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„Antideutsche Kritik“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Anti-German communist protesters in Frankfurt in 2006.jpg|mini|Demonstranten in Frankfurt 2006 auf einer von antideutschen Gruppen organisierten Demo unter dem Motto ''Nieder mit Deutschland'']]
'''Antideutsche Kritik''' (Selbstbezeichnung) ist eine politische Ausrichtung, die von Teilen der [[Politische Linke|politischen Linken]] seit Anfang der 90er Jahre praktiziert wird. In der Zeit ist eine eigenständig politische Strömung in [[Deutschland]] und [[Österreich]] entstanden.<ref name="schmidinger">[https://www.derstandard.de/story/2000103137563/wie-vor-20-jahren-der-kosovo-krieg-die-linken-und ''Wie vor 20 Jahren der Kosovo-Krieg die Linken und die Grünen entzweite''], [[Thomas Schmidinger]], Der Standard, 23. Mai 2019</ref> Akteure dieser Strömung wenden sich gegen den [[Deutscher Nationalismus|deutschen Nationalismus]], der insbesondere im Zuge des [[Einigungsvertrag|Beitritts der DDR zur BRD]] ([[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]]) erstarkte („[[Baseballschlägerjahre]]“). Weitere antideutsche Positionen sind Solidarität mit [[Israel]] sowie Gegnerschaft zu [[Antizionismus]], [[Antisemitismus]], [[Antiamerikanismus]] als auch bestimmten („[[Regression (Psychoanalyse)|regressiven]]“) Formen des [[Antikapitalismus]] und [[Antiimperialismus]]. Diese führten und führen zu Kontroversen innerhalb des linken Spektrums.


== Begriffsgeschichte ==
[[Kategorie:Wikipedia:Qualitätssicherung]]
Markus Mohr und Sebastian Haunss führen die Geschichte des Begriffs „antideutsch“ auf „mehr oder minder explizit antideutsch motivierte Ideen und Gedanken“ zurück. So habe 1844 [[Karl Marx]] in seiner Einleitung zur ''[[Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie|Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie]]'' den „Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings!“ gefordert. Antideutsche Ideen habe auch [[Sebastian Haffner]] in den 1930er Jahren in seinen Büchern ''Germany: Jekyll & Hyde'' und ''[[Geschichte eines Deutschen]]'' entwickelt. Der britische Diplomat [[Robert Vansittart, 1. Baron Vansittart|Robert Vansittart]] habe während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] allen Deutschen eine „[[pathologisch]]e Aggressivität“ unterstellt und sie als „die Störenfriede der [[Zivilisation]] seit [[Tacitus]]“ bezeichnet.<ref name=":0">Markus Mohr, Sebastian Haunss: ''Die Autonomen und die anti-deutsche Frage oder: »Deutschland muss&nbsp;…«''. In: Gerhard Hanloser (Hrsg.): ''„Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik.'' Unrast Verlag, Münster 2004, S. 65f.</ref>
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In der [[Neue Linke|Neuen Linken]] taucht erstmals auf der Titelseite des linksradikalen Untergrundblattes ''[[Agit 883|883]]'' aus [[West-Berlin]] in der 27. Ausgabe vom 14. August 1969 die Formulierung „Anti-deutsche Agitation“ auf. Es „scheint dieser Begriff offenbar von der militant-[[antikommunistisch]] eingestellten Frontstadtbevölkerung den protestwilligen Studenten entgegen gehalten worden zu sein“, so Mohr und Haunss.<ref name=":0" />
Begründung:Dieser Artikel ist ein wahrer Schilderwald, daher möchte ich an dieser Stelle mal die Aufmerksamkeit auf dieses komische Sammelsurium von offenbar aneinandergereihten Einzelartikeln (die Absätze sind irgendwie zusammenhanglos) lenken. Vor allem sollte ein Politikkundiger das Geschwurbel rauswerfen. Ich kenn die Bande nicht, daher... --[[Benutzer:Dickbauch|((ó))]] <small> [[Benutzer Diskussion:Dickbauch|Käffchen?!?]] </small> 15:56, 9. Nov 2005 (CET)


Der Begriff ''Antideutsche'' war bis 1989 noch eine ziemlich diffuse Fremdbezeichnung für die innerdeutsche antipatriotische Bewegung wie auch für die Politik der [[Anti-Hitler-Koalition]] gegenüber dem [[NS-Staat]] im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]]. Vor dem Hintergrund des [[Zweiter Golfkrieg|Zweiten Golfkrieges]] 1991, bei dem es auf Antikriegsdemonstrationen laut [[Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat|Bundesinnenministerium]] auch zu Sympathieäußerungen für das Regime [[Saddam Hussein]]s gekommen war, solidarisierten sich insbesondere die Zeitschrift ''[[Konkret (Zeitschrift)|konkret]]'', deren Herausgeber [[Hermann L. Gremliza]] und Teile des zerfallenden [[Kommunistischer Bund|Kommunistischen Bundes]] (KB) bedingungslos mit dem Staat Israel.<ref>{{Literatur |Autor=[[Stefan Kestler]] |Titel=Antisemitismus und das linksextremistische Spektrum in Deutschland nach 1945 (erschienen in: Neuer Antisemitismus? Judenfeindschaft im politischen Extremismus und im öffentlichen Diskurs) |Verlag=Bundesministerium des Innern |Datum=2005 |Seiten=94}}</ref><ref name=":1">{{Internetquelle |autor=Rudolf van Hüllen |url=https://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/33626/antideutsche-und-antiimperialisten |titel="Antiimperialistische" und "antideutsche" Strömungen im deutschen Linksextremismus {{!}} bpb |abruf=2020-07-11}}</ref> Seine heutige Prägung erfuhr der Begriff erst später. 1990 verfasste [[Jürgen Elsässer]] einen programmatischen Artikel ''Warum die Linke antideutsch sein muß''. Zudem gab es das bundesweite zentrale Bündnis ''Radikale Linke'' mit der Parole „''[[Nie wieder Deutschland]]''“ und in dem Kontext zwei Großdemonstrationen, eine zuerst in [[Frankfurt am Main]] am 12. Mai 1990 und danach die Demonstration am 3. November 1990 in Berlin mit unter dem Titel „''Der Tod ist ein Meister aus Deutschland''“. In der Folgezeit entstanden unter anderem aus dem Spektrum des ehemaligen Kommunistischen Bundes mit seiner Monatszeitung [[Analyse & kritik|Arbeiterkampf]] durch Abspaltung die Monats-Magazine ''17°C'' und die [[Bahamas (Zeitschrift)|Bahamas]] rund um [[Justus Wertmüller]]. Während die ''17°C'' nicht lange existierte, wurde von der Bahamas und ihren Anhängern „anti-deutsch“ als Selbstbezeichnung einer spezifischen politischen Strömung geprägt. Im Vorfeld der Bahamas-Konferenz 2009 wurde dann eine Distanzierung von der selbstgewählten Zuschreibung vollzogen und ein Abschied von den „abgehangenen Attributen“ kommunistisch, israelsolidarisch sowie antideutsch verkündet<ref>{{Literatur |Autor=Justus Wertmüller |Titel=Ideologiekritisch und sonst nichts |Sammelwerk=Bahamas |Band=57 |Datum=2009 |Online=[https://web.archive.org/web/20220505222252/https://redaktion-bahamas.org/auswahl/web57-2.html archivierte Online-Version]}}</ref> und die Begrifflichkeit „[[Ideologiekritik|ideologiekritisch]]“ als neuer zentraler Bezugspunkt eingeführt. Ebenso distanzierten sie sich vehement von den ehemals vertretenen Positionen.
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Der [[Kosovokrieg]], den die rot-grüne [[Kabinett Schröder I|Bundesregierung]] mit der deutschen Vergangenheit legitimierte, führte 1999 zu Kontroversen in der politischen Linken: Die Mehrheit der [[Radikale Linke|radikalen Linken]], aber auch etablierte [[Linksliberale]] stellten sich auf die Seite [[Serbien]]s und gegen die Intervention der [[NATO]], sehr wenige „Antiimperialisten“ solidarisierten sich mit der [[UÇK]], einige [[autonome]] und „antinationale“ Linke wandten sich in abstrakter Weise sowohl gegen die NATO-Intervention als auch gegen den serbischen Krieg und Nationalismus. Die pro-serbische Position vereinte auch die ansonsten feindseligen „Antideutschen“ und „Antiimperialisten“.<ref name="schmidinger" />


Nach dem [[Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023]] kam es bundesweit zu [[Antisemitische Vorfälle während des Krieges in Israel und Gaza#Deutschland|Demonstrationen]] pro-palästinensischer Linker und Angriffe auf Projekte wie die [[Rote Flora]], denen aufgrund einer Positionierung gegen Antisemitismus ein „antideutscher Grundkonsens“ unterstellt wurde.<ref>Katharina Schipkowski: ''[https://taz.de/Nahost-Konflikt-in-der-linken-Szene/!6007672/ Nahost-Konflikt in der linken Szene]'', taz.de, 4. Juli 2024</ref><ref>Madlen Haarbach: ''[https://www.tagesspiegel.de/berlin/bewohner-positionierten-sich-gegen-antisemitismus-pro-palastina-szene-attackiert-linkes-hausprojekt-in-berlin-11756450.html Bewohner positionierten sich gegen Antisemitismus: Pro-Palästina-Szene attackiert linkes Hausprojekt in Berlin]'', tagesspiegel.de, 3. Juli 2024</ref><ref>Ian: ''[https://www.lvz.de/lokales/leipzig/leipzig-graffiti-an-linxxnet-in-connewitz-gesprueht-HQGRN5IQWZDT7A5UY7XLE6Y5SY.html Graffiti an Linxxnet in Connewitz gesprüht]'', Leipziger Volkszeitung, 18. Dezember 2023</ref><ref>Madlen Haarbach: ''[https://www.tagesspiegel.de/berlin/mit-roten-dreiecken-der-hamas-markiert-neukollner-kneipe-bajszel-erneut-antisemitisch-angegriffen-11704250.html Mit roten Dreiecken der Hamas markiert: Neuköllner Kneipe „Bajszel“ erneut antisemitisch angegriffen]'', tagesspiegel.de, 23. Mai 2024</ref>
{{Überarbeiten}}
{{Neutralität}}


== Kontroverse ==
[[Bild:Antideutsche.jpg|thumb|Antideutsche am 10. April 2005 in Buchenwald]]
Nach dem [[Russischer Überfall auf die Ukraine seit 2022|Russischen Überfall auf die Ukraine von 2022]] wandte sich die ''konkret'', das älteste Medium des antideutschen Spektrums, von seinem bisher in der Außenpolitik verfolgten eher pro-[[Westliche Welt|westlichen]] Kurs ab und titelte kurz vor dem [[Russischer Überfall auf die Ukraine seit 2022|russischen Überfall auf die Ukraine]] mit einer antiimperialistischen „Nato-Aggression gegen [[Russland]]“. Dies führte dazu, dass 30 Autoren des Blattes erklärten, nicht mehr für die konkret schreiben zu wollen.<ref>{{Internetquelle |autor=Magnus Klaue |url=https://www.welt.de/kultur/plus237475589/Skandal-um-Konkret-Warum-die-Linke-den-Ukraine-Konflikt-nicht-versteht.html |titel=Warum die Linke den Ukraine-Konflikt nicht versteht |werk=Die Welt |datum=2022-03-15 |abruf=2024-06-18}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Ruth Lang Fuentes |url=https://taz.de/Ukraine-Streit-bei-konkret/!5865414/ |titel=Grenzen ziehen |werk=taz |datum=2022-07-17 |abruf=2024-06-18}}</ref>
[[Bild:Antideutsche2.jpg|thumb|Antideutsche Demonstration anlässlich des Jahrestages der Bombardierung [[Dresden]]s. Der Text lautet: „Thank you Mr. [[Arthur Travers Harris|Harris]]. No tears for Krauts. Deutsche Täter sind keine Opfer.“]]


== Kritik aus anderen linken Strömungen ==
'''Antideutsche''' sind eine aus verschiedenen Teilen der radikalen [[Antifa|antifaschistischen]] [[Linksradikale|Linken]] hervorgegangene Strömung, die sich so benannt hat, um sich gegen einen deutschen [[Nationalismus]] zu wenden, der aus ihrer Sicht im Zuge der [[Wiedervereinigung]] einen Aufschwung erlebt hat. Die antideutsche Bewegung wird im Verfassungsschutzbericht des [[Bundesamt für Verfassungsschutz|Bundesamtes für Verfassungsschutz]] erwähnt.
Im Kern wird den Antideutschen eine „Rückkehr in die [[Bourgeoisie|bürgerliche]] Wertegemeinschaft“ unter Aufgabe linker „Essentials“ vorgeworfen.


[[Gerhard Hanloser]] bemängelte im von ihm herausgegebenen Sammelband ''Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken'', hieran anknüpfend, eine „Kritische Kritik“, wie [[Karl Marx]] sie in Bezug auf [[Bruno Bauer]] als bloß theoretisierende, nicht aber praktische Kritik bekämpfte. Diese „Kritische Kritik“ sei letztlich, so Hanloser, nur eine „Selbstbespiegelung vermeintlich kritischer Geister“. Kritik verkomme so zum „[[Habitus (Soziologie)|Habitus]]“ und setze sich mit „[[Denunziation]]“ und „[[Polemik]]“ gleich, was sich auch im oft unsachlichen Stil antideutscher Publikationen widerspiegele.<ref>Gerhard Hanloser (Hrsg.): ''„Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik'', S. 8.</ref> [[Ilse Bindseil]] kritisiert in einem im gleichen Sammelband erschienenen Beitrag, dass die Antideutschen sich letztlich nicht mit den Konsequenzen von [[KZ Auschwitz|Auschwitz]] für die deutsche [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] und für die eigene Biografie beschäftigten. Sie wirft den Antideutschen moralisches Sektierertum vor und sieht dessen Ursache in einer „Suche nach Flucht in die Unschuld“ der Nach-[[68er]], die erkennen mussten, dass der Bruch mit der [[Altnazi|Nazi]]-Generation sie nicht vor den Zuständen der „postfaschistischen Gesellschaft“ schütze. Statt der Komplexität von Themen wie Auschwitz gerecht zu werden, bestehe in diesem Teil der Gesellschaft der Hang zu unterkomplexen Reflexions- und Handlungsschemata, die letztlich vom Ausgangsproblem ablenkten und dieses nicht mehr transparent erscheinen ließen. „Das Böse musste her, damit der Riss in der Biografie gekittet werden konnte.“<ref>Ilse Bindseil: [http://www.ilsebindseil.de/pdf/txt2.pdf ''Sektiererische Reflexion und korrektes Denken. Versuch einer philosophischen Identifikation''] (PDF; 119&nbsp;kB)</ref>
== Einordnung in das politische Spektrum ==


== Einschätzung durch Behörden ==
Die Antideutschen sind innerhalb des linksradikalen Lagers Gegenstand heftiger Kontroversen. Dies liegt vor allem an den folgenden Positionen, die zwar nicht von allen antideutschen Gruppen in gleichem Maße geteilt werden, die aber von denjenigen Gruppen vehement vertreten werden, die über die größte Außenwirkung verfügen. Dazu gehören die Berliner Zeitschrift ''[[Bahamas (Zeitschrift)|Bahamas]]'' und die Freiburger ''[[Initiative Sozialistisches Forum]]'', ferner zahlreiche sich als antifaschistisch bezeichnende Gruppierungen. Aber auch die große linke Zeitschrift ''[[Konkret (Zeitschrift)|konkret]]'' ordnet der [[Landesbehörde für Verfassungsschutz|Verfassungsschutz]] Nordrhein-Westfalen der antideutschen Strömung zu.
[[Datei:Antideutsche Demonstration Israelflagge.jpg|mini|Demonstration mit Israelflagge, 2013]]
Der [[Verfassungsschutzbericht]] des Bundes von 2006 stellte die Antideutschen aufgrund unterschiedlicher ideologischer Ausprägungen nicht als einheitlichen Block dar. Als Gemeinsamkeit nannte er das Bekenntnis zu „bedingungslose[r] Solidarität mit der Politik Israels und dem [[Judentum|jüdischen]] Volk“. Dies schließe die „Befürwortung aller Maßnahmen ein, die geeignet erscheinen, den Bestand des Staates [[Israel]] als einzigen Schutzraum der [[Holocaust]]überlebenden zu sichern. Da die USA als einziger ‚ehrlicher‘ Verbündeter Israels gesehen würden, wendeten sich Teile der Antideutschen gegen jede Form des [[Antiamerikanismus]].“<ref>{{Internetquelle |url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2006.pdf |titel=Verfassungsschutzbericht 2006 |hrsg=[[Bundesministerium des Innern]] |seiten=164&nbsp;ff. |format=PDF; 7,3 MB |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20090806205226/http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht_2006.pdf |archiv-datum=2009-08-06 |abruf=2017-09-18}}</ref> Der Verfassungsschutzbericht 2008 sah den Höhepunkt des antideutschen Einflusses auf den „traditionellen [[Linksextremismus]]“ inzwischen überschritten; ihm werde in der Szene kaum noch Aufmerksamkeit entgegengebracht.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2008.pdf |titel=Verfassungsschutzbericht 2008 |hrsg=[[Bundesministerium des Innern]] |seiten=157 |format=PDF; 4,9 MB |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20091007075002/http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2008.pdf |archiv-datum=2009-10-07 |abruf=2017-09-18}}</ref> Im Bericht des Folgejahres wurden Antideutsche nicht mehr erwähnt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2009.pdf |titel=Verfassungsschutzbericht 2009 |hrsg=[[Bundesministerium des Innern]] |format=PDF; 4,3 MB |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20100704214902/http://www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/vsbericht2009.pdf |archiv-datum=2010-07-04 |abruf=2017-09-18}}</ref>


Nach einem von der [[Bundeszentrale für politische Bildung]] veröffentlichten Aufsatz des Politikwissenschaftlers [[Rudolf van Hüllen]]s aus dem Jahr 2015 verdiene die offensichtliche Bewusstwerdung des [[rassistisch]]-antisemitischen Charakters des [[Nationalsozialismus]] bei den Antideutschen Anerkennung, denn die Ausblendung des Antisemitismus stelle eine der gravierendsten ideologischen Fehlleistungen des [[Antifaschismus]] dar. Zugleich würden sich die Antideutschen – „vermutlich unwissentlich“ – auf die Trennlinie zubewegen, die [[Demokratie|demokratisches]] Engagement für Entwicklungsländer und gegen [[Rechtsextremismus]] wie auch [[Antisemitismus]] bisher von ihren linksextremistischen Verzerrungen „Antiimperialismus“ und „Antifaschismus“ geschieden habe. Dabei seien Ablösungsprozesse von [[Totalitarismus|totalitären]] Ideologien des [[Marxismus-Leninismus]] in Gang gekommen. Allerdings sei die undifferenzierte Assoziation des [[Islam]] mit [[Islamismus|islamistischer]] Gewalt gegenaufklärerisch und geeignet, [[gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit]] zu fördern. Das gelte auch für die Suggestion, die Deutschen seien aufgrund historischer, kultureller kollektiver mentaler Prägungen in besonderem Maße für extremistische Gewalt gegenüber anderen prädestiniert.<ref name=":1" />
Charakteristische Aussagen dieser Gruppen sind:


== Medien des antideutschen Spektrums ==
* Die [[Bürgertum|bürgerliche]] Gesellschaftsordnung sei ein wesentlicher Fortschritt im Vergleich zur [[Barbarei]] [[Fundamentalismus|fundamentalistischer]] oder nationalistischer [[Regime]]. Deshalb seien die Kriege der [[USA]] gegen den [[Irak]] (siehe [[Zweiter Golfkrieg|zweiter Golfkrieg]] und [[Irak-Krieg|Dritter Golfkrieg]]) und [[Afghanistan]] (siehe [[Krieg in Afghanistan]]), die den Sturz [[Saddam Hussein]]s bzw. die Beseitigung des [[Taliban]]-Regimes zur Folge hatten, zu unterstützen.
* [[ça ira Verlag]]

* ''[[Bahamas (Zeitschrift)|Bahamas]]'' (bis zur Distanzierung 2009)
* Die Forderung nach unbedingter Solidarität mit [[Israel]], was auch die volle Unterstützung für alle militärischen Maßnahmen einschließt. Israel habe als Opfer beständiger Aggression durch [[Palästinenser|palästinensische]] Organisationen das Recht, sich mit Maßnahmen wie Kontrollen, Sicherungsanlagen und [[Gezielte Tötung|gezielten Tötungen]] zu verteidigen.
* ''Bonjour Tristesse''<ref>https://bonjourtristesse.wordpress.com/</ref> [[Halle (Saale)]]

* ''[[Jungle World]]''
* [[Antikapitalismus]] sei oftmals Ausdruck eines versteckten [[Antisemitismus]], die meisten [[soziale Bewegung|sozialen Bewegungen]] seien Teil einer „''Antisemitischen Internationale''“.
* ''[[Konkret (Zeitschrift)|Konkret]]''

* ''[[Ruhrbarone]]''<ref>{{Literatur |Autor=[[Saba-Nur Cheema]] |Titel=Antisemitismus: Die deutsche Debatte ist von Obsessionen geprägt |Sammelwerk=[[Die Zeit]] |Ort=Hamburg |Datum=2022-06-14 |ISSN=0044-2070 |Online=https://www.zeit.de/kultur/kunst/2022-06/antisemitismus-nahostkonflikt-documenta-fifteen-palaestina-israel |Abruf=2023-11-27}}</ref><ref>Meron Mendel: ''Über Israel reden: Eine deutsche Debatte.'' Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023, S. 146.</ref>
* Die Gefahr eines erneuten [[Holocaust|Massenmordes an Juden]] sei gegeben durch das Fortbestehen einer nationalsozialistischen [[Volksgemeinschaft]] in Deutschland, sowie durch Ignoranz der europäischen Regierungen gegenüber erstarkendem Antisemitismus in der [[Europäische Union|EU]] und besonders in den [[Gemeinschaft unabhängiger Staaten|Nachfolgestaaten der Sowjetunion]]. Ein ähnlicher Sachverhalt wie in Deutschland wird von Antideutschen in der [[Araber|arabischen Welt]] gesehen, diese wird daher oft als „''deutsch''“ oder „''prodeutsch''“ bezeichnet. Das [[World Trade Center#Terroranschl.C3.A4ge|Attentat auf das World Trade Center]] und zahlreiche Anschläge auf Synagogen und jüdische Menschen weltweit seien Alarmzeichen für den unverändert starken antisemitischen Vernichtungswillen insbesondere auch in Deutschland.

Die von Antideutschen geäußerte Kritik richtet sich in großen Teilen an das linksradikale Lager, dem sie entstammen, und hier besonders an die sogenannten [[Antiimperialismus|Antiimperialisten]]. Dabei handelt es sich insofern um eine Besonderheit, als Antideutsche, ausgehend von einer linken Gesellschaftskritik teilweise zu traditionell bürgerlich-[[Konservatismus|konservativen]] Positionen gelangt sind, diese jedoch weiterhin in formal und rhetorisch linker Gewandung vertreten.

* Der Antiimperialismus sei tragende Motivationsbasis von Bewegungen wie [[attac]], [[Globalisierungskritik]]ern und Theoretikern wie z.B. [[Noam Chomsky]].

* Die in der globalisierungskritischen Bewegung populäre Forderung nach einer Regulierung der Finanzmärkte (z.B. [[Tobin-Steuer]]) gilt Antideutschen als ''strukturell antisemitisch'', d.h. sie nehmen an, dass die Kritik an den Finanzmärkten in Form einer Unterscheidung zwischem ''schaffendem'' und ''raffenden'' Kapital sich des Stereotyps des „Geldjuden“ bediene (siehe auch [[Antijudaismus]]).

* Der [[Friedensbewegung]] wird eine Doppelmoral vorgeworfen. Sie akzeptierten die Zustände der [[Baʿth-Partei|Baath]]-Diktatur im Irak oder die Alltäglichkeit des [[Terror]]s in Israel, weil sie in Ermangelung genauer Kenntnis der Lage keine wirksamen Gegenmaßnahmen anböten. Die Friedensbewegung verwende zudem höchst bedenkliche Symbole, Karikaturen und Feindbilder, wie die des „''hinterlistigen Strippenziehers''“, dem "raffenden Kapital''“ oder des "Volksschädlings und Vampirs''“, die auf die USA und Israel projiziert würden. Radikalere antideutsche Gruppen wie die Bielefelder Gruppierung ''Gruppe 8. Mai'' werfen der Friedensbewegung „''Appeasement gegenüber dem antisemitischen Vernichtungswillen''“ vor und bezeichnen das Ideal des Friedens in einem Flugblatt zum [[8. Mai]] [[2005]] als „''leer und verlogen''“.

* Die unbedingte Solidarität mit Israel schließt die Unterstützung für die Politik des israelischen Ministerpräsidenten [[Ariel Scharon]] ein.

* Während linksradikale Gruppen traditionell die Diskriminierung von [[Migrant]]en in Deutschland als zentrales Problem ansehen, äußern sich antideutsche Publikationen wie die Zeitschrift ''Bahamas'' zunehmend negativ über die Rolle von Migranten in der europäischen Gesellschaft. Analog zu bürgerlichen und rechten Parteien behaupten sie, dass das Ideal der [[Multikulturalität]] Freiräume für gewalttätige und kriminelle [[Islamist]]en schaffe, in denen eben die eingeforderten Toleranzräume für Minderheiten nicht mehr gälten.

* Der traditionelle linke [[Antimilitarismus]] wird von den Antideutschen als Teil der Friedensbewegung begriffen und bekämpft. Auch fordern Antideutsche häufig Militäreinsätze westlicher Staaten, insbesondere der USA, gegen arabische Länder. Die Antideutschen rücken weniger [[Klassenkampf]] und [[Arbeiterbewegung]] in den Vordergrund ihrer Programmatik, sondern wollen das internationale System und dessen Entwicklungsdynamik aus dem Blickwinkel der [[Geschichtsphilosophie#Karl Marx|marxistischen Geschichtsphilosophie]] und der [[Kritische Theorie|Kritischen Theorie]] betrachten. Demzufolge ist die europäische [[Aufklärung]] ein in weiten Teilen unvollendetes Projekt. Die Antideutschen gehen davon aus, dass ein Übergang zum [[Kommunismus]] nur mit und nicht gegen die real existierenden Kräfte der Aufklärung erfolgen kann. Als Kräfte der Aufklärung werden dabei die kapitalistischen Industrienationen mit Ausnahme Deutschlands gesehen. Sie lehnen den gegenwärtig von ihnen als Leitkultur innerhalb des Marxismus wahrgenommenen [[Antiimperialismus]] ab: Dieser habe nichts mit dem Werk [[Karl Marx]]’ zu tun, er ähnele vielmehr dem [[Nationalsozialismus]]. Während der Antiimperialismus reklamiert, die Politik der USA sei interessengeleitet, gehen die Antideutschen davon aus, das sei nach Marx die normale Form jeder Politik. Die Antideutschen stellen sich auf den Standpunkt, dass der Marxismus durch seine Geschichtsphilosophie immer der schärfste politische Gegner der [[Theokratie]] gewesen sei und knüpfen an die Solidarität Karl Marx’ mit dem amerikanischen Präsidenten [[Abraham Lincoln]] an. Generell betrachten sie die gegenwärtige weltpolitsche Lage als [[Kampf der Kulturen]] zwischen (westlicher) [[Demokratie]] und (arabischer) [[Theokratie]], wobei den westlichen Staaten unbedingte Solidarität auch der Linken zustehe. Auch der [[Sezessionskrieg|amerikanische Bürgerkrieg]] gegen die Sklaverei 1860-1865 sei zugleich interessengeleitet und fortschrittlich gewesen. Da sie das System der Nationalstaaten als eine historische Übergangsphase zwischen der Theokratie und dem Kommunismus betrachten, unterscheiden sie zwischen Nationen, die es gegen den Rückfall in die Theokratie verteidigen und anderen, die den Fortschritt in den Kommunismus aufhalten wollen. An vorderster Front der Systemauseinandersetzung zwischen Theokratie und Demokratie stehe Israel. Mit der Entscheidung zum Einmarsch in den Irak hätten auch die USA begonnen, ihre alte Politik der Unterstützung fortschrittsfeindlicher Diktaturen aufzugegeben und die Theokratie als Hauptfeind zu erkennen. Deutschland hingegen werde von Antiimperialisten regiert, die zunehmend eine Politik der Regimeerhaltung in antisemitischen Diktaturen wie z.B. [[Saudi-Arabien]] und [[Iran]] verfolgten – dies teilweise mit der Begründung, „''aus [[KZ Auschwitz-Birkenau|Auschwitz]] etwas gelernt''“ zu haben.

== Theoretische Vorbilder ==

Konzeptionell orientieren sich die Antideutschen an der [[Kritische Theorie|Kritischen Theorie]], teilweise auch am französischen [[Poststrukturalismus]]. Als Vorbilder gelten Theoretiker wie [[Karl Marx|Marx]] und die aufklärerischen Philosophen [[Immanuel Kant|Kant]] und [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]], wobei auch die an diesen erfolgte Kritik vor allem durch [[Theodor W. Adorno|Adorno]] und [[Max Horkheimer|Horkheimer]] Beachtung gefunden hat.

Großen Einfluss auf Antideutsche hatte die [[Wertkritik]]. Diese geht davon aus, dass [[kapitalistisch]]e Herrschaft abstrakt sei, dass sie also nicht von konkreten Personen ausgehe, sondern vom Wertprinzip selbst. Prinzipiell seien alle Menschen gleichermaßen dieser Herrschaft unterworfen. Deshalb gibt es innerhalb dieses Systems, anders als beim traditionellen Marxismus, weder ein revolutionäres Subjekt ([[Arbeiterklasse]]), in das besondere Hoffnung zu setzen wäre, noch die Möglichkeit, diese Herrschaft durch den Sturz einer bestimmten herrschenden Klasse zu überwinden. Die Aussichten für eine mittelfristige Überwindung des Kapitalismus werden sehr pessimistisch beurteilt. Die in der Wertkritik enthaltene Kritik der bürgerlichen Aufklärung und des bürgerlichen Subjekts werden von den Antideutschen jedoch abgelehnt.

Aus dieser Sichtweise folgt für die Antideutschen, dass revolutionäre Bestrebungen in Richtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung gegenwärtig aussichtslos seien, sodass [[Kritik]] aktuell die einzige Handlungsmöglichkeit darstelle. Andere Theoretiker der Wertkritik, wie der für seine scharfe Kritik an den Antideutschen bekannte [[Robert Kurz]], widersprechen dem.

Häufig wird Antideutschen vorgeworfen, elitär zu sein, da sie durchaus komplizierte Theoriegebäude vertreten, die für Missverständnisse, aber auch Fehlschlüsse anfällig sind.

== Historische Entwicklung ==

=== Die Begriffsgeschichte ===

Markus Mohr und Sebastian Haunss gehen bei der Analyse der Begriffsgeschichte des Wortes „antideutsch“ auf „''mehr oder minder explizit antideutsch motivierte Ideen und Gedanken''“ zurück. So habe 1844 [[Karl Marx]] in seiner ''Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie'' den „''Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings!''“ gefordert. [[Heinrich Heine]] formulierte in ''Die schlesischen Weber'': „''Deutschland, wir weben dein Leichentuch.''“ Antideutsche Ideen habe auch [[Sebastian Haffner]] in den 1930er Jahren in seinen Büchern ''Germany: Jekyll & Hyde'' und ''Geschichte eines Deutschen'' entwickelt. Lord [[Robert Gilbert Vansittart]] habe allen Deutschen eine „''[[pathologisch|pathologische]] Aggressivität''“ unterstellt und sie als „''die Störenfriede der Zivilisation seit [[Tacitus]]''“ bezeichnet.

In der [[Neue Linke|Neuen Linken]] taucht erstmals auf der Titelseite des linksradikalen Untergrundblattes ''883'' aus Berlin in der 27. Ausgabe vom 14. August 1969 die Formulierung „''Anti-deutsche Agitation''“ auf. Es „''scheint dieser Begriff offenbar von der militant-antikommunistisch eingestellten Frontstadtbevölkerung den protestwilligen Studenten entgegen gehalten worden zu sein.''“ So Mohr und Haunss.

Prägend für die 1980er war einer der „''populärsten Song der Hamburger [[Punk]]-Band [[Slime]]''“:

: „''Wo Faschisten und Multis das Land regiern,''
: ''wo Leben und Umwelt keinen interessiern,''
: ''wo alle Menschen ihr Recht verliern,''
: ''da kann eigentlich nur noch eins passiern:''
: ''Deutschland muss sterben, damit wir leben können,'' ...

Markus Mohr und Sebastian Haunss sehen als zentrale Botschaft dieses Liedes die „''frontale Entgegensetzung''“ zu der [http://www.avantart.com/bilder/wblo/deutschland.jpg Inschrift auf dem Kriegerdenkmal] am Hamburger Dammtorbahnhof: „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“. Die Punks von Slime seien damals nicht allein in ihrer Wut auf das in vielerlei Hinsicht obszöne Kriegerdenkmal gewesen: ''"Ihr völlig berechtigter Hass darauf, entsprach in jeder Note und Faser völlig dem Lebensgefühl einer damals entstehenden autonomen Jugend- und [[Subkultur]], die auch in der seit Ende der 70er Jahre von Großbritannien in die BRD schwappenden Punkwelle wurzelte.''“ Das Abspielen des Liedes in der Original-Version bei Demonstrationen war immer wieder Anlass für Polizeieinsätze, nachfolgende Gerichtsverfahren und Verurteilungen, weil hierin eine Verunglimpfung des Staates gesehen wurde. Erst im Jahr 2000 sei in einer [http://lexetius.com/2000/12/17 Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts] der Liedtext als Kunst im Sinne des Grundgesetzes ins „''deutsche Kulturerbe''“ (Mohr/Haunss) aufgenommen worden.

''Antideutsche'' ist hier aber noch eine relativ diffuse Fremdbezeichnung für die innerdeutsche antipatriotische Bewegung wie auch auf alliierte Politik Deutschlands gegenüber. Seine heutige Prägung erfuhr der Begriff erst sehr viel später, als er als Selbstbezeichnung von einer spezifischen theoretischen Strömung wieder aufgegriffen wurde.

=== Entstehung der antideutschen Strömung ===

Die heute in der radikalen Linken diskutierten Inhalte des Begriffes ''antideutsch'' seien erst zu Beginn des Jahres 1989 einem Kreis namens ''Radikale Linke'' markant geworden. Gebildet habe sich dieser Kreis im „''Umfeld von in der [[Die Grünen|Grünen Partei]] pleite gegangenen linken Grünen, [[Trotzkisten]], Mitgliedern des [[Kommunistischer Bund|Kommunistischen Bundes]], der Zeitschrift [[konkret (Zeitschrift)|konkret]] und anderen linksradikalen Gruppierungen (...) Aus diesem Kreis, an dem auch [[Autonome]] der unterschiedlichsten Couleur beteiligt waren, wurde nach dem Fall der Mauer wesentlich eine Kampagne unter dem Motto ‚Nie wieder Deutschland‘ vorangetrieben.''“

Anstoß war der Zusammenbruch des [[Realsozialismus]] am Ende der [[80er Jahre]] und die darauf folgende deutsche Wiedervereinigung. Die Befürchtung eines Wiedererstarkens des deutschen Nationalismus sahen nicht nur die Antideutschen in den frühen 90er Jahren durch zahlreiche Fälle von Gewalt gegen Nichtdeutsche bestätigt, so durch das [[Pogrom von Rostock-Lichtenhagen]] und der Mordanschlag auf die Solinger [[Mordanschlag von Solingen|Familie Genç]]. Zu diesen Ausbrüchen [[Xenophobie|xenophob]] und nationalistisch motivierter Gewalt kam die Zunahme staatlicher [[Repression]] gegen Migranten, so etwa die drastische Einschränkung des [[Asylrecht]]s durch eine [[große Koalition]] aus [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]], [[Freie Demokratische Partei|FDP]] und [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] im Jahre [[1994]].

Die sich herausbildende antideutsche Strömung konzentrierte ihre Aufmerksamkeit ursprünglich stark auf die mögliche Gefährdung [[Polen]]s und [[Frankreich]]s durch deutsches [[Großmacht]]streben. Deutschland, so wurde befürchtet, könne Polen gegenüber territoriale Ansprüche erheben und in Frankreich [[Volksgruppe]]npolitik betreiben, die auf eine Abspaltung der [[Bretonen]], [[Elsässer]] und anderer regionaler Sprachgruppen ziele.

Während solche Befürchtungen von weiten Teilen der [[Autonome|autonomen Linken]] geteilt wurden, sorgte die Befürwortung des [[zweiter Golfkrieg|zweiten Golfkriegs]] von [[1991]] gegen den [[Irak]] erstmals für massive Zerwürfnisse. Eine Hauptrolle spielte hierbei die ''[[Hamburg]]er Zeitschrift [[Konkret (Zeitschrift)|konkret]]'', dessen Herausgeber [[Hermann L. Gremliza]] sich aus Gründen der Israelsolidarität vehement für den von der Regierung [[Helmut Kohl|Kohl]] finanziell massiv unterstützten Krieg aussprach. Noch weiter ging der antideutsche Vordenker [[Wolfgang Pohrt]], der in Ausgabe 03/91 von Gremlizas Zeitschrift gar den Einsatz der israelischen [[Atombombe]] gegen [[Bagdad]] forderte.

Den [[Kosovo-Krieg|Krieg gegen Jugoslawien]] im Frühjahr [[1999]] lehnten die Antideutschen ebenso ab, wie der größte Teil der Linken. Die Antideutschen beurteilten ihn als Wiederholung der Konstellation des [[2. Weltkrieg]]s, in dem Jugoslawien Opfer deutscher Aggression geworden war. Daraus leiteten sie die Forderung nach „''bedingungsloser''“ Solidarität mit dem Regime von [[Slobodan Milošević]] ab, während viele andere linke und [[Pazifismus|pazifistische]] Strömungen auch die Taten der serbischen Seite kritisierten. Dies führte zum Bruch zwischen Antideutschen und [[Antinationale]]n.

Gleichzeitig passte die massive Kriegsbeteiligung der früheren West[[alliierte]]n nicht zu dem von den Antideutschen gezeichneten Bild. Diese erklärten das Verhalten der USA damit, sie hätten sich nicht aus freien Stücken für den Krieg entschieden, sondern seien von Deutschland in diesen hineingetrieben worden. Zu dieser Argumentation gehörte auch eine weitgehende Überschätzung der weltpolitischen Machtstellung Deutschlands. So schrieb die [[Jungle World]], die USA seien die einzig verbliebene Macht, die in der Lage sei „''Deutschland die Stirn zu bieten''“.

=== Nach der Al-Aqsa-Intifada ===

Nach Beginn der [[Al-Aqsa-Intifada|zweiten Intifada]] in [[Israel]]/[[Palästina]] kam es zu einer schroffen [[Polarisierung]] zwischen den eher traditionellen Linken auf der einen und den nunmehr als eigenständige Strömung erkennbaren Antideutschen auf der anderen Seite. Seitdem steht die Solidarität mit dem Staat [[Israel]] und die Kritik an [[Antizionismus|antizionistischen]] Haltungen im Vordergrund des antideutschen Selbstverständnisses. Die [[Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA|Anschläge vom 11. September 2001]] führten darüber hinaus zu einer vehementen Zurückweisung von einzelnen Theorie-Elementen des [[Antiimperialismus]] sowie [[Antiamerikanismus|antiamerikanischer]] Tendenzen innerhalb der Linken.

Während Frankreich aufgrund seines [[Staatsbürger|staatsbürgerlich]] und nicht völkisch definierten [[Nation]]enbegriffs ursprünglich das positive Gegenbild zu Deutschland darstellte, kühlte die antideutsche Frankreichliebe im Verlauf der Kriege gegen Afghanistan und Irak deutlich ab. Hauptgrund war die Haltung Frankreichs in Bezug auf den Irak und den israelisch-palästinensischen Konflikt. Von nun an wurden die [[USA]] neben Israel zum wichtigsten Bezugspunkt antideutscher [[Identität]] erhoben. Das Tragen der US-amerikanischen [[Nationalflagge]] gehört seit dieser Zeit zum Standard antideutscher Kundgebungen. Die negative Bewertung Deutschlands wurde zudem auf das gesamte ''[[Das alte Europa|Old Europe]]'' ausgeweitet. Diese abwertend gemeinte Benennung der europäischen kriegskritischen Staaten durch US-Verteidigungsminister [[Donald Rumsfeld]] ging bald in den festen Sprachgebrauch antideutscher Publikationen über und erscheint dort stets als ein zu bekämpfendes Modell. Der US-Armee bescheinigen Antideutsche dagegen, dass ihre Kriegseinsätze in Afghanistan und dem Irak Akte „''tätigen Antifaschismus’''“ darstellten. Oberbefehlshaber [[George W. Bush]] wurde nach einem kurdisch-irakischem Transparent als „''A Man of Peace''“ tituliert. ([http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/Bagdad.htm])

Die Unterstützung des [[Krieg in Afghanistan|Afghanistan-Kriegs]] und der von den USA initiierten [[Irak-Krieg]]e seit 1991 durch zahlreiche antideutsche Aktivisten, mehr noch aber der Vorwurf, dass die Kritik am Islamismus sich bei manchen Vertretern dieser Strömung in einem [[Rassismus|rassistischen]] Register abspiele, führte nach und nach zu einer Spaltung in zwei Lager, polemisch oft als ''Softcore''- und als ''Hardcore''-Antideutsche bezeichnet. Erstere sehen letztere dagegen häufig als Postantideutsche an, weil sie die Kritik an den Deutschen durch rassistische Positionen gegenüber [[Muslim]]en eingetauscht hätten. Viele Antideutsche sehen im Islam starke Tendenzen eines „''[[Islamofaschismus]]''“, der durch Muslime weder erkannt noch bekämpft werde. Dieser Standpunkt stößt bei vielen [[Antirassismus|Antirassisten]] auf Unmut, einmal weil das Stilmittel grober Polemik weitverbreitet in antideutschen Publikationen ist, zum anderen auch weil sich hardcore-antideutsche Islamkritik oftmals inhaltlich den Positionen rechtspopulistischer und rechtsradikaler [[Xenophobie|xenophober]] Bewegungen wie der [[Liste Pim Fortuyn]] oder des [[Vlaams Blok]] annähert. Häufig wird auch der Begriff „''Islamischer Faschismus''“ prinizipiell als problematisch angesehen, da er zu einer unscharfen Definition des [[Faschismus]] fuehrt. Prominentes Beispiel für diese Annäherung waren die Sympathiebekundungen für Pim Fortuyn durch ''Bahamas'' nach der Ermordung [[Theo van Gogh]]s ([http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/van-Gogh.htm]). Auch wird das Fehlen von Kritik an anderen autoritären Religionen als dem Islam, wie etwa dem [[Christentum]], kritisiert.

Insbesondere das Mitführen israelischer oder US-amerikanischer Nationalflaggen durch Vertreter der antideutschen Strömung führte auf [[Demonstration]]en schon zu körperlichen Auseinandersetzungen mit anderen Linken. Dies wird folgendermaßen begründet:

* Ein bürgerlich-demokratischer [[Rechtsstaat]] sei ein wesentlicher Fortschritt gegenüber [[Fundamentalismus|fundamentalistischen]] oder nationalistischen [[Regime]]s.

* Eine derartige nationalistische, fundamentalistische Ideologie sei Grundlage und Zweck sowohl der palästinensischen [[Hamas]] und [[PLO]] als auch der irakischen [[Guerilla]]s als auch der [[Taliban]] als auch der [[UÇK]]. [[Arabischer Antisemitismus]] sei zu einer akzeptierten Meinung im Rahmen des [[Kulturalismus]] in Europa geworden.

* Israel sei vor allem Opfer beständiger Aggression durch palästinensische Organisationen. Einige dieser arbeiteten während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] mit den Nazis zusammen. Als solches habe Israel ein Recht sich mit rechtsstaatlichen Maßnahmen wie Kontrollen und Sicherungsanlagen zu verteidigen, nach Meinung vieler Antideutscher auch mit militärischen Mitteln wie z.&nbsp;B. ''[[Gezielte Tötung|gezielten Tötungen]]'' von des Terrorismus oder seiner Unterstützung verdächtigten Personen.

* Die Kritik der europäischen Öffentlichkeiten und insbesondere der deutschen sei tendenziös, im Jargon geschichtsvergessen und arbeite teilweise mit bösartigen antisemitischen Stereotypen.

Zunächst trug der eskalierende Streit zwischen Antideutschen und Antiimperialisten zu einer deutlichen Schwächung der [[Autonome|autonomen Linken]] bei. Allerdings erhielten die Antideutschen in den letzten Jahren regen Zulauf von Seiten junger Antifa-AktivistInnen, so dass sie sich bundesweit als eigene Bewegung etablieren konnten. In vielen Orten hat sich die anfängliche Hysterie wieder gelegt, viele arbeiten mit antideutschen Gruppen in Zweckbündnissen zusammen oder haben das Grundverständnis einer Solidarität mit Israel und einer Absage an völkischen Widerstand akzeptiert.

=== Zukunftsaussichten ===

Patrick Hagen (siehe [[#Literatur|Literatur]]) schätzt, dass die antideutsche Strömung den Zenit ihres Einflusses auf die Linken überschritten habe. Früher einflussreiche Persönlichkeiten wie [[Jürgen Elsässer]] und [[Wolfgang Pohrt]] hätten sich aus der Szene zwischenzeitlich verabschiedet. Es spreche einiges dafür, dass sich die Strömung zukünftig politisch weiter nach rechts entwickeln werde. Der Islam scheint mittlerweile Deutschland als Hauptfeind der Antideutschen abgelöst zu haben, was unerwartete Richtungswechsel gezeitigt hat:

: „''Auf dem Weg zur Realpolitik wird auch die Bundesrepublik nicht mehr nur als Feind gesehen. Vor dem Irak-Krieg forderten Thomas Uwer und Thomas von der Osten Sacken in einem Memorandum von der Bundesregierung, dass diese sich ‚aktiv in die Gestaltung einer post-Saddam Ordnung einbringt:‘ ‚Es kann umgekehrt nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein, alleine am Status Quo eines zum Zusammenbruch verurteilten Regimes festzuhalten.‘''“


== Publikationen ==

Vertreter der so genannten ''Hardcore''-Antideutschen organisieren sich um die Zeitschrift ''Bahamas'', während die gemäßigtere Variante sich eher lose an Zeitschriften wie der ''[[Phase 2]]'' orientiert. Die Wochenzeitung ''[[Jungle World]]'' und die Monatszeitung ''[[Konkret (Zeitschrift)|Konkret]]'' dienen dagegen beiden Seiten als Plattform, lassen aber auch Gegner der Antideutschen zu Wort kommen.

== Kritik und Kontroverse ==

Aufgrund ihrer Positionen, die überwiegend in [[diametral]]em Gegensatz zur übrigen Linken stehen, sind die Antideutschen Gegenstand beständiger heftiger Kontroversen. Zudem sind auch innerhalb der Strömung Zerwürfnisse und Spaltungen keine Seltenheit, wobei diese i.&nbsp;d.&nbsp;R. unter häufigem Einsatz von Antisemitismusvorwürfen (Beispiel: ([http://www.graswurzel.net/266/jungle.shtml]))ausgetragen werden.

Die im Folgenden referierte oder zitierte Kritik stammt überwiegend von Vertretern der radikalen Linken. Dies liegt in erster Linie daran, dass es sich bei der Kontroverse um antideutsche Positionen ganz überwiegend um eine innerlinke Auseinandersetzung handelt. Einige der genannten Autoren waren für die Entstehung einzelner antideutscher Politikkonzepte selbst sehr prägend. Die meisten Stellungnahmen entstammen dem von Gerhard Hanloser herausgegebenen Band ''Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken'' (siehe [[#Literatur|Literatur]]).

Kern der Kritik ist die Feststellung einer Wendung der Antideutschen nach rechts bzw. einer „''Rückkehr in die bürgerliche Wertegemeinschaft''“ unter Aufgabe aller linker ''Essentials''.

=== Israel als Projektionsfläche für „Solidarisierungsfetischisten“ ===

Scharfe Kritik an „''solidarisierungswütigen Israelfreunden''“ übt der israelische [[Soziologie|Soziologe]] [[Moshe Zuckermann]]. In einem Beitrag ''Was heißt: Solidarität mit Israel?'' kritisiert er den ideologischen Blick auf Israel seitens der Antideutschen.

Diese missbrauchten Israel als „''pure Projektionsfläche für eigene Befindlichkeiten''“. Ihre „''bedingungslose Solidarität''“ sei eine Farce, „''die die reale Tragödie in eine Narrenposse verwandelt''“.

Eingefordert wird von ihm u.a., die israelische Gesellschaft in ihrer geschichtlichen, politischen, sozialen und gesellschaftlichen Komplexität und Heterogenität wahrzunehmen. „''Ideologisch durchwirkte Abstraktionen''“ seien kontraproduktiv. „''Besonders unappetitlich''“ seien sie, so Zuckermann über das Israel-Bild der Antideutschen, wenn sie aus Deutschland kämen und die Juden beträfen.

=== Bellizismus ===

In der Unterstützung der USA im ''Krieg gegen den internationalen Terror'' und dem Irak wird die Legitimation von Krieg und staatlichem [[Gewaltmonopol]] seitens der Antideutschen grundsätzlich kritisiert. „Nein zu Krieg“ und grundsätzliche Kritik am Staat wird von AnarchistInnen und in neuerer Zeit auch von vielen KommunistInnen als Basis jeder radikal linken Politik gesehen. Diese Kritik wird nicht nur aus generellem [[Pazifismus]] erhoben. Kritisiert wird diese Form des [[Bellizismus]] u.a. in dem Beitrag ''Antideutsche Kriegsführung'' von Wolf Wetzel in: ''Krieg ist Frieden'', sowie von der ''gruppe demontage'' aus Hamburg.

Die Bellizismuskritik geht dabei auf innerlinke Konfrontationen um den [[Zweiter Golfkrieg|Zweiten Golfkrieg]] von 1991 zurück, als damalige Linke wie [[Hans Magnus Enzensberger|Enzensberger]] und Dan Diner sowie der Publizist [[Hermann L. Gremliza|Gremliza]] sich für viele Linke überraschend für einen Krieg gegen den Irak aussprachen.

=== Relativierung der Geschichte ===

Kritisiert wird hier u.a. von Wolf Wetzel sowie Ulrich Enderwitz die Gleichsetzung der geschichtlichen Konstellation von 1945 auf heute. Die [[Siegermächte|Befreier von 1945]] könnten heute nicht die gleiche antifaschistische Position geltend machen. Hier wird den Antideutschen vorgeworfen, mit dieser Relativierung der Geschichte einen „''imperialistischen''“ Krieg gegen den Irak einerseits zu legitimieren und andererseits Widersprüche des postfaschistischen deutschen Subjekts auf ein Ersatzobjekt zu projizieren.

=== Affirmation des Kapitalismus ===

Für Gerhard Hanloser entwickelte sich die antideutsche Bewegung heute aus einer „''fehlgeschlagenen Selbstkritik''“ von „''oftmals nationalistischen und populistischen Linken''“ – insbesondere der [[K-Gruppe]]n - zu einem „''affirmative turn''“, der die „''herrschenden Verhältnisse''“ nicht mehr einer „''radikalen Kritik''“ unterziehe. Er umschreibt diese Haltung mit einem ironischen Motto „''Vereinzelt euch, seid stark, individualistisch und konsumistisch, damit auch ihr euch nicht zum deutschen Volksgenossen eignet''“. Ex-Bahamas Initiator Bernhard Schmidt stellt vor diesem Hintergrund einen [[Neoliberalismus|neoliberalen]] Rechtsruck bei der Bahamas fest.

Der Antisemitismusforscher Enderwitz sieht in aktuellen antideutschen Politikkonzepten den „''unternommenen Versuchs, unter dem Eindruck des weltweiten Bedrohungsszenariums Gesellschaftskritik durch die obsessive Bornierung auf Faschismus und Antisemitismus in eine Affirmation des Kapitalismus und seiner globalen, alias imperialistischen, Entfaltung umzufunktionieren''“.

Robert Kurz sieht die Grundlage der Affirmation der kapitalistischen Gesellschaft vor allem in der Denunziation jeglicher sozialer Bewegung insbesondere in Deutschland durch Etikettierung dieser Bewegungen als Volksbewegungen, was in „Hardcore“-antideutschen Kreisen als Synonym für völkische Bewegungen gebraucht wird so wie in der unrealistischen Forderung nach „''vermittlungsloser Feindschaft''“ zum Kapitalverhältnis. Hinzu kommt, dass Vertreter der Antideutschen häufig auch jeglichen linken Antikapitalismus als antisemitisch denunzieren.

=== Kritik am Kritikbegriff ===

Kritisiert wird von Ilse Bindseil, dass auch die Antideutschen ebenso wie der Mainstream sich letztlich nicht mit den Konsequenzen von [[KZ Auschwitz|Auschwitz]] für die deutsche Gesellschaft und für die eigene Biographie beschäftigten. Sie sieht im moralischen Sektierertum der Antideutschen die „''Suche nach Flucht in die Unschuld''“ der Nach-68er, die erkennen mussten, dass der Bruch mit der Generation sie nicht vor den Zuständen der „''Postfaschistischen Gesellschaft''“ schützt. Statt der Komplexität von Themen wie Auschwitz gerecht zu werden, bestehe, wie in der Gesamtgesellschaft auch, in diesem Teil der Gesellschaft der Hang zu unterkomplexen Reflexions- und Handlungsschemata, die letztlich vom Ausgangsproblem ablenkten und dieses nicht mehr transparent erscheinen ließen. „''Das Böse musste her, damit der Riss in der Biographie gekittet werden konnte''“ (Ilse Bindseil).
Hanloser bemängelt daran anknüpfend eine „''Kritische Kritik''“, wie Marx sie kritisierte, die eine „''Selbstbespiegelung vermeintlich kritischer Geister''“ darstelle. Kritik verkomme so als „''Habitus''“ und setze sich mit „''Denunziation''“ und „''Polemik''“ gleich.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Assoziation Antideutscher Kommunisten (Hrsg.): ''Antideutscher Katechismus.'' [[ça ira Verlag|ça ira]], Freiburg 2003, ISBN 3-924627-18-5 ([https://bgakasselblog.files.wordpress.com/2014/06/aak-antideutscher-katechismus.pdf PDF])

* Thomas Gehrig: [http://old.links-netz.de/K_texte/K_gehrig_materialismus.html ''Der Freiburger Materialismus. Eine Auseinandersetzung mit der Kritik der IsF am Arbeiterbewegungs-Marxismus''] auf ''links-netz.de'', 2003
=== Antideutsche Standardwerke ===
* [[Heinz Gess]]: ''[https://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/antideutsch.pdf Warum jeder Antifaschismus gegen die „deutsche Ideologie“, d. h. antideutsch, sein muss....]'' (PDF; 0,3&nbsp;MB), Juni 2004
* Joachim Bruhn: ''Was deutsch ist: Zur kritischen Theorie der Nation.'' ça ira, Freiburg 1994, ISBN 3-924627-38-X
* {{Literatur
* Matthias Küntzel: ''Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg''. ça ira, Freiburg 2002, ISBN 3-924627-06-1
|Autor=Patrick Hagen

|Titel=Die Antideutschen und die Debatte der Linken über Israel
=== Kritische Reflexionen Antideutscher Politik ===
|Sammelwerk=trend onlinezeitung
* Ulrich Enderwitz: ''Konsum, Terror und Gesellschaftskritik. Eine Tour d’horizon.'' Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-437-X
|Nummer=04/05
*Gerhard Hanloser (Hrsg.): ''„Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik.'' Unrast, Münster 2004, ISBN 3-89771-432-9
|Datum=2005
* Patrick Hagen: ''Die Antideutschen und deren Rezeption. Ein Blick auf die Debatte der Linken über Israel.'' [http://www.politik.uni-koeln.de/jaeger/downloads/hagen.pdf Magisterarbeit an der Universität Köln 2004]
|Kommentar=Wiedergabe der Magisterarbeit 2004
* Robert Kurz: ''Die antideutsche Ideologie. Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten.'' Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-426-4
|Online=[http://www.trend.infopartisan.net/trd0405/t030405.html Digitalisat] in [[Trend Onlinezeitung]]
* Wolf Wetzel: ''Antideutsche Kriegsführung. Ein Lehrgang für AnfängerInnen und Fortgeschrittene'' In: ''Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach ...'' Unrast, Münster 2002, ISBN 3-89771-419-1, [http://www.unrast-verlag.de/unrast,3,0,6.html Online-Fassung]
|Abruf=2023-02-07}}
* {{Literatur
|Autor=[[Gerhard Hanloser]]
|Titel=„Sie warn die Antideutschesten der deutsche Linken“: zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik
|Verlag=Unrast
|Ort=Münster
|Datum=2004
|ISBN=3-89771-432-9}}
* [[Bernhard Schmid (Autor)|Bernhard Schmid]]: ''Der Krieg und die Kritiker: Die Realität im Nahen Osten als Projektionsfläche für Antideutsche, Antiimperialisten, Antisemiten und andere'', Münster: Unrast Verlag, 2006, ISBN 978-3-89771-029-0
* Isabel Erdem: ''[https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/192Erdem.pdf Anti-deutsche Linke oder anti-linke Deutsche? Eine sachliche Betrachtung]'' (PDF), [[Luxemburg (Zeitschrift)|UTOPIE kreativ]], H. 192 (Oktober 2006), S. 926–939
* {{Literatur
|Autor=Simon Erlanger
|Titel="The Anti-Germans" — The Pro-Israel German Left
|Sammelwerk=Jewish Political Studies Review
|Band=21
|Nummer=1/2
|Datum=2009
|Seiten=95–106
|Online=[https://jcpa.org/article/the-anti-germans-the-pro-israel-german-left/]
|Abruf=2021-04-06}}
* {{Literatur
|Hrsg=[[Susann Witt-Stahl]], Michael Sommer
|Titel=„Antifa heißt Luftangriff!“: Regression einer revolutionären Bewegung
|Reihe=Laika Theorie
|BandReihe=44
|Verlag=Laika-Verlag
|Ort=Hamburg
|Datum=2014
|ISBN=978-3-944233-13-0}}
* Rudi Bigalke: ''Das antideutsche Spektrum zwischen realpolitischer Lobbyarbeit und Ideologiekritik – Die Kampagne „Stop the Bomb“''. In: [[Uwe Backes]], [[Alexander Gallus (Historiker)|Alexander Gallus]], [[Eckhard Jesse]] (Hrsg.): ''[[Jahrbuch Extremismus & Demokratie]]'', 27. Jahrgang (2015), Nomos, Baden-Baden 2015, ISBN 978-3-8487-2522-9, 137–153.
* {{Literatur
|Autor=Gerhard Hanloser
|Titel=Die andere Querfront: Skizzen des „antideutschen“ Betrugs
|Verlag=Unrast
|Ort=Münster
|Datum=2019
|ISBN=978-3-89771-273-7}}
* ''[https://adkr.noblogs.org/files/2023/12/radikalelinke-zionismus-broschuere-digital.pdf Zum historischen Verhältnis der radikalen Linken zum Zionismus]'' (PDF; 1,5&nbsp;MB), antifa désaccord Krefeld, Bündnis gegen Antisemitismus Köln, 2024


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Anti-Germans (political current)|Antideutsche}}
* Volker Radke: 2001 ''[https://www.copyriot.com/sinistra/reading/antideutsch.html Antideutsch für Einsteiger]'', auf der Webseite von Sinistra FFM
* M. Mohr, S. Haunss: [http://shaunss.files.wordpress.com/2012/11/mohr-and-haunss-2004-die-autonomen-und-die-anti-deutsche-frage.pdf ''Die Autonomen und die anti-deutsche Frage oder: »Deutschland muss …«''] (PDF; 263&nbsp;kB), in ''Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken'' (Hg.) [[Gerhard Hanloser]] Unrast-Verlag 1. Auflage, Oktober 2004, ISBN 3-89771-432-9
* [[Stephan Grigat (Politikwissenschaftler)|Stephan Grigat]]: [https://archive.ph/lmZnc ''Was heißt: antideutsch?''], in: [[Die Presse]], 18. Februar 2007
* Marxistische Aktion Tübingen: ''[https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2011/06/8570497524.pdf "Good bye, Lenin!" Vom "Abbruchunternehmen der Linken" ins rechte Lager: Eine Kritik "antideutscher" Ideologie und Praxis,]'' Tübingen 2011 [PDF; abgerufen am 4. Dezember 2023].
* [[Rudolf van Hüllen]]: ''[http://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/33626/antideutsche-und-antiimperialisten „Antiimperialistische“ und „antideutsche“ Strömungen im deutschen Linksextremismus.]'' In: ''Dossier Linksextremismus'' der [[Bundeszentrale für politische Bildung]] vom 5. Januar 2015
* {{Literatur
|Autor=Raphael Schlembach
|Titel=Towards a critique of anti-German ‘communism’
|Sammelwerk=a journal for and about social movements
|Band=2
|Nummer=2
|Datum=2010
|Seiten=199–219
|Online=http://www.interfacejournal.net/wordpress/wp-content/uploads/2010/12/Interface-2-2-pp.199-219-Schlembach.pdf
|Abruf=2021-04-06}}
* [[Phase 2]]: ''[https://www.phase-zwei.org/hefte/artikel/nach-den-antideutschen-120 Nach den Antideutschen Über die Vergänglichkeit des Gebrauchswerts der Geschichte für eine emanzipatorische Politik]''
* [[Julia Seeliger]]: ''[https://taz.de/Kolumne-Alles-Bio/!5100760/ Was ist antideutsch?]'', taz vom 14. Februar 2012
* [[GegenStandpunkt]]: [https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/antideutsche-antiterrorkrieg Wer ist der Antideutscheste im Land? „Konkret im Krieg“], 11. September 2024


=== Überblick ===
== Einzelnachweise ==
<references />

* [http://www.im.nrw.de/sch/414.htm Verfassungsschutzbericht NRW über Antideutsche]
* [http://www.politik.uni-koeln.de/jaeger/downloads/hagen.pdf Die Antideutschen und die Debatte der Linken über Israel]
* [http://volkerradke.looplab.org/sonderweg.html Antideutsch für Einsteiger ]

=== Publikationen ===

* [http://www.redaktion-bahamas.org/ ''Bahamas'' - Berliner Zeitschrift für das antideutsche Spektrum]
* [http://www.phase-zwei.org/ ''Phase 2 - Zeitschrift gegen die Realität'']
* [http://www.konkret-verlage.de/start.htm ''konkret'' - Politisches Monatsmagazin]
* [http://www.asayake.org/ Asayake Text Archive - Anti-German and Middle East-related texts (engl.)]


[[Kategorie:Politische Bewegung]]


[[Kategorie:Soziale Bewegung (Deutschland)]]
[[en:Anti-German (ideology)]]
[[Kategorie:Politische Ideologie]]
[[Kategorie:Antifaschistische Aktivitäten und Organisationen]]

Aktuelle Version vom 31. Mai 2025, 16:40 Uhr

Demonstranten in Frankfurt 2006 auf einer von antideutschen Gruppen organisierten Demo unter dem Motto Nieder mit Deutschland

Antideutsche Kritik (Selbstbezeichnung) ist eine politische Ausrichtung, die von Teilen der politischen Linken seit Anfang der 90er Jahre praktiziert wird. In der Zeit ist eine eigenständig politische Strömung in Deutschland und Österreich entstanden.[1] Akteure dieser Strömung wenden sich gegen den deutschen Nationalismus, der insbesondere im Zuge des Beitritts der DDR zur BRD (deutschen Wiedervereinigung) erstarkte („Baseballschlägerjahre“). Weitere antideutsche Positionen sind Solidarität mit Israel sowie Gegnerschaft zu Antizionismus, Antisemitismus, Antiamerikanismus als auch bestimmten („regressiven“) Formen des Antikapitalismus und Antiimperialismus. Diese führten und führen zu Kontroversen innerhalb des linken Spektrums.

Begriffsgeschichte

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Markus Mohr und Sebastian Haunss führen die Geschichte des Begriffs „antideutsch“ auf „mehr oder minder explizit antideutsch motivierte Ideen und Gedanken“ zurück. So habe 1844 Karl Marx in seiner Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie den „Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings!“ gefordert. Antideutsche Ideen habe auch Sebastian Haffner in den 1930er Jahren in seinen Büchern Germany: Jekyll & Hyde und Geschichte eines Deutschen entwickelt. Der britische Diplomat Robert Vansittart habe während des Zweiten Weltkrieges allen Deutschen eine „pathologische Aggressivität“ unterstellt und sie als „die Störenfriede der Zivilisation seit Tacitus“ bezeichnet.[2]

In der Neuen Linken taucht erstmals auf der Titelseite des linksradikalen Untergrundblattes 883 aus West-Berlin in der 27. Ausgabe vom 14. August 1969 die Formulierung „Anti-deutsche Agitation“ auf. Es „scheint dieser Begriff offenbar von der militant-antikommunistisch eingestellten Frontstadtbevölkerung den protestwilligen Studenten entgegen gehalten worden zu sein“, so Mohr und Haunss.[2]

Der Begriff Antideutsche war bis 1989 noch eine ziemlich diffuse Fremdbezeichnung für die innerdeutsche antipatriotische Bewegung wie auch für die Politik der Anti-Hitler-Koalition gegenüber dem NS-Staat im Zweiten Weltkrieg. Vor dem Hintergrund des Zweiten Golfkrieges 1991, bei dem es auf Antikriegsdemonstrationen laut Bundesinnenministerium auch zu Sympathieäußerungen für das Regime Saddam Husseins gekommen war, solidarisierten sich insbesondere die Zeitschrift konkret, deren Herausgeber Hermann L. Gremliza und Teile des zerfallenden Kommunistischen Bundes (KB) bedingungslos mit dem Staat Israel.[3][4] Seine heutige Prägung erfuhr der Begriff erst später. 1990 verfasste Jürgen Elsässer einen programmatischen Artikel Warum die Linke antideutsch sein muß. Zudem gab es das bundesweite zentrale Bündnis Radikale Linke mit der Parole „Nie wieder Deutschland“ und in dem Kontext zwei Großdemonstrationen, eine zuerst in Frankfurt am Main am 12. Mai 1990 und danach die Demonstration am 3. November 1990 in Berlin mit unter dem Titel „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. In der Folgezeit entstanden unter anderem aus dem Spektrum des ehemaligen Kommunistischen Bundes mit seiner Monatszeitung Arbeiterkampf durch Abspaltung die Monats-Magazine 17°C und die Bahamas rund um Justus Wertmüller. Während die 17°C nicht lange existierte, wurde von der Bahamas und ihren Anhängern „anti-deutsch“ als Selbstbezeichnung einer spezifischen politischen Strömung geprägt. Im Vorfeld der Bahamas-Konferenz 2009 wurde dann eine Distanzierung von der selbstgewählten Zuschreibung vollzogen und ein Abschied von den „abgehangenen Attributen“ kommunistisch, israelsolidarisch sowie antideutsch verkündet[5] und die Begrifflichkeit „ideologiekritisch“ als neuer zentraler Bezugspunkt eingeführt. Ebenso distanzierten sie sich vehement von den ehemals vertretenen Positionen.

Der Kosovokrieg, den die rot-grüne Bundesregierung mit der deutschen Vergangenheit legitimierte, führte 1999 zu Kontroversen in der politischen Linken: Die Mehrheit der radikalen Linken, aber auch etablierte Linksliberale stellten sich auf die Seite Serbiens und gegen die Intervention der NATO, sehr wenige „Antiimperialisten“ solidarisierten sich mit der UÇK, einige autonome und „antinationale“ Linke wandten sich in abstrakter Weise sowohl gegen die NATO-Intervention als auch gegen den serbischen Krieg und Nationalismus. Die pro-serbische Position vereinte auch die ansonsten feindseligen „Antideutschen“ und „Antiimperialisten“.[1]

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 kam es bundesweit zu Demonstrationen pro-palästinensischer Linker und Angriffe auf Projekte wie die Rote Flora, denen aufgrund einer Positionierung gegen Antisemitismus ein „antideutscher Grundkonsens“ unterstellt wurde.[6][7][8][9]

Nach dem Russischen Überfall auf die Ukraine von 2022 wandte sich die konkret, das älteste Medium des antideutschen Spektrums, von seinem bisher in der Außenpolitik verfolgten eher pro-westlichen Kurs ab und titelte kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine mit einer antiimperialistischen „Nato-Aggression gegen Russland“. Dies führte dazu, dass 30 Autoren des Blattes erklärten, nicht mehr für die konkret schreiben zu wollen.[10][11]

Kritik aus anderen linken Strömungen

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Im Kern wird den Antideutschen eine „Rückkehr in die bürgerliche Wertegemeinschaft“ unter Aufgabe linker „Essentials“ vorgeworfen.

Gerhard Hanloser bemängelte im von ihm herausgegebenen Sammelband Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken, hieran anknüpfend, eine „Kritische Kritik“, wie Karl Marx sie in Bezug auf Bruno Bauer als bloß theoretisierende, nicht aber praktische Kritik bekämpfte. Diese „Kritische Kritik“ sei letztlich, so Hanloser, nur eine „Selbstbespiegelung vermeintlich kritischer Geister“. Kritik verkomme so zum „Habitus“ und setze sich mit „Denunziation“ und „Polemik“ gleich, was sich auch im oft unsachlichen Stil antideutscher Publikationen widerspiegele.[12] Ilse Bindseil kritisiert in einem im gleichen Sammelband erschienenen Beitrag, dass die Antideutschen sich letztlich nicht mit den Konsequenzen von Auschwitz für die deutsche Gesellschaft und für die eigene Biografie beschäftigten. Sie wirft den Antideutschen moralisches Sektierertum vor und sieht dessen Ursache in einer „Suche nach Flucht in die Unschuld“ der Nach-68er, die erkennen mussten, dass der Bruch mit der Nazi-Generation sie nicht vor den Zuständen der „postfaschistischen Gesellschaft“ schütze. Statt der Komplexität von Themen wie Auschwitz gerecht zu werden, bestehe in diesem Teil der Gesellschaft der Hang zu unterkomplexen Reflexions- und Handlungsschemata, die letztlich vom Ausgangsproblem ablenkten und dieses nicht mehr transparent erscheinen ließen. „Das Böse musste her, damit der Riss in der Biografie gekittet werden konnte.“[13]

Einschätzung durch Behörden

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Demonstration mit Israelflagge, 2013

Der Verfassungsschutzbericht des Bundes von 2006 stellte die Antideutschen aufgrund unterschiedlicher ideologischer Ausprägungen nicht als einheitlichen Block dar. Als Gemeinsamkeit nannte er das Bekenntnis zu „bedingungslose[r] Solidarität mit der Politik Israels und dem jüdischen Volk“. Dies schließe die „Befürwortung aller Maßnahmen ein, die geeignet erscheinen, den Bestand des Staates Israel als einzigen Schutzraum der Holocaustüberlebenden zu sichern. Da die USA als einziger ‚ehrlicher‘ Verbündeter Israels gesehen würden, wendeten sich Teile der Antideutschen gegen jede Form des Antiamerikanismus.“[14] Der Verfassungsschutzbericht 2008 sah den Höhepunkt des antideutschen Einflusses auf den „traditionellen Linksextremismus“ inzwischen überschritten; ihm werde in der Szene kaum noch Aufmerksamkeit entgegengebracht.[15] Im Bericht des Folgejahres wurden Antideutsche nicht mehr erwähnt.[16]

Nach einem von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichten Aufsatz des Politikwissenschaftlers Rudolf van Hüllens aus dem Jahr 2015 verdiene die offensichtliche Bewusstwerdung des rassistisch-antisemitischen Charakters des Nationalsozialismus bei den Antideutschen Anerkennung, denn die Ausblendung des Antisemitismus stelle eine der gravierendsten ideologischen Fehlleistungen des Antifaschismus dar. Zugleich würden sich die Antideutschen – „vermutlich unwissentlich“ – auf die Trennlinie zubewegen, die demokratisches Engagement für Entwicklungsländer und gegen Rechtsextremismus wie auch Antisemitismus bisher von ihren linksextremistischen Verzerrungen „Antiimperialismus“ und „Antifaschismus“ geschieden habe. Dabei seien Ablösungsprozesse von totalitären Ideologien des Marxismus-Leninismus in Gang gekommen. Allerdings sei die undifferenzierte Assoziation des Islam mit islamistischer Gewalt gegenaufklärerisch und geeignet, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu fördern. Das gelte auch für die Suggestion, die Deutschen seien aufgrund historischer, kultureller kollektiver mentaler Prägungen in besonderem Maße für extremistische Gewalt gegenüber anderen prädestiniert.[4]

Medien des antideutschen Spektrums

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Commons: Antideutsche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Wie vor 20 Jahren der Kosovo-Krieg die Linken und die Grünen entzweite, Thomas Schmidinger, Der Standard, 23. Mai 2019
  2. a b Markus Mohr, Sebastian Haunss: Die Autonomen und die anti-deutsche Frage oder: »Deutschland muss …«. In: Gerhard Hanloser (Hrsg.): „Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik. Unrast Verlag, Münster 2004, S. 65f.
  3. Stefan Kestler: Antisemitismus und das linksextremistische Spektrum in Deutschland nach 1945 (erschienen in: Neuer Antisemitismus? Judenfeindschaft im politischen Extremismus und im öffentlichen Diskurs). Bundesministerium des Innern, 2005, S. 94.
  4. a b Rudolf van Hüllen: "Antiimperialistische" und "antideutsche" Strömungen im deutschen Linksextremismus | bpb. Abgerufen am 11. Juli 2020.
  5. Justus Wertmüller: Ideologiekritisch und sonst nichts. In: Bahamas. Band 57, 2009 (archivierte Online-Version).
  6. Katharina Schipkowski: Nahost-Konflikt in der linken Szene, taz.de, 4. Juli 2024
  7. Madlen Haarbach: Bewohner positionierten sich gegen Antisemitismus: Pro-Palästina-Szene attackiert linkes Hausprojekt in Berlin, tagesspiegel.de, 3. Juli 2024
  8. Ian: Graffiti an Linxxnet in Connewitz gesprüht, Leipziger Volkszeitung, 18. Dezember 2023
  9. Madlen Haarbach: Mit roten Dreiecken der Hamas markiert: Neuköllner Kneipe „Bajszel“ erneut antisemitisch angegriffen, tagesspiegel.de, 23. Mai 2024
  10. Magnus Klaue: Warum die Linke den Ukraine-Konflikt nicht versteht. In: Die Welt. 15. März 2022, abgerufen am 18. Juni 2024.
  11. Ruth Lang Fuentes: Grenzen ziehen. In: taz. 17. Juli 2022, abgerufen am 18. Juni 2024.
  12. Gerhard Hanloser (Hrsg.): „Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik, S. 8.
  13. Ilse Bindseil: Sektiererische Reflexion und korrektes Denken. Versuch einer philosophischen Identifikation (PDF; 119 kB)
  14. Verfassungsschutzbericht 2006. (PDF; 7,3 MB) Bundesministerium des Innern, S. 164 ff., archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. August 2009; abgerufen am 18. September 2017.
  15. Verfassungsschutzbericht 2008. (PDF; 4,9 MB) Bundesministerium des Innern, S. 157, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Oktober 2009; abgerufen am 18. September 2017.
  16. Verfassungsschutzbericht 2009. (PDF; 4,3 MB) Bundesministerium des Innern, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Juli 2010; abgerufen am 18. September 2017.
  17. https://bonjourtristesse.wordpress.com/
  18. Saba-Nur Cheema: Antisemitismus: Die deutsche Debatte ist von Obsessionen geprägt. In: Die Zeit. 14. Juni 2022, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 27. November 2023]).
  19. Meron Mendel: Über Israel reden: Eine deutsche Debatte. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023, S. 146.