Verallgemeinerung, dass alle Rosen schön sind und daher diese eine auch.<ref>''Das Urteilen.'' (DU) München, 1998 -TB-, S. 25; vgl. auch S. 89.</ref> Es gibt also keine Kategorie „Rosen“ bzw. eine „Natur der Rose“, vielmehr immer nur die einzelne Rose, die von jeder Person aus ihrer eigenen Perspektive beurteilt wird. Die Erkenntnis der unterschiedlichen Standpunkte bezeichnet sie als „repräsentatives Denken“. Dieses Denken setze voraus, einen Standort in der Welt einzunehmen, der nicht der eigene ist, ohne die eigene Identität aufzugeben.
Die 1989 posthum veröffentlichten Werke ''Das Denken'' und ''Das Wollen'' erschienen 1998 in dem Sammelband ''Vom Leben des Geistes''. Diese Arbeit beruht wiederum auf Vorlesungen, die sie 1973 und 1974 gehalten hat. Der Dritte Teil ''Das Urteilen'' wurde nach Vorarbeiten seitens ihrer Nachlassverwalterin Mary McCarthy von dem Politikwissenschaftler Ronald Beiner auf der Grundlage der Manuskripte ihrer Vorlesungen zu Kant zusammengestellt.


Urteile beruhten danach nicht auf einer bestimmten verinnerlichten Moralvorstellung. Das Urteilsvermögen, zu dem der Mensch im Stande ist, hat nach Arendts Verständnis etwas mit der Fähigkeit zu tun, den Standpunkt des Anderen einzunehmen und dabei vom eigenen Willen abzusehen.<ref>siehe auch; Linda M. G. Zerilli: ''Einsicht in die Perspektive. Nach dem Ende aller Maßstäbe: Hannah Arendts Überlegungen zur demokratischen Urteilskraft sind von ungebrochener Aktualität.'' In: [[Frankfurter Rundschau]], 7.&nbsp;Januar 2006, [https://www.genios.de/dosearch?explicitSearch=true&q=%22Den+dritten+Band+ihres+Buches+Vom+Leben+des+Geistes+hat+Hannah+Arendt+nicht+mehr+geschrieben.+Ihre+Herausgeberin%2C%22&searchRestriction=&x=36&y=11 Artikelanfang] und dieselbe [http://www.republicart.net/disc/publicum/zerilli01_de.pdf ''„Wir fühlen unsere Freiheit.“ Einbildungskraft und Urteil im Denken Hannah Arendts,.''] (PDF) 2004, (PDF; 175&nbsp;kB) sowie Annette Vowinckel: ''Hannah Arendt.'' Leipzig 2006, S.&nbsp;98&nbsp;ff.</ref>
Arendt bezieht, wie viele Philosophen vor ihr, Position im [[Universalienstreit]] und zwar zugunsten des [[Nominalismus]]. In diesem nicht autorisierten posthum veröffentlichten Fragment ''Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie'' reflektiert Arendt das Zustandekommen von ''Urteilen'' als subjektiv. Sie setzt sich mit Kants Theorie des [[Ästhetik|ästhetischen]] Urteils in der ''[[Kritik der Urteilskraft]]'' auseinander, wobei sie das ästhetische Urteil als Vorbild für das politische Urteilen ansieht. Dieses Urteil beruht auf dem Denken ohne die Vermittlung durch einen Begriff oder ein System. Als Beispiel führt Arendt an, wenn man eine Rose als schön bezeichne, so komme man zu dem Urteil, ohne die Verallgemeinerung, dass alle Rosen schön sind und daher diese eine auch. (''Das Urteilen'', S. 25; vgl. auch S. 89) Es gibt demnach keine Kategorie: Rosen bzw. eine Natur der Rose, vielmehr immer nur die einzelne Rose, die von jeder Person aus ihrer eigenen Perspektive beurteilt wird. Die Erkenntnis der unterschiedlichen Standpunkte bezeichnete sie als „repräsentatives Denken“. Dieses Denken setzte voraus, ohne die eigene Identität aufzugeben, einen Standort in der Welt einzunehmen, der nicht der eigene ist.


== Wirkung ==
== Wirkung ==
[[Datei:AdornoGraffito.jpg|mini|Zeitgenössisches Graffito in Göttingen verweist auf Totalitarismuskritik von Arendt: „Niemand hat das Recht zu gehorchen“, „Seid unartig!“, 2018]]


Berühmt wurde Hannah Arendt mit ihrem Totalitarismusbuch. Dieses Werk, das heute zum Standard politischer Bildung gehört, brachte ihr einerseits viel Zustimmung ein. „Sie war die erste Theoretikerin, die das Phänomen des Totalitarismus als eine in der Menschheitsgeschichte völlig neue Form politischer Macht verstand.“ ([[Seyla Benhabib]], S. 9) Sie wurde nach dem Erscheinen des Buches zu vielen lukrativen Vorträgen und Vorlesungen eingeladen. Vor allem in der populären Rezeption des Werkes in der Zeit des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]], die die totalitären Herrschaftsformen des Nationalsozialismus und des Stalinismus nicht ursächlich betrachteten, sondern in ihren rein äußerlichen Symptomen verglichen und darüber gleichsetzten, geriet es immer wieder in die Kritik von eher orthodoxen Teilen der politischen Linken. Gleichzeitig wurde auch in der Linken nicht nur die grundlegende Beschäftigung mit der Genese des Nationalsozialismus geschätzt, sondern auch der frühe Versuch, die Verbrechen des Stalinismus zu analysieren und zu kritisieren. Insbesondere in den [[USA]] und in [[Frankreich]] gab es Debatten, die die Entwicklung der undogmatischen [[Neue Linke|Neuen Linken]] beförderten.
Berühmt wurde Hannah Arendt mit ihrem [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft|Totalitarismusbuch]]. Dieses Werk, das heute zum Standard politischer Bildung gehört, brachte ihr viel Zustimmung und zahlreiche Vortragseinladungen ein. „Sie war die erste Theoretikerin, die das Phänomen des Totalitarismus als eine in der Menschheitsgeschichte völlig neue Form politischer Macht verstand.“<ref>[[Seyla Benhabib]]: ''Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne.'' Hamburg 1998, S.&nbsp;9.</ref> Es diente teilweise als Grundlage für einen erweiterten Totalitarismusbegriff und als Argument gegen die nachstalinistische Sowjetunion im [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]]. Sie geriet damit immer wieder in die Kritik von eher orthodoxen Sozialisten.


Gleichzeitig wurden in Fachkreisen, aber auch in Teilen der Linken nicht nur ihre Forschungsergebnisse über den Nationalsozialismus geschätzt, sondern auch ihre frühen Analysen des Stalinismus als totalitäres System. Insbesondere in den USA und in Frankreich haben diese Debatten die Entwicklung einer undogmatischen [[Neue Linke|Neuen Linken]] gefördert.
Ihr Lehrer [[Karl Jaspers|Jaspers]] bezeichnete das Buch im Vorwort zur dritten Auflage als „Geschichtsschreibung im großen Stil“. Es sei mit den Mitteln historischer Forschung und soziologischer Analyse erarbeitet. Das Werk gibt „die Einsicht, durch welche eine philosophische Denkungsart in der politischen Wirklichkeit erst urteilsfähig wird“. Arendt erteile keine Ratschläge, sondern vermittele Erkenntnisse, die der [[Menschenwürde]] und [[Vernunft]] dienen.


Der amerikanische Literaturwissenschaftler und palästinensische Aktivist [[Edward Said]], der über den [[Postkolonialismus]] arbeitete, zählte Hannah Arendt auf Grund ihrer Rezeption des Schriftstellers [[Joseph Conrad]] in ''The Origins of Totalitarianism''<ref>Siehe: EuU 1986 -TB-, S. 407–413 und [[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]], Unterabschnitt: Einbeziehung des Rassismus in den weltweiten Imperialismusbegriff.</ref> zu den Theoretikern des Imperialismus, die sich sowohl „imperialistisch als auch antiimperialistisch“ orientieren.
In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts verursachte ihre Reportage über den Eichmann-Prozess in Jerusalem heftige Kontroversen (s.o.). Die Memoiren Eichmanns (Wojak, 2004), die seinen starken eigenständigen Antisemitismus zeigen, standen Hannah Arendt bei der Verfassung der Zeitungsberichte und des Buches noch nicht zur Verfügung. Heute wird in einem großen Teil der Rezeption darauf hingewiesen, dass Arendt Eichmanns Antisemitismus als Motiv aus diesem Grund unterschätzt habe. Auch gegenwärtig noch wird diese Arbeit teilweise heftig kritisiert oder ignoriert, findet aber auch - wie alle Werke Arendts - mehr und mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit.
In den siebziger Jahren hat „[[Jürgen Habermas]] Übereinstimmungen seiner [[Theorie des kommunikativen Handelns|Theorie kommunikativen Handelns]] mit Arendts Theorie der [[Macht]] entdeckt und den Begriff »kommunikative Macht« geprägt.“ (Brunkhorst, S. 150) Habermas hält aber Distanz zu „Arendts Aristotelismus und … zu ihrer Kritik an der Französischen Revolution.“ (ebd.) Die Habermas-Schüler [[Helmut Dubiel]], Rödel und Frankenberg haben in »''Die demokratische Frage''« (1990) versucht, „mit Hilfe von Arendt das Demokratiedefizit der älteren [[Kritische Theorie|kritischen Theorie]] zu reparieren.“ (ebd.)


Ihr Lehrer Karl Jaspers bezeichnete das Buch im Vorwort zur dritten Auflage als „[[Geschichtsschreibung]] im großen Stil“. Es sei mit den Mitteln historischer Forschung und soziologischer Analyse erarbeitet. Das Werk gebe „die Einsicht, durch welche eine philosophische Denkungsart in der politischen Wirklichkeit erst urteilsfähig wird“. Arendt erteile keine Ratschläge, sondern vermittele Erkenntnisse, die der [[Menschenwürde]] und [[Vernunft]] dienen.
Nach Brunkhorst begann die große Wirkung von Hannah Arendt in den achtziger Jahren, als die ''civil society'' (zivilisierte Gesellschaft, [[Zivilgesellschaft]]) auf der Tagesordnung stand. Anlass war einerseits die [[neoliberal]]e Politik [[Ronald Reagan]]s und [[Margaret Thatcher]]s und andererseits die Politik der alten [[Sowjetunion]].


Vor allem in den 1960er Jahren verursachte ihre [[Eichmann in Jerusalem|Reportage über den Eichmann-Prozess]] in Jerusalem heftige Kontroversen. Die Memoiren Eichmanns,<ref>Irmtrud Wojak: ''Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 2004.</ref> die seinen starken eigenständigen Antisemitismus belegen, standen Hannah Arendt bei der Verfassung der Zeitungsberichte und des Buches noch nicht zur Verfügung. Heute wird in einem großen Teil der Rezeption darauf hingewiesen, dass Arendt Eichmanns Antisemitismus als Motiv unterschätzt habe. Auch gegenwärtig wird diese Arbeit oft abgelehnt oder ignoriert, findet jedoch andererseits&nbsp;– wie alle Werke Arendts&nbsp;– mehr und mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit. So hob z.&nbsp;B. [[Jan Philipp Reemtsma]] 1998 hervor, dass sich spätestens seit Arendts Eichmann-Buch die „Pathologisierung der Täter“ als untauglicher Erklärungsversuch erwiesen habe.<ref>[[Jan Philipp Reemtsma]]: [http://www.geschwister-scholl-preis.de/preistraeger_1990-1999/1998/laudatio_reemtsma.php ''Laudatio für Saul Friedländer anlässlich der Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 1998.'']</ref> Bis heute gibt es eine kritische Debatte darüber, wie sie Autoren und deren Texte oft nur auf eine Textstelle hin und ohne Kontext rezipiert, vom Augustinus- über das Totalitarismus-Buch bis zu ihren letzten Veröffentlichungen. Manchmal nennt sie die Umstände in Anmerkungen, häufig nicht, fast immer setzt sie Kenntnisse über Autoren voraus.
Benhabib fragt sich, wie die Arendt-Renaissance zu erklären ist. „Nach dem Fall des autoritären Kommunismus und seitdem die marxistische Theorie weltweit den Rückzug angetreten hat, erwies sich Hannah Arendts Denken als die kritische politische Theorie des posttotalitären Augenblicks.“ (Benhabib, 1998 S. 18) Auch für die moderne [[Frauenbewegung]] sei Arendt „ein beeindruckendes und geheimnisvolles Vorbild, eine unserer »früheren Mütter «.“ (Benhabib, S. 21) Die [[Feminismus|feministische Bewegung]] in der 70er und 80er Jahren hatte sich hingegen kaum auf Arendt bezogen.


[[Jürgen Habermas]] nahm Hannah Arendt in seine philosophisch-politischen Profile bedeutender Autoren des 20. Jahrhunderts auf, die die Richtung seines Denkens bestimmt hätten. Neben Scholem und [[Ernst Bloch|Bloch]] spricht er in Bezug auf Arendt von „faszinierende(r) Bewunderung für den wegweisenden Geist“.<ref>Jürgen Habermas: ''Philosophisch-politische Profile.''(1981), Suhrkamp TB, Frankfurt a.&nbsp;M. 1987, S.&nbsp;10.</ref> Seine sowohl positive als auch kritische Haltung kommt zum Ausdruck, wenn er schreibt: „Von Hannah Arendt habe ich gelernt, wie eine Theorie des kommunikativen Handelns anzugehen ist; was ich nicht zu sehen vermag, ist, daß dieser Zugang im Widerspruch stehen soll zu einer [[Kritische Theorie|kritischen Theorie der Gesellschaft]].“<ref>Jürgen Habermas: ''Philosophisch-politische Profile.''(1981), Suhrkamp TB, Frankfurt a.&nbsp;M. 1987, S. 405.</ref> Er bezeichnete Jaspers und Arendt als „unerschrockene Radikaldemokraten“ mit „[[Elite|elitärer Mentalität]]“.<ref>Jürgen Habermas: ''Philosophisch-politische Profile.''(1981), Suhrkamp TB, Frankfurt a.&nbsp;M. 1987, S.&nbsp;236.</ref> Differenziert setzte er sich bereits seit den 1960er Jahren – wie auch in seinem großen Werk ''[[Faktizität und Geltung]]'' (1992)<ref>Jürgen Habermas: ''Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1992, insbesondere S.&nbsp;182–187, 327, 605, 622.</ref> – mit ihrer politischen Theorie auseinander, indem er ihre Thesen in ''Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft,'' mehr noch in ''[[Vita activa]]'' und ''[[Über die Revolution]],'' aber auch in ihren späteren, zu Lebzeiten noch nicht veröffentlichten Arbeiten darstellte, teilweise adaptierte, teilweise verwarf oder weiterentwickelte.
Arendt wurde häufig vorgehalten, sie unterschätze die sozialen Fragen. 1972 entgegnet sie in einem Gespräch mit Freunden darauf, beispielsweise der Wohnungsbau sei eine Frage der Verwaltung, die organisatorisch gelöst werden könne (Ich will verstehen, S.77ff). Sie selbst hat ihr, radikal Traditionen und Weltanschauungen infrage stellendes Denken, ausdrücklich auf das Politische beschränkt.


Der Soziologe [[Hauke Brunkhorst]] befasste sich 1999 mit dem Verhältnis zwischen Habermas und Arendt. Habermas habe Übereinstimmungen seiner [[Theorie des kommunikativen Handelns|Theorie kommunikativen Handelns]] mit Arendts Theorie der [[Macht und Gewalt]] entdeckt, halte aber Distanz zu ihrem [[Aristoteles|Aristotelismus]] und zu ihrer Kritik an der Französischen Revolution.<ref>[[Hauke Brunkhorst]]: ''Hannah Arendt.'' München 1999.</ref>
Es existiert keine philosophische oder politologische Schule, die sich auf Hannah Arendt bezieht. Ihr weit verzweigtes Werk bietet sich dazu an, [[eklektizistisch]] passende Versatzstücke für die Begründung der eigenen Position herauszugreifen. Da sie, anders als viele bedeutende intellektuelle Zeitgenossen, nach eigener Auskunft niemals Sozialistin oder Kommunistin, andererseits aber auch nicht durchgängig Zionistin war und in kein anderes Schema hineinpasste, gab es lange Zeit nur wenige Wissenschaftler, wie z.B. [[Ernst Vollrath]][http://www.hannah-arendt.de/preistraeger/preis_2001_7.html], die ihr Gesamtwerk ernst nahmen. Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. In den Zeiten der [[Postmoderne]] wird ihr individuelles „Denken ohne Geländer“ eher geschätzt.


Die Habermas-Schüler [[Helmut Dubiel]], Ulrich Rödel und [[Günter Frankenberg]] haben in ''Die demokratische Frage'' (1990) versucht, „mit Hilfe von Arendt das Demokratiedefizit der älteren [[Kritische Theorie|kritischen Theorie]] zu reparieren“.<ref>Hauke Brunkhorst: ''Hannah Arendt.'' München 1999, S. 150.</ref> Damit begann nach Brunkhorst die große Wirkung von Hannah Arendt in den achtziger Jahren, als die ''civil society'' ([[Zivilgesellschaft]]) auf der Tagesordnung stand. Anlass war demnach einerseits die [[Neoliberalismus|neoliberale]] Politik [[Ronald Reagan]]s und [[Margaret Thatcher]]s und andererseits die Politik der [[Sowjetunion]].
== Erbe ==
Seit 1994 wird der [[Hannah-Arendt-Preis]] für politisches Denken, finanziert von der Stadt [[Bremen]] und der [[Heinrich-Böll-Stiftung]], vergeben.


[[Seyla Benhabib]] fragt sich, wie die Arendt-Renaissance zu erklären ist. „Nach dem Fall des autoritären Kommunismus und seitdem die marxistische Theorie weltweit den Rückzug angetreten hat, erwies sich Hannah Arendts Denken als die kritische politische Theorie des posttotalitären Augenblicks.“ Auch für die moderne [[Frauenbewegung]] sei Arendt „ein beeindruckendes und geheimnisvolles Vorbild, eine unserer ‚früheren Mütter‘“.<ref>Seyla Benhabib: ''Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne.'' Hamburg 1998, S.&nbsp;18 u. 21.</ref> Die [[Feminismus|feministische Bewegung]] in den 1970er und 1980er Jahren hatte sich hingegen kaum auf Arendt bezogen.
Das ''Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden'' arbeitet seit 1993. Es will nach der Erfahrung von ''60 Jahren Diktatur'' explizit ''Diktaturen mit totalitärem Verfügungsanspruch'' untersuchen. Historiker und Sozialwissenschaftler sollen auf empirischer Grundlage die politischen und gesellschaftlichen Strukturen von NS-Diktatur und SED-Regime analysieren. Die Hannah-Arendt-Forschung gehört dagegen nicht vorrangig zu den Zielen des Instituts.


Im Jahr 1998 kritisierte [[Walter Laqueur]] den „Arendt-Kult“, insbesondere in Deutschland. Besonders auf Schriftstellerinnen übe sie eine Faszination aus, werde als Heldin betrachtet, als größte Philosophin unserer Tage oder aller Zeiten, was sie eventuell auch gewesen sei. „Man erkennt eine faszinierende Diskrepanz zwischen Arendt als politischer Philosophin und ihrem mangelnden Urteilsvermögen in Bezug auf die aktuelle politische Situation.“ Er spricht in diesem Zusammenhang von „gewohnheitsmäßigen Fehleinschätzungen“, wirft ihr, wie Scholem, ihre Haltung zu Israel und Palästina vor und konstatiert mit scharfen Worten eine Distanz zum Judentum.<ref>Walter Laqueur: ''The Arendt Cult. Hannah Arendt as a Political Commentator.'' In: ''Journal of Contemporary History.'' Bd.&nbsp;33, Nr.&nbsp;4, 1998, S.&nbsp;485, dt.: ''Der Arendt-Kult. Hannah Arendt als politische Kommentatorin.'' In: ''Europaeische Rundschau.'' Wien, 26. Jahrgang, Heft 4, Herbst 1998, S.&nbsp;111–125.</ref>
In Zürich, wo Hannah Arendt 1958 den Vortrag ''Freiheit und Politik'' gehalten hat, fanden 1996 bis 2000 jährliche ''Hannah-Arendt-Tage'' statt, die sich - jeweils unter einem anderen Blickwinkel - mit ihrem politischen Denken befassten.
An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg wurde 1999 das ''Hannah-Arendt-Zentrum'' gegründet. Es verfügt über ein Archiv mit großen Teilen aus Arendts Nachlass. Außerdem werden ''Hannah Arendt Studien'' als Buchreihe herausgegeben. Hinzu kommen Tagungen und andere Veranstaltungen zu den Werken Hannah Arendts und allgemein zur Geistesgeschichte des vorigen Jahrhunderts.


2005 zählte [[Ralf Dahrendorf]] Hannah Arendt mit Einschränkungen zu den wenigen eigenständigen [[Humanismus|humanistischen]] und freiheitlichen Denkern des vorigen Jahrhunderts.
Ihre Philosophie ist die Grundlage für den Roman ''[[Fever (Roman)|Fever]]'' der Französin Leslie Kaplan. Das fiktionale Werk stellt eine literarische Umschreibung von Arendts Gedanken über die Zwischenmenschlichkeit und Kommunikation, über Freiheit und Schuld dar.


[[Datei:HannahArendtHeidelberg 1.jpg|mini|Gedenktafel an Arendts Wohnhaus in Heidelberg, Schlossberg 16, angebracht im Jahr 2006]]
== Zitat ==
Ihr wurde häufig vorgehalten, sie unterschätze die [[Soziale Frage|sozialen Fragen]]. 1972 entgegnete sie in einem Gespräch mit Freunden darauf, beispielsweise der Wohnungsbau sei eine Frage der Verwaltung, enthalte aber auch politische Aspekte wie das Integrationsproblem.<ref>''Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk.'' München [u.&nbsp;a.] 1996, S.&nbsp;77&nbsp;ff.</ref> Sie selbst hat ihr – radikal Traditionen und Weltanschauungen in Frage stellendes – Denken immer wieder ausdrücklich auf das Politische beschränkt. [[Rahel Jaeggi]] setzte sich 2008 mit dem politischen Denken in Kontrast und in Verbindung zum sozialen auseinander.<ref>Jahel Jaeggi: ''Wie weiter mit Hannah Arendt?'' Hamburger Edition, Hamburg 2008, S.&nbsp;16 ff.</ref>
:„Das den Nürnberger Prozessen zugrunde liegende Londoner Statut hat, wie bereits erwähnt, die »[[Verbrechen gegen die Menschheit]]« als »unmenschliche Handlungen« definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten »Verbrechen gegen die ''Menschlichkeit''« geworden sind – als hätten es die Nazis lediglich an »Menschlichkeit« fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig das [[Understatement]] des Jahrhunderts.” (''[[Eichmann in Jerusalem]]'' 2004, S. 399)

Elisabeth Young-Bruehl verwies 2006 darauf, dass Arendts politisches Konzept des Vergebens und des Neubeginnens fünfzehn Jahre nach ihrem Tod in der [[Wahrheits- und Versöhnungskommission]] von Südafrika umgesetzt wurde: „Her ideas about forgiveness and her book on Eichmann influenced and were reflected in the action, the new beginning, that brought the South African Truth and Reconciliation Commission (TRC), which, for the first time in history, made forgiveness a guiding principle for a state.“<ref>Elisabeth Young-Bruehl: ''Why Arendt Matters.'' London 2006, S.&nbsp;112 (dt.: ihre Vorstellungen zu Vergebung und ihr Buch über Eichmann beeinflussten und spiegelten sich wider bei der Einführung, dem Neubeginn, der die South African Truth and Reconciliation Commission (TRC) hervorbrachte, welche, zum ersten Mal in der Geschichte, Vergebung zu einem leitenden Prinzip für einen Staat machte.)</ref>

Es existiert keine philosophische oder politologische Schule, die sich auf Hannah Arendt beruft. Ihr weit verzweigtes Werk bietet die Möglichkeit, passende Versatzstücke für die Begründung der eigenen Position herauszugreifen. Nach eigener Auskunft war sie – anders als viele bedeutende intellektuelle Zeitgenossen – niemals Sozialistin oder Kommunistin, andererseits aber auch nicht durchgängig Zionistin und passte auch in kein anderes Schema hinein. Daher gab es lange Zeit nur wenige Wissenschaftler, wie Jürgen Habermas und [[Ernst Vollrath]],<ref>[[Antonia Grunenberg]]: {{Webarchiv |url=http://www.hannah-arendt.de/preistraeger/preis_2001_7.html |wayback=20040129124753 |text=''Ernst Vollrath – Denkwege und Aufbrüche.'' Rede zur Verleihung des Hannah-Arendt-Preises 2001.}}. In: ''hannah-arendt.de,'' 2001.</ref> die ihr Gesamtwerk ernst nahmen.

Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. In den Zeiten der [[Postmoderne]] werden ihr individuelles „Denken ohne Geländer“, ihre Ausführungen über Pluralität und Vielstimmigkeit eher geschätzt, auch weil – wie häufig angemerkt wird – ihr Denk- und ihr Lebensweg ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen.<ref>Eine differenzierte Darstellung der Wirkungsgeschichte bietet: Thomas Wild: ''Hannah Arendt. Leben Werk Wirkung.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 2006, S.&nbsp;120–138.</ref>
Etwa seit 1945 konnte Arendt in den USA durchgängig in großem Umfang publizieren, seit 1953 akademisch lehren und in der Öffentlichkeit eine bedeutende Stellung als politische Intellektuelle einnehmen, eine Tatsache, die Thomas Wild folgendermaßen kommentiert: „Eine «Karriere» dieser Art wäre für eine Frau in den Ländern des alten Europas zu jener Zeit kaum vorstellbar gewesen.“<ref>Thomas Wild: ''Hannah Arendt. Leben Werk Wirkung.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 2006, S.&nbsp;128.</ref>

[[Amos Elon]], Journalist und Schriftsteller, ordnete ihre Bedeutung ein mit den Worten „Das 20. Jahrhundert ist ohne Hannah Arendt gar nicht zu verstehen.“<ref>[https://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/index.html Zitat beim Ausstellungstext]</ref>

== Nachlass und Einrichtungen ==
Ihre Bibliothek, die nahezu 4000 Bücher und andere Papiere umfasste, befindet sich seit 1976 im Bard College in New York, das eine Übersicht digitalisiert öffentlich zugänglich macht.<ref>[http://www.bard.edu/arendtcollection/ The Hannah Arendt Collection]</ref>

[[Datei:2014-08 Graffiti Patrik Wolters alias BeneR1 im Team mit Kevin Lasner alias koarts, Hannah Arendt Niemand hat das Recht zu gehorchen, Geburtshaus Lindener Marktplatz 2 Ecke Falkenstraße in Hannover-Linden-Mitte.jpg|mini|Graffito von BeneR1 und koart an Arendts Geburtshaus mit der Aufschrift: „Niemand hat das Recht zu gehorchen.“ Im Original aus dem Radiointerview mit [[Joachim Fest]] 1964: „Kein Mensch hat bei [[Immanuel Kant|Kant]] das Recht zu gehorchen“<ref>im [[Südwestfunk]] am 9. November 1964 in der Sendereihe ''Das Thema.'' Zum Nachhören: [[Compact Disc|CD]] Hannah Arendt, Karl Jaspers: ''Eichmann – Von der Banalität des Bösen.'' Quartino, München 2010, ISBN 978-3-86750-072-2; und zum Nachlesen: [https://www.hannaharendt.net/index.php/han/article/view/114/194 Gesprächstranskript] auf ''hannaharendt.net;'' Hannah Arendt, Joachim Fest: ''Eichmann war von empörender Dummheit. Gespräche und Briefe.'' Hrsg. Ursula Ludz und Thomas Wild, München 2011, S.&nbsp;44.</ref>]]

Das [[Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung]] e.&nbsp;V. (HAIT) in Dresden arbeitet seit 1993.<ref>[https://hait.tu-dresden.de/ext/ ''Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung.''] an der [[TU Dresden]].</ref> Es hat sich zum Ziel gesetzt, „Diktaturen mit totalitärem Verfügungsanspruch“ zu untersuchen. Historiker und Sozialwissenschaftler sollen auf [[Empirische Sozialforschung|empirischer Grundlage]] die politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Nationalsozialismus und des SED-Regimes analysieren. Das Institut führt überdies Tagungen zu Hannah Arendt durch und unterstützt posthume Veröffentlichungen.<ref>Nachdem die öffentliche Wahrnehmung des Instituts für einige Jahre auch durch personelle und wissenschaftspolitische Kontroversen in Grundsatzfragen geprägt worden war, attestierte im März 2019 im Rahmen einer [[Evaluation]] ein vom [[Wissenschaftsrat (Deutschland)|Wissenschaftsrat]] bestelltes Expertengremium unter Leitung von [[Caspar Hirschi]] der Einrichtung, ein „wichtiger Impulsgeber für die zeitgeschichtliche und politikwissenschaftliche Forschung“ zu sein sowie „wertvolle und unverzichtbare Beiträge sowohl für die wissenschaftliche Begleitung des [[Erinnerungskultur|Andenkens]] an die [[Politische Verfolgung|Opfer]] der NS-Diktatur und des SED-Regimes als auch im Hinblick auf die [[politische Bildung]] in Sachsen generell“ zu leisten ({{Internetquelle |url=https://www.wissenschaftsrat.de/download/2020/8265-20.pdf?__blob=publicationFile&v=3 |titel=Stellungnahme zum Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.&nbsp;V. (HAIT), Dresden |titelerg=Drucksache 8265-20 des Wissenschaftsrats |werk=wissenschaftsrat.de |datum=2020-01-31 |seiten=8 |abruf=2021-11-02 |format=PDF; 424&nbsp;kB}}).</ref>

Die 1997 gegründete ungarische Hannah-Arendt-Gesellschaft richtet sich vor allem an pädagogisches Personal und beschäftigt sich u.&nbsp;a. mit einer Neudefinition der Menschenrechte angesichts der Arendt-These, dass die industrielle Massenvernichtung nur möglich war, weil die [[Allgemeine Erklärung der Menschenrechte|Menschenrechte]] weder philosophisch begründet noch politisch durchgesetzt, sondern lediglich proklamiert worden seien.<ref>[http://www.hae.hu/inform.htm Ungarische Hannah-Arendt-Gesellschaft] – ''hae.hu'' (englisch).</ref>

In Zürich, wo Arendt 1958 den Vortrag ''Freiheit und Politik''<ref>''Freiheit und Politik'' (Nachdruck aus: ''Die neue Rundschau'' 69, 1958, Heft 4). In: ''Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I.'' München 1994, S.&nbsp;201ff.</ref> gehalten hatte, fanden 1996 bis 2000 jährlich ''Hannah-Arendt-Tage'' statt, die sich&nbsp;– jeweils unter einem anderen Blickwinkel&nbsp;– mit ihrem politischen Denken befassten. Seit 1998 werden auch in Hannover jeden Sommer ähnliche Veranstaltungen durchgeführt und deren Ergebnisse publiziert.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.hannah-arendt-hannover.de/index.html |wayback=20150118142516 |text=Arendt-Tage, Hannover.}}. In: ''hannah-arendt-hannover.de.''</ref>

An der [[Carl von Ossietzky Universität Oldenburg]] gründete [[Antonia Grunenberg]] 1999 das ''Hannah Arendt-Zentrum''<small>&nbsp;[[sic!]]]</small>.<ref>[http://www.uni-oldenburg.de/arendt-zentrum/ ''Das Hannah Arendt-Zentrum.'']<small>&nbsp;&#91;[[sic!]]&#93;</small> an der [[Universität Oldenburg]].</ref> Es verfügt über Originale und Kopien des größten Teils der Dokumente aus Arendts Nachlass. Außerdem werden die ''Hannah Arendt Studien'' als Buchreihe herausgegeben. Hinzu kommen Tagungen und andere Veranstaltungen zu den Werken Arendts und allgemein zur Geistesgeschichte des vorigen Jahrhunderts.

Das ''Hannah Arendt Center'' an der ''[[New School for Social Research]]'' in New York – Arendt war dort in ihren letzten Lebensjahren als Professorin tätig – existiert seit dem Jahr 2000.<ref>[http://www.newschool.edu/nssr/hannah-arendt-center/ ''Hannah Arendt Center.''] In: ''[[The New School]].''</ref> Sein Leiter ist [[Jerome Kohn]], der bei Arendt wissenschaftlicher Mitarbeiter war, über sie publiziert hat und gegenwärtig ihren Nachlass verwaltet.

Seit 2005 wird in Berlin der Internationale ''Hannah-Arendt-Newsletter''<ref>HannahArendt.net: [http://www.hannaharendt.net/ Forum der Arendt-Forschung und Newsletter.] ''Zeitschrift für politisches Denken. Journal for Political Thinking.''</ref> herausgegeben mit deutschen, englischen und seltener französischen Beiträgen, darunter auch bisher noch unveröffentlichten Arbeiten Arendts.

== Ehrungen ==
[[Datei:Kein mensch hat das recht zu gehorchen.jpg|mini|Verkürztes Hannah-Arendt-Zitat „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ in [[Bozen]]]]

Der 1990 entdeckte Asteroid „[[(100027) Hannaharendt]]“ wurde 2006 nach ihr benannt.<ref>{{JPL Small-Body Database|ID=100027|Text=(100027) Hannaharendt}}</ref>

Seit 1995 wird der ''[[Hannah-Arendt-Preis]] für politisches Denken'' vergeben und von der Stadt Bremen sowie der [[Heinrich-Böll-Stiftung]] der [[Bündnis 90/Die Grünen|Grünen]] finanziert.<ref>[https://www.hannah-arendt.de/hapreis/ Hannah-Arendt-Preis]</ref>

Etwa seit der Jahrtausendwende kann man von einem Arendt-Boom in Deutschland sprechen. Hannover, Marburg und Heidelberg haben Gedenktafeln an den entsprechenden Wohnstätten angebracht, einige Schulen<ref>Zum Beispiel: [https://hagh.net/ Hannah-Arendt-Gymnasium Haßloch], [http://www.han-nah.de/ Hannah-Arendt-Gymnasium in Barsinghausen], [http://www.hannah-arendt-schule.de/ Hannah-Arendt-Schule in Hannover], {{Webarchiv|url=http://www.has-fl.de/index.html |wayback=20190525011047 |text=Hannah-Arendt-Schule in Flensburg |archiv-bot=2022-11-12 03:54:40 InternetArchiveBot }}, [https://www.sozialberufe.berufsschule.it/ eine Berufsschule in Südtirol] oder das [[Hannah-Arendt-Gymnasium (Berlin)|Hannah-Arendt-Gymnasium]] in Berlin-Neukölln</ref> sowie Straßen und Plätze sind nach ihr benannt, öffentliche Veranstaltungen wie Vorträge, Symposien und Ausstellungen durchgeführt. Aus Anlass ihres 30. Todestages 2005 und kurz darauf zu ihrem 100. Geburtstag erschienen zahlreiche Artikel und Bücher. In den Universitäten und anderen Forschungsstätten interessieren sich zunehmend neben Philosophen, Politologen und anderen Sozialwissenschaftlern auch Historiker und Literaturwissenschaftler für Hannah Arendt.

[[Datei:2021-02-26 Hannah-Arendt-Weg (Hannover).JPG|mini|Hannah-Arendt-Weg in Hannover]]
In Berlin wurde 2005 die Straße neben dem [[Denkmal für die ermordeten Juden Europas]] nach ihr benannt. In [[Liste der Straßennamen von Wien/Donaustadt#H|Wien-Donaustadt]] wurde 2012 der Hannah-Arendt-Platz und der [[Hannah-Arendt-Park]] im neu entstehenden Stadtteil [[Seestadt Aspern]] nach ihr benannt. 2015 wurde der vor dem [[Niedersächsischer Landtag|Niedersächsischen Landtag]] in [[Hannover]] liegende [[Hannah-Arendt-Platz (Hannover)|Hannah-Arendt-Platz]] nach ihr benannt. Zudem ist seit 1986 in Hannover ein Weg entlang der [[Leine (Aller)|Leine]] als Hannah-Arendt-Weg benannt.<ref>Renate Deuter, Bodo Dringenberg: Frauenstraßennamen. In: Hannoversche Geschichtsblätter. N.F. 52. 1998. S. 431.</ref> Weitere Straßen in u.&nbsp;a., in Gießen, Oldenburg und Heidelberg sind nach ihr benannt.

Im Jahr 2017 wurde in [[Bozen]] ein aus der Zeit des [[Italienischer Faschismus|Faschismus]] stammendes und diesen verherrlichendes Monumental-Relief an der ''[[Casa Littoria (Bozen)|Casa Littoria]]'' von den Südtiroler Künstlern Michele Bernardi und Arnold Holzknecht mit der Anbringung eines Hannah-Arendt-Zitats – in verkürzter Form – zu einem öffentlichen Mahnmal umgestaltet.<ref>[[Hannes Obermair]]: ''Monuments and the City – an almost inextricable entanglement.'' In: ''Multiple Identitäten in einer „glokalen Welt“ – Identità multiple in un „mondo glocale“ – Multiple identities in a „glocal world“.'' Hrsg. von Matthias Fink u.&nbsp;a., Eurac.Research, Bozen 2017, ISBN 978-88-98857-35-7, S.&nbsp;88–99 und 97–98, mit Abbildung der Installation.</ref>

Das [[Stiftung Deutsches Historisches Museum|Deutsche Historische Museum]] Berlin widmet ihr in Kooperation mit der [[Bundeskunsthalle]] in Bonn eine Ausstellung im Winter 2020/21.<ref>[https://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/index.html Einzelheiten und Text zur Ausstellung]</ref>

[[Alma Zadić]], damals Abgeordnete der Liste Pilz im österreichischen Nationalrat, wählte 2018 ein Gastlokal am Hannah-Arendt-Platz, Wien als Ort für ein Interview: „Ich würde mir viel mehr Straßennamen von starken Frauen in der Innenstadt wünschen und nicht ‚nur‘ hier am Stadtrand.“<ref>Amar Rajkovic, Kamal Alzooz: [https://www.dasbiber.at/content/geh-bitte-alma ''Geh bitte, Alma.''] Interview. In: ''[[biber (Zeitschrift)|biber]],'' dasbiber.at, 22. Jänner 2018.</ref>

In Potsdam, Berlin, [[Fichte-Gymnasium Krefeld|Krefeld]], Erfurt und [[Markranstädt]]<ref>{{Internetquelle |autor=Rainer Küster |url=https://www.lvz.de/lokales/leipzig-lk/markranstaedt/gymnasium-markranstaedt-soll-nach-hannah-arendt-umbenannt-werden-FO5L6LH2V5BY7LUUSOVCXJTB4U.html |titel=Gymnasium Markranstädt soll nach Hannah Arendt umbenannt werden |hrsg=Leipziger Volkszeitung |datum=2024-07-23 |sprache=de |abruf=2024-07-23}}</ref> tragen [[Hannah-Arendt-Gymnasium|Gymnasien]] ihren Namen. Am Wohnhaus in der Babelsberger Merkustraße 3, in dem sie 1929 mit Günther Stern zusammengelebt hat, wurde am 14. Oktober 2021 eine Gedenktafel angebracht.<ref>''MAZ'' vom 14. Oktober 2021 https://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Gedenktafel-fuer-Hannah-Arendt-in-Potsdam-Babelsberg-enthuellt</ref>


== Werke ==
== Werke ==
{{Navigationsleiste|TITEL=Werkauswahl von Hannah Arendt|INHALT=
===Bücher, Essays u.a. Schriften===
*''Der Liebesbegriff bei [[Augustinus von Hippo|Augustin]]. Versuch einer philosophischen Interpretation''. (Berlin, 1929), 1959 (Neuausgabe Philo Verlagsges. 2003 ISBN 3865723438)
[[Der Liebesbegriff bei Augustin]] (1929)&nbsp;&#124;
[[Aufklärung und Judenfrage]] (1932)&nbsp;&#124;
*''We Refugees''. Menorah Journal, 1943, dt.''[[Wir Flüchtlinge]]'', In: Zur Zeit (hg. Von Marie Luise Knott), Berlin 1986
[[Rahel Varnhagen (Arendt)|Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik.]] (1938)&nbsp;&#124;
*''Denktagebuch 1950–1973''. Hrsg. von Usula Ludz und Ingeborg Nordmann, 2 Bände, [[Piper Verlag]] München & Zürich, 2002 ISBN 3-492-04429-8
[[Wir Flüchtlinge]] (1943)&nbsp;&#124;
*''The Origins of Totalitarianism''. New York, 1951 (dt. ''Elemente und Ursprünge [[Totalitarismus|totaler Herrschaft]]'', Frankfurt, 1955; 10. Aufl. Piper, München, 2003 ISBN 3-492-21032-5)
[[Was ist Existenzphilosophie?]] (1945)&nbsp;&#124;
*''[[Adolf Eichmann|Eichmann]] in [[Jerusalem]]: A Report on the Banality of Evil''. New York 1963 (dt. ''Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen'', München, 1964; 14. Auflage Piper, München, 1986 ISBN 3-492-20308-6)
[[Über den Imperialismus]] (1947)&nbsp;&#124;
* ''The Human Condition'', Chicago: University Press 1958 (dt.: ''[[Vita activa]] oder Vom tätigen Leben'', Stuttgart: Kohlhammer 1960; München: Piper 1967, 3. Aufl. 2002 ISBN 3-492-23623-5)
[[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]] (1955)&nbsp;&#124;
* ''Über die Revolution'' (On Revolution''. New York 1963), Piper, 4. Aufl. München 2000, ISBN 3-492-21746-X
[[Die Krise in der Erziehung]] (1958)&nbsp;&#124;
* ''[[Macht]] und [[Gewalt]]'', 1975; 16. Aufl. Piper, München, 1995 ISBN 3-492-20001-X
[[Vita activa oder Vom tätigen Leben]] (1960)&nbsp;&#124;
* ''[[Rahel Varnhagen]]: The Life of a Jewess''. London 1958, (dt. ''Rahel Varnhagen: Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik''. München, 1959; Piper, München, 2003 ISBN 3-492-01038-5)
[[Über die Revolution]] (1963)&nbsp;&#124;
* ''Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I'', 1949; Piper, München, 2. Aufl. 2000 ISBN 3-492-21421-5; darin: [[Die Krise in der Erziehung]]
[[Eichmann in Jerusalem]] (1963)&nbsp;&#124;
* ''In der Gegenwart. Übungen im politischen Denken II'', 2000, ISBN 3492229204
[[Wahrheit und Politik]] (1964)&nbsp;&#124;
* ''Was ist Politik?'', Piper, München, 1993; 2. Auflage 2003 ISBN 3-492-23770-3
[[Über das Böse]] (1965)&nbsp;&#124;
* ''Ich will verstehen'', 1996; Piper, München, 2005 ISBN 3-492-24591-9
[[Macht und Gewalt]] (1970)
* ''Zur Zeit. Politische Essays'', 1999, darin: [http://www.taz.de/pt/2005/04/15.nf/mondeText.artikel,a0048.idx,17 Das „deutsche Problem”], hrsg. und mit einem Nachw. von Marie Luise Knott, Rotbuch, Hamburg 1999, ISBN 3-434-53037-1
}}
* ''Die verborgene Tradition'', Suhrkamp, Ffm. 1976 ISBN 3518368036; Jüdischer Verlag, 2000 ISBN 3633541632; darin: ''Sechs Essays'', 1948
* ''Besuch in Deutschland'', 1950; Rotbuch Verlag 1993 ISBN 3880227977
* ''Vom Leben des Geistes''. Band 1: ''Das Denken''; Band 2: ''Das Wollen'' (ISBN 3492225551), 1979; Band III: ''Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie.'' (ISBN 3492225608), 1985
* ''Was ist [[Existenzphilosophie|Existenz-Philosophie]]?''. Verlag Anton Hain
* ''[[Walter Benjamin]] / [[Bertolt Brecht]]. Zwei Essays''. Piper Verlag, München, ISBN 3-492-100-12-0
* ''Nach Auschwitz. Essays und Kommentare'', Bittermann, 1989 ISBN 3923118813
* ''Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze'', Hrsg. Eike Eisel, Klaus Bittermann, aus dem amerikanischen Englisch, 1991, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin ISBN 3-8031-2196-5
* ''Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher'': Beiträge für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung "Aufbau" 1941 – 1945, hrsg. von Marie Luise Knott, Piper, München 2004, ISBN 3-492-24178-6
* ''Menschen in finsteren Zeiten'', hrsg. von Ursula Ludz (engl.: ''Men in Dark Times'', New York, 1968), Piper, München 2001, ISBN 3-492-23355-4
* ''[[Über das Böse]]. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik'', München, 2006, ISBN 3-492-04694-0 (engl. ''Responsibility and Judgment'') [http://www.welt.de/data/2006/03/18/860797.html Einleitung]
* Klaus Naumann: ''Hannah Arendt und die Exkommunisten''. Ein Text von Hannah Arendt, Kommentar Klaus Naumann. Mittelweg 36, 1993, Nr. 2


=== Korrespondenz, Reden und Interviews ===
=== Bücher, Vorlesungen und größere Schriften ===
[[Datei:Hannah Arendt Eichmann in Jerusalem 1963 Title.png|mini|hochkant|Erstausgabe 1963 mit einem Zitat von Bertolt Brecht]]
* Hannah Arendt und Heinrich Blücher: ''Briefe 1936–1968'', Piper, München, 1999; 2. Aufl. 2002 ISBN 3-492-03885-9

* Hannah Arendt und [[Kurt Blumenfeld]], ''... in keinem Besitz verwurzelt''. Die Korrespondenz, hrsg. v. Ingeborg Nordmann und Iris Pilling, Hamburg, 1995
* ''[[Der Liebesbegriff bei Augustin]]. Versuch einer philosophischen Interpretation.'' Berlin, Julius Springer 1929. Neuausgaben: (mit einer Einleitung und Anmerkungen von F. A. Kurbacher) Philo Verlagsgesellschaft, Berlin / Wien 2003, ISBN 3-86572-343-8; Meiner Verlag, Hamburg 2018, ISBN 978-3-7873-2990-8, (Dissertation)
* Hannah Arendt und Karl Jaspers, ''Correspondence, 1926–1969'', hrsg, v. Lotte Köhler und Hans Saner, New York 1992 (dt.: ''Briefwechsel 1926–1969'' Piper, München, 2001 ISBN 3-492-21757-5)
* ''The Origins of Totalitarianism.'' New York 1951, dt. ''[[Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft]].'' Frankfurt a.&nbsp;M., 1955; 10. Aufl. Piper, München 2003, ISBN 3-492-21032-5.
* Karl Jaspers: ''Wahrheit, Freiheit und Friede.'' Hannah Arendt:''Karl Jaspers.'' Reden zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1958, Piper-Verlag, München
* ''Über den Totalitarismus. Texte Hannah Arendts aus den Jahren 1951 und 1953'' (Vorwort und abschließende Bemerkungen zur 1. Auflage von ''The Origins of Totalitarianism'' und Kontroverse mit [[Eric Voegelin]]). Übers. Ursula Ludz, Kommentar Ingeborg Nordmann. Hannah-Arendt-Institut, Dresden 1998, ISBN 3-931648-17-6.
* Hannah Arendt und Mary McCarthy, ''Between Friends: The Correspondence of Hannah Arendt and Mary McCarthy, 1949–1975'', hrsg. v. Carol Brightman, New York, 1995 (dt.: ''Im Vertrauen. Briefwechsel 1949-1975'', München 1995. ISBN 3-492-22475-X)
* ''Rahel Varnhagen: The Life of a Jewess.'' London 1958, dt. ''[[Rahel Varnhagen (Arendt)|Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik]].'' Piper, München 1959; Neuauflagen: 1981–1998, ISBN 3-492-20230-6.
* Hannah Arendt und Gershom Scholem, ''Eichmann in Jerusalem: Exchange of Letters between Gershom Scholem and Hannah Arendt''. In: Encounter 22/1 (1964), S. 51–56, deutsch in: Neue Zürcher Zeitung 19.10.1963
* ''The Human Condition.'' University Press, Chicago 1958; dt. ''[[Vita activa oder Vom tätigen Leben]].'' Kohlhammer, Stuttgart 1960; Piper, München 1967, 3. Aufl. 2002, ISBN 3-492-23623-5.
* Hannah Arendt und Hermann Broch, ''Briefwechsel 1946–1951'', Frankfurt, [[Jüdischer Verlag]], 1996; 2. Aufl. 2000 ISBN 3633541136
* ''Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil.'' Viking Press, New York 1963.
* Hannah Arendt und Martin Heidegger, ''Briefe 1925–1976'', Klostermann, Frankfurt, 1998; 3. durchgesehene und erweiterte Auflage 2002 ISBN 3465032055
** ''[[Eichmann in Jerusalem]]. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.'' Von der Autorin durchgesehene und ergänzte deutsche Ausgabe. Übersetzung Brigitte Granzow. Piper, München 1964.
* Hannah Arendt - [[Uwe Johnson]], ''Der Briefwechsel 1967 – 1975'', hrsg. von Eberhard Fahlke und Thomas Wild, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-518-41595-6
* ''On Revolution.'' New York 1963, dt.: ''[[Über die Revolution]].'' Piper, München 1963, 4. Aufl. 2000, ISBN 3-492-21746-X.
* ''Gespräche mit Hannah Arendt''. Hrsg. Adelbert Reif. München 1979
* Some Questions of Moral Philosophy 1965, dt. ''Einige Fragen der Ethik. Vorlesung in vier Teilen.'' In: ''[[Über das Böse]]. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik.'' Piper, München 2006, ISBN 3-492-04694-0, (engl. ''Responsibility and Judgment'') [https://www.welt.de/print-welt/article204429/Dies-haette-nie-geschehen-duerfen.html Einleitung], posthum erstmals veröffentlicht.
* ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten'', Rede am 28. September 1959 bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg, Mit einem Essay von Ingeborg Nordmann, EVA, Hamburg 1999, ISBN 3-434-50127-4
* ''On Violence.'' New York / London 1970, dt. ''[[Macht und Gewalt]].'' Piper, München 1970; 15. Auflage, 2003, ISBN 3-492-20001-X. Anhang: [[Adelbert Reif]]: Interview mit Hannah Arendt zu ''Macht und Gewalt,'' 1970.
* ''Die Sonning-Preis-Rede'' Kopenhagen 1975, in: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur, Hrsg. Heinz Ludwig Arnold, 166/167, Hannah Arendt,IX/05, ISBN 3-88377-787-0
* ''Lectures on Kant’s Political Philosophy.'' Chicago 1982, dt. ''Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie.'' Piper, München 1985, ISBN 3-492-22560-8, Vorlesung 1970, posthum erstmals veröffentlicht.
* ''The Life of the Mind.'' New York 1978, dt. ''Vom Leben des Geistes.'' Bd. 1: ''Das Denken.'' Bd. 2: ''Das Wollen.'' Piper, München 1979, ISBN 3-492-22555-1, Vorlesungen 1973 und 1974, posthum erstmals veröffentlicht.
* ''Denktagebuch 1950–1973.'' Hrsg. Ursula Ludz, Ingeborg Nordmann in Zusammenarbeit m. d. Hannah-Arendt-Institut, Dresden. 2 Bände. Piper, München / Zürich 2002, ISBN 3-492-04429-8, posthum erstmals veröffentlicht.
* ''The Jewish Writings.'' Hrsg. Jerome Kohn, Ron H. Feldman, Schocken, New York 2007, ISBN 978-0-8052-4238-6, Rezensionen:<ref>Rezensionen von ''The Jewish Writings,'' [[Judith Butler]]: [http://www.lrb.co.uk/v29/n09/butl02_.html ''‘I merely belong to them’.''] In: ''[[London Review of Books]]'' (LRB), 10.&nbsp;Mai 2007, (englisch) und<br /> Natan Sznaider: [https://www.nzz.ch/rueckkehr_in_die_geschichte-1.592260 ''Rückkehr in die Geschichte.''] In: ''[[Neue Zürcher Zeitung|NZZ]],'' 1.&nbsp;Dezember 2007, S.&nbsp;27.</ref>
* ''Mir ist, als müsste ich mich selbst suchen gehen. Das private Adressbuch 1951–1975.'' Hrsg. Christine Fischer-Defoy. Koehler & Amelang, Leipzig 2007, ISBN 978-3-7338-0357-5.
* ''Sokrates. Apologie der Pluralität.'' Aus dem Englischen von [[Joachim Kalka]]. Matthes & Seitz, Berlin 2015, ISBN 978-3-95757-168-7, Rezension:<ref>Rezension von ''Sokrates. Apologie der Pluralität,'' [[Jürgen Busche]]: [https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/pluralitaet-zulassen ''Pluralität zulassen.''] In: ''[[der Freitag]],'' 17.&nbsp;Februar 2016.</ref>

=== Essays, Artikel und kleine Schriften ===
* ''Die verborgene Tradition. Acht Essays'' (1932–1948). Suhrkamp, Frankfurt a.&nbsp;M. 1976, ISBN 3-518-36803-6; [vergriffen ab 2010] Jüdischer Verlag, 2000, ISBN 3-633-54163-2, darin: ''Zueignung an Karl Jaspers.'' 1947, ''[[Über den Imperialismus]]'' 1946, ''Organisierte Schuld'' 1946, ''Die verborgene Tradition'' 1948, ([[Stefan Zweig]]) ''Juden in der Welt von gestern'' 1944, ''Franz Kafka,'' (von Neuem gewürdigt) 1946, ''[[Aufklärung und Judenfrage]]'' 1932, ''Der Zionismus aus heutiger Sicht'' (englisch 1945).
* ''What is Existenz Philosophy?'' New York 1946. ''[[Was ist Existenzphilosophie?]]'' In: ''Sechs Essays.'' ''Schriften der [[Die Wandlung (Monatszeitschrift)|Wandlung]].'' 3, Heidelberg 1948; Neuerscheinung: Verlag Anton Hain, Frankfurt a.&nbsp;M. 1990, ISBN 3-445-06011-8.
* ''Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher.'' Beiträge für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung „Aufbau“ 1941–1945. Hrsg. [[Marie Luise Knott]], Piper, München 2004, ISBN 3-492-24178-6. Sammlung von 40 Texten.
* ''From the [[Dreyfus-Affäre|Dreyfus Affair]] to France Today.'' In: ''Essays on Antisemitism.'' Koppel S. Pinson (Hrsg.); Salo W. Baron (Vorwort). Conference on Jewish Relations, New York 1946 (nur in dieser 2. Auflage enthalten). Reihe: ''Jewish Social Studies. Publications,'' Bd. 2, S.&nbsp;173–217.<ref>Das Buch ist in der [[Deutsche Nationalbibliothek|Deutschen Nationalbibliothek]], Standort Leipzig, vorhanden. (Einzelheiten zu der Vorläufer-Fassung von 1942 und einer weiteren Überarb. in ''Origins…'' bei Ludz, Arendt-Bibliografie in ''Ich will verstehen,'' Titel-Nr.&nbsp;019, S.&nbsp;260).</ref>
* ''Reflections on Literature and Culture.'' Hrsg. und Vorwort Susannah Young-Ah Gottlieb. Stanford University Press SUP, Stanford, Calif. 2007, ISBN 978-0-8047-4499-7 (engl. Das Buch enthält etliche schwer greifbare Aufsätze Arendts, u.&nbsp;a. aus den 1930er Jahren. U.&nbsp;a. über: [[Duineser Elegien]], [[Friedrich von Gentz|Gentz]], [[Adam Müller von Nitterdorf|Adam Müller]], [[Käte Hamburger]], Dostojewski: ''[[Die Dämonen (Dostojewski)|Die Dämonen]],'' [[Ralph Waldo Emerson|Emerson]]-[[Henry David Thoreau|Thoreau]]-Preisrede, Franz. [[Existentialismus]], [[Bernard Lazare]], [[Marcel Proust|Proust]], [[Rudyard Kipling|Kipling]] (dieser Text ist identisch mit dem entsprechenden Kapitel aus ''Elemente und Ursprünge''), den Maler Carl Heidenreich, von dem das Frontispiz stammt, und [[Herman Melville]]. Im Anhang werden Arendts unterschiedliche dt.-engl. Versionen verglichen mit Stefan Zweig, Kafka, „Kultur und Politik“, Brecht.)
* ''Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze'' (1943–1964). Hrsg. [[Eike Geisel]], [[Klaus Bittermann]]. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1991, ISBN 3-8031-2196-5 (Übers. d. amerikan. Originalfassung).
* {{Literatur |Titel=Zur Zeit. Politische Essays (1943–1975) |Verlag=Rotbuch |Ort=Hamburg |Datum=1999 |ISBN=3-434-53037-1 |Kommentar=Erstmals 1986}} Inhalt: ''[[Wir Flüchtlinge]]''<ref>Hannah Arendt: {{Webarchiv |url=http://www.documenta14.de/de/south/35_we_refugees |wayback=20160414204743 |text=''We Refugees.''}}. In: ''[[documenta 14]],'' (englisch).</ref> (1943); ''zur Deutschlandfrage'' (1945); ''zu den Nachwirkungen des Naziregimes'' (Besuch in Deutschland 1950); ''zum wachsenden Antiamerikanismus, der Atombombe und dem Konformismus der MC-Carthy-Ära'' (1954); ''zur Negerfrage und den Grenzen der Integration'' (1957); ''zum Recht auf Zivilen Ungehorsam'' (1970) und ''zur „Kunst des Vergessens“ nach Vietnam und Watergate'' (1975).
* ''Nach Auschwitz. Essays und Kommentare'' (1944–1965). Hrsg. Eike Geisel, Klaus Bittermann. Edition Tiamat, Berlin 1989, ISBN 3-923118-81-3.
* ''Es gibt nur ein einziges [[Menschenrecht]].'' In: [[Die Wandlung (Monatszeitschrift)|Die Wandlung]]. Hrsg. [[Dolf Sternberger]]. Lambert Schneider, Heidelberg 4. Jg., Dezember 1949, S.&nbsp;754–770 (Übersetzung von: ''›The Rights of Man‹. What Are They?'' In: ''Modern Review.'' NY 1949, 3 (1), S.&nbsp;24–36).
* ''In der Gegenwart. Übungen zum politischen Denken II.'' Hrsg. Ursula Ludz. Piper, München 2000, ISBN 3-492-22920-4; Texte 1944–1975, darin u.&nbsp;a.: ''Gestern waren sie noch Kommunisten ….'' 1953 und ''Die Lüge in der Politik. Überlegungen zu den Pentagon Papieren'' 1971.
* ''Was ist Politik?'' Fragmente aus dem Nachlass 1950–1959. Vorwort: Kurt Sontheimer, Hg.: Ursula Ludz. Piper, München 1993, ISBN 3-492-23770-3 (TB 2. Auflage. 2005).
* ''Un viatique pour lire [[Niccolò Machiavelli|Machiavel]]'' („Kleine Anleitung, M. zu lesen“) Bisher nicht veröff. Texte von 1955, Vorlesungen an der Univ. Berkeley (frz. Übers. von Marie Gaille-Nikodimov) in: ''Magazine littéraire,'' Paris, No. 397, April 2001, dito brasilianisch-port. Übers. (aus dem Frz. von Gabriel Cohn) [http://www.scielo.br/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0102-64452002000100015#nt02 scielo.br] Original, als Scan des Ms. (englisch) siehe Weblinks: ''The Hannah Arendt Papers,'' in der Library of Congress, 33 S. (ebenfalls über andere polit. Denker der Zeit, u.&nbsp;a. [[John Locke|Locke]], [[Jean-Jacques Rousseau|Rousseau]], [[Thomas Hobbes|Hobbes]], Montesquieu, [[Alexis de Tocqueville|Tocqueville]]).
* {{Literatur |Titel=[[Was ist Autorität?]] |Sammelwerk=Der Monat |Band=8 |Nummer=89 (1955–1956) |Datum=1956-02 |Seiten=29–44}} Mehrere Fassungen
* ''Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart. Vier Essays.'' Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt a.&nbsp;M. 1957, aus dem amerikanischen Englisch übertragen von [[Charlotte Beradt]]; Inhalt: ''Geschichte und Politik, Natur und Geschichte, Tradition und Neuzeit, Was ist Autorität?''
* ''Die Ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus.'' Aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Charlotte Beradt. Piper, München 1958.
* ''Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I.'' Texte 1954–1964. Hg. Ursula Ludz. Piper, München 1994, 2. durchges. Aufl. 2000, ISBN 3-492-21421-5; darin u.&nbsp;a.: [[Die Krise in der Erziehung]] 1958, ''[[Wahrheit und Politik]]'' 1967 (Originalfassung: ''Between Past and Future.'' 1961, erweitert 1968).
* ''Menschen in finsteren Zeiten.'' Essays u.&nbsp;a. Texte 1955–1975. Hg. von Ursula Ludz. Piper, München 2001, ISBN 3-492-23355-4. (Originalfassung: ''Men in Dark Times.'' New York 1968)
* Zusammen mit [[Günther Anders|Günther Stern]]: ''Rilkes „Duineser Elegien“.'' (1930) Nachdruck in Ulrich Fülleborn, Martin Engel: ''Materialien zu Rilkes D. E.,'' Bd. 2: ''Forschungsgeschichte.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-38510-0, S.&nbsp;45–65.
* ''Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte.'' Hg. und Nachwort [[Irmela von der Lühe]]. Piper, München 2015, ISBN 978-3-492-05716-5.<ref>Maria Behre: [https://literaturkritik.de/id/21627 ''„Bei Gesprächen hineingestreut wie Gastgeschenke“.''] In: ''[[Literaturkritik.de]],'' 11.&nbsp;Februar 2016, Rezension von ''Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte.''</ref>
* ''Wahrheit und Lüge in der Politik.'' Piper, München 2013, ISBN 978-3-492-30328-6 (zwei Essays, zuerst veröffentlicht 1971 und 1972).
* ''Die Freiheit, frei zu sein.'' Aus dem amerikanischen Englisch von Andreas Wirthensohn. Nachwort von Thomas Meyer. DTV, München 2018, ISBN 978-3-423-14651-7. Dieser im Zusammenhang mit ''Über die Revolution'' (engl. 1963, dt. 1965) entstandene englische undatierte Text ist zu Arendts Lebzeiten nicht erschienen. Laut Thomas Meyer (S.&nbsp;46) ist es wahrscheinlich, dass ihre am 21.&nbsp;April 1967 in Chicago gehaltene Rede ''Revolution and Freedom'' eine veränderte Version dieses Manuskripts darstellt.<ref>Rezensionen von ''Die Freiheit, frei zu sein'' von Claudia Mäder: [https://www.nzz.ch/feuilleton/lust-auf-freiheit-und-hunger-nach-brot-hannah-arendt-freiheit-frei-zu-sein-ld.1348551 ''Lust auf Freiheit und Hunger nach Brot.''] In: ''[[Neue Zürcher Zeitung|NZZ]],'' 19.&nbsp;Januar 2018;<br />Michael Opitz: [http://www.deutschlandfunkkultur.de/hannah-arendt-die-freiheit-frei-zu-sein-ihre-freiheit-kennt.1270.de.html?dram:article_id=408561 ''Ihre Freiheit kennt weder Not noch Furcht.''] [[Deutschlandfunk]], 18.&nbsp;Januar 2018;<br /> [[Gustav Seibt]]: [https://www.sueddeutsche.de/kultur/politische-philosophie-die-welt-als-stoff-des-handelns-1.3823259 ''Politische Philosophie. Die Welt als Stoff des Handelns.''] In: ''[[Süddeutsche Zeitung]],'' 12.&nbsp;Januar 2018.<br /> Maria Behre: [https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=24748# ''Freiheit von Furcht statt Furcht vor der Freiheit.''] In: ''Literaturkritik.de,'' 27.&nbsp;Juli 2018.</ref>
** Stark gekürzte Fassung dieses Essays als Vorabdruck: [http://www.zeit.de/2018/02/hannah-arendt-essay-freiheit-revolution-zyklus-zeitalter ''Revolutionen. Die Freiheit, frei zu sein; von Hannah Arendt.''] In: ''[[Die Zeit]],'' Nr. 2/2018, S.&nbsp;42.
** Englisches Original: [https://lithub.com/never-before-published-hannah-arendt-on-what-freedom-and-revolution-really-mean/ Never-Before-Published Hannah Arendt on What Freedom and Revolution Really Mean.]
* ''Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?'' Piper, München 2018, ISBN 978-3-492-23828-1.
* ''Über Palästina''. Hg. von Thomas Meyer. Piper, München 2024, ISBN 978-3-492-07319-6.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.br.de/nachrichten/kultur/ueberraschung-zwei-neue-aufsaetze-zu-palaestina-von-hannah-arendt,UGoTtB4 |titel=Überraschung: Zwei neue Aufsätze zu Palästina von Hannah Arendt |datum=2024-06-27 |sprache=de |abruf=2024-11-01}}</ref>

=== Reden und Vorträge ===
* ''Karl Jaspers.'' In: ''Reden zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1958.'' Piper, München 1958; wieder in H. A.: ''Menschen in finsteren Zeiten.'' Piper, 1968 u. ö., S.&nbsp;89–98; in Audio-Version: ''Von Wahrheit und Politik. 5 CDs: Originalaufnahmen aus den 50er und 60er Jahren.'' DHV Der Hörverlag, 2006, ISBN 3-89940-906-X.
* ''Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten.'' Rede am 28. September 1959 bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg. EVA, Hamburg 1999, ISBN 3-434-50127-4.
* {{Webarchiv |url=http://www.hannah-arendt.de/verein/publikationen_arendt1.html |wayback=20120118132220 |text=''Kollektive Verantwortung.''}} Vortrag aus dem Jahr 1968.
* ''Die Sonning-Preis-Rede.'' Kopenhagen 1975. In: ''[[Text und Kritik]]. Zeitschrift für Literatur.'' Hrsg. [[Heinz Ludwig Arnold]]. 166/167, Schwerpunkt: Hannah Arendt, IX/05, ISBN 3-88377-787-0.

=== Interviews und Hörtexte ===
* ''Hannah Arendt im Gespräch mit [[Günter Gaus]]. [[Zur Person]] – Porträts in Fragen und Antworten.'' Gespräch, [[ZDF]], 72 Min., 28.&nbsp;Oktober 1964. Das Fernsehinterview ist verfügbar in der [https://www.zdf.de/dokumentation/zur-person/hannah-arendt-zeitgeschichte-archiv-zur-person-gaus-100.html ZDF-Mediathek] und auf [https://www.youtube.com/watch?v=J9SyTEUi6Kw YouTube] ([https://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html Transkript]). Vgl. Besprechung von Matthias Dell: [https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/golo-mann-raucht-nicht ''Dem Denken beim Reden und Rauchen zuschauen – Frühe Interviews von Günter Gaus auf zwei DVDs.''] In: ''[[der Freitag]],'' 19.&nbsp;August 2005: „Das schönste Gespräch, hat Günter Gaus […] gesagt, sei das mit Hannah Arendt gewesen.“
* ''Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk.'' Hrsg. von Ursula Ludz. Piper, München 1996, Neuauflage 2005, ISBN 3-492-24591-9, (darin das Gaus-Interview, ein Interview mit [[Thilo Koch]] 1964, und eines mit Roger Errera, Oktober 1973).<ref>Erstsendung des Errera-Interviews am 6.&nbsp;Juli 1974 in [[ORTF]], Reihe: ''Un certain regard.'' Wiederholung 13.&nbsp;Oktober 2006 in [[arte]]: ''Hannah Arendt in New York,'' O-Ton mit dt. Untertiteln, [http://www.dailymotion.com/video/xjeb8 online-Video].</ref>
* ''Gespräche mit Hannah Arendt.'' Hrsg. [[Adelbert Reif]]. Piper, München 1979, ISBN 3-492-00438-5.
* ''Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim Fest. Eine Rundfunksendung aus dem Jahr 1964.'' Hrsg. von Ursula Ludz und Thomas Wild (Transkription, Vorbemerkung und Anmerkungen), Oktober 2007, {{Webarchiv |url=http://www.hannaharendt.de/download/fest_interview.pdf |wayback=20120126152050 |text=online,}}. Die Sendung selbst ist verfügbar unter [https://web.archive.org/web/20181021195249/https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/juedisches-leben-09-hannah-arendt/-/id=2847740/did=14723246/nid=2847740/la9s30/index.html archive.org].
* ''Hannah Arendt und [[Joachim Fest]]. „Eichmann war von empörender Dummheit“. Gespräche und Briefe.'' Hrsg. von Ursula Ludz und Thomas Wild. Piper, München 2011, ISBN 978-3-492-05442-3.
* Hannah Arendt: ''Das Böse ist immer nur extrem, aber niemals radikal.'' 25 ausgewählte Texte, gelesen von Axel Grube. Alle Texte und Kommentare stehen auch auf der Verlagsseite. Onomato, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-939511-11-3 (weitere kpl. Aufnahme: Jokers Edition, 2 CDs, ISBN 978-3-939511-43-4).

=== Korrespondenz ===
Mit:
* [[Günther Anders]]: ''Hannah Arendt – Günther Anders. Schreib doch mal'' hard facts ''über Dich.'' Briefe 1939 bis 1975, Texte und Dokumente. Hrsg. Kerstin Putz. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69910-8.
* ''Wie ich einmal ohne Dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen: Briefwechsel mit den Freundinnen [[Charlotte Beradt]], [[Rose Feitelson]], [[Hilde Fränkel]], [[Anne Weil]] und [[Helen Wolff]].'' Hrsg. Ingeborg Nordmann, Ursula Ludz. Piper, München 2017, ISBN 978-3-492-05858-2.<ref>Maria Behre: [https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=24178 ''Freundschaft in Briefen – Eine unerlässliche Lebens- und Liebeserfahrung für das Philosophin-Sein.''] In: ''[[literaturkritik.de]],'' 13.&nbsp;Februar 2018, Rezension zum Buch ''Wie ich einmal ohne Dich leben soll…''</ref>
* [[Walter Benjamin]]: ''Arendt und Benjamin. Texte, Briefe, Dokumente.'' Hrsg. Detlev Schöttker, [[Erdmut Wizisla]]. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-29395-8.
* [[Kurt Blumenfeld]]: ''… in keinem Besitz verwurzelt.'' Die Korrespondenz (1933–1963). Hrsg. Ingeborg Nordmann, Iris Pilling, Hamburg 1995, ISBN 3-88022-806-X.
* [[Heinrich Blücher]]: ''Briefe 1936–1968.'' Hrsg. [[Lotte Köhler (Germanistin)|Lotte Köhler]]. Piper, München 1999; 2. Aufl. 2002, ISBN 3-492-03885-9.
* [[Hermann Broch]]: ''Briefwechsel 1946–1951.'' Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 1996; 2. Auflage, 2000, ISBN 3-633-54113-6.
* [[Joachim Fest]]: ''Eichmann war von empörender Dummheit. Gespräche und Briefe.'' Hrsg. Ursula Ludz, Thomas Wild. Piper, München 2011, ISBN 978-3-492-05442-3.
* [[Martin Heidegger]]: Ursula Ludz (Hrsg.): ''Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse.'' Klostermann, Frankfurt am Main 1998; 3., erweiterte Aufl. ebenda 2002, ISBN 3-465-03205-5, darin: H.A. für M.H.: ''Schatten.'' April 1925.
* [[Karl Jaspers]]: ''Correspondence 1926–1969.'' Hrsg. Lotte Köhler, [[Hans Saner]]. New York 1992 (dt.: ''Briefwechsel 1926–1969.'' Piper, München 2001, ISBN 3-492-21757-5).
* [[Uwe Johnson]]: ''Der Briefwechsel 1967–1975.'' Hrsg. Eberhard Fahlke, Thomas Wild. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-41595-6.
* Kazin in: ''Zs. Samtiden.'' Oslo, Norge, Nr. 1-2005, Spesialseksjon ''Hannah Arendt.'' S.&nbsp;107–154 (Briefe: S.&nbsp;120–141, übrige S.: Introduction & Anm. von Helgard Mahrdt, engl.) Universitetsforlaget Oslo, ISBN 82-03-28347-0, {{ISSN|0036-3928}}.
* [[Mary McCarthy]]: ''Between Friends: The Correspondence of Hannah Arendt and Mary McCarthy, 1949–1975.'' Hrsg. [[Carol Brightman]]. New York 1995 (dt.: ''Im Vertrauen. Briefwechsel 1949–1975.'' München 1995, ISBN 3-492-22475-X).
* [[Gershom Scholem]]: ''Eichmann in Jerusalem: Exchange of Letters between Gershom Scholem and Hannah Arendt.'' In: ''[[Encounter (Zeitschrift)|Encounter]].'' 22/1 (1964), S.&nbsp;51–56, deutsch in: ''[[Neue Zürcher Zeitung]],'' 19.&nbsp;Oktober 1963.
** ''Der Briefwechsel.'' (1939–1964). Hrsg. [[Marie Luise Knott]] unter Mitarbeit von David Heredia. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-633-54234-5.
* [[Dolf Sternberger]]: ''„Was Sentimentalität auch in gutem Sinne anlangt habe ich die Seele eines besseren Schlächterhundes.“ Hannah Arendt erläutert Dolf Sternberger ihre Position.'' Brief vom 12.&nbsp;Juli 1948, in: ''Münchner Beiträge zur jüdischen Geschichte und Kultur.'' Hrsg. Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, [[Michael Brenner (Historiker)|Michael Brenner]]. 2013, Jg. 6, H. 2, S.&nbsp;69–74, (mit anschl. Kommentar von Marie-Luise Knott), {{ISSN|1864-385X}}, [https://www.jgk.geschichte.uni-muenchen.de/muenchner-beitraege/2013_2/2013_2.pdf online-Heft, (PDF; 14,42&nbsp;MB).] (PDF; 14&nbsp;MB)
* Dolf Sternberger: ''„Ich bin Dir halt ein bißchen zu revolutionär“. Briefwechsel 1946 bis 1975.'' Herausgegeben von Udo Bermbach. Rowohlt, Berlin 2019.
* [[Paul Tillich]]: ''Briefwechsel.'' Edition/Source Document. Hrsg. Alf Christophersen, Claudia Schulze. In: ''ZNThG Zs. für neuere Theologiegeschichte.'' Bd. 9, de Gruyter, Berlin 2002, S.&nbsp;131–156.
* [[Eric Voegelin]]: ''Disput über den Totalitarismus. Texte und Briefe.'' Hrsg. [[Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung|Hannah-Arendt-Institut]] in Zusammenarbeit mit dem Voegelin-Zentrum. V&R unipress, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8471-0492-6.
* Mehrere Adressaten: ''Wahrheit gibt es nur zu zweien. Briefe an die Freunde.'' Hrsg. Ingeborg Nordmann. Piper, München 2013, ISBN 978-3-492-05542-0.<ref>Besprechung von ''Wahrheit gibt es nur zu zweien. Briefe an die Freunde,'' [[Ludger Lütkehaus]]: [https://www.badische-zeitung.de/literatur-rezensionen/hannah-arendts-briefe-an-freunde-und-geliebte--87632333.html ''Hannah Arendts Briefe an Freunde und Geliebte.''] In: ''[[Badische Zeitung]],'' 19.&nbsp;Juli 2014.</ref>

=== Bibliografien ===
Für die Werke und Texte Arendts bis 1996 gibt es die fast vollständige chronologische, deutsch-englische Bibliografie in ''Ich will verstehen'' (2005) und bei Young-Bruehl (diese nur bis 1978). Hilfreich sind die Angaben des Internet-Portals [http://www.hannaharendt.net/ ''www.hannaharendt.net.''] insbesondere auch fremdsprachige Literatur, nach Erscheinungsjahr geordnet (Sek.-Lit. seit 2000, primäre seit 1929). Nützlich ist ebenfalls die leicht zugängliche Einführung von Wolfgang Heuer, die in der letzten Auflage einen Großteil von Arendt-Texten auflistet, welche bis 2003 erschienen sind. Im „[[Text + kritik|Text & Kritik]]“-Heft von 2005 hat Sarah Hemmen die Sekundärliteratur gelistet. Eine neueste Auflistung (Primär- und Sekundär-Literatur) bei Thomas Wild (2006), S. 143 ff., der im Text auch die Sekundärliteratur kurz darstellt und kommentiert. Eine weitere, übersichtliche Bibliografie (primär und sekundär) ist online zugänglich.<ref>{{Webarchiv |url=http://hannah-arendt-hannover.de/harendt.pdf |wayback=20130927075654 |text=Arendt-Bibliografie.}}, (PDF; 62&nbsp;kB), letzter Eintrag 2012.</ref> Joan Nordquist hat 1989 eine wissenschaftliche Bibliographie nur englischer Titel vorgelegt: University of [[Santa Cruz (Kalifornien)|Santa Cruz]], 63 Seiten. Die ausführlichste Liste gibt es seit 2018 in [[John M. Spalek]], [[Konrad Feilchenfeldt]], Sandra H. Hawrylchak (Hrsg.): ''Bibliographien. Schriftsteller, Publizisten und Literaturwissenschaftler in den USA. Teil 1: A – G.'' de Gruyter, Berlin 2018, ISBN 978-3-11-097553-6, in [[Google Bücher]], ausführliches Werks- und Rezensionsverzeichnis mit 31 Treffern über die dortige Suchmaschine, etliche davon sind mehrseitig.

=== Sammlungen ===
* {{Literatur |Titel=Sechs Essays |Verlag=Schneider |Ort=Heidelberg |Datum=1948 |Kommentar=Inhalt: ''Die verborgene Tradition; Franz Kafka; Juden in der Welt von gestern; Organisierte Schuld; Über den Imperialismus; Was ist Existenz-Philosophie?; Zueignung an Jaspers''}}
* ''Wir Juden. Schriften 1932 bis 1966.'' Zusammengestellt und herausgegeben von Marie Luise Knott und Ursula Ludz, Piper, München 2019, ISBN 978-3-492-05561-1.
* ''Freundschaft in finsteren Zeiten'' [Die Lessing-Rede mit Erinnerungen von Richard Bernstein, Mary McCarthy, Alfred Kazin und Jerome Kohn]. Matthes & Seitz, Berlin 2018, ISBN 978-3-95757-606-4.
* ''Denken ohne Geländer. Texte und Briefe.'' Piper München, Zürich 2006, ISBN 3-492-24823-3 (Zusammenstellung kurzer Textauszüge zur Philosophie, zum politischen Denken, zum politischen Handeln, zur Situation des Menschen, Lebensgeschichten).
* ''Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk.'' Hg. Ursula Ludz. Piper, München 1996; Neuauflage 2005, ISBN 3-492-24591-9 (darin u.&nbsp;a. Brief an Scholem 1963, Fernsehgespräche mit [[Thilo Koch]] 1964, Günter Gaus 1964, Roger Errera 1973, Diskussion mit Freunden in Toronto 1973).
* ''Hannah Arendt im Gespräch mit [[Joachim Fest]]. Eine Rundfunksendung aus dem Jahr 1964.'' Hg. Ursula Ludz und Thomas Wild (Vorbemerkung und Anmerkungen), Okt. 2007, {{Webarchiv |url=http://www.hannaharendt.de/download/fest_interview.pdf |wayback=20120126152050 |text=online,}}.
* Hannah Arendt und Karl Jaspers: ''Briefwechsel 1926–1969.'' Piper, München 2001, ISBN 3-492-21757-5.

=== Kritische Gesamtausgabe ===
Die ''Kritische Gesamtausgabe'' der Werke Hannah Arendts (hrsg. v. Anne Eusterschulte, Eva Geulen, Barbara Hahn, Hermann Kappelhoff, Patchen Markell, Annette Vowinckel u. Thomas Wild) veröffentlicht sämtliche Schriften der Autorin mit Ausnahme der Briefe. Jeweils rund ein Jahr nach dem Erscheinen der Werke in Buchform sind diese auf der Website https://hannah-arendt-edition.net verfügbar.
* ''Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin / The Life of a Jewish Woman'', hrsg. v. Barbara Hahn u. Mitarbeit v. Johanna Egger u. Friederike Wein (= Kritische Gesamtausgabe Band 2). [[Wallstein Verlag]], Göttingen 2021, ISBN 978-3-8353-3767-1
* ''Sechs Essays: Die verborgene Tradition'', hrsg. v. Barbara Hahn u. Mitarbeit v. Barbara Breysach u. Christian Pischel (= Kritische Gesamtausgabe Band 3). Wallstein Verlag, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8353-3278-2
* ''The Modern Challenge to Tradition: Fragmente eines Buchs'', hrsg. v. Barbara Hahn u. James McFarland u. Mitarbeit v. Ingo Kieslich u. Ingeborg Nordmann (= Kritische Gesamtausgabe Band 6). Wallstein Verlag, Göttingen 2018, ISBN 978-3-8353-3192-1
* ''The Life of the Mind'', hrsg. v. Wout Cornelissen, Thomas Bartscherer u. Anne Eusterschulte (= Kritische Gesamtausgabe Band 14 (2 Bände)), Wallstein Verlag, Göttingen 2024, ISBN 978-3-8353-3027-6
** Rezension der GA:
** Marti-Brander Urs: ''Arendt revisited. Ein Blick auf die ersten beiden Bände der Arendt-Gesamtausgabe'' [https://link.springer.com/article/10.1007/s42520-020-00254-x Neue Politische Literatur], Springer 2019.
** [[Ahlrich Meyer]]: [https://duepublico2.uni-due.de/servlets/MCRFileNodeServlet/duepublico_derivate_00070508/07_Meyer_HannahArendt_KarlMarx.pdf ''Wie Hannah Arendt versuchte, Karl Marx beizukommen. Bemerkungen anlässlich der Arendt-Gesamtausgabe''.] In: ''SGO Sozial.Geschichte Online'', Band 25, 2019, S. 119–151.
** [[Elke Schmitter]]: ''Ende der Lotterie''. [[Der Spiegel]], Nr. 7, 9. Februar 2019, S.&nbsp;110f.


== Literatur ==
== Literatur ==
[[Datei:Elisabeth Young-Bruehl Hannah Arendt title 1982.jpg|mini|hochkant|[[Elisabeth Young-Bruehl]] (1982)]]
<!-- Allfällige weitere Literaturangaben bitte *alfabetisch* nach AutorInnen einordnen. Danke -->
* [[Steven E. Aschheim]]: ''Hannah Arendt in Jerusalem'', in ders.: ''In Times of Crisis: Essays on European Culture, Germans and Jews''. Madison: University of Wisconsin Press, 2001, S. 73–85
* Barbara Bechtolsheim: ''Hannah Arendt und Heinrich Blücher. Biografie eines Paares.'' Insel, Berlin 2023, ISBN 978-3-458-64297-8.
* Delbert Barley: ''Hannah Arendt. Einführung in ihr Werk'' (= ''Alber-Kolleg Philosophie''). Alber, Freiburg im Breisgau 1990, ISBN 3-495-47662-8.
* Monika Boll, Dorlis Blume, Raphael Gross (Herausgeber): ''Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert.'' Piper, München 2020, ISBN 978-3-492-07035-5.
* [[Karl-Heinz Breier]]: ''Hannah Arendt zur Einführung.'' 4. Auflage. Junius, Hamburg 2011, ISBN 978-3-88506-345-2.
* ''Aufsätze zur Aktualität von Arendt'', in: ''[[Aus Politik und Zeitgeschichte]]'', Herausgegeben von der [[Bundeszentrale für politische Bildung]], 25.&nbsp;September 2006 [http://www.bpb.de/publikationen/G5S3FW,0,Hannah_Arendt.html ''digital'']
* [[Wolfram Eilenberger]]: ''Feuer der Freiheit: Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933–1943).'' Klett-Cotta, 2020, ISBN 978-3-608-96460-8.
* [[Antonia Grunenberg]]: ''Arendt.'' Herder, Freiburg im Breisgau 2003, ISBN 3-451-04954-6.
* Bruno Heidlberger: ''Mit Hannah Arendt Freiheit neu denken. Gefahren der Selbstzerstörung von Demokratien.'' Transcript, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8376-6658-8.
* [[Wolfgang Heuer (Politikwissenschaftler)|Wolfgang Heuer]]: ''Hannah Arendt.'' Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1987, 7. Auflage, 2004, ISBN 3-499-50379-4 (auch in Französisch, ISBN 2-87711-296-9 und in Polnisch, ISBN 83-926276-0-1).
* [[Wolfgang Heuer (Politikwissenschaftler)|Wolfgang Heuer]], Bernd Heiter, Stefanie Rosenmüller (Hrsg.): ''Arendt-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung.'' J.B. Metzler, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-476-02255-4.
* [[Dieter Lamping]]: ''Hannah Arendt. Leben für die Freundschaft.'' Ebersbach & Simon, Köln 2020, ISBN 978-3-86915-270-7.
* Derwent May: ''Hannah Arendt. Eine bedeutende Repräsentantin deutsch-jüdischer Kultur.'' Heyne, München 1990, ISBN 3-453-03795-2.
* [[Thomas Meyer (Philosoph)|Thomas Meyer]]: ''Hannah Arendt. Die Biografie.'' Piper, München 2023, ISBN 978-3-492-05993-0.<ref>besprochen im Feuilleton der [[Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung]] vom 1. Oktober 2023 ([[Julia Encke]])</ref>
* Thomas Meyer: ''Hannah Arendt. Die Denkerin des 20. Jahrhunderts.'' C.&nbsp;H. Beck, München 2025, ISBN 978-3-406-83083-9.
* Alois Prinz: ''Hannah Arendt oder Die Liebe zur Welt.'' Insel, Berlin 2012, ISBN 978-3-458-35872-5.
* Sibylle Quack: ''[[Cora Berliner]], [[Gertrud Kolmar]], Hannah Arendt. Straßen am „[[Denkmal für die ermordeten Juden Europas]]“ ehren ihr Andenken'' (=&nbsp;''Jüdische Miniaturen.'' Band 33). Hentrich & Hentrich, Berlin 2005, ISBN 3-938485-12-4.
* [[Philosophie Magazin]]: ''Hannah Arendt – Die Freiheit des Denkens.'' Sonderausgabe Juni 2016.
* [[Judith N. Shklar]]: ''Über Hannah Arendt.'' Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Hannes Bajohr, Matthes & Seitz, Berlin 2020, ISBN 978-3-95757-797-9.
* [[Grit Straßenberger]]: ''Hannah Arendt zur Einführung.'' Junius, Hamburg 2015, ISBN 978-3-88506-089-5.<ref>Maria Behre: [https://literaturkritik.de/id/22590 ''Was ist Politik nach Hannah Arendt?''] In: ''[[literaturkritik.de]],'' 9.&nbsp;Oktober 2016, Rezension von ''Hannah Arendt zur Einführung.''</ref>
* [[Annette Vowinckel]]: ''Arendt'' (= ''Grundwissen Philosophie''). Reclam, Leipzig 2006, ISBN 3-379-20303-3.<ref>Maria Behre: [https://literaturkritik.de/id/21626 ''Performativität des Handelns.''] In: ''[[literaturkritik.de]],'' 8.&nbsp;Februar 2016, Rezension von ''Arendt'' von Annette Vowinckel.</ref>
* Thomas Wild: ''Hannah Arendt. Leben, Werk, Wirkung'' (= ''Suhrkamp-BasisBiographie,'' Band 17). Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-18217-X.
* [[Elisabeth Young-Bruehl]]: ''Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit.'' Fischer, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-16010-3 (amerikanische Originalausgabe: ''Hannah Arendt. For Love of the World,'' Yale University Press, 1982; umfassende Biografie).


{{Philosophie-Bibliographie|Hannah Arendt}}
*[[Richard Albrecht]], Politik und mehr: Zum 20. Todestag einer politischen Wissenschaftlerin; in: liberal, 38 (1996) 1, 91-94; ders., Politische Philosophie und/als philosophische Politik (2005); [http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/phj/25849.html]
* [[Seyla Benhabib]]: ''Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne'', 1998, Originaltitel: ''The Reluctant Modernism of Hannah Arendt''. 1996
* Karl-Heinz Breier: Hannah Arendt zur Einführung, Hamburg: Junius 2005, 2. überarb. Auflage, ISBN 3-88506345X
* Hauke Brunkhorst: ''Hannah Arendt''. becksche reihe denker, Verlag C.H. Beck, herausgegeben von Otfried Höffe, ISBN 3-406-41948-8, Originalausgabe
* Fransisco Budi Hardiman: ''Die Herrschaft der Gleichen. Masse und totalitäre Herrschaft. Eine kritische Überprüfung der Texte von Georg Simmel, Hermann Broch, Elias Canetti und Hannah Arendt.'' Frankfurt/M. u.a. (Peter Lang) 2001. ISBN 3631379293 (= Diss. München 2001)
* Margaret Canovan: ''Hannah Arendt: A reinterpretation of her political thought'', Cambridge University Press 1992, ISBN 0-521-41911-5
* Elżbieta Ettinger: ''Hannah Arendt – [[Martin Heidegger]]'' (stark feuilletonistisch)
* [[Joachim Fest]]: ''Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde''. [[Rowohlt Verlag]], Reinbek bei Hamburg, September 2004, ISBN 3-498020889, darin Portraits von Hannah Arendt, [[Sebastian Haffner]], [[Ulrike Meinhof]], [[Dolf Sternberger]], [[Wolf Jobst Siedler]], [[Arnulf Baring]], [[Golo Mann]], [[Joachim Kaiser]], [[Rudolf Augstein]] und anderen mit dem Autor [[Joachim Fest]]. Ein ausgesprochen oberflächliches Buch in Bezug auf H.A., Fest mokiert sich nur über ihre Beziehung zu Heidegger, keine Erkenntnisse zum Eichmann-Thema.
* Paolo Flores d' Arcais: ''Libertärer Existenzialismus. Zur Aktualität der Theorie von Hannah Arendt.'' Verlag Neue Kritik, Frankfurt/Main, 1997. ISBN 3801502538
* Daniel Ganzfried, Sebastian Hefti (Hrsg.):''Hannah Arendt. Nach dem Totalitarismus.'' eva wissenschaft, Hamburg 1997, ISBN 3-424-52003-1 . Auswahl der Symposiumsbeiträge anlässlich der ''Hannah Arendt Tage'' in Zürich 1996
* Ingeborg Gleichauf:''Hannah Arendt''. dtv, 2. Aufl. 2005 (Bibliographie aktuell, sonst identisch mit 1. Aufl.)
* Antonia Grunenberg:''Arendt.'' Herder Spektrum, Freiburg, Basel, Wien 2003. ISBN 3-451-04954-6
* Barbara Hahn, Hannah Arendt - Leidenschaften, Menschen und Bücher, Berlin Verlag 2005, ISBN 3827005612
* Phillip Hansen: ''Hannah Arendt: Politics, History and Citizenship'', Standford: Standford Univ. Press: 1993, ISBN 0-8047-2145-9
* Klaus Harms: ''Hannah Arendt und Hans Jonas. Grundlagen einer philosophischen Theologie der Weltverantwortung.'' Berlin: WiKu-Verlag (2003). ISBN 3-936749-84-1.
* Wolfgang Heuer: ''Hannah Arendt''. Rowohlts Bildmonographie, Reinbek, 7. Aufl. 2004, mit aktuellen Lit.angaben bis 2003 (Primär- und Sekundärlit.) ISBN 3-499503794
* Wolfgang Heuer: ''Citizen: Persönliche Integrität und politisches Handeln: Eine Rekonstruktion des politischen Humanismus Hannah Arendts'', Berlin: Akademie Verlag 1992, ISBN 3-05-002189-6
<!-- Allfällige weitere Literaturangaben bitte *alfabetisch* nach AutorInnen einordnen. Danke -->
* [[Leslie Kaplan]]: ''Fever''. Ein philosophischer Roman nach Hannah Arendts Eichmann-Buch u.a. Gedanken. (Siehe auch [http://www.ajum.de/html/JJ/03schreib/HannahArendt-Kaplan_Fever.pdf Reinhard Finck: ''Stumm ist nur die Gewalt''] für einen Vergleich der beiden Autorinnen)
* Peter Kemper (Hrsg.): ''Die Zukunft des Politischen, Ausblicke auf Hannah Arendt'', Frankfurt: Fischer Taschenbuch V. 1993, ISBN 3-596-11706-2
* Oliver Marchart: ''Neu beginnen. Hannah Arendt, die Revolution und die Globalisierung.'', Verlag Turia + Kant, 2005, ISBN 3-85132-421-8
* Waltraud Meints, Katherine Klinger (Hrsg.): Politik und Verantwortung. Zur Aktualität von Hannah Arendt. Hannover 2004. ISBN 3-930345-43-9
* Maurizio Passerin d'Entrèves: ''The political philosophy of Hannah Arendt'', London & New York: Routledge 1994, ISBN 0-415-08790-2
* Alois Prinz: ''Beruf Philosophin oder die Liebe zur Welt. Die Lebensgeschichte der Hannah Arendt''. Beltz & Gelberg, Weinheim und Basel 1998, ISBN 3-407-78879-7
* Adelbert Reif (Hrsg.): ''Hannah Arendt, Materialien zu ihrem Werk'', Wien: Europaverlag 1979, ISBN 3-203-50718-7
* [[Gershom Scholem]]: ''Wir waren beide nicht dabei'', in: „Der Zeitgeist”. Halbmonats-Beilage des [[Aufbau]], No. 208, New York, December 20, 1963, P. 17/18.(auch bek. unter dem Titel „Sie haben mich mißverstanden. Antworten auf Kritiken ...”)
* [[Kurt Sontheimer]]: ''Hannah Arendt. Der Weg einer großen Denkerin''. München: Piper Verlag, 2005, ISBN 3-49204-382-8
* Jakob Stefan Seitz: ''Hannah Arendts Kritik der politisch-philosophischen Tradition – unter Einbeziehung der französischen Literatur zu Hannah Arendt.'' Herbert Utz Verlag Wissenschaft, München 2002, ISBN 3-831601682
* Gary Smith (Hrsg.): ''Hannah Arendt Revisited: „Eichmann in Jerusalem” und die Folgen'', edition suhrkamp 2135
* Christian Volk: ''Urteilen in dunklen Zeiten. Eine neue Lesart von Hannah Arendts „Banalität des Bösen”.'' 2005 Lukas, Berlin. ISBN 3-936872-54-6 Die Einleitung ist auf der Verlagsseite online lesbar.
* Stefan Vogt: Gibt es einen kritischen Totalitarismusbegriff? In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Theorie des Faschismus - Kritik der Gesellschaft.
* Irmtrud Wojak: ''Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay'', Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2001 ISBN 3-5933-6381-X, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt a. M., 2004, ISBN 3-596-15726-9, ähnlich F. Kettner: ''Dossier Eichmannn''[http://www.rote-ruhr-uni.com/texte/kettner_dossier_eichmann.shtml]
* [[Elisabeth Young-Bruehl]]: ''Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit.'' 2004, Fischer Verlag, ISBN 3-596-16010-3
* Linda M.G. Zerilli: ''Einsicht in die Perspektive. Nach dem Ende aller Maßstäbe: Hannah Arendts Überlegungen zu demokratischen Urteilskraft sind von ungebrochener Aktualität,'' in: Frankfurter Rundschau. 7.&nbsp;Januar 2006
<!-- Allfällige weitere Literaturangaben bitte *alfabetisch* nach AutorInnen einordnen. Danke -->


=== Zum 30. Todestag ===
== Filme ==
* ''Hannah Arendt und die Pflicht zum Ungehorsam.'' Dokumentarfilm, Deutschland, 2015, 90 Min., Buch und Regie: Ada Ushpiz, Produktion: Intuitive Pictures, [[arte]], [[WDR]], Erstsendung: 1.&nbsp;Februar 2017, 22 Uhr bei arte, [https://programm.ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=2872419652435811 Inhaltsangabe] von [[ARD]], [https://www.youtube.com/watch?v=d7AnpetmA0c online-Video.]
* [http://oe1.orf.at/highlights/48328.html Hannah Arendt im Porträt - Teil 1] im [[ORF]]
* ''[[Hannah Arendt (Film)|Hannah Arendt – Ihr Denken veränderte die Welt]].'' Spielfilm, Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Israel 2012, 113 Min., Buch: [[Pamela Katz]], [[Margarethe von Trotta]], Regie: Margarethe von Trotta. Mit [[Barbara Sukowa]] als Hannah Arendt und [[Axel Milberg]] als ihr Ehemann [[Heinrich Blücher]]. (Der Spielfilm zeichnet Arendts Leben in New York in der Zeit des Eichmann-Prozesses bis zum Erscheinen ihres Buches ''Eichmann in Jerusalem'' nach.)<br /> Am 8. September 2012 fand auf dem [[Toronto International Film Festival|internationalen Filmfestival in Toronto]] (TIFF) die Welturaufführung des ersten Spielfilms über Hannah Arendt statt; die deutsche Premiere folgte am 8.&nbsp;Januar 2013 in Essen. Das [[Doku-Drama]] wurde häufig rezensiert.<ref>Film-Rezensionen (Auswahl): Jörg Schöning: [https://www.spiegel.de/kultur/kino/hannah-arendt-von-trotta-gelingt-ueberzeugendes-kinoportraet-a-876136.html ''Kinoporträt „Hannah Arendt“. Sie liegt, sie qualmt, sie denkt.''] [[Spiegel Online]], 9.&nbsp;Januar 2013.<br /> [[Micha Brumlik]]: [http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2013/01/10/a0160&cHash=17f39e89883a48eb3997a267b6e24049v ''Und immer klappert die Reiseschreibmaschine. Denken im Film.''] In: ''[[taz]],'' 10.&nbsp;Januar 2013, S.&nbsp;15.<br /> [[Bert Rebhandl]]: [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/kinofilm-hannah-arendt-selbst-denken-macht-freunde-12019756.html ''Kinofilm „Hannah Arendt.“ Selbst denken macht Freunde.''] In: ''[[FAZ.net]],'' 11.&nbsp;Januar 2013.<br /> [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/ueber-hannah-arendt-selbst-denken-macht-einsam-12021998.html ''Kino: „Über Hannah Arendt.“ Selbst denken macht einsam.''] In: ''[[FAZ.net]],'' 14.&nbsp;Januar 2013, Interview mit der Nichte Hannah Arendts [[Edna Brocke]].</ref>
* [http://www.welt.de/data/2005/12/03/811737.html ''Die philosophische Madonna.'' Anläßlich ihres 30. Todestages: Ein Gespräch mit Daniel Cohn-Bendit über Hannah Arendt] in: Die Welt vom 3.&nbsp;Dezember 2005
* ''Denken und Leidenschaft. Hannah Arendt.'' (Alternativtitel: ''A Passionate Thinker.'') Dokumentarfilm, Deutschland 2006, 67 Min., Buch: Clarissa Ruge und Ursula Ludz, Regie: [[Jochen Kölsch]], Produktion: [[arte]], [[Bayerischer Rundfunk|BR]], [[SWR]]<ref>{{LdiF|527429|Abruf=2021-04-24}}</ref> (Der Dokumentarfilm zeichnet Arendts Leben nach, von der Jugend bis zum Eichmann-Prozess. Eingearbeitet sind Passagen aus dem Gaus-Interview.)
* [http://www.welt.de/data/2005/12/03/811738.html Denken mit und ohne Geländer] von Sylke Tempel in: Die Welt vom 3.&nbsp;Dezember 2005 (Literaturübersicht: 5 Bücher/ Neuauflagen aus 2005)
* ''Hannah Arendt – Das Mädchen aus der Fremde.'' Dokumentarfilmreihe in fünf Teilen à 15 Min., 2006, Buch: Carolin Otto, Produktion: [[Bayerischer Rundfunk]], Erstsendungen ab: 5.&nbsp;Oktober 2006 bei [[BR-alpha]], [https://www.fernsehserien.de/hannah-arendt-das-maedchen-aus-der-fremde Inhaltsangaben].
* [http://diestandard.at/?url=/?id=2263721 Hannah Arendt: Das Wissen um die Fehlbarkeit] in: diestandard.at
* ''Deutsche Lebensläufe: Hannah Arendt – Eine Jüdin aus Deutschland.'' Dokumentation, Deutschland, 60 Min., Simone Reuter und Monika Boll, Produktion: [[Südwestrundfunk|SWR]], Erstsendung: 20.&nbsp;Januar 2005 bei [[SWR Fernsehen]], [https://programm.ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=2823112890878993 Inhaltsangabe] von [[ARD]]. Mit Interviews von [[Elisabeth Young-Bruehl]], [[Joachim Fest]], [[Daniel Cohn-Bendit]] u.&nbsp;a. Der Film erhielt den [[LiteraVision – Fernsehpreis der Landeshauptstadt München|LiteraVision-Preis]] 2006.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Kulturreferat/Kulturfoerderung/Preise/LiteraVision/literavision_2006.html |wayback=20160304102750 |text=''LiteraVision 2006 an Thomas Rautenberg und Simone Reuter.''}}. In: ''Kulturreferat München,'' 2006.</ref>
* [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/443595/ Unabhängig, scharfsinnig, polyglott] in: www.dradio.de
* ''Hannah Arendt, la jeune fille étrangère.'' Dokumentarfilm, Frankreich, 1997, 51 Min., Buch und Regie: Eglal Errera und Alain Ferrari, Produktion: Cinétévé, La Sept Arte, [[Institut national de l’audiovisuel|INA]], [[Centre Georges-Pompidou]]. Der Film basiert auf Arendts Korrespondenzen mit Heidegger, Jaspers, [[Kurt Blumenfeld]] und [[Heinrich Blücher]].<ref>[http://ahqg.free.fr/ahqgv2/html/detail_even.php?num=4410 ''Hannah Arendt: La jeune fille étrangère.''] In: ''ahqg.free.fr,'' Oktober 2013, aufgerufen am 11.&nbsp;Januar 2018.</ref>

== Theaterstücke ==
* ''Totenauberg.'' Theater- und Tanz-Stück von [[Elfriede Jelinek]]. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1991, ISBN 3-498-03326-3, Hauptpersonen: Heidegger und Arendt.
* ''Leidenschaftlich: Hannah Arendt.'' Freie Theatergruppe ''klimaelemente,'' [[Münster]] 2005.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.klimaelemente.de/hannah/hannah.html |wayback=20120118085210 |text=Inhaltsangabe zu ''Leidenschaftlich: Hannah Arendt.''}}; {{Webarchiv |url=http://www.klimaelemente.de/personen.html |wayback=20080629045356 |text=Regie und Dramaturgie.}}. In: ''klimaelemente.de.''</ref>
* ''Die Banalität der Liebe.'' Theaterstück von [[Savyon Liebrecht]] über Arendts Beziehung zu Heidegger. UA: 9.&nbsp;September 2007, [[Theater Bonn]], Regie: Stefan Heiseke.<ref>Dorothea Marcus: [https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=533:die-banalitaet-der-liebe-savyon-liebrechts-stueck-ueber-arendt-und-heidegger-uraufgefuehrt&catid=177&Itemid=60 ''Die Banalität der Liebe – Savyon Liebrechts Stück über Arendt und Heidegger uraufgeführt.''] In: ''[[nachtkritik.de]],'' 10.&nbsp;September 2007.</ref>
* ''Geburtlichkeit und Sein zum Tode.'' Theaterstück von [[Fanny Brunner]] und Eva Bormann über die Beziehung Arendt – Heidegger. UA: 20.&nbsp;Mai 2012, [[Hessisches Landestheater Marburg]], Regie: Fanny Brunner.<ref>Eva Zimmermann: [http://www.op-marburg.de/Lokales/Kultur/Uebersicht/Die-durchgeknallte-Liebe-zur-Weisheit ''Die durchgeknallte Liebe zur Weisheit.''] In: ''[[Oberhessische Presse]],'' 21.&nbsp;Mai 2012; [http://fannybrunner.blogspot.de/ Bühnenbilder und Video-Ausschnitt.] In: ''fannybrunner.blogspot.de.''</ref>
* ''Hannah! Das Erwachen eines politischen Bewusstseins.'' 2022, Hessisches Landestheater Marburg, Regie: Christian Franke, [https://www.hltm.de/de/produktion/hannah-das-erwachen-eines-politischen-bewusstseins Hannah! Das Erwachen eines politischen Bewusstseins]

== Ausstellungen ==
* ''Hannah Arendt: „Von den Dichtern erwarten wir Wahrheit.“ Eine Ausstellung über H. A. und die Literatur.'' Konzept: Barbara Hahn & [[Marie Luise Knott]] im [http://www.literaturhaus-berlin.de/ Literaturhaus Berlin] (dort Archiv, 2007). Katalog: gleicher Titel, Matthes & Seitz, Berlin 2006, ISBN 3-88221-921-1.
* [http://www.hannaharendt-denkraum.com/ ''Hannah Arendt Denkraum.''] Berlin 2006, in der ehemaligen jüdischen Mädchenschule, Halberstadt 2008. Kurator: Peter Funken, Idee: Wolfgang Heuer & Sebastian Hefti.
* ''Via Activa.'' Ausstellung sieben bedeutender Autorinnen, darunter Hannah Arendt, im Wiener [[Stephansdom]], Wien 2013, Konzept: [[Victoria Coeln]].
* ''[https://www.dhm.de/ausstellungen/hannah-arendt-und-das-20-jahrhundert.html Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert],'' [[Stiftung Deutsches Historisches Museum|Deutsches Historisches Museum]], und [https://www.rbb-online.de/rbbkultur/themen/leben/beitraege/2020/03/hannah-arendt/ Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert], [[Rundfunk Berlin-Brandenburg]], zu sehen auch in der [https://www.bundeskunsthalle.de/hannah-arendt.html Bundeskunsthalle Bonn]

== Belletristik ==
* [[Randall Jarrell]]: ''Pictures from an Institution. A Comedy.'' Chicago 1954 (Neuauflage 1986). Jarrell widmete das Buch seiner Frau und H.A., mit der ihn eine Freundschaft verband. Die Figur „Irene“ trägt Arendts Züge.
* [[Uwe Johnson]]: ''[[Jahrestage (Roman)|Jahrestage]] – Aus dem Leben von Gesine Cresspahl.'' Bd. 1. Suhrkamp, Frankfurt 1970. Die entsprechende Romanfigur trägt den Titel „Gräfin Seydlitz“.
* Arthur Allen Cohen: ''An Admirable Woman.'' David R. Godine Publ., Boston/USA 1984 (Neuauflage 1994). Für die Hauptfigur „Erika Herz“ diente H.A. als Vorbild.
* Catherine Clément: ''Martin und Hannah.'' Roman. Rowohlt, Berlin 2000, ISBN 3-87134-400-1 (aus d. Franz.).
* [[Leslie Kaplan]]: ''[[Fever (Roman)|Fever]].'' POL, Paris 2005; Berlin Verlag, 2006 (Ein philosophischer Roman nach Hannah Arendts Eichmann-Buch. Kaplan greift Arendts Thesen zu Kommunikation, Freiheit und Schuld auf).
* [[Hildegard Elisabeth Keller]]: ''Was wir scheinen.'' Roman. Eichborn, Köln 2021.

== Graphic Novel ==
* Ken Krimstein: ''Die drei Leben der Hannah Arendt.'' Übersetzt von [[Hanns Zischler]]. dtv, München 2019, ISBN 978-3-423-28208-6.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|audio=1|video=1}}
{{Commons|Hannah Arendt}}
{{Wikiquote|Hannah Arendt}}
{{Wikiquote}}
{{Wikibooks|Soziologische Klassiker/ Arendt, Hannah|Biografie und Werk Hannah-Arendts}}
* {{PND|11850391X}}
* [http://www.philo.de/Philosophie-Seiten/personen/arendt.shtml Linkliste zu Hannah Arendt]
* Zur Person: [http://www.rbb-online.de/_/zurperson/interview_jsp/key=zp_interview_638419.html Interview mit Hannah Arendt] von [[Günter Gaus]], Oktober 1964
* [http://memory.loc.gov/ammem/arendthtml/arendthome.html The Hannah Arendt Papers in: The Librarian of Congress]
* [http://achimwagenknecht.de/Arendt/index.htm Einführung in Hannah Arendts Politische Philosophie]
* [http://www.hait.tu-dresden.de/ext/homepage.asp Hannah-Arendt-Institut an der TU Dresden]
* [http://www.uni-oldenburg.de/arendt-zentrum/ Hannah-Arendt-Zentrum an der Universität Oldenburg]
* {{FemBio|http://www.fembio.org/frauen-aus/hannover/hannah-arendt.shtml}}
* [http://www.hannah-arendt.de/index1.html Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken]
* [http://www.hannah-arendt-hannover.de/index.html Die Hannah-Arendt-Tage in Hannover]
* [http://bongards.gmxhome.de/hannah.html Die Imperialismusanalyse Hannah Arendts]
* [http://www.filmsite.de/hannaharendt.htm] Wichtige Zitate zum Begriff des Totalitären bei H.A.
*[http://www.republicart.net/disc/publicum/zerilli01_de.pdf] Linda M.G. Zerilli: ''Wir fühlen unsere Freiheit'' Einbildungskraft und Urteil im Denken H.A.s (2004)
*[http://www.nytimes.com/images/2004/10/17/books/eichmann-in-jerusalem-original-review.pdf] Zeitgenössische Originalberichte aus der ''New York Times'' über Arendt und ihr Eichmann-Buch (engl.)


'''Datenbanken'''
{{Lesenswert}}
* {{DNB-Portal|11850391X}}
{{Review|K}}
* {{DDB|Person|11850391X}}
* Ludz, Ursula: [https://www.deutsche-biographie.de/ppn11850391X.html Arendt, Hannah], in: [[NDB-online]].
* [http://memory.loc.gov/ammem/arendthtml/arendthome.html ''The Hannah Arendt Papers.''] Manuscript Division, [[Library of Congress]]; [http://lcweb2.loc.gov/service/mss/eadxmlmss/eadpdfmss/2001/ms001004.pdf loc.gov] (PDF; 203 kB)


'''Biografien'''
* Sibylle Duda, [[Luise F. Pusch]]: {{FemBio|https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/hannah-arendt}}
* {{GDW|hannah-arendt}}


'''Kritische Gesamtausgabe'''
{{Personendaten|
* https://hannah-arendt-edition.net/ bisher:
NAME=Arendt, Hannah
** Band 2: ''Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik / The Life of a Jewess / The Life of a Jewish Woman.'' [https://hannah-arendt-edition.net/texts/02?lang=de Online]
|ALTERNATIVNAMEN=
** Band 3: ''Sechs Essays'' / ''Die verborgene Tradition.'' [https://hannah-arendt-edition.net/texts/03?lang=de Online]
|KURZBESCHREIBUNG=Politologin und Philosophin
** Band 6: ''The Modern Challenge to Tradition: Fragmente eines Buchs.'' [https://hannah-arendt-edition.net/texts/06?lang=de Online]
|GEBURTSDATUM=[[14. Oktober]] [[1906]]
|GEBURTSORT=[[Hannover-Linden-Limmer|Linden]]
|STERBEDATUM=[[4. Dezember]] [[1975]]
|STERBEORT=[[New York City|New York]], [[New York(Bundesstaat)|New York]], [[USA]]
}}


'''Verschiedenes'''
[[Kategorie:Politischer Philosoph|Arendt, Hannah]]
* [http://www.bildungsserver.de/Hannah-Arendt-1906-1975--4630.html Linkliste zu Hannah Arendt] im [[Deutscher Bildungsserver|Deutschen Bildungsserver]]
[[Kategorie:Philosoph (20. Jh.)|Arendt, Hannah]]
* [[Iris Därmann]] im Gespräch mit [[René Aguigah]]: [https://www.deutschlandfunkkultur.de/rassismus-bei-hannah-arendt-blind-fuer-den-widerstand-der.2162.de.html?dram:article_id=487933 Rassismus bei Hannah Arendt: Blind für den Widerstand der Kolonisierten] auf [[Deutschlandfunk Kultur]]
[[Kategorie:Politologe|Arendt, Hannah]]
* {{ARDAudiothek |Autor=Jutta Duhm-Heitzmann |Item=83883236 |Titel=Hannah Arendt. Porträt zum Todestag der Philosophin |Datum=2020-12-04|Sendung=ZeitZeichen |Sender=WDR 5 |Abruf=2021-07-20}}
[[Kategorie:Deutscher|Arendt, Hannah]]
* Interview durch [[Günter Gaus]]: [https://www.zdf.de/dokumentation/zur-person/hannah-arendt-zeitgeschichte-archiv-zur-person-gaus-100.html ''Hannah Arendt – die politische Denkerin.''] In: [[ZDF]] (Hrsg.): ''[[Zur Person]].'' 28. Oktober 1964.
[[Kategorie:US-Amerikaner|Arendt, Hannah]]
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|NAME= Arendt, Hannah
|ALTERNATIVNAMEN= Arendt, Johanna (Geburtsname); Arendt-Blücher, Hannah; Arendt-Bluecher, Hannah
|KURZBESCHREIBUNG= US-amerikanische Politologin und Philosophin deutscher Herkunft
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|GEBURTSORT= [[Linden (Hannover)|Linden]]
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Aktuelle Version vom 16. April 2025, 17:35 Uhr

Hannah Arendt auf dem 1. Kulturkritikerkongress 1958, Fotografie von Barbara Niggl Radloff
Signatur
Signatur

Hannah Arendt (geboren am 14. Oktober 1906 als Johanna Arendt in Linden, heutiger Stadtteil von Hannover; gestorben am 4. Dezember 1975 in New York City) war eine jüdische deutsch-US-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin.

Die Entrechtung und Verfolgung von Juden in der Zeit des Nationalsozialismus sowie ihre eigene kurzzeitige Inhaftierung durch die Gestapo im Juli 1933 bewogen sie zur Emigration aus Deutschland. Sie emigrierte über Karlsbad und Genf nach Paris, wo sie als Sozialarbeiterin bei jüdischen Einrichtungen wirkte. Nachdem sie vom nationalsozialistischen Regime 1937 ausgebürgert worden war, war sie staatenlos, bis sie 1951 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. Seitdem verstand sie sich als US-Amerikanerin und bekannte sich zur US-amerikanischen Verfassung. Arendt war unter anderem als Journalistin sowie Hochschullehrerin tätig und veröffentlichte wichtige Beiträge zur politischen Philosophie. Gleichwohl lehnte sie es ab, als „Philosophin“ bezeichnet zu werden. Auch dem Begriff „Politische Philosophie“ stand sie eher distanziert gegenüber; sie zog die Bezeichnung „Politische Theorie“ für ihre entsprechenden Publikationen vor[1] und legte Wert darauf, dass sie als Historikerin arbeite. Auch wegen ihrer theoretischen Auseinandersetzungen mit Philosophen wie Sokrates, Platon, Aristoteles, Immanuel Kant, Martin Heidegger und Karl Jaspers sowie mit den maßgeblichen Vertretern der neuzeitlichen politischen Philosophie wie Niccolò Machiavelli, Charles-Louis de Montesquieu und Alexis de Tocqueville wird sie dennoch häufig als Philosophin bezeichnet. Gerade wegen ihres eigenständigen Denkens, der Theorie der totalen Herrschaft, ihrer existenzphilosophischen Arbeiten und ihrer Forderung nach freien politischen Diskussionen nimmt sie in den Debatten der Gegenwart eine bedeutende Rolle ein. Sie verachtete diejenigen deutschen Intellektuellen, die sich ab 1933 Adolf Hitler zuwandten.

Arendt vertrat ein Konzept von „Pluralität“ im politischen Raum. Demnach bestehe zwischen den Menschen eine potentielle Freiheit und Gleichheit in der Politik. Wichtig sei es, die Perspektive des anderen einzunehmen. An politischen Vereinbarungen, Verträgen und Verfassungen sollten auf möglichst konkreten Ebenen gewillte und geeignete Personen beteiligt sein. Aufgrund dieser Auffassung stand Arendt rein repräsentativen Demokratien kritisch gegenüber und bevorzugte Rätesysteme sowie Formen direkter Demokratie.

Ihre öffentlichen Stellungnahmen zu politischen Ereignissen waren unter Gegnern und Freunden häufig umstritten; ihre Zivilcourage wurde oft als Unnachgiebigkeit wahrgenommen und bekämpft, insbesondere ihre Arbeit zum Eichmann-Prozess. Durch ihr politisches Hauptwerk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft Anfang der 1950er Jahre wurde sie öffentlich bekannt. Vita activa oder Vom tätigen Leben gilt als Arendts philosophisches Hauptwerk.

Arendts Mutter Martha Cohn, ca. 1899
Arendts Vater Paul Arendt, ca. 1900

Als Quellen für ihre Überlegungen nutzte Arendt neben philosophischen, politischen und historischen Dokumenten unter anderem Biografien und literarische Werke. Diese Texte wertete sie wortgetreu aus und konfrontierte sie mit ihren eigenen Denkansätzen.

Kindheit und Jugend

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Geburtshaus Lindener Marktplatz 2 in Hannover-Linden (weißes Eckhaus)
Gedenktafel am Geburtshaus in Hannover-Linden

Johanna Arendt wurde 1906 als Tochter säkularer jüdischer Eltern im heute zu Hannover gehörenden Linden geboren. Ihre Vorfahren stammten aus Königsberg i. Pr., wohin ihr schwer erkrankter Vater, Paul Arendt (1873–1913), und die Mutter, Martha geb. Cohn (1874–1948), zurückkehrten, als sie kaum drei Jahre alt war. Nach dem frühen Tod des Vaters, der Ingenieur war,[2] wurde sie von ihrer sozialdemokratisch eingestellten Mutter freiheitlich erzogen. In den gebildeten Kreisen Königsbergs war die Mädchenbildung selbstverständlich. Durch die Großeltern (ein Großvater war der Großkaufmann und Kommunalpolitiker Max Arendt) hatte sie das liberale Reformjudentum kennengelernt. Sie gehörte keiner religiösen Gemeinschaft an, verstand sich jedoch immer als Jüdin.

Bereits mit 14 Jahren las Arendt Kants Kritik der reinen Vernunft und Karl JaspersPsychologie der Weltanschauungen sowie Søren Kierkegaard.[3] Sie musste die Schule wegen Differenzen mit einem Lehrer verlassen[4] und ging anschließend nach Berlin, wo sie ohne formalen Schulabschluss, u. a. als Gasthörerin, Vorlesungen zur christlichen Theologie, so bei Romano Guardini, besuchte.[5] Zurück in Königsberg, bestand sie 1924 als externer Prüfling das Abitur. Noch während ihrer Schulzeit hatte sie einen philosophischen Kreis gegründet, in dem sie 1920 Ernst Grumach traf. Durch ihn lernte sie ihre langjährige Freundin Anne Mendelsohn,[6] später Anne Weil, kennen.

Arendts Studentenzimmer 1924–1925 in Marburg, Lutherstraße 4
Gedenktafel in Marburg

1924 nahm sie ihr Studium an der Universität Marburg auf und studierte ein Jahr lang Philosophie bei Martin Heidegger und Nicolai Hartmann, außerdem als Nebenfächer Evangelische Theologie, wobei sie insbesondere Vorlesungen bei Rudolf Bultmann hörte, sowie Gräzistik.

Der 35-jährige Familienvater Heidegger und die 18-jährige Studentin verliebten sich ineinander und begannen eine Beziehung.[7] Arendt war nicht die erste und nicht die einzige Liebesbeziehung Heideggers in seiner Marburger Zeit.[8] Arendt lebte in Marburg wegen ihrer Beziehung zu Heidegger, die dieser geheim halten wollte, sehr zurückgezogen. Sie pflegte lediglich Kontakte zu ihrem Kommilitonen Hans Jonas und zu ihren Königsberger Freunden. Die Beziehung zwischen Heidegger und Arendt blieb der Öffentlichkeit verborgen, bis 1982 die große Arendt-Biografie von Elisabeth Young-Bruehl gleichzeitig in den USA und Großbritannien erschien.[9] Seitdem gibt es darüber zahlreiche Veröffentlichungen.

Anfang 1926 fasste sie auf Drängen Heideggers den Entschluss, den Studienort zu wechseln, und ging für ein Semester zu Edmund Husserl nach Freiburg. In Heidelberg studierte sie anschließend Philosophie und wurde auf Vermittlung Heideggers 1928 bei Karl Jaspers nach erfolgreicher Verteidigung ihrer Arbeit Der Liebesbegriff bei Augustin promoviert. Mit Jaspers blieb sie bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden. In Heidelberg weitete Arendt ihren Freundeskreis aus. Dazu gehörten Karl Frankenstein, der 1928 eine geschichtsphilosophische Dissertation vorlegte, der Jungianer Erich Neumann und Erwin Loewenson, ein expressionistischer Essayist. Auch Jonas kam nach Heidelberg und arbeitete dort ebenfalls über Augustinus.

Ein anderer Kreis erschloss sich ihr durch die Freundschaft mit Benno von Wiese und die von Jaspers empfohlenen Vorlesungen von Friedrich Gundolf. Große Bedeutung hatte für sie zudem Kurt Blumenfeld, der Geschäftsführer und Hauptsprecher der deutschen Zionistenorganisation, dessen Thema die Erforschung der so genannten Judenfrage und der Assimilation war. Ihm verdanke sie, heißt es in einem Brief an ihn aus dem Jahr 1951, ihr Verständnis für die Situation der Juden.[10]

Dr. Urkunde von Arendt, 1930, Uni Heidelberg

Heirat, Beginn der NS-Herrschaft, erste politische Aktivitäten

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Ihr erstes Buch trägt den Titel Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation. Es handelt sich um ihre bereits im Alter von 22 Jahren verfasste und 1929 in Leipzig gedruckte und in Berlin bei Julius Springer publizierte Dissertation. Darin verbindet sie philosophische Ansätze Martin Heideggers mit denen von Karl Jaspers und betont bereits damals die wichtige Rolle der Geburt (später Gebürtlichkeit, Natalität) für das Individuum wie auch für seine Mitmenschen. Damit grenzt sie sich von ihrem Lehrer Heidegger ab.[11] Das Werk wurde in wichtigen philosophischen und literarischen Publikationen besprochen. Auf Kritik stieß, dass sie Augustinus als Philosophen betrachtet und nicht als Kirchenvater. Außerdem wurde bemängelt, dass sie neuere theologische Literatur nicht zitiert habe. Einige Interpreten sehen in diesem Werk indes bereits spätere Leitmotive Arendts vorbereitet.[12]

Günther Stern und Hannah Arendt, ca. 1929
Gedenktafel in Babelsberg

In Berlin traf sie ebenfalls 1929 Günther Stern wieder, den sie schon aus Marburg kannte und der später unter seinem Pseudonym Günther Anders bekannt wurde.[13] Kurz darauf zog sie mit ihm zusammen, für die damalige Zeit ein in der öffentlichen Meinung verpöntes Verhalten; die beiden heirateten noch im selben Jahr in Nowawes.[14] Sie wohnten dann in Drewitz, in Heidelberg, ein Jahr in Frankfurt am Main und dann wieder in Berlin. Arendt schrieb für die Frankfurter Zeitung und besuchte Seminare bei Paul Tillich und Karl Mannheim, dessen Buch Ideologie und Utopie sie rezensierte.[15] Zugleich befasste sie sich mit Rahel Varnhagen von Ense, einer intellektuellen Jüdin der Romantik.

Berliner Gedenktafel am Haus Opitzstraße 6, in Berlin-Steglitz

Als sich abzeichnete, dass Sterns Habilitationsschrift von Theodor W. Adorno nicht akzeptiert werden würde,[16] gingen beide wieder nach Berlin. Dort begann Arendt mit der Arbeit an ihrem als Habilitation angelegten Werk über Rahel Varnhagen. Nach einem positiven Gutachten von Jaspers, der weitere Gutachten von Heidegger und Dibelius besorgte, wurde die Studie durch ein Stipendium der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft gefördert. Gleichzeitig begann Arendt, sich mehr für politische Fragen zu interessieren. Sie las Marx und Trotzki und knüpfte neue Kontakte an der Hochschule für Politik. Die Ausgrenzung der Juden trotz Assimilation analysierte sie anhand des erstmals von Max Weber in Bezug auf die Juden verwendeten Begriffs „Paria“ (Außenseiter). Sie stellte diesem, angeregt durch die Schriften Bernard Lazares, den entgegengesetzten TerminusParvenu“ (Aufsteiger) gegenüber. 1932 veröffentlichte sie in der Zeitschrift Geschichte der Juden in Deutschland den Artikel Aufklärung und Judenfrage, in dem sie in der Auseinandersetzung mit Gotthold Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn als Aufklärern und Johann Gottfried Herder als Vorläufer der Romantik ihre Ideen über die Eigenständigkeit des Judentums entwickelte.[17]

Hannah Arendt, 1924

Ebenfalls 1932 verfasste sie eine Rezension über das Buch Das Frauenproblem in der Gegenwart von Alice Rühle-Gerstel,[18] in der sie die Frauenemanzipation im öffentlichen Leben würdigte, ihr jedoch die Beschränkungen – insbesondere in der Ehe und im Arbeitsleben – gegenüberstellte. Sie konstatierte die „faktische Geringschätzung“ der Frau in der Gesellschaft und kritisierte die Pflichten, die mit ihrer Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren seien. Der Frauenbewegung stand Hannah Arendt indes distanziert gegenüber. Die politischen Fronten seien „Männerfronten“, betonte sie einerseits. Andererseits sah sie jedoch die „Fragwürdigkeit“ der Frauenbewegung ebenso wie die der Jugendbewegung, weil beide – klassenübergreifend angelegt – dabei scheitern müssten, einflussreiche politische Parteien zu bilden.

Kurz vor der Machtübergabe an Adolf Hitler versuchte Karl Jaspers, sie in mehreren Briefen davon zu überzeugen, dass sie sich als Deutsche betrachten solle. Dies lehnte sie stets mit dem Hinweis auf ihre Existenz als Jüdin ab. Sie schrieb: „Für mich ist Deutschland die Muttersprache, die Philosophie und die Dichtung.“ Ansonsten fühlte sie sich zur Distanz verpflichtet. Besonders kritisierte sie den von Jaspers gebrauchten Ausdruck „deutsches Wesen“. Jaspers antwortete: „Es ist mir wunderlich, daß Sie als Jüdin sich vom Deutschen unterscheiden wollen.“[19] Diese kontroversen Positionen nahmen beide auch nach dem Krieg ein.

Im Jahr 1931 ging Arendt davon aus, dass die Nationalsozialisten an die Regierung kommen würden, dachte 1932 an Emigration, blieb jedoch zunächst in Deutschland und wurde erstmals politisch aktiv. Ihr Mann, der sich inzwischen Günther Anders nannte, flüchtete im März 1933 nach Paris. Vermittelt durch Kurt Blumenfeld, war Arendt für die Zionistische Vereinigung für Deutschland tätig, um die beginnende Judenverfolgung zu dokumentieren. Ihre Wohnung in Berlin diente Flüchtlingen als Zwischenstation. Im Juli 1933 wurde sie verhaftet und kam für acht Tage in Gestapo-Haft. Gegenüber Günter Gaus äußerte sie sich 1964 über ihr Motiv: „Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.“[20][21]

Im Jahr 1933 vertrat sie die Auffassung, dass das nationalsozialistische Regime aktiv zu bekämpfen sei. Sie stand damit im Gegensatz zu vielen gebildeten Deutschen, teilweise mit jüdischem Hintergrund, die sich mit dem NS-Regime arrangieren wollten, die neuen Herrscher manchmal lobten oder die Diktatur zunächst unterschätzten. Im Gaus-Interview[2] drückte sie ihre Verachtung für die umgehende – damals noch freiwillige – „Gleichschaltung“ der meisten Intellektuellen aus. Arendt war davon abgestoßen und wollte mit dieser Art von affirmativen, opportunistischen oder sogar begeisterten Gelehrten nichts gemein haben.

Daraus resultierte auch der Streit mit Leo Strauss, dessen konservative Auffassungen sie ablehnte. Ebenso war sie von Heideggers NS-Engagement enttäuscht, dessen Parteieintritt in die NSDAP mit Datum 1. Mai 1933 registriert worden war. Daraufhin brach sie den Kontakt ab und traf Strauss erst 1950 wieder. Auch die Freundschaft mit Benno von Wiese beendete sie, als er sich frühzeitig dem Nationalsozialismus zuwandte und ebenfalls 1933 Parteimitglied wurde.[22]

Diese Erfahrung der tiefen Entfremdung von Freunden beschrieb sie in ihren Werken und in ihrer Korrespondenz mehrmals. Sie war davon überzeugt, dass es sich jeweils um Willensentscheidungen handelte, für die der Einzelne verantwortlich war. Noch kurz vor ihrem Tod stellte sie fest: Gerade viele professionelle Denker hätten hinsichtlich des Nationalsozialismus versagt, als sie sich für das Regime engagierten. Arendt verlangte nicht von jedem aktiven Widerstand. Schon das Schweigen erkannte sie als Ablehnung der totalen Herrschaft an.[23]

Exil, zweite Ehe und Engagement für jüdische Flüchtlinge

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Hannah Arendt 1933

Über das tschechische Karlsbad, Genua und Genf emigrierte sie 1933 zunächst nach Frankreich. In Paris war sie, ohne Papiere, wiederum für zionistische Organisationen tätig, die beispielsweise jüdischen Jugendlichen zur Flucht nach Palästina verhalfen. Sie arbeitete wissenschaftlich über den Antisemitismus und hielt Vorträge vor verschiedenen Vereinigungen sowie in der Freien Deutschen Hochschule Paris.

Hannah Arendt und ihr Ehemann hatten schon in Berlin unterschiedliche Interessen und Freundeskreise:[24] „Er verkehrt(e) unter Linken, im Umfeld von Brecht“, sie hatte zunehmend Kontakt zu zionistischen und anderen jüdischen Persönlichkeiten.[25] Zunächst wohnten beide in Paris zusammen, besuchten gemeinsam die Seminare Alexandre Kojèves und Versammlungen mit anderen Intellektuellen im Exil. Doch die Ehe scheiterte und wurde 1937 geschieden. Arendt vertraute Elfride Heidegger in einem Brief vom 10. Februar 1950 an, dass sie, als sie Marburg verließ, fest entschlossen war, nie wieder einen Mann zu lieben: „Und dann heiratete ich, nur um zu heiraten, einen Mann, den ich nicht liebte.“ Arendt führt weiter aus, dass sie sich den Dingen absolut überlegen fühlte, dass sie glaubte, über alles verfügen zu können, gerade weil sie nichts von sich selbst erwartete. Schließlich sagte sie, dass sich alles erst änderte, als sie den Mann traf, der ihr zweiter Ehemann werden sollte.[26]

Bereits 1936 hatte sie Heinrich Blücher kennengelernt, einen ehemaligen Kommunisten, der sich schon früh gegen die Politik Josef Stalins gewandt hatte. In Paris gehörten beide mit Walter Benjamin, dem Rechtsanwalt Erich Cohn-Bendit, dem Nervenarzt Fritz Fränkel[27] und dem Maler Carl Heidenreich zu einem Kreis deutscher Flüchtlinge.[28]

1937 wurde Arendt die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 1939 glückte es ihr gerade noch, ihre Mutter aus Königsberg in Sicherheit zu bringen. Im Januar 1940 heiratete sie Heinrich Blücher.[29] Für Blücher war es die dritte Ehe.

Anfang Mai 1940 wiesen die französischen Behörden über die Presse die deutschstämmigen Ausländer an, sich zum Abtransport zu melden. Arendt wurde mit vielen anderen Frauen für eine Woche im Vélodrome d’Hiver inhaftiert.[30] Danach wurden sie in das südfranzösische Camp de Gurs deportiert. In ihrem Essay Wir Flüchtlinge schreibt sie dazu sarkastisch, dass „die Zeitgeschichte eine neue Gattung von Menschen geschaffen hat – Menschen, die von ihren Feinden ins Konzentrationslager und von ihren Freunden ins Internierungslager gesteckt werden“.[31] Nach etwa einem Monat gelang ihr mit wenigen anderen die Flucht aus Gurs, denn die Wachsamkeit der französischen Lagerverwaltung hatte in der chaotischen Lage, nachdem die Wehrmacht Paris besetzt hatte und nach Süden vorgerückt war, vorübergehend nachgelassen.[32] In einem Brief an Salomon Adler-Rudel schilderte Arendt wenig später die Umstände der Internierungen von Flüchtlingen aus NS-Deutschland. Die folgende Zeit verbrachten sie und ihr Mann in Montauban.

Im französischen Exil verband sie eine enge Freundschaft mit dem damals noch weitgehend unbekannten Walter Benjamin, den sie auch materiell unterstützte. Nachdem er sich 1940 das Leben genommen hatte, setzte sie sich 1945 vergeblich beim Schocken-Verlag für die Veröffentlichung seiner Werke ein. Erst 1968 konnte sie seine Essays – mit Anmerkungen und einem Vorwort versehen – in den USA herausgeben.[33]

Immigration in die USA, Erwerbstätigkeit und Kampf für eine jüdische Armee

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Ihr erster Ehemann Günther Anders und Morris Gintzler gaben Unterhaltgarantien für das Ehepaar Blücher-Arendt ab. Damit konnten sie mit der Hilfe von Varian Fry in Marseille die Visa für die Einreise in die USA bekommen. Am 10. Mai 1941 legte das Schiff Guiné mit den Blücher-Arendts von Lissabon ab und erreichte am 22. Mai 1941 New York.[34]

Das Ehepaar wohnte zunächst in Hotelzimmern und lebte von einem geringen Stipendium der zionistischen Flüchtlingsorganisation. Arendt vervollkommnete sehr schnell ihre Kenntnisse der englischen Sprache. Ab Oktober 1941 war sie für das deutsch-jüdische Magazin Aufbau in New York tätig. Sie schrieb regelmäßig eine kurze deutschsprachige Kolumne unter dem englischen Aufmacher This Means You („Das geht dich an“). Der Startartikel unter dem Titel Moses oder Washington[35] knüpft in der Gestalt des Moses an die jüdische Exilgeschichte an. Arendt argumentiert, dass das moderne (Reform-)Judentum den Bezug zu seiner eigentlichen Tradition verloren habe, ein Motiv, das auch die These ihres Buches über Rahel Varnhagen bildet. Es „wächst bei uns höchst paradoxerweise die Zahl jener, die Moses und David durch Washington oder Napoléon ersetzen“, Juden, die sich auf fremde Kosten (nämlich der Nichtjuden) „verjüngen“ wollten. Kritisch merkt sie an, dass die (jüdische) Geschichte kein Vehikel sei, aus dem man beliebig aussteigen könne; sie fordert, aus dem Judentum einen „Segen“ zu machen, nämlich eine Waffe im Kampf um die Freiheit. Damit wollte sie das politische Bewusstsein der jüdischen Öffentlichkeit in aller Welt wecken. In zahlreichen Artikeln forderte sie den Aufbau einer selbstständigen jüdischen Armee auf Seiten der Alliierten. Mit diesem Verlangen, das sie bereits vor Beginn der Massenmorde in den Konzentrationslagern formulierte, konnten sie und ihre wenigen Mitstreiter sich nicht durchsetzen.

Zwar bezeichnete sich Arendt in dieser Zeit noch als (säkulare) Zionistin, nahm aber eine zunehmend kritische Haltung zur Weltanschauung des Zionismus ein, die sie mit anderen Ideologien wie Sozialismus oder Liberalismus verglich, welche Voraussagen über die Zukunft machten. Sie hielt Freiheit und Gerechtigkeit für Grundprinzipien der Politik, die mit der Vorstellung eines auserwählten Volkes nicht zu vereinbaren seien. Diese Positionen stießen in der jüdischen Öffentlichkeit zumeist auf Ablehnung.[36]

1943 veröffentlichte sie den Essay We Refugees (dt. Wir Flüchtlinge), in dem sie sich mit der Rechtlosigkeit von Flüchtlingen und Staatenlosen auseinandersetzt.

Von 1944 bis 1946 war Hannah Arendt als Forschungsleiterin der Conference on Jewish Relations tätig, anschließend bis 1949 als Lektorin im jüdischen Schocken-Verlag. Am 26. Juli 1948 starb ihre Mutter Martha Arendt während einer Reise zu ihrer Stieftochter Eva Beerwald in England. Von 1949 bis 1952 arbeitete sie als Executive Secretary (Geschäftsführerin) für die Organisation zur Rettung und Pflege jüdischen Kulturguts Jewish Cultural Reconstruction Corporation (JCR). Bis Heinrich Blücher 1951 Philosophie-Kurse an einem College erteilen konnte, sorgte Hannah Arendt nahezu alleine für den Lebensunterhalt der Familie.

Erste Reisen in die Bundesrepublik und Berichte über die Nachwirkungen des NS-Regimes

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1949/1950 bereiste Arendt im Auftrag der Jewish Cultural Reconstruction die Bundesrepublik Deutschland und setzte sich dafür ein, die nicht zerstörten jüdischen Kulturgüter, darunter ganze Bibliotheken, nach Israel oder in die USA zu bringen. Arendt traf während dieses Aufenthalts zum ersten Mal seit 1933 Karl Jaspers und Martin Heidegger. Eine zweite Reise folgte 1952. Seitdem fuhr sie jedes Jahr für einige Monate nach Europa, bisweilen auch nach Israel, besuchte viele Freunde und Verwandte, jedes Mal aber Karl und Gertrud Jaspers. Während ihrer Recherchen in der Bundesrepublik stand sie in brieflichem Kontakt mit Gershom Scholem.

In dem Essay Besuch in Deutschland. Die Nachwirkungen des Naziregimes[37] (1950) schreibt Arendt sehr differenziert über die Nachkriegssituation. Deutschland habe in kurzer Zeit durch Verbrechen, die niemand für möglich gehalten hätte, das moralische Gefüge der westlichen Welt zerstört. Millionen von Menschen aus Osteuropa strömten in das zerstörte Land. „Man kann bezweifeln, ob die Politik der Alliierten, alle deutschen Minderheiten aus nichtdeutschen Ländern zu vertreiben – als ob es nicht schon genug Heimatlosigkeit auf der Welt gäbe – klug gewesen ist; doch außer Zweifel steht, daß bei denjenigen europäischen Völkern, die während des Krieges die mörderische Bevölkerungspolitik Deutschlands zu spüren bekommen hatten, die bloße Vorstellung, mit Deutschen auf demselben Territorium zusammenleben zu müssen, Entsetzen und nicht bloß Wut auslöste.“ Sie stellt eine seltsame Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung fest. Über Europa liege wegen der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager ein Schatten tiefer Trauer. Doch dieser Alptraum von Zerstörung und Schrecken werde nirgends weniger besprochen als in Deutschland. „Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.“

Hingegen kursierten zahlreiche Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die „Leidensbilanz“ in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte. Die Flucht vor der Verantwortung und die Zuschreibung von Schuld auf die Besatzungsmächte seien weit verbreitet. „Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.“

Arbeiten zur Existenzphilosophie

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Nach Kriegsende veröffentlichte Arendt zwei Artikel zur Existenzphilosophie. In The Nation erschien Anfang 1946 der Text French Existentialism, in dem sie vor allem das Denken Albert Camus’ zustimmend und dasjenige Sartres kritisch beleuchtete. Sie äußerte gegenüber Jaspers ihre große Hoffnung auf einen neuen Typus von Menschen, der ohne allen „europäischen Nationalismus“ Europäer ist und sich für einen europäischen Föderalismus einsetzt. Dazu zählte sie Camus aus der französischen Résistance, dem sie in einem Brief Ehrlichkeit und politische Einsicht bescheinigte.[38]

Den Artikel Was ist Existenzphilosophie?[39] veröffentlichte sie in den USA 1946 in der Partisan Review, auf Französisch in Paris 1947[40] und in der Schriftenreihe der von Jaspers und anderen gegründeten Zeitschrift Die Wandlung 1948 zusammen mit fünf weiteren Beiträgen als Essayband.[41] Es handelte sich um die erste Buchveröffentlichung nach ihrer 1929 erschienenen Dissertation.

In dieser Schrift entwickelte Arendt eine eigene Position innerhalb der Existenzphilosophie, verfolgte sie in späteren Werken aber nicht weiter. Als Uwe Johnson 1974 anfragte, ob der Text erneut herausgegeben werden dürfe, fand sie diesen zwar akzeptabel, wollte aber den Abschnitt über Heidegger herausnehmen, woran die Veröffentlichung scheiterte.[42] Auch die englische Fassung ließ sie zu Lebzeiten nicht wieder auflegen.

Arendt setzt sich in dieser kleinen Arbeit kritisch mit der Philosophie Martin Heideggers auseinander, dem sie eine Nähe zum modernen Nihilismus zuschreibt. Seine Lehre des Seins habe er niemals wirklich vollendet. Mit der Analyse des Daseins vom Tode her begründe Heidegger die Nichtigkeit des Seins. Der Mensch werde gottähnlich beschrieben, zwar nicht als „Welt-erschaffendes“, aber als „Welt-zerstörendes“ Wesen. Arendt wendet dagegen ein, dass „der Mensch Gott nicht ist und mit seinesgleichen zusammen in einer Welt lebt“, ein Gedanke, den sie später noch oft wiederholen wird. Heidegger umgehe die vorläufigen Kantschen Begriffe von Freiheit, Menschenwürde und Vernunft, reduziere den Menschen auf seine Funktionen in der Welt und spreche ihm Existenz allein durch das Philosophieren zu. Darüber hinaus kritisiert sie Heideggers „mythologisierende Unbegriffe“ wie „Volk“ und „Erde“, die er in Vorlesungen der 1930er Jahre seinen „isolierten Selbsten“ nachträglich als gemeinsame Grundlage untergeschoben habe. Es sei evident, dass „derartige Konzeptionen nur aus der Philosophie heraus- und in irgendeinen naturalistischen Aberglauben hineinführen“.

Die Existenzphilosophie Karl Jaspers’ hingegen beschreibt sie ausschließlich positiv. Er vollziehe einen Bruch mit allen philosophischen Systemen, mit Weltanschauungen und „Lehren vom Ganzen“, setze sich mit „Grenzsituationen“ auseinander und betrachte die Existenz als eine Form der Freiheit. Der Mensch könne sich „in spielender Metaphysik“ an die Grenzen des Denkbaren herantasten und sie überschreiten. Im Gegensatz zu Heidegger sei für Jaspers das Philosophieren lediglich die Vorbereitung auf das „Tun“ durch die Kommunikation auf der Basis der allen gemeinsamen Vernunft. Jaspers wisse, dass das Denken der Transzendenz zum Scheitern verurteilt ist. Die Jaspers'sche Philosophie, unterstreicht die Autorin, liegt im Wesentlichen in den Wegen seines Philosophierens. Diese können aus den „Sackgassen eines positivistischen oder nihilistischen Fanatismus“ herausführen.

Stellungnahmen zu Palästina und Israel

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Erklärung als Leserbrief an die New York Times: New Palestine Party. Visit of Menachen Begin and Aims of Political Movement Discussed. Unterschrieben von Albert Einstein, Arendt und anderen.

Hannah Arendt schrieb Ende 1948 den Artikel Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten? (veröffentlicht in den USA im Januar 1950). Darin setzt sie sich mit der Geschichte Palästinas und der Gründung des Staates Israel auseinander. Frieden könne ihr zufolge nur durch Verständigung und faire Vereinbarungen zwischen Arabern und Juden erreicht werden. Sie beschrieb die Einwanderungsgeschichte seit 1907 und betonte, dass sich bisher beide Gruppen feindselig gegenüberstanden und sich – auch wegen der Besetzung durch die Türken und später die Briten – niemals als gleichberechtigte Partner oder auch nur als Menschen angesehen hatten. Während sie in der „Heimatlosigkeit“ und „Weltlosigkeit“ das größte Probleme der Juden beschrieb, kritisierte sie die meisten zionistischen Führer, da sie die Probleme der arabischen Bevölkerung übersehen hätten.

Ihre Vision war ein binationales Palästina auf der Grundlage nicht-nationalistischer Politik, eine Föderation, die möglicherweise andere Staaten des Nahen Ostens umfassen könne. Die Einwanderung und die Vertreibung eines Teils der arabischstämmigen Bevölkerung stellten eine moralische Hypothek dar, während die auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhenden Kollektivsiedlungen (Kibbuzim) und die Hebräische Universität sowie die Industrialisierung auf der Habenseite stünden.

Israel konnte sich Arendt zufolge von den Gesetzen des Kapitalismus befreien, da es durch Spendengelder aus den USA finanziert werde und daher nicht dem Gesetz der Profitmaximierung unterliege. Ihre Sorge nach dem gewonnenen Palästinakrieg, der Unglück über Juden und Araber gebracht und alle jüdisch-arabischen Wirtschaftssektoren zerstört habe, besteht darin, dass Israel eine aggressive expansionistische Politik betreiben könne. Doch hofft sie auf den universalistischen Geist im Judentum und auf verständigungsbereite Kräfte in den arabischen Staaten.[43]

Es gab in dieser Zeit nur sehr wenige Persönlichkeiten auf arabischer und jüdischer Seite, die für ein binationales Palästina eintraten. Arendt bezieht sich auf den ersten Präsidenten der Hebräischen Universität Judah Leon Magnes[44] sowie den libanesischen Politiker und Philosophieprofessor Charles Malik und streicht deren Einmaligkeit heraus. Beide setzten sich für eine jüdisch-arabische Übereinkunft zur Lösung des Palästinaproblems ein, Magnes 1946 und Malik vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Mai 1948.

Als im Dezember 1948 der ehemalige Führer der zionistischen Terror-Organisation Irgun Menachem Begin New York besuchte, um Spenden für seine neugegründete Cherut-Partei zu sammeln, verfassten 26 Intellektuelle, darunter viele mit jüdischem Hintergrund, einen scharf formulierten Leserbrief, der am 4. Dezember 1948 in der New York Times veröffentlicht wurde.[45] Zu den Unterzeichnern gehörten neben Arendt u. a. Isidore Abramowitz, Albert Einstein, Sidney Hook und Stefan Wolpe. Sie warnten eindringlich vor dieser Partei und charakterisierten sie als faschistisch und terroristisch. Als schockierendes Beispiel für Charakter und Vorgehensweise der Organisation erwähnen sie auch das von Begin kommandierte Massaker von Deir Yasin.

An ihre Freundin, die US-amerikanische Schriftstellerin Mary McCarthy, schrieb Arendt mehr als zwanzig Jahre später, Israel sei ein eindrucksvolles Beispiel für die Gleichheit der Menschen. Für noch wichtiger hielt sie die „Überlebensleidenschaft“ des jüdischen Volkes seit der Antike. Sie befürchtete, dass sich der Holocaust wiederholen könne. Als Rückzugsort und wegen des unausrottbaren Antisemitismus sei Israel notwendig. Arendt betont, dass jede wirkliche Katastrophe in Israel sie mehr berühre als fast alles andere.[46]

Formen totaler Herrschaft

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Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg begann Arendt mit der Arbeit an einer umfassenden Studie über den Nationalsozialismus, 1948 und 1949 ausgeweitet auf den Stalinismus. Das Buch enthält die drei Teile Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft. Während Arendt für die beiden ersten Teile in hohem Maße auf vorhandenes historisches und literarisches Quellenmaterial zurückgreifen konnte, musste sie sich den Hintergrund für den dritten Teil neu erarbeiten.[47] 1951 erschien die US-amerikanische Ausgabe unter dem Titel: The Origins of Totalitarianism. Die von ihr selbst bearbeitete, teilweise vom Original abweichende deutsche Fassung (1955) nannte sie Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Ihr Werk bearbeitete und erweiterte sie bis zur Edition der dritten Auflage 1966. Die Arbeit stellt keine reine Geschichtsschreibung dar. Vielmehr kritisiert sie das Kausalitätsdenken der meisten Historiker und bemerkt: Alle Versuche von Geschichtswissenschaftlern, den Antisemitismus zu erklären, seien bisher unzulänglich gewesen.

Sie stellt die neuartige und vieldiskutierte These auf, dass sich totalitäre Bewegungen jeder Weltanschauung und Ideologie bemächtigen und sie durch Terror in eine neue Staatsform überführen können. Geschichtlich vollständig realisieren konnten dies ihrer Ansicht nach bis 1966 lediglich der Nationalsozialismus und der Stalinismus.

Im Gegensatz zu anderen Autoren sieht Arendt ausschließlich diese beiden Systeme als totalitär an, nicht aber Einparteiendiktaturen wie den italienischen Faschismus, den Franquismus oder die Deutsche Demokratische Republik. Sie stellt die neue Qualität der totalen Herrschaft gegenüber gewöhnlichen Diktaturen heraus. Erstere beziehe sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, nicht nur auf die politischen. Im Zentrum stehe eine Massenbewegung. Im Nationalsozialismus habe eine völlige Verkehrung der Rechtsordnung geherrscht. Verbrechen, Massenmorde[48] seien die Regel gewesen. Neben dem Terror hält sie das Streben nach Weltherrschaft für ein wichtiges Kennzeichen der totalen Herrschaft.

Sie arbeitet heraus, wie vor dem Hintergrund der Massengesellschaft und des Zerfalls der Nationalstaaten durch den Imperialismus traditionelle Politikformen, insbesondere die Parteien, den totalitären Bewegungen mit ihren neuen Techniken der Massenpropaganda unterlegen waren.

Neben historischen benutzt Arendt auch literarische Quellen wie beispielsweise Marcel Proust und setzt sich mit zahlreichen Denkern seit der Antike auseinander, mit Kant ebenso wie mit Montesquieu. Sie verwendet ihre Methode „des buchstäblichen Ernstnehmens ideologischer Meinungen“. Die Äußerungen totalitärer Ideologen seien von vielen Beobachtern unterschätzt worden.[49]

Die Beschreibungen der totalen Herrschaft dienten vor allem Politikwissenschaftlern dazu, Theorien des Totalitarismus zu entwickeln, die z. T. weit über die strenge Definition Arendts hinausgehen.

US-Staatsbürgerschaft, berufliche Position und politische Stellungnahmen

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1951 wurde Hannah Arendt Staatsbürgerin der USA. Unter dem Status der Staatenlosigkeit hatte sie sehr gelitten, weil sie ihn als einen Ausschluss aus der menschlichen Gesellschaft ansah. Die Staatsbürgerschaft bedeutete für sie „das Recht, Rechte zu haben“.[50] Daher forderte sie eine Ergänzung zur amerikanischen Verfassung, dass niemand seine Staatsangehörigkeit verlieren dürfe, wenn er dadurch staatenlos wird.

In Deutschland hatte sich Hannah Arendt Anfang 1933 auf dem Weg zu einer normalen akademischen Karriere mit einer ordentlichen Professur befunden. Der Nationalsozialismus machte diese Pläne zunichte. Arendt betont in ihren Briefen bis wenige Jahre vor ihrem Tod, sie verfüge weder über Besitz noch über eine Stellung, was nach ihrer Auffassung zur Unabhängigkeit ihres Denkens beitrug.

Immer wieder zeigte sie persönlichen Mut, z. B. durch ihre praktischen Tätigkeiten für jüdische Organisationen während der Zeit des Nationalsozialismus. Ihre öffentlichen und persönlichen Stellungnahmen zu politischen Ereignissen waren häufig unter Gegnern, aber auch Freunden umstritten; ihre Zivilcourage wurde oft als Unnachgiebigkeit wahrgenommen und bekämpft.

In einer auf 1948 zu datierenden kurzen Aufzeichnung Memo on research benennt Arendt die wichtigsten zeitgenössischen politischen Themen. Sie unterscheidet zentrale politische Probleme der Zeit:

„Totalitarismus, die Rassenfrage, der Verfall des europäischen nationalstaatlichen Systems, die Emanzipation der Kolonialvölker, die Liquidierung des Britischen Imperialismus“

und rein jüdische Probleme:

„Antisemitismus, die Palästina-Angelegenheit, Fluchtbewegungen, Heimatlosigkeit, etc.“[51]

Etwas früher, 1947, schrieb sie an Jaspers:

„Unter freien Umständen sollte eigentlich jeder einzelne entscheiden dürfen, was er nun gerne sein möchte, Deutscher oder Jude oder was immer […]. Woran mir liegen würde, und was man heute nicht erreichen kann, wäre eigentlich nur eine solche Änderung der Zustände, daß jeder frei wählen kann, wo er seine politischen Verantwortlichkeiten auszuüben gedenkt und in welcher kulturellen Tradition er sich am wohlsten fühlt.“[52]

Im Alter von 47 Jahren bekam sie 1953 endlich eine befristete Professur am Brooklyn College (New York), auch auf Grund des Erfolgs, den sie mit ihrem Totalitarismus-Buch in den USA erzielt hatte. In New York wirkte sie 1955 neben Martin Buber u. a. bei der Gründung des Leo Baeck Institute mit, einer Dokumentations- und Forschungsstätte für die Geschichte der deutschsprachigen Juden. Die Bestände sind in elektronischer Form im Jüdischen Museum Berlin einsehbar.

In den 1950er Jahren plante Arendt im Anschluss an die Analyse des Totalitarismus eine Arbeit über den Marxismus. Aus den Vorarbeiten entstanden einige Artikel, Essays und Vorlesungen. 1953 veröffentlichte sie im Aufbau den Text: Gestern waren wir noch Kommunisten…[53] Sie unterscheidet darin zwischen „ehemaligen Kommunisten“ und „Exkommunisten“. Erstere seien entweder als Künstler Aushängeschilder gewesen oder hätten schon früh die Moskauer Prozesse, den Hitler-Stalin-Pakt oder den Mangel an innerparteilicher Demokratie durchschaut und sich danach vielfach ins Privatleben zurückgezogen. Letztere indes hätten ihre Bekenntnisse gegen den Kommunismus zum Sprungbrett einer neuen Karriere als Experten des Antikommunismus und des Kalten Krieges gemacht.

Große Sorge bereitete ihr in dieser Zeit die Verfolgung ehemaliger Kommunisten, Intellektueller und Künstler durch Joseph McCarthy und seine Anhänger in den USA, während sie den Volksaufstand in Ungarn 1956 als Beispiel für den Versuch einer friedlichen Revolution mit Ansätzen zu einem Rätesystem bewertete. 1960 erschienen Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus (engl. als Teil der 2. Auflage von The Origins of Totalitarianism) und 1961 Between Past and Future (sechs Essays über das politische Denken).

Schon Mitte der 1950er Jahre hatte Arendt einen Antrag auf Wiedergutmachung des ihr von den Nationalsozialisten zugefügten Unrechts gestellt, der mehrmals abgelehnt wurde. Karl Jaspers schrieb ein Gutachten dazu, dass es sich bei ihrer Schrift über Rahel Varnhagen in der Fassung von 1933 um eine abgeschlossene erfolgreiche Habilitationsarbeit gehandelt habe, die nur wegen der Machtübernahme nicht vorgelegt werden konnte. Sie erhielt zunächst 40.000 DM zugesprochen. Im Jahr 1966 legte sie Verfassungsbeschwerde gegen eine Neufassung des Bundesentschädigungsgesetzes ein. Im Jahr 1971 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass dieses Gesetz wegen Ungleichbehandlung verfassungswidrig ist.[54] Ihr Fall wurde zum Präzedenzfall, so dass auch andere Wissenschaftler, die – trotz Erfüllung der Voraussetzungen – ab 1933 keine Professur an deutschen Universitäten erreichen konnten, in der Folgezeit von ihrer jahrelangen Prozessführung profitierten.[55]

Zur Adenauer-Ära in Deutschland äußerte sie sich mehrmals kritisch. Nachdem zunächst NS-Täter kaum bestraft worden seien, wurden nach dem Eichmann-Prozess langsam die schlimmsten vor Gericht gestellt.

„Ein böses Zeichen sind die unglaublich milden Urteile der Gerichte. Ich glaube, für 6500 vergaste Juden bekommt man 3 Jahre 6 Monate oder so ähnlich […]. Diese sogenannte Republik ist wirklich ‚wie gehabt‘. Und über diese politischen Dinge wird auch die wirtschaftliche Entwicklung auf die Dauer nicht hinweghelfen.“[56]

Im Laufe der Jahre setzte sie sich wiederholt mit der „Geschichte der Afroamerikaner“, der Diskriminierung der Schwarzen in den USA, auseinander; deren Lösung hielt sie für unabdingbar für die Existenz der Vereinigten Staaten. Auch zu diesen Äußerungen gab es heftige Kontroversen, da sie zwar die grundsätzliche rechtliche und politische Gleichstellung forderte, aber Quoten oder andere Bevorzugungen vehement ablehnte. Hannah Arendt reagierte mit einem kurzen Brief vom 29. Juli 1965 an Ralph Ellison auf seine Kritik an ihrem Essay Reflections on Little Rock. Der Brief gilt allgemein als Revision ihres Essays.[57]

Der oberste Gerichtshof urteilte in Brown v. Board of Education, dass die Trennung von schwarzen und weißen Schülergruppen gegen den 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten verstieß. Im Süden der USA stieß das Urteil auf heftigen Widerstand. In Little Rock wurde der obersten Schulbehörde angeordnet, dass neun Schüler und Schülerinnen zur Schule durften. Der Gouverneur widersetzte sich. Die „Nationalgarde des Bundesstaates Arkansas gemeinsam mit einem »Mob von kreischenden und hysterischen Demonstranten«“[58] versuchte, den Schulbesuch zu verhindern. Liberale in den USA verurteilten dies. Präsident Dwight D. Eisenhower griff ein und setzte den Schulbesuch durch.

Arendt beurteilte dies anders als ihre liberalen Freunde. „Sie beunruhigte offensichtlich, dass Eltern ihre Kinder einem weißen Mob aussetzten, und in Anlehnung ihrer normativen Unterscheidung zwischen politischem, sozialem und privatem Bereich aus Vita Activa kritisierte sie die Politik der schwarzen Vertretungsorgane.“[59] Sie verteidigte die Privatsphäre der Eltern. „Dass auch »Kinder«, in diesem Fall 16-Jährige, politische Subjekte sein können, schien ihr ausgeschlossen.“ Kinder sollten außerdem „nicht die Kämpfe der Erwachsenen ausfechten“.[60] Die Politik kann nach Arendt nur „die Gleichheit aller vor dem Gesetz garantieren“.[61] Marie Luise Knott merkt an, dass Arendt als Kind Rassismus ausgesetzt war und dass Little Rock „offensichtlich Erinnerungen wachgerufen“ hatte. Arendt habe aber übersehen, dass der „Antisemitismus nicht mit dem Hautfarbenrassismus in den USA“[62] gleichgesetzt werden konnte. Auch hatten die Juden in Europa keine Sklavengeschichte.

Die Kritik von Ellison „war grundsätzlicherer Natur als die ihrer früheren Kritiker“.[63] Er „konstatierte schlicht, sie habe keine Ahnung von der Lage der Schwarzen und keinerlei Ahnung, welche Qualen sich tagtäglich im Kopf einer jeden schwarzen Mutter abspielten“. Nach Knott muss Arendt „bei der Lektüre des Buches »Who Speaks for the Negro« verstanden haben […] in welchen Ausmaß schwarzes Heranwachsen ein tagtäglicher Überlebenskampf war“.[64]

Knott schreibt, dass Arendt am Beispiel von Bernard Lazare die „Figur des »bewussten Parias«“[65] entworfen hatte. Lazare, ähnlich Ellisons Romanfigur, betraten die Bühne der Politik, weil „jeder Jude bzw. jeder Schwarze, der nicht zum Rebell wurde, mitverantwortlich war für die fortgesetzten gesellschaftlichen Lügen, für die eigene Unterdrückung und für die »Schändung der Menschheit« in ihm … Die Schwarzen hatten wie die Juden einen Doppelkampf zu führen – einerseits gegen die fortgesetzte Gewalt der modernen Sklavenhalter und andererseits gegen die Fortsetzung der Sklavenmentalität in den eigenen Köpfen.“[66]

Vielfach verurteilte sie den Vietnamkrieg, z. B. anhand einer Analyse der Pentagon-Papiere, die sie unter dem Titel Lying in Politics (dt. Die Lüge in der Politik) 1971 publizierte.

Im Juni 1968 heißt es in einem Brief an Karl Jaspers: „Mir scheint, die Kinder des nächsten Jahrhunderts werden das Jahr 1968 mal so lernen wie wir das Jahr 1848.“[67] Der weltweiten Studentenbewegung stand sie zwar positiv gegenüber, kritisierte aber von ihr wahrgenommene Auswüchse heftig. In ihrem 1970, gleichzeitig auf Englisch und Deutsch, veröffentlichten Werk Macht und Gewalt legte sie eine ausführliche differenzierte Analyse der Studentenrebellion vor und grenzte zugleich die Begriffe Macht und Gewalt voneinander ab. Unter Macht versteht sie eine bedeutsame Einflussnahme der Bürger auf politische Angelegenheiten im Rahmen von Verfassung und Gesetzen. Keine Herrschaftsform komme ohne Machtbasis aus. Selbst die sehr weitgehend auf Gewalt beruhende totale Herrschaft bedürfe der Unterstützung von vielen.

Adelbert Reif gegenüber betonte sie 1970 in einem Interview, sie schätze an den Studenten die „Lust am Handeln“ und „die Zuversicht, die Dinge aus eigener Kraft ändern zu können“. In den USA sei zum ersten Mal seit langer Zeit eine spontane politische Bewegung entstanden, die nicht nur Propaganda betreibe, sondern nahezu ausschließlich aus moralischen Motiven handele. Andererseits lehnte sie die weitere Entwicklung dieser Bewegung zu „Fanatismus“, „Ideologien“ und „Zerstörungswut“ ab. „Die guten Sachen in der Geschichte sind gewöhnlich von sehr kurzer Dauer.“ So würden wir heute noch (1970) von dem kurzen klassischen Zeitalter in Griechenland zehren.[68]

Eichmann in Jerusalem

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Prozessberichterstattung und nachfolgende Kontroversen

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Arendt in Jerusalem
Eichmann vor Gericht 1961

1961 nahm Arendt von April bis Juni als Reporterin der Zeitschrift The New Yorker am Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem teil. Daraus gingen zunächst Reportagen hervor und schließlich eines ihrer bekanntesten und damals bis heute[69] sehr umstrittenen Bücher, Eichmann in Jerusalem mit dem Untertitel Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Es wurde 1963 zunächst in den USA und kurz darauf in der Bundesrepublik veröffentlicht. Der israelische Geheimdienst hatte Adolf Eichmann 1960 in Argentinien gefasst und nach Jerusalem entführt. Ihre vieldiskutierte Wendung im Hinblick auf Eichmann – „Banalität des Bösen“ – wurde zu einem geflügelten Wort.

„In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren »Banalität des Bösen«, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert.“[70]

Um das Werk gab es heftige Kontroversen. Insbesondere der Ausdruck „Banalität“ in Bezug auf einen Massenmörder wurde von verschiedenen Seiten, darunter auch von Hans Jonas, angegriffen.

In der Einleitung zur deutschen Ausgabe 1964 erläutert Arendt ihre Wortwahl: „In dem Bericht kommt die mögliche Banalität des Bösen nur auf der Ebene des Tatsächlichen zur Sprache, als ein Phänomen, das zu übersehen unmöglich war. Eichmann war nicht […] Macbeth […]. Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive.“[71] Niemals hätte er seinen Vorgesetzten umgebracht. Er sei nicht dumm gewesen, sondern „schier gedankenlos“. Dies habe ihn prädestiniert, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden. Dies sei „banal“, vielleicht sogar „komisch“. Man könne ihm beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen. Trotzdem sei er nicht alltäglich. „Dass eine solche Realitätsferne und Gedankenlosigkeit in einem mehr Unheil anrichten können als alle die dem Menschen innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen, das war in der Tat die Lektion, die man in Jerusalem lernen konnte. Aber es war eine Lektion und weder eine Erklärung des Phänomens noch eine Theorie darüber.“

Häufig wurde ihr vorgehalten, es sei völlig unangemessen, überheblich und für die Opfer verletzend, wenn sie Eichmann „komisch“ oder einen „Hanswurst“ nenne, der ohne Motiv lediglich im Sinne seines persönlichen Aufstiegs gehandelt und im Prozess leere Phrasen von sich gegeben habe. Ihre teilweise ironische Ausdrucksweise stieß großenteils auf Ablehnung. Arendt selbst sprach von ihrer Sprach- und Heimatlosigkeit angesichts des beispiellosen Massenmordes. All dies könne sie nur mit einem Lachen bewältigen.[72]

1969 schrieb sie in einem Brief an Mary McCarthy: „Die Wendung ‚Banalität des Bösen‘ als solche steht im Gegensatz zu der vom ‚radikal Bösen‘ [Kant], die ich [A.] im Totalitarismus-Buch benutze.“[73]

Die Art des Verbrechens war Arendt zufolge nicht einfach kategorisierbar. Was in Auschwitz geschah, sei beispiellos gewesen. Den vom „englischen Imperialismus“ herkommenden Ausdruck „Verwaltungsmassenmord“ hielt sie für der Sache angemessener als den Begriff „Völkermord“. Auch wandte sie sich dagegen, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sprechen, und prägte den Terminus Verbrechen gegen die Menschheit. Dazu heißt es in ihrem Buch:

„Das den Nürnberger Prozessen zugrunde liegende Londoner Statut hat […] die »Verbrechen gegen die Menschheit« als »unmenschliche Handlungen« definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« geworden sind – als hätten es die Nazis lediglich an »Menschlichkeit« fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig das Understatement des Jahrhunderts.“[74]

In der Einleitung der deutschen Ausgabe gibt Arendt an, dass sie für ihren Bericht „durchgängig »Die Endlösung« von Reitlinger herangezogen“, sich aber vor allem „auf das Werk von Raul Hilberg, »The Destruction of the European Jews«, die ausführlichste und auch fundierteste quellenmäßige Darstellung der Judenpolitik des Dritten Reiches“, verlassen hat. Die Arbeit von Raul Hilberg The Destruction of the European Jews war erst 1961 im Druck erschienen. Als Gutachterin hatte sie Hilbergs Dissertation 1959 noch als unbedeutende Fallstudie beurteilt.[75]

Nach Avner Werner Less, der Eichmann 275 Stunden lang verhört hatte, haben viele Prozessbeobachter und insbesondere Hannah Arendt völlig verkannt, dass Eichmanns Aussagen ein Lügengewebe gewesen seien, um seine eigene bedeutende Rolle in der Judenvernichtung systematisch zu verschleiern. Er sei kein kleiner, armer und unbedeutender Beamter, der nur seine Pflicht tat und blind an Kadavergehorsam glaubte. Eichmanns Verteidigungsstrategie habe darin bestanden, die Richter von der Unwichtigkeit und Geringfügigkeit seiner eigenen Person zu überzeugen. Dies hätten viele Beobachter nicht durchschaut, sondern seine gespielte Rolle naiv für wahr erachtet.[76] Jacob Robinson warf Arendt bereits 1965 vor, mit ihrem Bild von Eichmann als ideologiefreiem, beflissenem Bürokraten dessen antisemitische Weltanschauung zu ignorieren. Insbesondere die sogenannten Sassen-Protokolle, die zum Zeitpunkt des Prozesses in Teilen bekannt waren und auf die sich auch die Anklage im Eichmann-Prozess stützte, seien ein Beweis für Eichmanns fanatischen Antisemitismus.[77] Diese These wird von der aktuellen Arbeit zu Eichmann von Bettina Stangneth gestützt.[78]

Die weitgehende Ablehnung, auf die Arendt mit ihrem Bericht stieß, veranlasste Jaspers zu umfangreichen Aufzeichnungen mit vornehmlich positiver Rezeption von Arendts Arbeiten, die im Marbacher Literaturarchiv unter der Bezeichnung Das Buch Hannah aufbewahrt werden. Seine Absicht, eine Verteidigungsschrift zu veröffentlichen, hat er nicht verwirklicht.[79]

Debatte über die Rolle der Judenräte

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Neben ihren Überlegungen zur Banalität des Bösen führte auch ihre Darstellung der Rolle der Judenräte im Prozess der Vernichtung zu kontroversen Debatten. Laut Arendt habe Eichmann „Kooperation“ von den Juden verlangt und sie in „wahrhaft erstaunlichem Maße“ erhalten. Auf dem Weg in den Tod hätten die Juden nur wenige Deutsche gesehen. Die Mitglieder der Judenräte hätten von den Nationalsozialisten eine „enorme Macht über Leben und Tod“ bekommen, „so lange, bis sie selbst auch deportiert wurden“. So seien beispielsweise die Transportlisten nach Theresienstadt vom Judenrat zusammengestellt worden.

„Diese Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte.“[80]

Andererseits sah es Arendt als eine „Wohltat“ an, vor Gericht den „ehemaligen jüdischen Widerstandskämpfern“ zu begegnen. „Ihr Auftreten verjagte das Gespenst einer allseitigen Gefügigkeit.“[81] In den „Todeslagern“ seien „die direkten Handreichungen zur Vernichtung der Opfer im Allgemeinen von jüdischen Kommandos verrichtet“ worden.

„Das alles war zwar grauenhaft, aber ein moralisches Problem war es nicht. Die Selektion […] der Arbeiter in den Lagern wurde von der SS getroffen, die eine ausgeprägte Vorliebe für kriminelle Elemente hatte. Das moralische Problem sei das Gran [kleines Gewicht] Zusammenarbeit bei der Endlösung gewesen.“[82]

Leo Baeck, einer der wichtigsten Vertreter der Juden in Deutschland, habe geäußert, es sei besser für die Juden gewesen, über ihr Schicksal nicht Bescheid zu wissen, da diese Erwartung des Todes nur noch härter gewesen wäre.[83]

Arendts Ansichten stießen bei vielen jüdischen Organisationen auf vehemente Ablehnung. Demnach hatte sie die Judenräte verkürzt und nicht abgewogen beurteilt. In einer Reaktion auf die Kritik an ihr schrieb Arendt Mary McCarthy am 16. September 1963, sie habe gehört, dass die Anti-Defamation League alle New Yorker Rabbiner per Rundbrief aufgefordert habe, am Neujahrstag (Rosch ha-Schana, 4. Oktober 1963) gegen sie zu predigen. Bei der erfolgreichen politischen Kampagne gehe es darum, ein „Image“ zu schaffen, um das wirkliche Buch zuzudecken. Sie fühle sich machtlos gegenüber der großen Zahl der Kritiker mit Geld, Personal und Verbindungen.[84]

Im Radiointerview mit Joachim Fest am 9. November 1964 bekundete Arendt, dass die Judenräte („natürlich“) Opfer seien. Sie seien deshalb nicht hundertprozentig entschuldigt, „aber selbstverständlich stehen sie auf der anderen Seite, das ist ja offenbar.“[85]

Raul Hilberg distanzierte sich in seinen Unerbetenen Erinnerungen sowohl von Arendts Begriff der Banalität des Bösen als auch von ihrer Analyse der Judenräte. Hilberg zufolge sind diese „nicht nur Werkzeuge der Deutschen, sondern auch ein Instrument der jüdischen Gemeinde“ gewesen.[86]

Gershom Scholem, der mit Arendt seit 1939 in regelmäßigem Briefwechsel stand, äußerte im Juni 1963[87] eine scharfe Kritik an dem Buch, die – gemeinsam mit Arendts Replik – wenig später mit ihrer Zustimmung veröffentlicht wurde. Hinsichtlich der Judenräte vermisste er ein abgewogenes Urteil. „In den Lagern wurden Menschen entwürdigt und, wie Sie selber sagen, dazu gebracht, an ihrem eigenen Untergang mitzuarbeiten, bei der Hinrichtung ihrer Mitgefangenen zu assistieren und dergleichen. Und deswegen soll die Grenze zwischen Opfern und Verfolgern verwischt sein? Welche Perversität! Und wir sollen da kommen und sagen, die Juden selber hätten ihren ‚Anteil‘ an dem Judenmord.“[88]

Persönliche Verantwortung gegen Kollektivschuld

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1964 und 1965 hielt Arendt in der Bundesrepublik Deutschland mehrmals einen Vortrag unter dem Titel: Persönliche Verantwortung in der Diktatur. Sie betonte erneut, dass ihre Veröffentlichung über den Eichmann-Prozess lediglich ein „Tatsachenbericht“ gewesen sei. Ihre Kritiker hätten dagegen Probleme der „Moralphilosophie“ diskutiert. Mit Entsetzen habe sie u. a. vernommen: „Jetzt wissen wir, dass in jedem von uns ein Eichmann steckt.“ Der Mensch ist jedoch nach Arendt ein frei handelndes, für seine Taten verantwortliches Wesen. Schuld haben demnach bestimmte Personen auf sich geladen. Die Idee einer Kollektivschuld verwarf sie und bezeichnete es als moralische Verwirrung, dass im Nachkriegsdeutschland die Unschuldigen sich schuldig fühlten, während die meisten Verbrecher keine Reue zeigten.

Sie stellte heraus, der Prozess gegen Eichmann sei korrekt abgelaufen. Seine Einlassung, er sei nur ein Rädchen im großen bürokratischen Apparat gewesen, bezeichnete sie als irrelevant für das juristische Urteilen. Er wurde, so Arendt, mit Recht hingerichtet. Im Nationalsozialismus waren alle Schichten der offiziellen Gesellschaft an den Verbrechen beteiligt. Als Beispiel nennt sie eine Reihe antijüdischer Maßnahmen, die dem Massenmord vorangegangen waren und die in jedem Einzelfall gebilligt worden waren, „bis eine Stufe erreicht war, daß Schlimmeres überhaupt nicht mehr passieren konnte“. Die Taten wurden nicht von „Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“. Folglich sollten diejenigen, die mitmachten und Befehlen gehorchten, nie gefragt werden: „Warum hast du gehorcht?“, sondern: „Warum hast du Unterstützung geleistet?“

Hannah Arendt wies selbst darauf hin, dass sie diese hohen Anforderungen eventuell nicht erfüllt hätte: „Wer hat je behauptet, dass ich, indem ich ein Unrecht beurteile, unterstelle, selbst unfähig zu sein, es zu begehen?“[89]

Späte hebräische Ausgabe

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Als im Sommer 2000 in Tel Aviv eine hebräische Ausgabe von Eichmann in Jerusalem als erstes Werk Arendts veröffentlicht wurde, flammte die Diskussion noch einmal auf. Es ging um ihre Kritik an der Prozessführung. Ihr wurde in diesem Zusammenhang grundsätzlicher Antizionismus vorgeworfen.[90]

Außerdem stieß, wie schon bei Erscheinen des Buches, ihre Auffassung über die Rolle der Judenräte und der Begriff der „Banalität des Bösen“ auf Ablehnung.

„Wahrheit und Politik“

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Auf Grund der zahlreichen negativen Reaktionen auf die Veröffentlichung ihrer Prozessberichte und das daraus entstandene Buch reflektierte Hannah Arendt 1964 in ihrem Essay Wahrheit und Politik,[91] ob es stets richtig sei, die Wahrheit zu sagen, und urteilte über die vielen „Lügen“ hinsichtlich der Tatsachen, die sie berichtet habe. Dieser Text zeigt, wie sie in der US-amerikanischen Fassung von 1967 ausdrücklich anmerkt, dass sie inhaltlich an ihren Ausführungen festhielt und die Methoden ihrer Kontrahenten auch aus der Retrospektive ablehnte. Hauptsächlich handelt der Aufsatz jedoch vom Verhältnis zwischen Philosophie und Politik, von der Beziehung zwischen „Vernunftwahrheit“ und „Tatsachenwahrheit“.

Lehre an Universitäten und Auszeichnungen

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Im Frühjahr 1959 erhielt Hannah Arendt für ein Semester eine Gastprofessur an der renommierten Princeton University. Sie war die erste Frau, die dort lehrte. Von 1963 bis 1967 war sie Professorin an der University of Chicago und von 1967 bis 1975 an der Graduate Faculty der New School for Social Research in New York. Dort befindet sich ein großer Teil ihres Nachlasses.[92]

In den USA wurde sie mit zahlreichen Ehrendoktoraten ausgezeichnet. 1962 wurde sie in die American Academy of Arts and Sciences gewählt, 1964 in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen.[93] Auch im westlichen Nachkriegs-Deutschland erhielt sie bedeutende Auszeichnungen: so 1959 den Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg und 1967 den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, deren Mitglied sie bereits seit 1958 war. 1969 ehrte die Emerson-Thoreau-Medaille der American Academy ihr Schaffen, ihre Dankesrede ist überliefert.[94] Das Bryn Mawr College in Pennsylvania zeichnete sie 1971 mit dem M. Carey Thomas Prize aus. 1975 wurde ihr der Sonning-Preis der dänischen Regierung für Beiträge zur europäischen Kultur verliehen.

Entfaltung ihres Denkens in Reden und Essays

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Anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises äußerte sich Arendt 1959 in ihrer Rede über Lessing Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten zu ihrer „Gesinnung“. Im Sinne Lessings sei Kritik stets das Begreifen und Beurteilen im Interesse der Welt, woraus niemals eine Weltanschauung werden könne, „die sich auf eine mögliche Perspektive festgelegt hat“. Nicht das „Misstrauen“ gegen Aufklärung oder Humanitätsglauben des 18. Jahrhunderts erschwere das Lernen von Lessing, sondern das 19. Jahrhundert stehe mit seiner „Geschichtsbesessenheit“ und „Ideologieverschworenheit“ zwischen uns und Lessing. Ziel sei das freie Denken, mit Intelligenz, Tiefsinn und Mut – „ohne das Gebäude der Tradition“. Eine absolute Wahrheit existiere nicht, da sie sich im Austausch mit anderen sofort in eine „Meinung unter Meinungen“ verwandle und Teil des unendlichen Gesprächs der Menschen sei, in einem Raum, wo es viele Stimmen gibt. Jede einseitige Wahrheit, die auf nur einer Meinung beruht, sei „unmenschlich“.[95]

Kurz vor ihrem Tod betonte sie in ihrer Rede zur Verleihung des Sonning-Preises, wie sehr sie die USA als Rechtsstaat schätze. Es handele sich dabei um die Herrschaft der Gesetze (Verfassung der Vereinigten Staaten) und nicht um diejenige der Menschen. Als US-amerikanische Staatsbürgerin halte sie dennoch an der deutschen Sprache fest. Sie unterstrich, wie wichtig die Rolle Dänemarks im Zweiten Weltkrieg gewesen sei, als es gelang, durch politischen Druck (auch durch den König) und Druck der öffentlichen Meinung die Juden, die sich in Dänemark aufhielten, vor der Deportation durch die Nationalsozialisten zu bewahren. „Nirgendwo sonst war das passiert.“[96]

Politisch sprach sich Arendt auf dem Hintergrund des Ungarn-Aufstands wiederholt für einen Rätegedanken auf der Grundlage der Freiheit des Einzelnen aus, ein staatliches Ideal, wie es auch ihr Ehemann Heinrich Blücher, der 1919 selbst als Spartakist an den Kämpfen während der Novemberrevolution und an der Bildung so genannter Arbeiter- und Soldatenräte beteiligt war, vertreten hat. Sie ging davon aus, dass jeder Mensch zum „Denken“ und damit zur Politik befähigt ist und der politische Raum nicht für Spezialisten reserviert werden darf.

Arendt verfasste, vielfach als Auftragsarbeiten von Zeitschriften, Essays über Zeitgenossen, die durch ihr Leben und ihr politisches oder literarisches Werk Außergewöhnliches geleistet hatten. Sie legte Porträts unterschiedlicher Persönlichkeiten vor, wie das kurz nach Kriegsende herausgekommene über Franz Kafka,[97] wo sie ihn als wahrheitssuchend, auf Menschenrechte in einer kalten, bürokratischen und unwirklich scheinenden Welt bestehend, charakterisierte. Sie konstatierte eine Verbindung zwischen Kafkas Roman Der Prozess und seinen ausweglosen Erfahrungen mit der österreichischen Bürokratie, als er osteuropäischen Juden zu einer Aufenthaltserlaubnis verhelfen wollte. In den zwanziger Jahren sei aber das Wesen der Bürokratie, die sie zuvor als „bösartige bürokratische Maschine“ bezeichnet, in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt gewesen, so dass das Entsetzen und der Schrecken unerklärlich schienen.[98] Ein weiterer Essay handelte von Papst Johannes XXIII., den sie unter dem Titel Angelo Giuseppe Roncalli. Der christliche Papst beschrieb.[99] Weitere Darstellungen galten unter anderen der dänischen Schriftstellerin Isak Dinesen (in Deutschland bekannt als Karen Blixen), ihren Freunden Hermann Broch, Walter Benjamin und W. H. Auden sowie Bertolt Brecht,[100] dem Freund ihres Mannes, Robert Gilbert, und der französischen Vertreterin des „Nouveau Roman“, Nathalie Sarraute. Diese Essays erschienen in Anspielung auf das Brechtgedicht An die Nachgeborenen 1968 unter dem Titel Men in Dark Times. 1989 kam die durch weitere Texte ergänzte deutsche Fassung Menschen in finsteren Zeiten heraus.[101]

Darin findet sich auch ihr 1966 zuerst veröffentlichtes Porträt A Heroine of Revolution (deutsch 1968: Rosa Luxemburg).[102] Arendt würdigt die Revolutionärin als unorthodoxe, selbstständig denkende deutsch-jüdische Marxistin polnischer Herkunft. Niemals habe sie zu den „Gläubigen“ gehört, die „Politik als Religionsersatz“ auffassten.[103] Vielmehr habe Luxemburg gewagt, öffentlich Lenin zu kritisieren, insbesondere seine Instrumentalisierung des Krieges für die Revolution, und von den Gefahren „deformierter Revolutionen“ gesprochen: „Was die Frage der Organisation anging, so glaubte sie nicht an einen Sieg, an dem die breite Masse keinen Anteil und kein Mitspracherecht hatte, ja, sie hielt so wenig davon, um jeden Preis die Macht in den Händen zu halten, daß »sie eine deformierte Revolution weit mehr als eine erfolglose fürchtete« – im Grunde der Hauptunterschied zwischen ihr und den Bolschewiken.“[104] Arendt schließt sich in der Bewertung Luxemburg an, indem sie fragt:

„Hatte sie nicht recht mit ihrem Urteil, daß Lenin völlig im Irrtum war über die von ihm angewandten Mittel und daß die einzige Rettung in der »Schule des öffentlichen Lebens selber lag, in der unumschränktesten, breitesten Demokratie und öffentlichen Meinungsäußerung«, daß der Terror jedermann »demoralisiere« und alles zerstöre?“[105]

Wegen ihrer Eigenwilligkeit sowie der Verachtung für Karrieristen und Statusgläubige stand Luxemburg, hebt die Publizistin hervor, oft am Rande der kommunistischen Bewegung. Als radikale Kriegsgegnerin, Kämpferin für politische Freiheit und eine uneingeschränkte Demokratie zog sie häufig Kritik auf sich. Ihre moralische Haltung beruhte auf dem Ehrenkodex einer kleinen jüdischen und mehrsprachigen intellektuellen Elite der Ostjuden, die sich selbst als Kosmopoliten betrachteten, tatsächlich aber nach Meinung Arendts „vielmehr europäisch“ waren, so dass „ihr Vaterland in Wahrheit Europa war“.[106] Mit Bitterkeit vergleicht die Autorin die Rechtsauffassung der Weimarer Republik und der Bonner Republik von 1962. Zur Zeit der Ermordung Liebknechts und Luxemburgs habe die Regierungsgewalt „praktisch in den Händen der Freikorps“ gelegen. Dennoch wurden der Häscher und der Mörder Rosa Luxemburgs immerhin zu einer – wenn auch geringen – Gefängnisstrafe verurteilt. Hingegen habe die Bonner Regierung die Ermordung von Liebknecht und Luxemburg als eine „Hinrichtung in Übereinstimmung mit den Kriegsgesetzen und somit um einen legalen Vorgang“ verstanden.[107]

Vergleich von US-amerikanischer und französischer Revolution und Verfassung

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In ihrem wie Vita activa auf Vorlesungen beruhenden 1963 erschienenen Buch: On Revolution (dt. Über die Revolution) vergleicht Arendt die Französische mit der Amerikanischen Revolution und stellt auch hier das Politische in den Mittelpunkt ihres Denkens.

Demnach scheiterte die Französische Revolution am Terror Robespierres, der den Versuch gemacht habe, das soziale Elend zu überwinden und eine egalitäre Gesellschaft auf moralischer Grundlage zu schaffen. Die US-amerikanische Revolution konnte dagegen fast ausschließlich politische Ziele verfolgen, weil die soziale Frage nicht so brennend gewesen sei. So war es möglich, eine freie Republik zu bilden, in der der Bürger in öffentlich-politischen Angelegenheiten bei aller Pluralität mit anderen Bürgern gleichberechtigt war.

Philosophischer Fortschrittsglaube dürfe nicht, wie bei der Französischen Revolution, zum Kriterium im politischen Raum werden. Gerade die Umsetzung der philosophischen Ideen habe zur Schreckensherrschaft geführt. In der US-amerikanischen Revolution seien indes die Grundsätze der Antike und daran anschließend diejenigen Montesquieus verwirklicht worden: das Prinzip der Gewaltenteilung oder „Machtteilung“[108] und das die Macht weiter begrenzende Prinzip des Föderalismus kleiner Republiken mit einer zentralen Gewalt.

Die politische Gemeinschaft der Auswanderer habe einen „Bund“ geschlossen, der aus einem „Akt des Sichaneinanderbindens“ bestehe.

„Die politische Gemeinschaft, die auf Grund dieses ‚Bundes‘ entsteht, enthält die Quelle für die Macht, die allen denen zufließt, die ihm angehören und die außerhalb der politischen Gemeinschaft zur Ohnmacht verurteilt wären. Im Gegensatz hierzu erwirbt der Staat, der aus der Zustimmung der Untertanen entsteht, ein Machtmonopol, das außerhalb des Zugriffs der Beherrschten steht, die aus dieser politischen Ohnmacht nur heraustreten können, wenn sie beschließen, den Staatsapparat zu brechen.“[109]

Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von 1776 hat laut Arendt diesem Grundsatz der Freiheit im Rahmen einer Verfassung der Vereinigten Staaten entsprochen, während die französische Verfassung von 1791 auf der Grundlage eines zentralistisch organisierten Nationalstaates entstand, der die Bürger nicht mit mehr, sondern mit weniger Macht ausstattete. Somit ist die Französische Revolution aus der absolutistischen Monarchie, die US-amerikanische jedoch aus einer „begrenzten Monarchie“ hervorgegangen. Daher sei in Frankreich nunmehr der „Wille der Nation die Quelle der Gesetze“, während in den Vereinigten Staaten im Anschluss an Montesquieu die Regierungsgewalt durch Gesetze beschränkt worden sei.[110]

Zu Fragen der Ethik

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Arendt postuliert, dass die Menschen von Natur aus weder gut noch böse sind. Allein das Individuum trägt ihrer Auffassung nach die Verantwortung für seine Taten. Daher müssen Verbrechen, aber auch politische „Lügen“ geahndet werden. In Staaten mit einer Verfassung, die das politische Leben regelt, sei es für den Einzelnen leichter, sich nach „moralischen Maßstäben“ zu verhalten, als in „finsteren Zeiten“. Umso schwerwiegender sei das Denken, Urteilen und Handeln gerade in nichtdemokratischen Herrschaftsformen.

Menschen, die sich politisch interaktiv auf der Grundlage persönlicher Wahrhaftigkeit bewähren, handeln nicht unbedingt moralisch in Bezug auf den privaten Bereich. Sie lehnt den Rückgriff auf Transzendenz oder Gewissen zur Begründung von Moral ab, da sie davon überzeugt ist, dass auf diesen Wegen erzeugte Werte manipulierbar sind. Für sie ist die totale Herrschaft ein System, in dem der bisherige Moralkodex umgedeutet wird.

„Denn so wie Hitlers ‚Endlösung‘ in Wirklichkeit bedeutete, dass die Elite der Nazipartei auf das Gebot ‚Du sollst töten‘ verpflichtet wurde, so erklärte Stalins Verlautbarung das ‚Du sollst falsches Zeugnis reden‘ zur Verhaltensregel für alle Mitglieder der bolschewistischen Partei.“[111]

Diejenigen, die im Nationalsozialismus nicht kollaborierten, stellten sich die Frage, inwiefern sie mit sich selbst in Frieden leben könnten, wenn sie bestimmte Taten begangen hätten. Dabei verlief die Trennungslinie quer zu allen sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Unterschieden. Festzustellen war der totale Zusammenbruch der „ehrenwerten Gesellschaft“.[112]

Sie zitiert Kants Kategorischen Imperativ und stellt den Egoismus den Anforderungen des Gemeinwesens gegenüber. Dabei entwickelt sie die Vorstellung einer gemeinschaftlichen Ethik, die immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Den Philosophen lastet Arendt an, sie hätten sich zu wenig mit der Pluralität der Menschen auseinandergesetzt. Darüber hinaus gebe es eine Art von Feindseligkeit der meisten Philosophen gegen alle Politik. Im Gegensatz zu anderen Denkern sieht Arendt auch nach der Zeit des Totalitarismus eine Hoffnung für die Welt durch jeden Menschen, der geboren wird und einen Neuanfang machen kann.

Die Schlechtigkeit, d. h. das Böse betrachtet sie als ein Phänomen mangelnder Urteilskraft. Der Mensch ist – auch im Verbrechen – immer auf andere bezogen, entwickelt einen Willen, der mit dem Willen anderer konfrontiert wird, und muss seine Taten reflektieren, sonst wird er zum Getriebenen.

In ihrer postum veröffentlichten, 1965 gehaltenen Vorlesung Über das Böse beschäftigt sich Arendt mit einer facettenreichen Definition des Bösen, die das Besondere des Nationalsozialismus mit seinen Vernichtungslagern wie auch das „universal Böse“ (Kant) umfasst.

Veröffentlichungen, Auftritte in der Öffentlichkeit, Eintreten für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit

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Arendts Bücher und Aufsätze sind teilweise in unterschiedlichen Fassungen in englischer und in deutscher Sprache erschienen. Dies trifft z. B. auf Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1951, 1955) und auf Macht und Gewalt (1970) zu. Einige ihrer Texte übersetzte sie selbst und verbesserte sie dabei, andere wurden von professionellen Übersetzern übertragen und danach von Arendt korrigiert. Ihre Freundin Mary McCarthy hat ein paar ihrer in englischer Sprache verfassten Werke gegengelesen. Teilweise gab es vor dem Erscheinen vorbereitende Artikel in Zeitschriften, vor allem in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich. Auch in ihren Vorlesungen griff sie Themen ihrer späteren Veröffentlichungen auf, besprach Passagen vor dem Erscheinen mit ihren Studenten, ebenso in der Korrespondenz. Die Einträge in ihr sogenanntes Denktagebuch korrespondieren mit ihren Veröffentlichungen. Vorträge, Interviews, die Teilnahme an Tagungen und Diskussionsveranstaltungen, insbesondere in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, dienten der Verbreitung ihrer Gedanken.

Die Ausdrucksweise Hannah Arendts ist rational und nüchtern. Häufig benutzt sie Begriffe mit anderer als der in der Umgangs- oder Wissenschaftssprache üblichen Bedeutung. Zuweilen kehrt sie gängige Verständnisse in ihr Gegenteil. Ihre Thesen erläutert sie klar und direkt.

Zeit ihres Lebens scheute Hannah Arendt persönliche Auftritte in der Öffentlichkeit. Dies äußerte sie zuletzt in ihrer Rede zur Verleihung des Sonning-Preises in Dänemark kurz vor ihrem Tod. Heinrich Blücher schrieb sie dazu bereits 1955: „Kein Erfolg hilft mir über das Unglück ‚im öffentlichen Leben‘ zu stehen, hinweg […] Was ich nicht schaffen kann, ist das "auf dem Präsentierteller"-Stehen und auf ihm dauernd [zu] verbleiben.“[113] Sie machte einen „radikalen“ Unterschied zwischen „privat und öffentlich.“[114]

Ihre Briefwechsel, in denen sie bisweilen harte Urteile über Zeitgenossen fällte, zählte sie wohl zum Privatleben. Während die Korrespondenz mit Jaspers,[115] Blücher, McCarthy, Blumenfeld, Johnson und Scholem fast vollständig veröffentlicht werden konnte, fehlen zahlreiche Arendt-Briefe an Heidegger und Broch. Einige ihrer Briefe an andere Freunde sind bisher noch unveröffentlicht.

Als Karl Jaspers 1958 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, hatte Arendt vor der Laudatio auf ihn zunächst wegen ihrer engen Freundschaft – vielleicht auch wegen ihrer Freundschaft mit Heidegger – Skrupel, die Festrede zu halten. Jaspers bat jedoch darum. Bei dieser Gelegenheit setzte sie sich mit den Vorstellungen von „Öffentlichkeit“, „Person“ und „Werk“ auseinander: Nach Cicero wird mit einer Laudatio die „Würde eines Menschen“ in der „Öffentlichkeit“ und nicht nur von Fachkollegen gefeiert. In der modernen Zeit sei indessen das „Vorurteil“ verbreitet, dass nur „das Werk“ in die Öffentlichkeit gehöre. Aus Arendts Sicht geht zwar der „Arbeitsprozess“ die Öffentlichkeit nichts an, aber in Werken, welche nicht rein akademisch sind, sondern Resultate „lebendigen Handelns und Sprechens“, erscheine eine „Personhaftigkeit“, die römische „humanitas“, die Kant und Jaspers „Humanität“ nennen. Diese Humanität könne nur erreichen, wer seine Person und das damit verbundene Werk „dem Wagnis der Öffentlichkeit“ aussetze.

Jaspers habe sich über den akademischen Raum hinaus in der Öffentlichkeit nicht nur philosophisch, sondern auch politisch geäußert. Als Einzelperson habe er den freien Austausch mit anderen gesucht. Nur so sei es möglich, „vernünftig“ zu sein. Der Preisträger habe damit zur „Existenzerhellung“ auch in Zeiten der Gewaltherrschaft beigetragen, nicht als Vertreter Deutschlands, sondern der Vernunft. Arendt vertritt die Vorstellung einer geistig-freiheitlichen Person, wenn sie abschließend sagt: „Es ist das Reich der «humanitas», zu dem ein jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ursprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich.“[116]

Bei der Gedenkfeier der Universität Basel zum Tode von Karl Jaspers im März 1969 kam sie auf dieses Thema zurück: Jaspers habe in seinem Leben exemplarisch die „Dreieinigkeit“ von Vernunft, Freiheit und Kommunikation dargestellt.[117]

Hannah Arendt verstand sich nie als Marxistin. Sie betonte vielmehr ihr Herkommen aus der Philosophie. Dennoch bescheinigte sie Marx anders als den anderen „Ideologen“ des 19. Jahrhunderts „Mut“ und „Gerechtigkeitssinn“ und schätzte seine Analysen und ihn selbst als „Rebellen und Revolutionär“. Die „Fiktion“ des Kommunismus lehnte sie aber ab, weil ihr jeder Bezug zu utopischem Denken fehle. Die Begriffe „links“ und „rechts“ als politische Kategorien kommen in ihrem Werk nicht vor.

Sie legte den Schwerpunkt ihrer Analysen auf politische Weltanschauungen und Ideologien als Grundlagen für Staaten, die sie danach beurteilte, wie viel politische Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dem Einzelnen in der Öffentlichkeit und insbesondere in der Politik zugestanden werden oder er sich mit anderen erkämpfen kann. In einem Brief an Johnson heißt es dementsprechend 1972, von der Freiheit halte sie mehr als von Sozialismus oder Kapitalismus.[118]

Sie differenzierte lediglich zwischen drei Herrschaftsformen: der Demokratie, der Republik oder Räterepublik u. Ä. als unterschiedlich freiheitlichen Systemen und der Diktatur bzw. „Tyrannis“ als „normalen“ Unterdrückungsregimes und der „totalen Herrschaft“.

Beziehungen und Freundschaften

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Porträt von Hannah Arendt mit Mary McCarthy
Hannah Arendt mit Mary McCarthy
Martin Heidegger (1960)

Freundschaften spielten eine sehr große Rolle in Hannah Arendts Leben. Neben ihrer engen Partnerschaft mit ihrem Ehemann Heinrich Blücher, der 1970 starb, pflegte sie geistig intensive Freundschaften u. a. mit Mary McCarthy, Dolf Sternberger, Kurt Blumenfeld, Uwe Johnson,[119] sowie vor allem mit Karl Jaspers und auch bis zuletzt mit Martin Heidegger.[120] Jedoch hatte letztere einen besonderen Charakter. Während sie sich mehrmals abfällig über Heidegger als Menschen äußerte, beispielsweise im Brief an Jaspers vom 29. September 1949 und in den Briefen an Blücher vom 3. Januar 1950 und vom 26. Oktober 1959, betrachtete sie ihn und Karl Jaspers als die größten zeitgenössischen Philosophen.

1950 hatte Arendt die Beziehung zu Heidegger wieder aufleben lassen, allerdings blieb diese zeitlebens ambivalent. Gegenüber Blumenfeld zeigte sie sich Ende 1957 beeindruckt von Heideggers Arbeit über Identität und Differenz, gleichzeitig machte sie sich über seinen Stil lustig: „Er zitiert sich selbst und interpretiert sich, als ob es ein Text aus der Bibel sei.“[121]

Von ihrem philosophischen Hauptwerk Vita activa schickte sie Heidegger ein Exemplar mit der Bemerkung, wenn es zwischen ihnen je mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte sie ihm das Buch gewidmet:

„Du wirst sehen, daß das Buch keine Widmung trägt. Wäre es zwischen uns je mit rechten Dingen zugegangen – ich meine zwischen, also weder Dich noch mich -, so hätte ich Dich gefragt, ob ich es Dir widmen darf; es ist unmittelbar aus den ersten Marburger Tagen entstanden und schuldet Dir in jeder Beziehung so ziemlich alles.“[122]

Er antwortete darauf nicht und brach den Kontakt für einige Zeit ab. Enttäuscht schrieb sie im November 1961 an Jaspers:

„Ich weiß, daß es ihm [Heidegger] unerträglich ist, daß mein Name in der Öffentlichkeit erscheint, daß ich Bücher schreibe, etc. Ich habe ihm gegenüber mein Leben lang gleichsam geschwindelt, immer so getan, als ob all dies nicht existiert und als ob ich sozusagen nicht bis drei zählen kann, es sei denn in der Interpretation seiner eigenen Sachen“, da sei es ihm willkommen, dass sie sogar bis vier zählen könne. „Nun war mir das Schwindeln plötzlich zu langweilig geworden, und ich habe eins auf die Nase gekriegt.“[123]

In keiner seiner bekannten Schriften hat Heidegger auf die Arbeiten Hannah Arendts Bezug genommen.

Anlässlich von Heideggers 80. Geburtstag hielt sie im Herbst 1969, bereits nach Jaspers’ Tod, einen Vortrag im Bayerischen Rundfunk, in dem sie ausführte: „Wir, die wir die Denker ehren wollen, wenn auch unser Wohnsitz mitten in der Welt liegt, können schwerlich umhin, es auffallend und vielleicht ärgerlich zu finden, daß Plato wie Heidegger, als sie sich auf die menschlichen Angelegenheiten einließen, ihre Zuflucht zu Tyrannen und Führern nahmen.“ Diese Vorliebe nennt sie eine „déformation professionnelle“. „Denn die Neigung zum Tyrannischen läßt sich theoretisch bei fast allen großen Denkern nachweisen (Kant ist die große Ausnahme).“ Heidegger zitierend, fährt sie fort: nur sehr wenige verfügten über das Vermögen, „vor dem Einfachen zu erstaunen und […] dieses Erstaunen als Wohnsitz anzunehmen. […] Bei diesen wenigen ist es letztlich gleichgültig, wohin die Stürme ihres Jahrhunderts sie verschlagen mögen. Denn der Sturm, der durch das Denken Heideggers zieht – wie der, welcher uns nach Jahrtausenden noch aus dem Werk Platos entgegenweht – stammt nicht aus dem Jahrhundert. Er kommt aus dem Uralten, und was er hinterlässt, ist ein Vollendetes, das, wie alles Vollendete, heimfällt zum Uralten.“[124]

Diese Passage hätte sie wohl nicht zu Lebzeiten Karl Jaspers’, der sich immer als Demokrat verstanden hatte, verfasst.

Sowohl die Veröffentlichung einiger Werke Jaspers’ als auch Heideggers in den USA unterstützte Hannah Arendt tatkräftig. Sie suchte Verlage, teilweise beaufsichtigte sie die Übersetzungen und gab die US-amerikanische Ausgabe von Die großen Philosophen heraus. In der jeweiligen Korrespondenz wird die Hilfe wiederholt thematisiert. Beide waren sehr an der Verbreitung ihrer Arbeiten in den Vereinigten Staaten interessiert und bedankten sich bei ihr.

„Denktagebuch“

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Hauptsächlich 1950 bis 1960 und weniger intensiv und stringent 1963 bis 1970 führte Hannah Arendt handschriftlich auf Deutsch – abgesehen von Originalzitaten auf Griechisch, Lateinisch, Englisch und Französisch und dem letzten Teil, in dem sie vor allem in englischer Sprache schreibt – ein von ihr gegenüber ihrer Freundin und späteren Nachlassverwalterin, der Germanistin Lotte Köhler[125], so bezeichnetes Denktagebuch. Sie setzt sich in 28 Heften, nach Jahren und Monaten geordnet, mit zahlreichen Philosophen und politischen Denkern auseinander. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der griechischen Antike. Sie behandelt aber auch Denker der Römerzeit, des Mittelalters und besonders zahlreich solche der Neuzeit.

Durchgehend debattiert sie die Philosophie und das politische Denken Platons (anhand seiner Originalbegriffe), betrachtet sie in der Tradition Aristoteles’ und Heideggers kritisch. Häufig befasst sie sich mit Kant, Heidegger und Marx (vor allem mit dessen Arbeitsbegriff), aber auch mit Nietzsche, Hegel und mit vielen anderen politischen Denkern. Hinzu kommen in geringerem Maße Dichter wie Hölderlin, Dickinson, Goethe, Rilke, Dostojewski, Kafka u. a.; außerdem notiert sie einige eigene (zu Lebzeiten unveröffentlichte) Gedichte und äußert sich nur hier zu Freundschaft, Liebe und Leidenschaft. Überdies stellt sie Reflexionen über die Sprache an.

Hannah Arendt 1975
Hannah Arendt, 1975

Vor diesem Hintergrund entwickelt Arendt im inneren Dialog mit sich selbst ihre eigenen Begriffe, wie beispielsweise die „Gebürtlichkeit“, die „Pluralität“ und das „Zwischen“. Allgemein gebräuchliche Begriffe benutzt sie mit spezieller Bedeutung: so z. B. das Politische, die Freiheit, das Arbeiten, das Herstellen, das Denken, das Handeln, das Urteilen, das Böse, die Macht, die Gewalt, die Wahrheit, die Lüge und die Ideologie. Weiterhin denkt sie über Geschichte, Politik und deutlich weniger über Gesellschaft sowie über Geschichts-, Politik- und Gesellschaftswissenschaften nach und stellt religionsbezogene Überlegungen an. Ihre kurzen, klar strukturierten Eintragungen, jeweils zu einem Thema, bilden eine der Grundlagen für ihre schriftlichen und mündlichen öffentlichen und privaten überlieferten Äußerungen. Unter dem Titel Denktagebuch wurden ihre Aufzeichnungen 2002 zusammen mit einem undatierten (ca. 1964 entstandenen) kleinen Heft über Kant[126] in den USA und in Deutschland herausgebracht.[127]

Grabstein am Bard College in Annandale-on-Hudson, New York

Hannah Arendt hinterließ kein „Alterswerk“. Sie entfaltete vielmehr stetig ihr politisches Denken und zeigte häufig Zivilcourage. Tiefe Brüche gab es dabei nicht. Trotz der äußeren Umwälzungen, vor allem durch das Auftreten des Totalitarismus, ist ihr Gesamtwerk in sich geschlossen und birgt nur wenige grundsätzliche Korrekturen. So hat sie – auf der Grundlage des Kantschen Begriffs vom „radikal Bösen“, den sie zunächst übernommen hatte – 1961 die These von der „Banalität des Bösen“ aufgestellt und später trotz jahrelanger Anfeindungen verteidigt.

In ihren Briefen spricht sie den Wunsch aus, bis zu ihrem Tod leistungsfähig zu bleiben. Nach einem ersten Herzinfarkt 1974 nahm sie ihr Schreiben und ihre Lehrtätigkeit wieder auf. Am 4. Dezember 1975 erlitt sie in Anwesenheit von Freunden einen zweiten, tödlichen Herzinfarkt in ihrem Arbeitszimmer, 370 Riverside Drive, Manhattan.[128] Grabreden hielten u. a. ihr alter Freund Hans Jonas und Vertreter ihrer Studenten.[129] Die Asche von Hannah Arendt wurde neben der ihres Mannes Heinrich Blücher auf dem Friedhof des Bard College, Dutchess County, New York beigesetzt.[130]

„Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik“

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Das Manuskript für ihr großes Jugendwerk über Rahel Varnhagen[131] hatte Arendt bereits 1931 bis Anfang 1933 in Berlin verfasst. Die zwei letzten Kapitel zu ihrer Theorie über Paria und Parvenü entstanden im Exil in Paris 1938. Das Werk erschien erst 1958 mit einem aktuellen Vorwort in englischer Sprache, aus dem Deutschen übersetzt, herausgegeben vom Leo Baeck Institut. Die deutsche Fassung kam 1959 auf den Markt. Es stützt sich auf veröffentlichte und unveröffentlichte Briefe sowie Tagebuchaufzeichnungen, die Arendt z. T. erstmals auswertete.

Die Autorin bezeichnet ihr Werk Jaspers gegenüber als „Frauenbuch“[132] und im Vorwort als einen Beitrag zur Geschichte der deutschen Juden. Am Beispiel ihrer 1771 geborenen Protagonistin zeigt sie den am zunehmenden gesellschaftlichen Antisemitismus gescheiterten Assimilationsversuch von wohlhabenden und gebildeten Juden im 19. Jahrhundert.

Aufgeklärt und auf Vernunft gestützt, war es Rahel Levin gelungen, in Berlin einen eigenen literarischen Salon zu führen und damit gleichberechtigten Umgang mit Literaten, Wissenschaftlern und Philosophen zu pflegen, nicht aber Eingang in die deutsche Standesgesellschaft zu finden. Um in den Adel oder wenigstens in die höhere Gesellschaft aufzusteigen, versuchte Rahel mehrmals vergeblich, ihr Judentum durch eine Ehe zu überwinden. Dies scheiterte zweimal an ihrer jüdischen Herkunft und einmal an den Vorstellungen über die Unterordnung der Frau unter den Mann. Nach diesen Erfahrungen beschloss sie, den Nachnamen Robert anzunehmen, um die Trennung von der jüdischen Identität auch äußerlich sichtbar zu machen.

Anfang des 19. Jahrhunderts erschien die erste moderne „Hetzbroschüre“ Wider die Juden, der eine Welle von Antisemitismus folgte. 1806 wurde der Salon infolge des Einmarsches Napoleons geschlossen. Die neuen Berliner Salons ab 1809 beschreibt Arendt als eher politisch-literarische Zirkel, vom Adel dominiert und patriotisch geprägt mit Statuten, die Frauen, Franzosen, Philistern und Juden den Zutritt verboten.

Rahel versuchte nunmehr sogar, eine philosophische Form des Nationalismus von Fichte zu übernehmen, um „dazuzugehören“. Dies konnte ihr, so Arendt, nicht gelingen, „denn der patriotische Antisemitismus, dem auch Fichte nicht fernstand, vergiftete alle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden“.[133]

Endlich lernte sie 1808 Karl August Varnhagen von Ense kennen, ließ sich 1814 seinetwegen taufen und kam durch die späte Heirat der ersehnten Assimilation näher.

Schon 1815 etablierte sich der Antisemitismus erneut offen und stark. 1819 kam es in Preußen zu Pogromen. Durch beruflichen Aufstieg, einen Adelstitel und steigenden Wohlstand verkehrte August von Varnhagen nunmehr mit den Honoratioren der Gesellschaft. Rahel hatte ihr Ziel erreicht. Sie war „dumm“ und „überschwenglich glücklich“, urteilt Arendt, „daß man ihr gnädigst erlaubt mitzutun“.[134] Trotzdem blieb Rahels Haltung zwiespältig. Sie fühlte sich weiterhin „fremd“ in einer judenfeindlichen Gesellschaft und beklagte sich, dass Frauen am Stand des Mannes und des Sohnes gemessen werden und vielfach nicht als Menschen mit Geist betrachtet werden.

Arendt versteht unter einem Parvenü einen Menschen, der sich in eine Gesellschaft „hineinschwindelt“, in die er nicht gehört. Arendt zufolge ist es dieses Lügen, das Rahel und ihr Mann perfekt beherrschen. Sie bezeichnet ihn als Parvenu, während sie Rahel als Person zwischen Paria und Parvenu kennzeichnet, da ihr das Schwindeln und Heucheln für den Aufstieg mehr und mehr als Lüge und Last erschienen.

Von 1821 bis 1832 führte Rahel von Varnhagen ihren zweiten Salon wiederum mit illustren Gästen. Doch dieser literarische Kreis blieb – mehr noch als der erste – nur eine Illusion der Gemeinsamkeit und der Integration. Außerhalb des Salons blieben die Varnhagens isoliert und erhielten keine Einladungen zu den angestrebten Kreisen. Daraus schließt Arendt: In einer im Großen und Ganzen judenfeindlichen Gesellschaft können sich Juden nur assimilieren, wenn sie sich an den Antisemitismus assimilieren.

Auch assimilierte Juden in Europa waren demnach Außenseiter, also Parias geblieben, weil sie meistens von großen Teilen des Adels und vor allem vom Bürgertum nicht anerkannt wurden. Zwar konnten Wohlhabende in die Rolle des Parvenüs wechseln; dies war jedoch mit Lüge, Untertanengeist und Heuchelei erkauft. Den Status des unbeliebten Außenseiters konnten sie dadurch nicht überwinden. Einige der Parias wurden zu Rebellen und behielten auf diese Weise ihre Identität bei.

Rahel strebte, so Arendt, bis kurz vor ihrem Tod die vollständige Eingliederung in die Gesellschaft als Person an. Erst am Lebensende nahm sie eine klare Haltung ein, war wieder Jüdin und Paria geworden. Nunmehr sah sie die Realität des Antisemitismus klar. Als Anhängerin Saint-Simons forderte sie Gleichheit und Rechte ohne Berücksichtigung der Herkunft.

„Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“

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Im ersten Teil ihres fast 1000 Seiten umfassenden Hauptwerkes, das 1951 zunächst in den USA und 1955 in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht wurde, rekonstruiert Arendt die Entwicklung des Antisemitismus im 18. und 19. Jahrhundert, im zweiten Teil den Verlauf und die Funktionsweise des Rassismus und des Imperialismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus. Schließlich beschreibt sie im dritten Teil die beiden Formen totaler Herrschaft – Nationalsozialismus und Stalinismus – vor dem Hintergrund ihrer These der wachsenden Zerstörung des politischen Raums durch die Entfremdung des Individuums in der Massengesellschaft.

Antisemitismus, Imperialismus und totale Herrschaft

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Arendt verwirft alle Ideologien des 19. Jahrhunderts, wie die bürgerliche Wissenschaftsgläubigkeit, z. B. des Darwinismus. Aber auch den Idealismus lehnt sie als Ursprung des nationalsozialistischen „Gesetzes der Natur“ ab. Ebenso steht sie dem geschichtsphilosophischen Fortschrittsoptimismus, der sich beispielsweise im Marxismus zeigt, und pessimistischen Geschichtsauffassungen kritisch gegenüber, da sie sich von allen Vorstellungen linearer Entwicklung abgrenzt und stattdessen von der Möglichkeit eines Neuanfangs oder des Scheiterns einer jeden neuen Generation überzeugt ist.

Der Antisemitismus wurde im 18. und 19. Jahrhundert zu einer an den Nationalismus gebundenen irrationalen Ideologie. Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung dieser national-völkischen Ideologie sieht Arendt im Imperialismus, den sie mit Bezug auf die Imperialismustheorie Rosa Luxemburgs[135] als Grundlage für die weitere Entwicklung des Antisemitismus und des Rassismus untersucht. Während der „nationale“ Antisemitismus den Ausschluss der Juden aus der Nation fordere, gehe es dem „imperialistischen“ Antisemitismus nationenübergreifend um die Vernichtung der Juden.

Der Imperialismus zersetze die politischen Räume der Gesellschaft, indem er in der Innen- und Außenpolitik Hindernisse beseitige, die die Expansion des Kapitals stören. Arendt erweitert den marxistischen Imperialismusbegriff um die Dimension des Rassismus und kritisiert die Reduzierung der Auseinandersetzungen mit dem Kapitalismus auf die rein ökonomischen Fragen. Die politische Triebfeder des Imperialismus sei der Versuch, die Menschheit in „Herren- und Sklavenrassen“, in „Schwarze und Weiße“ einzuteilen.[136]

Im Zuge ihrer Welteroberungspolitik haben totalitäre Regierungen die Gruppen von Flüchtlingen und Staatenlosen stark vermehrt und sich bemüht, ihre rechtlichen und moralischen Positionen zu zerstören, um die Nationalstaaten von innen her zu zersetzen.

„Wen immer die Verfolger als Auswurf der Menschheit aus dem Lande jagten – Juden, Trotzkisten und so weiter –, wurde überall auch als Auswurf der Menschheit empfangen, und wen sie für unerwünscht und lästig erklärt hatten, wurde zum lästigen Ausländer, wo immer er hinkam.“[137]

Die Frage, warum die Juden als Opfer ausgewählt wurden, beschäftigt die politische Denkerin durchgehend. Bereits in der Einleitung kritisiert sie Historiker, die das Bild vom „ewigen Juden“, den ewigen natürlichen Antisemitismus nicht hinterfragen oder die Sündenbockthese sowie die „Ventiltheorie“ als Erklärung für die nationalsozialistische Judenvernichtung verbreiten.

„Wenn es wahr ist, daß die Menschheit immer darauf bestanden hat, Juden zu ermorden, dann ist Judenmord eine normale, menschliche Betätigung und Judenhaß eine Reaktion, die man noch nicht einmal zu rechtfertigen braucht.“ Tatsächlich sei jedoch nichts so „grauenhaft einprägsam“ wie die vollkommene Unschuld aller, die in der „Terrormaschine“ gefangen wurden.[138]

Abgrenzung und Charakterisierung der totalen Herrschaft

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Den Begriff der totalen Herrschaft grenzt Arendt ein auf den Nationalsozialismus, endend mit Hitlers Tod, und das System des Stalinismus, das sie von 1929 an bis zu Stalins Tod 1953 in der Sowjetunion verwirklicht sieht. Es handelt sich ihrer Auffassung nach um „Variationen des gleichen Modells“.[139] Nicht der Staat und die Nation sind für die totalitäre Politik letztendlich wichtig, sondern die Massenbewegung, die sich auf Ideologien, wie den Rassismus oder den Marxismus stützt.[140]

Als Kennzeichen dieser Herrschaftsform sieht sie: die Umwandlung der Klassen – auf der Grundlage von Interessen – in fanatisierte Massenbewegungen, die Beseitigung von Gruppensolidarität, das Führerprinzip, millionenfache Morde, die Passivität der Opfer, Denunziationen sowie die „Bewunderung für das Verbrechen“.

Demnach sind Anhänger totalitärer Massenbewegungen Argumenten nicht zugänglich und ignorieren ihren Selbsterhaltungstrieb. Totalitäre Führer rühmen sich begangener Verbrechen und kündigen künftige an. Sie exekutieren „Gesetze von Natur oder Geschichte“. Während jedoch der dialektische Materialismus auf den besten Traditionen basiere, sei der Rassismus kläglich-vulgär. Beide Ideologien liefen auf die Ausscheidung von «Schädlichem» oder Überflüssigem zu Gunsten des reibungslosen Ablaufs einer Bewegung hinaus.[141]

Für Arendt ist die totale Herrschaft die einzige Staatsform, mit der es keine Koexistenz und keinen Kompromiss geben kann.

Zeitweiliges Bündnis zwischen Mob und Elite

Zu diesem Abschnitt ihres Buches stellt der bereits früher veröffentlichte Essay Über den Imperialismus eine Vorstudie dar.[142]

Totalitäre Bewegungen sind laut Arendt durch die echte Ergebenheit ihrer Anhänger geprägt. Gerade ein großer Teil der geistigen und künstlerischen Elite hat sich – wenigstens zeitweise – mit den totalitären Regierungen identifiziert. Die Elite habe sich (aus guten Gründen), bevor der „Zusammenbruch des Klassensystems“ die „Massenindividuen“ erzeugte, von der Gesellschaft losgesagt und könne nun die Massen „verstehen“. Ebenso stehe der Mob, der von Verfassungen, Parteien und Moralsystemen nicht berührt werde, die Unterwelt und das Gesindel umfasse, am Rande der Gesellschaft. Er sei erstmals bereit und in der Lage gewesen, die Massen zu organisieren und, da er keine berufliche Karriere anstreben konnte, politische Ämter zu übernehmen.

Die Führer der Parteien meinten, dies diskreditiere den Mob, doch es war umgekehrt, da die Lage der Massen so verzweifelt war, dass sie nicht mehr auf die bürgerliche Gesellschaft hofften. Hitlers „hysterischer Fanatismus“ und Stalins „rachsüchtige Grausamkeit“ trugen Arendt zufolge Züge des Pöbels.

„Jedenfalls beruhte das zeitweilige Bündnis zwischen Elite und Mob weitgehend auf dem echten Vergnügen, das der Mob der Elite bereitete, als er daranging, die Respektabilität der guten Gesellschaft zu entlarven, ob nun die deutschen Stahlbarone den ‚Anstreicher Hitler‘ empfingen oder ob das Geistes- und Kulturleben mit plumpen und vulgären Fälschungen aus seiner akademischen Bahn geworfen wurde.“[143]

Die Elite war demnach vom Radikalismus besonders fasziniert, von der Aufhebung der Trennung zwischen Privatem und Öffentlichem und von der Erfassung des ganzen Menschen durch die jeweilige Weltanschauung. Die Überzeugungen des Mobs betrachtet sie als reine, nicht durch Heuchelei abgeschwächte Verhaltensweisen der Bourgeoisie. Doch die Hoffnungen beider Gruppen wurden nicht erfüllt, da die Führer der totalitären Bewegungen, die zum großen Teil dem Mob entstammten, weder dessen Interessen noch die der intellektuellen Anhänger vertraten, sondern „tausendjährige Reiche“ anstrebten. Initiativen von Mob und Elite wären „beim Aufbau funktionsfähiger Beherrschungs- und Vernichtungsapparate“ eher hinderlich gewesen. Die Machthaber griffen daher lieber auf die „Massen gleichgeschalteter Spießer“ zurück.[144]

Totalitäre Propaganda und Indoktrination

Während Mob und Elite selbstständig alles Bestehende durch Terror umwälzen wollten, konnten die Massen erst durch Propaganda in totalitäre Organisationen eingebunden werden. Totalitäre Bewegungen verändern die Realitätswahrnehmung der Gesellschaft und fixieren sie auf universelle Bedeutungen. Die Bewegung nahm Ideologien von einer „Rassegesellschaft oder eine(r) klassen- und nationslosen Gesellschaft“[145] auf und verbreitete Theorien von Verschwörungen gegen die Gesellschaft durch Juden oder Parteifeinde.

Für den Nationalsozialismus stellt Arendt die Bedeutung dieses Phänomens anhand der Protokolle der Weisen von Zion heraus. Es müsse gefragt werden, wie diese offensichtliche Fälschung zu der „Bibel einer Massenbewegung“ werden konnte.[146] Mit dem Glauben an die Jüdische Weltverschwörung und ihren modernen Elementen ließen sich Antworten auf Probleme der Moderne vermitteln. „Es sind die eigentümlich modernen Elemente, denen die Protokolle ihre außerordentliche Aktualität verdanken und die stärker wirken als die viel banalere Beimischung uralten Aberglaubens.“[147]

Auch im Stalinismus findet sie antisemitische Züge nach nazistischem Vorbild. Der Bezug auf eine jüdische Weltverschwörung im Sinne der Weisen von Zion, die Umdeutung des Begriffs „Zionismus“, die alle nichtzionistischen Organisationen und damit alle Juden einschloss, eignete sich auf Grund der vorhandenen antisemitischen Ressentiments in der Bevölkerung eher zur Verwirklichung der Ansprüche auf eine Weltherrschaft als der Kapitalismus oder der Imperialismus.[148]

Nach der Machtübernahme durch die „Bewegungen“ sei, so die Autorin, die Propaganda durch Indoktrination ersetzt worden. Der Terror richtete sich jetzt nicht allein gegen die angeblichen Feinde, sondern auch gegen die unbequem gewordenen Freunde. Die Ergebenheit der treuen Mitglieder ging dann so weit, dass sie jederzeit bereit waren, den Opfertod für den Führer oder die Partei zu sterben. Arendt belegt dies z. B. mit der Haltung der Angeklagten in den Moskauer Prozessen.

Die Lügen über die „Verschwörer“, argumentiert die Verfasserin, seien durch ihre Offensichtlichkeit nicht entkräftet worden:

„So hat weder die offenbare Hilflosigkeit der Juden gegen ihre Ausrottung die Fabel von der Allmacht der Juden, noch haben die Liquidierung der Trotzkisten in Russland und die Ermordung Trotzkis die Fabel von der Verschwörung der Trotzkisten gegen die Sowjetunion zu zerstören vermocht.“[149]

Terror als Wesen totaler Herrschaft

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde, fährt Arendt fort, der Machtapparat vollständig etabliert, gleichgeschaltet und nach und nach immer radikaler und undurchschaubarer gestaltet. Das „Recht zum Morden“ zusammen mit Methoden, das Wissen aus der Welt zu schaffen, wurde zur sichtbaren Weltanschauung.

„Daß die Nazis die Welt erobern, ‚artfremde‘ Völker aussiedeln und ‚erbbiologisch Minderwertige ausmerzen‘ wollten, war so wenig ein Geheimnis wie die Weltrevolution und -eroberungspläne des russischen Bolschewismus.“[150]

Während die Nationalsozialisten immer die Fiktion der jüdischen Weltverschwörung aufrechterhielten, änderten die Bolschewisten ihre Fiktion mehrmals: von der trotzkistischen Weltverschwörung über den Imperialismus zur Verschwörung der «wurzellosen Kosmopoliten» usw. Stalins Machtmittel war die Verwandlung der Kommunistischen Parteien in Filialen der von Moskau beherrschten Komintern. Innerhalb der „totalen Welt“ herrschte der Polizeiapparat als Geheimpolizei, GPU oder Gestapo.

Die Zahl der in den NS-Vernichtungslagern ermordeten Juden sowie anderer Gruppen und der im „Raubkrieg“ getöteten Menschen sei nachweisbar. Aus Arendts Quellenlage war keine genaue Quantifizierung der Opfer des Stalinismus möglich. Die Morde reichten von der Liquidierung der Kulaken über die Verluste während der Kollektivierung der Landwirtschaft, die Moskauer Prozesse bis zum Großen Terror. Sie stützte sich u. a. auf Angaben zeitgenössischer junger russischer Intellektueller über „Massensäuberungen, Verschleppung und Ausrottung ganzer Völker“.[151]

Hannah Arendt beschreibt die Konzentrations- und Vernichtungslager als Versuchsanstalten, die der Ausrottung von Menschen, der Erniedrigung von Individuen dienten und dem Nachweis, dass Menschen total beherrschbar sind. Identität, Pluralität und Spontanität aller Menschen sollten vernichtet werden. Die Lager seien für die Erhaltung des Machtapparats zentral gewesen, die Verbrechen und Gräueltaten so ungeheuerlich, das Grauen so groß, dass sie auf Unbeteiligte leicht unglaubhaft wirkten. Denn die Wahrheit der Opfer beleidige den gesunden Menschenverstand. Hitlers „hundertfach wiederholten Ankündigungen, daß Juden Parasiten seien, die man ausrotten müsse“, wurde nicht geglaubt.

Das Grauen vor dem „radikal Bösen“ bringt die Erkenntnis, dass es hierfür keine politischen, geschichtlichen oder moralischen menschlichen Maßstäbe gibt.

Konzentrationslager stehen immer außerhalb des normalen Strafsystems. Sie beruhen auf der „Tötung der juristischen Person“. Der Mensch wird reduziert auf „Jude“, „Bazillenträger“, „Exponent(en) absterbender Klassen“. Bei den Verbrechern und Politischen kann die Vernichtung der juristischen Person laut Arendt nicht vollständig gelingen, „weil sie wissen, warum sie dort sind“. Die meisten Insassen seien aber völlig unschuldig gewesen. Gerade diese wurden in den Gaskammern liquidiert, während wirkliche Regimefeinde häufig schon im Vorfeld getötet wurden.[152] Die „Entrechtung“ des Menschen sei „Vorbedingung für sein totales Beherrschtsein“ und gelte für jeden, der in einem totalitären System lebt.

Hinzu komme die „Ermordung der moralischen Person“. Es handele sich dabei um ein System des Vergessens, das bis in die Familien- und Freundeskreise der Betroffenen reiche. Der Tod werde anonymisiert. Moralisches Handeln, Gewissensentscheidungen wurden unmöglich. Arendt zitiert den Bericht von Albert Camus über eine Frau, der die Nationalsozialisten die Wahl zuschoben zu entscheiden, welches ihrer drei Kinder getötet werden sollte.

Das einzige, was dann noch bleibt, um die Verwandlung von Personen in „lebendige Leichname“ zu verhindern, ist die Beibehaltung der „Differenziertheit, der Identität“. Hannah Arendt führt deutlich vor Augen: die Zustände bei den Transporten in die Lager, das Kahlscheren der Schädel, die Entkleidung, die Tortur und die Ermordung. Während die SA noch mit „Haß“ und „blinder Vertiertheit“ tötete, sei der Mord im Lager ein „mechanisierter Vernichtungsakt“ gewesen, teilweise ohne „individuelle Bestialität“ begangen von normalen Menschen, die zu Mitgliedern der SS erzogen worden seien.[153]

Der Terror als Wesen einer totalitären Regierung übt zunächst eine eigentümliche Anziehungskraft auf moderne entwurzelte Menschen aus, presst später die Massen zusammen und zerstört alle Beziehungen zwischen Menschen. Das Prinzip ist die Ideologie, „der innere Zwang“, umgedeutet und so weit angenommen, bis die Menschen voller Furcht, Verzweiflung und Verlassenheit vorwärts in den eigenen Tod getrieben werden, wenn „man“ schließlich selbst zu den «Überflüssigen» und «Schädlingen» gehört.[154]

Am Ende betont sie, dass die totale Herrschaft nicht in einem langwierigen Prozess, sondern plötzlich zusammenbricht und anschließend die meisten ihrer Anhänger die Teilnahme an Verbrechen, ja selbst die Zugehörigkeit zur Bewegung leugnen.

„Vita activa oder Vom tätigen Leben“

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Im Gegensatz zu Heidegger begründete Arendt ihr Denken von der Geburt des einzelnen Menschen her und nicht vom Tod. In ihrem 1958 veröffentlichten, sich hauptsächlich auf Philosophie beziehenden zweiten Hauptwerk The Human Condition, in deutscher Sprache – von ihr selbst übersetzt – unter dem Titel: Vita activa oder Vom tätigen Leben,[155] 1960 erschienen, führt Arendt diesen Gedanken aus. Mit der Geburt beginnt die Fähigkeit, einen Anfang machen zu können. Das Individuum hat die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei geht es ihr um die Grundbedingungen aktiven menschlichen Lebens, die sie auf „Arbeiten, Herstellen und Handeln“ beschränkt. Davon unterscheidet sie das „Wesen“ und die „Natur“ des Menschen, die begrifflich nicht zu definieren und menschlicher Erkenntnis nicht zugänglich seien. Versuche, sie zu bestimmen, endeten „zumeist mit irgendwelchen Konstruktionen eines Göttlichen“.[156]

Das Handeln ist ihrer Ansicht nach enger an die Gebürtlichkeit gebunden als das Arbeiten und Herstellen.

Arbeiten und Herstellen

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Die Arbeit dient dem Fortbestand des Einzelnen und der Gattung. Daher gehört Arbeit notwendig zum menschlichen Leben, aber auch zu dem jedes anderen Lebewesens. Arbeit ist, so sieht es Arendt, nicht mit Freiheit verbunden, sondern stellt einen Zwang zur Erhaltung des Lebens dar, dem der Mensch von der Geburt bis zum Tod ständig unterliegt.

Auf der Grundlage der Arbeit beginnt das Individuum über die Endlichkeit seines Daseins nachzudenken. Um dieser Gewissheit zu entfliehen, baut der Mensch neben der natürlichen eine eigene künstliche Welt auf, für die er Dinge aus unterschiedlichen Materialien herstellt. Arendt geht davon aus, dass diese Welt beständig ist, und das Individuum eine Beziehung zu den hergestellten Dingen und Phänomenen aufbauen kann. Ein Beispiel dafür ist das Gefühl des „nach Hause Kommens“. In einer sich ständig ändernden Welt kann der Mensch sich nicht zu Hause fühlen.

Die von Arendt eingeführte Unterscheidung zwischen „Arbeiten“ und „Herstellen“ bezieht sie auch auf die Produktion. Als Produkte der Arbeit bezeichnet sie Konsumgüter, die „verbraucht“ werden, während Produkte des Herstellens oder des Werkens „gebraucht“ werden.

Das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. Es spielt sich zwischen den Individuen ab und zeigt gleichzeitig die Einzigartigkeit, die Verschiedenheit und Pluralität der Menschen. Der einzelne Mensch kann, argumentiert Arendt, in einer Gesellschaft überleben, ohne jemals selbst zu arbeiten oder selbst etwas herzustellen.

Handeln besteht in politischer Interaktion, die für Arendt fundamental ist. Kommunikation, d. h. „Finden des rechten Wortes im rechten Augenblick“ ist bereits Handeln. „Stumm ist nur die Gewalt, und schon aus diesem Grunde kann die schiere Gewalt niemals Anspruch auf Größe machen.“[157] Arendt betont: Auch wenn der Einzelne noch weiß, dass er ein Mensch ist, so wird er anderen ohne Handlungen nicht als solcher erscheinen. Der für die deutsche Ausgabe gewählte Titel: Vita activa beruht auf diesem Gedankengang.

Handeln findet im öffentlichen Raum statt. Am klarsten realisiert war dies für Arendt in der griechischen Polis, wo das Arbeiten im privaten Raum des Haushalts – mit allen Folgen einer Zwangsherrschaft – stattfand, während sich das Handeln im öffentlichen Raum auf der Agora abspielte. Dieser öffentliche Platz war der Ort der Vita activa, der politischen Kommunikation, Gestaltung und Freiheit unter Gleichen.

Vom Verständigungsprozess im politischen Raum zur Massengesellschaft

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Demgegenüber kam es, so Arendt, im Mittelalter auf der Grundlage christlicher Dogmatik zu einer Verschiebung. Die höchste Freiheit für den Menschen lag nun in der auf Gott ausgerichteten „Vita contemplativa“. Dabei wurde das Element des handwerklich-künstlerischen Herstellens höher bewertet als das (philosophische) Denken und (politische) Handeln. Der Mensch wurde zum Homo faber, d. h. Erschaffer einer künstlichen Welt. Das „sprachlose Staunen“, welches seit der Antike als „Beginn und Ende aller Philosophie“ galt und nur Wenigen zugänglich war, verlor an Bedeutung zugunsten des „betrachtend anschauenden Blicks der handwerklich-Schaffenden“.[158]

Arendt kritisiert die christlich-abendländische Philosophie. Zwar hätten die meisten Philosophen sich zu politischen Fragen geäußert, aber kaum einer habe unmittelbar am politischen Diskurs teilgenommen. Als Ausnahme sah sie lediglich Machiavelli. Auch wenn bei Hegel das Politische eine Aufwertung gefunden habe, wendet sich Arendt vor allem gegen die Vorstellung Hegels von der Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung. Die Idee des Absoluten als Ziel der Geschichte führe zur Ideologie und damit zur Rechtfertigung von undemokratischen Praktiken und schließlich am Ende zu den Formen der totalen Herrschaft.

Das moderne Individuum entfernt sich ebenfalls vom Politischen auf Grund der „radikalen Subjektivität seines Gefühlslebens“ durch „endlose innere Konflikte“. Die Einzelnen werden gesellschaftlich normiert, Abweichungen von dieser Norm als asozial oder anormal verbucht. Es kommt zum Phänomen der Massengesellschaft mit der Herrschaft der Bürokratie. Dabei werden die sozialen Klassen und Gruppierungen einander angeglichen und mit gleicher Macht kontrolliert. Das Gleichmachen, der Konformismus in der Öffentlichkeit, führt dazu, dass Auszeichnungen und „Besonderheit“ zu Privatangelegenheiten von Individuen werden. Große Anhäufungen von Menschen entwickeln die Tendenz zur Despotie, entweder eines Einzelnen oder zum „Despotismus der Mehrheit“.[159]

Auch in der Vorstellung der Geschichtlichkeit als Grundbedingung der menschlichen Existenz bei Heidegger bleibt für die Autorin das Denken in der Kontemplation verhaftet. Eine „Vita activa“ erfordert aber die Fragen nach den Prinzipien des Politischen und den Bedingungen der Freiheit. Als Ansatz hierzu sah Arendt wie Jaspers die Moralphilosophie Kants, in der die Frage nach den Bedingungen der menschlichen Pluralität im Vordergrund gestanden habe. Kant habe nicht nur Staatsmänner und Philosophen betrachtet, sondern alle Menschen als Gesetzgeber und Richter angesehen und sei so zu der Forderung nach einer Republik gekommen, der sich die Forscherin anschließt.

In diesem Werk geht Arendt der historischen Wandlung von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Glück, Öffentlichkeit, Privatheit, Gesellschaft und Politik nach und beschreibt genau den Bedeutungswandel im jeweiligen historischen Kontext. Dabei ist ihr Bezugspunkt das antike Griechenland, insbesondere zur Zeit des Sokratischen Dialogs. Ihrer Auffassung nach gilt es, die verlorenen Bereiche des Politischen wiederum in der Gegenwart modifiziert zu verankern und damit die Fähigkeiten politisch denkender und handelnder freier Individuen, die versuchen, sich voreinander auszuzeichnen, fruchtbar zu machen. Im Gegensatz dazu sieht sie den verbreiteten Behaviorismus, der darauf abziele, den Menschen in allen seinen Tätigkeiten „auf das Niveau eines allseitig bedingten und sich verhaltenden Lebewesens zu reduzieren“.[160]

„Über die Revolution“

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Laut ihrem zu Lebzeiten unveröffentlichten Essay Die Freiheit, frei zu sein, der Anfang 2018 erstmals auf Deutsch erschien,[161][162] sah Arendt für die Entstehung von Revolutionen in der Erosion des bestehenden Herrschaftssystems eine Grundvoraussetzung:

„Allgemein gesprochen ist eine Revolution gar nicht möglich, wenn die Autorität des Staatswesens intakt ist, was unter neuzeitlichen Bedingungen heißt: wenn man darauf vertrauen kann, dass die Streitkräfte der staatlichen Obrigkeit gehorchen. Revolutionen sind keine notwendige, sondern eine mögliche Antwort auf den Niedergang eines Regimes, sie sind nicht Ursache, sondern Folge des Verfalls politischer Autorität.“[163]

In dem Buch On Revolution (1963, deutsche Ausgabe 1965) analysiert und interpretiert Arendt die Französische und die Amerikanische Revolution, wobei auch andere Revolutionen angesprochen werden. Sie kritisiert die Gesellschaften, die aus den Revolutionen hervorgegangen sind. Dabei verwendet sie einen anderen Revolutionsbegriff als gemeinhin üblich. Ihr Hauptanliegen ist es, die wesentlichen Merkmale des „revolutionären Geistes“ zu bestimmen. Diese erkennt sie in der Möglichkeit, etwas neu zu beginnen und im gemeinsamen Handeln von Menschen.

„In der Sprache des 18. Jahrhunderts heißen [die Prinzipien des revolutionären Geistes] öffentliche Freiheit, öffentliches Glück, öffentlicher Geist.“[164]

Arendt stellt die Frage, warum der „Geist der Revolution“ keine Institutionen fand und daher verloren ging. Dabei geht sie von Thomas Jefferson aus, der nach seiner Amtszeit als dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika das Geschehene in Briefen reflektierte. Als Lösungsansatz betrachtet sie Jeffersons ward-system, das sie auch „Elementarrepubliken“ nennt.

Laut Jefferson gab es nach der Amerikanischen Revolution und der Einführung der Verfassung keine Institution, in der das Volk einen Beitrag zu öffentlichen Angelegenheiten leisten konnte. Das uralte Verhältnis von Regierten und Regierenden bestand weiter fort. Während und vor der Amerikanischen Revolution konnte das Volk in den townhalls aktiv am politischen Geschehen teilnehmen. Von dieser Möglichkeit machten die Einwanderer regen Gebrauch. Nach der Revolution jedoch bezogen sich die Menschen mehr und mehr auf ihr Privatleben, verfolgten ihre Privatinteressen und interessierten sich weniger für die öffentlichen Angelegenheiten.

Als Alternative zur repräsentativen Parteiendemokratie befürwortet Arendt eine Räterepublik. Erstere sei unfähig, das Volk am politischen Leben teilnehmen zu lassen. Auf Grund der Erfahrung nach dem Ersten Weltkrieg bezeichnet sie das Mehrparteiensystem als noch unattraktiver als das englische oder amerikanische Zweiparteiensystem, da es im Wesen die Ein-Partei-Diktatur in sich trage.

Elemente des Rätesystems tauchen nach Arendt in fast allen Revolutionen auf, bis auf die Februarrevolution und die Märzrevolution 1848. Die Räte beschreibt sie als friedlich, parteilos und daran interessiert, einen neuen Staat aufzubauen. Die Parteien, ob links, rechts oder revolutionär, sahen in den Räten oder Sowjets eine starke Konkurrenz, agitierten gegen sie und konnten sie mit staatlicher Hilfe letztendlich immer vernichten.

Hannah Arendt favorisiert dieses politische System direkter Demokratie, weil die Menschen sich in den Parteiendemokratien als Regierte fühlen – und das war gerade nicht der Sinn der Revolutionen. Dagegen kommt die Möglichkeit der politischen Teilnahme auf unterschiedlichen Ebenen Arendts Vorstellungen des Politischen wesentlich näher.

Sie hebt hervor, „daß keiner glücklich genannt werden kann, der nicht an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, daß niemand frei ist, der nicht aus Erfahrung weiß, was öffentliche Freiheit ist, und daß niemand frei oder glücklich ist, der keine Macht hat, nämlich keinen Anteil an öffentlicher Macht“.[165]

„Denken, Wollen, Urteilen“

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Die 1989 posthum veröffentlichten Werke Das Denken und Das Wollen erschienen 1998 in dem Sammelband Vom Leben des Geistes. Diese Arbeit beruht wiederum auf Vorlesungen, die sie 1973 und 1974 gehalten hat. Der dritte Teil Das Urteilen wurde nach Vorarbeiten seitens ihrer Nachlassverwalterin Mary McCarthy von dem Politikwissenschaftler Ronald Beiner auf der Grundlage der Manuskripte ihrer Vorlesungen zu Kant, insbesondere aus dem Jahr 1970, zusammengestellt.

Arendt will, wie sie in der Einleitung schreibt, mit diesem anspruchsvollen Titel nicht als „Philosoph“, als „Denker von Gewerbe“ (Kant) wirken, aber das Denken auch nicht diesen überlassen. Anlass für ihre Studien war u. a. ihr Eichmann-Buch, in dem sie sich mit den „ungeheuerlichen Taten“ eines „gewöhnlichen“, „gedankenlosen“ Täters beschäftigt hatte. Dies führte zu der Frage, ob das Denken, d. h. die Gewohnheit, alles zu untersuchen, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse, zu den Bedingungen gehört, die die Menschen davor schützen, Böses zu tun.[166]

In ihrem bereits zur Veröffentlichung fertiggestellten Werk über Das Denken erweiterte Arendt die Ideen aus Vita activa, indem sie nunmehr die „Vita contemplativa“, d. h. geistige Tätigkeiten, als ebenbürtig oder sogar überlegen beschreibt. Sie versucht, ihre Aussage im Eichmann-Buch über die „Banalität des Bösen“ mit der These zu untermauern, diese Art bösen Handelns sei mit dem „Fehlen des Denkens“ mit der „Gedankenlosigkeit“ verknüpft. Sie stellt folgende Frage:

„Könnte vielleicht das Denken als solches – die Gewohnheit, alles zu untersuchen, was sich begibt oder die Aufmerksamkeit erregt, ohne Rücksicht auf die Ergebnisse und den speziellen Inhalt – zu den Bedingungen gehören, die die Menschen davon abhalten oder geradezu dagegen prädisponieren, Böses zu tun?“[167]

Als Motto stellte sie der Einleitung einen kurzen Text aus Heideggers Was heißt Denken? voran, in dem dieser die Bedeutung des Denkens an sich hervorhebt.

Wiederum verfolgt sie Begriffe zu ihrem Ursprung zurück. Ethik und Moral, so Arendt, sind die griechischen bzw. lateinischen Ausdrücke für Sitte und Gewohnheit. Gewissen dagegen bedeute „bei sich wissen“ und gehöre zu jedem Denkvorgang. Nur „gute Menschen“ hält sie für fähig, ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, während Kriminelle in der Regel über ein gutes Gewissen verfügten. Ethik und Moral (wörtlich: Sitten und Gewohnheiten) seien hauptsächlich von der entgegengesetzten Prämisse ausgegangen.

Angelehnt an Sokrates[168] findet sich bereits bei Demokrit die Aussage: „Es ist besser Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun“, entwickelt sie den Gedanken des inneren Gesprächs, wobei das Individuum sich davor hüten müsse, mit sich selbst in Zwiespalt zu geraten, um seine Selbstachtung zu bewahren, auch wenn viele Menschen sich anders entscheiden.

„Als Bürger müssen wir schlechte Taten verhindern, weil es um die Welt geht, in der wir alle leben, der Übeltäter, das Opfer und die Zuschauer.“[169]

Zum Handeln gehöre seit der Antike das Denken. Arendt grenzt ihr Verständnis vom Denken sowohl von Platon und Aristoteles, die das Denken als passive Betrachtung verstanden hätten, wie auch vom Christentum ab, das die Philosophie zur „Magd der Theologie“ und das Denken zur Meditation und Kontemplation gemacht habe. Auch dem Ansatz der Neuzeit, in der das Denken hauptsächlich der Erfahrungswissenschaft diene, steht sie kritisch gegenüber. Die Mathematik hält sie als reines Denken für die „Königin der Wissenschaften“.[170] Sie kritisiert die Hegemonie der Naturwissenschaften als Erklärungsmodell aller „Erscheinungen“, auch der gesellschaftlichen und politischen, und betont die Wichtigkeit des Nachdenkens über die Bedingtheit des menschlichen Lebens.

Die Bedeutung des Denkens im öffentlichen Leben trete in der modernen Gesellschaft, die immer mehr zur Arbeitswelt werde, weitgehend zurück. Die „vita activa“, das Herstellen und Handeln, siege über die „vita contemplativa“, die Suche nach dem Sinn, die einstmals – insbesondere im Mittelalter – vorrangig gewesen sei. Der Mensch gerate in eine Zwickmühle, da einerseits die Individualität gerade in der demokratischen Massengesellschaft betont werde, andererseits die Massengesellschaft den Diskussionen im öffentlichen Raum Grenzen setze.

In dieser auf Vorlesungen beruhenden Abhandlung setzte sie sich mit zahlreichen bedeutenden Philosophen auseinander, die über das Denken – als Betrachten des Seins – Auskunft gegeben haben. Dabei behandelte sie die großen Denker lebenslang, genauso wie Jaspers, als wären sie Zeitgenossen.

Während das Denken als Unsichtbares in aller Erfahrung gegenwärtig sei und dazu neige, zu verallgemeinern, stünden die anderen beiden geistigen Tätigkeiten der „Erscheinungswelt“ viel näher, weil es immer um „einzelnes“ gehe: um das Urteilen über die Vergangenheit, dessen Ergebnis die Vorbereitung für das Wollen darstelle.

Laut Arendt beruht der Wille auf dem kreatürlichen Begehren wie auch auf dem vernünftigen Denken. Sie betont die Bedeutung des Willens als ein dem Menschen eigenes Talent, das Alte zu überwinden, um mit dem Neuen beginnen zu können. Dieser Wille, verbunden mit der Gebürtlichkeit nicht gleicher, sondern voneinander abweichend denkender Menschen („Differenz“), ermögliche einerseits Freiheit, berge aber andererseits die Gefahr des rein spontanen, intuitiven Handelns. Sie stellt fest: „Die freien Handlungen des Menschen sind selten.“[171]

Dem Begriff des Willens geht sie anhand seiner Geschichte nach. Er sei in der griechischen Antike unbekannt gewesen und habe erst in der Neuzeit im Zusammenhang mit dem der Innerlichkeit („die innere Erfahrung“) große Bedeutung gewonnen.

Parallel dazu untersucht sie das Wollen als inneres Vermögen der Menschen zu entscheiden, in welcher Gestalt sie sich in der „Erscheinungswelt“ zeigen möchten. Der Wille schafft demnach mit seinen Projekten sozusagen die „Person“, die für ihren Charakter (ihr ganzes „Sein“) verantwortlich gemacht werden kann. Sie grenzt sich hier von den einflussreichen marxistischen und existentialistischen Thesen ab, die den Menschen als Schöpfer seiner selbst darstellen. Dieser Trugschluss entspreche der modernen Betonung des Wollens als Ersatz für das Denken.

Wie bereits dreißig Jahre zuvor in ihrer Arbeit zur Existenzphilosophie Heideggers und Jaspers’ bezieht Arendt Stellung im mittelalterlichen Universalienstreit und zwar wiederum zugunsten des Nominalismus. In ihrem nicht autorisierten posthum veröffentlichten Fragment Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie reflektiert sie das Zustandekommen von Urteilen als subjektiv. Sie setzt sich mit Kants Theorie des „ästhetischen Urteils“ in der Kritik der Urteilskraft auseinander, wobei sie das ästhetische Urteil als Vorbild für das politische Urteilen ansieht. Dieses Urteil beruhe auf dem Denken ohne die Vermittlung durch einen Begriff oder ein System. Als Beispiel führt Arendt an, dass, wenn man eine Rose als schön bezeichne, man zu diesem Urteil komme ohne die Verallgemeinerung, dass alle Rosen schön sind und daher diese eine auch.[172] Es gibt also keine Kategorie „Rosen“ bzw. eine „Natur der Rose“, vielmehr immer nur die einzelne Rose, die von jeder Person aus ihrer eigenen Perspektive beurteilt wird. Die Erkenntnis der unterschiedlichen Standpunkte bezeichnet sie als „repräsentatives Denken“. Dieses Denken setze voraus, einen Standort in der Welt einzunehmen, der nicht der eigene ist, ohne die eigene Identität aufzugeben.

Urteile beruhten danach nicht auf einer bestimmten verinnerlichten Moralvorstellung. Das Urteilsvermögen, zu dem der Mensch im Stande ist, hat nach Arendts Verständnis etwas mit der Fähigkeit zu tun, den Standpunkt des Anderen einzunehmen und dabei vom eigenen Willen abzusehen.[173]

Zeitgenössisches Graffito in Göttingen verweist auf Totalitarismuskritik von Arendt: „Niemand hat das Recht zu gehorchen“, „Seid unartig!“, 2018

Berühmt wurde Hannah Arendt mit ihrem Totalitarismusbuch. Dieses Werk, das heute zum Standard politischer Bildung gehört, brachte ihr viel Zustimmung und zahlreiche Vortragseinladungen ein. „Sie war die erste Theoretikerin, die das Phänomen des Totalitarismus als eine in der Menschheitsgeschichte völlig neue Form politischer Macht verstand.“[174] Es diente teilweise als Grundlage für einen erweiterten Totalitarismusbegriff und als Argument gegen die nachstalinistische Sowjetunion im Kalten Krieg. Sie geriet damit immer wieder in die Kritik von eher orthodoxen Sozialisten.

Gleichzeitig wurden in Fachkreisen, aber auch in Teilen der Linken nicht nur ihre Forschungsergebnisse über den Nationalsozialismus geschätzt, sondern auch ihre frühen Analysen des Stalinismus als totalitäres System. Insbesondere in den USA und in Frankreich haben diese Debatten die Entwicklung einer undogmatischen Neuen Linken gefördert.

Der amerikanische Literaturwissenschaftler und palästinensische Aktivist Edward Said, der über den Postkolonialismus arbeitete, zählte Hannah Arendt auf Grund ihrer Rezeption des Schriftstellers Joseph Conrad in The Origins of Totalitarianism[175] zu den Theoretikern des Imperialismus, die sich sowohl „imperialistisch als auch antiimperialistisch“ orientieren.

Ihr Lehrer Karl Jaspers bezeichnete das Buch im Vorwort zur dritten Auflage als „Geschichtsschreibung im großen Stil“. Es sei mit den Mitteln historischer Forschung und soziologischer Analyse erarbeitet. Das Werk gebe „die Einsicht, durch welche eine philosophische Denkungsart in der politischen Wirklichkeit erst urteilsfähig wird“. Arendt erteile keine Ratschläge, sondern vermittele Erkenntnisse, die der Menschenwürde und Vernunft dienen.

Vor allem in den 1960er Jahren verursachte ihre Reportage über den Eichmann-Prozess in Jerusalem heftige Kontroversen. Die Memoiren Eichmanns,[176] die seinen starken eigenständigen Antisemitismus belegen, standen Hannah Arendt bei der Verfassung der Zeitungsberichte und des Buches noch nicht zur Verfügung. Heute wird in einem großen Teil der Rezeption darauf hingewiesen, dass Arendt Eichmanns Antisemitismus als Motiv unterschätzt habe. Auch gegenwärtig wird diese Arbeit oft abgelehnt oder ignoriert, findet jedoch andererseits – wie alle Werke Arendts – mehr und mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit. So hob z. B. Jan Philipp Reemtsma 1998 hervor, dass sich spätestens seit Arendts Eichmann-Buch die „Pathologisierung der Täter“ als untauglicher Erklärungsversuch erwiesen habe.[177] Bis heute gibt es eine kritische Debatte darüber, wie sie Autoren und deren Texte oft nur auf eine Textstelle hin und ohne Kontext rezipiert, vom Augustinus- über das Totalitarismus-Buch bis zu ihren letzten Veröffentlichungen. Manchmal nennt sie die Umstände in Anmerkungen, häufig nicht, fast immer setzt sie Kenntnisse über Autoren voraus.

Jürgen Habermas nahm Hannah Arendt in seine philosophisch-politischen Profile bedeutender Autoren des 20. Jahrhunderts auf, die die Richtung seines Denkens bestimmt hätten. Neben Scholem und Bloch spricht er in Bezug auf Arendt von „faszinierende(r) Bewunderung für den wegweisenden Geist“.[178] Seine sowohl positive als auch kritische Haltung kommt zum Ausdruck, wenn er schreibt: „Von Hannah Arendt habe ich gelernt, wie eine Theorie des kommunikativen Handelns anzugehen ist; was ich nicht zu sehen vermag, ist, daß dieser Zugang im Widerspruch stehen soll zu einer kritischen Theorie der Gesellschaft.“[179] Er bezeichnete Jaspers und Arendt als „unerschrockene Radikaldemokraten“ mit „elitärer Mentalität“.[180] Differenziert setzte er sich bereits seit den 1960er Jahren – wie auch in seinem großen Werk Faktizität und Geltung (1992)[181] – mit ihrer politischen Theorie auseinander, indem er ihre Thesen in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, mehr noch in Vita activa und Über die Revolution, aber auch in ihren späteren, zu Lebzeiten noch nicht veröffentlichten Arbeiten darstellte, teilweise adaptierte, teilweise verwarf oder weiterentwickelte.

Der Soziologe Hauke Brunkhorst befasste sich 1999 mit dem Verhältnis zwischen Habermas und Arendt. Habermas habe Übereinstimmungen seiner Theorie kommunikativen Handelns mit Arendts Theorie der Macht und Gewalt entdeckt, halte aber Distanz zu ihrem Aristotelismus und zu ihrer Kritik an der Französischen Revolution.[182]

Die Habermas-Schüler Helmut Dubiel, Ulrich Rödel und Günter Frankenberg haben in Die demokratische Frage (1990) versucht, „mit Hilfe von Arendt das Demokratiedefizit der älteren kritischen Theorie zu reparieren“.[183] Damit begann nach Brunkhorst die große Wirkung von Hannah Arendt in den achtziger Jahren, als die civil society (Zivilgesellschaft) auf der Tagesordnung stand. Anlass war demnach einerseits die neoliberale Politik Ronald Reagans und Margaret Thatchers und andererseits die Politik der Sowjetunion.

Seyla Benhabib fragt sich, wie die Arendt-Renaissance zu erklären ist. „Nach dem Fall des autoritären Kommunismus und seitdem die marxistische Theorie weltweit den Rückzug angetreten hat, erwies sich Hannah Arendts Denken als die kritische politische Theorie des posttotalitären Augenblicks.“ Auch für die moderne Frauenbewegung sei Arendt „ein beeindruckendes und geheimnisvolles Vorbild, eine unserer ‚früheren Mütter‘“.[184] Die feministische Bewegung in den 1970er und 1980er Jahren hatte sich hingegen kaum auf Arendt bezogen.

Im Jahr 1998 kritisierte Walter Laqueur den „Arendt-Kult“, insbesondere in Deutschland. Besonders auf Schriftstellerinnen übe sie eine Faszination aus, werde als Heldin betrachtet, als größte Philosophin unserer Tage oder aller Zeiten, was sie eventuell auch gewesen sei. „Man erkennt eine faszinierende Diskrepanz zwischen Arendt als politischer Philosophin und ihrem mangelnden Urteilsvermögen in Bezug auf die aktuelle politische Situation.“ Er spricht in diesem Zusammenhang von „gewohnheitsmäßigen Fehleinschätzungen“, wirft ihr, wie Scholem, ihre Haltung zu Israel und Palästina vor und konstatiert mit scharfen Worten eine Distanz zum Judentum.[185]

2005 zählte Ralf Dahrendorf Hannah Arendt mit Einschränkungen zu den wenigen eigenständigen humanistischen und freiheitlichen Denkern des vorigen Jahrhunderts.

Gedenktafel an Arendts Wohnhaus in Heidelberg, Schlossberg 16, angebracht im Jahr 2006

Ihr wurde häufig vorgehalten, sie unterschätze die sozialen Fragen. 1972 entgegnete sie in einem Gespräch mit Freunden darauf, beispielsweise der Wohnungsbau sei eine Frage der Verwaltung, enthalte aber auch politische Aspekte wie das Integrationsproblem.[186] Sie selbst hat ihr – radikal Traditionen und Weltanschauungen in Frage stellendes – Denken immer wieder ausdrücklich auf das Politische beschränkt. Rahel Jaeggi setzte sich 2008 mit dem politischen Denken in Kontrast und in Verbindung zum sozialen auseinander.[187]

Elisabeth Young-Bruehl verwies 2006 darauf, dass Arendts politisches Konzept des Vergebens und des Neubeginnens fünfzehn Jahre nach ihrem Tod in der Wahrheits- und Versöhnungskommission von Südafrika umgesetzt wurde: „Her ideas about forgiveness and her book on Eichmann influenced and were reflected in the action, the new beginning, that brought the South African Truth and Reconciliation Commission (TRC), which, for the first time in history, made forgiveness a guiding principle for a state.“[188]

Es existiert keine philosophische oder politologische Schule, die sich auf Hannah Arendt beruft. Ihr weit verzweigtes Werk bietet die Möglichkeit, passende Versatzstücke für die Begründung der eigenen Position herauszugreifen. Nach eigener Auskunft war sie – anders als viele bedeutende intellektuelle Zeitgenossen – niemals Sozialistin oder Kommunistin, andererseits aber auch nicht durchgängig Zionistin und passte auch in kein anderes Schema hinein. Daher gab es lange Zeit nur wenige Wissenschaftler, wie Jürgen Habermas und Ernst Vollrath,[189] die ihr Gesamtwerk ernst nahmen.

Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. In den Zeiten der Postmoderne werden ihr individuelles „Denken ohne Geländer“, ihre Ausführungen über Pluralität und Vielstimmigkeit eher geschätzt, auch weil – wie häufig angemerkt wird – ihr Denk- und ihr Lebensweg ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen.[190] Etwa seit 1945 konnte Arendt in den USA durchgängig in großem Umfang publizieren, seit 1953 akademisch lehren und in der Öffentlichkeit eine bedeutende Stellung als politische Intellektuelle einnehmen, eine Tatsache, die Thomas Wild folgendermaßen kommentiert: „Eine «Karriere» dieser Art wäre für eine Frau in den Ländern des alten Europas zu jener Zeit kaum vorstellbar gewesen.“[191]

Amos Elon, Journalist und Schriftsteller, ordnete ihre Bedeutung ein mit den Worten „Das 20. Jahrhundert ist ohne Hannah Arendt gar nicht zu verstehen.“[192]

Nachlass und Einrichtungen

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Ihre Bibliothek, die nahezu 4000 Bücher und andere Papiere umfasste, befindet sich seit 1976 im Bard College in New York, das eine Übersicht digitalisiert öffentlich zugänglich macht.[193]

Graffito von BeneR1 und koart an Arendts Geburtshaus mit der Aufschrift: „Niemand hat das Recht zu gehorchen.“ Im Original aus dem Radiointerview mit Joachim Fest 1964: „Kein Mensch hat bei Kant das Recht zu gehorchen“[194]

Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. (HAIT) in Dresden arbeitet seit 1993.[195] Es hat sich zum Ziel gesetzt, „Diktaturen mit totalitärem Verfügungsanspruch“ zu untersuchen. Historiker und Sozialwissenschaftler sollen auf empirischer Grundlage die politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Nationalsozialismus und des SED-Regimes analysieren. Das Institut führt überdies Tagungen zu Hannah Arendt durch und unterstützt posthume Veröffentlichungen.[196]

Die 1997 gegründete ungarische Hannah-Arendt-Gesellschaft richtet sich vor allem an pädagogisches Personal und beschäftigt sich u. a. mit einer Neudefinition der Menschenrechte angesichts der Arendt-These, dass die industrielle Massenvernichtung nur möglich war, weil die Menschenrechte weder philosophisch begründet noch politisch durchgesetzt, sondern lediglich proklamiert worden seien.[197]

In Zürich, wo Arendt 1958 den Vortrag Freiheit und Politik[198] gehalten hatte, fanden 1996 bis 2000 jährlich Hannah-Arendt-Tage statt, die sich – jeweils unter einem anderen Blickwinkel – mit ihrem politischen Denken befassten. Seit 1998 werden auch in Hannover jeden Sommer ähnliche Veranstaltungen durchgeführt und deren Ergebnisse publiziert.[199]

An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg gründete Antonia Grunenberg 1999 das Hannah Arendt-Zentrum sic!].[200] Es verfügt über Originale und Kopien des größten Teils der Dokumente aus Arendts Nachlass. Außerdem werden die Hannah Arendt Studien als Buchreihe herausgegeben. Hinzu kommen Tagungen und andere Veranstaltungen zu den Werken Arendts und allgemein zur Geistesgeschichte des vorigen Jahrhunderts.

Das Hannah Arendt Center an der New School for Social Research in New York – Arendt war dort in ihren letzten Lebensjahren als Professorin tätig – existiert seit dem Jahr 2000.[201] Sein Leiter ist Jerome Kohn, der bei Arendt wissenschaftlicher Mitarbeiter war, über sie publiziert hat und gegenwärtig ihren Nachlass verwaltet.

Seit 2005 wird in Berlin der Internationale Hannah-Arendt-Newsletter[202] herausgegeben mit deutschen, englischen und seltener französischen Beiträgen, darunter auch bisher noch unveröffentlichten Arbeiten Arendts.

Verkürztes Hannah-Arendt-Zitat „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ in Bozen

Der 1990 entdeckte Asteroid „(100027) Hannaharendt“ wurde 2006 nach ihr benannt.[203]

Seit 1995 wird der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken vergeben und von der Stadt Bremen sowie der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen finanziert.[204]

Etwa seit der Jahrtausendwende kann man von einem Arendt-Boom in Deutschland sprechen. Hannover, Marburg und Heidelberg haben Gedenktafeln an den entsprechenden Wohnstätten angebracht, einige Schulen[205] sowie Straßen und Plätze sind nach ihr benannt, öffentliche Veranstaltungen wie Vorträge, Symposien und Ausstellungen durchgeführt. Aus Anlass ihres 30. Todestages 2005 und kurz darauf zu ihrem 100. Geburtstag erschienen zahlreiche Artikel und Bücher. In den Universitäten und anderen Forschungsstätten interessieren sich zunehmend neben Philosophen, Politologen und anderen Sozialwissenschaftlern auch Historiker und Literaturwissenschaftler für Hannah Arendt.

Hannah-Arendt-Weg in Hannover

In Berlin wurde 2005 die Straße neben dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas nach ihr benannt. In Wien-Donaustadt wurde 2012 der Hannah-Arendt-Platz und der Hannah-Arendt-Park im neu entstehenden Stadtteil Seestadt Aspern nach ihr benannt. 2015 wurde der vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover liegende Hannah-Arendt-Platz nach ihr benannt. Zudem ist seit 1986 in Hannover ein Weg entlang der Leine als Hannah-Arendt-Weg benannt.[206] Weitere Straßen in u. a., in Gießen, Oldenburg und Heidelberg sind nach ihr benannt.

Im Jahr 2017 wurde in Bozen ein aus der Zeit des Faschismus stammendes und diesen verherrlichendes Monumental-Relief an der Casa Littoria von den Südtiroler Künstlern Michele Bernardi und Arnold Holzknecht mit der Anbringung eines Hannah-Arendt-Zitats – in verkürzter Form – zu einem öffentlichen Mahnmal umgestaltet.[207]

Das Deutsche Historische Museum Berlin widmet ihr in Kooperation mit der Bundeskunsthalle in Bonn eine Ausstellung im Winter 2020/21.[208]

Alma Zadić, damals Abgeordnete der Liste Pilz im österreichischen Nationalrat, wählte 2018 ein Gastlokal am Hannah-Arendt-Platz, Wien als Ort für ein Interview: „Ich würde mir viel mehr Straßennamen von starken Frauen in der Innenstadt wünschen und nicht ‚nur‘ hier am Stadtrand.“[209]

In Potsdam, Berlin, Krefeld, Erfurt und Markranstädt[210] tragen Gymnasien ihren Namen. Am Wohnhaus in der Babelsberger Merkustraße 3, in dem sie 1929 mit Günther Stern zusammengelebt hat, wurde am 14. Oktober 2021 eine Gedenktafel angebracht.[211]

Bücher, Vorlesungen und größere Schriften

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Erstausgabe 1963 mit einem Zitat von Bertolt Brecht
  • Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation. Berlin, Julius Springer 1929. Neuausgaben: (mit einer Einleitung und Anmerkungen von F. A. Kurbacher) Philo Verlagsgesellschaft, Berlin / Wien 2003, ISBN 3-86572-343-8; Meiner Verlag, Hamburg 2018, ISBN 978-3-7873-2990-8, (Dissertation)
  • The Origins of Totalitarianism. New York 1951, dt. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Frankfurt a. M., 1955; 10. Aufl. Piper, München 2003, ISBN 3-492-21032-5.
  • Über den Totalitarismus. Texte Hannah Arendts aus den Jahren 1951 und 1953 (Vorwort und abschließende Bemerkungen zur 1. Auflage von The Origins of Totalitarianism und Kontroverse mit Eric Voegelin). Übers. Ursula Ludz, Kommentar Ingeborg Nordmann. Hannah-Arendt-Institut, Dresden 1998, ISBN 3-931648-17-6.
  • Rahel Varnhagen: The Life of a Jewess. London 1958, dt. Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik. Piper, München 1959; Neuauflagen: 1981–1998, ISBN 3-492-20230-6.
  • The Human Condition. University Press, Chicago 1958; dt. Vita activa oder Vom tätigen Leben. Kohlhammer, Stuttgart 1960; Piper, München 1967, 3. Aufl. 2002, ISBN 3-492-23623-5.
  • Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil. Viking Press, New York 1963.
    • Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Von der Autorin durchgesehene und ergänzte deutsche Ausgabe. Übersetzung Brigitte Granzow. Piper, München 1964.
  • On Revolution. New York 1963, dt.: Über die Revolution. Piper, München 1963, 4. Aufl. 2000, ISBN 3-492-21746-X.
  • Some Questions of Moral Philosophy 1965, dt. Einige Fragen der Ethik. Vorlesung in vier Teilen. In: Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik. Piper, München 2006, ISBN 3-492-04694-0, (engl. Responsibility and Judgment) Einleitung, posthum erstmals veröffentlicht.
  • On Violence. New York / London 1970, dt. Macht und Gewalt. Piper, München 1970; 15. Auflage, 2003, ISBN 3-492-20001-X. Anhang: Adelbert Reif: Interview mit Hannah Arendt zu Macht und Gewalt, 1970.
  • Lectures on Kant’s Political Philosophy. Chicago 1982, dt. Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie. Piper, München 1985, ISBN 3-492-22560-8, Vorlesung 1970, posthum erstmals veröffentlicht.
  • The Life of the Mind. New York 1978, dt. Vom Leben des Geistes. Bd. 1: Das Denken. Bd. 2: Das Wollen. Piper, München 1979, ISBN 3-492-22555-1, Vorlesungen 1973 und 1974, posthum erstmals veröffentlicht.
  • Denktagebuch 1950–1973. Hrsg. Ursula Ludz, Ingeborg Nordmann in Zusammenarbeit m. d. Hannah-Arendt-Institut, Dresden. 2 Bände. Piper, München / Zürich 2002, ISBN 3-492-04429-8, posthum erstmals veröffentlicht.
  • The Jewish Writings. Hrsg. Jerome Kohn, Ron H. Feldman, Schocken, New York 2007, ISBN 978-0-8052-4238-6, Rezensionen:[212]
  • Mir ist, als müsste ich mich selbst suchen gehen. Das private Adressbuch 1951–1975. Hrsg. Christine Fischer-Defoy. Koehler & Amelang, Leipzig 2007, ISBN 978-3-7338-0357-5.
  • Sokrates. Apologie der Pluralität. Aus dem Englischen von Joachim Kalka. Matthes & Seitz, Berlin 2015, ISBN 978-3-95757-168-7, Rezension:[213]

Essays, Artikel und kleine Schriften

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  • Die verborgene Tradition. Acht Essays (1932–1948). Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1976, ISBN 3-518-36803-6; [vergriffen ab 2010] Jüdischer Verlag, 2000, ISBN 3-633-54163-2, darin: Zueignung an Karl Jaspers. 1947, Über den Imperialismus 1946, Organisierte Schuld 1946, Die verborgene Tradition 1948, (Stefan Zweig) Juden in der Welt von gestern 1944, Franz Kafka, (von Neuem gewürdigt) 1946, Aufklärung und Judenfrage 1932, Der Zionismus aus heutiger Sicht (englisch 1945).
  • What is Existenz Philosophy? New York 1946. Was ist Existenzphilosophie? In: Sechs Essays. Schriften der Wandlung. 3, Heidelberg 1948; Neuerscheinung: Verlag Anton Hain, Frankfurt a. M. 1990, ISBN 3-445-06011-8.
  • Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher. Beiträge für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung „Aufbau“ 1941–1945. Hrsg. Marie Luise Knott, Piper, München 2004, ISBN 3-492-24178-6. Sammlung von 40 Texten.
  • From the Dreyfus Affair to France Today. In: Essays on Antisemitism. Koppel S. Pinson (Hrsg.); Salo W. Baron (Vorwort). Conference on Jewish Relations, New York 1946 (nur in dieser 2. Auflage enthalten). Reihe: Jewish Social Studies. Publications, Bd. 2, S. 173–217.[214]
  • Reflections on Literature and Culture. Hrsg. und Vorwort Susannah Young-Ah Gottlieb. Stanford University Press SUP, Stanford, Calif. 2007, ISBN 978-0-8047-4499-7 (engl. Das Buch enthält etliche schwer greifbare Aufsätze Arendts, u. a. aus den 1930er Jahren. U. a. über: Duineser Elegien, Gentz, Adam Müller, Käte Hamburger, Dostojewski: Die Dämonen, Emerson-Thoreau-Preisrede, Franz. Existentialismus, Bernard Lazare, Proust, Kipling (dieser Text ist identisch mit dem entsprechenden Kapitel aus Elemente und Ursprünge), den Maler Carl Heidenreich, von dem das Frontispiz stammt, und Herman Melville. Im Anhang werden Arendts unterschiedliche dt.-engl. Versionen verglichen mit Stefan Zweig, Kafka, „Kultur und Politik“, Brecht.)
  • Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze (1943–1964). Hrsg. Eike Geisel, Klaus Bittermann. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1991, ISBN 3-8031-2196-5 (Übers. d. amerikan. Originalfassung).
  • Zur Zeit. Politische Essays (1943–1975). Rotbuch, Hamburg 1999, ISBN 3-434-53037-1 (Erstmals 1986). Inhalt: Wir Flüchtlinge[215] (1943); zur Deutschlandfrage (1945); zu den Nachwirkungen des Naziregimes (Besuch in Deutschland 1950); zum wachsenden Antiamerikanismus, der Atombombe und dem Konformismus der MC-Carthy-Ära (1954); zur Negerfrage und den Grenzen der Integration (1957); zum Recht auf Zivilen Ungehorsam (1970) und zur „Kunst des Vergessens“ nach Vietnam und Watergate (1975).
  • Nach Auschwitz. Essays und Kommentare (1944–1965). Hrsg. Eike Geisel, Klaus Bittermann. Edition Tiamat, Berlin 1989, ISBN 3-923118-81-3.
  • Es gibt nur ein einziges Menschenrecht. In: Die Wandlung. Hrsg. Dolf Sternberger. Lambert Schneider, Heidelberg 4. Jg., Dezember 1949, S. 754–770 (Übersetzung von: ›The Rights of Man‹. What Are They? In: Modern Review. NY 1949, 3 (1), S. 24–36).
  • In der Gegenwart. Übungen zum politischen Denken II. Hrsg. Ursula Ludz. Piper, München 2000, ISBN 3-492-22920-4; Texte 1944–1975, darin u. a.: Gestern waren sie noch Kommunisten …. 1953 und Die Lüge in der Politik. Überlegungen zu den Pentagon Papieren 1971.
  • Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlass 1950–1959. Vorwort: Kurt Sontheimer, Hg.: Ursula Ludz. Piper, München 1993, ISBN 3-492-23770-3 (TB 2. Auflage. 2005).
  • Un viatique pour lire Machiavel („Kleine Anleitung, M. zu lesen“) Bisher nicht veröff. Texte von 1955, Vorlesungen an der Univ. Berkeley (frz. Übers. von Marie Gaille-Nikodimov) in: Magazine littéraire, Paris, No. 397, April 2001, dito brasilianisch-port. Übers. (aus dem Frz. von Gabriel Cohn) scielo.br Original, als Scan des Ms. (englisch) siehe Weblinks: The Hannah Arendt Papers, in der Library of Congress, 33 S. (ebenfalls über andere polit. Denker der Zeit, u. a. Locke, Rousseau, Hobbes, Montesquieu, Tocqueville).
  • Was ist Autorität? In: Der Monat. Band 8, Nr. 89 (1955–1956), Februar 1956, S. 29–44. Mehrere Fassungen
  • Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart. Vier Essays. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt a. M. 1957, aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Charlotte Beradt; Inhalt: Geschichte und Politik, Natur und Geschichte, Tradition und Neuzeit, Was ist Autorität?
  • Die Ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus. Aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Charlotte Beradt. Piper, München 1958.
  • Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I. Texte 1954–1964. Hg. Ursula Ludz. Piper, München 1994, 2. durchges. Aufl. 2000, ISBN 3-492-21421-5; darin u. a.: Die Krise in der Erziehung 1958, Wahrheit und Politik 1967 (Originalfassung: Between Past and Future. 1961, erweitert 1968).
  • Menschen in finsteren Zeiten. Essays u. a. Texte 1955–1975. Hg. von Ursula Ludz. Piper, München 2001, ISBN 3-492-23355-4. (Originalfassung: Men in Dark Times. New York 1968)
  • Zusammen mit Günther Stern: Rilkes „Duineser Elegien“. (1930) Nachdruck in Ulrich Fülleborn, Martin Engel: Materialien zu Rilkes D. E., Bd. 2: Forschungsgeschichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-38510-0, S. 45–65.
  • Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte. Hg. und Nachwort Irmela von der Lühe. Piper, München 2015, ISBN 978-3-492-05716-5.[216]
  • Wahrheit und Lüge in der Politik. Piper, München 2013, ISBN 978-3-492-30328-6 (zwei Essays, zuerst veröffentlicht 1971 und 1972).
  • Die Freiheit, frei zu sein. Aus dem amerikanischen Englisch von Andreas Wirthensohn. Nachwort von Thomas Meyer. DTV, München 2018, ISBN 978-3-423-14651-7. Dieser im Zusammenhang mit Über die Revolution (engl. 1963, dt. 1965) entstandene englische undatierte Text ist zu Arendts Lebzeiten nicht erschienen. Laut Thomas Meyer (S. 46) ist es wahrscheinlich, dass ihre am 21. April 1967 in Chicago gehaltene Rede Revolution and Freedom eine veränderte Version dieses Manuskripts darstellt.[217]
  • Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur? Piper, München 2018, ISBN 978-3-492-23828-1.
  • Über Palästina. Hg. von Thomas Meyer. Piper, München 2024, ISBN 978-3-492-07319-6.[218]

Reden und Vorträge

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  • Karl Jaspers. In: Reden zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1958. Piper, München 1958; wieder in H. A.: Menschen in finsteren Zeiten. Piper, 1968 u. ö., S. 89–98; in Audio-Version: Von Wahrheit und Politik. 5 CDs: Originalaufnahmen aus den 50er und 60er Jahren. DHV Der Hörverlag, 2006, ISBN 3-89940-906-X.
  • Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten. Rede am 28. September 1959 bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg. EVA, Hamburg 1999, ISBN 3-434-50127-4.
  • Kollektive Verantwortung. (Memento vom 18. Januar 2012 im Internet Archive) Vortrag aus dem Jahr 1968.
  • Die Sonning-Preis-Rede. Kopenhagen 1975. In: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur. Hrsg. Heinz Ludwig Arnold. 166/167, Schwerpunkt: Hannah Arendt, IX/05, ISBN 3-88377-787-0.

Interviews und Hörtexte

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Mit:

Für die Werke und Texte Arendts bis 1996 gibt es die fast vollständige chronologische, deutsch-englische Bibliografie in Ich will verstehen (2005) und bei Young-Bruehl (diese nur bis 1978). Hilfreich sind die Angaben des Internet-Portals www.hannaharendt.net. insbesondere auch fremdsprachige Literatur, nach Erscheinungsjahr geordnet (Sek.-Lit. seit 2000, primäre seit 1929). Nützlich ist ebenfalls die leicht zugängliche Einführung von Wolfgang Heuer, die in der letzten Auflage einen Großteil von Arendt-Texten auflistet, welche bis 2003 erschienen sind. Im „Text & Kritik“-Heft von 2005 hat Sarah Hemmen die Sekundärliteratur gelistet. Eine neueste Auflistung (Primär- und Sekundär-Literatur) bei Thomas Wild (2006), S. 143 ff., der im Text auch die Sekundärliteratur kurz darstellt und kommentiert. Eine weitere, übersichtliche Bibliografie (primär und sekundär) ist online zugänglich.[222] Joan Nordquist hat 1989 eine wissenschaftliche Bibliographie nur englischer Titel vorgelegt: University of Santa Cruz, 63 Seiten. Die ausführlichste Liste gibt es seit 2018 in John M. Spalek, Konrad Feilchenfeldt, Sandra H. Hawrylchak (Hrsg.): Bibliographien. Schriftsteller, Publizisten und Literaturwissenschaftler in den USA. Teil 1: A – G. de Gruyter, Berlin 2018, ISBN 978-3-11-097553-6, in Google Bücher, ausführliches Werks- und Rezensionsverzeichnis mit 31 Treffern über die dortige Suchmaschine, etliche davon sind mehrseitig.

  • Sechs Essays. Schneider, Heidelberg 1948 (Inhalt: Die verborgene Tradition; Franz Kafka; Juden in der Welt von gestern; Organisierte Schuld; Über den Imperialismus; Was ist Existenz-Philosophie?; Zueignung an Jaspers).
  • Wir Juden. Schriften 1932 bis 1966. Zusammengestellt und herausgegeben von Marie Luise Knott und Ursula Ludz, Piper, München 2019, ISBN 978-3-492-05561-1.
  • Freundschaft in finsteren Zeiten [Die Lessing-Rede mit Erinnerungen von Richard Bernstein, Mary McCarthy, Alfred Kazin und Jerome Kohn]. Matthes & Seitz, Berlin 2018, ISBN 978-3-95757-606-4.
  • Denken ohne Geländer. Texte und Briefe. Piper München, Zürich 2006, ISBN 3-492-24823-3 (Zusammenstellung kurzer Textauszüge zur Philosophie, zum politischen Denken, zum politischen Handeln, zur Situation des Menschen, Lebensgeschichten).
  • Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk. Hg. Ursula Ludz. Piper, München 1996; Neuauflage 2005, ISBN 3-492-24591-9 (darin u. a. Brief an Scholem 1963, Fernsehgespräche mit Thilo Koch 1964, Günter Gaus 1964, Roger Errera 1973, Diskussion mit Freunden in Toronto 1973).
  • Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim Fest. Eine Rundfunksendung aus dem Jahr 1964. Hg. Ursula Ludz und Thomas Wild (Vorbemerkung und Anmerkungen), Okt. 2007, online, (Memento vom 26. Januar 2012 im Internet Archive).
  • Hannah Arendt und Karl Jaspers: Briefwechsel 1926–1969. Piper, München 2001, ISBN 3-492-21757-5.

Kritische Gesamtausgabe

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Die Kritische Gesamtausgabe der Werke Hannah Arendts (hrsg. v. Anne Eusterschulte, Eva Geulen, Barbara Hahn, Hermann Kappelhoff, Patchen Markell, Annette Vowinckel u. Thomas Wild) veröffentlicht sämtliche Schriften der Autorin mit Ausnahme der Briefe. Jeweils rund ein Jahr nach dem Erscheinen der Werke in Buchform sind diese auf der Website https://hannah-arendt-edition.net verfügbar.

Elisabeth Young-Bruehl (1982)

Philosophiebibliographie: Hannah Arendt – Zusätzliche Literaturhinweise zum Thema

  • Randall Jarrell: Pictures from an Institution. A Comedy. Chicago 1954 (Neuauflage 1986). Jarrell widmete das Buch seiner Frau und H.A., mit der ihn eine Freundschaft verband. Die Figur „Irene“ trägt Arendts Züge.
  • Uwe Johnson: Jahrestage – Aus dem Leben von Gesine Cresspahl. Bd. 1. Suhrkamp, Frankfurt 1970. Die entsprechende Romanfigur trägt den Titel „Gräfin Seydlitz“.
  • Arthur Allen Cohen: An Admirable Woman. David R. Godine Publ., Boston/USA 1984 (Neuauflage 1994). Für die Hauptfigur „Erika Herz“ diente H.A. als Vorbild.
  • Catherine Clément: Martin und Hannah. Roman. Rowohlt, Berlin 2000, ISBN 3-87134-400-1 (aus d. Franz.).
  • Leslie Kaplan: Fever. POL, Paris 2005; Berlin Verlag, 2006 (Ein philosophischer Roman nach Hannah Arendts Eichmann-Buch. Kaplan greift Arendts Thesen zu Kommunikation, Freiheit und Schuld auf).
  • Hildegard Elisabeth Keller: Was wir scheinen. Roman. Eichborn, Köln 2021.
Commons: Hannah Arendt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks: Biografie und Werk Hannah-Arendts – Lern- und Lehrmaterialien

Datenbanken

Biografien

Kritische Gesamtausgabe

  • https://hannah-arendt-edition.net/ bisher:
    • Band 2: Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik / The Life of a Jewess / The Life of a Jewish Woman. Online
    • Band 3: Sechs Essays / Die verborgene Tradition. Online
    • Band 6: The Modern Challenge to Tradition: Fragmente eines Buchs. Online

Verschiedenes

  1. Paul R. Bartrop, Steven Leonard Jacobs: Fifty key thinkers on the Holocaust and Genocide. 1. Auflage. Routledge, Florence (Kentucky), USA 2010, ISBN 978-0-415-77551-9, S. 14.
  2. a b Transkript des Interviews Arendt–Gaus. In: rbb, 1964.
  3. Vgl. Kurt Sontheimer: Hannah Arendt. Piper, München / Zürich 2005, S. 23.
  4. Vgl. Kurt Sontheimer: Hannah Arendt. Piper, München / Zürich 2005, S. 23f.
  5. Vgl. Kurt Sontheimer: Hannah Arendt. Piper, München / Zürich 2005, S. 24.
  6. Der Familienname war Mendelsohn mit einem S und nicht wie fälschlich von Elisabeth Young-Bruehl kolportiert mit zwei S, siehe: Wie ich einmal ohne dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen. Briefwechsel mit den Freundinnen Charlotte Beradt, Rose Feitelson, Hilde Fränkel, Anne Weil und Helen Wolff, 2017, S. 22, Fn. 5.
  7. Vgl. die Darstellung v. a. aufgrund beider Briefwechsel bei Elzbieta Ettinger: Hannah Arendt – Martin Heidegger. Eine Geschichte. München 1995.
  8. Alfred Denker: Unterwegs in Sein und Zeit. Einführung in Leben und Denken von Martin Heidegger. Stuttgart 2011, S. 67.
  9. Hannah Arendt: For Love of the World. Yale University-Press, New Haven / London 1982, dt.: Hannah Arendt. Leben und Werk. Übers. Hans Günter Holl. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 1986, S. 92ff.
  10. Die Korrespondenz: Hannah Arendt, Kurt Blumenfeld. Hamburg 1995, S. 52.
  11. Elisabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit. Frankfurt a. M. 1986, S. 123–127.
  12. Vgl. Herta Nagl-Docekal, Ludwig Nagl: Augustinuslektüren im Kontext der Gegenwartsphilosophie. In: Bert van den Brink, Marcus Düwell u. a. (Hrsg.): Geschichte – Politik – Philosophie. FS Willem van Reijen, Wilhelm Fink Verlag, München 2003, S. 24–38 (zu Arendt 25–30), 25; unter Bezugnahme insbesondere auf Ronald Beiner: Love and Worldliness: Hannah Arendt’s Reading of Saint Augustine. In: Larry May, Jerome Kohn (Hrsg.): Hannah Arendt. Twenty Years Later. Cambridge MA / London 1996, S. 269–284, 276; Joanna Vecchiarelli Scott, Judith Chelius Stark: Rediscovering Hannah Arendt. In: Hannah Arendt: Love and Saint Augustine. Chicago / London 1996, S. 115–212, 135 f.
  13. Ursula Ludz (Hrsg.): Hannah Arendt / Martin Heidegger, Briefe 1925–1975. Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 1999, S. 50 f. (Brief H. an A. vom 18. Oktober 1925).
  14. Kerstin Putz (Hrsg.): Hannah Arendt – Günther Anders. Schreib doch mal hard facts über Dich. Briefe 1939 bis 1975. Texte und Dokumente. München 2016, S. 229.
  15. Philosophie und Soziologie. Rezension. In: Die Gesellschaft, 1930, S. 163 ff.
  16. Dagegen betont Christian Dries: (Zwar) „scheiterten seine Habilitationspläne – jedoch nicht, wie häufig kolportiert, an einer Intrige des ein Jahr jüngeren Adorno, der wie Stern [= Anders] auf musikphilosophischem Terrain arbeitete.“ (Ch. Dries: Vita Günther Anders (1902–1992), abgerufen am 28. Juni 2023.)
  17. Aufklärung und Judenfrage. In: Geschichte der Juden in Deutschland. 4. Jahrgang, Heft 2/3, Berlin 1932. Wieder in: H. A.: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Suhrkamp 1976, S. 108–126. Engl. Fassung in: H. A.: Jewish Writings. Hrsg. Jerome Kohn, Ron Feldman. Schocken, New York 2007.
  18. Rezension über Alice Rühle-Gerstel: Das Frauenproblem in der Gegenwart. Eine psychologische Bilanz. In: Die Gesellschaft, Jg. 10, Nr. 2, 1932, S. 177–179.
  19. Hannah Arendt und Karl Jaspers: Briefwechsel 1926–1969. München 2001, S. 52 ff.
  20. Transkript des Interviews Arendt–Gaus, 1964. Zum Verständnis ihres Judentums siehe Iris Pilling: Denken und Handeln als Jüdin. Hannah Arendts politische Theorie vor 1950. Frankfurt a. M. u. a. 1996; und Michael Daxner: Die jüdische Gestalt von Hannah Arendt. (Memento des Originals vom 21. Februar 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uni-oldenburg.de (PDF; 187 kB) In: Universität Oldenburg, 2006, (PDF; 192 kB).
  21. Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus, YouTube.
  22. In der Nachkriegszeit nahm von Wiese den Kontakt wieder auf, den A. jedoch nach einigen Jahren ein zweites Mal abbrach wegen seiner öffentlichen Bagatellisierung seiner Beteiligung an der NS-Gleichschaltung. 1933 hatte er sich für die „Entfernung des jüdischen Blutes“ von deutschen Universitäten ausgesprochen. Dieser bisher unveröffentlichte Briefwechsel ist in Auszügen enthalten in: Klaus-Dieter Rossade: „Dem Zeitgeist erlegen.“ Benno von Wiese und der Nationalsozialismus. Synchron, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-935025-81-2 (= Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte; Bd. 9).
  23. Arendt an Jaspers, S. 126 (Mitte 1947).
  24. Christian Dries: Günther Anders und Hannah Arendt – eine Beziehungsskizze. In: Günther Anders: Die Kirschenschlacht. Dialoge mit Hannah Arendt. Hrsg. Gerhard Oberschlick, München 2011, S. 71–116.
  25. Christian Dries: Günther Anders und Hannah Arendt – eine Beziehungsskizze. In: Günther Anders: Die Kirschenschlacht. Dialoge mit Hannah Arendt. Hg. Gerhard Oberschlick, München 2011, S. 71–116, hier S. 80.
  26. Auf Italienisch: Hannah Arendt Martin Heidegger, Lettere 1925-1975, Einaudi 2007, S. 55. Auf Deutsch: Ursula Ludz (Hrsg.) Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse. Klostermann, Frankfurt am Main 1998; 3., erweiterte Aufl. ebenda 2002, ISBN 3-465-03205-5, darin: H.A. für M.H.: Schatten. April 1925.
  27. Arendt bezeichnete Fränkel gegenüber Scholem als Psychiater (Brief an Scholem v. 22. September 1945, in: Der Briefwechsel. Hannah Arendt Gerschom Scholem. Berlin 2010, S. 79).
  28. Wolfgang Heuer: Hannah Arendt. Reinbek bei Hamburg 1987, S. 31.
  29. Ausführlich zu beider Beziehung: Bernd Neumann: Hannah Arendt und Heinrich Blücher. Berlin 1998.
  30. Käthe Hirsch: Im Pariser Sammellager Vélodrome d’Hiver. Paris, September 1976. In: Hanna Schramm, Barbara Vormeier: Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein französisches Internierungslager 1940–1941. Heintz, Worms 1977, ISBN 3-921333-13-X, Anhang, S. 332–334.
  31. Hannah Arendt: Wir Flüchtlinge. In: dies.: Zur Zeit. Politische Essays. Hrsg. von Marie Luise Knott. München 1989, S. 8 f.
  32. Elisabeth Young-Bruehl, S. 223 ff. und leicht davon abweichend Katrin T. Tenenbaum (Universität Rom) in ihren Erläuterungen zum von ihr herausgegebenen Briefwechsel zwischen Arendt und Adler-Rudel (veröffentlicht 2005).
  33. Illuminations. Walter Benjamin. Essays and Reflections. Hrsg. Hannah Arendt. Schocken, New York 1969.
  34. Thomas Meyer: Hannah Arendt. Die Biografie. 2023, S. 15–18.
  35. Originalausgabe 27. März 1942, Wiederabdruck im Aufbau, Doppelheft 12/2008 und 1/2009, S. 33.
  36. Elisabeth Young-Bruehl, S. 250ff. Im Herbst 1945 erschien ihr kritischer Artikel Zionism Reconsidered. In: The Menorah Journal, 33. Jahrgang, 1945, Nr. 2, S. 162–196, dessen deutsche Ausgabe erst nach ihrem Tod veröffentlicht wurde. (Der Zionismus aus heutiger Sicht. In: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Frankfurt a. M. 1976, S. 127–168.)
  37. In: Zur Zeit. Politische Essays. Hamburg 1999, S. 43–70. Der Artikel erschien zunächst ausschließlich in den USA.
  38. Arendt an Jaspers, 11. November 1946, S. 103., französische Edition dieses Textes 1946.
  39. Was ist Existenzphilosophie? Wieder Anton Hain, Frankfurt a. M. 1990.
  40. La Philosophie de l’Existence. in: Deucalion. Cahiers de Philosophie. Vol. 2. Editions de la Revue Fontaine, Paris 1947, S. 215–252.
  41. Hannah Arendt: Sechs Essays. Reihe: Schriften der Wandlung. 3. Lambert Schneider, Heidelberg 1948.
  42. Hannah Arendt – Uwe Johnson. Der Briefwechsel. Frankfurt am Main 2004, S. 114.
  43. Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten. In: Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze. Berlin 1991, S. 39–75.
  44. In Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten.: Juda Leib Magnes
  45. Hannah Arendt u. a.: Der Besuch Menahem Begins und die Ziele seiner politischen Bewegung. Offener Brief an die „New York Times“. In: Israel, Palästina …, S. 117 ff. (archive.org).
  46. Hannah Arendt, Mary McCarthy: Im Vertrauen. Briefwechsel 1949–1975. München 1997, S. 365 f., (Okt. 1969).
  47. Arendt an Jaspers, S. 134.
  48. Arendt benutzt auch den Begriff „Verbrechen gegen die Menschheit“, wie Karl Jaspers und sie den Ausdruck der Alliierten: „crime against humanity“ – in Abgrenzung zu der gebräuchlicheren Fassung „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ – übersetzten.
  49. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Piper, München / Zürich 1986 (TB), 17. Auflage, 2014, S. 968.
  50. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Piper, München / Zürich 1986 (TB), 17. Auflage, 2014, S. 614.
  51. In der engl. Originalfassung: “Totalitarism, the race question, the decay of the European nation state system, the emancipation of colonial peoples, the liquidation of British imperialism” und “Antisemitism, the Palestine issue, migrations, homelessness, etc.” Zit. nach: I. Pilling, S. 13 f. Es handelt sich um eine Dissertation, die größtenteils auf veröffentlichten und unveröffentlichten Originalquellen beruht.
  52. Arendt an Jaspers, S. 127.
  53. Amerikanische Originalfassung, Neuauflage: In der Gegenwart. Übungen zum politischen Denken II. München 2000, S. 228 ff.
  54. BVerfG, Beschluss vom 4. November 1971 – Aktenzeichen 2 BvR 493/66
  55. Elisabeth Young-Bruehl, S. 609.
  56. Arendt an Jaspers, S. 52 ff. (Juli/August 1962).
  57. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 11.
  58. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 39.
  59. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 40.
  60. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 42.
  61. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 43.
  62. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 44.
  63. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 55.
  64. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 55f.
  65. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 57.
  66. Marie Luise Knott: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive – Hannah Arendt und Ralph Ellison. 17 Hinweise. Berlin 2022, S. 58.
  67. Arendt an Jaspers, S. 715 f.
  68. Adelbert Reif: Interview mit H.A. (1970). In: Macht und Gewalt. München 1970, S. 107, 109.
  69. zur aktuellen Auseinandersetzung siehe insbesondere die kritischen Analysen der Holocaustforscher Raul Hilberg und David Cesarani
  70. Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. EiJ, S. 371.
  71. EiJ, S. 56.
  72. Zur Bedeutung der „burschikosen Ironie“ (Äußerung gegenüber Joachim Fest) bei Arendt, siehe: Marie Luise Knott: Verlernen. Denkwege bei Hannah Arendt. Berlin 2011, Kapitel: Lachen – Wie der Geist sich plötzlich wendet. S. 13–35.
  73. Arendt an McCarthy, S. 234 (September 1969).
  74. EiJ, S. 399.
  75. Götz Aly: Logik des Grauens. In: Die Zeit, Nr. 23/2006.
  76. Avner Werner Less: „Lüge! Alles Lüge“ – Aufzeichnungen des Eichmann-Verhörers. Rekonstruiert von Bettina Stangneth. Zürich, Hamburg 2012, S. 220–222.
  77. Jacob Robinson: And the crooked shall be made straight. The Eichmann Trial, the Jewish Catastrophe, and Hannah Arendt’s Narrative. New York/London 1965.
  78. Bettina Stagneth: Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders, Zürich 2011.
  79. Ausstellung: Karl Jaspers. Das Buch Hannah. (Memento vom 18. Januar 2012 im Internet Archive). In: Deutsches Literaturarchiv Marbach.
  80. EiJ, S. 209.
  81. EiJ, S. 215.
  82. EiJ, S. 216.
  83. EiJ, S. 210.
  84. Arendt an McCarthy, S. 231ff.
  85. Hannah Arendt und Joachim Fest: „Eichmann war von empörender Dummheit“. Gespräche und Briefe. Hrsg. Ursula Ludz und Thomas Wild. München 2011, S. 37.
  86. Raul Hilberg: Unerbetene Erinnerung. Der Weg eines Holocaust-Forschers. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M., 1994, S. 130.
  87. Brief vom 23. Juni 1963, in: Der Briefwechsel. Hannah Arendt, Gershom Scholem. Berlin 2010, S. 428ff. Der letzte erhaltene Brief stammt vom Juli 1964.
  88. Gershom Scholem: Wir waren beide nicht dabei. In: Der Zeitgeist. Halbmonatsbeilage des Aufbau, Nr. 208, New York, 20. Dezember 1963, S. 17f. Vorherige Veröffentlichung in der Neuen Zürcher Zeitung am 20. Oktober 1963.
  89. Persönliche Verantwortung in der Diktatur. In: Israel, Palästina …, S. 7–38.
  90. Rainer Wenzel: Ein unabgeschlossener Prozess. Hannah Arendts „Eichmann in Jerusalem“ in hebräischer Übersetzung. In: Kalonymos, Heft 4 (2000), S. 11–17, online-Datei (PDF; 1,1 MB) in: Steinheim-Institut, (PDF; 1,18 MB).
  91. Neu abgedruckt in: Hannah Arendt über Wahrheit und Politik. Berlin 2006.
  92. Hannah Arendt Center. In: The New School.
  93. Members. In: American Academy of Arts and Letters, Arendt in die Suchmaske eingeben.
  94. Online auf den Seiten der Library of Congress; als Print in: H.A., Reflections. 2007, ISBN 978-0-8047-4499-7, S. 282ff.
  95. Rede über Lessing. Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten. München 1960, erneut veröffentlicht in: Menschen in finsteren Zeiten. München, Zürich 1989, S. 11–42.
  96. Die Sonning-Preis-Rede. Kopenhagen 1975. In: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur. Heft 9, 2005, S. 3–11.
  97. Franz Kafka, erstmals veröffentlicht, in: Sechs Essays (= Schriften der Wandlung. 3.) Heidelberg 1948, erneut erschienen kurz nach ihrem Tod, in: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Frankfurt a. M. 1976, S. 88–107, hier: S. 89, 95, 101.
  98. Franz Kafka. In: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Frankfurt a. M. 1976, S. 91f, 94.
  99. Originalfassung: The Christian Pope. 1965.
  100. Bereits 1943 hatte sie in ihrem Essay über Stefan Zweig (in dt. Spr. veröffentlicht in: Sechs Essays, 1948) Kafka und Brecht als die größten deutschsprachigen Dichter nach dem Ersten Weltkrieg bezeichnet.
  101. Piper, 1989. Die englische Fassung ist bei Amazon.com online lesbar, ISBN 0-15-658890-0; die deutsche Fassung ist derzeit (2011) kaum greifbar. Essays über 13 Personen, u. a. über W. Gurian, Randall Jarrell. In dieser engl. Fass. fehlen ihre Essays über Heidegger (80 Jahre alt), Gilbert, Sarraute und Auden.
  102. Rosa Luxemburg (RL), in: Menschen in finsteren Zeiten. Piper, München und Zürich 1968.
  103. RL, in: Menschen in finsteren Zeiten. Piper TB, München/Zürich 2001, S. 48.
  104. RL 1968, S. 72.
  105. RL 1968, S. 72. Arendt bezieht sich auf Peter Nettl: Rosa Luxemburg. Oxford 1966, Köln/Berlin 1967. Die Luxemburg-Zitate entnahm sie diesem Werk.
  106. RL 1968, S. 59.
  107. RL 1968, S. 51.
  108. Über die Revolution (ÜdR). München 1974, S. 198.
  109. ÜdR, S. 221.
  110. ÜdR, S. 203.
  111. EuU, S. 645.
  112. Persönliche Verantwortung in der Diktatur. In: Israel, Palästina …, S. 33 ff.
  113. Hannah Arendt. Heinrich Blücher. Briefe. München 1999, S. 353.
  114. Arendt an Blücher, S. 469. (Mai 1958).
  115. Nach Jaspers Tod ordnete sie selbst den Briefwechsel im Literaturarchiv Marbach.
  116. H. A.: Karl Jaspers. Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. München 1958. Rede online (PDF; 226 kB).
  117. Veröffentlicht in: Hannah Arendt und Karl Jaspers: Briefwechsel 1926–1969, S. 719 f.
  118. Arendt an Johnson, S. 79.
  119. In einem Brief vom 6. Juli 1970 untersagte Arendt Johnson in seinem Romanzyklus Jahrestage, eine Romanfigur nach ihr zu benennen. Johnson wählte daraufhin ein Pseudonym. Auch das billigte Arendt nicht. Sie schrieb: „Mir ist schon niemals ganz wohl, wenn jemand zitiert, was ich geschrieben habe; es ist eine Art Freiheitsberaubung, als wolle man mich festlegen – wiewohl natürlich ich selbst mich festgelegt habe.“ Sie protestierte auch dagegen, dass er sie daraufhin als „Gräfin Seydlitz“ auftreten ließ, weil er offensichtlich ihre jüdische Herkunft vergessen habe. (Arendt an Johnson S. 39f.)
  120. Hannah Arendt: Wahrheit gibt es nur zu zweien. Briefe an die Freunde. Piper, München/Zürich 2013, chronologisch geordnet, kommentiert von der Herausgeberin Ingeborg Nordmann. Alle Briefe dieser Auswahl wurden bereits veröffentlicht.
  121. Arendt an Blumenfeld, S. 197.
  122. Brief Arendt an Heidegger vom 28. Oktober 1960).
  123. Arendt an Jaspers, S. 494.
  124. Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt. Neuauflage in: Menschen in finsteren Zeiten. München/Zürich 1989, S. 183f.
  125. Nachwort. In: Hannah Arendt: Denktagebuch. Zweiter Band. München 2002, S. 827.
  126. Inhaltsverzeichnis
  127. Ausführlich mit dem Denktagebuch befasst haben sich Barbara Hahn in: Hannah Arendt – Leidenschaften, Menschen und Bücher. Berlin 2005, und Sigrid Weigel: Dichtung als Voraussetzung der Philosophie. Hannah Arendts Denktagebuch. In: Text und Kritik 166/167 (Hannah Arendt), Zeitschrift für Literatur. Hrsg. Heinz Ludwig Arnold, IX/2005, S. 125–137.
  128. Johannes Saltzwedel: Diener vor der Dame. In: Der Spiegel. Nr. 20, 2004, S. 160 f. (online).
  129. Hans Jonas: Handeln, Erkennen, Denken. Zu Hannah Arendts philosophischem Werk. In: Hannah Arendt. Materialien zu ihrem Werk. Hrsg. Adelbert Reif. Wien 1979, S. 353–370. Erstveröffentlichung: Social Research, New York, Jg. 44, Nr. 1, Frühling 1977.
  130. Klaus Nerger: Das Grab von Hannah Arendt. In: knerger.de. Abgerufen am 22. März 2023.
  131. Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik. (RV) München / Zürich 1981.
  132. Arendt an Jaspers (1956), S. 332.
  133. RV 1981, S. 143.
  134. RV 1981, S. 206.
  135. EuU 2005, S. 334. Vgl. auch EuU 1995, S. 254.
  136. EuU 1955, S. 209.
  137. beide Zitate: EuU 1995, S. 425.
  138. EuU 1995, S. 30f.
  139. EuU 1986 -TB-, S. 640.
  140. EuU 1995, S. 507.
  141. EuU 1986 –TB –, S. 948ff.
  142. In die amerikanische Erstausgabe The Origins of Totalitarianism hat sie die englischsprachige bereits 1946 im jüdischen politischen Magazin Commentary erschienene Studie Imperialism: Road to Suicide, The Political Origins and Use of Racism (Dt. Über den Imperialismus) wörtlich aufgenommen.
  143. EuU 1986 -TB-, S. 703, 713.
  144. EuU 1986 -TB-, S. 719ff.
  145. EuU 1986 -TB-, S. 706.
  146. EuU 1986 -TB-, S. 30.
  147. EuU 1986 -TB-  S. 758, siehe auch: S. 757 ff.
  148. EuU 1986 -TB-, S. 641f.
  149. EuU 1986 -TB-, S. 739ff. und 763.
  150. EuU 1986 -TB-, S. 794.
  151. EuU 1986 -TB-, S. 639f., S. 827.
  152. EuU 1986 -TB-, S. 907ff und 916ff.
  153. EuU 1986 -TB-, S. 929ff.
  154. EuU 1986 -TB-, S. 960ff. Die Unterscheidung zwischen Wesen und Prinzip einer Regierung übernimmt Arendt von Montesquieu.
  155. Vita activa oder Vom tätigen Leben. (VA) München, Zürich -TB- 2006.
  156. VA -TB- 2006, S. 21.
  157. VA -TB- 2006, S. 36.
  158. VA -TB- 2006, S. 387f.
  159. VA -TB- 2006, S. 51ff.
  160. VA -TB- 2006, S. 55f.
  161. Die Freiheit, frei zu sein. München 2018.
  162. Eine stark gekürzte Fassung brachte am 4. Januar 2018 Die Zeit heraus (S. 42), Revolutionen. Die Freiheit, frei zu sein; von Hannah Arendt, online, zuletzt bearbeitet am 8. Januar 2018.
  163. Die Freiheit, frei zu sein. In: Die Zeit, 4. Januar 2018, S. 42 (online). Herrschaftslegitimation speise sich im Wesentlichen aus dem Wunsch, von „Lebensnotwendigkeiten“ zu emanzipieren; dazu bedürfe es der Zwangsmittel, „damit viele die Last der wenigen trugen, sodass zumindest einige frei sein konnten. Das – und nicht die Anhäufung von Reichtum – war der Kern der Sklaverei, zumindest in der Antike, und es ist lediglich dem Aufkommen moderner Technik und nicht irgendwelchen modernen politischen Vorstellungen, darunter auch revolutionären Ideen, geschuldet, dass sich diese Situation der Menschen zumindest in einigen Teilen der Welt geändert hat.“ (ebenda)
  164. ÜdR -TB- 1974, S. 284, 286.
  165. ÜdR -TB- 1974, S. 326f.
  166. Vom Leben des Geistes. (LdG) München, Zürich 1998 -TB-, S. 14f.
  167. LdG 1998 -TB-, S. 15.
  168. Zit. nach Platons Frühwerk Gorgias, wobei sie zwischen der dialogischen Philosophie des Sokrates und dem geschlossenen Weltbild Platons unterscheidet.
  169. Zitat: LdG 1998 -TB-, S. 181, Text: LdG 1998 -TB-, S. 180ff.
  170. LdG 1998 -TB-, S. 18.
  171. LdG 1998 -TB-, S. 209.
  172. Das Urteilen. (DU) München, 1998 -TB-, S. 25; vgl. auch S. 89.
  173. siehe auch; Linda M. G. Zerilli: Einsicht in die Perspektive. Nach dem Ende aller Maßstäbe: Hannah Arendts Überlegungen zur demokratischen Urteilskraft sind von ungebrochener Aktualität. In: Frankfurter Rundschau, 7. Januar 2006, Artikelanfang und dieselbe „Wir fühlen unsere Freiheit.“ Einbildungskraft und Urteil im Denken Hannah Arendts,. (PDF) 2004, (PDF; 175 kB) sowie Annette Vowinckel: Hannah Arendt. Leipzig 2006, S. 98 ff.
  174. Seyla Benhabib: Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne. Hamburg 1998, S. 9.
  175. Siehe: EuU 1986 -TB-, S. 407–413 und Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Unterabschnitt: Einbeziehung des Rassismus in den weltweiten Imperialismusbegriff.
  176. Irmtrud Wojak: Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay. Frankfurt a. M. 2004.
  177. Jan Philipp Reemtsma: Laudatio für Saul Friedländer anlässlich der Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 1998.
  178. Jürgen Habermas: Philosophisch-politische Profile.(1981), Suhrkamp TB, Frankfurt a. M. 1987, S. 10.
  179. Jürgen Habermas: Philosophisch-politische Profile.(1981), Suhrkamp TB, Frankfurt a. M. 1987, S. 405.
  180. Jürgen Habermas: Philosophisch-politische Profile.(1981), Suhrkamp TB, Frankfurt a. M. 1987, S. 236.
  181. Jürgen Habermas: Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt a. M. 1992, insbesondere S. 182–187, 327, 605, 622.
  182. Hauke Brunkhorst: Hannah Arendt. München 1999.
  183. Hauke Brunkhorst: Hannah Arendt. München 1999, S. 150.
  184. Seyla Benhabib: Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne. Hamburg 1998, S. 18 u. 21.
  185. Walter Laqueur: The Arendt Cult. Hannah Arendt as a Political Commentator. In: Journal of Contemporary History. Bd. 33, Nr. 4, 1998, S. 485, dt.: Der Arendt-Kult. Hannah Arendt als politische Kommentatorin. In: Europaeische Rundschau. Wien, 26. Jahrgang, Heft 4, Herbst 1998, S. 111–125.
  186. Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk. München [u. a.] 1996, S. 77 ff.
  187. Jahel Jaeggi: Wie weiter mit Hannah Arendt? Hamburger Edition, Hamburg 2008, S. 16 ff.
  188. Elisabeth Young-Bruehl: Why Arendt Matters. London 2006, S. 112 (dt.: ihre Vorstellungen zu Vergebung und ihr Buch über Eichmann beeinflussten und spiegelten sich wider bei der Einführung, dem Neubeginn, der die South African Truth and Reconciliation Commission (TRC) hervorbrachte, welche, zum ersten Mal in der Geschichte, Vergebung zu einem leitenden Prinzip für einen Staat machte.)
  189. Antonia Grunenberg: Ernst Vollrath – Denkwege und Aufbrüche. Rede zur Verleihung des Hannah-Arendt-Preises 2001. (Memento vom 29. Januar 2004 im Internet Archive). In: hannah-arendt.de, 2001.
  190. Eine differenzierte Darstellung der Wirkungsgeschichte bietet: Thomas Wild: Hannah Arendt. Leben Werk Wirkung. Frankfurt a. M. 2006, S. 120–138.
  191. Thomas Wild: Hannah Arendt. Leben Werk Wirkung. Frankfurt a. M. 2006, S. 128.
  192. Zitat beim Ausstellungstext
  193. The Hannah Arendt Collection
  194. im Südwestfunk am 9. November 1964 in der Sendereihe Das Thema. Zum Nachhören: CD Hannah Arendt, Karl Jaspers: Eichmann – Von der Banalität des Bösen. Quartino, München 2010, ISBN 978-3-86750-072-2; und zum Nachlesen: Gesprächstranskript auf hannaharendt.net; Hannah Arendt, Joachim Fest: Eichmann war von empörender Dummheit. Gespräche und Briefe. Hrsg. Ursula Ludz und Thomas Wild, München 2011, S. 44.
  195. Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung. an der TU Dresden.
  196. Nachdem die öffentliche Wahrnehmung des Instituts für einige Jahre auch durch personelle und wissenschaftspolitische Kontroversen in Grundsatzfragen geprägt worden war, attestierte im März 2019 im Rahmen einer Evaluation ein vom Wissenschaftsrat bestelltes Expertengremium unter Leitung von Caspar Hirschi der Einrichtung, ein „wichtiger Impulsgeber für die zeitgeschichtliche und politikwissenschaftliche Forschung“ zu sein sowie „wertvolle und unverzichtbare Beiträge sowohl für die wissenschaftliche Begleitung des Andenkens an die Opfer der NS-Diktatur und des SED-Regimes als auch im Hinblick auf die politische Bildung in Sachsen generell“ zu leisten (Stellungnahme zum Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. (HAIT), Dresden. (PDF; 424 kB) Drucksache 8265-20 des Wissenschaftsrats. In: wissenschaftsrat.de. 31. Januar 2020, S. 8, abgerufen am 2. November 2021.).
  197. Ungarische Hannah-Arendt-Gesellschafthae.hu (englisch).
  198. Freiheit und Politik (Nachdruck aus: Die neue Rundschau 69, 1958, Heft 4). In: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I. München 1994, S. 201ff.
  199. Arendt-Tage, Hannover. (Memento vom 18. Januar 2015 im Internet Archive). In: hannah-arendt-hannover.de.
  200. Das Hannah Arendt-Zentrum. [sic!] an der Universität Oldenburg.
  201. Hannah Arendt Center. In: The New School.
  202. HannahArendt.net: Forum der Arendt-Forschung und Newsletter. Zeitschrift für politisches Denken. Journal for Political Thinking.
  203. (100027) Hannaharendt in der Small-Body Database des Jet Propulsion Laboratory (englisch).
  204. Hannah-Arendt-Preis
  205. Zum Beispiel: Hannah-Arendt-Gymnasium Haßloch, Hannah-Arendt-Gymnasium in Barsinghausen, Hannah-Arendt-Schule in Hannover, Hannah-Arendt-Schule in Flensburg (Memento des Originals vom 25. Mai 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.has-fl.de, eine Berufsschule in Südtirol oder das Hannah-Arendt-Gymnasium in Berlin-Neukölln
  206. Renate Deuter, Bodo Dringenberg: Frauenstraßennamen. In: Hannoversche Geschichtsblätter. N.F. 52. 1998. S. 431.
  207. Hannes Obermair: Monuments and the City – an almost inextricable entanglement. In: Multiple Identitäten in einer „glokalen Welt“ – Identità multiple in un „mondo glocale“ – Multiple identities in a „glocal world“. Hrsg. von Matthias Fink u. a., Eurac.Research, Bozen 2017, ISBN 978-88-98857-35-7, S. 88–99 und 97–98, mit Abbildung der Installation.
  208. Einzelheiten und Text zur Ausstellung
  209. Amar Rajkovic, Kamal Alzooz: Geh bitte, Alma. Interview. In: biber, dasbiber.at, 22. Jänner 2018.
  210. Rainer Küster: Gymnasium Markranstädt soll nach Hannah Arendt umbenannt werden. Leipziger Volkszeitung, 23. Juli 2024, abgerufen am 23. Juli 2024.
  211. MAZ vom 14. Oktober 2021 https://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Gedenktafel-fuer-Hannah-Arendt-in-Potsdam-Babelsberg-enthuellt
  212. Rezensionen von The Jewish Writings, Judith Butler: ‘I merely belong to them’. In: London Review of Books (LRB), 10. Mai 2007, (englisch) und
    Natan Sznaider: Rückkehr in die Geschichte. In: NZZ, 1. Dezember 2007, S. 27.
  213. Rezension von Sokrates. Apologie der Pluralität, Jürgen Busche: Pluralität zulassen. In: der Freitag, 17. Februar 2016.
  214. Das Buch ist in der Deutschen Nationalbibliothek, Standort Leipzig, vorhanden. (Einzelheiten zu der Vorläufer-Fassung von 1942 und einer weiteren Überarb. in Origins… bei Ludz, Arendt-Bibliografie in Ich will verstehen, Titel-Nr. 019, S. 260).
  215. Hannah Arendt: We Refugees. (Memento vom 14. April 2016 im Internet Archive). In: documenta 14, (englisch).
  216. Maria Behre: „Bei Gesprächen hineingestreut wie Gastgeschenke“. In: Literaturkritik.de, 11. Februar 2016, Rezension von Ich selbst, auch ich tanze. Die Gedichte.
  217. Rezensionen von Die Freiheit, frei zu sein von Claudia Mäder: Lust auf Freiheit und Hunger nach Brot. In: NZZ, 19. Januar 2018;
    Michael Opitz: Ihre Freiheit kennt weder Not noch Furcht. Deutschlandfunk, 18. Januar 2018;
    Gustav Seibt: Politische Philosophie. Die Welt als Stoff des Handelns. In: Süddeutsche Zeitung, 12. Januar 2018.
    Maria Behre: Freiheit von Furcht statt Furcht vor der Freiheit. In: Literaturkritik.de, 27. Juli 2018.
  218. Überraschung: Zwei neue Aufsätze zu Palästina von Hannah Arendt. 27. Juni 2024, abgerufen am 1. November 2024.
  219. Erstsendung des Errera-Interviews am 6. Juli 1974 in ORTF, Reihe: Un certain regard. Wiederholung 13. Oktober 2006 in arte: Hannah Arendt in New York, O-Ton mit dt. Untertiteln, online-Video.
  220. Maria Behre: Freundschaft in Briefen – Eine unerlässliche Lebens- und Liebeserfahrung für das Philosophin-Sein. In: literaturkritik.de, 13. Februar 2018, Rezension zum Buch Wie ich einmal ohne Dich leben soll…
  221. Besprechung von Wahrheit gibt es nur zu zweien. Briefe an die Freunde, Ludger Lütkehaus: Hannah Arendts Briefe an Freunde und Geliebte. In: Badische Zeitung, 19. Juli 2014.
  222. Arendt-Bibliografie. (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive), (PDF; 62 kB), letzter Eintrag 2012.
  223. besprochen im Feuilleton der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 1. Oktober 2023 (Julia Encke)
  224. Maria Behre: Was ist Politik nach Hannah Arendt? In: literaturkritik.de, 9. Oktober 2016, Rezension von Hannah Arendt zur Einführung.
  225. Maria Behre: Performativität des Handelns. In: literaturkritik.de, 8. Februar 2016, Rezension von Arendt von Annette Vowinckel.
  226. Film-Rezensionen (Auswahl): Jörg Schöning: Kinoporträt „Hannah Arendt“. Sie liegt, sie qualmt, sie denkt. Spiegel Online, 9. Januar 2013.
    Micha Brumlik: Und immer klappert die Reiseschreibmaschine. Denken im Film. In: taz, 10. Januar 2013, S. 15.
    Bert Rebhandl: Kinofilm „Hannah Arendt.“ Selbst denken macht Freunde. In: FAZ.net, 11. Januar 2013.
    Kino: „Über Hannah Arendt.“ Selbst denken macht einsam. In: FAZ.net, 14. Januar 2013, Interview mit der Nichte Hannah Arendts Edna Brocke.
  227. Hannah Arendt. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 24. April 2021.
  228. LiteraVision 2006 an Thomas Rautenberg und Simone Reuter. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive). In: Kulturreferat München, 2006.
  229. Hannah Arendt: La jeune fille étrangère. In: ahqg.free.fr, Oktober 2013, aufgerufen am 11. Januar 2018.
  230. Inhaltsangabe zu Leidenschaftlich: Hannah Arendt. (Memento vom 18. Januar 2012 im Internet Archive); Regie und Dramaturgie. (Memento vom 29. Juni 2008 im Internet Archive). In: klimaelemente.de.
  231. Dorothea Marcus: Die Banalität der Liebe – Savyon Liebrechts Stück über Arendt und Heidegger uraufgeführt. In: nachtkritik.de, 10. September 2007.
  232. Eva Zimmermann: Die durchgeknallte Liebe zur Weisheit. In: Oberhessische Presse, 21. Mai 2012; Bühnenbilder und Video-Ausschnitt. In: fannybrunner.blogspot.de.