„Theosophie“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|1=beschreibt die jüdische bzw. christliche mystische Glaubensrichtung. Zur esoterischen Lehre Helena Blavatskys siehe [[Theosophie (Blavatsky)]].}} |
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Das Wort Theosophie stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Göttliche Weisheit“ oder „Weisheit der Götter“. "Theos" bedeutet Gott und "Sophia" ist die Weisheit. |
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Das Wort '''Theosophie''' (von {{grcS|θεοσοφία|theosophía|prefix=nein}} „göttliche Weisheit“) ist eine Sammelbezeichnung für [[Mystik|mystisch]]-[[Religion|religiöse]] und [[Spekulation (Philosophie)|spekulativ]]-[[Naturphilosophie|naturphilosophische Denkansätze]], die die Welt [[Pantheismus|pantheistisch]] als Entwicklung [[Gott]]es auffasst, alles Wissen direkt auf [[Gottesbezug|Gott bezieht]] und in dieser Verbindung Gott oder das Göttliche auf einem Weg [[Intuition|intuitiver]] Schauung unmittelbar zu erfahren trachtet. Theosophische Züge finden sich unter anderem in den mystischen Lehren von [[Jakob Böhme]], [[Friedrich Christoph Oetinger]], [[Paracelsus]], [[Emanuel Swedenborg]] und [[Louis Claude de Saint-Martin]], der jüdischen [[Kabbala]] und der russischen [[Religionsphilosophie]]. |
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Theosophie ist eine [[Religion|religiöse]] Weltanschauung, die mittels [[Philosophie]], [[Theologie]] und ähnlichen Lehren versucht, eine höhere Wahrheit zu erlangen, um zu einer höchsten [[Ethik]] und einer Vollendung des Seins zu gelangen. Theosophische Lehren gibt es seit der [[Antike]] und sie sind teilweise mit [[Askese]], [[Mystik]], [[Astrologie]], [[Esoterik]] und [[Okkultismus]] verbunden. |
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Davon ist die unter demselben Namen ''[[Theosophie (Blavatsky)|Theosophie]]'' begründete esoterische Lehre der [[Okkultist]]in [[Helena Petrovna Blavatsky]] (1831–1891) zu unterscheiden. |
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Theosophische Einflüsse findet man z.B. in der [[Gnosis]], im [[Neuplatonismus]], in der [[Kabbala]], bei den [[Rosenkreuzer]]n, den [[Katharer]]n, bei [[Paracelsus]], bei [[Hildegard von Bingen]] und besonders in der russischen [[Religionsphilosophie]] ([[Solowjew]], [[Berdjajew]], [[S.N. Bulgakow]]) |
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== Begriffsgeschichte == |
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Theosophie erhebt den Anspruch, dass ihre Lehren auf den geistigen, mentalen und physischen Grundprinzipien und Wirkungsweisen der Natur beruhen. Gemäß der Gründerin der ''[[Theosophische Gesellschaft|Theosophischen Gesellschaft]]'', [[Helena Petrovna Blavatsky]], resultieren sie aus den Erkenntnissen und Erfahrungen der großen Weisen des Menschengeschlechts, die der Menschheit in ihrer Evolution bereits weit vorausgingen und das geistige Erbe der Menschheit überliefern. Sie berücksichtigen und umfassen die drei großen Denkrichtungen des Menschen: Wissenschaft, Philosophie und Religion. |
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Das Wort ''Theosophie'' ist vermutlich durch Vermischung der Begriffe ''Theologie'' und ''Philosophie'' entstanden. Schon der im späten 2. und frühen 3. Jahrhundert lehrende [[Kirchenvater]] [[Clemens von Alexandria]] verwendete das Adjektiv {{lang|grc|θεόσοφος|theósophos}}. Bei dem [[Neuplatonismus|Neuplatoniker]] [[Porphyrios]] († 301/305) ist zum ersten Mal die Verwendung des Substantivs {{lang|grc|θεοσοφία|theosophía}} bezeugt. Porphyrios bezeichnete damit eine auf Göttliches bezogene Weisheit. Er zählte unter anderem die indischen [[Gymnosophist]]en zu den „Theosophen“. Spätere neuplatonische Philosophen wie [[Iamblichos von Chalkis|Iamblichos]] und [[Proklos]] sowie Kirchenschriftsteller wie [[Eusebius von Caesarea]] nahmen den Begriff auf – teils in der adjektivischen Form. Eusebius bezeichnete das [[Christentum]] als die „neue und wahre Theosophie“, und „Theosoph“ wurde ein Ehrentitel von Kirchenvätern.<ref>Chiara Ombretta Tommasi: ''Theosophien.'' In: [[Christoph Riedweg]] u. a. (Hrsg.): ''Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike'' (= ''[[Grundriss der Geschichte der Philosophie]]. Die Philosophie der Antike.'' Band 5/2), Basel 2018, S. 1217–1223, hier: 1217 f.</ref> |
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Einen Sonderfall bildet die sogenannte „Tübinger Theosophie“ ''(Theosophia Tubingensis),'' die nach dem Aufbewahrungsort der wichtigsten Handschrift dieses Textes benannt ist. Es handelt sich um eine im späten 5. Jahrhundert entstandene [[Anthologie]] von Orakeln oder griechischen Weisheitssprüchen, die häufig durch einen kurzen Kommentar eingeleitet werden. Überliefert ist davon nur ein nach 692 angefertigter Auszug mit dem Titel ''Orakel der griechischen Götter;'' der Titel des verlorenen ursprünglichen Textes lautete ''Theosophia''.<ref>Chiara Ombretta Tommasi: ''Theosophien.'' In: Christoph Riedweg u. a. (Hrsg.): ''Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike'' (= ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike.'' Band 5/2), Basel 2018, S. 1217–1223, hier: 1218–1222.</ref> |
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Die Theosophie als zusammenhängendes System wurde in den Schriften von Helena Petrovna Blavatsky entfaltet und später von Prof. Dr. Gottfried von Purucker weiter erläutert und vertieft. Zusammen mit [[Henry Steel Olcott]], William Quan Judge und anderen gründete H. P. Blavatsky 1875 die ''Theosophische Gesellschaft'' in [[New York City|New York]], USA. Anschließend traten Blavatsky und Olcott zum [[Buddhismus]] über und ließen sich in Adyar bei Madras in Indien nieder. |
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In der [[Renaissance]] war der Begriff Theosophie in der Bedeutung ''Offenbarung'' weit verbreitet. [[Agostino Steuco]] zitierte Orakel aus der Tübinger Theosophie.<ref>Chiara Ombretta Tommasi: ''Theosophien.'' In: Christoph Riedweg u. a. (Hrsg.): ''Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike'' (= ''Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike.'' Band 5/2), Basel 2018, S. 1217–1223, hier: 1223.</ref> |
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== Grundlagen der theosophischen Philosophie == |
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=== Die fundamentalen Grundsätze der Theosophie === |
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In "Die Geheimlehre" stellt H. P. Blavatsky drei fundamentale Sätze auf, auf denen die Theosophie beruht (Bd. I, S. 42-46, 1. Auflage 1999, Hannover). Sie postuliert: |
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[[Friedrich Schiller]] veröffentlichte 1786 in seinen ''Philosophischen Briefen'' die ''Theosophie des Julius'', in der er sich mit dem damaligen [[Materialismus]] auseinandersetzte. Im 19. Jahrhundert bezeichnete der katholische Philosoph [[Antonio Rosmini]] die Summe seiner Spekulationen als ''Theosophie''. |
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# Ein allgegenwärtiges, ewiges, grenzenloses und unveränderliches PRINZIP, über das gar keine [[Spekulation]] möglich ist, da es die Kraft menschlicher Vorstellung übersteigt und durch irgendwelche menschliche Ausdrucksweise oder Vergleiche nur erniedrigt werden könnte. |
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# Die Ewigkeit des Weltalls in toto als einer grenzenlosen [[Sphäre]], die periodisch der Spielplatz ist von zahllosen unaufhörlich erscheinenden und verschwindenden Universen‘, den sogenannten ,manifestierenden Sternen‘ und ,den Funken der Ewigkeit‘. |
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# Die fundamentale [[Identität]] aller Seelen mit der universellen Oberseele, welch letztere selbst ein [[Aspekt]] der unbekannten Wurzel ist; und die Verpflichtung für jede Seele - einen Funken der vorgenannten -, den [[Zyklus]] von Inkarnation, oder ,Notwendigkeit‘, in Übereinstimmung mit zyklischem und karmischem Gesetz während seiner ganzen Dauer zu durchwandern. [[Kosmologie]] und [[Anthropologie]] basieren auf fundamentalen Prinzipien der sowohl physischen als auch metaphysischen Natur. In dem anfang- und endlosen Universum ist alles Existierende, jede Wesenheit, in seiner fundamentalen Essenz mit dem kosmischen Bewusstsein verwandt und wird von ihm in allen seinen Teilen belebt und beseelt. Damit sind alle Lebewesen als eine unauflösbare Universale Bruderschaft miteinander verbunden. |
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Im [[religionswissenschaft]]lichen Diskurs hat der Begriff ''Theosophie'' zwei verschiedene Bedeutungen.<ref>[[Antoine Faivre]]: ''Christian Theosophy''. In: ''Dictionary of Gnosis and Western Esotericism''. Hrsg.: [[Wouter J. Hanegraaff]]. Brill, Leiden 2006, S. 259; Arthur Versluis: ''Christian Theosophy.'' Esoterica VIII (2006), S. 137. ([http://www.esoteric.msu.edu/VolumeVIII/EsotericaVIII.pdf PDF])</ref> In der ursprünglichen Bedeutung bezeichnet ''Theosophie'' eine Strömung innerhalb der westlichen [[Esoterik]], die sich bis in das späte 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Diese wird konkreter zumeist als ''abendländisch-christliche Theosophie'' bezeichnet und zeichnet sich dadurch aus, dass religiöse Erkenntnisse durch individuelle [[mystische Erfahrung]] angestrebt werden. In einem weiteren Sinne wurde der Begriff etwa durch [[Gershom Scholem]] auf entsprechende Traditionen im [[Judentum]] und von [[Henry Corbin]] auf [[islam]]ische Theosophien angewendet.<ref>Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick''. Herder, 2001, S. 130–131.</ref> |
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===Der Mensch ist eine zusammengesetzte Wesenheit=== |
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== Jüdische Theosophie == |
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'''Das physische Vehikel''': Der physische Körper, durch den sich die menschliche Seele in der physischen Welt bewegt, diese wahrnimmt und an ihr teilnimmt. Aber der wirkliche Mensch ist nicht der physische Körper. |
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{{Hauptartikel|Kabbala}} |
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Der Begriff der Theosophie „spielt vor allem in der [[Judaistik]] des 20. Jh. eine bedeutende Rolle“ und gehört zu den zentralen Begriffen in der Erforschung der Kabbala. Diese wurde sowohl von christlichen als auch jüdischen Forschern des 19. Jahrhunderts mit jüdischer Theosophie identifiziert und steht im Mittelpunkt des Werks [[Franz Joseph Molitor]]s. [[Gershom Scholem]], „der von Molitors Sicht der Kabbala beeinflußt war, wählte den Ausdruck Theosophie zur Bezeichnung zentraler Lehren der jüdischen Kabbala“.<ref>{{Literatur |Autor=Boaz Huss |Hrsg=Horst Balz, James K. Cameron, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Karl Hoheisel, Wolfgang Janke, Kurt Nowak, Knut Schäferdiek, Henning Schröer, Gottfried Seebaß, Hermann Spieckermann, Günter Stemberger, Konrad Stock |Titel=Theosophie |TitelErg=II. Judentum |Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie |WerkErg=Technik - Transzendenz |Band=33 |Verlag=Walter de Gruyter |Ort=Berlin/New York |Datum=2002 |ISBN= |Seiten=398}}</ref> Scholem bezeichnete Theosophie als oft missbrauchten Begriff, der eine Etikette für eine moderne Pseudoreligion geworden sei.<ref name="majortrends1">{{Literatur |Autor=[[Gershom Scholem]] |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=206 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA206&dq=%22before+proceeding+further+i+should+like+to+indicate+in+a+few+words+what+i+am+trying+to+express%22&hl=de&sa=X&ei=pBh2U8PdOsm07QaI04G4Dw&ved=0CDYQ6AEwAA#v=onepage&q=%22before%20proceeding%20further%20i%20should%20like%20to%20indicate%20in%20a%20few%20words%20what%20i%20am%20trying%20to%20express%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Gemeint sei mit Theosophie eigentlich „eine mystische Lehre oder Gedankenrichtung, die ein verborgenes Leben wirkenden Gottheit ahnen, erfassen oder beschreiben zu können glaubt. Theosophie statuiert ein Hervortreten Gottes aus der Verschlossenheit seiner Gottheit zu solch geheimem Leben, und sie findet, daß die Geheimnisse der Schöpfung in diesem Pulsschlag des lebendigen Gottes gründen“.<ref name="majortrends1" /><ref>{{Literatur |Autor=Boaz Huss |Hrsg=Horst Balz, James K. Cameron, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Karl Hoheisel, Wolfgang Janke, Kurt Nowak, Knut Schäferdiek, Henning Schröer, Gottfried Seebaß, Hermann Spieckermann, Günter Stemberger, Konrad Stock |Titel=Theosophie |TitelErg=II. Judentum |Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie |WerkErg=Technik - Transzendenz |Band=33 |Verlag=Walter de Gruyter |Ort=Berlin/New York |Datum=2002 |ISBN= |Seiten=398 f}}</ref> Theosophen in diesem Sinne seien auch die christlichen Mystiker [[Jakob Böhme]] und [[William Blake]] gewesen.<ref name="majortrends1" /> |
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'''Das Ätherische Doppel''': |
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auch ''Energiekörper'' oder ''Doppelgänger'' genannt. Er ist der Sitz der Lebensfunktionen und bildet die Brücke zur geistigen Welt. Zieht sich der Ätherkörper vom irdischen Leib zurück, tritt der Tod ein. Seiner Form nach ist er ein exaktes Abbild des physischen Körpers und kann auch unabhängig von diesem, nur in Verbindung mit dem Astralkörper weite Distanzen überwinden (Projektion, Exteriorisation, mentales Wandeln). Anders als der Astralkörper bleibt er jedoch an die irdische Welt gebunden. |
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Die Religionen seien entstanden, als der Mensch aus seiner träumerischen Einheit von Mensch, Welt und Gott herausgerissen wurde. Dieser scheinbar ewig unüberschreitbare Abgrund, über den nur Gottes leitende, gesetzgebende Offenbarungen als Stimme dringt, bilde die Ursache und Grunderfahrung aller jüdischen Mystiker. Aus dieser Erfahrung heraus entsteht das mystische Bestreben, innerhalb des sittlich-religiösen Handelns des Einzelnen sowie der Gemeinschaft, die Seele über den Abgrund zur lebendigen Erfahrung der Gotteswirklichkeit zu leiten. Insbesondere die jüdische Theosophie der [[Chassidismus|Chassidim]] und der [[Kabbala|Kabbalisten]] gerät dabei in einen Dauerkonflikt mit der streng [[Monotheismus|monotheistischen]] Religion eines persönlichen Schöpfergottes einerseits und der [[Jüdische Philosophie|Philosophie des Judentums]] andererseits. |
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Außerkörperliche Erfahrungen, in denen Menschen an fremden Orten erscheinen oder Eindrücke sammeln, ohne sich jemals physisch dorthin begeben zu haben, nennt man ''Ätherprojektionen''. Man darf sie auf keinen Fall mit Astralreisen verwechseln, die immer in überirdische Dimensionen führen. Nichtsdestotrotz ist natürlich auch an Ätherprojektionen stets der Astralkörper beteiligt, da er zu Lebzeiten fest mit dem Ätherischen Doppel verwoben ist. Es gibt Wesenheiten, die zwar über einen ätherischen und einen Astralkörper, jedoch über keinen physischen Leib verfügen (z.B. Naturgeister) |
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Von Theosophie ist bei Scholem bereits im Zusammenhang mit den [[Tannaim]], deren Lehren den Inhalt der [[Mischna]] bilden, die Rede. Ihre Mystik und Theosophie lebe in der [[Merkaba]]-Mystik weiter.<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=52 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA52&dq=%22tannaitic+mysticism+and+theosophy%22&hl=de&sa=X&ei=4hJ2U4GPMsnm7AbAjoHwDw&ved=0CDIQ6AEwAA#v=onepage&q=%22tannaitic%20mysticism%20and%20theosophy%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Diese nennt Scholem in ''Major Trends in Jewish Mysticism'' als erste Phase in der Entwicklung jüdischer Mystik vor ihrer Kristallisation in der mittelalterlichen Kabbala.<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=40 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA40&dq=%22development+of+Jewish+mysticism%22&hl=de&sa=X&ei=Zg92U-H5OcG47Ab46YCgCg&ved=0CFIQ6AEwBA#v=onepage&q=%22development%20of%20Jewish%20mysticism%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Sie lege eine beinahe bis zum Exzess gehende Emphase auf eine Kombination des Apokalyptischen mit Theosophie und [[Kosmogonie]].<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=43 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA43&dq=%22mysticism+already+occupy%22&hl=de&sa=X&ei=eBF2U6CIHLLg7Qaq14Eo&ved=0CD4Q6AEwAQ#v=onepage&q=%22mysticism%20already%20occupy%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Der ihr nahestehenden Hechalot-Literatur jedoch waren theosophische Gedanken laut Scholem unbekannt, wohingegen unter anderem [[Moshe Idel]] von theosophischen Vorstellungen im biblischen und [[talmud]]ischen Judentum spricht.<ref name="huss399">{{Literatur |Autor=Boaz Huss |Hrsg=Horst Balz, James K. Cameron, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Karl Hoheisel, Wolfgang Janke, Kurt Nowak, Knut Schäferdiek, Henning † Schröer, Gottfried Seebaß, Hermann Spieckermann, Günter Stemberger, Konrad Stock |Titel=Theosophie |TitelErg=II. Judentum |Sammelwerk=Theologische Realenzyklopädie |WerkErg=Technik - Transzendenz |Band=33 |Verlag=Walter de Gruyter |Ort=Berlin/New York |Datum=2002 |ISBN= |Seiten=399}}</ref> |
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'''Der Astralkörper''': |
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ist der dem physischen Körper nächstgelegene feinstoffliche Körper. Er umhüllt alle dahinterliegenden geistigen Träger, die meist nur ungenügend entwickelt sind. Beim durchschnittlichen Erdenmenschen ist der Astralkörper in höchster Aktivität und steuert alle seine schicksalshaften Erfahrungen. Er ist der Sitz der Begierden und des Wunschlebens und muss im Laufe der geistigen Evolution von groben Anhaftungen gereinigt werden. |
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Der mittelalterliche Chassidismus mit seinem breiteren Spekulationsfeld brachte eine neue Theosophie, das „[[Mysterium]] der Einheit Gottes“.<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=90 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA90&dq=%22a+new+theosophy+the+mystery%22&hl=de&sa=X&ei=RxN2U57sBfSu7Aas4oCABg&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q=%22a%20new%20theosophy%20the%20mystery%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Diese neue Theosophie war durchgehend vom Ideal des Chassid, des Frommen, geprägt.<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=103 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA103&dq=%22domain+of+traditional+jewish+mysticism+and+theosophy%22&hl=de&sa=X&ei=LxR2U4jCO-_07AbB4IHoAg&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q=%22domain%20of%20traditional%20jewish%20mysticism%20and%20theosophy%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Als die drei Grundgedanken der eigenwilligen Theosophie der Chassidim nennt Scholem ihre Konzeption von ''Kavod'' (göttlicher Glorie), ihre Idee eines heiligen [[Cherub]] auf dem Thron und ihre Konzeption von Gottes [[Heiligkeit]] und Größe.<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=110 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA110&dq=%22peculiar+theosophy+of+the+hasidim%22&hl=de&sa=X&ei=BhZ2U6TnE6Sv7AbIi4CgCg&ved=0CD0Q6AEwAA#v=onepage&q=%22peculiar%20theosophy%20of%20the%20hasidim%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Mit der Ausbreitung der spanischen Kabbala verlor die chassidische Theosophie an Boden.<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=107 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA107&dq=%22early+hasidic+theosophy+lost+ground%22&hl=de&sa=X&ei=WhV2U_y9EqiN7Qar94Eg&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q=%22early%20hasidic%20theosophy%20lost%20ground%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Sowohl die chassidische als auch die kabbalistische jüdische Theosophie betrachtete Scholem als Neuerung des mittelalterlichen Judentums, ihr Aufkommen „hing seiner Ansicht nach mit dem Eindringen fremder [[Gnosis|gnostischer]] Vorstellungen in das mittelalterliche Judentum zusammen“.<ref name="huss399" /> Für die Kabbala war laut Scholem die Theosophie neben der Mystik eines ihrer beiden Hauptelemente. Er trennte die spanischen Kabbalisten in eine theosophische und eine insbesondere mit [[Abraham Abulafia]] identifizierte, ekstatische Schule, die die Ekstase und die prophetische Inspiration suchte. Diese Unterscheidung griff Moshe Idel auf, der die erstgenannte Strömung jedoch als eine theosophisch-[[Theurgie|theurgische]] bezeichnet.<ref name="huss399" /> Dem ''Zohar'', einem der Hauptwerke der Kabbala, widmete Scholem in ''Major Trends in Jewish Mysticism'' zwei Kapitel, von denen das zweite sich dessen theosophischer Doktrin widmete. Den Lebensprozess in Gott selbst mit der monotheistischen Doktrin sowohl der Kabbalisten als auch der übrigen Juden bezeichnet er als Aufgabe der Theoretiker kabbalistischer Theosophie.<ref>{{Literatur |Autor=Gershom Scholem |Titel=Major Trends in Jewish Mysticism |Ort= |Datum=2011 |ISBN=0-8052-1042-3 |Seiten=225 |Online=http://books.google.de/books?id=9mv10jdWKswC&pg=PA225&dq=%22task+of+the+theorists+of+kabbalistic+theosophy%22&hl=de&sa=X&ei=cBl2U8uxMqnG7AbEiIDIBA&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q=%22task%20of%20the%20theorists%20of%20kabbalistic%20theosophy%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Scholem zufolge entwickelte der ''Zohar'' jüdische Theosophie und mythologischen Symbolismus hin zu einer neuen Stufe des Reichtums, der Sophistikation und der historischen Bedeutung.<ref>{{Literatur |Autor=[[Joseph Dan]] |Titel=Gershom Scholem and the Mystical Dimension of Jewish History |Verlag=New York University |Ort=New York |Datum=1987 |ISBN=0-8147-1779-9 |Seiten= |Online=http://books.google.de/books?id=QlMUN0xIj8YC&pg=PT196&dq=%22jewish+theosophy%22&hl=de&sa=X&ei=3Qt2U8W-BZKw7AbEjoG4DA&ved=0CEMQ6AEwAjgK#v=onepage&q=%22jewish%20theosophy%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> Nach dem Erlass des [[Alhambra-Edikt]]s und der Vertreibung der Juden von der iberischen Halbinsel entwickelte sich im Exil die lurianische Kabbala, die Moshe Idel als komplizierteste jüdische Theosophie bezeichnet.<ref>{{Literatur |Autor=[[Moshe Idel]] |Titel=Absorbing Perfections: Kabbalah and Interpretation |Ort= |Datum=2002 |ISBN=0-300-08379-3 |Seiten=313 |Online=http://books.google.de/books?id=2_OrsAn8BM8C&pg=PA313&dq=%22jewish+theosophy%22&hl=de&sa=X&ei=3Qt2U8W-BZKw7AbEjoG4DA&ved=0CFoQ6AEwBTgK#v=onepage&q=%22jewish%20theosophy%22&f=false |Abruf=2014-05-16}}</ref> |
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Solange der Astralkörper über irdische Anziehungen verfügt kann die Kette der Wiedergeburten nicht durchbrochen werden, weil es den Menschen immer wieder auf die grobstoffliche Ebene zurückzieht, um seine Wünsche (Macht- und Geltungsstreben, Triebe) auszuleben. Er entspricht dem Unterbewusstsein der Psychologen und korrespondiert mit dem Sexualchakra. Erst wenn sich die Schwingungen des Astralkörpers verfeinert haben, kann der Mensch die höheren Regungen des Mentalkörpers empfangen. Er wird dann zunehmend unabhängig von Schicksal und Fremdbestimmung. |
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Bei [[Juda ben Samuel|Juda dem Chassid]] werden ältere mystisch-theosophische Strömungen des Judentums zusammengefasst einsehbar, insbesondere die alte Merkaba-Mystik und verwandte Strömungen, die nachweislich seit dem 9. Jahrhundert über Italien den Zugang zu den deutschen Gemeinden fanden. Im theosophischen Denken der Chassiduth seien Ideen wichtig, die in der Merkaba-Mystik noch nicht vorkämen: die [[Allgegenwart|Omnipräsenz]] und [[Immanenz]] Gottes in der [[Schöpfung]] (Gott als Weltkraft und Weltgrund) – Gott ist in allem, und alles ist in Gott. Von zentraler Bedeutung ist im jüdisch-theosophischen Denken auch die Idee der „[[Gloria|Kabod]]“ (Glorie Gottes), über die Juda der Chassid ein Buch verfasst hatte, dessen Lehre vor allem von Eleasar ben Juda weitergeführt wurde. Dieser unterscheide zwischen der ersten „inneren“ Glorie der Gottheit (Kabod pereni) und der „sichtbaren“ Glorie. Die innere Glorie sei identisch mit der [[Schechina]] und dem [[Heiliger Geist|heiligen Geist]], sei ohne Gestalt, aber mit Stimme. Der Mensch könne sich nicht mit Gott selbst verbinden, aber mit dessen Kabod oder Schechina. Die sichtbare Kabod trete dagegen in sich wandelnden Gestalten und Formen auf (z. B. als Glorie auf dem Thron der Merkaba). Am ''Zohar'' entwickele sich eine jüdisch-theosophische Lehre von der heiligen Verbindung des Königs mit der Königin, des himmlischen Bräutigams mit der himmlischen Braut, des göttlichen „Ich“ mit dem göttlichen „Du“. Die theosophischen Ideen traten im späteren Chassidismus hinter seinem Moralideal, der Gebetsmystik, Gebetsmagie und der [[Buße (Religion)|Bußdisziplin]] zurück. |
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Die natürliche Umgebung des Astralkörpers ist die ''Astralwelt'' (Astralebene), die der Mensch im Traumleben erfährt und die sich, ein wenig Mühe vorausgesetzt, auch bewusst betreten lässt. In ihr spiegelt sich die darunterliegende irdische Ebene einschliesslich aller Seeleninhalte; in ihr verschmelzen Zeit und Raum, Kräfte erscheinen stets als Wesenheiten (Naturgeister, Dämonen). Die feinstoffliche Astralmaterie reagiert auf die verhaltendsten gedanklichen Regungen, alle gewünschten Dinge und Szenerien erschenen wie auf "Zuruf". Die Astralwelt ist die instabilste im gesamten geistigen Panorama, sie ist besonders für seelisch ungeschulte und gefühlsbeherrschte Menschen ein bedrohlicher Ort, da Ängste als Schreckbilder erscheinen. |
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== Geschichte der christlichen Theosophie == |
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Gereifte und geläuterte Menschen hingegen gewinnen dank ihres entwickelten Astralkörpers Macht über die Verhältnisse, da die Beherrschung der Empfindungen auch Macht über die Materie verleiht. Nach dem "kosmischen Gefälle" beherrscht der konzentrierte Gedanke die Empfindung, diese wiederum die Materie. Um die Astralwelt zu beherrschen muss der Mensch also bereits bewusst im darüberliegenden Mentalkörper wirken, was einen ungewöhnlich hohen Reifegrad voraussetzt. Erreicht wird dieser üblicherweise durch Meditation (Yoga) oder ein durch eine lange Kette von Wiedergeburten erworbenes ethisches Niveau. Vom Astralkörper gehen auch sämtliche Spukerscheinungen und Sinnestäuschungen oder Phänomene wie der Phantomschmerz aus. |
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Die konfessionellen Auseinandersetzungen des sechzehnten Jahrhunderts führten zu einer Ausformung der sich seit der [[Spätantike]] unterschiedlich auswirkenden jüdischen, muslimischen und [[Christliche Mystik|christlichen Mystik]], als Grundlage der christlichen Theosophie, der das regen Zulauf bescherte. Die neu entwickelte abendländisch-christliche Theosophie bildete eine Alternative zur „trockenen“ [[Theologie]]<ref>[[Kocku von Stuckrad]]: ''Was ist Esoterik?'' Beck, München 2004, S. 156.</ref> und hat ihre Wurzeln in den ersten beiden Kapiteln des [[1. Brief des Paulus an die Korinther|1. Korintherbriefs]] („denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“).<ref>Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick''. Herder, 2001. S. 135.; [[Hans-Jürgen Ruppert]]: ''Theosophie – unterwegs zum okkulten Übermenschen. Reihe Apologetische Themen.'' Friedrich Bahn Verlag, 1993. S. 9.</ref> Der Religionswissenschaftler [[Antoine Faivre]] benennt drei charakteristische Züge der modernen abendländischen Theosophie: |
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{{Zitat|1. Eine Tendenz, über die Beziehungen zwischen Gott (bzw. die göttliche Welt), Natur und Mensch spekulative Diskurse zu führen.<br />2. Eine Vorliebe für das mystische Element in den geoffenbarten Texten (z. B. in der [[Bibel]]).<br />3. Die Überzeugung, dass ein dem Menschen innewohnendes Vermögen (nämlich die schöpferische [[Imagination|Einbildungskraft]]) ihn befähigt, mit höheren Realitätsebenen in Kontakt zu treten.<ref>Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick.'' Herder, 2001. S. 43.</ref>}} |
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Von den alexandrinischen Kirchenvätern führt ein breiter Strom christlicher Theosophen wie [[Hildegard von Bingen]], [[Jakob Böhme|Böhme]], [[Johann Georg Gichtel|Gichtel]], [[John Pordage|Pordage]], [[Friedrich Christoph Oetinger|Oetinger]], [[Johann Michael Hahn|J. M. Hahn]], [[Franz von Baader|F. von Baader]], [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling|Schelling]] bis zu den russischen Sophiologen [[Wladimir Sergejewitsch Solowjow]], [[Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew]] und [[Sergei Nikolajewitsch Bulgakow]].<ref>Hans Jürgen Ruppert: ''Theosophie – unterwegs zum okkulten Übermenschen. Reihe Apologetische Themen.'' Friedrich Bahn Verlag, 1993. S. 10.</ref> |
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'''Prana - Lebenskraft''': Ist im gesamten Universum unter der Sanskrit-Bezeichnung Jiva vorhanden. Wenn es im Menschen wirkt, als die Lebenskraft, wird es Prana genannt. Jede Wesenheit kommt mit einem bestimmten Vorrat an Lebenskraft zur Welt. Dieser wird im Laufe des Lebens benutzt und geht dann in das große Reservoir zurück. Denn - wie schon die Physik sagt: Energie ist unvergänglich. Sie ändert zwar ihren Zustand, aber sie kann nicht aufgebraucht werden. |
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=== Vier Phasen der protestantischen Theosophie === |
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'''Kama - Wünsche''': Das [[Sanskrit]]wort „Kama“ bedeutet Wunsch. Es ist zusammen mit dem Willen die vorwärtstreibende Kraft in der menschlichen Konstitution. Von Natur aus ist Kama zunächst [[farblos]], weder gut noch schlecht, außer in dem Maße, wie es durch den menschlichen Willen im täglichen Leben benutzt wird. Für Kama wird im Kontext mit Wille oft das Symbol von Pferd und Reiter verwendet, in dem Sinne, dass der Reiter, als Symbol für den Willen, das Pferd, die wildgewordenen Wünsche, regulieren muss und die Richtung vorgibt. |
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In der protestantischen Theosophie lassen sich vier Phasen ausmachen: |
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# Unter dem Einfluss Martin Luthers entwickelte sich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert die „klassische“ Theosophie. Zu dieser Bewegung sind Jakob Böhme, [[Valentin Weigel]], Khunrath, Arndt, A. Gutmann, C. von Schwenkfeld, G. Dorn, Johann Georg Gichtel, Gottfried Arnold, John Pordage, Jane Leade, P. Poiret und A. Bourgignon zu rechnen.<ref name="kocku156-157" /> Als bedeutendster Vertreter und maßgeblicher Begründer der christlichen Theosophie gilt Jakob Böhme (1575–1624).<ref>Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick''. Herder, 2001, S. 67–69.</ref> Dessen Schriften basieren auf einer [[Vision (Religion)|visionären]] [[Erleuchtung]] und daran anknüpfenden mystischen Erfahrungen. Als ein Vorgänger kann Valentin Weigel (1533–1588) gelten, der mystische Traditionen mit Gedanken des [[Paracelsus|Paracelsismus]] verband. Inwiefern Böhme durch Weigel oder andere Autoren beeinflusst war, ist allerdings unklar. Er selbst trug jedoch maßgeblich zur Ausbildung eines spirituellen Bewusstseins in Deutschland bei und entfaltete dann auch in anderen Ländern eine bedeutende Wirkung. Neben der an Böhme orientierten, mystisch ausgerichteten Theosophie trat im frühen 18. Jahrhundert eine ebenfalls an Böhme und Paracelsus anknüpfende, aber stärker den [[Okkulte Wissenschaften|okkulten Wissenschaften]] und insbesondere der [[Magie]] zuneigende Strömung in Erscheinung, wie sie etwa durch [[Samuel Richter]] repräsentiert ist.<ref>Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick.'' Herder, 2001, S. 82.</ref> |
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# In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts entstand eine stärker intellektuell orientierte Theosophie, die weniger visionär ausgerichtet war. |
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# In der Vorromantik und Romantik entwickelte sich die stark spekulativ geprägte Theosophie von [[Louis Claude de Saint-Martin]] (1743–1803) und [[Franz von Baader]] (1765–1841), die weniger prophetisch war.<ref name="kocku156-157" /> Eine Sonderstellung nimmt [[Emanuel Swedenborg]] (1688–1772) ein, der wie Böhme aufgrund von Visionen zum Mystiker wurde.<ref>Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick''. Herder, 2001, S. 83; Kocku von Stuckrad: ''Was ist Esoterik''. Beck, München 2004, S. 167.</ref> Innerhalb der theosophischen Strömung blieb er ein Außenseiter, dessen Werke von anderen Theosophen kritisch betrachtet wurden. Auf der anderen Seite erlangte er jedoch eine viel größere Popularität als seine Kritiker und gewann eine zahlreiche Anhängerschaft. Einer der Kritiker Swedenborgs war [[Friedrich Christoph Oetinger]] (1702–1782).<ref name="faivre84">Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick''. Herder, 2001, S. 84.</ref> Er war außer durch Böhme auch stark durch die [[Kabbala]] geprägt und vertrat eine eher intellektuelle Richtung. Populärer wurde allerdings sein Zeitgenosse [[Karl von Eckartshausen]] (1752–1803), der mit der an Böhme anknüpfenden mystischen Tradition nur noch wenig gemein hatte.<ref name="faivre84" /> |
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# Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert werden S. Soloview, M. Boulgakov, N. A. Berdjaev und mit Abstrichen [[Rudolf Steiner]] (Begründer der [[Anthroposophie]]) (1861–1925), [[Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew]] (1874–1948), [[Leopold Ziegler]] (1881–1958) und [[Valentin Tomberg]] (1900–1973) zu den Theosophen gezählt.<ref name="kocku156-157">Kocku von Stuckrad: ''Was ist Esoterik?'' Beck, München 2004, S. 156–157</ref><ref>Antoine Faivre: ''Esoterik im Überblick''. Herder, 2001, S. 127–131.</ref> |
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=== Theosophie Jakob Böhmes === |
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'''Manas - Denken''': Das Denken ist die Stufe, die für Menschen als Denker die wichtigste ist, da er im Manas seine Hauptevolution hat. Was bliebe von einem Menschen ohne seine mentale Tätigkeit noch übrig? Manas ist der Sitz der menschlichen Seele und in sich dual, entweder mehr von niederen Wünschen oder höheren Wünschen beeinflusst. |
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[[Jakob Böhme]]s Lehre entwickelte sich aus seinem intensiven Ringen um Gottes- und Naturerkenntnis, die sich ihm im mystischen Erleben erfüllte. In seinem ersten Werk ''[[Aurora oder Morgenröte im Aufgang]]'' schildert er erstmals Ergebnisse seines Innewerdens göttlichen Wesens. Göttliches und Natürliches, Geistiges und Leibliches verschmelzen darin zu einer geschauten Einheit, die er in dem Bild der anbrechenden Morgenröte beschreibt, welches zugleich den Anbruch einer „neuen Reformation“ ausdrückt.<ref>Jakob Böhme: ''Aurora oder die Morgenröte im Aufgang''. Einführung durch Gerhard Wehr. Insel, 1992.</ref><ref name="Hirschberger 1948">Johannes Hirschberger: ''Geschichte der Philosophie. Bd. 2.'' Herder 1948 (Nachdruck KOMET).</ref> In späteren Werken wie seinen ''Theosophischen Sendbriefen''<ref>Jakob Böhme: ''Theosophische Sendbriefe'', 2 Bände, Aurum, 1979.; Jakob Böhme: ''Mysterium Pansophicum.'' Aurum, 1980.; Jakob Böhme: ''Von der Gnadenwahl.'' Insel, 1995.</ref> und seinem Hauptwerk ''Mysterium magnum'' führt er seine Ansichten weiter aus. |
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Böhme verstand seine Lehre als ewiges Wissen, das ihm vom alles durchdringenden „Grund und Ungrund<!--sic!-->“ (Gott, dessen Existenz ohne jeden Grund ist) offenbart wurde.<ref name="Hirschberger 1948" /> Das Erlebnis dieser [[Offenbarung]] nennt er ein „kommen in das Ganze“, das dem Menschen möglich wird, wenn er alles Eigene verlässt und wieder das „göttliche Auge zum Sehen“ bekommt.<ref name="Pietsch">Roland Pietsch: ''Jacob Böhmes Lehre von der göttlichen Weisheit; in Erkenntnis und Wissenschaft.'' Internationales Jacob-Böhme-Symposium Görlitz 2000, Verlag Gunter Oettel, 2001, ISBN 3-932693-64-7.</ref> |
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'''Buddhi - Unterscheidungskraft''': Die Unterscheidungskraft ist im Menschen noch unvollkommen entwickelt. Sie schlägt sich als [[Intuition]] in der menschlichen Seele nieder und [[Inspiration|inspiriert]] den Menschen zu mehr [[Altruismus|altruistisch]]en Taten. Über Buddhi ist die menschliche Seele mit der inneren Göttlichkeit, den inneren geistigen Kern verbunden. Frau Blavatsky nannte "Buddhi" den Rettungsanker für die menschliche Seele. |
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Die Vernunft des Menschen gilt ihm als Gehäuse, {{"|darin des wahren [[Verstand]]es göttliche Erkenntnis}} ist. Er drückt dies so aus: {{"|Gott hat mir die Weisheit gegeben, nicht Ich, der Ich der Ich bin, weiß es, sondern Gott in mir.}} Wie die göttliche Erkenntnis innerhalb der Vernunft im Menschen wirkt, so wirkt die himmlische Weisheit innerhalb der Natur als allumfassende Offenbarerin des verborgenen Gottes. In der mystischen Lehre vom [[Deus absconditus|verborgenen Gott]] kann eine Parallele zu [[Martin Luther]]s theologischer Lehre gezogen werden. Im Unterschied zu Luther jedoch, schaut Jakob Böhme alle Dinge in unmittelbarer Gottdurchdrungenheit, die durch Sophia gesehen werden könne.<ref name="Hirschberger 1948" /><ref name="Pietsch" /><ref name="Nigg 1987">Walter Nigg: ''Heimliche Weisheit. Mystisches Erleben in der evangelischen Christenheit.'' Artemis Verlag, 1987.</ref> |
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'''Atman''': In Verbindung mit Buddhi die innere Göttlichkeit des Menschen. |
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Die göttliche Sophia wird im theosophischen System Böhmes auch in Begriffen wie „Auge“ und „Spiegel“ beschrieben, in dem der Ungrund sich selbst erkennt. Dieser Spiegel wird als unoffenbar vorgestellt, und von Böhme als „Spiegelglast“ bezeichnet. Unter „Glast“ versteht er die Schattenfiguren in einem Spiegel. Dieser Spiegel werde offenbar, wenn sich die göttliche [[Dreifaltigkeit|Trinität]] selbst gebiert. So seien in der Weisheit alle Dinge der Natur gespiegelt oder die Weisheit gebäre die Wissenschaft aller Dinge. Diese kann dem Menschen durch Selbstoffenbarung Gottes im Gemüt zugänglich werden. So versteht Jakob Böhme seine Lehre dann auch als „Göttliche Wissenschaft“.<ref name="Pietsch" /> |
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===Reinkarnation=== |
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Die Lehre der [[Wiedergeburt]] der menschlichen Seele in menschlichen Körprern. Die zyklische Wiedergeburt der Seele, um sich evolutionsmäßig weiter zu entwickeln und dabei vergangenes Karma (in vergangenen Leben gelegte Ursachen) abzuarbeiten. Durch das Gesetz von [[Karma]] wird jede Wesenheit, jedes Individuum, immer wieder dorthin zurückkehren, wo ihre in einem früheren Leben gelegten karmischen Saaten zur Entfaltung gelangen können. Sie wird unweigerlich mit ihren eigenen karmischen Impulsen wieder konfrontiert. Karma in Verbindung mit der [[Reinkarnation]] ist somit die Lehre von der unbedingten Gerechtigkeit und Harmonie. Karma auch die Zwillingslehre zur Reinkarnation genannt, weil eine die andere bedingt. Durch das Legen karmischer Ursachen muss der Mensch wieder inkarnieren, um diese wieder auszugleichen. |
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Religionsgeschichtlich kann eine Wurzel für Böhmes theosophische Lehre in der sophianischen Mystik des „[[apokryphen]]“, alttestamentlichen „[[Buch der Weisheit]]“ gefunden werden, eine Mystik, die durch Böhme kreativ erweitert wird. In der gleichnishaften Darstellung wird Sophia (die Weisheit) als Jungfrau symbolisiert, die mit [[Adam und Eva|Adam]] im Paradies war. Als der Lustgeist dieser Welt sich des Adams bemächtigte, entfloh die Jungfrau Sophia, und Adam bekam [[Adam und Eva|Eva]] zur Gemahlin. Die himmlische Jungfrau wartet nun auf die Rückkehr der Adamskinder zu ihr, um sich mit ihnen in der „Himmlischen Hochzeit“ zu vermählen. Sie ist „die Mutter darin der Vater wirket“. Sie kann als Theosophia oder Christosophia bezeichnet werden. In diesem tiefgehenden, imaginativen Bild kann sich das Selbstverständnis der Theosophie Böhmes erschließen. Durch die [[mystische Hochzeit]] gelangt der Mensch in das Paradies zurück, von dem Böhme sagt, es sei in der Natur, lediglich der Mensch sei nicht darin.<ref name="Nigg 1987" /> |
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===Karma=== |
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Die Lehre von "Ursache und Wirkung" und die Zwillingslehre der "Reinkarnation". Jede Handlung ruft eine ihr entsprechende Wirkung hervor. Diese kommt auf ihren Ausgangspunkt, die verursachende Person zurück. In der Regel wird dies als "negativ" oder "positiv" erfahren, ist aber letztlich nur die in der ursprünglichen Handlung liegende [[Charakteristik]], die vom Menschen entsprechend empfunden wird. Da alles in der Natur miteinander verbunden und gegenseitig ineinandergreift, werden auch andere Personen und Wesen von den Taten eines Einzelnen beeinflusst. Dies ruft demenstprechende Rückwirkungen hervor. Wenn Disteln gesät werden, können nicht Rosen geerntet werden. Somit liegt im Gesetz von Karma eine tiefgehende [[Ethik]]. Karma ist kein [[Fatalismus]], da der Mensch immer einen [[Freier Wille|freien Willen]] besitzt. |
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Die „himmlische Jungfrau“ war für Böhme nicht nur ein abstraktes Prinzip, sondern lebendige Gestalt, die er nach eigener Aussage schauen, erleben konnte, was einer seiner grundlegenden Idee entspricht: {{"|Es gibt nichts Geistiges ohne Leibliches!}} Sie ist selbst keine [[Person]], doch die Person (das Selbst) des jeweiligen Menschen erscheint in ihr, wie in einem göttlichen Spiegel. Aus der Vereinigung mit der himmlischen [[Weisheit]] (gemeint ist eine Vereinigung übergeschlechtlicher Natur, d. h. geistiges Einswerden) sollen seine Einsichten, die er in seinen insgesamt umfangreichen Schriften darlegt, entstanden sein. In seinem Werk ''Beschreibung der drei Principien göttlichen Wesens'' schildert Böhme ein solches mystisches Erlebnis der (Theo)Sophia in wuchtiger Dramatik. Jakob Böhme gibt in seinen Schriften einen ausführlichen christlichen Meditationsweg an, welcher den Menschen zur himmlischen Sophia führen soll.<ref name="Nigg 1987" /><ref>Jakob Böhme: ''Christosophia.'' Insel, 1992.</ref> |
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=== Universale Bruderschaft=== |
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Theosophie versteht unter Universaler Bruderschaft mehr als eine rein politische oder soziale Verbindung, sondern betrachtet Universale Bruderschaft als eine Tatsache in der Natur, die auf dem Aufbau und der Struktur der Natur basiert. Universale Bruderschaft ist eine spirituelle oder geistige Einheit, die darauf beruht, dass alle Wesenheiten in der [[Essenz]] ihre Lebenswurzel im kosmischen Bewusstsein haben. Somit sind alle Wesen durch innere Bande miteinander verwandt, und daraus resultiert, dass die [[Kooperation]] und das „Miteinander“ in der Natur eine wesentlich stärkere und natürlichere Komponente in der Evolution ist, als das sogenannte „Überleben des Stärkeren“. In der Universalen Bruderschaft liegt auch das Fundament für menschliche Ethik. Die Anerkennung der „Universalen Bruderschaft“ ist die einzige Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Theosophischen Gesellschaft. |
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=== Theosophie Emanuel Swedenborgs === |
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===Evolution=== |
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[[Emanuel Swedenborg]] (1688–1772) stellte sein Leben von 1710 bis etwa 1744 in den Dienst am Fortschritt der Wissenschaften und der [[Industrielle Revolution|industriellen Revolution]] des staatlichen Bergbauwesens Schwedens mit ihren stark belebenden Auswirkungen auf die schwedische [[Volkswirtschaft]]. Beide Tätigkeiten Swedenborgs waren religiös motiviert. So verstand er, wie viele seiner Zeitgenossen, die wissenschaftliche Arbeit als Erforschung der [[Schöpfung]] Gottes mit den Mitteln der menschlichen [[Vernunft]] und lebte eine von Naturerkenntnis getragene Frömmigkeit. Dabei mündete Swedenborgs Forschung [[Philosophie|philosophisch]] immer in „Gott, dem [[Archē|Urgrund]] und Schöpfer alles Seins, alles Lebens und aller Bewegung“ ein.<ref name="Benz 1969">Ernst Benz: ''Swedenborg. Naturforscher und Seher.'' Swedenborg Verlag, Zürich 1969.</ref> Siehe auch [[Erste Ursache]]. |
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[[Evolution]] im Sinne der Theosophie bedeutet ,,Auswickeln'', das ,,Entfalten'', ,,Ausrollen'' verborgener Kräfte und Fähigkeiten, die der betreffenden Wesenheit angeboren sind und ihr innewohnen - ihre eigenen essenziellen und charakteristischen Merkmale, oder allgemein ausgedrückt, die Kräfte und Fähigkeiten ihres eigenen Charakters. |
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In seinen zahlreichen und umfangreichen Büchern zu allen Gebieten menschlichen Wissens beschreibt er [[Erkenntnis]]se und [[Theorie]]n, zu denen er durch eine lebendige Durchdringung des Wissens seiner Zeit, verbunden mit genauen Beobachtungen der Kräfte in der Natur, gelangte. Auf diese Weise versuchte Swedenborg, die Isolation wissenschaftlicher Einzelerkenntnisse einerseits, und die Getrenntheit universitären Wissens von Leben und Natur andererseits zu überwinden. So begründete er beispielsweise in seinem Werk ''Principia'' (1733/34) noch vor [[Immanuel Kant]] und [[Pierre-Simon Laplace]] die Nebulartheorie über den Ursprung der Erde, und noch vor [[Wilhelm Herschel]] die Entdeckung, dass die Sonne Teil des Systems der [[Milchstraße]] ist. Er sah das [[Weltall]] als geordnetes Ganzes, dessen höchster göttlicher Zweck es sei, den Menschen zu erschaffen und ihn in Freiheit zur Erwiderung der göttlichen Liebe und Weisheit zu führen.<ref name="Benz 1969" /><ref>J. G. Mitternacht: ''Emanuel Swedenborg. Der geistige Kolumbus''. Deutscher Swedenborg Verlag, Konstanz, o. J.</ref> |
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Der Mensch (wie tatsächlich alle sich evolvierenden Wesen) enthält alles in sich, was der Kosmos enthält, da er ein untrennbarer Teil von ihm und sein Kind ist. Man kann den |
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Menschen nicht vom Universum trennen. Alles, was das Universum enthält, ist auch in ihm enthalten, [[latent]] oder aktiv; und Evolution ist das Hervorbringen dessen, was im Innern ist. |
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Um die Geheimnisse des Menschen, besonders die der menschlichen Seele zu ergründen, unternahm er umfangreiche Studien (eine ca. 1000-seitige Studie über die Funktionsweise der einzelnen [[Gehirn]]zentren). Da er das Wesen der [[Seele]] des Menschen nicht wissenschaftlich erklären konnte, führte ihn dies in eine religiöse und wissenschaftliche Krise. In dieser Krise erfuhr er eine Berufungs[[Vision (Religion)|vision]], in der er sich von [[Christus]] zur übersinnlichen Erforschung des geistigen Weltalls (Himmel und Hölle) berufen sah. Ab diesem Zeitpunkt behauptete Swedenborg, freien, willkürlichen Zugang zur Welt der [[Engel]] und Geister zu haben, zu dem Zweck, die Theologie der „wahren christlichen Religion“, {{"|die Glaubenslehre, welche im gesamten Himmel anerkannt}} sei, den Menschen zu bringen.<ref name="Benz 1969" /> |
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== Historisches zur Theosophie == |
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Theosophie, als universelles Bemühen um das Verständnis des Göttlichen, des zugrundeliegenden Planes der Evolution, ist in allen alten Kulturen zu finden. Nach dem Verständnis der Theosophen wurde sie in einer ununterbrochene Kette in [[Indien]] gefunden; aber auch im altem [[Griechenland]], wie die Schriften von [[Plato]] (427-347 v. Chr.), [[Plotin]] <!--(204/5-270) was heißt das? --> und andere [[Neuplatoniker]] zeigten, bis hin zu [[Jakob Böhme]] (1575-1624). |
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Die göttliche Weisheit und göttliche Liebe sind in Swedenborgs Schriften die beiden Wesensmerkmale Gottes. Neben diesen Haupteigenschaften des Urgrundes, werden die Attribute Gottes Einheit, [[Allgegenwart]], [[Allmacht]], [[Allwissenheit]], [[Unendlichkeit]] und [[Ewigkeit]] genannt. Weisheit und Liebe werden als untrennbar eins beschrieben: {{"|Die göttliche Liebe gehört der göttlichen Weisheit an, und die göttliche Weisheit der göttlichen Liebe}}. In Swedenborgs Entsprechungslehre wird Gott (Christus als geistige Sonne geschaut) in Entsprechung zur natürlichen Sonne gesetzt. Wie die Strahlen der natürlichen Sonne vom Menschen als Licht und Wärme wahrgenommen werden, so werde die geistige Sonne als geistiges Licht (= die göttliche Weisheit) und als geistige Wärme (= die göttliche Liebe) in der „Welt der Geister“ erlebt. Die göttliche Weisheit und Liebe sei Substanz und Form, welche sich in das geschaffene Weltall ergießt. Engel, Geister (Menschen ohne physischen Körper) und Menschen sind nach Swedenborg Aufnahmegefäße dieses göttlichen Stromes. Daher werde das Leben eines jeden Menschen und vor allem auch seine Entwicklung nach dem Tod davon bestimmt, wie viel er von dieser Weisheit und Liebe in freiem Wollen in sich aufnehme. Da die Wesen in ihrem [[Freier Wille|Willen frei]] seien, könnten sie sich auch gegen die göttliche Weisheit und Liebe entscheiden, indem sie sich, anstatt den „himmlischen“ Formen der Liebe, der [[Gottesliebe]] und [[Nächstenliebe]] (= [[Altruismus]]), den „höllischen“ Formen der Liebe, der „Weltliebe“ und „[[Selbstliebe]]“( = Selbstsucht) zuwenden.<ref name="Mitternacht 1990">G. Mitternacht (Hrsg.): ''Emanuel Swedenborgs Leben und Lehre.'' Frankfurt am Main 1880.</ref><ref name="Swedenborg 1997">Emanuel Swedenborg: ''Die Weisheit der Engel. Bd. I. Die göttliche Liebe und Weisheit.'' (dt. Übersetzung von SAPIENTIA ANGELICA DE DIVINO AMORE ET DE DIVINO SAPIENTIA, 1763) Swedenborg Verlag Zürich, 1997.</ref> |
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Einige relevante Zitate: |
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:''gefangen sind wir im Körper, wie eine Auster in ihrer Schale.'', [[Sokrates]] bei Plato, "[[Phaedrus]]" |
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Swedenborg unterscheidet zwischen einem inneren (geistigen) und einem äußeren (natürlichen) Menschen. Der geistige Mensch sei „im Glanz des Himmels“, er werde in der Lehre Christi lebendig genannt. Der natürliche Mensch, welcher bloß im Licht der Welt sei, wird „tot“ genannt. Der innere Mensch sei ein „Engel des Himmels“ und der Mensch dazu bestimmt, dieser Engel in seinem Inneren zu werden, indem er die göttliche Weisheit und [[Liebe]] lebe. Swedenborg postulierte einen ewigen Fortschritt aller Wesen in Wachstum und Entfaltung der göttlichen Weisheit und Liebe. Alle Engel seien früher einmal Menschen gewesen und hätten sich durch Liebestätigkeit hinauf entwickelt. Besonderes Aufsehen und Widerwillen der schwedischen Reichskirche rief die mit geistiger Schau begründete Lehre hervor, dass im [[Himmel (Religion)|Himmel]] nicht nur Christen, sondern auch Nichtchristen und [[Heidentum|Heiden]] anzutreffen seien, da Gott nicht auf die Glaubensüberzeugungen sehe, sondern darauf, ob der jeweilige Mensch im Guten der himmlischen Liebe sei. Der Swedenborg-Anhänger Charles Bonney, Mitglied der Chicagoer Swedenborg Church, begründete daher 1893 anlässlich der [[World’s Columbian Exposition|Weltausstellung]] in Chicago das erste [[Weltparlament der Religionen]]. Er wollte die materialistische, triumphale Weltindustriemesse durch ein spirituelles Welttreffen der Religionen ergänzen.<ref name="Mitternacht 1990" /><ref name="Swedenborg 1997" /> |
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:Für den Philosophen ist der Körper ''ein beunruhigendes Element und hindert die Seele am Erwerb der Erkenntnis...'', |
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== Literatur == |
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:''Was ist Reinigung, wenn nicht... die Freigabe der Seele von den Ketten des Körpers?'', Sokrates, bei Plato: "[[Phaidon]]" |
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* Laura Carrara, [[Irmgard Männlein-Robert]] (Bearb): ''Die Tübinger Theosophie.'' Anton Hiersemann, Stuttgart 2018 (= ''Bibliothek der griechischen Literatur, Abt. Klassische Philologie.'' Band 86). ISBN 978-3-7772-1818-2. |
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Die heutige Theosophie, die sich auch als die „Weisheit der Zeitalter“ versteht, beginnt am 17. November 1875 in New York, USA mit der Gründung der Theosophischen Gesellschaft durch Helena Petrowna Blavatsky, Henry S. Olcott, Willam Q. Judge und anderen. Von ihrem Selbstanspruch her ist sie Teil einer universalen, geistigen, intellektuellen und ethischen Bewegung, die zu allen Zeitaltern tätig war. Grundlage dieser Bewegung ist die „Universale Bruderschaft“. 1884 kam es zur ersten Gründung einer Theosophischen Gesellschaft in Deutschland. |
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* Carlos Gilly: ''Khunrath und das Entstehen der frühneuzeitlichen Theosophie.'' In: Heinrich Khunrath: ''Amphitheatrum sapientiae aeternae – Schauplatz der ewig allein wahren Weisheit.'' Hrsg. von C. Gilly, A. Hallacker, H. P. Neumann & W. Schmidt-Biggemann. Frommann-Holzboog, Stuttgart 2014, S. 9–22 ([https://www.academia.edu/34905036/ Download]). |
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Die Ziele der ursprünglichen theosophischen Gesellschaft lauten: |
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* [[Antoine Faivre]]: ''Christian Theosophy.'' In: ''Dictionary of Gnosis and Western Esotericism.'' Hrsg. von [[Wouter J. Hanegraaff]]. Brill, Leiden/Boston 2006. S. 258–267. |
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* [[Joscelyn Godwin]]: ''The Theosophical Enlightenment.'' SUNY Press, Albany 1994. |
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:''1. Bruderschaft unter den Menschen, ohne Unterscheidung von Rasse, Farbe, Religion oder sozialer Stellung; |
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* Arthur Versluis: ''Theosophia. Hidden Dimensions of Christianity.'' Lindisfarne Press, Hudson 1994. |
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:''2. Studium der alten Weltreligionen mit dem Ziel, sie zu vergleichen und aus ihnen universale Ethik herauszulesen; |
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* Arthur Versluis: ''Christian Theosophy.'' Esoterica VIII (2006), S. 136–181 ([http://www.esoteric.msu.edu/VolumeVIII/EsotericaVIII.pdf PDF]). |
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:''3. Studium und Entwicklung der latenten göttlichen Kräfte im Menschen. |
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Nach dem Tod Blavatskys (1891) kam es innerhalb der Theosophischen Gesellschaft zu Streit über die Lehre und Nachfolgeschaft von Frau Blavatsky, sie spaltete sich dadurch zunächst in zwei grosse Richtungen, die sogenannten "Adyar- bzw. Point Loma Richtungen". 1894 wurden mehrere Logen neu gegründet. In Deutschland ist neben der Adyar- und Point Lomarichtung auch noch die Hartmannrichtung zu nennen. Das deutsche Zentrum der Theosophen befand sich bis zum Verbot durch die Nazis in Leipzig. [[Rudolf Steiner]], der Generalsekretär der deutschen Abteilung der Theosophischen Gesellschaft Adayar war, gründete aus der Theosophie der "Adyar-Richtung" - Stichwort Jiddu Krishnamurtiaffäre - die [[Anthroposophie]]. |
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== Ariosophie und Theosophie == |
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[[Guido von List]] griff in seiner [[Ariosophie]] Inhalte der Theosophie wie die [[Wurzelrasse]]ntheorie, die als rassistisch und fragwürdig interpretiert werden können, auf und verband sie mit der völkischen ''Runenlehre''. Guido von Lists Theorien, obschon teilweise von der Theosophie beeinflusst, unterscheiden sich in vielen Punkten deutlich von denjenigen der Theosophie. Die [[Guido-von-List-Gesellschaft]] wurde von der [[Theosophische Gesellschaft Wien]] jedoch unterstützt [http://www.rabenclan.de/index.php/Magazin/HansSchuhmacherAriosophie]. Guido von List's Lehren sind aber in vielen wesentlichen Grundsätzen verschieden von den theosophischen Lehren und sind eine Missdeutung oder ein Missbrauch der Theosophie. |
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== Literatur == |
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*Blavatsky, Helena: ''[[Der Schlüssel zur Theosophie]]'' (''The Key to Theosophy''), ISBN 3927837512, [http://www.theosociety.org/pasadena/key/key-hp.htm] |
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*Cranston, Sylvia: ''H.P.B.: Leben und Werk der Helena Blavatsky, Begründerin der Modernen Theosophie'', ISBN 3-927837-53-9, Adyar Verlag |
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*Barborka, Geoffrey A.: ''Der Göttliche Plan. Ein Kommentar zu Die Geheimlehre von H. P. Blavatsky'', ISBN 3-00016407-3 |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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{{Commonscat|Theosophy|Theosophie}} |
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* {{Internetquelle |autor=[[Rolf Cantzen]] |url=https://wdrmedien-a.akamaihd.net/medp/podcast/weltweit/fsk0/188/1882399/wdrlebenszeichen_2019-03-24_universalitaetdiegeistigenweltendertheosophie_wdr5.mp3 |titel=Universalität: Die geistigen Welten der Theosophie |werk=[[WDR 5|WDR-5]]-Sendung „Lebenszeichen“ |datum=2019-03-24 |format=mp3-Audio, 27 MB, 29:11 Minuten |zugriff=2019-04-10 |abruf-verborgen=1}} |
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== Einzelnachweise == |
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*[http://www.theosophie.de Die Theosophische Gesellschaft Pasadena] |
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<references /> |
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*[http://www.geheimlehre.de Über die Gründerin der Theosophischen Gesellschaft und ihr Hauptwerk "Die Geheimlehre"] |
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*[http://www.helena-blavatsky.de Helena Blavatksy Begründerin der Theosophie] |
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*[http://www.blavatskaja.de/homepage.htm Blavatskaja] |
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*[http://www.theosophische-informationsstelle.de/ Theosophische Informationsstelle] |
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*[http://www.blavatsky-theosophie.de/ Die Theosophische Gesellschaft] |
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*[http://www.websiteportal.de/blavatsky/blavatsky.htm Websiteportal Blavatsky] |
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=== Englischsprachige Links === |
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*[http://www.blavatskyarchives.com Blavatsky Archives] |
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*[http://www.blavatsky.net/ Blavatsky Net] |
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*[http://www.ts-adyar.org Theosophische Gesellschaft Adyar] |
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*[http://www.theosociety.org/pasadena Theosophische Gesellschaft Pasadena] |
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*[http://www.ult.org Vereinigte Loge von Theosophen] |
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=== Kontroverse === |
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*[http://lexikon.idgr.de/t/t_h/theosophie/theosophie.php "Lexikon Rechtsextremismus" [[IDGR]] über Theosophie und "Wurzelrassen"] |
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* [http://www.rabenclan.de/index.php/Magazin/HansSchuhmacherAriosophie Arbeitskreis für Heiden in Deutschland e.V. zu Theosophie und Ariosophie] |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4059789-1}} |
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*[http://www.blavatsky.net/gen/refute/refute.htm Refutation of charges against Madame Blavatsky] |
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*[http://www.blavatskyarchives.com/hpbcontro.htm Controversies Surrounding Madame Blavatsky's Work & the Teachings of Theosophy] |
|||
*[http://www.theosophischer-verlag.de/online/pdf/HPB_SPR.pdf H.P. Blavatsky und die SPR (pdf)], ([http://www.theosociety.org/pasadena/hpb-spr/hpbspr-h.htm Englisch]) Eine Untersuchung des Hodgson Berichts aus dem Jahre 1885, von Dr. Vernon Harrison |
|||
*[http://www.defendingsteiner.com/misconceptions/r-race.php Root Races In Theosophy and in Anthroposophy von Defending Steiner] - "Wurzelrassen" in Theosophie und Anthroposophie |
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*[http://www.anthroposophy.com/aktuelles/blavras.html War H.P. Blavatsky [[Rassist]]in? Eine Frage, durch sie selbst beantwortet] mittels Auszug aus »Der Schlüssel zur Theosophie« ([http://www.theosociety.org/pasadena/key/key-3.htm Englisch]) |
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Aktuelle Version vom 13. Juli 2024, 16:35 Uhr
Das Wort Theosophie (von griechisch θεοσοφία theosophía „göttliche Weisheit“) ist eine Sammelbezeichnung für mystisch-religiöse und spekulativ-naturphilosophische Denkansätze, die die Welt pantheistisch als Entwicklung Gottes auffasst, alles Wissen direkt auf Gott bezieht und in dieser Verbindung Gott oder das Göttliche auf einem Weg intuitiver Schauung unmittelbar zu erfahren trachtet. Theosophische Züge finden sich unter anderem in den mystischen Lehren von Jakob Böhme, Friedrich Christoph Oetinger, Paracelsus, Emanuel Swedenborg und Louis Claude de Saint-Martin, der jüdischen Kabbala und der russischen Religionsphilosophie.
Davon ist die unter demselben Namen Theosophie begründete esoterische Lehre der Okkultistin Helena Petrovna Blavatsky (1831–1891) zu unterscheiden.
Begriffsgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Wort Theosophie ist vermutlich durch Vermischung der Begriffe Theologie und Philosophie entstanden. Schon der im späten 2. und frühen 3. Jahrhundert lehrende Kirchenvater Clemens von Alexandria verwendete das Adjektiv θεόσοφος theósophos. Bei dem Neuplatoniker Porphyrios († 301/305) ist zum ersten Mal die Verwendung des Substantivs θεοσοφία theosophía bezeugt. Porphyrios bezeichnete damit eine auf Göttliches bezogene Weisheit. Er zählte unter anderem die indischen Gymnosophisten zu den „Theosophen“. Spätere neuplatonische Philosophen wie Iamblichos und Proklos sowie Kirchenschriftsteller wie Eusebius von Caesarea nahmen den Begriff auf – teils in der adjektivischen Form. Eusebius bezeichnete das Christentum als die „neue und wahre Theosophie“, und „Theosoph“ wurde ein Ehrentitel von Kirchenvätern.[1]
Einen Sonderfall bildet die sogenannte „Tübinger Theosophie“ (Theosophia Tubingensis), die nach dem Aufbewahrungsort der wichtigsten Handschrift dieses Textes benannt ist. Es handelt sich um eine im späten 5. Jahrhundert entstandene Anthologie von Orakeln oder griechischen Weisheitssprüchen, die häufig durch einen kurzen Kommentar eingeleitet werden. Überliefert ist davon nur ein nach 692 angefertigter Auszug mit dem Titel Orakel der griechischen Götter; der Titel des verlorenen ursprünglichen Textes lautete Theosophia.[2]
In der Renaissance war der Begriff Theosophie in der Bedeutung Offenbarung weit verbreitet. Agostino Steuco zitierte Orakel aus der Tübinger Theosophie.[3]
Friedrich Schiller veröffentlichte 1786 in seinen Philosophischen Briefen die Theosophie des Julius, in der er sich mit dem damaligen Materialismus auseinandersetzte. Im 19. Jahrhundert bezeichnete der katholische Philosoph Antonio Rosmini die Summe seiner Spekulationen als Theosophie.
Im religionswissenschaftlichen Diskurs hat der Begriff Theosophie zwei verschiedene Bedeutungen.[4] In der ursprünglichen Bedeutung bezeichnet Theosophie eine Strömung innerhalb der westlichen Esoterik, die sich bis in das späte 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Diese wird konkreter zumeist als abendländisch-christliche Theosophie bezeichnet und zeichnet sich dadurch aus, dass religiöse Erkenntnisse durch individuelle mystische Erfahrung angestrebt werden. In einem weiteren Sinne wurde der Begriff etwa durch Gershom Scholem auf entsprechende Traditionen im Judentum und von Henry Corbin auf islamische Theosophien angewendet.[5]
Jüdische Theosophie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff der Theosophie „spielt vor allem in der Judaistik des 20. Jh. eine bedeutende Rolle“ und gehört zu den zentralen Begriffen in der Erforschung der Kabbala. Diese wurde sowohl von christlichen als auch jüdischen Forschern des 19. Jahrhunderts mit jüdischer Theosophie identifiziert und steht im Mittelpunkt des Werks Franz Joseph Molitors. Gershom Scholem, „der von Molitors Sicht der Kabbala beeinflußt war, wählte den Ausdruck Theosophie zur Bezeichnung zentraler Lehren der jüdischen Kabbala“.[6] Scholem bezeichnete Theosophie als oft missbrauchten Begriff, der eine Etikette für eine moderne Pseudoreligion geworden sei.[7] Gemeint sei mit Theosophie eigentlich „eine mystische Lehre oder Gedankenrichtung, die ein verborgenes Leben wirkenden Gottheit ahnen, erfassen oder beschreiben zu können glaubt. Theosophie statuiert ein Hervortreten Gottes aus der Verschlossenheit seiner Gottheit zu solch geheimem Leben, und sie findet, daß die Geheimnisse der Schöpfung in diesem Pulsschlag des lebendigen Gottes gründen“.[7][8] Theosophen in diesem Sinne seien auch die christlichen Mystiker Jakob Böhme und William Blake gewesen.[7]
Die Religionen seien entstanden, als der Mensch aus seiner träumerischen Einheit von Mensch, Welt und Gott herausgerissen wurde. Dieser scheinbar ewig unüberschreitbare Abgrund, über den nur Gottes leitende, gesetzgebende Offenbarungen als Stimme dringt, bilde die Ursache und Grunderfahrung aller jüdischen Mystiker. Aus dieser Erfahrung heraus entsteht das mystische Bestreben, innerhalb des sittlich-religiösen Handelns des Einzelnen sowie der Gemeinschaft, die Seele über den Abgrund zur lebendigen Erfahrung der Gotteswirklichkeit zu leiten. Insbesondere die jüdische Theosophie der Chassidim und der Kabbalisten gerät dabei in einen Dauerkonflikt mit der streng monotheistischen Religion eines persönlichen Schöpfergottes einerseits und der Philosophie des Judentums andererseits.
Von Theosophie ist bei Scholem bereits im Zusammenhang mit den Tannaim, deren Lehren den Inhalt der Mischna bilden, die Rede. Ihre Mystik und Theosophie lebe in der Merkaba-Mystik weiter.[9] Diese nennt Scholem in Major Trends in Jewish Mysticism als erste Phase in der Entwicklung jüdischer Mystik vor ihrer Kristallisation in der mittelalterlichen Kabbala.[10] Sie lege eine beinahe bis zum Exzess gehende Emphase auf eine Kombination des Apokalyptischen mit Theosophie und Kosmogonie.[11] Der ihr nahestehenden Hechalot-Literatur jedoch waren theosophische Gedanken laut Scholem unbekannt, wohingegen unter anderem Moshe Idel von theosophischen Vorstellungen im biblischen und talmudischen Judentum spricht.[12]
Der mittelalterliche Chassidismus mit seinem breiteren Spekulationsfeld brachte eine neue Theosophie, das „Mysterium der Einheit Gottes“.[13] Diese neue Theosophie war durchgehend vom Ideal des Chassid, des Frommen, geprägt.[14] Als die drei Grundgedanken der eigenwilligen Theosophie der Chassidim nennt Scholem ihre Konzeption von Kavod (göttlicher Glorie), ihre Idee eines heiligen Cherub auf dem Thron und ihre Konzeption von Gottes Heiligkeit und Größe.[15] Mit der Ausbreitung der spanischen Kabbala verlor die chassidische Theosophie an Boden.[16] Sowohl die chassidische als auch die kabbalistische jüdische Theosophie betrachtete Scholem als Neuerung des mittelalterlichen Judentums, ihr Aufkommen „hing seiner Ansicht nach mit dem Eindringen fremder gnostischer Vorstellungen in das mittelalterliche Judentum zusammen“.[12] Für die Kabbala war laut Scholem die Theosophie neben der Mystik eines ihrer beiden Hauptelemente. Er trennte die spanischen Kabbalisten in eine theosophische und eine insbesondere mit Abraham Abulafia identifizierte, ekstatische Schule, die die Ekstase und die prophetische Inspiration suchte. Diese Unterscheidung griff Moshe Idel auf, der die erstgenannte Strömung jedoch als eine theosophisch-theurgische bezeichnet.[12] Dem Zohar, einem der Hauptwerke der Kabbala, widmete Scholem in Major Trends in Jewish Mysticism zwei Kapitel, von denen das zweite sich dessen theosophischer Doktrin widmete. Den Lebensprozess in Gott selbst mit der monotheistischen Doktrin sowohl der Kabbalisten als auch der übrigen Juden bezeichnet er als Aufgabe der Theoretiker kabbalistischer Theosophie.[17] Scholem zufolge entwickelte der Zohar jüdische Theosophie und mythologischen Symbolismus hin zu einer neuen Stufe des Reichtums, der Sophistikation und der historischen Bedeutung.[18] Nach dem Erlass des Alhambra-Edikts und der Vertreibung der Juden von der iberischen Halbinsel entwickelte sich im Exil die lurianische Kabbala, die Moshe Idel als komplizierteste jüdische Theosophie bezeichnet.[19]
Bei Juda dem Chassid werden ältere mystisch-theosophische Strömungen des Judentums zusammengefasst einsehbar, insbesondere die alte Merkaba-Mystik und verwandte Strömungen, die nachweislich seit dem 9. Jahrhundert über Italien den Zugang zu den deutschen Gemeinden fanden. Im theosophischen Denken der Chassiduth seien Ideen wichtig, die in der Merkaba-Mystik noch nicht vorkämen: die Omnipräsenz und Immanenz Gottes in der Schöpfung (Gott als Weltkraft und Weltgrund) – Gott ist in allem, und alles ist in Gott. Von zentraler Bedeutung ist im jüdisch-theosophischen Denken auch die Idee der „Kabod“ (Glorie Gottes), über die Juda der Chassid ein Buch verfasst hatte, dessen Lehre vor allem von Eleasar ben Juda weitergeführt wurde. Dieser unterscheide zwischen der ersten „inneren“ Glorie der Gottheit (Kabod pereni) und der „sichtbaren“ Glorie. Die innere Glorie sei identisch mit der Schechina und dem heiligen Geist, sei ohne Gestalt, aber mit Stimme. Der Mensch könne sich nicht mit Gott selbst verbinden, aber mit dessen Kabod oder Schechina. Die sichtbare Kabod trete dagegen in sich wandelnden Gestalten und Formen auf (z. B. als Glorie auf dem Thron der Merkaba). Am Zohar entwickele sich eine jüdisch-theosophische Lehre von der heiligen Verbindung des Königs mit der Königin, des himmlischen Bräutigams mit der himmlischen Braut, des göttlichen „Ich“ mit dem göttlichen „Du“. Die theosophischen Ideen traten im späteren Chassidismus hinter seinem Moralideal, der Gebetsmystik, Gebetsmagie und der Bußdisziplin zurück.
Geschichte der christlichen Theosophie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die konfessionellen Auseinandersetzungen des sechzehnten Jahrhunderts führten zu einer Ausformung der sich seit der Spätantike unterschiedlich auswirkenden jüdischen, muslimischen und christlichen Mystik, als Grundlage der christlichen Theosophie, der das regen Zulauf bescherte. Die neu entwickelte abendländisch-christliche Theosophie bildete eine Alternative zur „trockenen“ Theologie[20] und hat ihre Wurzeln in den ersten beiden Kapiteln des 1. Korintherbriefs („denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“).[21] Der Religionswissenschaftler Antoine Faivre benennt drei charakteristische Züge der modernen abendländischen Theosophie:
„1. Eine Tendenz, über die Beziehungen zwischen Gott (bzw. die göttliche Welt), Natur und Mensch spekulative Diskurse zu führen.
2. Eine Vorliebe für das mystische Element in den geoffenbarten Texten (z. B. in der Bibel).
3. Die Überzeugung, dass ein dem Menschen innewohnendes Vermögen (nämlich die schöpferische Einbildungskraft) ihn befähigt, mit höheren Realitätsebenen in Kontakt zu treten.[22]“
Von den alexandrinischen Kirchenvätern führt ein breiter Strom christlicher Theosophen wie Hildegard von Bingen, Böhme, Gichtel, Pordage, Oetinger, J. M. Hahn, F. von Baader, Schelling bis zu den russischen Sophiologen Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew und Sergei Nikolajewitsch Bulgakow.[23]
Vier Phasen der protestantischen Theosophie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der protestantischen Theosophie lassen sich vier Phasen ausmachen:
- Unter dem Einfluss Martin Luthers entwickelte sich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert die „klassische“ Theosophie. Zu dieser Bewegung sind Jakob Böhme, Valentin Weigel, Khunrath, Arndt, A. Gutmann, C. von Schwenkfeld, G. Dorn, Johann Georg Gichtel, Gottfried Arnold, John Pordage, Jane Leade, P. Poiret und A. Bourgignon zu rechnen.[24] Als bedeutendster Vertreter und maßgeblicher Begründer der christlichen Theosophie gilt Jakob Böhme (1575–1624).[25] Dessen Schriften basieren auf einer visionären Erleuchtung und daran anknüpfenden mystischen Erfahrungen. Als ein Vorgänger kann Valentin Weigel (1533–1588) gelten, der mystische Traditionen mit Gedanken des Paracelsismus verband. Inwiefern Böhme durch Weigel oder andere Autoren beeinflusst war, ist allerdings unklar. Er selbst trug jedoch maßgeblich zur Ausbildung eines spirituellen Bewusstseins in Deutschland bei und entfaltete dann auch in anderen Ländern eine bedeutende Wirkung. Neben der an Böhme orientierten, mystisch ausgerichteten Theosophie trat im frühen 18. Jahrhundert eine ebenfalls an Böhme und Paracelsus anknüpfende, aber stärker den okkulten Wissenschaften und insbesondere der Magie zuneigende Strömung in Erscheinung, wie sie etwa durch Samuel Richter repräsentiert ist.[26]
- In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts entstand eine stärker intellektuell orientierte Theosophie, die weniger visionär ausgerichtet war.
- In der Vorromantik und Romantik entwickelte sich die stark spekulativ geprägte Theosophie von Louis Claude de Saint-Martin (1743–1803) und Franz von Baader (1765–1841), die weniger prophetisch war.[24] Eine Sonderstellung nimmt Emanuel Swedenborg (1688–1772) ein, der wie Böhme aufgrund von Visionen zum Mystiker wurde.[27] Innerhalb der theosophischen Strömung blieb er ein Außenseiter, dessen Werke von anderen Theosophen kritisch betrachtet wurden. Auf der anderen Seite erlangte er jedoch eine viel größere Popularität als seine Kritiker und gewann eine zahlreiche Anhängerschaft. Einer der Kritiker Swedenborgs war Friedrich Christoph Oetinger (1702–1782).[28] Er war außer durch Böhme auch stark durch die Kabbala geprägt und vertrat eine eher intellektuelle Richtung. Populärer wurde allerdings sein Zeitgenosse Karl von Eckartshausen (1752–1803), der mit der an Böhme anknüpfenden mystischen Tradition nur noch wenig gemein hatte.[28]
- Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert werden S. Soloview, M. Boulgakov, N. A. Berdjaev und mit Abstrichen Rudolf Steiner (Begründer der Anthroposophie) (1861–1925), Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew (1874–1948), Leopold Ziegler (1881–1958) und Valentin Tomberg (1900–1973) zu den Theosophen gezählt.[24][29]
Theosophie Jakob Böhmes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jakob Böhmes Lehre entwickelte sich aus seinem intensiven Ringen um Gottes- und Naturerkenntnis, die sich ihm im mystischen Erleben erfüllte. In seinem ersten Werk Aurora oder Morgenröte im Aufgang schildert er erstmals Ergebnisse seines Innewerdens göttlichen Wesens. Göttliches und Natürliches, Geistiges und Leibliches verschmelzen darin zu einer geschauten Einheit, die er in dem Bild der anbrechenden Morgenröte beschreibt, welches zugleich den Anbruch einer „neuen Reformation“ ausdrückt.[30][31] In späteren Werken wie seinen Theosophischen Sendbriefen[32] und seinem Hauptwerk Mysterium magnum führt er seine Ansichten weiter aus.
Böhme verstand seine Lehre als ewiges Wissen, das ihm vom alles durchdringenden „Grund und Ungrund“ (Gott, dessen Existenz ohne jeden Grund ist) offenbart wurde.[31] Das Erlebnis dieser Offenbarung nennt er ein „kommen in das Ganze“, das dem Menschen möglich wird, wenn er alles Eigene verlässt und wieder das „göttliche Auge zum Sehen“ bekommt.[33]
Die Vernunft des Menschen gilt ihm als Gehäuse, „darin des wahren Verstandes göttliche Erkenntnis“ ist. Er drückt dies so aus: „Gott hat mir die Weisheit gegeben, nicht Ich, der Ich der Ich bin, weiß es, sondern Gott in mir.“ Wie die göttliche Erkenntnis innerhalb der Vernunft im Menschen wirkt, so wirkt die himmlische Weisheit innerhalb der Natur als allumfassende Offenbarerin des verborgenen Gottes. In der mystischen Lehre vom verborgenen Gott kann eine Parallele zu Martin Luthers theologischer Lehre gezogen werden. Im Unterschied zu Luther jedoch, schaut Jakob Böhme alle Dinge in unmittelbarer Gottdurchdrungenheit, die durch Sophia gesehen werden könne.[31][33][34]
Die göttliche Sophia wird im theosophischen System Böhmes auch in Begriffen wie „Auge“ und „Spiegel“ beschrieben, in dem der Ungrund sich selbst erkennt. Dieser Spiegel wird als unoffenbar vorgestellt, und von Böhme als „Spiegelglast“ bezeichnet. Unter „Glast“ versteht er die Schattenfiguren in einem Spiegel. Dieser Spiegel werde offenbar, wenn sich die göttliche Trinität selbst gebiert. So seien in der Weisheit alle Dinge der Natur gespiegelt oder die Weisheit gebäre die Wissenschaft aller Dinge. Diese kann dem Menschen durch Selbstoffenbarung Gottes im Gemüt zugänglich werden. So versteht Jakob Böhme seine Lehre dann auch als „Göttliche Wissenschaft“.[33]
Religionsgeschichtlich kann eine Wurzel für Böhmes theosophische Lehre in der sophianischen Mystik des „apokryphen“, alttestamentlichen „Buch der Weisheit“ gefunden werden, eine Mystik, die durch Böhme kreativ erweitert wird. In der gleichnishaften Darstellung wird Sophia (die Weisheit) als Jungfrau symbolisiert, die mit Adam im Paradies war. Als der Lustgeist dieser Welt sich des Adams bemächtigte, entfloh die Jungfrau Sophia, und Adam bekam Eva zur Gemahlin. Die himmlische Jungfrau wartet nun auf die Rückkehr der Adamskinder zu ihr, um sich mit ihnen in der „Himmlischen Hochzeit“ zu vermählen. Sie ist „die Mutter darin der Vater wirket“. Sie kann als Theosophia oder Christosophia bezeichnet werden. In diesem tiefgehenden, imaginativen Bild kann sich das Selbstverständnis der Theosophie Böhmes erschließen. Durch die mystische Hochzeit gelangt der Mensch in das Paradies zurück, von dem Böhme sagt, es sei in der Natur, lediglich der Mensch sei nicht darin.[34]
Die „himmlische Jungfrau“ war für Böhme nicht nur ein abstraktes Prinzip, sondern lebendige Gestalt, die er nach eigener Aussage schauen, erleben konnte, was einer seiner grundlegenden Idee entspricht: „Es gibt nichts Geistiges ohne Leibliches!“ Sie ist selbst keine Person, doch die Person (das Selbst) des jeweiligen Menschen erscheint in ihr, wie in einem göttlichen Spiegel. Aus der Vereinigung mit der himmlischen Weisheit (gemeint ist eine Vereinigung übergeschlechtlicher Natur, d. h. geistiges Einswerden) sollen seine Einsichten, die er in seinen insgesamt umfangreichen Schriften darlegt, entstanden sein. In seinem Werk Beschreibung der drei Principien göttlichen Wesens schildert Böhme ein solches mystisches Erlebnis der (Theo)Sophia in wuchtiger Dramatik. Jakob Böhme gibt in seinen Schriften einen ausführlichen christlichen Meditationsweg an, welcher den Menschen zur himmlischen Sophia führen soll.[34][35]
Theosophie Emanuel Swedenborgs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Emanuel Swedenborg (1688–1772) stellte sein Leben von 1710 bis etwa 1744 in den Dienst am Fortschritt der Wissenschaften und der industriellen Revolution des staatlichen Bergbauwesens Schwedens mit ihren stark belebenden Auswirkungen auf die schwedische Volkswirtschaft. Beide Tätigkeiten Swedenborgs waren religiös motiviert. So verstand er, wie viele seiner Zeitgenossen, die wissenschaftliche Arbeit als Erforschung der Schöpfung Gottes mit den Mitteln der menschlichen Vernunft und lebte eine von Naturerkenntnis getragene Frömmigkeit. Dabei mündete Swedenborgs Forschung philosophisch immer in „Gott, dem Urgrund und Schöpfer alles Seins, alles Lebens und aller Bewegung“ ein.[36] Siehe auch Erste Ursache.
In seinen zahlreichen und umfangreichen Büchern zu allen Gebieten menschlichen Wissens beschreibt er Erkenntnisse und Theorien, zu denen er durch eine lebendige Durchdringung des Wissens seiner Zeit, verbunden mit genauen Beobachtungen der Kräfte in der Natur, gelangte. Auf diese Weise versuchte Swedenborg, die Isolation wissenschaftlicher Einzelerkenntnisse einerseits, und die Getrenntheit universitären Wissens von Leben und Natur andererseits zu überwinden. So begründete er beispielsweise in seinem Werk Principia (1733/34) noch vor Immanuel Kant und Pierre-Simon Laplace die Nebulartheorie über den Ursprung der Erde, und noch vor Wilhelm Herschel die Entdeckung, dass die Sonne Teil des Systems der Milchstraße ist. Er sah das Weltall als geordnetes Ganzes, dessen höchster göttlicher Zweck es sei, den Menschen zu erschaffen und ihn in Freiheit zur Erwiderung der göttlichen Liebe und Weisheit zu führen.[36][37]
Um die Geheimnisse des Menschen, besonders die der menschlichen Seele zu ergründen, unternahm er umfangreiche Studien (eine ca. 1000-seitige Studie über die Funktionsweise der einzelnen Gehirnzentren). Da er das Wesen der Seele des Menschen nicht wissenschaftlich erklären konnte, führte ihn dies in eine religiöse und wissenschaftliche Krise. In dieser Krise erfuhr er eine Berufungsvision, in der er sich von Christus zur übersinnlichen Erforschung des geistigen Weltalls (Himmel und Hölle) berufen sah. Ab diesem Zeitpunkt behauptete Swedenborg, freien, willkürlichen Zugang zur Welt der Engel und Geister zu haben, zu dem Zweck, die Theologie der „wahren christlichen Religion“, „die Glaubenslehre, welche im gesamten Himmel anerkannt“ sei, den Menschen zu bringen.[36]
Die göttliche Weisheit und göttliche Liebe sind in Swedenborgs Schriften die beiden Wesensmerkmale Gottes. Neben diesen Haupteigenschaften des Urgrundes, werden die Attribute Gottes Einheit, Allgegenwart, Allmacht, Allwissenheit, Unendlichkeit und Ewigkeit genannt. Weisheit und Liebe werden als untrennbar eins beschrieben: „Die göttliche Liebe gehört der göttlichen Weisheit an, und die göttliche Weisheit der göttlichen Liebe“. In Swedenborgs Entsprechungslehre wird Gott (Christus als geistige Sonne geschaut) in Entsprechung zur natürlichen Sonne gesetzt. Wie die Strahlen der natürlichen Sonne vom Menschen als Licht und Wärme wahrgenommen werden, so werde die geistige Sonne als geistiges Licht (= die göttliche Weisheit) und als geistige Wärme (= die göttliche Liebe) in der „Welt der Geister“ erlebt. Die göttliche Weisheit und Liebe sei Substanz und Form, welche sich in das geschaffene Weltall ergießt. Engel, Geister (Menschen ohne physischen Körper) und Menschen sind nach Swedenborg Aufnahmegefäße dieses göttlichen Stromes. Daher werde das Leben eines jeden Menschen und vor allem auch seine Entwicklung nach dem Tod davon bestimmt, wie viel er von dieser Weisheit und Liebe in freiem Wollen in sich aufnehme. Da die Wesen in ihrem Willen frei seien, könnten sie sich auch gegen die göttliche Weisheit und Liebe entscheiden, indem sie sich, anstatt den „himmlischen“ Formen der Liebe, der Gottesliebe und Nächstenliebe (= Altruismus), den „höllischen“ Formen der Liebe, der „Weltliebe“ und „Selbstliebe“( = Selbstsucht) zuwenden.[38][39]
Swedenborg unterscheidet zwischen einem inneren (geistigen) und einem äußeren (natürlichen) Menschen. Der geistige Mensch sei „im Glanz des Himmels“, er werde in der Lehre Christi lebendig genannt. Der natürliche Mensch, welcher bloß im Licht der Welt sei, wird „tot“ genannt. Der innere Mensch sei ein „Engel des Himmels“ und der Mensch dazu bestimmt, dieser Engel in seinem Inneren zu werden, indem er die göttliche Weisheit und Liebe lebe. Swedenborg postulierte einen ewigen Fortschritt aller Wesen in Wachstum und Entfaltung der göttlichen Weisheit und Liebe. Alle Engel seien früher einmal Menschen gewesen und hätten sich durch Liebestätigkeit hinauf entwickelt. Besonderes Aufsehen und Widerwillen der schwedischen Reichskirche rief die mit geistiger Schau begründete Lehre hervor, dass im Himmel nicht nur Christen, sondern auch Nichtchristen und Heiden anzutreffen seien, da Gott nicht auf die Glaubensüberzeugungen sehe, sondern darauf, ob der jeweilige Mensch im Guten der himmlischen Liebe sei. Der Swedenborg-Anhänger Charles Bonney, Mitglied der Chicagoer Swedenborg Church, begründete daher 1893 anlässlich der Weltausstellung in Chicago das erste Weltparlament der Religionen. Er wollte die materialistische, triumphale Weltindustriemesse durch ein spirituelles Welttreffen der Religionen ergänzen.[38][39]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Laura Carrara, Irmgard Männlein-Robert (Bearb): Die Tübinger Theosophie. Anton Hiersemann, Stuttgart 2018 (= Bibliothek der griechischen Literatur, Abt. Klassische Philologie. Band 86). ISBN 978-3-7772-1818-2.
- Carlos Gilly: Khunrath und das Entstehen der frühneuzeitlichen Theosophie. In: Heinrich Khunrath: Amphitheatrum sapientiae aeternae – Schauplatz der ewig allein wahren Weisheit. Hrsg. von C. Gilly, A. Hallacker, H. P. Neumann & W. Schmidt-Biggemann. Frommann-Holzboog, Stuttgart 2014, S. 9–22 (Download).
- Antoine Faivre: Christian Theosophy. In: Dictionary of Gnosis and Western Esotericism. Hrsg. von Wouter J. Hanegraaff. Brill, Leiden/Boston 2006. S. 258–267.
- Joscelyn Godwin: The Theosophical Enlightenment. SUNY Press, Albany 1994.
- Arthur Versluis: Theosophia. Hidden Dimensions of Christianity. Lindisfarne Press, Hudson 1994.
- Arthur Versluis: Christian Theosophy. Esoterica VIII (2006), S. 136–181 (PDF).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rolf Cantzen: Universalität: Die geistigen Welten der Theosophie. (mp3-Audio, 27 MB, 29:11 Minuten) In: WDR-5-Sendung „Lebenszeichen“. 24. März 2019 .
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Chiara Ombretta Tommasi: Theosophien. In: Christoph Riedweg u. a. (Hrsg.): Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike (= Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 5/2), Basel 2018, S. 1217–1223, hier: 1217 f.
- ↑ Chiara Ombretta Tommasi: Theosophien. In: Christoph Riedweg u. a. (Hrsg.): Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike (= Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 5/2), Basel 2018, S. 1217–1223, hier: 1218–1222.
- ↑ Chiara Ombretta Tommasi: Theosophien. In: Christoph Riedweg u. a. (Hrsg.): Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike (= Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 5/2), Basel 2018, S. 1217–1223, hier: 1223.
- ↑ Antoine Faivre: Christian Theosophy. In: Dictionary of Gnosis and Western Esotericism. Hrsg.: Wouter J. Hanegraaff. Brill, Leiden 2006, S. 259; Arthur Versluis: Christian Theosophy. Esoterica VIII (2006), S. 137. (PDF)
- ↑ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001, S. 130–131.
- ↑ Boaz Huss: Theosophie. II. Judentum. In: Horst Balz, James K. Cameron, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Karl Hoheisel, Wolfgang Janke, Kurt Nowak, Knut Schäferdiek, Henning Schröer, Gottfried Seebaß, Hermann Spieckermann, Günter Stemberger, Konrad Stock (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Technik - Transzendenz. Band 33. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002, S. 398.
- ↑ a b c Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 206 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Boaz Huss: Theosophie. II. Judentum. In: Horst Balz, James K. Cameron, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Karl Hoheisel, Wolfgang Janke, Kurt Nowak, Knut Schäferdiek, Henning Schröer, Gottfried Seebaß, Hermann Spieckermann, Günter Stemberger, Konrad Stock (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Technik - Transzendenz. Band 33. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002, S. 398 f.
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 52 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 40 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 43 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ a b c Boaz Huss: Theosophie. II. Judentum. In: Horst Balz, James K. Cameron, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Karl Hoheisel, Wolfgang Janke, Kurt Nowak, Knut Schäferdiek, Henning † Schröer, Gottfried Seebaß, Hermann Spieckermann, Günter Stemberger, Konrad Stock (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Technik - Transzendenz. Band 33. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002, S. 399.
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 90 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 103 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 110 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 107 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Gershom Scholem: Major Trends in Jewish Mysticism. 2011, ISBN 0-8052-1042-3, S. 225 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Joseph Dan: Gershom Scholem and the Mystical Dimension of Jewish History. New York University, New York 1987, ISBN 0-8147-1779-9 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Moshe Idel: Absorbing Perfections: Kabbalah and Interpretation. 2002, ISBN 0-300-08379-3, S. 313 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2014]).
- ↑ Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? Beck, München 2004, S. 156.
- ↑ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001. S. 135.; Hans-Jürgen Ruppert: Theosophie – unterwegs zum okkulten Übermenschen. Reihe Apologetische Themen. Friedrich Bahn Verlag, 1993. S. 9.
- ↑ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001. S. 43.
- ↑ Hans Jürgen Ruppert: Theosophie – unterwegs zum okkulten Übermenschen. Reihe Apologetische Themen. Friedrich Bahn Verlag, 1993. S. 10.
- ↑ a b c Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik? Beck, München 2004, S. 156–157
- ↑ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001, S. 67–69.
- ↑ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001, S. 82.
- ↑ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001, S. 83; Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik. Beck, München 2004, S. 167.
- ↑ a b Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001, S. 84.
- ↑ Antoine Faivre: Esoterik im Überblick. Herder, 2001, S. 127–131.
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- ↑ a b c Johannes Hirschberger: Geschichte der Philosophie. Bd. 2. Herder 1948 (Nachdruck KOMET).
- ↑ Jakob Böhme: Theosophische Sendbriefe, 2 Bände, Aurum, 1979.; Jakob Böhme: Mysterium Pansophicum. Aurum, 1980.; Jakob Böhme: Von der Gnadenwahl. Insel, 1995.
- ↑ a b c Roland Pietsch: Jacob Böhmes Lehre von der göttlichen Weisheit; in Erkenntnis und Wissenschaft. Internationales Jacob-Böhme-Symposium Görlitz 2000, Verlag Gunter Oettel, 2001, ISBN 3-932693-64-7.
- ↑ a b c Walter Nigg: Heimliche Weisheit. Mystisches Erleben in der evangelischen Christenheit. Artemis Verlag, 1987.
- ↑ Jakob Böhme: Christosophia. Insel, 1992.
- ↑ a b c Ernst Benz: Swedenborg. Naturforscher und Seher. Swedenborg Verlag, Zürich 1969.
- ↑ J. G. Mitternacht: Emanuel Swedenborg. Der geistige Kolumbus. Deutscher Swedenborg Verlag, Konstanz, o. J.
- ↑ a b G. Mitternacht (Hrsg.): Emanuel Swedenborgs Leben und Lehre. Frankfurt am Main 1880.
- ↑ a b Emanuel Swedenborg: Die Weisheit der Engel. Bd. I. Die göttliche Liebe und Weisheit. (dt. Übersetzung von SAPIENTIA ANGELICA DE DIVINO AMORE ET DE DIVINO SAPIENTIA, 1763) Swedenborg Verlag Zürich, 1997.