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„Hauptort“ – Versionsunterschied

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Ein '''Hauptort''' ist im Grunde genommen das gleiche wie eine [[Hauptstadt]] in Form einer [[Landeshauptstadt]]. Der Begriff ''Hauptort'' ist im deutschsprachigen Raum vorwiegend in der [[Schweiz]] anzutreffen.
[[Datei:Carte TGV.svg|mini|„Alle Wege führen nach Paris“, das [[TGV]]-Netz (blau): Eine Stadt als Hauptstadt und Hauptort eines ganzen Staates]]
Ein '''Hauptort''' oder '''zentraler Ort''' ist aus Sicht der [[Verwaltungsgliederung]] und der [[Raumplanung]] – mit leicht unterschiedlicher Bedeutung – die [[Ortschaft]], die das wirtschaftliche, geistige oder administrative Zentrum eines [[Geographischer Raum|geographischen Raumes]] darstellt.


== Abgrenzung Hauptort und zentraler Ort ==
Der Hauptort ist in der Schweiz als Begriff nötig, da es [[Kanton (Schweiz)|Kantone]] gibt, die keine [[Stadt|Städte]] haben und daher der Sitz des Souveräns ein [[Dorf]] ist.
Zentrale Orte sind [[Ortschaft|Orte]], in denen [[Verwaltung]]s-, [[Dienstleistung]]s-, Verkehrs-, Kultur-, Bildungs- und Wirtschaftsfunktionen für ein [[Umland]] konzentriert sind. Ein solcher Ort nimmt aufgrund dieser Konzentration eine bedeutende Stellung für sein Umland ein (Bedeutungsüberschuss). Zentrale Orte bilden unter sich wiederum oft eine [[Hierarchie]] bzw. bauen ein Schema der Funktionsteilung von Zentralität auf. Ein solches Schema ist beispielsweise das [[System der zentralen Orte]], das auf raumwissenschaftliche Untersuchungen in den 1930er Jahren zurückgeht. Darüber hinaus sind weitere wissenschaftliche Ansätze und Modelle zur Erklärung der Entstehung und Funktion von Zentralität und Zentralen Orten entstanden.


Allgemein gilt: „Je größer und bedeutender eine Stadt ist, desto größer ist auch ihr potentieller Einzugsbereich.“ Das gilt nicht nur für [[Wirtschaft]] und [[Handel]], sondern auch für Wanderungen in eine Stadt oder zwischen den Städten (räumliche Mobilität). Verschiedene Wissenschaften befassen sich mit den Mustern und Wahrscheinlichkeiten dieser Abläufe.
So ist der Hauptort des rund 20'000 Einwohner fassenden Kanton [[Appenzell Innerrhoden]] das Dorf (und eben nicht die Stadt) [[Appenzell (Bezirk)|Appenzell]] mit 5'500 Einwohnern (2002). Bei Kantonen, deren Hauptsitz eine Stadt ist, spricht man dagegen von einer Hauptstadt, wie zum Beispiel [[Zürich]].


In Bezug auf das Verhältnis zwischen der räumlichen Mobilität bzw. dem Wanderungsbereich von Stadtbewohnern und der Zentralitätsstufe ihrer Stadt galt in der Regel: „Je größer der Besitz oder je höher der Bildungsgrad einer Person, desto weiter war auch der potentielle Wanderungsbereich und [[Heiratskreis]].“ Das Besitz- und Bildungsbürgertum von beispielsweise [[Leipzig]] hatte Verbindungen nach Dresden, Wittenberg, Berlin, Erfurt und in andere Städte vergleichbarer Zentralität, aber nicht in Kleinstädte wie Wildenfels und Hartenstein bei [[Zwickau]].
In der Schweiz gelten Orte mit mehr als 10'000 Einwohnerm als Stadt. Ausserdem gelten, unabhängig von der Einwohnerzahl, auch Orte als Stadt, denen im Mittelalter das Stadtrecht verliehen worden war. Viele dieser historischen Städte haben wesentlich weniger als 10'000 Einwohner. Zu den historischen Städten zählen beispielsweise [[Stein am Rhein]], [[Diessenhofen]] und [[Maienfeld GR|Maienfeld]] oder, als Extreme, [[Werdenberg]] und [[Fürstenau GR|Fürstenau]] mit weniger als 100 Einwohnern.


Der [[Sozialer Aufstieg|soziale Aufstieg]] in Leipzig ist meist Zuwanderern aus Städten mit etwas geringerer Zentralität wie [[Chemnitz]], [[Schneeberg (Erzgebirge)|Schneeberg]] und Zwickau vorbehalten, die wiederum ihre Aufsteiger unter den Zuwanderern aus den kleineren Städten des [[Erzgebirge]]s haben. Besitzarme Zuwanderer stammen in der Regel aus der unmittelbaren ländlichen Umgebung. Während der [[Industrielle Revolution|Industriellen Revolution]] verstärkte sich dieser Zustrom auch in die stadtnahen [[Dorf|Dörfer]], die dann nach 1890 in die Städte eingemeindet worden sind, wodurch es in Mitteleuropa zur Herausbildung von [[Großstadt|Großstädten]] gekommen ist. So ergeben sich aus der Klassen- und [[Soziale Schichtung|Schichtenzugehörigkeit]] einer Person und dem Zentralitätsgrad der Siedlung bestimmte Wahrscheinlichkeiten für Wanderungs- und Heiratskontakte in andere Städte, wobei die Wahrscheinlichkeit mit der räumlichen Entfernung und [[Soziale Distanz|sozialen Distanz]] stets abnimmt, ebenso zur Landbevölkerung (siehe auch [[soziale Mobilität]]). Durch Fernwanderung von [[Sozialstruktur|Unterschicht]]-Bevölkerung, etwa von [[Anatolien]] nach [[Berlin-Kreuzberg]], werden diese allgemeinen Gesetzmäßigkeiten scheinbar außer Kraft gesetzt, gelten aber insgesamt gesehen weiter, so z. B. für den sozialen Aufstieg dieser neuen Unterschichten.
In [[Frankreich]] wird die französische Entsprechung zu ''Hauptort'', ''chef-lieu'', für die Verwaltungssitze jeder Art von Gebietskörperschaften und Verwaltungseinheiten unterhalb des Zentralstaates ([[Regionen Frankreichs|Regionen]], [[Département]]s, [[Arrondissement]]s, [[Kanton (Frankreich)|Kantone]] und [[Gemeinde (Frankreich)|Gemeinden]]) verwendet.


== Abgrenzung Hauptort und Hauptstadt ==
In [[Italien]] wird der entsprechende italienische Begriff ''capoluogo'' in derselben Weise für die Verwaltungssitze der [[Liste der italienischen Regionen|Regionen]], [[Liste der italienischen Provinzen|Provinzen]] und Gemeinden angewandt.
Eine [[Hauptstadt]] ist der Hauptort einer [[Region]], eines [[Bezirk]]s, [[Gliedstaat|Landes]], [[Staat]]es oder historischen Territoriums ([[Residenzstadt]]). Meist ist sie [[Sitz (juristische Person)|Sitz]] der [[Verwaltung]] und muss nicht zwingend auch [[Regierung]]s­sitz sein. Die Hauptstadt muss nicht der größte oder bevölkerungsreichste Ort sein, oder der Hauptort als wirtschaftlich-kulturelles Zentrum des Raumes, und muss nicht einmal verwaltungsgliederisch Teil der Region sein, und umgekehrt der räumliche Hauptort der Region nicht administrative Hauptstadt. Beispiel für eine starke Konzentration der politischen und raumgliederischen Aspekte (zentralistischer Hauptort) ist [[Paris]] in Frankreich, Beispiel eines dezentralen Konzeptes ist die [[Europäische Union]], die, aufgrund der vielen als gleichrangig erachteten Hauptorte Europas gar keine, bzw. drei Hauptstädte im Sinne des Begriffs hat ([[Brüssel]], [[Straßburg]] und [[Luxemburg (Stadt)|Luxemburg]]).


In der Schweiz wird der Begriff Hauptstadt nur für entsprechende Städte außerhalb der Schweiz verwendet. Die kantonalen Regierungssitze werden ausschließlich als Hauptort bezeichnet; ‚Hauptstadt’ wird nicht einmal für die Schweizer Bundesstadt [[Bern]] verwendet.
In [[Schweden]] hat jede [[Gemeinde (Schweden)|Gemeinde]] einen Hauptort ([[Schwedische Sprache|schwedisch]] ''huvudort''), der oft den gleichen Namen wie die Gemeinde trägt.


Ein Hauptort muss nicht geographisch zentral liegen. Nicht jede Stadt ist auch gleichzeitig Hauptort einer Region, kann aber für die Menschen der umliegenden Regionen, und die Raumplanung und -entwicklung als solcher gelten, wenn bestimmte Teile der Infrastruktur nur in dieser Stadt vorhanden sind. In schlecht entwickelten Räumen liegen die Hauptorte typischerweise am Rande der Region, was zu [[Landflucht|Abwanderung]] und Stärkung des Hauptortes führt.
Der kleinste Hauptort der Welt mit rund 40 Einwohnern ist [[Adamstown]] auf [[Pitcairn]].


Bei territorialer Zusammenlegung ist zumeist der Ort mit Verwaltungssitz der neue Hauptort, ebenso in dünn- und [[Streusiedlung|streubesiedelten]] Regionen ohne allgemeinem Zentrum. Politisch-administrative und geistig-wirtschaftliche Aspekte beeinflussen sich gegenseitig, sodass der eine Aspekt im Laufe der [[Stadtentwicklung]] den anderen nach sich zieht ([[Urbanisierung]]) – Beispiele sind historische Siedlungsgründungen um Klöster und Burgen, die deren Funktion als Hauptort übernehmen, und umgekehrt Neugründungen oder Verlagerung von Hauptstädten aus wirtschaftspolitischen Gründen (wie [[Brasília]] oder [[Ankara]]). Musterbeispiel einer Hauptortentwicklung ist [[Hongkong]], 1842 in einer dörflichen Region als Handelshafen und Kolonialverwaltung installiert, heute Zentralort des ganzen Südens [[Ostasien]]s und Drehscheibe des Welthandels.
[[Kategorie:Politische Geographie]]


== Länderspezifisches ==
[[fr:Chef-lieu]]
=== Deutschland ===
[[it:Capoluogo]]
Der Verwaltungssitz eines (Land-)Kreises muss nicht notwendigerweise in einer Stadt beheimatet sein, der Sitz kann auch in einer Gemeinde ohne Stadtrechte liegen. In diesem Fall lautet die Bezeichnung nicht [[Kreisstadt]], sondern [[Kreishauptort]]. Vor etlichen Jahren gab es vor allem in Bayern und Niedersachsen Kreisverwaltungen in Kreishauptorten, zum Beispiel [[Wegscheid]] und [[Mallersdorf-Pfaffenberg|Mallersdorf]] sowie bis 1952 [[Roding]] in Bayern oder [[Westerstede]] und [[Bad Essen|Wittlage]] in Niedersachsen. Der kleinste Kreishauptort war die Gemeinde [[Ort (Freyung)|Ort]] bis zur Eingemeindung in die Stadt [[Freyung]] am 1. April 1954 als Sitz des [[Landkreis Wolfstein|Landkreises Wolfstein]]. Mit der Auflösung von Kreisen im Rahmen von [[Gebietsreform|Kreisgebietsreformen]] (z. B. Auflösung der Landkreise [[Landkreis Wittlage|Wittlage]], [[Landkreis Mallersdorf|Mallersdorf]] und [[Landkreis Wegscheid|Wegscheid]] im Jahr 1972) sowie der Verleihung eines [[Stadtrecht#Nach 1945|Stadtrechtes]], z. B. an Westerstede am 28. Mai 1977, sind diese Sonderfälle zum Großteil entfallen. Als einzige Ausnahme in Deutschland verbleibt der [[Marktgemeinde|Markt]] [[Garmisch-Partenkirchen]].
[[sv:Huvudort]]

Das ''Wohnplatzverzeichnis [[Schleswig-Holstein]] 1987''<ref>{{Internetquelle |url=https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/SHAusgabe_derivate_00000136/1226-12-1987.pdf |titel=Wohnplatzverzeichnis Schleswig-Holstein 1987 |werk=https://www.statistischebibliothek.de |datum=1987 |abruf=2024-02-02}}</ref> verwendet den Begriff wie folgt: „Als Hauptort ... werden größere geschlossene Orte mit überwiegend städtischem Charakter bezeichnet, die aber nicht die Stadtrechte besitzen. Es handelt sich hierbei zumeist um solche Orte, die – ähnlich einer [[Kleinstadt]] – den Mittelpunkt ihrer Umgebung für Handel und Gewerbe bilden, sowie Sitz von Behörden oder [[Verkehrsknotenpunkt]] sein können“. Nach dieser Quelle hatte Schleswig-Holstein 22 Hauptorte (z.&nbsp;B. [[Büchen]], [[Kropp]], [[Leck (Nordfriesland)|Leck]], [[Satrup (Mittelangeln)|Satrup]], [[Trittau]]). Diese Orte sind im aktuellen Landesentwicklungsplan als [[Unterzentrum|Unterzentren]] bezeichnet.

=== Österreich ===
In Österreich spielt der Begriff verwaltungsrechtlich keine Rolle, wohl aber in der [[Amtliche Statistik|amtlichen Statistik]]. So definiert sich der Begriff Gemeindehauptort im amtlichen ''[[Ortsverzeichnis (Österreich)|Ortsverzeichnis]]'' der [[Statistik Austria]]:<ref>Passage zitiert nach: {{Literatur |Hrsg=Peter Zeiszig, Statistik Austria |Titel=Ortsverzeichnis Kärnten |Ort=Wien |Datum=2004 |ISBN=3-902452-41-2 |Kapitel=''Erläuterungen, Begriffe und Definitionen'' 1. ''Zum systematischen Verzeichnis''. Pkt.&nbsp;9: ''Hauptort der Gemeinde'' |Seiten=14 |Online=[https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Ortsverzeichnis_2001__Kaernten.pdf#page=13 pdf], statistik.at |Abruf=2022-06-03}}</ref>

{{Zitat |Text=Als Hauptort ist jene [[Ortschaft#Österreich|Ortschaft]] anzusehen, die infolge ihrer Anreicherung mit Geschäften, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben, kirchlichen, kulturellen und Verwaltungseinrichtungen als Mittelpunkt der Gemeinde fungiert. Nicht immer ist dies der größte Ort oder jener, in dem sich das Gemeindeamt oder die Kirche befindet. Aus formalen Gründen ist bei jeder Gemeinde ein Hauptort ausgewiesen, obwohl es einige Gemeinden gibt, die keinen Hauptort erkennen lassen.}}
Dabei ist die Ortschaft selbst ein verwaltungstechnisches Gebiet, zu dem meist ein namengebender Hauptort (ursprünglich Sitz des Postamtes der Ortschaft als Adressbereich) gehört.

Außerdem arbeitet die Raumplanung der Länder großmaßstäblicher mit diesem Begriff, meist mit den Abstufungen ''regionales Zentrum, teilregionales Zentrum'' (beschränkte Zentralortfunktion, etwa nur wirtschaftlich, aber nicht politisch), teils ''teilregionales Versorgungszentren'' (oft gemeinsam mit anderen Orten) und ''lokales Zentrum.'' Der Gemeindehauptort folgt als eine der untersten Stufen, dann gibt es noch innerkommunale Nebenzentren (Hauptorte der Ortschaften, u.&nbsp;ä.).

=== Schweiz und Liechtenstein ===
In der [[Deutschschweiz]] kann auch ein [[Dorf]] der Hauptort sein, da nicht alle [[Kanton (Schweiz)|Kantone]] Städte aufweisen. So ist der Hauptort des [[Kanton Appenzell Innerrhoden|Kantons Appenzell Innerrhoden]] das Dorf [[Appenzell (Ort)|Appenzell]] mit 5751 Einwohnern (2006). Dies gilt auch für den [[Liechtenstein]]er Hauptort [[Vaduz]] mit 5771 Einwohnern (2022).

In der Schweiz gelten statistisch alle Orte mit mehr als 10'000 Einwohnern als Stadt. Viele historische Städte (Ortschaften mit mittelalterlichem [[Stadtrecht]]) haben wesentlich weniger Einwohner. Zu den historischen Städten zählen beispielsweise [[Stein am Rhein]], [[Diessenhofen]] und [[Maienfeld]] oder, als Extreme, [[Fürstenau GR|Fürstenau]] mit weniger als 1000 und [[Werdenberg SG|Werdenberg]] mit weniger als 100&nbsp;Einwohnern. Hingegen ist zum Beispiel [[Schwyz (Gemeinde)|Schwyz]], Hauptort des Innerschweizer [[Kanton Schwyz|Kantons Schwyz]], trotz der über 14'000&nbsp;Einwohner immer noch stolz, ein [[Flecken (Ort)|Flecken]] und nicht etwa eine Stadt zu sein.
{{Siehe auch|Vorort (Vorsitz)}}

=== Frankreich ===
In [[Frankreich]] wird ''chef-lieu'', die französische Entsprechung zu „Hauptort“, für die Verwaltungssitze jeder Art von Gebietskörperschaften und Verwaltungseinheiten sowie Wahlkreisen ([[Kanton (Frankreich)|Kantone]]) unterhalb des [[Einheitsstaat|Zentralstaates]] ([[Regionen Frankreichs|Regionen]], [[Département]]s, [[Arrondissement]]s und [[Gemeinde (Frankreich)|Gemeinden]]) verwendet.

Die Einwohnerzahl spielt in manchen Fällen kaum eine Rolle: Der Kanton Craonne z.&nbsp;B. war bis zu seiner Auflösung 2015 nach seinem Hauptort [[Craonne]], einem Dorf mit nur 65&nbsp;Einwohnern (2005), benannt, während der größte Ort im Kanton ([[Corbeny]]) zehnmal so viele Einwohner hatte (693 im Jahr 2006); jedoch hatte Craonne im Jahr 1906 630&nbsp;Einwohner.

=== Italien ===
In [[Italien]] wird der entsprechende italienische Begriff ''capoluogo'' in derselben Weise für die Verwaltungssitze der [[Italienische Regionen|Regionen]], [[Italienische Provinzen|Provinzen]] und Gemeinden angewandt.<!-- aber nicht in de.wikipedia-->

=== Schweden ===
In [[Schweden]] hat jede der 290 [[Gemeinde (Schweden)|Gemeinden]] einen Hauptort ([[Schwedische Sprache|schwedisch]] ''centralort''), der oft den gleichen Namen wie die Gemeinde trägt.

== Siehe auch ==
* [[:Kategorie:Hauptort einer Verwaltungseinheit]]
* [[City (Stadt)]]
* [[Kernstadt]]
* [[Metropole]]
* [[:Kategorie:Hauptort einer Gemeinde in Österreich]]

== Literatur ==
* [[Walter Christaller]]: ''Die zentralen Orte in Süddeutschland: Eine ökonomisch-geographische Untersuchungen über die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968 (Reprografischer Nachdruck der 1. Auflage. Jena 1933).
* [[Hans Heinrich Blotevogel]]: ''Kulturelle Zentralfunktionen. Theoretische Konzepte und Beispiele aus Westfalen seit dem 18.&nbsp;Jahrhundert.'' In: Günter Wiegelmann (Hrsg.): ''Kulturelle Stadt-Land-Beziehungen in der Neuzeit''. 1978, S.&nbsp;63–114 ([https://www.lwl.org/voko-download/BilderNEU/422_009Wiegelmann.pdf Volltext als PDF])

== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|4067619-5|TEXT=Literatur zum Thema}}

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Politische Geographie]]
[[Kategorie:Ortsbeiname]]
[[Kategorie:Raumplanung]]
[[Kategorie:Theorie (Raumordnung)]]
[[Kategorie:Wirtschaftsgeographie]]

Aktuelle Version vom 11. März 2025, 20:33 Uhr

„Alle Wege führen nach Paris“, das TGV-Netz (blau): Eine Stadt als Hauptstadt und Hauptort eines ganzen Staates

Ein Hauptort oder zentraler Ort ist aus Sicht der Verwaltungsgliederung und der Raumplanung – mit leicht unterschiedlicher Bedeutung – die Ortschaft, die das wirtschaftliche, geistige oder administrative Zentrum eines geographischen Raumes darstellt.

Abgrenzung Hauptort und zentraler Ort

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Zentrale Orte sind Orte, in denen Verwaltungs-, Dienstleistungs-, Verkehrs-, Kultur-, Bildungs- und Wirtschaftsfunktionen für ein Umland konzentriert sind. Ein solcher Ort nimmt aufgrund dieser Konzentration eine bedeutende Stellung für sein Umland ein (Bedeutungsüberschuss). Zentrale Orte bilden unter sich wiederum oft eine Hierarchie bzw. bauen ein Schema der Funktionsteilung von Zentralität auf. Ein solches Schema ist beispielsweise das System der zentralen Orte, das auf raumwissenschaftliche Untersuchungen in den 1930er Jahren zurückgeht. Darüber hinaus sind weitere wissenschaftliche Ansätze und Modelle zur Erklärung der Entstehung und Funktion von Zentralität und Zentralen Orten entstanden.

Allgemein gilt: „Je größer und bedeutender eine Stadt ist, desto größer ist auch ihr potentieller Einzugsbereich.“ Das gilt nicht nur für Wirtschaft und Handel, sondern auch für Wanderungen in eine Stadt oder zwischen den Städten (räumliche Mobilität). Verschiedene Wissenschaften befassen sich mit den Mustern und Wahrscheinlichkeiten dieser Abläufe.

In Bezug auf das Verhältnis zwischen der räumlichen Mobilität bzw. dem Wanderungsbereich von Stadtbewohnern und der Zentralitätsstufe ihrer Stadt galt in der Regel: „Je größer der Besitz oder je höher der Bildungsgrad einer Person, desto weiter war auch der potentielle Wanderungsbereich und Heiratskreis.“ Das Besitz- und Bildungsbürgertum von beispielsweise Leipzig hatte Verbindungen nach Dresden, Wittenberg, Berlin, Erfurt und in andere Städte vergleichbarer Zentralität, aber nicht in Kleinstädte wie Wildenfels und Hartenstein bei Zwickau.

Der soziale Aufstieg in Leipzig ist meist Zuwanderern aus Städten mit etwas geringerer Zentralität wie Chemnitz, Schneeberg und Zwickau vorbehalten, die wiederum ihre Aufsteiger unter den Zuwanderern aus den kleineren Städten des Erzgebirges haben. Besitzarme Zuwanderer stammen in der Regel aus der unmittelbaren ländlichen Umgebung. Während der Industriellen Revolution verstärkte sich dieser Zustrom auch in die stadtnahen Dörfer, die dann nach 1890 in die Städte eingemeindet worden sind, wodurch es in Mitteleuropa zur Herausbildung von Großstädten gekommen ist. So ergeben sich aus der Klassen- und Schichtenzugehörigkeit einer Person und dem Zentralitätsgrad der Siedlung bestimmte Wahrscheinlichkeiten für Wanderungs- und Heiratskontakte in andere Städte, wobei die Wahrscheinlichkeit mit der räumlichen Entfernung und sozialen Distanz stets abnimmt, ebenso zur Landbevölkerung (siehe auch soziale Mobilität). Durch Fernwanderung von Unterschicht-Bevölkerung, etwa von Anatolien nach Berlin-Kreuzberg, werden diese allgemeinen Gesetzmäßigkeiten scheinbar außer Kraft gesetzt, gelten aber insgesamt gesehen weiter, so z. B. für den sozialen Aufstieg dieser neuen Unterschichten.

Abgrenzung Hauptort und Hauptstadt

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Eine Hauptstadt ist der Hauptort einer Region, eines Bezirks, Landes, Staates oder historischen Territoriums (Residenzstadt). Meist ist sie Sitz der Verwaltung und muss nicht zwingend auch Regierungs­sitz sein. Die Hauptstadt muss nicht der größte oder bevölkerungsreichste Ort sein, oder der Hauptort als wirtschaftlich-kulturelles Zentrum des Raumes, und muss nicht einmal verwaltungsgliederisch Teil der Region sein, und umgekehrt der räumliche Hauptort der Region nicht administrative Hauptstadt. Beispiel für eine starke Konzentration der politischen und raumgliederischen Aspekte (zentralistischer Hauptort) ist Paris in Frankreich, Beispiel eines dezentralen Konzeptes ist die Europäische Union, die, aufgrund der vielen als gleichrangig erachteten Hauptorte Europas gar keine, bzw. drei Hauptstädte im Sinne des Begriffs hat (Brüssel, Straßburg und Luxemburg).

In der Schweiz wird der Begriff Hauptstadt nur für entsprechende Städte außerhalb der Schweiz verwendet. Die kantonalen Regierungssitze werden ausschließlich als Hauptort bezeichnet; ‚Hauptstadt’ wird nicht einmal für die Schweizer Bundesstadt Bern verwendet.

Ein Hauptort muss nicht geographisch zentral liegen. Nicht jede Stadt ist auch gleichzeitig Hauptort einer Region, kann aber für die Menschen der umliegenden Regionen, und die Raumplanung und -entwicklung als solcher gelten, wenn bestimmte Teile der Infrastruktur nur in dieser Stadt vorhanden sind. In schlecht entwickelten Räumen liegen die Hauptorte typischerweise am Rande der Region, was zu Abwanderung und Stärkung des Hauptortes führt.

Bei territorialer Zusammenlegung ist zumeist der Ort mit Verwaltungssitz der neue Hauptort, ebenso in dünn- und streubesiedelten Regionen ohne allgemeinem Zentrum. Politisch-administrative und geistig-wirtschaftliche Aspekte beeinflussen sich gegenseitig, sodass der eine Aspekt im Laufe der Stadtentwicklung den anderen nach sich zieht (Urbanisierung) – Beispiele sind historische Siedlungsgründungen um Klöster und Burgen, die deren Funktion als Hauptort übernehmen, und umgekehrt Neugründungen oder Verlagerung von Hauptstädten aus wirtschaftspolitischen Gründen (wie Brasília oder Ankara). Musterbeispiel einer Hauptortentwicklung ist Hongkong, 1842 in einer dörflichen Region als Handelshafen und Kolonialverwaltung installiert, heute Zentralort des ganzen Südens Ostasiens und Drehscheibe des Welthandels.

Länderspezifisches

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Der Verwaltungssitz eines (Land-)Kreises muss nicht notwendigerweise in einer Stadt beheimatet sein, der Sitz kann auch in einer Gemeinde ohne Stadtrechte liegen. In diesem Fall lautet die Bezeichnung nicht Kreisstadt, sondern Kreishauptort. Vor etlichen Jahren gab es vor allem in Bayern und Niedersachsen Kreisverwaltungen in Kreishauptorten, zum Beispiel Wegscheid und Mallersdorf sowie bis 1952 Roding in Bayern oder Westerstede und Wittlage in Niedersachsen. Der kleinste Kreishauptort war die Gemeinde Ort bis zur Eingemeindung in die Stadt Freyung am 1. April 1954 als Sitz des Landkreises Wolfstein. Mit der Auflösung von Kreisen im Rahmen von Kreisgebietsreformen (z. B. Auflösung der Landkreise Wittlage, Mallersdorf und Wegscheid im Jahr 1972) sowie der Verleihung eines Stadtrechtes, z. B. an Westerstede am 28. Mai 1977, sind diese Sonderfälle zum Großteil entfallen. Als einzige Ausnahme in Deutschland verbleibt der Markt Garmisch-Partenkirchen.

Das Wohnplatzverzeichnis Schleswig-Holstein 1987[1] verwendet den Begriff wie folgt: „Als Hauptort ... werden größere geschlossene Orte mit überwiegend städtischem Charakter bezeichnet, die aber nicht die Stadtrechte besitzen. Es handelt sich hierbei zumeist um solche Orte, die – ähnlich einer Kleinstadt – den Mittelpunkt ihrer Umgebung für Handel und Gewerbe bilden, sowie Sitz von Behörden oder Verkehrsknotenpunkt sein können“. Nach dieser Quelle hatte Schleswig-Holstein 22 Hauptorte (z. B. Büchen, Kropp, Leck, Satrup, Trittau). Diese Orte sind im aktuellen Landesentwicklungsplan als Unterzentren bezeichnet.

In Österreich spielt der Begriff verwaltungsrechtlich keine Rolle, wohl aber in der amtlichen Statistik. So definiert sich der Begriff Gemeindehauptort im amtlichen Ortsverzeichnis der Statistik Austria:[2]

„Als Hauptort ist jene Ortschaft anzusehen, die infolge ihrer Anreicherung mit Geschäften, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben, kirchlichen, kulturellen und Verwaltungseinrichtungen als Mittelpunkt der Gemeinde fungiert. Nicht immer ist dies der größte Ort oder jener, in dem sich das Gemeindeamt oder die Kirche befindet. Aus formalen Gründen ist bei jeder Gemeinde ein Hauptort ausgewiesen, obwohl es einige Gemeinden gibt, die keinen Hauptort erkennen lassen.“

Dabei ist die Ortschaft selbst ein verwaltungstechnisches Gebiet, zu dem meist ein namengebender Hauptort (ursprünglich Sitz des Postamtes der Ortschaft als Adressbereich) gehört.

Außerdem arbeitet die Raumplanung der Länder großmaßstäblicher mit diesem Begriff, meist mit den Abstufungen regionales Zentrum, teilregionales Zentrum (beschränkte Zentralortfunktion, etwa nur wirtschaftlich, aber nicht politisch), teils teilregionales Versorgungszentren (oft gemeinsam mit anderen Orten) und lokales Zentrum. Der Gemeindehauptort folgt als eine der untersten Stufen, dann gibt es noch innerkommunale Nebenzentren (Hauptorte der Ortschaften, u. ä.).

Schweiz und Liechtenstein

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In der Deutschschweiz kann auch ein Dorf der Hauptort sein, da nicht alle Kantone Städte aufweisen. So ist der Hauptort des Kantons Appenzell Innerrhoden das Dorf Appenzell mit 5751 Einwohnern (2006). Dies gilt auch für den Liechtensteiner Hauptort Vaduz mit 5771 Einwohnern (2022).

In der Schweiz gelten statistisch alle Orte mit mehr als 10'000 Einwohnern als Stadt. Viele historische Städte (Ortschaften mit mittelalterlichem Stadtrecht) haben wesentlich weniger Einwohner. Zu den historischen Städten zählen beispielsweise Stein am Rhein, Diessenhofen und Maienfeld oder, als Extreme, Fürstenau mit weniger als 1000 und Werdenberg mit weniger als 100 Einwohnern. Hingegen ist zum Beispiel Schwyz, Hauptort des Innerschweizer Kantons Schwyz, trotz der über 14'000 Einwohner immer noch stolz, ein Flecken und nicht etwa eine Stadt zu sein.

In Frankreich wird chef-lieu, die französische Entsprechung zu „Hauptort“, für die Verwaltungssitze jeder Art von Gebietskörperschaften und Verwaltungseinheiten sowie Wahlkreisen (Kantone) unterhalb des Zentralstaates (Regionen, Départements, Arrondissements und Gemeinden) verwendet.

Die Einwohnerzahl spielt in manchen Fällen kaum eine Rolle: Der Kanton Craonne z. B. war bis zu seiner Auflösung 2015 nach seinem Hauptort Craonne, einem Dorf mit nur 65 Einwohnern (2005), benannt, während der größte Ort im Kanton (Corbeny) zehnmal so viele Einwohner hatte (693 im Jahr 2006); jedoch hatte Craonne im Jahr 1906 630 Einwohner.

In Italien wird der entsprechende italienische Begriff capoluogo in derselben Weise für die Verwaltungssitze der Regionen, Provinzen und Gemeinden angewandt.

In Schweden hat jede der 290 Gemeinden einen Hauptort (schwedisch centralort), der oft den gleichen Namen wie die Gemeinde trägt.

  • Walter Christaller: Die zentralen Orte in Süddeutschland: Eine ökonomisch-geographische Untersuchungen über die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968 (Reprografischer Nachdruck der 1. Auflage. Jena 1933).
  • Hans Heinrich Blotevogel: Kulturelle Zentralfunktionen. Theoretische Konzepte und Beispiele aus Westfalen seit dem 18. Jahrhundert. In: Günter Wiegelmann (Hrsg.): Kulturelle Stadt-Land-Beziehungen in der Neuzeit. 1978, S. 63–114 (Volltext als PDF)

Einzelnachweise

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  1. Wohnplatzverzeichnis Schleswig-Holstein 1987. In: https://www.statistischebibliothek.de. 1987, abgerufen am 2. Februar 2024.
  2. Passage zitiert nach: Peter Zeiszig, Statistik Austria (Hrsg.): Ortsverzeichnis Kärnten. Wien 2004, ISBN 3-902452-41-2, Erläuterungen, Begriffe und Definitionen 1. Zum systematischen Verzeichnis. Pkt. 9: Hauptort der Gemeinde, S. 14 (pdf, statistik.at [abgerufen am 3. Juni 2022]).