„Geschichte Polens“ – Versionsunterschied
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[[Datei:Herb Polski.svg|mini|hochkant|Heutiges Wappen der Republik Polen]] |
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Dieser Artikel behandelt die '''Geschichte Polens''' von der Urzeit bis heute. |
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[[Datei:Polen - historische Regionen.png|mini|hochkant=1.2|Aspekte der territorialen Entwicklung]] |
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Die '''Geschichte Polens''' umfasst die Entwicklung auf dem Gebiet der [[Polen|Republik Polen]] und der historischen polnischen Reiche von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Die – ungeschriebene – [[Vorgeschichte Polens]] umfasst zahlreiche [[Slawen|slawische]] Stämme, Burgen, Siedlungen und Grabstellen. Eine genaue [[Ethnie|ethnische]] Zuordnung ist unsicher.<ref>[[Manfred Alexander]]: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 17 f.</ref> Die heutige Unwissenheit über Polens Ursprünge ist Folge der Quellenarmut des 10. Jahrhunderts, das in der historischen Forschung als „[[Dunkle Jahrhunderte (Mittelalter)|dunkles Jahrhundert]]“ bezeichnet wird.<ref>Gerhard Lubich: ''Das Mittelalter.'' Paderborn 2010, ISBN 978-3-506-76582-6, S. 84.</ref> |
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== Vor- und Frühgeschichte == |
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Die – geschriebene – Geschichte Polens beginnt im Jahr 963, in dem der polnische Herzog [[Mieszko I|Mieszko]], {{laS|Misaca}} († 992), durch [[Widukind von Corvey]] in einer lateinischen Chronik als fähiger Herrscher erwähnt wird.<ref>[[Manfred Alexander]]: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 16.</ref> Mieszkos ''freiwillige'' Annahme des Christentums, durch die Taufe 966, führte zur [[Christianisierung Polens]] und schützte das Land vor Fremdmissionierung. Aus seinem Herzogtum, zu dem angeblich ein Stamm der [[Polanen]] gehörte,<ref>[[Johannes Fried]]: ''Gnesen, Aachen, Rom. Otto III. und der Kult des hl. Adalbert. Beobachtungen zum älteren Adalbertsleben.'' In: [[Michael Borgolte]]: ''Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Die Berliner Tagung über den „Akt von Gnesen“.'' Akademie Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003749-0 (''Europa im Mittelalter'' 5), S. 235–279, [[Sebastian Brather]]: ''Völker, Stämme und gentes im RGA. Archäologische Interpretationen und ethnische Identitäten.'' In: Heinrich Beck, [[Dieter Geuenich]], Heiko Steuer (Hrsg.): ''Altertumskunde – Altertumswissenschaft – Kulturwissenschaft: Erträge und Perspektiven nach 40 Jahren Reallexikon der Germanischen Altertumskunde.'' De Gruyter, Berlin, Boston 2012, ISBN 978-3-11-027360-1, S. 414 sowie [[Eduard Mühle]]: ''Die Piasten. Polen im Mittelalter.'' (= C.H. Beck Wissen 2709). Verlag C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61137-7, S. 14 f. halten die Existenz eines polanischen Stammes für sehr zweifelhaft. Brather, der sich auf die aktuelle polnische Forschung beruft, spricht von einer Erfindung.</ref> ging das durch Kaiser und Papst anerkannte und gegen Ende der Epoche der [[Piasten]] (960–1386) fest etablierte [[Königreich Polen]] hervor. |
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[[Image:Biskupin gate.jpg|thumb|left|225px|Die Stadt [[Biskupin]] zur Zeit der [[Lausitzer Kultur]] in Polen]] |
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===Neolithikum=== |
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Die [[Römisch-katholische Kirche in Polen|polnische Kirche]] entwickelte sich unabhängig von der [[Ottonisch-salisches Reichskirchensystem|Reichskirche]] und stand in direkter Verbindung zur [[Römische Kurie|Römischen Kurie]]. Der britische Historiker [[Norman Davies]] bezeichnete die offizielle Annahme des Christentums als „das bedeutendste Ereignis der polnischen Geschichte“.<ref>[[Norman Davies]]: ''Geschichte Polens.'' München 2006 (4. Auflage), S. 263. In seinem Werk ''Heart of Europe. A Short History of Poland'' (1984) schrieb er (S. 255): ''Mieszkos baptism in ad 965 was the first step in the formation of the single most important element in modern Polish culture.'' ISBN 978-0-19-873060-6.</ref><ref>[[Manfred Alexander]]: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 25.</ref> |
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Die erste Besiedlung Polens ist im [[Paläolithikum]] nachgewiesen. |
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Die ersten Ackerbauern in Polen gehörten zur [[Bandkeramik|Bandkeramischen Kultur]], seit etwa |
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[[6. Jahrtausend v. Chr.|5500 v. Christus]]. Die Tiefebene wurde erst in der [[Trichterbecherkultur]] neolithisiert. |
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Seit dem [[Spätmittelalter]] bis in die [[Neuzeit]] bestand durch eine [[Personalunion#Beispiele|Personalunion]] eine dynastische Verbindung mit [[Geschichte Litauens|Litauen]]. Ab 1386 brachte die Union mit dem [[Großfürstentum Litauen]] unter dem von dort stammenden Herrschergeschlecht der [[Jagiellonen]] (1386–1572) den Aufstieg zu einer europäischen Großmacht, deren [[Staatsgebiet]] ''od morza do morza'' („von Meer zu Meer“), von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, reichte. |
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===Bronzezeit=== |
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Ab 1569 wurde die Union Polens mit Litauen in einem [[Polen-Litauen|gemeinsamen Staat]] gefestigt. Die von 1572 bis 1795 bestehende [[Rzeczpospolita|Adelsrepublik]] manifestierte sich als [[Wahlmonarchie]]. Im 16. und 17. Jahrhundert entstand dort eine hohe parlamentarische Kultur mit umfangreichen Adelsrechten. Dies führte zu einer starken Identifikation des Adels, des [[Magnat]]s (Hochadel) und der [[Szlachta]] (Landadel), mit dem Land. Die sich verstärkenden strukturellen Missstände, bedingt durch zahlreiche Kriege mit Nachbarstaaten, Bürgerkriege und Aufstände der [[Ukrainer|ukrainischen]] [[Kosaken]], der Unwille zur Reform bei den Verantwortungsträgern, dazu Egoismen bei mehreren Wahlkönigen und im Adel, führten zur Schwächung des polnischen Staates. Die [[Diplomatie|diplomatische]] und [[militär]]ische Einmischung der Nachbarstaaten, des [[Russisches Kaiserreich|Kaiserreichs Russland]], [[Königreich Preußen|Preußens]] und der [[Habsburgermonarchie]], bewirkte schließlich den vollständigen Zusammenbruch des Staates durch [[Teilungen Polens|drei Teilungen]] in den Jahren 1772, 1793 und 1795. |
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Die Kulturen der frühen Bronzezeit entwickelten sich aus der "Kugelamphorenkultur" und der "Schnurkeramik". Die wichtigste Kultur der [[Bronzezeit]] und der frühen [[Eisenzeit]] war die [[Lausitzer Kultur]]. Die Siedlung [[Biskupin]] wurde seit den [[1920]]ern ausgegraben und die Rekonstruktion einer befestigten Siedlung der Lausitzer Kultur zieht heute zahlreiche Besucher an. |
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Dadurch verschwand Polen von 1795 bis 1918 als souveräner Staat von der Landkarte Europas. Kennzeichen der Teilungszeit sind niedergeschlagene Aufstände – in den Jahren [[Polnischer Aufstand 1830|1830]], [[Großpolnischer Aufstand (1848)|1848]] und [[Polnischer Aufstand 1863|1863]] – und sehr unterschiedliche Entwicklungen in den drei Teilungsgebieten. Die polnische Kultur überlebte diese Zeit trotz fremdstaatlicher Unterdrückung und der eigenen Staatenlosigkeit.<ref>Norman Davies: ''Geschichte Polens.'' München 2006, S. 238 ff.</ref> |
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[[Bild:Hunnen.jpg|thumb|right|225px|Große Verwerfungen in [[Europa]] durch den Einfall der [[Hunnen]] in [[375]], Großmacht unter König [[Attila]] um [[450]] ]] |
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===Eisenzeit und Antike=== |
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Nach der staatlichen „Wiedergeburt“ als [[Zweite Polnische Republik|Zweite Republik]] nach Ende des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] im Jahr 1918 war die polnische Geschichte durch eine mühsame staatliche Reorganisation und mehrere militärische Konflikte mit nahezu allen Nachbarstaaten gekennzeichnet. Die beiden Diktatoren [[Adolf Hitler|Hitler]] und [[Josef Stalin|Stalin]] vereinbarten im Zusatzprotokoll des Ende August 1939 geschlossenen [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes]] die erneute Aufteilung Polens. Auf den [[Überfall auf Polen]] der [[Wehrmacht]], den Beginn des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]], und die [[Sowjetische Besetzung Ostpolens|sowjetische Invasion Ostpolens]] folgten Jahre [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|der deutschen]] und [[Sowjetische Besetzung Ostpolens|der sowjetischen Besetzung]]. Im Zweiten Weltkrieg starben etwa sechs Millionen Polen. Nach der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht]] wurde das nach Westen verschobene Polen unter massivem sowjetischem Einfluss [[Volksrepublik Polen|eine Volksrepublik]] und Teil des [[Ostblock]]s und ein (für die Sowjetunion nicht immer bequemer<ref>Manfred Alexander: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 342.</ref>) [[Satellitenstaat]]. Die [[Revolutionen im Jahr 1989]] machten den Weg frei für die [[Dritte Polnische Republik|Dritte Republik]]; diese wurde 1997 Mitglied der [[NATO]] und 2004 der [[Europäische Union|Europäischen Union]]. |
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Zwischen [[1000 v. Chr.|1000]] und [[750 v. Chr.]] wanderten in den Nordwesten des heutigen Polen [[Germanen|germanische Stämme]] ein, die sich um [[500 v. Chr.]] etwa bis zur Grenze des Riesengebirges nach Süden ausbreiteten. [[Publius Cornelius Tacitus]] bezeichnete um [[75]] die [[Weichsel]] als Ostgrenze des [[Germanen|germanischen]] Siedlungsgebietes. Er lokalisierte die [[Rugier]] und [[Gepiden]] entlang der [[Ostsee]], [[Burgunder]] und [[Goten]] auf mittlerer Höhe, sowie die [[Vandalen]] und [[Bastarnen]] im Süden. Die Goten begannen seit Ende des [[2. Jahrhundert]]s in Richtung Süden und Osten zu wandern. Im [[5. Jahrhundert]] endete die germanische Besiedelung. Ob und inwieweit dies mit dem großen Vorstoß der [[Hunnen]] nach [[Gallien]] im Jahre [[451]] zusammenhängt, ist historisch umstritten. |
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Von 2004 bis 2023 entwickelte sich Polens Wirtschaft bemerkenswert. Nach dem EU-Beitritt 2004 erlebte das Land ein starkes Wirtschaftswachstum, getrieben durch Investitionen, Exporte und EU-Fördermittel. Das BIP pro Kopf stieg deutlich an, die Arbeitslosigkeit sank. Polen überstand die globale [[Weltfinanzkrise 2007–2008|Finanzkrise]] 2008 relativ gut und war das einzige EU-Land ohne [[Rezession]]. Die Wirtschaft diversifizierte sich, mit wachsenden Dienstleistungs- und Technologiesektoren. Das starke Wirtschaftswachstum und die sinkende Arbeitslosigkeit führten zu einem allgemeinen Anstieg des [[Lebensstandard]]s und einer Vergrößerung der Mittelschicht. Viele Polen profitierten von höheren Löhnen und besseren Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere in den wachsenden Dienstleistungs- und Technologiesektoren. |
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===Spätantike und Frühmittelalter=== |
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2023 konnte in den Parlamentswahlen die liberal-konservative Bürgerkoalition unter Führung von [[Donald Tusk]] die Mehrheit erringen. Die neue Regierung Tusk initiierte Reformen zur Stärkung der Unabhängigkeit der [[Justiz]] und setzte sich für die Wiederherstellung der [[Rechtsstaat]]lichkeit ein. Dies führte zu einer Verbesserung der Beziehungen zur EU und der Freigabe von 137 Milliarden Euro an EU-Mitteln. Polen wendet sich damit von der autoritären Politik der vorherigen PiS-Regierung ab und strebt nach einer stärkeren Integration in die [[Europäische Union|EU]] unter Tusk. |
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[[Bild:Wanderung.jpg|thumb|left|225px|[[Hunnen]]einbruch und die Züge der [[Ostgermanen]], die Zeit der [[Völkerwanderung]] um [[375]] bis [[568]] ]] |
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Erst danach begannen [[Slawen|slawische Stämme]], wahrscheinlich auf Druck der [[Awaren]], um [[550]] von Osteuropa kommend, sich in den fast menschenleeren Gebieten anzusiedeln. Wie einst seit [[375]] die Hunnen, hatten im [[6. Jahrhundert|6.]] und [[7. Jahrhundert]] die Awaren die Völker in Bewegung gesetzt und die politische Karte Europas verändert. Sie rissen die Slawen aus ihrer Heimat zwischen [[Karpaten]] und [[Don]] nach Westen und Süden mit sich fort und setzten sich, nachdem sie im Verbund mit den [[Langobarden]] das [[Gepiden]]reich im heutigen [[Rumänien]] [[567]] vernichtet hatten, gleich den Hunnen in der [[Donau]]-, [[Theiß|Theiß-Ebene]] fest, von wo aus sie den Rest Europas bedrohten. Im Westen waren es vor allem die Reiche der Langobarden und der [[Fränkisches Reich|Franken]] und im Südosten das mächtige [[Byzantinisches Reich|Oströmische Reich]] (''Belagerung [[Konstantinopel]]s [[626]]'') . |
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== Vor- und Frühgeschichte == |
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Die [[Westslawen]] hatten um [[600]] die [[Elbe]]-[[Saale]]-[[Linie]] überschritten. Es werden diverse westslawische Stämme erwähnt, wie die [[Abodriten (Volk)|Abodrites]], [[Wilzen|Veleti]], [[Liutizen|Liutici]], [[Sorben]], wie auch der Stamm, aus dem sich die späteren Polen entwickeln sollten, die [[Polanen]]. In der althistorischen Forschung wird diskutiert, ob die slawischen Stämme zwischen der [[Weichsel]] und Elbe-Saale-Linie auf germanische Restbevölkerung trafen und wie ein möglicher erster Siedlungskontakt verlief. Der Umstand, dass Flussnamen wie z. B. Weichsel vermutlich germanischen Ursprungs sind, wird als Indiz gedeutet, dass Slawen Sprechkontakt mit verbliebenen germanischen Bewohnern hatten. |
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[[Datei:Biskupin - gate and wall.jpg|mini|Die Siedlung [[Biskupin (prähistorisches Dorf)|Biskupin]], eine Siedlung der [[Lausitzer Kultur]]]] |
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{{Hauptartikel|Vorgeschichte Polens}} |
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Zahlreiche prähistorische Funde, die ältesten aus der [[Steinzeit]] im Gebiet des heutigen [[Südpolen]], bezeugen mit Befestigungen, Siedlungen und Grabstellen verschiedene Kulturepochen und die Besiedlung des heutigen polnischen Staatsgebietes. Die Zuordnung der Funde zu einem geschlossenen Siedlungsbereich der [[Polen (Ethnie)|Polen]] ist nicht eindeutig. Wanderungsbewegungen verschiedenster Völker durch das Gebiet des heutigen Landes bewirkten eine große ethnische Vielfalt, in historischer Zeit eines der Kennzeichen der Bevölkerung Polens.<ref>Norman Davies: ''Geschichte Polens.'' München 2006, S. 256.</ref> Der britische Historiker [[Norman Davies]] bemerkt, die Vorgeschichte werde oft so gedeutet, dass aus ihr ein „ausschließlicher Besitzanspruch“ für ein Gebiet zugunsten nur einer ethnischen Gruppe abgeleitet wird, so etwa mit dem Gebiet zwischen [[Oder]] und [[Westlicher Bug|Bug]]; die „[[Autochthone Schule]]“ in Polen deutet das Gebiet als „feststehende und alleinige Heimat der Urslawen“ (''Prasłowianie''). Die nationale preußische Geschichtsschreibung hingegen machte das Gebiet zur Urheimat der Frühostgermanen. Tatsächlich liegt der langwierige Prozess, der dem slawischen, polnischsprachigen Element innerhalb der Gesamtbevölkerung eine Vorrangstellung verschaffte, im Dunkeln.<ref>Norman Davies: ''Geschichte Polens.'' München 2006, S. 257.</ref> |
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[[Bild:Cyryl i Metody.jpg|thumb|right|190px|Die Slawenapostel [[Kyrill von Saloniki|Kyrill]] und [[Method von Saloniki|Methodius]] schufen die kulturelle Basis zur Entwicklung [[autark]]er slawischer Staaten ]] |
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Die ersten Versuche einer Staatenbildung unter den Westslawen fanden südlich des heutigen Polen auf dem Gebiet [[Tschechien]]s und der [[Slowakei]] statt. Um [[626]] wurde im Kampf gegen das Awaren- und Frankenreich der erste slawische Staat gegründet, das [[Samo| Reich des Samo]]. Im Kampf gegen die Franken und nach der fehlgeschlagenen Belagerung der [[Wogastisburg]] durch den Frankenkönig [[Dagobert I.]], schloß sich [[Derwan]], Herzog der Sorben (''Dervanus dux gente Surborium que ... ad regnum Francorum iam olem aspecserant''), Samo an. Er war der erste historisch fassbare Herrscher der Nordwestslawen, über den die Quellen zu [[632]] berichten. Nach dem wahrscheinlichen Auseinanderbrechen des Samo-Reiches gegen [[660]] verlieren sich jedoch die Spuren, da bis [[800]], der Zeit [[Karl der Große|Karls des Großen]], kaum schriftliche Quellen über die [[Westslawen]] verfügbar sind. Die schriftlichen Quellen setzen erst am Ende des [[8. Jahrhundert]]s ein, im Zusammenhang mit dem Kampf der [[Franken (Volk)|Franken]] gegen die Awaren zwischen [[791]] - [[803]]. Um [[805]] wurde zur Sicherung der nördlichen Ostgrenze der [[Limes Sorabicus]] an der Elbe, die [[Sorben|sorbische Grenzmark]] errichtet. In den [[Sachsenkriege (Karl der Große)| Sachsenkriegen]] [[772]] - [[804]] unterwarf Karl der Große die heidnisch gebliebenen [[Sachsen]] (''Heimatgebiet war das heutige Niedersachsen und Westfalen'') und gab den östlichen Teil Sachsens den slawisch-heidnischen [[Polaben]] (''siehe auch [[Wendland]]''), welche mit ihm im Kampf gegen die Sachsen verbündet waren, zur Besiedlung frei. In den von Karl eroberten ehemaligen awarischen Gebieten (''[[Pannonien|Pannonische Marken]]'') entstanden lose dem Frankenreich angehörende slawische Fürstentümer. Bedeutende Rollen spielten vor allem das Mährische und das Nitraer Fürstentum, aus denen sich das spätere [[Großmährisches Reich|Reich der Großmährer]] um [[830]] herausbilden sollte. Unter [[Sventopluk]] gegen Ende des [[9. Jahrhundert]]s erreichte dieses Reich seine größte Ausdehnung und dehnte sich auch auf die Gebiete des heutigen Polens [[Schlesien]] und [[Kleinpolen]] aus. Auch war [[Böhmen]] ein Teil dieses Reiches. Nach dem Zusammenbruch der Großmährer um [[900]] stand dann Böhmen bis [[973]] unter dem kirchlichen Einfluß des [[Ostfrankenreich|ostfränkischen]] Bistums in [[Bistum Regensburg|Regensburg]]. Nach der Gründung des einheimischen Bistums [[Prag]] wurde es der kirchlichen Administration des [[Bistum Mainz|Erzbistums Mainz]] unterstellt. |
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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Einschränkungen ist anzunehmen, dass sich einige slawische Stämme aus dem [[Dnjestr]]- und [[Pripjetsümpfe|Pripjet]]-Gebiet zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert im Gebiet zwischen Oder, [[Weichsel]] und [[Ostsee]] ansiedelten. Ihre Wanderung wurde durch den [[Hunnensturm]] zu Beginn der germanischen [[Völkerwanderung]] ausgelöst.<ref>Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' [[Friedrich Pustet KG|Verlag Pustet]], Regensburg 1996, ISBN 3-7917-1521-6, S. 14.</ref> |
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[[Image:Gardiner814.jpg|thumb|left|225px| Europa um [[800]] zur Zeit der vier Mächte, [[Emirat von Córdoba]] und [[Frankenreich]] im Westen, [[Ostrom]] und das [[Chasaren|Chasaren-Reich]] im Osten]] |
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Die direkte Grenze mit christlichen [[Mährer]]n forcierte die politische Vereinigung [[Polanen|polanischer Kräfte]] in der Hand einer Zentralgewalt. Das Reich der Polanen wurde nach großmährischem Muster aufgebaut. Im [[9. Jahrhundert]] berichtete ein [[Bayerischer Geograph]] erstmalig über die slawischen Stammesstrukturen im heutigen Polen. Der Slawenapostel [[Methodius]] sprach von einem mächtigen Staat der [[Wislanen]], der bereits nach slawisch-griechischem Ritus christianisiert gewesen sein soll. Der weitere Weg zu einer eigenständigen staatlichen Entwicklung wurde aber wahrscheinlich durch [[Magyaren|ungarische Raubzüge]] zu Beginn des [[10. Jahrhundert]]s unterbunden. Unter ihrem Fürst [[Arpad]] drangen die Magyaren nach [[Mitteleuropa]] vor und wüteten dort länger als ein halbes Jahrhundert. Erst deren vernichtende Niederlage, die sie [[955]] in der [[Schlacht auf dem Lechfeld]] bei [[Augsburg]] gegen den deutschen König [[Otto I. (HRR)|Otto I.]] hinnehmen mussten und die zum vollständigen Rückzug ins ungarische Stammland führte, öffnete den Weg zur Konsolidierung des Staatsgefüges unter den ersten [[Piasten]]. |
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== Herrschaftsbildung der Polanen == |
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Die Zeit war günstig dazu, denn auch die deutschen Könige und Kaiser machten keine Anstalten, ihr eigenes Reich gen Osten auszuweiten (''siehe [[Deutsche Ostsiedlung]]''). Es wurden in [[Karolinger|karolingischer]] Tradition [[Grenzmark]]en errichtet, die anfangs dem Schutz des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] vor den heidnischen Slawen dienen sollten. Die deutschen Könige schickten sich an, auch Könige der [[Langobarden]] im alten römischen Kernland [[Italien]] zu werden (''siehe auch [[Lombardei]], Land der Langobarden'') - eine Voraussetzung, um die Kaiserwürde zu erhalten und damit die [[Lehnswesen|Führungsrolle]] und das [[Primat]] in der [[abendland|abendländischen]] [[Christenheit]]. |
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[[Datei:Plemiona polskie.png|mini|Die slawischen Stämme, die während der Herrschaft von Herzog Mieszko vereinigt wurden, darunter fallen die [[Polanen]], [[Wislanen]], [[Schlesier]], [[Masowier]], [[Pomoranen]] und die [[Lendizen]] (polnische Karte)]] |
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Der fassbare Beginn der polnischen Geschichte fällt ins 10. Jahrhundert. Zwischen 880 und 960 wuchsen verschiedene [[Westslawen|westslawische Stämme]] zwischen Oder und Weichsel zu einem Staatsgebilde zusammen. Die bedeutendsten dieser Stämme waren die [[Opolanen]], die [[Slenzanen]], die [[Masowier]] und die [[Wislanen]]. Ein weiterer Stamm, die [[Polanen]] (''polanie'', „Feldbewohner“<ref>''[[Der Große Ploetz]].'' S. 604. Belegt ist der Name erst ab 1015 in den „[[Hildesheimer Annalen]]“.</ref>), soll ein dauerhaftes Staatswesen errichtet haben, das als Herzogtum im späten 10. Jahrhundert in der Region um die Städte [[Posen]] und [[Gnesen]] entstand. Dass der Herrschaftsverband der Polanen, deren Siedlungszentrum ein Gebiet um Gnesen bildete, im 9. und 10. Jahrhundert in den Schriftquellen nicht vorkam, erklärte die ältere polnische Historiographie mit der relativen Abgeschlossenheit des mittleren [[Großpolen]]s. Ohne Berührung mit den Ostfranken, Böhmen, Mähren, zudem abseits der bekannten Handelsrouten, hätten sich die Polanen hier von der Außenwelt völlig unbemerkt entwickeln und konsolidieren können.<ref>Eduard Mühle: ''Die Piasten – Polen im Mittelalter.'' München 2011, S. 10.</ref> |
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== Staatsgründung und die ersten Piasten 960 - 1138 == |
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Die Entstehung ihres zunehmend verdichteten und zusammenhängenden Herrschaftsgebietes vollzog sich über eine planmäßige Eroberung. Die ersten Spuren ihres gewaltsamen Vorgehens finden sich an der mittleren [[Warthe]] und entlang der [[Obra]], wo zu Beginn des 10. Jahrhunderts ältere, im 8. bis 9. Jahrhundert entstandene kleine Burgsitze verschiedener [[Kleinkönig|Kleinherrscher]] systematisch zerstört wurden. Die dortige Bevölkerung wurde ins [[Gnesener Hochland]], das mögliche Stammgebiet der Polanen, umgesiedelt. Für das Gnesener Hochland fanden sich bis dahin weder eine dichtere Bevölkerung noch ein Netz von Burgen.<ref>Eduard Mühle: ''Die Piasten – Polen im Mittelalter.'' München 2011, S. 15.</ref> Das Stammgebiet wurde in den 920er und 950er Jahren durch den Ausbau der zwei Burgorte [[Giecz]] und [[Moraczewo]] gefestigt. Weiterhin wurden an seiner Peripherie Holz- und Erdwälle sowie Burgketten errichtet. Diese planmäßigen Ausbauten erforderten große Mengen an Ressourcen und eine große Zahl an Arbeitskräften. Archäologische Befunde weisen zu dieser Zeit siedlungsgeografische Veränderungen nach, in deren Verlauf die westlichen und südwestlichen Regionen Großpolens massiver Zerstörung und Entvölkerung ausgesetzt wurden, während das Posen-Gnesener Zentralgebiet einen binnen-kolonisatorischen Ausbau und eine Bevölkerungszunahme erfuhr. |
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===Mieszko I. und die Christianisierung Polens=== |
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[[Bild:Poland in 992 map.jpg|thumb|right|170px|Polen um [[960]]]] |
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Die Anführer der Polanen stützten sich auf eine elitäre, straff geführte, schlagkräftige militärische Gefolgschaft. Seit den 930er und 940er Jahren gelangten zunehmend Luxuswaren des interregionalen Austausches nach Großpolen. Diese wurden gegen Menschen eingetauscht, die vor allem auf orientalischen und südeuropäischen Sklavenmärkten gefragt waren. Für den eigentlichen Lebensunterhalt dieser Herrschaftselite musste die einheimische Bevölkerung mit Abgaben und Dienstleistungen aufkommen. Aufgrund der noch gering entwickelten Agrargesellschaft kam diese dabei sehr schnell an ihre Grenzen. Um sich die Treue seiner militärischen Gefolgschaft zu sichern, musste der Herzog diese aber regelmäßig versorgen und belohnen, wofür das eigene Territorium und die Bevölkerung nicht ausreichten. So konnten Sklaven nur zu einem geringen Anteil aus der eigenen Bevölkerung geschöpft werden. Daher waren Beute- und Kriegszüge in fremde Territorien und die Abschöpfung der dortigen Ressourcen ein unerlässliches Instrument zur Herrschaftssicherung. Dies erklärt die schnell zunehmende Expansion der Polanen außerhalb ihres eigenen Kerngebietes.<ref>Eduard Mühle: ''Die Piasten – Polen im Mittelalter.'' München 2011, S. 16 f.</ref> |
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Um [[960]] trat [[Polen]] aktiv auf die politische Bühne Europas. |
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Das Land, dessen Name sich vom [[westslawen|westslawischen Stamm]] der [[Polanen]] ableitet (''siehe auch [[Slawen]]''), ist als Herzogtum im frühen [[10. Jahrhundert]] von [[Posen]] und [[Gnesen]] aus gegründet worden. Es wurde von [[960]] bis [[992]] vom Herzog [[Mieszko I.]] aus der Dynastie der [[Piasten]] regiert. Das weiß markierte Gebiet auf der Karte repräsentiert die ungefähre Größe des polnisches Staates um das Jahr [[960]] zu Beginn der Herrschaft Mieszkos. Da es sich um eine recht alte Karte handelt (19 Jh.?), ist das dort erwähnte Datum [[992]] falsch. |
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== 960–1138: Von Mieszko I. zur ersten Krise des Piastenstaates == |
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[[963]] - [[967]] wurde das junge Staatswesen und Mieszko selbst das erste Mal schriftlich erwähnt, daher gilt dieses Datum oft als das erste in der polnischen Geschichtsschreibung. Der Anlass sind die Einfälle des Grafen Wichmanns des Jüngeren, eines abgefallenen sächsischen Vasalls des deutschen Königs [[Otto I. (HRR)|Otto I.]] und seines Verbündeten im heidnischen [[Wenden|Wendland]], des mächtigen Markgrafen [[Gero (Brandenburg)|Gero]] aus der Ostmark. Im Zuge dieser Kämpfe wurde Mieszko vom Markgraf Gero und seinem Verbündeten Wichmann besiegt und für einen Teil seines Herrschaftsgebietes (''Region um [[Lebus (Stadt)|Lebus]]''), dem [[Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation|Heiligen Römischen Reich]] tributpflichtig gemacht. |
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[[Datei:Polen 960-992.png|mini|hochkant=1.2|Polen „Civitas [[Gniezno|Schinesghe]]“ (dunkle Farbgebung) um 960, seine ungefähre territoriale Entwicklung unter Herzog Mieszko I. bis 992 (hellere Farbgebung) und die Nachbarn.]] |
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=== Christianisierung und Aufstieg Polens === |
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[[965]] kam es zu einem Bündnis mit den bereits christlichen [[Tschechen]]. Mieszko I. ließ sich römisch-katholisch taufen und heiratete die böhmische Herzogstochter [[Dubrawka]], aus dem Geschlecht der [[Przemysliden]]. Damit hoffte er zu verhindern, dass Polen zwischen missionseifrigen Nationen aus dem Westen aufgerieben wurde und konnte zum anderen, unter dem Vorwand der Heidenmission, die eigenen Grenzen ausweiten. Es wurde ein unabhängiges Missionsbistum in Posen gegründet. Die Annahme des [[Christentum]]s war zweifelsfrei eine rein politische Entscheidung, bedingt durch den Druck des Heiligen Römischen Reiches. |
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{{Hauptartikel|Christianisierung Polens}} |
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Die nachfolgende Expansion der Polanen richtete sich zunächst nach Süden und Südosten in die Gebiete von [[Kalisz]], [[Sieradz]] und [[Łęczyca]], nach Westen in das Gebiet von [[Międzyrzecz]], nach Osten in die Gegend von [[Kruszwica]] und darüber hinaus bis an die [[Weichsel#Mittellauf|untere Weichsel]]. Als [[Mieszko I.]] etwa um 960 in Gnesen die Führung übernahm, trat Polen als organisiertes Staatswesen in die europäische Geschichte ein. Im Westen rückte Mieszko bis 960 an die untere Oder vor, wo er mit heidnischen Elbslawen und sächsischen Markgrafen zusammenstieß, die seiner Westexpansion Grenzen setzten. |
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[[Bild:Zaprowadzenie_chrzescijanstwa_965_Matejko.JPG|thumb|left|225px|Die Taufe Polens [[966]] ]] |
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[[967]] zahlte sich das Bündnis mit [[Böhmen]] das erste Mal aus. Mit Hilfe przemyslidischer Reitertruppen schlug Mieszko I. den Grafen Wichmann, den militärischen Anführer des slawischen [[Wolin]]erbundes, der seinen Vorstoß gen [[Pommern]] mit Hilfe der Woliner verhindern wollte, in die Flucht. Sein Schwert lieferte Mieszko, als amicus imperatoris (''"Freund des Kaisers", so wurde er seit seiner Taufe genannt''), dem Kaiser aus. Wichmann selbst starb auf der Flucht. |
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Mieszko wird erstmals für das Jahr 962 oder 963 als ''rex Misaca'' (König Misaca) in der um 967 entstandenen Sachsengeschichte des [[Widukind von Corvey]] im Zusammenhang mit zwei schweren militärischen Niederlagen gegen ein slawisches Heer unter der Führung des sächsischen Adeligen [[Wichmann II.]] erwähnt.<ref>Widukind III, 67.</ref> 965 verbündete sich Mieszko mit dem christlichen Herzogtum [[Böhmen]], heiratete die böhmische Herzogstochter [[Dubrawka von Böhmen|Dobrawa]] aus dem Geschlecht der [[Przemysliden]] und ließ sich 966 nach [[Lateinischer Ritus|lateinischem Ritus]] taufen. Er setzte die [[Christianisierung Polens]] allmählich durch. Die Annahme des [[Christentum]]s war eine machtpolitische Entscheidung. Sie wurde ausgelöst durch die Einfälle der Markgrafen unter dem Vorwand der Heidenbekämpfung und -missionierung. Mieszko I. konnte so unter dem Vorwand der Missionierung seine eigenen Grenzen ausweiten und sich zugleich durch die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft der europäischen Fürsten einen Vorteil gegen die Konkurrenz innerer Adelsgeschlechter erwerben. Für die polnische Kirchenprovinz wurde 968 ein [[Missionsbistum]] in Posen gegründet. Ob dieses direkt dem Papst unterstand<ref>Manfred Alexander: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 25.</ref> oder formell dem [[Erzbistum Magdeburg]]<ref>Chronik des [[Thietmar von Merseburg]]</ref>, ist umstritten (→ [[Christianisierung Polens#Bistum Posen|Bistum Posen]]). |
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Auf der Grundlage eines im Innern gefestigten Staatswesens wurden in den Jahren [[967]] - [[979]] ganz [[Hinterpommern]] mit [[Stettin]] und [[Pommerellen]] mit [[Danzig]] (''Gründung einer Festung bei Danzig [[979]])'' unterworfen. Ein Zugang zur [[Ostsee]] bedeutete unmittelbaren Kontakt mit [[Skandinavien]]. Mieszkos Tochter aus der Ehe mit [[Dobrawa]], Swietoslawa, heiratete König [[Sven Gabelbart|Sven von Dänemark]] und wurde die Mutter [[Knut der Große|Knuts des Großen]]. |
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Trotz Annahme des christlichen Glaubens durch den polnischen Fürsten begann Wichmann, der militärische Führer des slawischen [[Wolinerbund]]es, 967 einen Krieg gegen Mieszko. So profitierte Mieszko das erste Mal von seinem Bündnis mit Böhmen, als er zusammen mit przemyslidischen Reitertruppen Wichmann in die Flucht schlagen konnte. Das Schwert des Markgrafen lieferte Mieszko [[Otto I. (HRR)|Kaiser Otto]] aus. Einem Vorstoß nach [[Pommern]] stand nun nichts mehr im Weg. Im Zeitraum zwischen 967 und 979 unterwarf Mieszko ganz [[Hinterpommern]] und [[Pommerellen]]. Über den Zugang zur Ostsee stritt er sich mit Fürsten in Skandinavien. Darauf arrangierte Mieszko die Hochzeit seiner Tochter [[Sigrid die Stolze|Świętosława]] mit König [[Sven Gabelbart|Sven von Dänemark]].<ref>Manfred Alexander: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 26.</ref> 972 wehrte Mieszko erfolgreich einen Einfall des Markgrafen [[Hodo I.]] aus der [[Mark Lausitz]] ab. Kaiser Otto I. – besorgt über die Zustände an seiner Ostgrenze – rief die Kontrahenten während des Quedlinburger Hoftages (sechs Wochen vor seinem Tod am 7. Mai 973) zu Ruhe und Ordnung auf. Mieszko schloss mit Hodo Frieden, leistete dem Kaiser 968 den [[Treueid]] und begründete damit ein [[Lehnswesen|Lehnsverhältnis]] mit dem ostfränkisch-deutschen Herrscher.<ref>Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 15.</ref> |
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[[972]] wurden die Truppen des Markgrafen Odo (Hodon) an der unteren [[Oder]] in der Nähe von [[Zehden]] besiegt und in die Flucht geschlagen, Tod des einzigen bei Namen bekannten Bruders von Mieszko, Czcibor. Der Sieg über Odo bedeutete die Sicherung der Westgrenze. [[973]] kam es dann zu einem Verständigungsfrieden mit dem Heiligen Römischen Reich bzw. Odo, auf dem [[Quedlinburg|Quedlinburger Hoftag]], wo Mieszko als "Freund des Kaisers" (''amicus imperatoris'') seinen persönlichen Treueeid leistete. Inwieweit und ob überhaupt damit Polen in ein Lehnsverhältnis zum Heiligen Römischen Reich eintrat, ist historisch umstritten. |
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Nach dem Tod von Mieszkos erster Frau Dobrawa und seiner Heirat 978 mit der Tochter des sächsischen Markgrafen [[Dietrich von Haldensleben]], [[Oda von Haldensleben]], kam es zum Bruch zwischen Polen und Böhmen und 989 zum Krieg, in dem für Polen die Slowakei, Mähren, Schlesien und Kleinpolen erobert wurden. Im Osten gingen 981 die [[Tscherwener Burgenland|Tscherwenischen Burgen]] verloren und damit die Kontrolle über eine bedeutende Handelsroute mit [[Osteuropa]]. Mieszko [[Huldigung|huldigte]] 986 dem minderjährigen König [[Otto III. (HRR)|Otto III.]] in Quedlinburg und führte in seinem Namen als „Markgraf des Reiches“ einen Heidenfeldzug gegen die [[Elbslawen]] an. Damit beteiligte sich Mieszko aktiv an der weiteren Christianisierung slawischer Völker. Im Gegenzug unterstützte ihn das Reich militärisch gegen Böhmen. |
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[[Image:Mieszko1.jpg|thumb|right|150px|Herzog [[Mieszko I.]] von Polen, Fürst der [[Polanen]] (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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[[Datei:DagomeVatican-1Copy.jpg|mini|hochkant=1.5|[[Dagome iudex|Dagome-iudex-Regest]] im [[Vatikanstadt|Vatikan]]]] |
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[[981]] Verlust der wichtigen Tscherwenischen Burgen (''[[Galizien]]'') und somit die Kontrolle über die West-Osthandelspassage zu Gunsten des Kiewer Großfürsten [[Wladimir I.]], der die schwierige militärische Lage der Piasten im Westen für sich selbst auszunutzen wusste. |
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Kurz vor seinem Tod stellte Mieszko 991 sein Land unter den Schutz des [[Papst]]es (''Donatio Poloniæ''), wodurch Polen ein [[Peterspfennig|päpstliches Lehen]] wurde. Damit wollte Mieszko möglicherweise seine Unabhängigkeit vom mächtigen westlichen Nachbarn demonstrieren.<ref>vgl. Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 15.</ref> Als eine wichtige Quelle zur Gründung bzw. Anerkennung eines polnischen Staates gilt das sogenannte [[Dagome Iudex|Dagome-iudex-Regest]], obwohl er darin nicht explizit erwähnt wird.<ref name="GR8">[[Gotthold Rhode]]: ''Kleine Geschichte Polens''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1965, S. 8 ff.</ref> Man geht davon aus, dass in der Eintragung eines Mönchs aus den Jahren 1086/1087 ein Schenkungsakt des Herzogs Mieszko I. an den [[Heiliger Stuhl|Apostolischen Stuhl]] aus dem Jahr 991 beschrieben wird, mit dem Mieszko seine Stadt oder sein Land dem direkten Schutz des Papstes unterstellt. An der [[Krakauer Akademie]] wurde die Urkunde als Schenkung Odas bezeichnet. |
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Bei seinem Tod 992 hinterließ Mieszko I. einen gefestigten und erweiterten Herrschaftsbereich, der in den europäischen Hochadelsgeschlechtern akzeptiert wurde. Aus einem Gebiet, dem die Zwangsmissionierung drohte, war eine Basis für die weitere Christianisierung der slawischen Welt geworden. |
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[[986]] bestätigte Mieszko seinen Vasallenstatus (''Tributpflicht'') abermals, indem er dem noch minderjährigen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches - [[Otto III. (HRR)| Otto III.]] - wiederum in Quedlinburg huldigte. Er führte in seinem Namen einen Heidenfeldzug gegen die [[Elbslawen]] an. Bei den Rechtsvertretern des kindlichen Kaisers konnte er hierdurch auch auf Hilfe bei der Eroberung Kleinpolens und Schlesiens setzen. |
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=== Politische Emanzipation vom Kaiserreich === |
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Nach dem Tod von Mieszkos erster christlichen Frau Dubrawka [[977]] und seiner Heirat mit der Sächsin Oda von Haldensleben erfolgte ein Bruch zwischen Polen und Böhmen. Es kam zur Entfremdung zwischen den Staaten, was schließlich [[989]] - [[999]] zum Krieg führte. In diesem Konflikt wurden [[Schlesien]], [[Kleinpolen (Landschaft)|Kleinpolen]], [[Mähren]] und die [[Slowakei]] erobert. |
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[[Datei:Poland under Boleslaw Chrobry.jpg|mini|hochkant=1.2|Polen zu Anfang des 11. Jahrhunderts in der Regierungszeit von Bolesław Chrobry]] |
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{{Hauptartikel|Königreich Polen|Akt von Gnesen}} |
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Mieszko I. teilte sein Reich nach altslawischer Tradition unter seinen Söhnen [[Bolesław I. (Polen)|Bolesław I.]], Świętopełk, Lambert und Mieszko auf. Bolesław entmachtete mit Unterstützung einflussreicher Magnaten seine Stiefmutter und vertrieb sie samt ihren Söhnen aus Polen, wo sie bei Verwandten in [[Stammesherzogtum Sachsen|Sachsen]] Aufnahme und Schutz fand. Die Reichseinheit war somit wiederhergestellt. Bolesław setzte die Bündnispolitik seines Vaters fort, indem er Otto III. bei der Verteidigung des christlichen Glaubens unterstützte. Er beteiligte sich gemäß der Quedlinburger Absprache von 991 an dessen erfolglosem Kampf gegen die heidnischen Elbslawen. Der Kaiser versuchte durch die Einbindung der christianisierten Völker des Ostens ein neues christliches Weltreich unter der Führung des Kaisers als weltliches Oberhaupt der Christenheit zu errichten. Bei diesen Überlegungen kam Polen eine Schlüsselposition innerhalb der [[Sclavinia]] zu. Folglich verkündete Otto III. bei einem Besuch sein Reichskonzept von der ''Renovatio Imperii Romanorum'', welches Sclavinia neben Roma, [[Gallien|Gallia]] und [[Germania magna|Germania]] als gleichrangige Stütze des Imperiums vorsah.<ref>Manfred Alexander: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 28.</ref> Für die slawischen Provinzen wurde das [[Erzbistum Gnesen]] errichtet, dem die gegründeten Bistümer [[Bistum Koszalin-Kołobrzeg|Kolberg]], [[Erzbistum Krakau|Krakau]] und [[Erzbistum Breslau|Breslau]] unterstanden. Die Errichtung einer unabhängigen Kirchenprovinz spielte bei der Emanzipation Polens vom römisch-deutschen Reich eine wichtige Rolle. Otto III. erkannte offiziell die Souveränität des piastisch-polnischen Herrschers an. Die seit 963 bestehende Tributpflicht entfiel. Otto III. begünstigte die Konsolidierung und Machtausweitung der Piasten gegenüber den tschechischen Przemysliden, deren Interessen nicht mit denen des Kaiserreiches in Einklang standen. |
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Im Jahr vor seinem Tod stellte der erste historisch belegte Herrscher Polens sein gesamtes Land unter den Schutz des [[Papst]]es (''politischer Gegenspieler des Kaisers im Mittelalter''). Polen wurde päpstliches Lehen (''siehe auch [[Peterspfennig]]''). Er verstarb im Jahr [[992]] und liegt in der Kathedrale zu [[Posen]] begraben. Sein Nachfolger wurde sein Sohn aus der Ehe mit Dubrawka [[Bolesław I. (Polen)|Bolesław der Tapfere]]. |
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Bolesław soll von Otto III. im [[Akt von Gnesen]] zum König erhoben worden sein. Dies ist historisch umstritten.<ref>Gerd Althoff: ''Otto III.'' Darmstadt 1996, S. 144ff.; Johannes Fried: ''Otto III. und Bolesław. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen“ und das frühe polnische und ungarische Königtum. Eine Bildanalyse und ihre historischen Folgen.'' Wiesbaden 1989, S. 123–125.</ref> Als gesichert gilt, dass die Erlaubnis des Papstes fehlte. Aufgrund des frühen Todes Ottos III. und des politischen Widerstands des neuen deutschen Königs und späteren römisch-deutschen Kaisers [[Heinrich II. (HRR)|Heinrichs II.]] fand die offizielle Krönung als Wiederholungsakt erst 1025 statt. |
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===Boleslaw der Tapfere und der erste Aufstieg zur Großmacht=== |
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Der frühe Tod Ottos III. im Jahr 1002 und die darauf folgende Thronbesteigung Heinrichs II., der in Bolesław einen slawischen Vasallen sah, veränderte die Beziehungen Polens zum Kaiserreich grundlegend. Bolesław trat kurz nach dem [[Hoftag von Merseburg (1002)|Hoftag von Merseburg]] 1002 in Opposition zu Heinrich, entwickelte eigene Ideen eines christlichen Universalreiches, verfolgte persönliche Expansionsziele und verweigerte jede Huldigung gegenüber Heinrich. Dies löste einen mehrjährigen Krieg Polens mit dem Reich aus, an dessen Ende sich Polen dank seiner bereits gefestigten Staatlichkeit behaupten konnte und im [[Hoftag von Merseburg (1013)|Frieden von Merseburg]] 1013 sowie im [[Frieden von Bautzen]] 1018 einen Ausgleichsfrieden mit dem Kaiser schloss. Dies verdankte Bolesław seiner dynastischen Politik, den sächsischen Verbündeten im Reich sowie seinem Schwager König [[Sven Gabelbart|Sven von Dänemark]], der dem Kaiser vom Norden drohte. |
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[[Bild:Gnesen.jpg|thumb|right|250px|left|Polens erste Hauptstadt [[Gnesen]] ]] |
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Er konnte dem Kaiser zwar nicht die [[Mark Meißen]] abringen, behielt im Gegenzug aber seine Erwerbungen im Westen, das [[Milzener]] Land und die Mark Lausitz, die bis 1031 bei Polen verblieben. Insgesamt führte der Krieg mit dem Reich jedoch zu einem Substanzverlust im Inneren. |
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[[992]] teilte Mieszko I. sein Reich in altslawischer Tradition unter seinen Söhnen Boleslaw (''aus der Ehe mit Dubrava'') und Swietopelk, Lambert, Mieszko (jun.) aus der Ehe mit Oda auf. Boleslaw brach jedoch mit dem Willen des Vaters, indem er, sicherlich unterstützt durch eine starke Gruppe einflussreicher Magnaten, seine Stiefmutter und seine Halbbrüder in das Heilige Römische Reich vertrieb. Die Reichseinheit wurde wiederhergestellt. Boleslaw schloß an die Politik seines Vaters "Bündnis mit dem Reich" als Tributpflichtiger (''keine Lehnspflicht'') an und unterstützte[[ 995]] den für volljährig erklärten Kaiser Otto III. bei der Verteidigung des christlichen Glaubens, indem er sich, gemäß der Quedlinburger Absprache von [[991]], an dessen Kampf gegen die heidnischen [[Elbslawen]] beteiligte, der jedoch weitgehend erfolglos blieb. Der östliche Teil der Nordmark (Brandenburg) blieb bis ins [[12. Jahrhundert]] unter polnischem Einfluß, der sein Zentrum in der Region um [[Lebus]] hatte. |
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Die im Jahr 1000 in [[Gnesener Übereinkunft|Gnesen getroffene Absprache]] zwischen Polen und dem Reich wurde von Heinrich bestätigt. Nach dem Friedensschluss mit dem Kaiser erhielt er als Bündnispartner vom römisch-deutschen Kaiser militärische Unterstützung für seinen lange geplanten Zug nach Kiew gegen [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaw]], um dessen Bruder, seinen Schwiegersohn Großfürst [[Swjatopolk I. (Russland)|Swjatopolk]], zu unterstützen. Nach erfolgreicher Wiedereinsetzung des vertriebenen Fürsten erwarb er 1018 die tscherwenischen Burgen für Polen zurück. Nach seinem Zug nach Kiew war Bolesław der einflussreichste Herrscher in Mittel- und Osteuropa. 1024 verstarb Kaiser Heinrich. Das folgende deutsche [[Interregnum]] nutzte Bolesław, indem er sich 1025 ein zweites Mal (Wiederholungsakt der Krönungszeremonie aus dem Jahr 1000) zum König krönen ließ. Trotz des Prestigegewinns konnte sich das Königtum nicht dauerhaft etablieren. |
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Im Rahmen der Christianisierung der baltisch-pruzzischen Stämme an der [[Ostsee]] kam der Bischof [[Adalbert von Prag]] [[997]] nach Polen, von wo er mit polnischer Unterstützung in das [[Pruzzen]]land gelangte. Dort wurde er jedoch bei [[Fischhausen]] ermordet. Boleslaw löste den Leichnam Adalberts aus und setzte diesen in der Kathedrale zu [[Gnesen]] bei. Allerdings wurde dieser schon [[1038]], nach dem polnisch-böhmischen Krieg, nach Prag entwendet. Adalbert wurde bereits [[999]] von Papst [[Silvester II. (Papst)|Silvester II.]] heilig gesprochen. Dies erleichterte das Bestreben des Herzogs um die Errichtung einer unabhängigen Kirchenprovinz in Rom ungemein, sodass schließlich Kaiser Otto III. und Papst Silvester II. diesem Wunsch entsprachen. |
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Bolesław griff in die Streitigkeiten der slawischen Stämme in der Nordmark ein und legte in [[Berlin-Köpenick]] eine Burg auf der heutigen Schlossinsel an. Für die nächsten 120 Jahre, bis Mitte des 12. Jahrhunderts, war Köpenick der Sitz eines piastischen Vasalls. |
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[[Bild:Koronacja_Chrobrego_Matejko.jpg|thumb|250px| Kaiser [[Otto III.]] erhebt Herzog [[Boleslaw I. (Polen)|Boleslaw I.]] in den Stand der Könige, während des Staatsakts von Gnesen im Jahr [[1000]] ]] |
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Im Jahre [[1000]] pilgerte der römisch-deutsche Kaiser [[Otto III. (HRR)|Otto III.]], zu dem Boleslaw ein freundschaftliches Verhältnis hatte, an das Grab seines Freundes, des Märtyrers [[Adalbert von Prag|Adalbert]] in Gnesen, um als Staatsakt sein Reichskonzept von der »Renovatio Imperii Romanorum« zu verkünden. Ein Konzept, in dem Polen, als Slawenland, eine gleichrangige Stütze am Gebäude des "Imperiums" war, genauso wie Gallia oder Germania. |
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Bolesław förderte den christlichen Glauben in Polen, da der Papst im 11. Jahrhundert einer der bedeutendsten machtpolitischen Konkurrenten des deutschen Kaisers war. Durch die erfolgreiche Gründung einer unabhängigen polnischen Kirchenprovinz und des Erzbistums Gnesen sowie durch seine Krönung zum ersten polnischen König trieb er die polnische Emanzipation vom Kaiserreich voran. Er war auch der Begründer der polnischen [[Kastellan]]verfassungsordnung. Unter seiner Regentschaft wurde das politisch relativ unbedeutende Herzogtum seines Vaters zu einem Machtfaktor in der Region mit Einflusssphären von der [[Elbe]] bis zum [[Dnepr]] und von der [[Ostsee]] bis an die [[Donau]]. |
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Es wurde für die slawischen Provinzen das Erzbistum Gnesen errichtet, mit Adalberts Bruder [[Gaudentius]] als erstem Erzbischof von Gnesen, dem die neugegründeten Bistümer [[Kolberg]], [[Krakau]] und [[Breslau]] unterstanden. Die Errichtung einer unabhängigen Kirchenprovinz war ein erster Grundpfeiler der [[Emanzipation]] Polens vom Heiligen Römischen Reich. Während dieses Besuches erkannte Otto III. offiziell die [[Souveränität]] des piastisch-polnischen Herrschers an (''keine Tributflicht mehr, die seit [[963]] bestanden hatte''). |
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=== Machtverfall und Erbteilung === |
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Der junge Kaiser wollte unter Einbindung der inzwischen christianisierten Völker des Ostens ein neues christliches Weltreich unter der Führung des Kaisers als weltliches Oberhaupts der Christenheit über Königtümer wieder erstehen lassen. Dabei sollte Polen ein führender Platz innerhalb der "Sclavinia" zukommen. Otto begünstigte die Konsolidierung und Machtausweitung der Piasten gegenüber den tschechischen [[Premysliden]], die mit den Interessen des Heiligen Römischen Reiches weit weniger in Einklang standen. |
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[[Datei:Darstellung Mieszkos und Mathildes von Schwaben.jpg|mini|Darstellung Mieszkos II. und [[Mathilde von Schwaben (Konradiner)|Mathildes von Schwaben]] auf dem Widmungsbild des Liber de divinis officiis; St. Gallen erstes Viertel 11. Jahrhundert. Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek, Ms.C 91, (verschollen), fol. 3r]] |
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Nach dem Tod Bolesławs übernahm sein Sohn [[Mieszko II. Lambert]] die Herrschaft. Er erhob sich und seine deutsche Frau [[Richeza (Polen)|Richeza]] sofort in den Stand der Könige, um sich vor der Lehnsherrschaft der römisch-deutschen Kaiser zu sichern. Dennoch gelang es ihm nicht, die von seinem Vater eroberten Gebiete zu halten. Nach nur fünf Jahren der Herrschaft begann sein Reich aufgrund innerer Instabilität zu zerfallen: |
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Boleslaw soll von Otto in Gnesen in den Stand der Könige erhoben worden sein. Das ist jedoch umstritten. Es gibt aber deutliche Hinweise, die die Königsthese stützen. Auf jeden Fall wurde die Krönungszeromonie nicht vollendet. Es fehlte die Erlaubnis des Papstes. Diese konnte aber wegen des frühen Tods Ottos III. und des vehementen politischen Widerstands des neuen deutschen Königs und späteren römisch-deutschen Kaisers [[Heinrich II. (HRR)|Heinrichs II.]] fast zwei Jahrzehnte lang nicht eingeholt werden. |
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Ursächlich hierfür ist eine Vielzahl von Faktoren: |
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* die dem Volk auferlegten Kosten: |
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** durch Kriege, |
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** für den Aufbau der Monarchie, |
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** für die wachsenden kirchlichen Strukturen |
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* die ins Ausland geflüchteten Brüder Mieszkos, [[Otto (Polen)|Otto]] und [[Bezprym]], die Mieszkos Herrschaft untergruben. |
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König Mieszko II. unternahm in den Jahren 1028 und 1030 Kriegszüge gegen östliche Teile des ostfränkisch-deutschen Reiches, vor allem gegen [[Thüringen]] und das [[Stammesherzogtum Sachsen]], weil der neue Kaiser [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] ihm die Anerkennung als König verweigerte. Mieszko hatte im Reich der [[Salier]] und in der Kiewer Rus mächtige Feinde. Mehrere gleichzeitig vorgetragene militärische Aktionen Konrads und des ruthenischen Großfürsten Jaroslaw, der bereits zu den Feinden seines Vaters gehörte, führten zum Verlust der Mark Lausitz und der [[Tscherwenische Burgen|Tscherwenischen Burgen]]. Diese Allianz stärkte die innere Opposition, da sich die Verwandtschaft Mieszkos jetzt mit den Gegnern des Herrschers verbündete. Schließlich wurde Mieszko 1031 gestürzt und war gezwungen, das Land seinem Halbbruder [[Bezprym]] und dem jüngeren Bruder [[Otto (Polen)|Otto]] zu überlassen, er selbst floh nach Böhmen. |
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[[Image:Boleslaus I.jpg|thumb|left|170px|[[Boleslaw I. (Polen)|Boleslaw der Tapfere]], erster König von Polen (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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Der frühe Tod Ottos III. im Jahre [[1002]] und die Thronbesteigung [[Heinrich II. (HRR)|Heinrichs II.]], mit engen Verbindungen zu den Böhmen ([[Przemysliden]]), der dem Polenkönig nicht wohlgesonnen war, änderte die Beziehungen des Königreichs Polen zum Heiligen Römischen Reich diametral. Boleslaw trat in Opposition zum Reich und verfolgte nunmehr eigene Ziele der Expansion. Dies führte zu einem mehrjährigen Krieg Polens mit dem römisch-deutschen Kaiser, an dessen Ende sich Polen dank seiner in Ansätzen bereits gefestigten Staatlichkeit behaupten konnte und einen Ausgleichsfrieden (''siehe: [[Frieden von Bautzen]]'') mit dem Deutschen Reich schloss. Dies verdankte Boleslaw auch seinen Verbündeten, wie seinem Neffen [[Knut der Große|Knut von Dänemark]]. |
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Bezpryms Herrschaft dauerte nicht lange. Ein Aufstand gegen den neuen Herrscher endete 1032 mit seiner Ermordung. Sein Tod erlaubte Mieszko II. die Rückkehr in die Heimat nach einer Verständigung mit Otto. Nachdem Kaiser Konrad mit einer weiteren militärischen Intervention in Polen gedroht hatte, einigten sie sich während des [[Hoftag von Merseburg (1032)|Hoftags von Merseburg]] 1032. Mieszko II. verzichtete auf die Königswürde und teilte sein Reich mit seinem Bruder Otto und [[Dietrich (Polen)|Dietrich]], einem Enkel Mieszkos I. Noch im selben Jahr verstarb Herzog Otto, und Dietrich verlor aus unbekannten Gründen seinen Machtbereich, sodass Mieszko die Reichseinheit kurz vor seinem Tod, am 10. Mai 1034, wieder errang. Mieszko II. hinterließ nach seinem Ableben ein geschwächtes Reich, das mangels starker königlicher Autorität durch [[Heidnische Reaktion in Polen|Volksaufstände und heidnische Reaktionen]] zu erodieren begann. Durch den Verzicht auf königliche Ehren stand Polen ab 1033 erneut für Jahrzehnte in Abhängigkeit zum [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutschen Kaisertum]]. Mieszkos Sohn [[Kasimir I. (Polen)|Kasimir I.]] übernahm nach dessen Tod die Herrschaft. Auch er hielt sich nicht lange an der Macht und musste auf Druck der Opposition 1037 von Polen nach Ungarn flüchten. Zwischen 1037 und 1039 zerfiel der polnische Staat. In [[Großpolen]] wandten sich [[Volksaufstand in Polen (1037-1038)|Aufstände]] gegen die Kirche und das Magnatentum. Diese hatten von soziopolitischen Veränderungen wie der Einführung eines dem [[Zehnt]]en ähnlichen Systems profitiert, während die freien Bauern in ein Abhängigkeitsverhältnis gezwungen wurden und ein Rückfall ins [[Heidentum]] folgte. Einzelne Regionen verselbstständigten sich, unter anderem [[Masowien]] und Pommern. |
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Die in Gnesen getroffene Absprache zwischen Polen und dem Reich wurde widerwillig von Heinrich bestätigt, auch verlangte Boleslaw vom deutschen Kaiser militärische Unterstützung für seinen lange geplanten Zug nach Kiew (''gegen Jaroslaw von Kiew''), die er auch ohne weiteres bekam. Er konnte dem Kaiser zwar die [[Mark Meißen]] nicht abtrotzen, jedoch behielt er seine Erwerbungen im Westen, das [[Milzener|Milzener Land]] und die [[Lausitz|Mark Lausitz]] lehnsfrei, die dann auch bis [[1031]] bei Polen blieben. |
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Für Boleslaw Chrobry führte dieser Krieg zwar zu einem Substanzverlust des Landes. Er griff dennoch in die Streitigkeiten der slawischen Stämme in der Nordmark (Brandenburg) ein und legte in [[Berlin-Köpenick]] eine Burg auf der heutigen Schlossinsel an. Für fast 120 Jahre, bis Mitte des [[12. Jahrhundert]]s, war Köpenick der Sitz eines piastischen Vasalls. |
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Die Strukturlosigkeit nutzte der böhmische Herzog für einen Kriegszug nach Polen. Großpolen wurde verwüstet und Schlesien erobert. Hinzu kamen Plünderungszüge heidnischer Prußen und Pomoranen. Der neue Kaiser im Reich, [[Heinrich III. (HRR)|Heinrich III.]], versuchte ein politisches Erstarken Böhmens unter [[Břetislav I.]] zu verhindern und unterstützte Kasimir I. 1039 militärisch. Mit dieser Hilfe gelangte Herzog Kasimir I. wieder in den Besitz Großpolens und 1040 Kleinpolens. [[Krakau]] wurde neue Hauptstadt Polens. Der Kaiser zwang den böhmischen Herrscher 1041 zum Verzicht auf Ansprüche gegenüber Polen, gab jedoch Schlesien nicht an Polen zurück. Um die Grenze im Osten abzusichern, schloss Kasimir I. im selben Jahr ein Bündnis mit Jaroslaw von Kiew und heiratete wenig später dessen Schwester, Fürstin [[Dobroniega Maria]]. Jaroslaw gewährte ihm daraufhin 1047 militärische Hilfe bei der Rückeroberung Masowiens und Pommerellens von [[Miecław]]. Gegen den Willen des Kaisers erlangte Kasimir I. um 1046 Schlesien von Böhmen zurück. Nachdem Břetislav I. um 1053 eine Rebellion gegen den Kaiser unterstützte und in Ungnade fiel, musste er 1054 auf Polen endgültig verzichten, was zum Anlass für weitere böhmisch-polnische Auseinandersetzungen wurde. Die beiden gleich starken slawischen Staaten schwächten sich so politisch-militärisch. Kasimir baute den christlichen Staat der Piasten nach der letzten heidnischen Reaktion wieder auf und begründete durch Landvergabe an Krieger zu deren Versorgung das [[Rittertum]] in Polen. |
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[[Image:Poland_982-1025.jpg|thumb|right|175px|Polen um [[1025]], gegen Ende der Regierungszeit von [[Boleslaw I. (Polen)|Boleslaw dem Tapferen]] ]] |
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Hiernach wandte er sich nach [[Kiew]], um dort seinen Schwiegersohn, den Kiewer Großfürsten [[Swjatopolk I. (Russland)|Swietopelk]], gegen desssen Bruder [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaw]] zu unterstützen. Nach erfolgreicher Wiedereinsetzung [[Swjatopolk I. (Russland)|Swietopelks]] erwarb er noch [[1018]] die tscherwenischen Burgen für Polen zurück. |
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[[Datei:Polska 1102 - 1138.png|mini|hochkant=1.2|Polen 1102–1138]] |
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[[1024]] verstarb Heinrich II. Nun stand der endgültigen Königskrönung Boleslaws nichts mehr im Weg. Das deutsche [[Interregnum]] ausnutzend, setzte er sich [[1025]] ein zweites Mal die Krone aufs Haupt, wodurch er der erste König von Polen wurde. Dies stieß im Reich zwar auf ein negatives Echo, war aber zweifellos ein großer Prestigegewinn für Polen. Allerdings sollte sich das Königtum zunächst nicht als dauerhaft erweisen. |
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Nach dem Tod Kasimirs 1058 folgte ihm sein Sohn [[Bolesław II. (Polen)|Bolesław II.]] nach. Dieser betrieb eine erfolgreiche Außenpolitik und entledigte sich der Tributpflicht für Schlesien an Böhmen. Er setzte vor allem im Bereich der kirchlichen Strukturen die Wiederaufbauarbeit seines Vaters fort. Einen Schatten auf seine Herrschaft warf die Verurteilung und Tötung des Bischofs [[Stanislaus von Krakau]] unter unklaren Umständen, welche einen Aufstand gegen Bolesław auslösten, der zu seiner Flucht führte. Auf Bolesław II. folgte sein jüngerer Bruder [[Władysław I. Herman]]. Für einige Jahre zahlte er wieder Tribut an Böhmen für den Besitz Schlesiens. Zum Ende seiner Herrschaft geriet er in Konflikt mit seinen Söhnen, Bolesław (III.) und Zbigniew. Er musste ihnen auf Druck der Adelsopposition 1098 eigene Provinzen zuteilen, behielt aber die Oberherrschaft mit Hauptsitz in [[Płock]]. Während seiner Herrschaft kamen 1096 die ersten [[Juden in Polen|Juden]] in großer Zahl nach Polen, die dort Schutz gegen die [[Pogrom]]e, die während des [[Erster Kreuzzug|Ersten Kreuzzugs]] in [[Deutscher Kreuzzug von 1096|vielen Städten Westeuropas]] ausbrachen, suchten. Władysław Herman starb 1102 und hinterließ ein zwischen seinen Söhnen zweigeteiltes Polen. [[Bolesław III. Schiefmund]] unterwarf 1108 seinen Halbbruder [[Zbigniew (Polen)|Zbigniew]] und wehrte 1109 einen Kriegszug Kaiser [[Heinrich V. (HRR)|Heinrichs V.]], der damit nicht einverstanden war, erfolgreich ab. Unter seiner Herrschaft dehnte Polen seinen Machtbereich durch die endgültige Unterwerfung der heidnischen [[Pomoranen]] auf Pommern aus. In Ottos Geleit kamen unter anderem die ersten deutschen Siedler als Mönche nach Pommern. Bolesławs Einflussbereich erstreckte sich bis ins heutige [[Brandenburg]] hinein. Durch die Gründung des [[Bistum Lebus|Bistums Lebus]] blieb Brandenburg bis ins 15. Jahrhundert kirchlich mit dem [[Erzbistum Gnesen]] verbunden. Gegen Ende seiner Regierungszeit verwickelte er Polen in Konflikte mit Ungarn und Böhmen, die bei dem [[Hoftag von Merseburg (1135)|Hoftag von Merseburg]] 1135 und im [[Pfingstfrieden von Glatz]] 1137 beigelegt werden konnten. Seine Töchter ließ er in die skandinavischen, sächsischen und ruthenischen Herrscherhäuser einheiraten. Da Bolesław III. Bruderkämpfe unter seinen vier Söhnen vermeiden wollte, teilte er sein Reich nach slawischem Brauch auf, wobei der Älteste des Piastengeschlechts im Rahmen des [[Senioratsprinzip]]s die Einheit des Landes nach außen verkörpern sollte.<ref>Manfred Alexander: ''Kleine Geschichte Polens.'' Stuttgart 2008, S. 35.</ref> |
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Boleslaw förderte den christlichen Glauben in Polen, wissend, dass der Papst im [[11. Jahrhundert]] einer der bedeutendsten machtpolitischen Konkurrenten des deutschen Kaisers war. Durch die erfolgreiche Gründung einer unabhängigen polnischen Kirchenprovinz mit dem Erzbistum Gnesen und seiner Krönung zum ersten polnischen König begründete er die polnische Emanzipation vom Heiligen Römischen Reich. Er war auch der Begründer der polnischen [[Kastellan|Kastellanverfassungsordnung]]. Er hat aus dem relativ kleinen, unbedeutenden Herzogtum seines Vaters einen in der ganzen Region bedeutsamen Staat gemacht. In Polen gilt er bis heute als eine der wichtigsten historischen Persönlichkeiten. Er liegt neben seinem Vater Mieszko I. in der Kathedrale von Posen begraben. |
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== 1138–1295: Partikularismus == |
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===Die Wirren unter Mieszko II.=== |
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[[Datei:Polen im Jahr 1190.jpg|mini|Das Seniorat Polen bzw. die polnischen Herzogtümer (auf der Karte ''Kgr. Polonia'') und seine Nachbarn. politische Lage des Jahres 1190]] |
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In den nächsten 150 Jahren entbrannten dauerhafte Kämpfe um die Kontrolle Krakaus und die Vorherrschaft über das gesamte Land. Das Königreich zerbrach in mehrere piastische Herzogtümer, die sich um Macht, Territorien und Einfluss gegenseitig befehdeten. Der Älteste des Piastengeschlechts, [[Władysław II. (Polen)|Władysław II.]], wurde Seniorherzog von Polen mit Sitz in Krakau. Die jüngeren Brüder herrschten als Juniorherzöge in den ihnen zugeteilten Regionen, sodass die politisch-militärische Stellung Polens im Europa des 13. Jahrhunderts geschwächt wurde. Die Idee des polnischen Einheitsstaates lebte indes weiter in der einheitlichen Kirchenorganisation und der Tradition der großen Adelsgeschlechter sowie in der dynastischen Verwandtschaft aller Herrscher.[[Datei:Deutsche Ostsiedlung.png|mini|links|Deutsche Kolonisation der slawischen Gebiete ab etwa 1200 bis zum Ausbruch der Großen Pestpandemie etwa 1350, die ihr Ende einleitete (Karte nach [[Walter Kuhn (Volkskundler)|Walter Kuhn]])]] |
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[[Bild:250px-Mieszko_II.jpg|thumb|left|150px|schneller Machtverfall unter König [[Mieszko II.]] (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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[[1025]] Nach dem Tod Boleslaws übernahm sein für die damalige Zeit äußerst gebildeter Sohn [[Mieszko II. Lambert|Mieszko Lambert]], er beherrschte neben seiner Muttersprache [[Polnische Sprache|Polnisch]], auch [[Latein]] und [[Griechische Sprache|Griechisch]], die Herrschaft und erhob sich und seine deutsche Frau [[Richeza von Polen|Richeza]] in den Stand der Könige, um seine [[Souveränität]] vor der [[Lehen|Lehnsherrschaft]] der römisch-deutschen Kaiser zu sichern. Jedoch gelang es ihm nicht, die von seinem Vater eroberten Gebiete lange zu halten. Nach nur fünf Jahren der Herrschaft begann sein Reich, bedingt durch diverse militärisch-ökonomische, aber auch soziale Umstände in Form von Kriegen, Aufbau der jungen Monarchie und der Kirche, die riesige Kosten verursachten, und nun mehr dem einfachen Volk auferlegt wurden (siehe auch [[Kirchenzehnt]]) und von außen erzeugte Instabilitäten, ins Ausland geflüchtete (Halb-)brüder Mieszkos, [[Otto (Polen)|Otto]] und [[Bezprym]], die mit dem Willen des Vaters Boleslaw brachen, zu erodieren. |
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Als [[Mieszko III.]] durch lokale Magnatengeschlechter abgesetzt wurde, setzten sich 1177 die jüngeren Vertreter der Dynastie in Krakau durch. Zwar blieb eine gewisse Oberhoheit des Herzogs von Krakau erhalten, aber die Versammlung der polnischen Herzöge und Bischöfe zu Łęczyca hob 1180 das [[Senioratsprinzip]] auf und verbriefte die Vorrechte der Geistlichkeit. Eine Einheit Polens gab es nicht mehr; die Herzogtümer der Piasten bestanden als souveräne Regionen nebeneinander. |
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In väterlicher Tradition unternahm der neue Herrscher in den Jahren [[1028]] und [[1030]] [[Prävention|präventive]] Kriegszüge gegen östliche Teile des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]], vor allem [[Thüringen]] und [[Herzogtum Sachsen|Sachsen]] (Einnahme und Zerstörung von [[Hamburg]]), da der neue Kaiser im Reich, [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]], ihn als König nicht anerkennen wollte und zu seinen Intimfeinden gehörte. Dies brachte ihm im [[HRR|Reich]] der [[Salier]] und im restlichen Europa (Kiewer Rus, Ungarn, Böhmen) viele Feinde ein und überforderte am Ende den immer noch jungen Staat. Außerdem provozierte es mehrere gleichzeitige militärische Reaktionen Konrads und des Großfürsten von Kiew, [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaws des Weisen]], der zu den Feinden seines Vaters gehörte. Dieser mächtigen Allianz konnte Mieszko nicht mehr gerecht werden und am Ende überforderte sie ihn schlicht. Dies führte zum Verlust einiger Gebiete (Mähren, Slowakei, Tscherwenische Burgen und Mark Lausitz) und zur Stärkung der inneren Opposition, da sich Mieszkos Brüder jetzt mit den Gegnern des Herrschers verbünden konnten. Schließlich wurde Mieszko [[1031]] sogar gestürzt und musste fliehen und das Land seinen (Halb-)brüdern Bezprym und Otto überlassen. |
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Die Senioratsprovinz Kleinpolen mit Krakau fiel 1194 an [[Leszek I.]] In seiner Titulatur ''dux totius Poloniae'' erhob Leszek I. als letzter Herzog Ansprüche auf die Oberhoheit in ganz Polen und versuchte diese ab 1217 auch in Pommerellen durchzusetzen. Die polnischen Fürsten trafen sich 1227 in Gąsawa, [[Kujawien]], zu einem [[Wetsche|Wiec]], um sich gegen Herzog [[Swantopolk II.|Swantopolk von Pommerellen]] und ihren Vetter, den Piasten [[Władysław Odonic]], Herzog von [[Herzogtum Großpolen|Großpolen]] und Enkel Mieszkos III., zu beraten. Die Versammlung flog auf, Leszek fand auf der Flucht vor pommerellischen und großpolnischen Häschern den Tod und mit ihm verschwand die Zentralgewalt in Polen völlig. Bis auf die kirchlichen Strukturen des Erzbistums Gnesen gab es kein überregionales polnisches [[Landesrecht]] oder sonstige überregionale Landesinstitutionen mehr. Die verstärkte Zersplitterung polnischer Länder erleichterte den deutschen und böhmischen Fürsten ab Mitte des 13. Jahrhunderts ihre Expansion in Polen. |
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[[Bild:Rycheza.jpg|thumb|right|150px|Die Nichte des Kaisers, Herzögin [[Richeza_von_Polen|Richeza]], Königin von Polen (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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=== Deutsche Ostsiedlung === |
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Bezpryms Herrschaft dauerte nicht lange. Es kam zum Aufstand gegen den neuen Herrscher. Kurz darauf wurde Bezprym [[1032]] ermordet. Der Tod Bezpryms eröffnete für Mieszko die Möglichkeit der Rückkehr in die Heimat. Er verständigte sich mit seinem jüngeren Bruder Otto und kam aus [[Böhmen]] nach Polen zurück. Auch mit Kaiser Konrad, nachdem dieser mit einer weiteren militärischen Intervention in Polen drohte, einigte sich Mieszko im Rahmen des Hoftags von Merseburg [[1033]] bald. Mieszko verzichtete auf Druck des Kaisers auf die Königskrone, und teilte sein Reich zunächst mit seinem Bruder Otto und einem gewissen [[Dietrich (Polen)|Dietrich]]. [[1033]] verstarb bereits Mieszkos Bruder Otto und Dietrich verlor aus nicht bekannten Gründen seinen ihm zugewiesenen polnischen Machtbereich und so konnte Mieszko noch kurz vor seinem Tod am [[10. Mai]] [[1034]] die Hauptprovinzen Polens an seine Herrschaft binden. |
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In diese Zeit fiel eine verstärkte Kolonisation polnischer Gebiete durch [[Hochmittelalterliche Ostsiedlung|Auswanderer aus dem Heiligen Römischen Reich]]. Bis 1250 waren große Teile Pommerns und Schlesiens mit Deutschen und [[Flamen]] besiedelt, die durch einheimische Herren, wie die [[Greifen]] in Pommern und die schlesischen Piasten ins Land geholt wurden. Die pommerschen Adligen und die schlesischen Fürsten versprachen sich durch die neuen Siedler in erster Linie eine höhere wirtschaftliche Prosperität, ein besseres Steueraufkommen, vor allem aber einen schnelleren Anschluss an die (land)wirtschaftlich-städtischen Standards Westeuropas. Aufgrund der Anzahl der Neusiedler und durch den persönlichen Einsatz und Förderung der Ostsiedlung durch die polnischen Landesfürsten wurden weite Teile des mittelalterlichen Polens im Laufe der Jahrhunderte ein Teil des deutschen Sprachraums und verloren dauerhaft ihren slawisch-polnischen Charakter. Auch öffneten sich einige Regenten, wie zum Beispiel die schlesischen Piasten, freiwillig dem [[Deutschtum]] durch Besetzung hoher Ämter im Staat und in kirchlichen Strukturen mit Deutschen und Ehen mit Prinzessinnen aus deutschen Adelshäusern, woraus sich Verwandtschaftsbeziehungen mit dem deutschen Hochadel ergaben. Als die Greifen und die schlesischen Piasten in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts polnische Seniorherzöge und die mächtigsten Landesfürsten waren, begünstigte dies zusätzlich die Ostkolonisation und die Ausbreitung des Deutschtums in Schlesien und über die Grenzen Schlesiens hinaus. Die Entslawisierung und die entsprechende [[Germanisierung]] vollzogen sich friedlich und waren keine brutale deutsche Landnahme polnischer Gebiete – jedoch sind Konflikte zwischen den Alteingesessenen und den Zuwanderern infolge mangelnder Interessenswahrung beider Seiten durch den Prozess der Ostsiedlung plausibel, zumal die Zuwanderer keine slawische Sprache beherrschten. Erst Ende des 13. Jahrhunderts und seit Beginn des 14. Jahrhunderts wurden die kulturell-wirtschaftliche Dominanz und der Einfluss des Deutschtums in den Kernprovinzen Polens (Klein- und Großpolen) wieder zurückgedrängt. Weite Landstriche und viele Städte wurden repolonisiert. |
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=== Mongolensturm von 1241 und fortdauernde Schwächung === |
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Die boleslawischen Erwerbungen, sowohl im Osten als auch im Westen, waren jedoch verloren. Polen beschränkte sich auf die Hauptprovinzen Groß-/Kleinpolen, Masowien, Pommerellen und Schlesien und entsprach um [[1034]] somit ungefähr den heutigen Grenzen, doch hinterließ er nach seinem Tod ein von Aufständen und heidnischer Reaktion zerrüttetes Land. Mit dem Verzicht auf die Königswürde stand Polen ab [[1033]] für Jahrzehnte wieder in formeller Abhängigkeit zu römisch-deutschen Kaisern. |
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[[Datei:Barbarossa.jpg|mini|Kaiser Friedrich I. Barbarossa, aus dem Geschlecht der [[Staufer]], intervenierte militärisch in Polen]] |
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Der ins Reich geflohene ''Władysław der Vertriebene'' gewann die Gunst des Kaisers, für ihn in Polen 1157 militärisch zu intervenieren. [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich Barbarossa]] zwang den polnischen Seniorherzog [[Bolesław IV. (Polen)|Bolesław IV.]] im [[Frieden von Krzyszkowo]] zur Herausgabe [[Schlesien]]s an die Söhne des geschassten Souveräns und machte ihn für einen Teil seines Reiches [[lehnspflicht]]ig. Jedoch zögerte Bolesław einige Jahre, der staufischen Forderung nachzukommen, und erst im Jahre 1163, unter der Drohung einer neuen kaiserlichen Intervention, händigte er Schlesien an die Söhne Władysławs, [[Boleslaw I. (Schlesien)|Bolesław den Langen]] und [[Mieszko IV.|Mieszko Kreuzbein]] aus. Mit der Aushändigung dieser Provinz an die Nachkommen Władysławs entstand die langlebige Linie der [[Schlesische Piasten|Schlesischen Piasten]]. |
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===Staatskrise und Erneuerung=== |
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Die einsetzende Einigung Polens durch die schlesische Linie der Piasten nahm mit dem Tod [[Heinrich II. (Polen)|Heinrichs des Frommen]] ein jähes Ende. Der Herzog verlor im Kampf gegen die [[Goldene Horde]] in der [[Schlacht bei Liegnitz (1241)|Schlacht bei Liegnitz]] sein Leben, und das [[Herzogtum Schlesien]] zerfiel nach 1241 in eine Vielzahl feudalistischer Fürstentümer, die nach dem [[Geschichte der Mongolen|Mongolensturm]] in den Einflussbereich Böhmens gelangten. Die Mongoleninvasion steigerte die Wirkung der deutschen Ostkolonisation in Polen und in anderen von ihr betroffenen Regionen Mitteleuropas, wo ein beträchtlicher Teil der slawischen Bevölkerung den Tod fand oder in die mongolische Knechtschaft getrieben wurde. Die Mongolen, die man auch [[Tataren]] nannte, zogen sich in die von ihnen eroberten ruthenischen Fürstentümer zurück. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts blieben sie dennoch eine ständige Bedrohung und unternahmen weitere Raubzüge Richtung Westen, die das politisch zersplitterte Polen wirtschaftlich und militärisch schwächten, sodass die Landesfürsten der Nachbarvölker, wie der Litauer, vor allem aber der Böhmen und der Deutschen begannen, ihre eigenen Territorien auf polnischem Territorium zu erweitern. |
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[[Bild:Casimir_I.jpg|thumb|left|150px|Herzog [[Kasimir I. (Polen)|Kasimir I.]] setzte sich um [[1039]] endgültig in Polen durch (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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[[1034]] ging die Herrschaft auf Mieszkos Sohn [[Kasimir I. (Polen)|Kasimir]] über, der aus der Heimat seiner deutschen Mutter kommend, die Gewalt im Staate übernahm. Er hielt sich jedoch nicht lange an der Macht und musste bereits [[1037]], auf Druck der Opposition, Polen Richtung Ungarn verlassen. Eventuell kam er überhaupt erst [[1039]] das erste mal nach Polen. Von [[1037]] bis [[1039]] fand ein Auflösungsprozess des polnischen Staates statt. Es kam vor allem in der Region [[Großpolen]] zu Aufständen gegen die Kirche und das [[Magnat]]entum, den eigentlichen Profiteuren des sozio-politischen Umbruchs der ersten Piasten - die Einführung eines dem "Zehnten" ähnlichen Systems für die Kirche und den Adel - die Bauern waren bis dato frei -, verbunden mit einem starken Rückfall ins Heidentum. Einzelne Regionen verselbständigten sich, zum Beispiel [[Masowien]] und [[Pommern]]. |
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Den Niedergang der piastischen Zentralgewalt ausnutzend, unternahm der böhmische Herzog einen Kriegszug in das polnische [[Vakuum]], bei dem er die Gebeine des [[Adalbert von Prag|Hl. Adalbert]] erbeutete, das Land (v.a. Großpolen), fast ohne Widerstand, verwüstete und Schlesien eroberte. Hinzu kamen noch Plünderungszüge der heidnischen [[Pruzzen]] und [[Pomoranen]]. |
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Die Expansion der Mark Brandenburg nach Osten auf polnisch-piastische Gebiete führte 1250 zum Verlust von Lebus und zur Entstehung der Neumark als Gegenstück zur Altmark. Polen wurde um 1250 für Jahrhunderte von der heutigen [[Oder]]grenze abgedrängt, trotz Rückeroberungsversuchen unter König Władysław I. Ellenlang Anfang des 14. Jahrhunderts. |
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Der neue Kaiser im Reich, [[Heinrich III. (HRR)|Heinrich III.]], befürchtete nun ein politisches Erstarken Böhmens unter [[Břetislav I. (Böhmen)|Břetislav I.]] und erteilte dem jungen Herzog Kasimir [[1039]], nachdem dieser zuerst sein [[Vasall]] geworden war, militärische Hilfe. Mit dieser gelangte der Herzog in den Besitz Großpolens und [[1040]] [[Kleinpolen]]s mit [[Krakau]] zurück. Sogleich machte er Krakau zur neuen Hauptstadt Polens, weil Großpolen durch die vielen Aufstände und den böhmisch-polnischen Krieg zu verwüstet war. |
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=== Hilfe des Deutschen Ordens === |
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[[1041]] zwang der Kaiser den böhmischen Herrscher zum Verzicht auf Ansprüche gegenüber Polen, gab jedoch Schlesien nicht an Polen zurück. Um die Grenze im Osten abzusichern, schloß Kasimir im gleichen Jahr ein Bündnis mit [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaw von Kiew]] und heiratete wenig später dessen Schwester, Fürstin Dobroniega-Maria. Jaroslaw gewährte ihm daraufhin militärische Hilfe bei der Rückeroberung [[Masowien]]s und [[Pommerellen]]s mit [[Danzig]] [[1047]]. |
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[[Datei:Castillo de Malbork, Polonia, 2013-05-19, DD 04.jpg|mini|Die [[Ordensburg Marienburg]], Symbol der Macht der Ordensritter und ab 1309 Hauptstadt des Deutschen Ordens in Preußen (Prūsa, Prußenland)]] |
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Der polnische Herzog [[Konrad I. (Polen)|Konrad I.]] begann seinen Machtbereich zu erweitern. Das prußische Gebiet um [[Chełmno|Kulm]] war sein Kriegsziel. Die Expansion auf Kosten seiner heidnischen Nachbarn endete im Fiasko. Er verlor seine Eroberungen und wurde nun seinerseits vom erwachten Nachbarn bedroht. Da er zudem in Konflikte mit anderen Piastenherrschaften verwickelt war, richtete er den Blick auf den Deutschen Orden, der 1225 aus Ungarn vertrieben wurde, weil der Orden in [[Siebenbürgen]] im Kampf gegen heidnische Steppenvölker, die [[Kumanen]], einen eigenen Staat gründen wollte. 1226 bat Konrad von Masowien den [[Deutscher Orden|Deutschen Orden]] um Hilfe und versprach ihm das [[Kulmer Land]] als herzogliches Lehen, als Gegenleistung und Ausgangsbasis für ihren Kampf gegen die Heiden. Inwieweit die zu erobernden Gebiete gemäß der Vereinbarung dem Orden zustanden, ist bis heute unklar und hat in der Vergangenheit zu Streitigkeiten zwischen deutschen und polnischen Historikern geführt. Um sich gegen eine ähnliche Entwicklung wie in Ungarn abzusichern, ließ sich der Hochmeister des Deutschen Ordens, [[Hermann von Salza]], von Kaiser [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] im März 1226 den Besitz des Kulmer Landes und aller zu erobernden Gebiete mit der [[Goldbulle von Rimini|Goldenen Bulle von Rimini]] bestätigen. Zusätzlich schloss der Orden mit dem Herzog am 16. Juni 1230 den [[Vertrag von Kruschwitz]], der ihm das Land zur freien Verfügung stellte. Zwischen dem Deutschen Ritterorden im Prußenland und Polen, später auch [[Großfürstentum Litauen|Litauen]], wuchs eine jahrhundertelange Feindschaft. |
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Vor seinem Tod [[1058]] erwarb er um [[1046]], gegen den Willen des Kaisers, [[Schlesien]] - Restauration des Bischofssitzes in [[Breslau ]] - von den [[Böhmen]] zurück. Erst nachdem Břetislav I. [[1053]] - [[1055]] die "bayrische Rebellion" gegen den Kaiser unterstützte und hierdurch bei ihm in Ungnade fiel, musste er auf Drängen des deutschen Souveräns [[1054]] in [[Quedlinburg]] auf Schlesien endgültig verzichten, gegen jährliche Tributzahlungen aus Polen, was zum Anlaß für weitere böhmisch-polnische Auseinandersetzungen wurde. Die beiden gleichstarken slawischen Staaten wurden so für Jahrzehnte politisch-militärisch geschwächt. |
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== 1295–1386: Wiedervereinigung == |
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[[Bild:Boleslaus_the_Bold.jpg||thumb|left|150px|König [[Boleslaw II. (Polen)|Boleslaw der Kühne]] kämpfte erfolgreich gegen den Kaiser und in der [[Kiewer Rus]] (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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=== Ende des Partikularismus === |
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Kasimir der Erneuerer gilt als derjenige polnische Herrscher, der den christlichen Staat der [[Piasten]] nach der letzten größeren heidnischen Reaktion wiederaufgebaut hat und zudem durch seine Landvergabe an Krieger zu deren Versorgung das Rittertum in Polen eingeführt hatte. |
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[[Datei:Pieczec Przemyslaw II.jpg|mini|Przemysławs königliches Siegel mit dem gekrönten weißen Adler der Piasten; das [[Wappen Polens]] hat hier seinen Ursprung]] |
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Erneute Wiedervereinigungsversuche wurden von Posen und Gnesen aus unternommen. Herzog [[Przemysław II.]] von [[Herzogtum Großpolen|Großpolen]] übernahm Ende des 13. Jahrhunderts den Führungsanspruch bei der Vereinigung piastisch-polnischer Herzogtümer. Zwar kam er nie in den dauerhaften Besitz des [[Herzogtum Krakau|Herzogtums Kleinpolen-Krakau]], regierte dort nur etwa ein Jahr und musste es auf Druck des böhmischen Königs 1291 Richtung Posen verlassen. Im Besitz der Krakauer Königsinsignien und als Regent der Herzogtümer Großpolen und Pommerellen (ab 1294) wurde er jedoch 1295 vom polnischen Erzbischof [[Jakub Świnka]] in Gnesen zum vierten polnischen König seit Bolesław dem Kühnen gekrönt. Mit diesem symbolischen Akt wollte er den polnischen Partikularismus beenden und fokussierte mit seiner Krönung die Kräfte des polnischen Adels und der Kirche zur Wiedererlangung der staatlichen Einheit Polens gegen die deutschen und böhmischen Landesfürsten. |
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Nach dem Tod von Kasimir [[1058]] folgte ihm sein Sohn [[Boleslaw II. (Polen)|Boleslaw der Kühne]] nach. Dieser betrieb eine sehr erfolgreiche Außenpolitik. So entledigte er sich der Tributpflicht für Schlesien an Böhmen. Auch gelang es ihm [[1077]] mit Erlaubnis des Papstes [[Gregor VII.|Gregors VII.]] die Königswürde wiederherzustellen. Er setzte, vor allem im Bereich der kirchlichen Strukturen, die Wiederaufbauarbeit seines Vaters fort. Einen Schatten auf seine Herrschaft wirft die Verurteilung und Tötung - unter unklaren Umständen - des Bischofs [[Stanislaus von Krakau]], welche einen Aufstand gegen Boleslaw auslösten, der schließlich zu seiner Flucht nach [[Ungarn]] führte, wo er auch [[1082]] starb. |
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Während einer Reise nach Posen Anfang Februar 1296 wurde er in [[Rogoźno]] bei Posen von einer Gruppe adliger Oppositioneller gefangen genommen und erschlagen. Mit ihm starb die großpolnische Linie der Piasten, die durch Mieszko den Alten begründet worden war, im Mannesstamm aus. Großpolen und Pommerellen fielen seinem piastischen Vetter, Władysław Ellenlang, Herzog von [[Herzogtum Kujawien|Kujawien]] zu, der beide Provinzen bis 1300 gegen Böhmen behauptete. |
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Boleslaw II. folgte dessen jüngerer Bruder [[Wladyslaw I. Herman|Wladyslaw Herman]]. Bereits wenige Jahre nach seiner Thronbesteigung versöhnte er sich mit dem Sohn seines vertriebenen Bruders, gestattete ihm zurückzukehren und stattete ihn mit einer eigenen Provinz aus. Für einige Jahre zahlte er wieder Tribut für den Besitz Schlesiens. Zum Ende seiner Herrschaft geriet er in Konflikt mit seinen Söhnen, [[Boleslaw III. (Polen)|Boleslaw III.]] und [[Zbigniew]], und musste ihnen [[1098]] auf Druck der Adelsopposition, sein Neffe war inzwischen verstorben, eigene Provinzen zuteilen, behielt aber noch die Oberherrschaft. Er starb schließlich [[1102]]. |
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Nach dem Tod des Königs eigneten sich die Brandenburger im Verbund mit den Herzögen von [[Herzogtum Glogau|Glogau]], Heinrich III., einige Warthe- und Netzedistrikte Großpolens an. Der böhmische König [[Wenzel II. (Böhmen)|Wenzel II.]] bemächtigte sich mit Hilfe der polnischen Kirche und des in Polen ansässigen deutschen Bürgertums des Landes. Er war bereits ab 1291 Herr von Kleinpolen einschließlich Krakau, neun Jahre später folgte 1300 die Erhebung zum polnischen König. Um seiner Herrschaft in Polen legalen Eindruck zu verleihen, heiratete Wenzel 1303 Przemysławs Tochter [[Elisabeth Richza von Polen|Elisabeth Richza]]. Nach seiner Krönung drängte der Böhme seinen politischen Gegenspieler Władysław Ellenlang ganz aus Polen, der Schutz und Hilfe im ungarischen [[Exil]] suchen musste. Der böhmische Besitz Polens, wie auch der polnischen Krone, wurde jedoch durch Papst [[Bonifatius VIII.]] für illegal erklärt, und durch die Ermordung [[Wenzel III. (Böhmen)|Wenzels III.]], des polnischen [[Titularkönig]]s, erlosch 1306 das alte tschechische Geschlecht der [[Přemysliden]] im erbberechtigten Mannesstamm. In Böhmen kam die erste deutsche Dynastie, das [[Haus Luxemburg]], an die Macht. |
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[[Bild:Boleslav_III_of_Poland.jpg|thumb|150px| Neue Machtentfaltung unter [[Boleslaw III. (Polen)|Boleslaw Schiefmund]] (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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Nach dem Tod des Böhmen wurde Władysław I. Lokietek (Ellenlang) als neuer Herrscher anerkannt. Mit ungarischer Hilfe kehrte er aus dem Exil zurück und übernahm in den Jahren 1305–1306 weite Teile Polens (Kleinpolen, Mittelpolen mit den Hauptburgen [[Sieradz]] und Łęczyca, Kujawien und Dobrin). Unter seiner Herrschaft wurde Polen in einer etwas verkleinerten Form wiedervereinigt. |
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===Boleslaw Schiefmund und sein Testament=== |
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=== Konflikte um die Westgebiete unter König Władysław I. Ellenlang === |
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Boleslaw gelang es [[1108]] seinen Halbbruder Zbigniew zu unterwerfen und [[1109]] einen Invasionsversuch Kaisers [[Heinrich V. (HRR)|Heinrich V.]], der damit nicht einverstanden war, erfolgreich abzuwehren, sodass Polen bereits nach wenigen Jahren geeinigt war. |
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[[Datei:Deutscher Orden 1410+Farb.png|mini|hochkant=1.5|Die Besitzungen, Hauptsitze und Erwerbungen des Deutschen Ordens in Preußen und der Livländischen Union bis zum Jahre 1410]] |
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In [[Pommerellen]] und [[Danzig]] rief [[Władysław I. Ellenlang]] den [[Deutscher Ritterorden|Deutschen Ritterorden]] zu Hilfe, um sich gegen die Brandenburger durchzusetzen. Weil er die vereinbarten Kriegsschulden nicht bezahlte, behielten die Deutschritter Danzig, ein zeitübliches Vorgehen (siehe [[Übernahme von Danzig durch den Deutschen Orden]]). Der Orden erwarb auch Pommerellen und verlegte angesichts der gescheiterten Kreuzzüge und der Auflösung des [[Templerorden]]s den Hochmeistersitz von [[Venedig]] in die [[Ordensburg Marienburg|Marienburg]] in das [[Weichseldelta]]. Damit begann ein Konflikt mit dem christlichen Staat Polen, der zwischen Pommern und Preußen einen Zugang zur Ostsee entlang der Weichsel anstrebte. |
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Unter Boleslaw III. dehnte Polen [[1121]], bis zur Intervention [[Heinrich der Löwe|Heinrichs des Löwen]] um [[1164]], seinen Machtbereich auf [[Pommern]] aus, durch die Unterwerfung der heidnischen [[Pomoranen]], damit der letzten freien heidnischen Slawengebiete, die er von [[Otto von Bamberg]] christianisieren ließ. In Ottos Geleit kamen unter anderem die ersten deutschen Siedler als Mönche nach [[Pommern]]. Auch erstreckte sich Boleslaws Einflußbereich bis ins heutige [[Brandenburg]] hinein - Gründung des Bistums [[Bistum_Lebus|Lebus]] -, womit [[Brandenburg]] bis [[1424]] kirchlich mit dem polnischen Erzbistum [[Gnesen]] verbunden war. |
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Im [[Krakauer Aufstand des Vogtes Albert]] strebte die Stadt unter Führung deutscher Bürger, im Bündnis mit anderen Städten und Teilen der Kirche, mehr Rechte an. Władysław schlug diesen Aufstand 1311 nieder, die folgenden Repressionen brachen dauerhaft den politischen Einfluss der Städte, auch Posens.<ref>Sławomir Gawlas: ''Die Probleme des Lehnswesens und des Feudalismus aus polnischer Sicht.'' In: Michael Borgolte, Ralf Lusiardi: ''Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs.'' Akademie Verlag, 2001, [http://books.google.com/books?id=vizjOyzEUFEC&pg=PA120&dq=krakauer+aufstand+1311&as_brr=3&sig=ACfU3U11AXnvnMjRn57C4FPxvkQaxxfOsA S. 120.]</ref> Während einer Rebellion des großpolnischen Adels 1314 gegen die Herrschaft der Herzöge von Glogau wurde das Herzogtum Großpolen an das Reich Władysławs angeschlossen. 1320 erfolgte in Krakau seine Krönung zum König von Polen. |
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Da er viele männliche Nachkommen hatte und er Kämpfe unter seinen Söhnen vermeiden wollte, wie damals die seinen mit Zbigniew, teilte er sein Reich - nach slawischem Brauch - unter seinen Söhnen auf, indem nur der älteste des Piastengeschlechts im Rahmen des [[Senioratsprinzip]]s das Land nach außen repräsentieren sollte. |
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1325 versuchte Władysław die unklare Situation in der Mark Brandenburg, die nach dem Aussterben der brandenburgischen Linie der [[Askanier]] 1320 entstand, im Bündnis mit Litauen, dessen Staatsspitze noch „heidnisch“ war, auszunutzen und begrenzte im [[Frieden von Landsberg]] den Herrschaftsbereich der märkischen Grafen auf das Gebiet westlich der Oder, was wenige Jahre später dem Deutschen Orden den Vorwand zum Eingreifen gab. Offen unterstützte ihn der Lebuser Bischof [[Stephan II. (Lebus)|Stephan II.]] zum Verdruss seines neuen Landesherrn, des Markgrafen [[Ludwig V. (Bayern)|Ludwig]] aus dem Haus der [[Wittelsbach]]er. Der kleine Krieg brachte kaum Landgewinne für Polen und hinterließ in der Neumark ein Gebiet der verbrannten Erde. 1329 wurde mit den Brandenburgern Frieden geschlossen, da sich die Luxemburger mit den Ordensrittern gegen ihn verbündeten. Im Winter 1327 zog König [[Johann von Böhmen]] gegen Krakau, musste aber auf ungarischen Druck zurückweichen, dennoch huldigten ihm viele Herzöge von Schlesien. Nach dem Jahr 1331 erkannten viele Piasten-Fürsten Schlesiens die böhmische Lehnshoheit an. |
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==Die Zeit der Zersplitterung: Der Partikularismus 1138 - 1295 == |
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Eine gegen Polen gerichtete Expansionspolitik des Deutschen Ritterordens führte 1329 zum Verlust des [[Dobriner Land|Dobriner Ländchens]] und von Kujawien 1332, die Region Großpolen mit dem Erzbistum Gnesen wurde verwüstet. Nach der [[Schlacht bei Płowce]] 1331 gegen die vereinigten Heere der Ordensritter und der Böhmen konnte der polnische König die [[Annexion]] beider Gebiete nicht verhindern. Angesichts der Schwäche des polnischen Königs leistete der Herzog von Masowien [[Wacław von Płock]] dem böhmischen König den Lehnseid. Während eines Waffenstillstands im Sommer 1332 starb der König. Die Macht ging an seinen Sohn Kasimir über, der sich sofort nach dem Tode des Vaters zum polnischen König krönen ließ und ein schwieriges Erbe übernahm. |
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===Das Scheitern des Senioratsprinzips und die deutsche Ostkolonisation=== |
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Władysław ging in die polnische Geschichtsschreibung als Reichseiniger Polens ein. Der Umklammerung durch die deutschen Territorialstaaten stellte er Bündnisse mit dem Großfürstentum Litauen und dem [[Königreich Ungarn]] entgegen. Er fand im Kampf gegen die deutschen Feudalherren und das deutsche Patriziat in polnischen Städten starke Unterstützung in der polnischen Kirche und beim Papst. Die Könige Böhmens leiteten Ansprüche auf die Krone Polens und die schlesischen Fürstentümer ab. Trotz dieser Umstände konnte er sein Werk mit einer Krönung zum polnischen König festigen. Władysław verfehlte jedoch sein Ziel, die alten piastischen Grenzen zurückzugewinnen. Er vermachte seinem Sohn nur zwei alte Herrschaftsbereiche der Piasten, Großpolen mit dem Zentrum Posen und Kleinpolen mit Krakau. |
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[[Bild:The_First_Sejm_1182.jpg|thumb|left|260px|Treffen der polnischen Herzöge und Bischöfe in [[Łęczyca]] zum ersten polnischen [[Sejm]] in [[1182]] ]] |
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Im Jahre [[1138]] trat die neue Verfassung in Kraft und der älteste Vorsteher des Piastengeschlechts, [[Wladyslaw II. (Polen)|Wladyslaw der Vertriebene]], wurde Seniorherzog von Polen mit Sitz in [[Krakau]], die jüngeren Brüder, die Juniorherzöge, herrschten in den ihnen zugewiesenen Regionen. |
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=== König Kasimir der Große === |
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Bereits [[1146]] kam es zum Bruch und Boleslaws Ältester, Wladyslaw, wurde mit Hilfe des Adels von seinen Brüdern aus Polen vertrieben. Die erhoffte Stärkung der Einheit blieb aus. Vielmehr entbrannten dauerhafte Kämpfe um die Führungsrolle und die Macht in Krakau in den nächsten 150 Jahren. Das Land zerbrach in mehrere de facto unabhängige piastische Herzogtümer -[[Partikularismus]] -, wodurch die politische Stellung und Autorität Polens im Europa des [[13. Jahrhundert]]s beträchtlich geschwächt wurde. Die Idee der polnischen Einheit, des Regnum Poloniae, lebte weiter in der einheitlichen Kirchenorganisation und der Tradition der großen Adelsgeschlechter, sowie in der dynastischen Verbundenheit (Verwandtschaft) aller Herrscher. |
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[[Datei:Polska 1333 - 1370.png|mini|hochkant=1.2|Königreich Polen in den Grenzen von 1370]] |
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{{Hauptartikel|Kasimir III. (Polen)}} |
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Vom politischen Erbe seines Vaters übernahm [[Kasimir III. (Polen)|Kasimir III.]] das Bündnis mit dem Königreich Ungarn und die Konflikte mit |
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Bei der Vertreibung von [[Mieszko III.]] [[1177]], setzten sich die jüngeren Vertreter der Dynastie im ganzen Land durch. Zwar blieb eine gewisse Oberhoheit des Herzogs von Krakau - princeps - erhalten, aber das Seniorat, als Herrschaft des Ältesten, wurde endgültig abgeschafft und |
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* dem Deutschen Orden um das Herzogtum Pommerellen, |
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[[1182]] hob die Versammlung der polnischen Herzöge und Bischöfe in [[Łęczyca]] das Senioratsprinzip formell auf und verbriefte Vorrechte der Geistlichkeit. Die Einheit Polens wurde nicht erreicht. Die Fürstentümer der Piasten bestanden weiterhin als souveräne Regionen nebeneinander. |
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* mit den Luxemburgern Johann und [[Karl IV. (HRR)|Karl IV.]] um die Oberherrschaft in Schlesien, |
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* mit Johann, der als König von Böhmen auch auf die polnische Königskrone Anspruch erhob. |
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Die Länder, die Kasimir erbte, waren relativ klein im Vergleich zu den Grenzen des Staates von 1138. Die westliche Grenze des Reiches war weit nach Osten, fast in die Kerngebiete der alten Polanen, zurückgedrängt worden. Das Herzogtum Pommern verselbständigte sich unter der [[Greifen|Greifen-Dynastie]] im 12. Jahrhundert und geriet nach 1227 unmittelbar in ein Abhängigkeitsverhältnis zur askanischen Mark Brandenburg. Westliche Gebiete des Herzogtums Großpolen, im Oder-Warthe-Land, wurden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch die Markgrafen aus Brandenburg erobert oder käuflich erworben. Ebenso eignete sich im Norden zwischen 1309 und 1332 der Deutsche Orden Pommerellen, Kujawien und das Dobriner Ländchen an. Bereits 1327–1331, unter der Regierungszeit seines Vaters, unterwarfen sich die meisten schlesischen Piasten dem Haus Luxemburg aus Böhmen. Das aus Großpolen, Kleinpolen und einigen mittelpolnischen Ländern bestehende Königreich erhielt den Namen [[Corona Regni Poloniae]]. Wegen seiner militärisch-politischen Unterlegenheit gegenüber den böhmischen und deutschen Landesfürsten befand sich Polen weiterhin in einer äußerst kritischen Lage. Anders als sein Vater, der durch militärische Entscheidungen Lösungen erzwingen wollte, strebte Kasimir eher nach friedlichen und diplomatischen Auswegen. König Kasimir bemühte sich deshalb um eine Beilegung des Konflikts mit Johann. Im [[Vertrag von Trentschin]] und dem [[Hoftag von Visegrád (1335)|Ersten Hoftag von Visegrád]] 1335 sowie dem [[Hoftag von Visegrád (1339)|Zweiten Hoftag von Visegrád]] 1339, sowie nach einem böhmisch-polnischen Grenzkrieg 1345 und dem Tod seines Verbündeten im Reich gegen Böhmen, Kaiser [[Ludwig IV. (HRR)|Ludwig IV.]], 1347, erkannte Kasimir im [[Vertrag von Namslau]] endgültig die böhmische Lehnsherrschaft über Schlesien an. Dies war eine große außenpolitische Niederlage für Kasimir. Das erneuerte Königreich war letztlich nicht in der Lage, die alten piastischen Gebiete zurückzugewinnen, was ein Hauptziel der Außenpolitik der letzten Piasten war. Schließlich inkorporierte der böhmische König Karl IV., seit 1346 auch römisch-deutscher (Gegen-)König, Schlesien 1348 in die Länder der böhmischen Krone. Die einzige Verbindung, die zwischen der schlesischen Provinz und Polen über die Jahrhunderte bestand, war ihre bis ins 19. Jahrhundert dauernde kirchliche Zugehörigkeit zum [[Erzbistum Gnesen]]. |
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[[Bild:Ostsiedlung.jpg|thumb|right|200px|[[Ostkolonisation|Deutsche Kolonisation]] polnischer Gebiete ab [[1200]] bis zum Ausbruch der [[Pest]] etwa [[1350]], die ihr Ende einleitete ]] |
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[[1202]] fiel die Senioratsprovinz Kleinpolen mit Krakau an [[Leszek_I._(Polen)| Leszek den Weißen]], Sohn [[Kasimir_II._(Polen)| Kasimir des Gerechten]] und durch den Tod seines Onkels [[Mieszko_III.|Mieszko des Alten]] brach das Senioratsprinzip de facto und endgültig in Polen zusammen. Seit jener Zeit galt die Herrschaft über Krakau für die jeweiligen Piastenherzöge als Legitimation für Maßnahmen zur Vereinigung des Landes. In seiner Titulatur erhob Leszek als letzter Herzog Ansprüche auf die Oberhoheit in ganz Polen und versuchte diese ab [[1217]] auch in [[Pommerellen]] durchzusetzen. [[1227]] trafen sich die polnische Fürsten in Gasawa, um sich gegen den Herzog [[Samboriden|Swantopolk von Pommerellen]] und ihren Vetter Herzog Wladyslaw Odonic von [[Großpolen]] zu beraten, wo Leszek bei einem plötzlichen Überfall des Swantopolk den Tod fand. |
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[[Datei:Pestilence spreading 1347-1351 europe.png|mini|Beträchtliche sozial-ökonomische Verwerfungen in Europa um 1347, durch den Ausbruch der Pestpandemie (Ausbreitungsgebiet in den Jahren 1347–1351)]] |
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In diese Zeit fiel eine verstärkte deutsche [[Ostkolonisation]]. Bereits zwischen [[1200]] - [[1250]] waren große Teile [[Pommern]]s und [[Schlesien]]s mit Deutschen und [[Flamen]] besiedelt, die durch die einheimischen slawischen Herren, wie die [[Greifen]] in Pommern und die schlesischen [[Piasten]] ins Land geholt wurden. Die pommerschen Adeligen, ebenso die schlesischen Fürsten versprachen sich eine höhere wirtschaftliche Prosperität und Entwicklung ihrer Ländereien. Aufgrund der Anzahl der Neusiedler und durch den persönlichen Einsatz und Förderung der Ostsiedlung durch die polnischen [[Dynast]]en, wurden weite Teile des [[Mittelalter|mittelalterlichen]] Polens ein Teil des deutschen Sprachraums und verloren im Laufe der Zeit ihren slawisch-polnischen Charakter. Auch öffneten sich einige Regenten, wie zum Beispiel die schlesischen Piasten, freiwillig dem Deutschtum - deutscher [[Klerus]], Heirat mit deutschen Prinzessinen, Verwandtschaft zum deutschen Hochadel -, was die deutsche Ostkolonisation und das Deutschtum in Schlesien und über die Grenzen Schlesiens hinaus - deutsches [[Patriziat]] in polnischen Städten z. B. in [[Posen]], [[Danzig]] oder [[Krakau]] -, zusätzlich begünstigte, waren sie in der ersten Hälfte des [[13. Jahrhundert]]s nicht nur polnische Seniorherzöge, sondern auch die mächtigsten Landesfürsten des sich im Partikularismus befindenen Polens überhaupt. Die Entslawisierung und die entsprechende [[Germanisierung]] vollzog sich, zumindest auf die Gebiete Pommerns und Schlesiens beschränkt, relativ friedlich und war keine brutale deutsche Landnahme polnischer Gebiete. Dieses Faktum wurde und wird historisch jedoch kaum wahrgenommen. |
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Da die westlichen Gebiete des [[Frühmittelalter|früh-]] und [[hochmittelalter]]lichen Polens zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein Teil des Heiligen Römischen Reiches wurden, auch ethnisch im Rahmen der deutschen Ostkolonisation, orientierten sich die polnischen Herrscher ostwärts. Durch die Abdrängung Polens in den osteuropäischen Teil des Kontinents, unterwarf er in den Jahren 1340 bis 1366 das von den [[Ruthenien|Ruthenen]] bewohnte [[Fürstentum Halytsch-Wolodymyr]], auch Rotrussland genannt, mit [[Podolien]] seiner Herrschaft. Unter Verzicht auf Pommerellen und des Kulmer Landes, schloss Kasimir 1343 Frieden mit dem Deutschen Orden. Hierfür bekam er Kujawien und das Dobriner Ländchen zurück. Auch suchte König Kasimir seinen Einfluss in Pommern durch ein Bündnis mit den Greifen zu festigen, was zur Besetzung einiger Netze- und Neumarkdistrikte führte. 1348 breitete sich die [[Pest]] in Europa aus. Kasimir begegnete dieser Katastrophe durch die Verhängung einer Quarantäne über sein Reich, sodass die Seuche weitgehend abgewehrt werden konnte. Im Norden seines Reiches wurde das [[Herzogtum Masowien]] 1351 unterworfen. Die piastisch-masowischen Herzogtümer, mit den Hauptburgen Płock und Warschau, wurden nach dem Aussterben der jeweiligen Herrscher dem Königreich einverleibt. Auf Kasimirs Veranlassung, wurde 1364 eine Akademie in Krakau gegründet, die zweite in Mitteleuropa nach [[Karls-Universität Prag|Prag]], später [[Jagiellonen-Universität]] genannt. Kasimir förderte die Städte durch zahlreiche Baumaßnahmen, darunter die Sicherung der Grenzen seines Reiches mit 50 befestigten Burgen, sowie die Aufnahme von Deutschen und Gewährung deutschen Stadtrechts. Er lud nach den [[Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes|Pogromen in Westeuropa]] im Zuge der großen [[Schwarzer Tod|Pest-Pandemie von 1346 bis 1353]] die Juden nach Polen ein, reformierte das Militärwesen, bekämpfte das [[Raubritter]]tum, ließ das polnische [[Rechtswesen]] und [[Münzwesen]] vereinheitlichen, sicherte neue [[Handelsweg]]e und begünstigte die Eröffnung von [[Saline]]n. Die wirtschaftlichen Reformen erforderten die verfassungsrechtliche Kodifikation des Landrechtes, die Statuten Kasimirs des Großen und die Einführung der [[Starostwo|Generalstarosteien]] mit administrativen und gerichtlichen Befugnissen, Staatsrat und Kanzleiführung. Er schuf eigene [[Appellationsgericht]]shöfe für das [[Magdeburger Stadtrecht]]. König Kasimir starb 1370 und hinterließ keinen erbberechtigten männlichen Erben, womit das Piastengeschlecht ausstarb. Obwohl die wiederhergestellte Piastenmonarchie im 14. Jahrhundert die Zurückdrängung ihrer westlichen Grenzen durch die expandierten ostdeutschen Territorialstaaten zum Stillstand bringen konnte und diese teilweise revidieren konnte, war das polnische Territorium im Westen und im Norden beim Ausgang der Dynastie 1370 im Vergleich mit dem Territorialbestand um das Jahr 1000 kleiner geworden. Dies hatte neben der Expansion Brandenburgs und dem [[Deutschordensstaat]] auch die deutsche [[Ostkolonisation]] bewirkt, die zur Herauslösung [[Pommern]]s (1180), [[Pommerellen]]s (1309/1343) und [[Schlesien]]s (bis 1335) aus dem Verband der Monarchie führte. |
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===Äußere Eingriffe und teritoriale Verluste=== |
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Als seinen Nachfolger bestimmte er seinen Neffen, den ungarischen König [[Ludwig I. (Ungarn)|Ludwig von Anjou]], der Polen mit Ungarn bis 1382 in einer [[Personalunion]] verband. Nach Kasimirs Tod wurde Polen 1370 mit dem ungarischen Königshaus verbunden. Ludwig von Anjou entstammte dem [[Haus Anjou|Haus Capet-Anjou]]. Wegen seiner personellen Abwesenheit war er in Polen unbeliebt. Er überließ die Geschäfte Polens seiner polnischen Mutter [[Elisabeth von Polen|Elisabeth]] als Regentin. Auch begann er das polnisch gewordene [[Galizien]] für Ungarn zu beanspruchen, was bei der polnischen Aristokratie auf Widerstand stieß. Da er keine Söhne hatte, wurden dem polnischen Adel 1374 im [[Kaschauer Privileg]] politische Vorrechte und eine fast vollständige Steuerfreiheit gewährt, der dafür die weibliche Thronfolge bestätigte und durchsetzte. Das Kaschauer Privileg wurde zur Grundlage der späteren Adelsdemokratie in Polen.<ref>Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 26.</ref> Ludwig starb 1382 und die Regierungsgeschäfte in Polen gingen an seine Tochter [[Hedwig von Anjou]] (1373–1399) über. Sie wurde 1384 zum regierenden polnischen rex (!) gekrönt. Sie musste ihre Verlobung mit dem Prinzen [[Wilhelm (Österreich)|Wilhelm von Habsburg]] lösen, da der mehrheitlich antideutsch eingestellte polnische Adel keine deutschen Aristokraten zum König haben wollte. |
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====Entwicklung Schlesiens im 12. und 13. Jahrhundert==== |
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== 1386–1569: Polnisch-Litauische Personalunion == |
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[[Bild:1188_friedrich-barbarossa-als-kreuzfahrer-miniatur_1-591x800.jpg|thumb|left|140px|Kaiser [[Friedrich I. Barbarossa]], aus dem Geschlecht der [[Staufer]], intervenierte militärisch in Polen]] |
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<div style="float: right; margin-left: 1em; margin-right: 0; padding: 1em; border: 1px solid darkgray; background: #F5F5F5; max-width: 25%;"> |
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Der in das [[HRR|Reich]] geflohene [[Wladyslaw II. (Polen)|Wladyslaw der Vertriebene]] gewann die Gunst des Kaisers, welcher für ihn in Polen [[1157]] militärisch intervenierte. [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich Barbarossa]] zwang den polnischen Seniorherzog [[Boleslaw IV.]] zur Herausgabe Schlesiens an die Söhne des geschassten Souveräns und machte ihn für einen Teil seines Reiches lehnspflichtig. Jedoch zögerte Boleslaw einige Jahre der staufischen Forderung nachzukommen und erst im Jahre [[1163]], unter der Drohung einer neuen kaiserlichen Intervention, händigte er Schlesien an die Söhne Wladyslaws, [[Boleslaw I. (Schlesien)|Boleslaw den Langen]] und [[Mieszko IV.|Mieszko Kreuzbein]] aus. Mit der Aushändigung dieser Provinz an die Nachkommen Wladyslaws, entstand die langlebige Linie der [[Schlesische Piasten|schlesischen Piasten]], die erst Anfang des [[18. Jahrhundert]]s im Mannesstamm ausstarb. |
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[[Datei:Großfürstentum Litauen 13.–15. Jh.png|80px|rechts|alt=die territoriale Entwicklung Litauens während des Spätmittelalters]] |
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<small>Das '''[[Großfürstentum Litauen]]''' war einer der größten Staaten Europas; es reichte vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee. Aufgrund seiner langen Grenzen hatte es viele Feinde: Der Deutsche Orden, das Großfürstentum Moskau und die Tataren bedrohten ständig das relativ lockere Staatsgefüge. Von der Union mit Polen versprachen sich die Litauer daher Unterstützung gegen die äußeren Feinde.<ref name="Andrea Schmidt-Rösler 1996">Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 27.</ref></small> |
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Die einsetzende Einigung Polens durch die schlesische Linie der Piasten, nahm mit dem Tod [[Heinrich II. (Polen)|Heinrichs des Frommen]] ein jähes Ende. Der Herzog verlor im Kampf gegen die mongolischen Horden in der [[Schlacht bei Wahlstatt|Schlacht bei Liegnitz]] sein Leben und Schlesien zerfiel in eine Vielzahl [[Feudalismus|feudalistischer]] Fürstentümer, die nach dem Mongolensturm [[1241]], nach und nach vom Königreich [[Böhmen]] absorbiert wurden. Obwohl die Reiterhorden des [[Khan|Großkhans]] [[Ugedai Khan|Ugedai]], eines Sohnes [[Dschingis Khan]]s, siegreich blieben, zogen sie sich in die von ihnen eroberten russischen Fürstentümer zurück und wurden für über 250 Jahre die neuen Herren des zerfallenden Reiches der [[Kiewer Rus]] und ihrer juristischen Nachfolgerin [[Moskowien]]. In den folgenden Jahrzehnten unternahmen sie jedoch weitere Raubzüge Richtung Westen, die das politisch zersplitterte Polen miltärisch immer schwächer werden ließen, sodass die Landesfürsten der Nachbarvölker, wie der Litauer vorallem aber der [[Böhmen]] und der Deutschen - Brandenburg/Deutscher Orden -, begannen ihre eigenen Territorien auf Kosten Polens zu erweitern. |
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{{Hauptartikel|Polnisch-Litauische Union}} |
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Nun folgte ein Zeitalter in Ostmitteleuropa, das vor allem dynastische Großreichsbildungen und deren ständegesellschaftliche Durchdringung kennzeichneten. Ermöglicht hatten dies die zahlreichen Interregna nach dem Aussterben der ostmitteleuropäischen Gründungsdynastien in Ungarn, in Böhmen und in Polen im 14. Jahrhundert. |
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[[ Bild:Heinrich der loewe1.jpg|thumb|right|140px| [[Heinrich der Löwe]], Herzog von [[Herzogtum Sachsen|Sachsen]], unterwarf zwischen [[1147]]-[[1164]] die [[Slawen]] in [[Mecklenburg]] und [[Pommern]] ]] |
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Polen nutzte den neuen Trend sogleich zur Regeneration seiner außenpolitischen Position an der Nordflanke. Durch geschickte diplomatische Ausnutzung seiner verbesserten Position im altrussischen Südwesten, in [[Halicz]] und [[Wolhynien]], gelang es Polen, die dynastische Vereinigung mit dem stark nach Westrussland expandierten Großfürstentum Litauen zustande zu bringen. Durch die Heirat der polnischen Herrscherin [[Hedwig von Anjou]] mit dem Großfürsten von Litauen entstand eine Personalunion des Königreichs Polen mit dem Großfürstentum Litauen. Zusammen bildeten beide Länder zur Zeit des Zusammenschlusses den größten Flächenstaat in Europa. Den Einflussbereich der neuen Monarchie, die den Namen [[Königreich Polen und Großfürstentum Litauen]] trug,<ref name="Andrea Schmidt-Rösler 1996" /> weitete Władysław II. Jagiełło, wie Großfürst Jogaila seit seiner Krönung hieß, nach Norden, Osten und Süden aus. Bei der Union handelte es sich nicht um eine Inkorporation Litauens, sondern vielmehr um eine dynastische Personalunion zweier unterschiedlicher Reichsteile. Für die polnische Krone brachte die Union einen erheblichen Machtzuwachs und territoriale Vergrößerung. Zugleich wurde sie auch in Konflikte mit den Nachbarn Litauens hineingezogen. |
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=== Kampf gegen den Deutschen Orden === |
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[[Datei:Battle of Žalgiris.jpg|mini|Schlacht bei Tannenberg aus dem [[Luzerner Chronik|Luzerner Schilling]] von [[Diebold Schilling der Jüngere|Diebold Schilling dem Jüngeren]], um 1515]] |
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Die Taufe des Litauerfürsten Jagiello entzog dem Deutschen Orden zudem die letzte Legitimation zur missionarischen Bekehrung im Baltikum. Dadurch hatte Polen plötzlich ein großes Machtpotenzial gegen den Deutschen Orden aufgebaut, wenngleich noch keine genauen Abstimmungen der polnischen und litauischen Politik erfolgten. Der Deutsche Orden wurde durch die veränderte politische Lage in eine schwere Krise gestürzt, da somit seine Aufgaben in der Region Polen wegfielen. Dies setzte sich in dem Verbot des Papstes und König Wenzels zur Fortsetzung seiner Litauenfeldzüge um. 1404 schlossen der Deutsche Orden, Polen und Litauen den [[Frieden von Razianz]]. |
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Das Land, das sich mit Zentrum [[Stettin]] über die beiden Seiten der [[Oder]] ausbreitet, wurde anfang des [[7. Jahrhundert]]s von den slawischen [[Pomoranen]] besiedelt. Seit dem [[10. Jahrhundert]] gerieten die Pomoranen in den Einflußbereich ihrer christlichen Nachbarn. Aus dem Westen drohten Ihnen die deutschen Landesfürsten. Es waren die [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] mit der [[Mark der Billunger]] und die ostmärkischen Markgrafen aus [[Brandenburg]] - beide Teil des Heiligen Römischen Reiches. Aus dem Südosten kamen die Fürsten der [[Polanen]], die Piasten, die die Pomoranen politisch enger an ihre Exekutive binden konnten. Um die pommersche Provinz nicht ganz den Deutschen und den Polen zu überlassen, versuchten in der zweiten Hälfte des [[12. Jahrhundert]]s auch die [[Dänen]], unter ihrem König [[Knut VI. (Dänemark)|Knuth VI.]], Pommern unter ihre Lehnsherrschaft zu bringen, was ihnen erst [[1185]] erfolgreich gelang. Pommern war bis zur [[Schlacht bei Bornhöved (1227)|Schlacht bei Bornhöved]] unter dänischer Vorherrschaft. |
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1410 wurde der Deutsche Orden in der [[Schlacht bei Tannenberg (1410)|Schlacht bei Tannenberg]] geschlagen, wodurch der Orden den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlor. Die kampflose Übergabe von Ordensburgen schien das Aufgehen des Ordens in Polen und Litauen anzukündigen. Die Erfolge gründeten nämlich nicht auf polnisch-litauischem Zusammenwirken gegen den gemeinsamen Gegner – so beteiligt sich Litauen fast nicht an der Kriegsführung,<ref>Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 1011.</ref> – die Erfolge beruhten vielmehr auf der Attraktivität des polnischen Privilegiensystems für den Adel, was in den Nachbarländern eine Umorientierung nach Polen bewirkte. Neben den litauisch-westrussischen Bojaren entstand auch im Kulmer Land ein oppositioneller Bund. Ritterschaft, Bischöfe und Städte huldigten dem polnischen König und ließen sich ihre Rechte bestätigen. Im [[Erster Frieden von Thorn|Ersten Frieden von Thorn]] 1411 konnte der [[Hochmeister]] seinen Besitzstand gegen „Reparationszahlungen“ wahren. Im [[Friede vom Melnosee]] 1422 fielen das [[Dobriner Land]] und [[Niederlitauen]] vom [[Deutschordensland]] ab. |
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Die Pomoranen leisteten vehement Widerstand gegen Unterwerfungs- und Christianisierungsbestrebungen ihrer Nachbarn. Nach mehreren erfolgreichen Volksaufständen, in denen sie sich ihre Freiheit kurzzeitig erkämpft hatten, wurden sie schließlich von [[Boleslaw III. (Polen)|Boleslaw Schiefmund]] in drei Feldzügen zwischen [[1116]] - [[1121]] unterworfen. Dieser ließ die Pomoranen durch den Deutschen [[Otto von Bamberg]] christianisieren. Auch setzte der polnische Souverän den Pommernfürsten [[Wartislaw I.]] als seinen Vasallen in Stettin ein. Er stammte aus der [[Greifen|Greifen-Dynastie]], die sich bis zum Aussterben in männlicher Linie in Pommern bis [[1637]] behaupten konnte. Durch die Erfolge des polnischen Fürsten in [[Mecklenburg]] und [[Vorpommern]] ermutigt und um seinen Einfluß bei den [[Elbslawen]] fürchtend, zwang Kaiser [[Lothar III. (HRR)|Lothar III.]] [[1135]] Boleslaw seine kaiserliche [[Lehen|Lehnsherrschaft]] über Pommern anzuerkennen und vergab dieses mit der Insel [[Rügen]] bis [[1137]] zu Lehen. |
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Das [[Konzil von Konstanz]] 1415 entzog dem Deutschen Orden das Recht, Litauen zu [[Mission (Christentum)|missionieren]], womit die Existenzberechtigung des [[Ritterorden]]s aus polnischer Sicht nicht mehr gegeben war. Der König wurde von Fürsten des Heiligen Römischen Reiches im Kampf gegen den Orden politisch unterstützt. Kurfürst [[Friedrich I. (Brandenburg)|Friedrich I. von Brandenburg]] versprach 1421 seinen Beistand gegen die Ordensritter. Ein erneuter Konflikt mit dem Orden konnte in dem [[Waffenstillstand von Lentschitza]] 1433 und dem [[Friede von Brest (1435)|Frieden von Brest]] 1435 beigelegt werden. |
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[[Image:Poland_Fragmentation_Period_map.jpg|thumb|left|160px|Polen und [[Pommern]] zur Zeit des [[Partikularismus]] Anfang des [[13. Jahrhundert]]s ]] |
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Immer deutlicher spürbar setzte sich die polnische Politik mit ihren Zielen durch: territoriale Revision an der Ostsee und Ausbreitung des polnischen Verfassungsmodells in ganz Ostmitteleuropa. Der preußische Aufstand von 1454, der Abfall der Stände Preußens von ihrem Landesherrn und die Wahl König Kasimirs IV. von Polen zum neuen Oberhaupt, insbesondere aber der [[Dreizehnjähriger Krieg|Dreizehnjährige Krieg 1454–1466]] mit dem [[Zweiter Frieden von Thorn|Zweiten Thorner Frieden, 1466]], bewirkten umfassende territoriale Veränderungen: Der Deutsche Orden wurde entscheidend geschwächt und hatte deutliche Gebietsverluste zu verzeichnen. Es entstand das ''[[Preußen königlichen Anteils|Königliche Preußen]]'', das als autonomer Landesteil, wie auch das [[Fürstbistum Ermland]], der polnischen Krone unterstellt wurde. Das Restgebiet des Deutschordensstaates wurde zum königlichen Lehen. Das polnisch-litauische Jagiellonenreich näherte sich nach diesem Sieg seinem [[Goldenes Zeitalter (Polen)|Goldenen Zeitalter]]. |
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Während der [[Wendenkreuzzug|Wendenkreuzzüge]] unterwarf [[Heinrich der Löwe]], der Herzog von [[Herzogtum Sachsen|Sachsen]], [[1164]] die Fürsten von Stettin und wurde Lehnsherr Pommerns. [[1181]] unterwarf er sich nach einem verlorenen Krieg seinem Vetter, Kaiser [[Friedrich Barbarossa]], damit verlor er seine Macht im [[HRR|Reich]] und alle seine slawischen Lehnsherrschaften und ging einige Jahre ins Exil nach [[England]], der Heimat seiner Ehefrau. Der pommersche Herzog [[Bogislaw I.]], vom Dänen [[Waldemar I. (Dänemark)|Waldemar I.]] bedrängt, und da er von Polen keine Hilfe erwarten konnte, [[1177]] Treffen mit dem Seniorherzog [[Mieszko III.]] von Polen in [[Gnesen]], stellte sich [[1181]] unter den Schutz des Kaisers als reichsunmittelbarer Herzog Pommerns. Pommern wurde Reichslehen, die pommerschen Herzöge in den Rang deutscher Reichsfürsten erhoben. |
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=== Aufstieg der Jagiellonen-Dynastie zur europäischen Großmacht === |
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====Pommerellen unter den Samboriden==== |
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[[Datei:Jagiellonen.jpg|mini|links|hochkant=1.2|Größte Einflusssphäre der Jagiellonen in Europa seit 1490, durch den Erwerb der ungarischen Krone bis zur [[Schlacht bei Mohács (1526)|Schlacht bei Mohács]], 1526, dem Beginn der fast 200 Jahre dauernden Türkenkriege in Mitteleuropa]] |
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König Władysław II. Jagiełło, der Begründer der Jagiellonendynastie starb 1434. Dieser hatte erst in vierter Ehe zwei männliche Thronfolger gezeugt. Dem älteren Władysław III. schien als König von Polen ab 1434 eine glänzende Zukunft bevorzustehen, bis er unerwartet 1444 in der [[Schlacht bei Warna]] im Kampf gegen die Osmanen fiel. Die vierjährige Abwesenheit eines Königs nutzten die litauischen Oligarchen, um den Bruch mit der mehrfach erneuerten Union mit Polen (1386, 1401, 1413, 1432) zu beschließen, indem sie seinen jüngeren Bruder Kasimir zum Großfürsten erhoben. Für die Erneuerung der Union und die wirksame Abwehr tatarischer Verwüstungszüge gegen beide Länder erschien die Wahl Kasimirs zum König von Polen die beste Lösung. Im September 1464 entstand die [[Union von Brest]], eine reine Personalunion, die dem König-Großfürsten die Wahl seines Aufenthaltsortes freistellte und Territoriale Konfliktpunkte außen vor ließ. Nach drei Jahren [[Interregnum]] erlangte 1447 [[Kasimir IV. Jagiello|Kasimir IV.]] die Krone. Seine Konzentration lag zunächst auf Litauen, wo er den Abfallserscheinungen litauischer Territorien an der litauischen Ostgrenze erfolgreich entgegenwirkte. Am 31. August 1449 schloss er mit Großfürst Vassilij III. einen Grenzvertrag, der bis zum Beginn der Moskauer Eroberungszüge 1486 in Kraft blieb und den Höhepunkt litauischen Besitzstandes im Nordosten darstellte.<ref>Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 1013.</ref> Als letzter noch lebender Jagiellone der polnischen Linie rettete er den biologischen Bestand der Dynastie und hinterließ bei seinem Tod 1490 elf noch lebende Nachkommen. Der Kinderreichtum stellte die Jagiellonen erstmals vor die Aufgabe als Dynastie zu handeln. Eine reine Herrschaftskontinuität in Polen und Litauen allein reichte nicht mehr aus, um die Söhne standesgemäß zu versorgen, da eine Herrschaftsteilung ausgeschlossen war. Also musste die dynastisch orientierte Politik der Jagiellonen darauf zielen, für die Söhne weitere Königsherrschaften und Thronanwartschaften zu erwerben. Geeignete Ansatzpunkte für ein dynastisches Ausgreifen boten vor allem die aus der luxemburgisch-habsburgischen Herkunft der Königin resultierenden Ansprüche auf die Kronen in Böhmen und Ungarn.<ref>''Jahrbuch für europäische Geschichte 2007.'' Band 8, S. 10–15.</ref> 1510 erreichte er mit Moldau einen vorteilhaften [[Frieden von Kamieniec Podolski (1510)|Frieden von Kamieniec Podolski]]. |
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[[Pommerellen]] stand seit [[1138]] nominell unter dem Einfluss des polnischen Senior-Herzogs und seit [[1269]] auch [[Brandenburg]]s. Am Ende des [[12. Jahrhundert]]s entstand die slawische [[Samboriden|Samboriden-Dynastie]], die bis [[1294]] über Pommerellen herrschte. Mit dem Tod [[Leszek I. (Polen)|Leszeks des Weißen]], Seniorherzog von Polen, wurden die pommerellischen Herzöge [[1227]] de facto von [[Krakau]] unabhängig. Der letzte unabhängige Herrscher Pommerellens, Herzog Mestwin II., schloß [[1282]] mit dem [[Großpolen|großpolnischen]] Herzog und späteren König von Polen, [[Przemysl II. (Polen)|Przemyslaw]], in Kempen (Kępno) einen Vertrag, auf dessen Grundlage dieser nach seinem Tod, am [[25. Dezember]] [[1294]], sein Erbe in Pommerellen und [[Danzig]] antrat. Schließlich wurde das Land [[1308]] vom [[Deutscher Orden|Deutschen Orden]] erobert und war damit für Polen bis [[1466]] verloren. Um der [[Okkupation]] den Anschein der [[Legalität]] zu verleihen, kaufte der Orden [[1309]] den Brandenburgern ihre Ansprüche - [[Vertrag von Arnswalde]] - an Pommerellen ab, die jedoch umstritten waren. Die Annexion vergiftete für fast zwei Jahrhunderte das deutsch-polnische Verhältnis in dieser Region, und führte zu juristischen, aber auch kriegerischen Auseinandersetzungen Polens mit den Deutsch-Ordens-Rittern. |
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Vier seiner männlichen Nachkommen sollten nach seinem Tod die polnische Königskrone tragen. Der älteste Sohn [[Vladislav II. (Böhmen und Ungarn)|Władysław]] war bereits seit 1471 [[König von Böhmen]] und erhielt 1490, nach dem Tod von [[Matthias Corvinus]] die [[Stephanskrone|ungarische Krone]]. Wahl und Krönung Władysławs zum ungarischen König vergrößerten zwar den Glanz der Dynastie, brachten sie aber auch angesichts der habsburgischen Ansprüche auf Ungarn in einem Gegensatz zu den Habsburgern. Die Jagiellonen herrschten um 1500 über das weiträumige Gebiet zwischen Ostsee, Adria und dem Schwarzen Meer. Die Herrschaft in den einzelnen Reichen erfolgte aber in unterschiedlicher Dichte und Qualität. Die geographische und kulturelle Reichweite dieser Herrschaft wurde begrenzt durch die Vielzahl an Sprachen und Völkern und religiöser Vielfalt. Mit der Herrschaft einer Dynastie über den gesamten ostmitteleuropäischen Raum wurden aber auch gegenseitige kulturelle Kontakte zwischen den dazugehörenden Ländern erheblich gefördert. Die Größe des Jagiellonischen Reiches um 1500 war Stärke und Schwäche zugleich, da es einerseits als Machtfaktor nicht umgangen werden konnte und andererseits aufgrund seiner geringen inneren Kohäsion kaum zu einem einheitlichen machtvollen Handeln in der Lage war. Aufgrund der äußeren Bedrohung fanden die einzelnen Herrscher der Jagiellonen für eine Zeit wieder zu einem dynastisch-einheitlichen Handeln zusammen. |
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====Lebus und Entstehung der Neumark==== |
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Die Nachfolge des verstorbenen Kasimirs teilten sich 1492 die Brüder [[Johann Albrecht]] als König von Polen und Alexander als Großfürst von Litauen. Letzterer folgte 1501 seinem Bruder auch in Polen nach. Ab 1506 übernahm dann [[Sigismund I. (Polen)|Sigismund]] als letzter überlebender Sohn Kasimirs IV. die Herrschaft als Großfürst von Litauen und König von Polen. |
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Die Expansion der [[Mark Brandenburg]] nach Osten, auf polnisch-piastische Gebiete, führte [[1250]] zum Verlust von [[Land Lebus|Lebus]] und [[1252]] - [[1271]] zur Entstehung der [[Neumark (Landschaft)|Neumark]], als Gegenstück zur [[Altmark]]. Polen wurde um [[1250]] für Jahrhunderte von der heutigen [[Oder]]grenze abgedrängt, trotz Rückeroberungsversuchen unter König [[Wladyslaw IV. (Polen)|Wladyslaw Ellenlang]] Anfang des [[14. Jahrhundert]]s. |
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=== Gebietsverluste im Osten und Süd-Osten === |
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===Konrad von Masowien und der Deutsche Orden=== |
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[[Datei:Wiener Doppelhochzeit.jpg|mini|Der Wiener Fürstentag zwischen den Königen Sigismund I. von Polen und Litauen (r.), Władysław II. von Böhmen und Ungarn (m.) und Kaiser Maximilian von Habsburg (l.) im Jahr 1515 (Holzschnitt von [[Albrecht Dürer]], ca. 1515)]] |
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Durch die Ausdehnung des dynastischen Reiches wurde dieses große Herrschaftsgebiet an seinen Rändern in verschiedenartige Konfliktfelder eingebunden. Im Osten dominierte die Konkurrenz zwischen dem ausgedehnten litauischen Großreich und dem aufstrebenden [[Großfürstentum Moskau]], im Südosten drohte eine Expansion des Osmanischen Reichs, im Norden blieb der Deutschordensstaat, der nach Lösung aus der polnischen Hegemonie strebte, ein ständiger Unruheherd. Im Westen standen die Jagiellonen in einer dynastischen Rivalität mit den Habsburgern im Kampf um die ungarische Krone und die künftige Vorherrschaft in Ostmitteleuropa. |
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[[Bild:250px-Konrad_I_Mazowiecki.jpg|thumb|left|150px|[[Konrad von Masowien]] holte [[1226]] die Deutschen nach Preußen (Portrait von [[Jan Matejko]]) ]] |
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Der polnische Herzog [[Konrad von Masowien]] begann seinen Machtbereich auf eigene Hand zu erweitern. Das [[Pruzzen|pruzzische Gebiet]] um [[Chełmno (Weichsel)|Kulm]] war sein Kriegsziel. Die Expansion auf Kosten seiner heidnischen Nachbarn wurde jedoch zu einem Fiasko. Er verlor seine Eroberungen wieder und wurde nun seinerseits vom erwachten Nachbarn bedroht. Da er zudem in Konflikte mit den anderen Piastenherrschaften verwickelt war, richtete er den Blick auf den [[Deutscher Orden|Deutschen Orden]], der [[1225]] aus [[Ungarn]] vertrieben wurde, weil er in [[Siebenbürgen]] im Kampf gegen heidnische Steppenvölker, [[Kumanen]], einen eigenen Staat gründen wollte. Im Jahre [[1226]] bat Konrad von Masowien den Deutschen Orden um Hilfe und versprach ihm das [[Kulmer Land]] als herzögliches Lehen, als Gegenleistung und Ausgangsbasis für ihren Kampf gegen die Heiden. Ob und inwieweit die zu erobernden Gebiete gemäß der Vereinbarung dem Orden zustanden, ist bis heute unklar und hat in der Vergangenheit zu großen Streitigkeiten zwischen deutschen und polnischen Historikern geführt. Um sich gegen eine ähnliche Entwicklung wie in Ungarn abzusichern, ließ sich der [[Hochmeister]] des Deutschen Ordens, [[Hermann von Salza]], von Kaiser [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] im März [[1226]] den Besitz des Kulmer Landes und aller zu erobernden Gebiete mit der [[Goldene Bulle von Rimini| Goldenen Bulle von Rimini]] bestätigen. Zusätzlich schloß der Orden mit dem Herzog am [[16. Juni]] [[1230]] den [[Vertrag von Kruschwitz]], der ihm das Land zur freien Verfügung stellte. Mit dem Auftauchen des Deutschen Ritterordens im Pruzzenland, entwickelten sich im Mittelalter aus den Mönchsrittern die "Erzfeinde" Polens, später auch [[Litauen]]s. |
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* Süd-Ost-Politik: Polen wollte seine Herrschaft bis an die Schwarzmeerküste ausbreiten und geriet damit in einen Konflikt mit dem Osmanischen Reich. Die Niederlage eines Aufgebots in der [[Bukowina]] im Oktober 1497 führte zum Verlust der direkten politischen Einflussnahme über das [[Fürstentum Moldau]] 1512 an den osmanischen Sultan. Die [[Hohe Pforte]] stellte ihre Vasallen, die [[Krimtataren]], gegen Polen und Litauen auf. In den nächsten zwei Jahrhunderten überfielen diese regelmäßig die südlichen Provinzen des Reiches. Als Reaktion darauf wurde das südliche [[Grenzland]] mit freien [[Wehrbauer]]n besiedelt, was zur Entstehung des späteren ukrainischen [[Kosakentum]]s führte. Das „[[Wildes Feld|Wilde Feld]]“, so hießen die Gebiete nördlich der Halbinsel [[Krim]], entwickelten sich in der Folge zu einer „permanenten Kriegszone“ im Spannungsfeld ihrer Anlieger. |
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==Wiedervereinigung, die letzten Piasten und das Haus Anjou 1295 - 1386== |
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* Ost-Politik: Der Aufstieg des Großfürstentums Moskau entwickelte sich für Litauen zur Existenzbedrohung. Es band alle Kräfte Polens und Litauens im Osten für Jahrhunderte. Beide Staaten befanden sich ab 1492 (Kriege der Jahre 1492–1494, 1500–1503, 1507–1508, 1512–1522) mit Russland faktisch im Dauerkriegszustand. Die [[Krieg|Waffengänge]] wurden nur durch Waffenstillstandsverträge unterbrochen. In wechselvollen Kämpfen an der Schwelle des 15./16. Jahrhunderts gingen bis 1522 für Litauen große Gebiete verloren. Das Großfürstentum Moskau errang in Osteuropa ein machtpolitisches Übergewicht gegen Litauen. |
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* West-Politik: Die Ansprüche auf die böhmische und ungarische Krone führten Polen in eine Konkurrenz mit dem [[Haus Habsburg]]. 1515 gelang im [[Wiener Fürstentag|Vertrag von Wien]] der Ausgleich. Maximilian I. von Habsburg und Sigismund I. vereinbarten eine Doppelhochzeit, der künftige ungarische König heiratete die Habsburgerin Maria. Dafür verzichtete Habsburg auf die Unterstützung des Großfürstentums Moskau und des Deutschen Ordens. Als Ludwig II. 1526 in der [[Schlacht bei Mohács (1526)|Schlacht bei Mohács]] gegen das Osmanische Reich fiel, endete auch der Einfluss Polens auf Ungarn. Der Ostseeraum rückte stattdessen an die erste Stelle im außenpolitischen Machtkampf.<ref>Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 30.</ref> |
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Trotz der im Kern offensiven Politik setzte Polen schon bald zum Rückzug auf sich selbst an. Weder das Königshaus noch der immer mehr Macht erlangende Adel waren imstande oder gewillt, wie noch im 15. Jahrhundert Führungsmacht des Ostens zu sein. Der beginnende Machtverfall Polens wurde durch eine folgende Periode innerer Ruhe überdeckt, denn die potenziellen Gewinner der plötzlichen polnischen Abstinenz, Schweden und Russland, waren ihrerseits noch zu schwach, um das von Polen geschaffene Vakuum zu füllen. Dies und die Bindung der spanisch-österreichischen und osmanischen Kräfte in seinem Süden verschafften Polen so für etwa 100 Jahre eine trügerische Ruhe.<ref>Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 326.</ref> Die Jagiellonen mussten dem Adelsstand Privilegien einräumen. Der polnische Reichstag, der sich aus Adel und Klerus zusammensetzte, gewann zunehmend Macht über den König. Die Verfassung [[Nihil Novi]] legte 1505 weitgehende Mitbestimmungsrechte des Sejms fest. Die Privilegierung des Adels und dessen Machtzunahme führte zur Entrechtung des Bauern- und Bürgerstandes. In der Absicht, seine Macht zu stärken, erließ Sigismund eine Reihe von Reformen, richtete 1527 eine Wehrpflichtarmee ein und dehnte den bürokratischen Apparat aus, der nötig war, um den Staat zu regieren und die Armee zu finanzieren. Unterstützt von seiner italienischen Gemahlin, der Königin Bona Sforza, begann er Land zur Ausweitung des königlichen Besitzes zu kaufen. Er begann auch einen Prozess der Restitution (Wiederherstellung) königlicher Güter, die zuvor verpfändet oder Angehörigen des Adels als Lehen gegeben worden waren. Im Jahre 1537 führte die Politik des Königs zu einem größeren Konflikt, dem sogenannten [[Hühnerkrieg]]. Die Szlachta, der niedrige Adel, versammelte sich nahe Lemberg zu einer levée en masse und verlangte ein militärisches Einschreiten gegen Moldawien. Der kleine und mittlere Adel begann eine Rebellion, in der Absicht, den König zur Aufgabe seiner Reformen zu veranlassen. |
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===Vereinigungsversuche und die böhmischen Přemysliden=== |
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Albrecht von Hohenzollern, Hochmeister des Deutschen Ordens, unterwarf sich 1525 dem polnischen König und nahm das neue [[Herzogtum Preußen]] zu Lehen. Das Land wurde säkularisiert und der neue evangelische Glaube garantiert. Bereits im 15. Jahrhundert begann sich ein Wandel in den wirtschaftlichen Verhältnissen abzuzeichnen. Auf dem Land setzte sich die Leibeigenschaft und Fronwirtschaft durch, während die Städte, vor allem Krakau, Danzig, Thorn, Lublin, später auch Warschau, zu blühenden Handelsstädten von internationalem Rang heranwuchsen. |
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[[Bild:Przemysl II.jpg|thumb|150px|right|[[Przemysl_II._(Polen)|Przemyslaw]], Herzog von [[Großpolen]] und [[Pommerellen]], König von Polen (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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Erneuerte Wiedervereinigunsversuche wurden aus [[Posen]] und [[Gnesen]] unternommen. Herzog [[Przemysl_II._(Polen)|Przemyslaw II.]] von [[Großpolen]] übernahm Ende des [[13. Jahrhundert]]s die Führungsrolle bei der Vereinigung piastisch-polnischer Herzogtümer. Er gelangte zwar nie in den dauerhaften Besitz von [[Kleinpolen]], regierte dort etwa ein Jahr und mußte es auf Druck der [[Böhmen]] [[1291]] Richtung Posen verlassen, jedoch im Besitz der [[Krakau]]er Königsinsignien und der polnischen Provinzen Großpolen und seit [[1294]] auch von [[Pommerellen]], wurde er vom polnischen Erzbischof [[Jakub Swinka]] [[1295]] in Gnesen zum vierten polnischen König seit [[Boleslaw II. (Polen)|Boleslaw dem Kühnen]] gekrönt. Mit diesem symbolischen Akt beendete er den polnischen [[Partikularismus]] und fokussierte mit seiner Krönung die Kräfte des polnischen Adels und der Kirche zur Wiedererlangung der staatlichen Einheit im Kampf des bedrängten Polen gegen die deutschen und böhmischen Landesfürsten. |
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== 1569–1795: Republik Polen-Litauen (Rzeczpospolita) == |
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Von dieser neuen Machtpräsenz bedroht, wurde er jedoch bereits [[1296]] im Auftrag des Markgrafen von [[Mark Brandenburg|Brandenburg]] und seiner polnischen Helfer ermordet - brandenburgische Erwerbungen ehemaliger piastisch-polnischer Gebiete: Lebus, die Neumark, Streitobjekt Pommerellen -. Im Rahmen des Bündnisvertrages von [[1293]], gegen Wenzel II., vermachte Przemyslaw Großpolen und Pommerellen seinem Vetter, Wladyslaw Ellenlang, den Herzog von [[Kujawien]], der diese beiden Provinzen bis [[1300]] gegen Böhmen behaupten konnte. Sofort nach dem Tod des Königs eigneten sich die Brandenburger im Verbund mit dem Fürsten von [[Glogau]], Heinrich III., einige [[Warthe]]- und [[Netze]]distrikte Großpolens an. |
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{{Hauptartikel|Polen-Litauen}} |
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Die [[Union von Wilna]] stellte 1561 den Machtbereich des in [[Kurland]], [[Livland]] und [[Estland]] souverän agierenden [[Livländischer Orden|Zweigs des Deutschen Ordens]] unter die polnische Oberherrschaft. Der König garantierte dem [[Landmeister in Livland|Landmeister]] [[Gotthard Kettler]] deutsche Sprache, deutsches Recht, deutsche Selbstverwaltung sowie Freiheit des Glaubens, das später auch unter schwedischer und russischer Herrschaft bis ins 19. Jahrhundert Bestand hatte. Die [[Livländische Konföderation]] sicherte sich so gegen die russische Eroberungspolitik ab. |
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Nach Przemyslaws gewaltsamen Tod gelangten die böhmischen Könige mit Hilfe der Kirche und des in Polen ansässigen deutschen Bürgertums in den Besitz der polnischen Krone. Es waren [[Wenzel II. (Böhmen)|Wenzel II.]] und in der Nachfolge sein leiblicher Sohn [[Wenzel III. (Böhmen)|Wenzel III.]]. Bereits [[1291]] wurden sie die neuen Herren von Kleinpolen, um neun Jahre später im Jahr [[1300]], durch militärischen Druck, zu Königen von Polen gekrönt zu werden. Um seiner Herrschaft in Polen legalen Eindruck zu verleihen, heiratete Wenzel Przemyslaws Tochter, [[Elisabeth Richza von Polen]], auch zwang er im gleichen Jahr seinen polnischen Rivalen, den Piasten Wladyslaw Ellenlang, ins Exil. |
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Die Baltische Krise, die der Auflösung der Orden im Baltikum folgte, eröffnete ein Zeitalter der [[Nordische Kriege|Nordischen Kriege]], in welchem Polen-Litauen nach dem Ausgang der Jagiellonendynastie 1572 seine Vormachtposition im östlichen Europa schrittweise einbüßte. Den Anstoß zu dieser erneuten Epochenwende gab das Zarentum Russlands. Als Zar [[Iwan IV. (Russland)|Iwan IV.]] 1558 in das politisch zerrüttete [[Livland]] einfiel, entfesselte es einen [[Livländischer Krieg|25-jährigen Konflikt]] an der Ostseeküste. Dieser Vorstoß rief in Schweden, Dänemark und Polen Gegenstrategien auf den Plan, die jede für sich die Oberherrschaft in der Ostsee zum Ziel hatten. Im [[Livländischer Krieg|Ersten Nordischen Krieg]] konnten Schweden und Polen, zunächst noch gemeinsam bis 1582, die russische Macht zurückdrängen und für anderthalb Jahrhunderte von der Ostsee fernhalten. |
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Der Besitz Polens, wie auch der polnischen Krone, wurde jedoch durch Papst [[Bonifatius VIII. (Papst)|Bonifatius VIII.]] für illegal erklärt. Mit dem Tod Wenzels III. im Jahr [[1306]] - er wurde ermordet - erloschen die [[Přemysliden]] im Mannesstamm und die erste deutsche Dynastie, nämlich die der [[Luxemburger]], kam in Böhmen an die Macht. Erst nach der Ermordung des böhmischen Herrschers war die Herrschaft der Piasten vorerst gesichert und [[Wladyslaw IV. (Polen)|Wladyslaw Ellenlang]] wurde als Herrscher anerkannt. Unter seiner Ägide wurde Polen, in einer etwas verkleinerten Form, wiedervereinigt. |
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=== Lubliner Union === |
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[[Datei:Union von Lublin.jpg|mini|Der Rechtsakt der Union von Lublin aus dem Jahr 1569]] |
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[[Datei:Podział administracyjny I RP.png|mini|hochkant=1.3|Größter völkerrechtlicher Machtbereich der Rzeczpospolita 1618, nach dem Vertrag von Deulino mit dem Russischen Zarentum]] |
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[[Datei:Prowincje I RP-variante de.svg|mini|hochkant=1.3|Großräumige Gliederung der polnischen ''Rzeczpospolita'' zur Zeit ihrer größten Ausdehnung 1618. Das Herzogtum Preußen und das Herzogtum Kurland waren zu dieser Zeit polnische Lehen.]] |
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{{Hauptartikel|Union von Lublin}} |
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Unter dem Eindruck der russischen Offensive im [[Livländischer Krieg|Livländischen Krieg]] gegen das [[Baltikum]] wurde mangels Nachfolger die Personalunion zwischen Polen und Litauen 1569 mit der [[Union von Lublin]] zu einer [[Realunion]] umgewandelt. Litauen stimmte der Union mit Polen mehrheitlich zu – gegen Autonomiegewährleistung in den Bereichen der Wehrhoheit, Staatsfinanzen, Jurisdiktion und Amtssprache. Polen und Litauen wurden damit zur Rzeczpospolita, einer [[Republik]] auf Basis einer Föderation unter der Präsidentschaft eines auf Lebenszeit gewählten Königs von Polen und Großfürsts von Litauen in Realunion (amtlich ''Republik der Polnischen Krone [Königreichs Polen] und des Großfürstentums Litauen''). Für Litauen, [[Belarus#Geschichte|Weißrussland]] und die Ukraine bedeutete dies langfristig die weitgehende [[Polonisierung]] ihrer Führungsschichten. Ende des 16. Jahrhunderts umfasste die Rzeczpospolita das Gebiet Zentral-, Nord- und Ostpolens, Oblasts Kaliningrad, Litauens, Lettlands, Weißrusslands, der Ukraine, Slowakei, Estlands und Moldaus. |
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[[Image:Wladyslaw Lokietek.jpg|left|thumb|150px|König [[Wladyslaw IV. (Polen)|Wladyslaw I.]] setzte die polnische Einheit endgültig durch (Porträt von [[Jan Matejko]])]] |
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[[1304]] kehrte Wladyslaw mit ungarischer Hilfe aus dem Exil nach Polen zurück und übernahm zwischen [[1305]] - [[1306]] die Herrschaft in Kleinpolen, über das Land von [[Sieradz]]-[[Łęczyca]], Pommerellen und Kujawien. |
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Bei der Königswahl sollten sich alle adligen Reichsbürger auf dem [[Wahlfeld in Wola]] bei Warschau versammeln, um den Herrscher in Freier Wahl zu bestimmen. Jeder Adlige hatte eine Stimme, der verarmte Landadelige genauso wie der mächtigste Magnat. Stimmenkauf war üblich. Der gewählte König war gezwungen, dem Adel mit der [[Pacta conventa (Polen)|Pacta conventa]] Zugeständnisse zu machen. Er hatte auch die [[Articuli Henriciani]] zu beschwören. Der König galt als ''[[primus inter pares]]'', die reale Macht lag in den Händen des Hochadels, der sie durch den alleinigen Besitz aller Staatsämter und die Grundherrschaft über die Untertanen ausübte. Seit der Verfassung, dem [[Nihil Novi]] von 1505, konnte das [[Staatsoberhaupt]] ohne Zustimmung des Reichstages mit seinen beiden Kammern kein neues Gesetz mehr erlassen. |
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Gegen seinen Willen und infolge des offenen Bruchs der vorher getroffenen Absprache - Vertreibung der Brandenburger aus [[Danzig]] - erfolgte [[1308]] die gewaltsame Annexion ganz Pommerellens mit Danzig durch den [[Deutscher Ritterorden|Deutschen Ritterorden]]. Die Sicherung der [[Weichsel]]mündung erlaubte die Verlegung der Ordenshauptstadt von [[Venedig]] nach [[Marienburg]]. Mit diesem aggressiven Akt, der gegen einen christlichen Staat gerichtet war, verlor der Orden faktisch seine Heidenmission und wurde nun mehr zu einer Territorialmacht. Polen wurde der Zugang zur Ostsee verbaut. Entstehung der Korridorfrage - [[polnischer Korridor]] - sowie einer jahrhundertelangen Feindschaft zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Ritterorden, die erst[[ 1466]] mit dem [[Zweiter_Frieden_von_Thorn|Zweiten Thorner Frieden]] ihr Ende fand. Nach Reinhold Curicke, "Der Stadt Danzig historische Beschreibung", Amsterdam und Danzig 1687, behielt der Deutsche Ritterorden Danzig und Pommerellen, weil der König seine Kriegsschulden für die Unterstützung des Ordens nicht bezahlen konnte, ein damals durchaus nicht unübliches Vorgehen. |
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Das Einstimmigkeitsprinzip aller Reichstagsbeschlüsse galt seit dem 16. Jahrhundert, wurde aber erst seit 1652 so angewandt, dass ein einzelner Abgeordneter mit dem Ruf des [[Liberum Veto]] das Parlament blockieren und alle bisher gefassten Beschlüsse ungültig machen konnte. Die Problematik dieser Regelungen wurde von vielen erkannt, doch Macht- und gesellschaftliches Desinteresse der Großgrundbesitzer verhinderten Reformen. Die meisten Städte blieben ohne politischen Einfluss und wurden wie die Verteidigung des Landes vernachlässigt, weil der Adel sich weigerte, entsprechende finanzielle Leistungen zur Aufstellung eines schlagkräftigen Heeres aufzubringen. Als Folge der Verweigerung Steuern zu zahlen, blieb die Staatskasse seit der Gründung des gemeinsamen Staatswesens bis zu dessen Untergang, notorisch klamm.<ref>Das polnisch-litauische Staatsbudget betrug in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etwa 10–11 Millionen [[Złoty]] jährlich. Zum Vergleich betrug das Äquivalent für den gleichen Zeitraum in Frankreich etwa 360 Millionen und in England ca. 240 Millionen ({{Britannica |id=place/Poland/The-17th-century-crisis |abruf=2023-10-22 |abruf-verborgen=1}}).</ref> Dadurch musste die polnisch-litauische Republik mit kleinen Armeen an mehreren Fronten verteidigt werden. Die Lage des unterdrückten Bauernstandes war aufgrund der Frondienste und persönlicher Unfreiheit schlecht. Kennzeichnend für die politische Entwicklung dieser Zeit ist die Ausbildung einer „Adelsnation“ mit polonisiertem litauischem, ruthenischem und deutsch-preußisch-baltischem Adel, während die Landbevölkerung im Norden und Osten des Landes weiterhin überwiegend deutsch-, [[Litauische Sprache|litauisch]]-, [[Belarussische Sprache|weißrussisch]]- und [[Ukrainische Sprache|ukrainischsprachig]] blieb. Der polnische Reichstag der Magnaten engte nach 1572 die Macht des Königs zunehmend ein und sicherte sich auf Dauer das Privileg der Königswahl. |
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Während einer Rebellion des großpolnischen Adels [[1314]] gegen die Herrschaft der Fürsten von [[Glogau]], wurde die Region Großpolen an das Reich Wladyslaws angeschlossen. Sechs Jahre später, im Jahr [[1320]], erfolgte die Krönung zum König von Polen. |
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=== Reformation und Gegenreformation === |
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Fünf Jahre nach der Krönung versuchte Wladyslaw die unklare Situation in der Mark Brandenburg, die nach dem Aussterben der brandenburgischen Linie der [[Askanier]] [[1320]] entstand, im Bündnis mit [[Litauen]] auszunutzen und in den Jahren [[1325]] bis [[1329]] den Herrschaftsbereich der märkischen Grafen auf das Gebiet westlich der [[Oder]] zu begrenzen. Unterstützt wurde er dabei offen vom [[Lebus (Stadt)|Lebuser]] Bischof Stephan, der sich auf die Seite des polnischen Königs schlug, zum Verdruß seines neuen Landesherrn, des Markgrafen Ludwig aus dem Haus der [[Wittelsbach]]er. Die kriegerische Auseinandersetzung brachte jedoch kaum Landgewinne für Polen und hinterließ in der [[Neumark (Landschaft)|Neumark]] ein Gebiet der verbrannten Erde. [[1329]] wurde mit den Brandenburgern Frieden geschlossen, da sich die böhmisch-deutschen Luxemburger mit den Deutsch-Ordensrittern gegen ihn verbündet hatten. Bereits [[1327]] zog im Winter der böhmische König [[Johann von Luxemburg]] gegen Krakau, mußte aber auf ungarischen Druck zurückweichen, dennoch huldigten ihm, aufgrund seiner miltärischen Übermacht, viele Herzöge von [[Schlesien]] und zwischen [[1329]] - [[1331]] erkannten (fast) alle Piasten-Fürsten Schlesiens die böhmische Lehnshoheit an. Nur wenige widersetzten sich erfolgreich. |
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{{Hauptartikel|Reformation und Gegenreformation in Polen-Litauen}} |
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Die Reformation verbreitete sich auch in Polen und Litauen. Der [[Calvinismus]] wurde 1540 durch [[Johannes a Lasco|Jan Łaski]] nach Polen gebracht. Unter dem Einfluss des [[Unitarismus (Religion)|Unitariers]] [[Fausto Sozzini|Faustus Sozzini]] wurde 1579 die [[Sozinianismus|Kirche der Sozinianer]] gegründet. Das [[Evangelisch-lutherische Kirchen|Luthertum]] hatte zunächst bei der deutschen Bevölkerung in den preußischen Städten und in Krakau Einzug gefunden, im Herzogtum Preußen begannen sich ebenso die Lehren [[Martin Luther|Luthers]] und [[Johannes Calvin|Calvins]] durchzusetzen. König Sigismund I. bekämpfte sie mit einer Reihe von Edikten und Rechteeinschränkungen politisch, in Danzig auch militärisch. Sein Sohn und Nachfolger Sigismund August, auf den die [[Protestantismus|Protestanten]] große Hoffnungen setzten, wechselte zwar nicht die Konfession, ging aber auch nicht energisch gegen die Reformation vor. In den Jahren nach 1548 bildeten sich in einer Reihe von Orten reformatorische Gemeinden verschiedenen Bekenntnisses: im Westen des Landes die vertriebenen [[Böhmische Brüder|Böhmischen Brüder]] in [[Leszno]] und [[Ostroróg (Großpolen)|Ostroróg]], im Osten [[Arianer]] und [[Täufer]] in [[Raków]] und anderen [[Mediat]]städten adliger Magnatengeschlechter. Die protestantischen Richtungen der Rzeczpospolita schlossen 1570 den [[Consensus von Sandomir]]. Mit der „Pax Dissidentium“ der [[Konföderation von Warschau]] 1573 wurde die uneingeschränkte Religionsfreiheit der Protestanten, einschließlich ihrer politischen Gleichstellung und Zivilrechte, staatsrechtlich sanktioniert. |
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[[Image:Marienburg Ostpreußen, Stahlstich nach Domenico Quaglio, 1834.jpg|right|thumb|250px|[[Ordensburg Marienburg|Marienburg]] ab [[1309]] Hauptstadt des Deutschen Ritterordens in [[Preußen]]]] |
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Eine gegen Polen gerichtete Expansionspolitik des Deutschen Ritterordens in den Jahren [[1329]] - [[1332]], der sich mit den böhmisch-deutschen Luxemburgern verbündet hatte - König Johann der Blinde -, führte zum Verlust des Dobriner Ländchens [[1329]] und von Kujawien [[1332]]. Großpolen wurde verwüstet. Trotz des Sieges über die Heere der Ordensritter und der Böhmen in der Schlacht bei Plowce [[1331]], wo der Nimbus der Unbesiegbarkeit der Ordensritter einen ersten Kratzer bekam, konnte der polnische Souverän die gewaltsame Annexion beider Gebiete nicht verhindern. In Anbetracht der Lage leistete der Piasten-Fürst von [[Plock]], Waclaw (Wenzel), König Johann von Böhmen bis [[1351]] den Lehnseid. Während eines Waffenstillstands, der im Sommer [[1332]] auf Vermittlung des päpstlichen Legaten Peter von Alvernia für ein Jahr zustande kam, starb der König. Die Macht ging an seinen Sohn [[Kasimir III. (Polen)|Kasimir]] über, der sich sofort nach dem Tode des Vaters zum polnischen König krönen ließ und ein schwieriges Erbe übernahm. |
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Die Zersplitterung der Bewegung in verschiedene Richtungen war eine Schwäche, an der die Gegenreformation ansetzte, die in Polen mit [[Stanislaus Hosius]], dem Bischof von Ermland, begann. Die außenpolitische Anlehnung der folgenden drei [[Wasa (Dynastie)|Wasa-Könige]] an das katholische [[Habsburg]] und der innenpolitische Kampf gegen den Adel drängten die Protestanten immer weiter zurück. Allerdings gab es keine Einrichtung wie die [[Inquisition]] in Polen, auch wurde niemand auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die polnische Toleranz jener Zeit war damit zu erklären, dass sich die Vertreter des dominierenden Adels einen [[Glaubenskrieg]] wie im benachbarten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation oder dem [[Hugenotten|hugenottischen]] Frankreich ersparen wollten. Mit einem Teil der ruthenisch-orthodoxen Kirche wurde ein Ausgleich in der 1596 geschlossenen [[Kirchenunion von Brest]] gefunden. Diese sollte die Ostgrenze sichern, erfüllte aber die Erwartungen der Staatsspitze und der beteiligten lokalen Würdenträger nicht. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts setzte eine immer stärkere [[Rekatholisierung]] des Landes ein, die religiöse und [[nationale Minderheit]]en zusehends an den Rand drängte. Sie förderte die Abwanderung großer Teile der protestantischen Bevölkerung, wodurch wirtschaftlich-intellektuelles Potential dem Land zusätzlich auf Dauer verloren ging. |
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Wladyslaw ging in die Geschichte als Reichseiniger Polens ein. Die "deutsche Umklammerung" durch den Deutschen Orden, Brandenburg und deutsches Patriziat in polnischen Städten, versuchte er durch Bündnisse mit dem Großfürstentum Litauen und dem Königreich [[Ungarn]] zu umgehen. Er fand im Kampf gegen die deutschen Autoritäten starke Unterstützung beim Papsttum. Auch kann man das mehrheitlich slawische Böhmen zu dieser Umklammerung und Gefahr für das erneuerte polnische Königtum zählen, wurde es doch nach dem Ableben der Przemysliden seit [[1310]] das erste mal von einer deutschen Dynastie, nämlich der der [[Luxemburger]] regiert. Als Erben der vorherigen Dynastie leiteten sie Ansprüche auf Polen und Schlesien ab, und selbst die "slawisch"-böhmischen Przemysliden in persona, waren in ihrem Endstadium mit Wenzel II. und III., dem Deutschtum viel näher als dem Slawentum ihres Urvaters [[Přemysl der Pflüger|Przemysl]]. Böhmens Amtssprache wurde Deutsch (siehe auch [[Sudetendeutsche]]) und besonders unter den Luxemburgern verstärkte sich die kulturelle [[Dominanz]] der deutschen Kirche und des Adels, die zu Beginn des [[15. Jahrhundert]]s in einer ersten antideutschen Reaktion der slawischen Tschechen gegen die weltlich-geistliche Obrigkeit der Deutschen, den sogenannten [[Hussiten|Hussiten Kriegen]], gipfelte (siehe auch [[Jan Hus]] oder [[Jan Žižka]]). Trotz dieser und anderer widriger Umstände konnte er sein Werk mit einer Krönung zum polnischen König festigen. Wladyslaw gelang es nicht, die alten piastischen Grenzen zurückzugewinnen. Er vermachte seinem Sohn nur zwei alte Herrschaftsbereiche der Piasten, Großpolen mit dem Zentrum Posen und Kleinpolen mit Krakau. |
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=== Goldenes Jahrhundert === |
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[[Datei:Poloniae desciptio 1592 Wenceslao Godreccio.png|mini|hochkant=1.4|Poloniae descriptio des polnischen Geografen Wenceslaus Godreccius im Weltatlas [[Theatrum Orbis Terrarum]] von [[Abraham Ortelius]], 1592]] |
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{{Hauptartikel|Goldenes Zeitalter (Polen-Litauen)}} |
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Kunst, Literatur und Wissenschaft erreichten im „goldenen Jahrhundert“ der Renaissance und des [[Humanismus]] einen Höhepunkt, insbesondere während der Regierungszeit des Renaissancekönigs Sigismunds des Alten, einen Aufschwung von Literatur und Kunst, wobei das bis dahin im Schrifttum dominierende Latein zugunsten des Polnischen zurücktrat, das sich ab etwa 1500 voll entfaltete. Es kam zur Blüte der „Weichselgotik“, zum Eindringen der italienischen Renaissance in die „Krakauer Malerschule“ und es stieg der Einfluss deutscher und flämischer Künstler, unter anderen [[Veit Stoß]]. An der [[Jagiellonen-Universität|Krakauer Akademie]], einem Zentrum des Humanismus, wirkten [[Conrad Celtis]] und die Juristen [[Paweł Włodkowic]] und [[Jan Ostroróg (Woiwode, 1436)|Jan Ostroróg]]. Durch Einwanderung auch deutscher Drucker, Holzschnitzer und Verleger stieg Krakau zum führenden Zentrum des Buchdrucks in Ostmitteleuropa auf. Die Dichter [[Mikołaj Rej]], [[Jan Kochanowski]] und [[Łukasz Górnicki]] begründeten die [[polnische Literatur]], der Philosoph [[Andrzej Frycz Modrzewski]] die polnische [[Staatstheorie]] und [[Nikolaus Kopernikus]] das [[Heliozentrisches Weltbild|heliozentrische Weltbild]]. In Architektur und Kunst spiegelten sich italienische und französische Einflüsse. Zahlreiche Adelspaläste, Bürgerhäuser und Kirchen entstanden, das Königsschloss auf dem [[Wawelhügel]] wurde zur prunkvollen Residenz ausgebaut, neue Städte gegründet. Der Reichskanzler [[Jan Zamoyski]] ließ eine Renaissance-Modellstadt, [[Zamość]], anlegen, die Städte [[Lemberg]], [[Vilnius|Wilna]] und [[Posen]] stiegen zu wichtigen Kulturzentren auf, die preußischen Hansestädte [[Elbląg|Elbing]], vor allem [[Danzig]], im Rahmen des [[Weichselhandel]]s zu wichtigsten Handelshäfen des Landes. |
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[[Image:Kazimierz III Wielki.jpg|thumb|right|150px|König [[Kasimir III.|Kasimir der Große]], der einzige polnische Souverän mit dem Beinamen "der Große" (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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Vom politischen Erbe seines Vaters übernahm Kasimir das Bündnis mit Ungarn, verstärkt durch die Heirat seiner Schwester Elisabeth mit [[Karl I. (Ungarn)|Karl von Anjou]], König von Ungarn und die Konflikte mit dem Deutschen Orden um Pommerellen und mit den Luxemburgern Johann und [[Karl IV. (HRR)|Karl IV. ]] um die Oberherrschaft in Schlesien sowie mit Johann, der als König von Böhmen auch auf die polnische Königskrone Anspruch erhob. Die Ländereien, die Kasimir erbte, waren relativ klein im Vergleich zu den Grenzen des Staates von [[1138]]. Die westliche Grenze des Reiches, vor dem [[Partikularismus]], war weit nach Osten, fast in die Kerngebiete der alten [[Polanen]], zurückgedrängt. [[Pommern]] verselbständigte sich unter der [[Greifen|Greifen-Dynastie]] bereits im [[12. Jahrhundert]] und wurde [[1181]] reichsunmittelbares Fürstentum des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]]. Westliche Gebiete des Herzogtums Großpolen im Oder-[[Warthe]]-Land eroberten in der zweiten Hälfte des [[13. Jahrhundert]]s die Markgrafen aus Brandenburg. Ebenso verhielt es sich im Norden, wo sich zwischen [[1309]] - [[1332]] die Ritter des Deutschen Ordens Pommerellen, Kujawien und das [[Dobrzyń nad Wisłą|Dobriner Ländchen]] aneigneten. Bereits [[1327]] - [[1331]], unter der Regierungszeit seines Vaters, unterwarfen sich die meisten [[schlesischen Piasten]], dem militärischen Druck der Deutsch-Luxemburger aus Böhmen nachgebend, und wurden ihre Lehnsmänner. Das aus Groß-, Klein- und einigen mittelpolnischen Ländern bestehende Königreich erhielt den Namen '''[[Corona Regni Poloniae]]''' als transpersonalen Staatsbegriff, der die Zusammengehörigkeit der polnischen Länder (darunter fielen auch die verlustig gegangenen Provinzen Pommern und Schlesien) und der lehnsabhängigen Fürsten dokumentierte. Trotz allem befand sich Polen weiterhin in einer äußerst kritischen Lage, doch während sein Vater durch militärische Entscheidungen Lösungen erzwingen wollte, strebte Kasimir eher nach friedlichen und diplomatischen Auswegen. |
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=== Kampf um die Ostseeherrschaft === |
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[[Bild:Poland 1341 map.jpg|left|thumb|175px|Königreich Polen um [[1341]] ]] |
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{{Hauptartikel|Silbernes Zeitalter (Polen-Litauen)}} |
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König Kasimir bemühte sich um eine Beilegung des Konflitks mit Johann. Im [[Vertrag von Trentschin]] und im [[Visegrád|Ausgleich von Visegrád]] des Jahres [[1335]], sowie nach einem böhmisch-polnischen Grenzkrieg von [[1345]], hatte der polnische Souverän [[1348]], im [[Vertrag von Namslau]], endgültig die böhmische Lehnsherrschaft über Schlesien anerkannt. Der wichtigste dieser Verträge war der Vertrag von Trentschin, [[1339]] in Krakau bestätigt. Mit ihm nahm Kasimir seine dynastischen Ansprüche an Schlesien zurück und erkannte die böhmische Oberhoheit über diese Provinz an. Gleichzeitig gab Johann gegen eine Geldzahlung seine Ansprüche auf die polnische Krone auf und schränkte die Unterstützung für den Deutschen Orden ein. Die schlesisch-piastischen Vettern des Königs wieder unter die Botmäßigkeit des polnischen Souveränats zu zwingen, scheiterte damit und war zweifelsfrei eine große außenpolitische Niederlage für Kasimir, wie auch für Polen. Sie offenbarte, dass das erneuerte Königreich, trotz der mutigen Reformen, nicht in der Lage war, die alten piastischen Gebiete zurückzugewinnen, was ein Hauptziel der Außenpolitik der letzten [[Piasten]] war. [[1348]] [[Inkorporation (historisch)|inkorporierte]] schließlich der böhmische König und römisch-deutscher Kaiser Karl IV. Schlesien in die Länder der böhmischen Krone. Mit der Anerkennung der böhmischen Herrschaft über Schlesien bildete sich eine Westgrenze zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem Königreich Polen, die ihren Bestand bis [[1945]] haben sollte. Die einzige Verbindung, die zwischen der schlesischen Provinz und Polen über die Jahrhunderte fremder Herrschergeschlechter (z.B. [[Habsburger]]) bestand, war ihre bis ins [[19. Jahrhundert]] dauernde kirchliche Zugehörigkeit zum polnischen [[Erzbistum]] in Gnesen. |
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Zweiter König der „Rzeczpospolita“ wurde 1573 der französische Prinz [[Heinrich III. (Frankreich)|Heinrich von Valois]], der jedoch seinen [[Thron]] nach wenigen Monaten unversehens wieder verließ, ohne formal abgedankt zu haben. Er hatte vom Tod seines Bruders [[Karl IX. (Frankreich)|Karl IX.]], des Königs von [[Königreich Frankreich (987–1791)|Frankreich]], erfahren und konnte sich, wenn er am Pariser Hof anwesend war, die französische Krone sichern, die mit mehr Macht verbunden war. Heinrich hinterließ die ''Pacta conventa'' und die Articuli Henriciani, die [[Verfassung|konstitutionellen Charakter]] hatten und die königlichen Rechte auf ein Minimum reduzierten. Die von ihm gewährten Rechte und Privilegien wurden, trotz seiner kurzen „Herrschaft der 146 Tage“,<ref>Pierre Chevallier: ''Henri III.'' S. 209–231.</ref> zur Grundlage der [[Goldene Freiheit|Goldenen Freiheit]] und begründeten die herausgehobene Stellung der adelsrepublikanischen [[Aristokratie]]. Heinrich ließ den ihm gesetzten Rückkehrtermin verstreichen und wurde der Krone verlustig erklärt. Mit [[Stephan Báthory]], den [[Jan Zamoyski]] stark unterstützte, setzte sich 1576 ein ungarischer Aristokrat aus dem [[Fürstentum Siebenbürgen]] in Polen durch. Báthory war ein geschickter Taktiker im Machtgefüge der Republik und führte sein Heer siegreich gegen den Moskauer Staat im Livländischen Krieg an. In drei Feldzügen ([[Polozk]] 1579, [[Welikije Luki]] 1580 und [[Pleskau]] 1581) besiegte er den Zaren, der schließlich im [[Vertrag von Jam Zapolski]] Waffenstillstand mit dem polnischen König schloss. Der Zar trat das 1563 eroberte Gebiet um die Stadt Polozk und das seit 1558 in Teilen annektierte Livland mit [[Tartu|Dorpat]] an die polnische Krone ab. Stephan Báthory gründete 1579 mit Hilfe der Jesuiten, die er nach Polen holte und förderte, die [[Universität Vilnius|Universität Wilna]]. Den Plan, mit Hilfe Polens seine ungarische Heimat von der Türkenherrschaft zu befreien, konnte er wegen seines plötzlichen Todes 1586 nicht verwirklichen. |
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Da die alten piastischen Gebiete im Westen Polens ein Teil des Heiligen Römischen Reiches wurden, auch ethnisch im Rahmen der deutschen Ostkolonisation, orientierten sich die polnischen Herrscher ostwärts. Kasimir unterwarf in den Jahren [[1340]] - [[1366]], nach dem Aussterben des Hauses [[Daniel (Galizien)|Roman]], das von [[Ruthenen]] bewohnte [[Galizien]]. |
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1587 wurde [[Sigismund III. Wasa]], der das Geschlecht der Jagiellonen und der [[Wasa (Dynastie)|Wasa]] in seiner Person vereinte, zum König gewählt. Die Wahl eines schwedischen Prinzen begünstigte den Ausbruch folgenschwerer [[Schwedisch-Polnische Kriege|Schwedisch-Polnischer Kriege]]. 1592 wurde Sigismund III. zusätzlich schwedischer König und begründete damit eine Schwedisch-Polnische Personalunion. Der Sejm hatte ihn aber bei seiner Wahl zur ständigen Anwesenheit in Polen verpflichtet. So musste Sigismund III. einen Regenten in Schweden einsetzen. 1603 versuchte Sigismund III. Wasa den Thron seiner schwedischen Heimat zurückzuerlangen, den er als Folge der [[Schlacht von Stångebro]] 1598 und seiner Absetzung durch den schwedischen Reichstag als König von Schweden 1599 verloren hatte. Dies hatte das Ende der ab 1592 bestehenden Personalunion Schwedens mit Polen zur Folge und provozierte den Ausbruch der [[Polnisch-Schwedischer Krieg (1600–1629)|Schwedisch-Polnischen Kriege 1600–1629]]. Für Polen brachte dieser im [[Waffenstillstand von Mitau]] den Verlust Livlands und preußischer Küstengebiete.<ref>Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 41–42.</ref> König Sigismund verlegte 1596 die Hauptstadt Polens von Krakau nach Warschau, wegen seiner zentralen Lage in Polen und der größeren Nähe zu seinem Erbkönigreich Schweden. Zeitgleich mit dem Krieg gegen Schweden kam es zu Konflikten mit dem Osmanischen Reich und mit dem Zarentum Russland. |
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Unter Verzicht auf Pommerellen und des [[Kulmer Land]]es, ohne jedoch die [[Rechtstitel]] preiszugeben, schloß Kasimir [[1343]] in [[Kalisch]] Frieden mit dem Deutschen Orden. Hierfür bekam er Kujawien und das Dobriner Ländchen zurück. Auch suchte er im gleichen Jahr seinen Einfluß in Pommern durch ein Bündnis mit den Greifen der [[Stettin]]er-, wie [[Wolgast]]er-Linie zu festigen, was zur Besetzung einiger [[Netze]]- und Neumarkdistrikte führte. |
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[[Datei:Sigismund III at Smolensk by Tommaso Dolabella.JPG|mini|Der polnische König Sigismund III. während der Belagerung von Smolensk]] |
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[[Image:Pestilence_spreading_1347-1351_europe.png|thumb|right|175px|Die Ausbreitung der [[Pest]] [[1347]] - [[1351]]]] |
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[[1347]] kam es zur [[Kodifikation]] des polnischen Rechts. Ein Jahr später, [[1348]], breitete sich rasant die Pest aus, auch [[Schwarzer Tod]] genannt, und wütete in [[Europa]] bis [[1351]]. Kasimir begegnete dieser humanen Katastrophe durch die Verhängung einer [[Quarantäne]] über sein Reich, sodass diese weitgehend abgewehrt werden konnte, jedoch tauchte sie in den nächsten Jahrhunderten |
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[[lokal]] immernoch auf und zog Tausende mit in den Tod. |
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* Der König griff in die russischen Thronwirren ein, die [[Smuta]], die nach dem Tod des Zaren [[Boris Godunow]] um 1605 in Russland ausbrachen. Während des [[Polnisch-Russischer Krieg 1609–1618|Konfliktes in den Jahren 1609 bis 1618]] besetzten 1610 polnisch-litauische Unionstruppen unter der Führung des Kronfeldhetmans [[Stanisław Żółkiewski]] zwei Jahre lang Moskau. Eine angestrebte Personalunion scheiterte am russischen Widerstand gegen die königlichen Pläne und der inneren Verfassung Polens. Nach wechselvollen Kämpfen endete der Krieg Ende 1618 mit dem [[Vertrag von Deulino]]. König Sigismund erhielt die Herrschaft über [[Smolensk]] und [[Sewerien]]. Damit erreichte die Adelsrepublik mit einer Staatsfläche von fast 1.000.000 Quadratkilometern ihre größte territoriale Ausdehnung. Nach Sigismunds Tod († 30. April 1632) und unter Bruch des Vertrags von Deulino versuchte Zar [[Michael I. (Russland)|Michael]], das verlorene Gebiet im „[[Smolensker Krieg]]“ zu erobern. Er belagerte ab Oktober 1632 Smolensk. Der neue polnische König (Władysław IV. Wasa) und das polnische Heer trafen am 3. September 1633 dort ein. Die russischen Truppen kapitulierten schließlich am 25. Februar 1634. Der Krieg endete mit dem [[Vertrag von Polanów]] („Ewiger Friede“). |
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Im Norden seines Reiches wurde [[Masowien]] [[1351]] unterworfen. Die piastisch-masowschen Herzogtümer mit den Hauptburgen Plock und Warschau, wurden nach dem Aussterben der jeweiligen Herrscher, teils direkt, teils als [[Lehen]] in das Königreich Polen angegliedert. |
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* Die an den Habsburgern ausgerichtete Außenpolitik der polnischen Wasa und die Überfälle der Kosaken auf türkisches Territorium zerrütteten das relativ gute Verhältnis zum Osmanischen Reich, auch wegen vieler Razzien der Tatarenvölker, osmanischer Vasallen, gegen die Provinzen des Königreichs. Nach kosakisch-tatarischen Grenzscharmützeln, Einmischungen lokaler Magnaten aus der Ukraine in die inneren Angelegenheiten der osmanischen Vasallen, der [[Donaufürstentümer]], kam es zum [[Osmanisch-Polnischer Krieg 1620–1621|Osmanisch-Polnischen Krieg 1620–1621]]. Sultan, [[Osman II.]], zog eine Streitmacht mit bis zu 300.000 Mann<ref name="Szujski218">Józef Szujski: ''Dzieje Polski podług ostatnich badań.'' Band 3, Lwów 1866, S. 218 (inklusive Tross).</ref> gegen die Republik zusammen, der der polnische König bei [[Chocim]] ein gemischtes polnisch-ukrainisches Heer (bis zu 75.000 Mann an [[Kampftruppe]]n, darunter 6450 Deutsche<ref name="Szujski218" />) entgegenstellte. Als den Osmanen, trotz zahlenmäßiger Überlegenheit, nach über einem Monat kein Durchbruch der polnisch-ukrainischen Front gelang, vereinbarten beide Seiten einen „ehrenvollen“ Waffenstillstand im [[Frieden von Chotyn (1621)|Frieden von Chotyn]]. |
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=== Zeitalter der „Blutigen Sintflut“ === |
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[[1364]] veranlasste Kasimir die Gründung einer [[Akademie]] in Krakau, später [[Jagiellonen-Universität]] genannt, der zweiten nach [[Prag]] in [[Mitteleuropa]]. Sechs Jahre nach der Gründung verstarb der König [[1370]] ohne einen männlichen Erben in der erbberechtigten Linie zu hinterlassen. |
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<div style="float: right; margin-left: 1em; margin-right: 0; padding: 1em; border: 1px solid darkgray; background: #F5F5F5; max-width: 25%;"> |
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[[Datei:02 210 color Book illustrations of Historical description of the clothes and weapons of Russian troops.jpg|100px|rechts|alt=ukrainischer Kosak]] |
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<small>Die '''[[Kosaken]]''' waren freie russisch-orthodoxe Krieger, die entlang des Dneprs lebten und gegen die Krimtataren kämpften. Ein Teil stand als [[Registerkosaken]] in königlichem Sold. Ein anderer Teil, die [[Saporoger Kosaken]], entzog sich jeder Herrschaft. Die Kosaken fühlten sich durch polnische Landbesitzer ausgebeutet. Sie entwickelten ein kollektives Eigenbewusstsein und erhoben sich in zahlreichen Aufständen gegen die Polenherrschaft<ref>Andrea Schmidt-Rösler: ''Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.'' Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 43.</ref></small>.</div> |
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Kasimir förderte im Innern das Städtewesen durch zahlreiche Baumaßnahmen, darunter die Sicherung der Westgrenze seines Reiches mit 50 befestigten Burgen, sowie die Aufnahme von Deutschen und Gewährung deutschen Stadtrechts. Er lud nach dem [[Pogrom]]en in [[Westeuropa]] im Zuge der Pest die [[Juden]] nach Polen ein - Erlaß von Judenprivilegien [[1344]] -. Er ließ das polnische Rechts- und Münzwesen vereinheitlichen, sicherte neue Handelswege und begünstigte die Eröffnung von [[Saline]]n. Die wirtschaftlichen Reformen erforderten die verfassungsrechtliche Kodifikation des Landrechtes - die sogenannten Statuten Kasimirs des Großen -, die Einführung der [[Starost|Generalstarosteien]] mit administrativen und gerichtlichen Befugnissen, Staatsrat und Kanzleiführung. Er schuf eigene Appellationsgerichtshöfe für deutsches Recht und verbot die [[Appellation]] nach [[Magdeburg]] (siehe auch [[Magdeburger Stadtrecht]]). Er war der Begründer der ersten polnischen Universität und der einzige polnische König mit dem Beinamen „der Große“. Mit ihm starben die [[Piasten]] in königlicher Linie aus - in Masowien im [[16. Jahrhundert]] und in Schlesien erst Ende des [[17. Jahrhundert]]s in männlicher Linie -. Als seinen Nachfolger bestimmte er seinen Neffen, den ungarischen König [[Ludwig I. (Ungarn)|Ludwig den Großen]], der Polen mit Ungarn in einer [[Personalunion]] von [[1370]] bis [[1382]] verband. |
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{{Hauptartikel|Schwedische Sintflut}} |
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1648 wurde [[Johann II. Kasimir]] neuer polnischer König. Der Jesuit und Kardinal benötigte dafür einen päpstlichen [[Dispens]]. Kaum an der Macht, verschärften sich im Südosten die Spannungen. Der feudale und religiöse Druck auf die ruthenische Bevölkerung entfachte einen neuen großen Aufstand, den [[Chmelnyzkyj-Aufstand]] unter der Führung von [[Bohdan Chmelnyzkyj]], gegen die polnische Herrschaft.<ref>Robert A. Friedl: ''Polen und sein Osten am Vorabend einer Katastrophe. Der große Kosaken- und Bauernaufstand des Jahres 1648''. Dissertation, Universität Düsseldorf 2004 [http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-12441/DissFriedl_Polen1648-A1b.pdf (PDF)]</ref> Die Kosaken plünderten die Anwesen polnischer Landbesitzer, brachten weite Teile der heutigen [[Ukraine]] unter ihre Kontrolle und drangen bis nach Lemberg vor. Ausgleichsbemühungen in dem [[Vertrag von Zboriv]], dem [[Vertrag von Bila Tskerkva]] und dem [[Vertrag von Hadjatsch]] scheiterten. Zugleich ließ Chmielnyzkyj gegen die in der Ukraine lebenden Juden [[Pogrom]]e verüben, da viele von ihnen als polnische Verwalter dienten. Die Pogrome kosteten nach neueren Schätzungen knapp der Hälfte der etwa 40.000 jüdischen Bewohner der Ukraine das Leben, viele der Überlebenden flüchteten aus dem Land.<ref>[[Frank Golczewski]]: ''Chmielnicki-Pogrome (1648–1649)''. In: [[Wolfgang Benz]] (Hrsg.): ''[[Handbuch des Antisemitismus]], Bd. 4, Ereignisse, Dekrete, Kontroversen''. De Gruyter Saur, Berlin 2011, ISBN 978-3-598-24076-8, S. 74. (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> |
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===Ludwig von Ungarn und das Problem seiner Nachfolge=== |
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Nach wechselvollen Kriegsereignissen kam der Konflikt 1654 zu einem Ende. Die Kosaken wechselten zur Oberhoheit des russischen Zaren. Der Seitenwechsel war innerhalb der Kosakennation umstritten, da ein Teil ein erneutes Zusammengehen mit Polen bevorzugte und 1660 den [[Vertrag von Chodnov]] schloss. Die tiefen Spaltungen ließen das Gebiet der Ukraine für Jahrzehnte in kriegsähnliche Zustände und Chaos fallen. Der Anschluss der östlichen Ukraine an Russland zog den [[Russisch-Polnischer Krieg 1654–1667|Russisch-Polnischen Krieg von 1654 bis 1667]] nach sich, im Frühjahr 1655 besetzten russische Truppen einen Großteil des Großfürstentums Litauen und der Ukraine. Als Johann Kasimir sich 1655 zum König von Schweden erklärte, lieferte er dem Schwedenkönig [[Karl X. Gustav]] den willkommenen Anlass zum Angriff auf Polen. Der [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährige Krieg]] hatte die schwedische Staatskasse geleert, gleichzeitig musste ein kostspieliges Heer in den eroberten Ländern unterhalten werden. Schwedens Vorstoß wurde durch die unterschiedliche Interessenlage der polnischen Magnatenhäuser und die militärische Lage der Republik im Osten begünstigt. Das großpolnische [[Adelsaufgebot]] kapitulierte kampflos vor der schwedischen Streitmacht und huldigte im Anschluss dem Karl X. Gustav als ihrem König. Nacheinander fielen die wichtigsten Städte in schwedische Hände, im September Warschau, im Oktober Krakau. Die Russen im Bündnis mit den Kosaken stießen bis nach [[Lublin]], [[Puławy]] und zur [[Weichsel]] vor. |
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[[Bild:Chrzest Litwy 1387 Matejko.JPG|thumb|left|250px|Die Aufnahme [[Litauen]]s in die christliche Völkergemeinschaft [[1387]] durch Polen]] |
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Mit dem Tod König [[Kasimir III. (Polen)|Kasimirs des Großen]] wurde Polen ab [[1370]] mit dem ungarischen Königshaus verbunden. Der ungarische König war der Sohn von Kasimirs leiblicher Schwester Elisabeth von Polen. |
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[[Datei:JASNAGÓRA3.JPG|mini|Kloster von Jasna Góra: die Gottesmutter hilft 1655 den Polen]] |
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Seine Regierungszeit war nicht sonderlich beliebt, da er sich so gut wie gar nicht in Polen blicken ließ. Er überließ die Geschäfte Polens seiner polnischen Mutter Elisabeth als Regentin. Auch begann er das polnische Galizien für Ungarn zu beanspruchenn, was bei der polnischen Aristokratie auf Widerstand stieß. Da er, wie [[Kasimir III.]], keine Söhne hatte, wurden dem polnischen Adel [[1374]] im [[Kaschauer Privileg]] politische Vorrechte gewährt, der dafür die weibliche Thronfolge bestätigte und durchsetzte. Das Kaschauer Privileg wurde zur Grundlage der späteren "Adelsdemokratie" in Polen. |
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[[Bild:Ludwik Wegierski.jpg|thumb|right|125px|König [[Ludwig I. (Ungarn)|Ludwig I.]] von Polen und Ungarn (Portrait von [[Jan Matejko]])]] |
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[[1382]] starb der [[Magyaren|Magyare]], während eines Aufstands in Großpolen und die Regierungsgeschäfte in Polen gingen an seine Tochter [[Hedwig_(Polen)|Hedwig von Anjou]] über. Sie wurde [[1384]] Kraft des polnischen Rechts zum regierenden polnischen „König“ gekrönt. [[1386]] mußte sie ihre Verlobung mit dem Prinzen Wilhelm von Habsburg lösen, denn die Polen wollten keine deutsche Aristokraten zu ihren Königen, seien sie [[Habsburger]] oder Luxemburger, es herrschte damals ein antideutsches Klima in Polen, bedingt durch das Phänomen der deutschen [[Ostkolonisation]] und das vergiftete Verhältnis zu den Deutsch-Ordensrittern, und aus Staatsräson mußte sie im zarten Alter von 12 Jahren den viel älteren Großfürsten von [[Litauen]], Jagiello heiraten. Beide wurden [[1386]], Hedwig ein zweites Mal, zu Regenten Polens gekrönt. |
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König Johann Kasimir wurde vom größten Teil des Adels im Stich gelassen und floh ins [[Heiliges Römisches Reich|Heilige Römische Reich]] nach Schlesien, wo er auf Hilfe der Habsburger hoffte. In Litauen stimmten die Adligen angesichts der russischen Erfolge einer [[Union von Kėdainiai|Union des Großfürstentums Litauen mit Schweden]] zu, was den Bruch der Realunion mit Polen bedeutete. Die Anzahl der schwedischen Truppen reichten jedoch nicht aus, die eroberten Gebiete zu halten. Das Kloster von [[Jasna Góra]] wurde 1655 verteidigt und dies zum „Wunder von Tschenstochau“ verklärt. Die Vertreter des polnischen Adels wechselten zudem die Fronten und organisierten sich in der [[Konföderation von Tyszowce]]. Überdies überwarf sich der russische Zar Alexei mit dem Karl Gustav über die Aufteilung der Eroberungen und erklärte ihm Ende Mai 1656 den [[Russisch-Schwedischer Krieg (1656–1658)|Krieg]], während er mit dem polnischen König einen auf zwei Jahre begrenzten [[Vertrag von Wilna|Waffenstillstand von Niemież]] schloss. Der Schwedisch-Polnische und der Russisch-Polnische Krieg weiteten sich somit in einen schwedisch-russisch-polnischen Konflikt aus, den [[Zweiter Nordischer Krieg|Zweiten Nordischen Krieg]]. Johann Kasimir kehrte Anfang 1656 nach Polen zurück. 1656 ging der von Karl Gustav unterworfene Kurfürst [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm von Brandenburg]] auf dessen Angebot ein, ihn für ein Bündnis zum souveränen Herzog in Preußen zu machen. Mit dem Sieg der schwedisch-brandenburgischen Streitmacht über die Truppen der Adelsrepublik in der dreitägigen [[Schlacht bei Warschau (1656)|Schlacht bei Warschau]] erkannte Karl Gustav die Souveränität des Herzogtums Preußen im [[Vertrag von Labiau]] 1656 an. |
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Jagiello ließ sich nach [[Katholizismus|römisch-katholischem Ritus]] taufen, und als [[Wladyslaw II. Jagiello]] wurde er der Begründer einer der mächtigsten Dynastien Europas, unter der Polen nicht nur sein [[Goldenes Zeitalter]] erleben, sondern für die nächsten 300 Jahre zu einer der führenden Kontinentalmächte Europas aufsteigen sollte, deren Einflußsphäre sich vom [[Baltikum]] bis zum [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] und von der [[Adriatisches_Meer|Adria]] bis an die Tore [[Moskau]]s erstreckte und er legte auch den Grund der jagiellonischen Idee, die noch im [[20. Jahrhundert]] in der Vorstellung von "Polen von Meer zu Meer" weiterlebte. |
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Karl Gustav sah seine einzige Hoffnung in einem Sieg über Polen und der Teilung der Republik unter Einbindung Siebenbürgens, Brandenburgs und Chmielnickis. Anfang 1657 trat das unter osmanischen Schutz stehende Fürstentum Siebenbürgen unter der Führung des Protestanten Georg II. Rákóczi auf die Seite der Schweden und verwüstete mit seinem siebenbürgisch-kosakischen Heer weite Gebiete Polens im Süden und Osten. Um ein Übergewicht Schwedens in Nordeuropa zu verhindern, verbündeten sich das Königreich Dänemark, die [[Habsburgermonarchie]] unter Kaiser [[Ferdinand III. (HRR)|Ferdinand III.]] und die [[Republik der Sieben Vereinigten Provinzen|Niederlande]] mit Polen. Die schwedischen Niederlagen ab Mitte des Jahres 1657 nahm der abwartend gebliebene Friedrich Wilhelm zum Anlass, Erzherzog [[Leopold I. (HRR)|Leopold]] um Vermittlung beim polnischen König zu bitten. Polens Staatsspitze ging auf das Angebot eines brandenburgischen Seitenwechsels ein. Nun gestand auch Polen dem Herzogtum Preußen die volle Souveränität zu. Dies sollte 1701 dem Sohn Friedrich Wilhelms ermöglichen, das Herzogtum zum ''[[Königskrönung Friedrichs III. von Brandenburg|Königreich Preußen]]'' zu erheben. |
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== Litauisch-Polnische Personalunion: Die Jagiellonen 1386 - 1569 == |
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===Wladyslaw Jagiello und der Kampf gegen den Deutschen Orden=== |
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[[1386]] kam durch die Heirat der Thronerbin [[Hedwig_(Polen)|Jadwiga]] mit dem Großfürsten [[Jogaila]] von [[Litauen]] die Personalunion Polens mit Litauen (bis [[1569]], dann [[Realunion]]). Polen-Litauen war zur Zeit seines Zusammenschlusses unter den [[Jagiellonen]] der größte Flächenstaat in Europa und wurde von [[Jogaila|Wladyslaw Jagiello]], wie Jogaila seit seiner Krönung hieß, sukzessiv nach Osten und Südosten ausgeweitet: [[1387]] erkannte [[Fürstentum Moldau|Moldau]] die polnische Oberhoheit an, [[1389]] die [[Walachei]] und [[1396]] [[Bessarabien]] und [[Siebenbürgen]]. |
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[[Image:Grunwald_bitwa.jpg|thumb|right|350px|[[Jan Matejko]]: ''Die Schlacht bei Tannenberg'' (Gemälde von 1878)]] |
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Diese Großmacht besiegte [[1410]] den gemeinsamen Erzfeind [[Deutscher Orden]] in einer der größten Schlachten des späten Mittelalters, der [[Schlacht bei Tannenberg (1410)|Schlacht bei Tannenberg]], wodurch der Orden die Macht und den Nimbus der Unbesiegbarkeit endgültig verlor. Das neue polnische Königtum vermochte sich schnell zu entwickeln, die kampflose Übergabe der Burgen und die Haltung der Bevölkerung schien das Aufgehen des Ordens in Polen und Litauen anzukündigen. Ritterschaft, Bischöfe und Städte huldigten dem König und ließen sich von ihm ihre Rechte bestätigen. Im [[Erster Frieden von Thorn|Ersten Frieden von Thorn]] von [[1411]] fiel das Dobriner Ländchen sowie [[Niederlitauen]] (ab dem "Frieden am Melno-See" von [[1422]] endgültig) zurück an Polen-Litauen, außerdem mußte der Orden hohe Reparationen zahlen. |
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=== Territorialverluste und Polen als Spielball europäischer Mächte === |
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Die Entsendung des Erzbischofs von Gnesen, Rektors der Universität Krakau, des profiliertesten polnischen Staatsdenkers Paulus Wladimir von Brudzen, zum [[Konzil von Konstanz]] von [[1414]] bis [[1418]] brachte Jagiello die Anerkennung seines Anspruchs, einer der einflußreichsten christlichen Herrscher zu sein. Dies war ihm nach seinem Tannenberger Sieg zunächst noch versagt worden. Zudem entzog das Konzil den Deutschordensrittern das Recht, Litauen zu missionieren, das mit Jagiellos Amtsantritt offiziell zum Christentum bekehrt worden war. Damit war die Existenzberechtigung dieses Ordens in Polen, die de facto seit [[1309]] nicht mehr bestand, ad acta gelegt. [[1421]] versprach sogar Kurfürst [[Friedrich I. (Brandenburg)|Friedrich von Brandenburg]] dem polnischen König seinen Beistand gegen die Ordensritter. Als antideutsche Bewegung entzündete auch in Polen das [[Hussiten]]tum die Herzen. Sympathien und Antipathien zeichneten sich ab, die von ferne schon an den [[Panslawismus]] des [[19. Jahrhundert]]s erinnern. Aber dank päpstlicher Einmischung versöhnte sich Jagiello [[1423]] mit dem römisch-deutschen Kaiser [[Sigismund (HRR)|Sigismund]], vor allem wegen der Verteidigung des gemeinsamen katholischen Glaubens gegen die [[Osmanen|osmanischen Türken]]. |
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[[Datei:John II Casimir Vasa 1.PNG|mini|hochkant|Niedergang und Verlust der Großmachtstellung unter König Johann II. Kasimir, dem letzten der Wasa in Polen]] |
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Die Kriegshandlungen mit Schweden dauerten bis zum [[Vertrag von Oliva]] 1660. Der Vertrag stellte den [[Status quo ante bellum]] her. Der Kurfürst von Brandenburg erlangte die Souveränität<ref>Zur Frage der Übergabe der Souveränität über das Herzogtum Preußen an die brandenburgische Linie der Hohenzollern siehe Dietmar Willoweit, Hans Lemberg: ''Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa.'' Oldenbourg, 2006, S. 78–79.</ref> über das Herzogtum Preußen. Frankreich übernahm die Garantie der Einhaltung des Friedens. Die Truppen des Zaren konnten nun bis zum Dnjepr zurückgedrängt werden. Die Siege des abtrünnigen Magnaten [[Jerzy Sebastian Lubomirski]] und der Machtwechsel im Krimkhanat, der die Südgrenze bedrohte, bewirkten den Abschluss eines ungünstigen [[Vertrag von Andrussowo|Waffenstillstands]] 1667 mit Moskau. Damit verlor Polen über ein Viertel (insgesamt 261.500 km²) seines Territoriums, das ab 1667 733.500 km² betrug. 1668 dankte der letzte Wasakönig Johann Kasimir ab. Ein Viertel der damaligen Bevölkerung war an den Folgen von Seuchen, Hungersnöten, Plünderungen und Gewalttaten gestorben. Zusätzliche Bevölkerungsverluste entstanden durch die Territorialverluste an Russland, zudem war die polnische Wirtschaft zerrüttet.<ref>Norman Davies: ''Im Herzen Europas – Geschichte Polens.'' Fünftes Kapitel – „Das Ende einer alten Kultur, Eine historische Nation“, Abschn. 4. „Die Adelsrepublik, 1569–1795“, S. 276.</ref> [[Manfred Alexander]] beschreibt Polens Lage nach dem Rücktritt von Johann Kasimir so: {{" |Polen büßte in fünf Jahren prozentual so viele Menschen ein wie Deutschland im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]], die Hauptlast trugen dabei die Städte. Deren planmäßige und methodische Zerstörung [… führte dazu, dass] Polen ein Agrarland blieb. Erst 1848 hatten die Städte wieder ungefähr das Niveau von 1655 erreicht.}}<ref>Manfred Alexander: ''Kleine Geschichte Polens.'' S. 134 f.</ref> Der Sejm wählte 1669 [[Michael I. (Polen)|Michael Wiśniowiecki]] zum polnischen König. Vier andere Kandidaten wurden abgelehnt, da die Vertreter des Kleinadels nach schlechten Erfahrungen mit Ausländern ihre Stimme einem einheimischen Kandidaten geben wollten, im Gegensatz zu den adelsrepublikanischen Magnaten. |
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===Polen auf dem Weg zur europäischen Großmacht=== |
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Der in der rechtsufrigen Ukraine bestehende Kriegszustand mündete im [[Osmanisch-Polnischer Krieg 1672–1676|Osmanisch-Polnischen Krieg]] von 1672 bis 1676. Um einer bevorstehenden militärischen Niederlage zuvorzukommen, schloss das geschwächte Polen den [[Vertrag von Buczacz|Präliminarfrieden von Buczacz]]. Die osmanische Türkei dehnte ihre Herrschaft über weite Teile der südlichen Ukraine aus. Der polnische Reichstag weigerte sich, den Vertrag zu ratifizieren; erneut begannen Kriegshandlungen. Nach wechselvollen Kämpfen endete der Krieg 1676 mit dem [[Vertrag von Żurawno]]. König Wiśniowiecki starb 1673. Der Großkronhetman [[Johann III. Sobieski|Jan Sobieski]] wurde 1674 dank seiner Popularität und militärischen Verdienste als sein Nachfolger gewählt. |
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[[Bild:Wladyslaw_Jagiello.jpg|thumb|left|150px|Großfürst [[Jagiello]] von [[Litauen]], als [[Wladyslaw II. Jagiello]] König von Polen (Portrait von [[Jan Matejko]])]]Nach dem Ableben Jagiellos am [[31. Mai]] [[1434]] nahm der Krakauer Kardinal [[Zbigniew Oleśnicki]] als Regent für Jagiellos unmündigen Sohn Wladyslaw III. die Zügel der polnischen Politik in die Hand. Der junge König stand unter der Regentschaft des königlichen Rates. [[1435]] konnte in Litauen die Opposition gegen die polnisch-litauische Union endgültig zerschlagen werden. Damit nahmen auch die Bestrebungen Kaiser Sigismunds einen negativen Ausgang, Litauen verblieb in der Union. Der in Krieg und Frieden erfolgreiche Kardinal trachtete danach, die [[Hussiten]] zu vernichten und [[Schlesien]] auf diplomatischem Wege für die Union zurück zu gewinnen. Sein Plan bestand darin, Polen zum Bollwerk der katholischen Kirche und zu einer europäischen Großmacht zu machen. Diesem Ziel sollten die Bündnisse mit Litauen und Ungarn dienen. |
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[[Datei:Vienna Battle 1683.jpg|mini|Zeitgenössisches Gemälde der Belagerung Wiens von 1683. Im Vordergrund das Entsatzheer von König [[Johann III. Sobieski]] in der Schlacht gegen die Türken, im Hintergrund die belagerte Stadt.]] |
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Für die [[Ungarn]] war Polen ohnehin als mächtiger Helfer gegen die [[Türken]] außerordentlich wichtig. [[ Wladyslaw_I._ (Ungarn)|Wladyslaw von Warna ]] erwarb die ungarische Krone [[1440]], fiel jedoch bei der Rettung von [[Konstantinopel]] (siehe auch [[Ostrom]]) gegen die Türken in der [[Schlacht bei Warna]] im Jahr [[1444]]. Nach drei Jahren [[Interregnum]] kam [[1447]] sein jüngerer Bruder [[Kasimir_IV._(Polen) |Kasimir der Jagiellone]] an die Macht, der für seinen Sohn [[Vladislav_II._(Böhmen_und_Ungarn)|Wladyslaw]] die böhmische [[1471]] und [[1490]], nach dem Tod von [[Matthias Corvinus]], die ungarische Krone sicherte. Die [[Jagiellonen]] beherrschten nun ein mächtiges Reich in Ost- und Südosteuropa. |
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Unter Sobieski, der zunächst die Unterstützung Frankreichs besaß, gelang der sich in einer tiefen politisch-ökonomisch-militärischen Krise befindenden [[Adelsrepublik]] zu Ende des 17. Jahrhunderts noch einmal eine kurze Renaissance der politischen Macht. Der neue König sollte den Staat von der fortwährenden [[Türkengefahr]] im Südosten des Reiches befreien. Sobieski wandte sich von seinem Bündnispartner Frankreich ab und schloss im April 1683 einen gegenseitigen Beistandspakt mit den Habsburgern. Dieser fand rasch Anwendung, als die Türken im Sommer Wien belagerten. Der polnische Reichstag stimmte der Entsendung eines Entsatzheeres zu, das wesentlich zum Sieg der alliierten Truppen in der [[Schlacht am Kahlenberg]] (1683) beitrug. Weitere Vorstöße im Südosten gegen das osmanisch besetzte Podolien, die Moldau und die Walachei blieben allerdings ohne Erfolg. Polen trat 1684 der durch die Vermittlung von Papst [[Innozenz XI.]] gegründeten [[Heilige Liga (1684)|Heiligen Liga]] bei. Zwei Jahre später wurde mit Russland [[Ewiger Friede (1686)|„ewiger Frieden“]] geschlossen. Innenpolitisch erreichte der König seine Ziele nicht: Er konnte weder die Herrschaftsansprüche seiner Familie durchsetzen noch die Macht des Adels begrenzen. Dieser opponierte offen gegen ihn, weil er in einem starken Königtum eine Bedrohung seiner Rechte sah. Die Folgen von Kriegen und Besetzungen durch fremde Heere – Besatzungskosten, Plünderungen und Zerstörungen des Landes – ließen weite Gesellschaftsschichten, auch den Adel, verarmen und sich verschulden. Die Föderation verfiel nach Sobieskis Tod (1696) in eine dezentralisierte Magnaten-Konföderation mit schwachen ausländischen Königen. Polen sank zum „Spielball“ europäischer Mächte herab, vor allem Russlands. Der allgemeine Verfall äußerte sich in einer dauerhaften Blockade des polnischen Parlaments durch das [[Liberum Veto]] und in der Bildung legaler Widerstandsbewegungen gegen die Gesamtinteressen des Staates immer dann, wenn der Adel seine herausgehobene Stellung in Gefahr sah. Im 18. Jahrhundert standen die Konföderationen oft unter dem Einfluss ausländischer Botschafter, die das Land an den Rand eines Bürgerkrieges brachten. |
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Zwecks einer Annäherung an das [[HRR|Reich]] wurde Kasimir mit der Tochter des römisch-deutschen Königs [[Albrecht II. (HRR)|Albrecht II.]], [[Elisabeth von Habsburg]], verheiratet, die als „Mutter der Könige“ in die Historie einging. [[1453]] bat der [[Preußischer Bund|Preußische Bund]] den polnischen König um Hilfe gegen den [[Deutscher Orden|Deutschen Orden]]. Kasimir versprach Hilfe und es brach [[1453]] ein dreizehn Jahre lang geführter Krieg aus, der mit dem [[Zweiter Frieden von Thorn|Zweiten Thorner Frieden]] [[1466]] erfolgreich für die Union endete. Die Friedensbedingungen wurden allerdings weder durch das römisch-deutsche Kaisertum noch das Papsttum anerkannt. Der Orden wurde jedoch entscheidend geschwächt und großer Teile seiner Macht beraubt. Er musste große Gebietsverluste hinnehmen: es entstand das „Königliche Preußen“ (bis [[1569]]) aus den Teilen [[Pommerellen]]-[[Danzig]] (welche sich die Ordensritter nach polnischer Auffassung vertragswidrig [[1309]] angeeignet hatten), dem [[Ermland]], dem [[Kulm|Kulmer Land]] sowie dem Land um [[Marienburg]], dem [[Landkreis Stuhm|Stuhm]] und [[Christburg]]. Das Restgebiet, die spätere Provinz [[Ostpreußen]], wurde zum königlichen [[Lehen]], bewahrte jedoch Autonomie und deutsche Sprache. Der [[Hochmeister]] des Deutschen Ordens wurde dem polnischen König zu Heeresfolge und zum Treueeid verpflichtet. |
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=== Sachsenzeit === |
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[[Bild:Jagiellonen.jpg|thumb|right|200px|Größte Einflußsphäre der [[Jagiellonen]] in [[Europa]] seit [[1490]] durch den Erwerb der [[Ungarn|ungarischen Krone]] bis zur [[Schlacht_bei_Mohács_(1526)|Schlacht bei Mohács]] [[1526]], dem Beginn der mehr als 300 Jahre dauernden [[Türkenkriege]] ]] |
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[[Datei:Jean-Pierre Norblin de La Gourdaine 001.jpg|mini|Königswahl von August den Starken in [[Wola (Warschau)|Wola]] im Jahre 1697<br />''Ölgemälde von [[Jan Piotr Norblin|Jean-Pierre Norblin de La Gourdaine]], ca. 1790'']] |
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Am Ende des [[15. Jahrhundert]]s sah sich die Union dem wachsenden politischem Druck durch die [[Osmanen]], [[Moskowien|das Moskowiter Reich]] und das Haus [[Habsburg]] ausgesetzt. [[1497]] unternahm König [[Johann I. (Polen)|Johann Olbracht ]] einen großen Kriegszug mit ca. 100.000 Mann gegen das in Teilen osmanisch besetzte polnische [[Fürstentum Moldau|Lehnsfürstentum Moldawien]]. Am [[14. Juli]] [[1484]] wurde der Süden des Fürstentums, [[Budschak]] genannt, mit den Handelshäfen [[Kilia]] und [[Bialogrod]], die wichtig für den polnischen Überseehandel mit den im Mittelmeer ansässigen Handelsrepubliken [[Genua]] und [[Venedig]] waren, vom Sultan [[Bayezid II.]] erobert. Diese waren auch das Hauptziel des Kriegszugs und der Rückeroberung, doch der moldawische [[Wojewode]] [[Ştefan cel Mare]], der zuvor dem polnischen König die Treue schwur, brach aus unbekannten Gründen mit diesem, unterwarf sich den Osmanen und fiel mit türkischer Hilfe den Polen in den Rücken. Die königliche Expedition wurde zu einem militärischen [[Fiasko]]. Durch Niederlagen, Hunger und Seuchen geplagt, zog sich der König aus Moldawien zurück, wodurch die [[Reputation]] und Herrschaft der [[Jagiellonen]] in [[Europa]] in Bedrängnis geriet. [[1498]] schickten die Türken als Vorauskommando ihre Vasallen, die [[Krimtataren]], die die südlichen Provinzen des Reiches regelmäßig für fast zwei Jahrhunderte im Namen des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Imperiums]] heimsuchen sollten. Die "wilden Felder" (polnisch: dzikie pola), so hießen die Gebiete nördlich der Halbinsel [[Krim]], entwickelten sich zu einer "permanenten Kriegszone", im Spannungsfeld ihrer Anlieger, der [[Adelsrepublik]] und der [[Hohe Pforte|Hohen Pforte]] auf der eine Seite und ihrer jeweiligen [[Vasall]]en, den Krimtataren und [[Kosaken]], auf der anderen. |
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{{Hauptartikel|Sachsen-Polen}} |
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Unter der Sachsenzeit versteht man in Polen die Herrschaftszeit der beiden Könige aus dem Hause [[Wettiner|Wettin]]. Es waren August der Starke 1697–1733 und sein Sohn August III. 1733–1763, die Polen in Personalunion mit ihrem heimischen [[Kurfürstentum Sachsen]] regierten. Die Wahlen waren mit massiven [[Bestechung]]en einhergegangen und blieben nicht unangefochten. Um sich die polnische Krone zu sichern, musste der protestantische Kurfürst zum Katholizismus konvertieren. Der [[Friede von Karlowitz|Friedensvertrag zu Karlowitz]] 1699 mit der Hohen Pforte ermöglichte eine Rückkehr [[Podolien]]s zu Polen. Mit dem [[Großer Türkenkrieg|Großen Türkenkrieg]] endeten auch die seit 1444 geführten Konflikte mit dem Osmanischen Reich. Die Politik des Landes wurden immer stärker von den Hochadelsfraktionen bestimmt, namentlich die [[Potocki (Adelsgeschlecht)|Potockis]], [[Czartoryski (Adelsgeschlecht)|Czartoryskis]] und [[Sapieha (Adelsgeschlecht)|Sapiehas]], die sich gegenseitig bekriegten und zunehmend finanziell von fremden Mächten abhängig wurden. Die Versuche des Königs, eine absolutistische Herrschaft zu etablieren, scheiterten am Fehlen einer eigenen [[Hausmacht]]. |
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Die Union verlor [[1512]] die Lehnsherrschaft über Moldawien an die osmanischen [[Türken]]. Die militärischen Niederlagen Polens ausnutzend, begannen die Großfürsten von [[Moskau]], die Zaren [[Iwan III. (Russland)|Iwan III.]] und [[Wassili III.]], ab [[1500]] auf die Ostgrenze des Großfürstentums [[Litauen]] Druck auszuüben. In den Friedensverträgen von [[1503]] und [[1522]] mit den Moskowitern gingen der Union mit den [[Sewerien|severischen Fürstentümern]] (abgetreten [[1503]]) und dem [[Smolensk|Land von Smolensk]] (erobert [[1514]]) bis [[1618]] etwa ein Drittel der ruthenischen Gebiete verloren. Daran konnte auch die vernichtende Niederlage der [[Russen]] gegen die polnisch-litauischen Unionstruppen unter der Führung des [[Hetman|Großhetmans]] Konstantin Ostrogski in der [[Orscha|Schlacht bei Orscha]] des Jahres [[1514]] nichts ändern. Mit der Rückendeckung des römisch-deutschen Kaisers [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]] fühlte sich selbst der neue Hochmeister des Deutschen Ordens, [[Friedrich von Sachsen (Deutschmeister)|Friedrich von Sachsen]], stark genug und verweigerte König Johann Olbracht den Huldigungseid, woraufhin der König im Frühling [[1501]] sein Heer in der Nähe von [[Thorn]] zusammenziehen ließ, um des Hochmeisters Verhalten zu bestrafen, doch kurz vor dem Einmarsch in das [[Ostpreußen|Ordensland]] verstarb der polnische Souverän an einer Krankheit. Als Nachfolger auf dem polnischen Thron (bis [[1506]]), wurde der jüngere Bruder des Königs, [[Alexander (Polen)|Alexander der Jagiellone]], der Großfürst von Litauen, bestimmt. |
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[[Datei:Grosser Nordischer Krieg Phase1.png|mini|links|Darstellung der [[Feldzug|Feldzüge]] während der ersten Phase des Krieges vom Kriegsausbruch 1700 bis zur Kriegswende infolge der [[Schlacht bei Poltawa]] im Juli 1709. Zu dieser Zeit wurde Polen von schwedischen, russischen und sächsisch-polnischen Armeen verheert, was zu drastischen wirtschaftlichen Einbußen und zur Verarmung der Bevölkerung führte.]] |
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[[Bild:Wienerfürstentag1515.jpg|thumb|left|250px|[[Wiener Fürstentag]] zwischen den Königen [[Sigismund I. (Polen) | Sigismund I.]] von Polen und Litauen, [[Vladislav II. (Böhmen und Ungarn)|Władysław II.]] von Böhmen und Ungarn und Kaiser [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian von Habsburg]] [[1515]] ]] |
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Um die Situation im Westen zu entspannen, kam es im Jahre [[1515]] zum [[Wiener Fürstentag]]. König [[Sigismund I. (Polen) | Sigismund der Alte]] ging ein Heirats- und damit ein Regierungsbündnis mit Kaiser Maximilian I. von [[Habsburger|Habsburg]] ein. Der Kaiser erkannte die Thorner Friedensbestimmung von [[1466]] an und ließ von seinen russischen Plänen, die polnisch-litauische Union gemeinsam mit dem Großfürsten von [[Moskau]] anzugreifen, ab. Der seit [[1511]] in Preußen herrschende Hochmeister, [[Albrecht von Brandenburg-Preußen]], weigerte sich jedoch weiterhin, sich den Polen zu unterwerfen und setzte, auf Unterstützung aus dem [[HRR|Reich]] hoffend, einen gegen seinen polnischen Lehnsherren, der gleichzeitig sein Onkel war, geführten Krieg [[1519]] - [[1521]] fort. [[1518]] heiratete Sigismund [[Bona Sforza]], die Nichte der verstorbenen Kaiserin Bianca Maria Sforza, die sich noch heute als „Königin Bona“ einer großen Beliebtheit in Polen erfreut. Mit ihr fand die italienische [[Renaissance]] in Polen-Litauen ihren Einzug und das antideutsche Lager gewann an Einfluss. |
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Die große Auseinandersetzung Russlands und Schwedens um [[Livland]] und um die Vorherrschaft in der Ostsee im [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]] dehnte sich auch auf Polen aus. Beide Kriegsparteien kämpften auch um den politischen Einfluss auf die Adelsrepublik.<ref>Otto Büsch: ''Handbuch der preussischen Geschichte.'' Band 1, S. 417.</ref> Im ersten Jahrzehnt des Krieges, als das petrinische Russland am Rande des Zusammenbruchs stand, war Polen in erster Linie von Schweden bedroht. Nach der Niederlage des schwedischen Königs geriet die Adelsrepublik unter wachsenden Druck Russlands. Dieses machte sich den inneren Konflikt zwischen den absolutistischen Reformbestrebungen des Wahlkönigs August II. und dem Konservatismus des Adels zunutze, um die Rolle des Mittlers zu spielen, der in Wirklichkeit den Parteien die Interessen Russlands aufzwang. In dieser entstehenden Souveränitätskrise verwischten die Grenzen zwischen innerer und äußerer Politik. Dies machte sich erstmals auf dem [[Stummer Sejm 1717|Stummen Sejm von 1716/17]] bemerkbar, auf dem Peter I. die militärische Kontrolle des polnischen Staatsgebietes zugesichert bekam. Faktisch bedeutete die im Stummen Sejm von 1717 fixierte Heeresstärke von 24.000 Mann (effektiv kaum mehr als 10.000 Mann) den militärischen Zusammenbruch Polens. Im [[Frieden von Nystad]] vermochte Peter I. seinen Interventionserfolg in Polen durch völkerrechtliche Regelungen abzusichern. So erhielt Russland das Recht zur Intervention im Falle von verfassungsändernden Reformen.<ref>Otto Büsch: ''Handbuch der preussischen Geschichte.'' Band 1, S. 418.</ref> |
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Dem Machtzuwachs nach außen stand die Schwächung der Krongewalt im Inneren gegenüber. Die [[Jagiellonen]], insbesondere seit [[Kasimir_IV._(Polen) |Kasimir IV.]], sahen sich, wie schon ihre Vorgänger auf dem polnischen Thron, zu weiterer Privilegierung des Adels, sowohl des Hochadels, der [[Magnat]]en, als auch des niederen Adels, der [[Schlachta]], gezwungen. Der polnische Reichstag, der [[Sejm]], der sich aus dem Adel und hohem Klerus zusammensetzte, gewann zunehmend Macht über den König. Die Verfassung -Nihil Novi- von [[1505]], während der Regenschaft von König Alexander, legte fest, dass nichts Neues ohne Zustimmung des Sejm angeordnet werden konnte. Die zunehmende Privilegierung des Adels, die Übernahme zahlreicher Regierungsfunktionen durch diesen, hatte auf der anderen Seite die sukzessive Entrechtung der Bauern (Einführung der [[Leibeigenschaft]]) und des [[Bürgertum]]s und somit den späteren Niedergang der Städte zur Folge. |
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Nach dem Tod des polnischen Königs August II. entstand ein Interregnum, aus dem sich der [[Polnischer Thronfolgekrieg|Polnische Thronfolgekrieg]] entwickelte. Die drei Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich kamen überein, die Wahl eines französisch gestützten Königs (als Versuch einer [[Barrière de l’Est]] gegen die mittelosteuropäische Dominanz der drei Mächte) zu verhindern sowie die Handlungsunfähigkeit Polens aufrechtzuerhalten.<ref>Otto Büsch: ''Handbuch der preussischen Geschichte.'' Band 1, S. 419.</ref> Durch die Unterstützung Russlands und Österreichs konnte sich sein Sohn, August III., während des Polnischen Thronfolgekrieges gegen seinen Gegenspieler Stanislaus I. Leszczyński durchsetzen, um den Preis zunehmender politischer Einflussnahme Russlands in Polen. Das Land wurde weitgehend durch seinen Günstling [[Heinrich Graf von Brühl]] regiert. Weil der Gutsadel gleichzeitig an Wohlstand gewann, drang er auch auf eine innere Reform des Staates. Der Geist der [[Aufklärung]] drang nach Polen vor, Ansätze zu einer Verbesserung des Bildungssystems wurden gemacht. Besonders positiv waren die Folgen in der Architektur. Das Bild der Hauptstadt Warschau veränderte sich: das [[Warschauer Königsschloss|Königsschloss]] wurde großzügig umgebaut, es entstand die [[Sächsische Achse]] nach dem Vorbild von [[Versailles]] mit dem [[Sächsisches Palais|Sächsischen Palais]] und dem [[Sächsischer Garten|Sächsischen Garten]]. Die Chancen für grundlegende Reformen, die sich nach dem Ende des Polnischen Thronfolgekrieges ergaben, wurden vertan. Das Land und mit ihm das System der Adelsdemokratie trieben an den Rand des Ruins. Mehrere Anläufe zur Reform und Stärkung der Staatsstrukturen, vor allem seiner Finanzen während der Reichstage von 1738, 1744, 1746 und 1748 blieben erfolglos. Der Hochadel weigerte sich, neben der Angst vor absolutistischen Bestrebungen, sich selbst zu besteuern. Die Institution des Königtums in Polen war zu schwach, die Reformen gegen die Partikularinteressen der Magnatengeschlechter durchzusetzen. |
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[[Bild:Prussian_Homage.JPG|thumb|right|300px|[[Albrecht von Brandenburg-Preußen]], Herzog von [[Ostpreußen|Preußen]], huldigt König [[Sigismund I. (Polen) | Sigismund I.]] von Polen]] |
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Zur Sicherung der Souveränität und der südlichen Peripherie wurden ab [[1533]] erfolgreich Friedens- und Handelsverträge mit der [[Hohe Pforte|Hohen Pforte]] geschlossen. Dies war notwendig, weil kurz zuvor der größte Teil des Königreichs [[Ungarn]] nach der [[Schlacht_bei_Mohács_(1526)|Schlacht bei Mohács]] [[1526]] für über 150 Jahre unter die türkisch-osmanische Herrschaft geriet. Die Westhälfte mit [[Böhmen]] wurde infolge des Schlachtentodes des jagiellonisch-ungarischen Königs [[Ludwig II. (Böhmen und Ungarn)|Ludwig des Heiligen]], laut den Bestimmungen von [[1515]], dem Haus [[Habsburg]] zugeschlagen. Damit wurde das Fundament des späteren Aufstiegs [[Österreich]]s zur europäischen Großmacht gelegt. [[1525]] unterwarf sich [[Albrecht von Brandenburg-Preußen]] dem polnischen König und nahm das neue Herzogtum [[Ostpreußen|Preußen]] aus den Händen des polnischen Souveräns zu [[Lehen]]. Das Land wurde [[Säkularisierung|säkularisiert]] und der neue [[Protestantismus|evangelische Glaube]] garantiert (siehe auch [[Martin Luther]]). Eine Ausnahme stellte das [[Ermland]] dar, das [[Katholizismus|katholisch]] blieb. Bereits im [[15. Jahrhundert]] begann sich ein Wandel in den wirtschaftlichen Verhältnissen abzuzeichnen. Auf dem Land setzte sich die Leibeigenschaft und Fronwirtschaft durch, während die Städte, vor allem [[Krakau]], [[Danzig]], [[Thorn]] und [[Lublin]], später auch [[Warschau]], zu blühenden Handelstädten von internationalem Rang heranwuchsen. |
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=== Teilungen Polen-Litauens === |
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==Die Union von Lublin und die Adelsrepublik 1569 - 1795 == |
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[[Datei:Nilson - Die Lage des Koenigreichs Pohlen im Jahr 1773.png|mini|Mit diesem Kupferstich prägte [[Johannes Esaias Nilson]] für lange Zeit das Bild von der Ersten Teilung Polen-Litauens im Jahr 1772. Gleichzeitig hielt der massenhaft verbreitete Stich die Erinnerung an die Existenz Polens in den Köpfen zahlreicher Patrioten wach.]] |
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===Sigismund August und die Frage der Reformation=== |
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[[Datei:Wojniakowski Passing of the 3rd of May Constitution.jpg|mini|Die Verabschiedung der Mai-Verfassung am 3. Mai 1791, zur Zeit des [[Vierjähriger Sejm|Vierjährigen Sejms]] im [[Warschauer Königsschloss]] (Gemälde von 1806)]] |
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[[Image:Unia_Lubelska.JPG|thumb|right|250px|Die [[Lubliner Union|Realunion von Lublin]] im Jahr [[1569]] ]] |
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[[Datei:Smuglewicz Kosciuszko 2.jpg|mini|General Tadeusz Kościuszko leistet auf dem Hauptmarkt von Krakau den Eid, Polen von den Invasionsmächten zu befreien]] |
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Der im Kampf gegen den Hochadel geschwächte Kleinadel - [[Szlachta]] - erwirkte unter [[Sigismund_II._(Polen)|Sigismund II. August]] eine Wirtschafts-, Heeres- und Rechtsreform. Die Personalunion zwischen Polen und Litauen wurde [[1569]] in eine [[Realunion]] umgewandelt. Unter dem Eindruck der Moskauer Offensive gen [[Baltikum]] während des [[Livländischer Krieg|Livländischen Krieges]] von [[1558]] bis [[1583]], bei dem das [[Russland|Moskowiter Reich]] und das [[Litauen|Litauische Großfürstentum]] zeitweilig die Hauptwidersacher waren, musste Litauen der Union von Lublin mit Polen zustimmen. |
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{{Hauptartikel|Teilungen Polens}} |
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{{Hauptartikel|Polnische Aufklärung}} |
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Der innere Verfall der polnisch-litauischen Adelsrepublik setzte sich auch nach der Wahl [[Stanislaus August Poniatowski]]s zum König 1764 fort. Trotz vorsichtiger Reformbemühungen, wie der Gründung von Bildungseinrichtungen und [[Manufaktur]]en und einer Blütezeit im Bereich von Kunst und Kultur scheiterten weitergehende Schritte, wie die Abschaffung des [[Liberum Veto]] vor allem am Widerstand Russlands. Russland wollte Polen weiter unter politischer Kontrolle behalten. Unter russischem Druck mussten König Poniatowski und der Sejm 1768 einen polnisch-russischen Vertrag unterzeichnen, der alles beim Alten beließ und die Königliche Republik auf die Höhe eines russischen Protektorats stellte. Zahlreiche konservative Adlige waren gegen den Vertrag und schlossen sich in einer Widerstandsorganisation, der [[Konföderation von Bar]], zusammen. Diese richtete sich gegen den prorussischen König Poniatowski, die Reformen im Lande, die Beschneidung der Goldenen Freiheit sowie den starken russischen Einfluss in Polen. Es begann ein vierjähriger Bürgerkrieg, der das Chaos im Land vertiefte und europäische Dimensionen annahm. Der französische König [[Ludwig XV.]] und der osmanische Sultan [[Mustafa III.]] gingen mit der Konföderation eine Allianz ein. Ihr Ziel war die Sicherung der Republik als barriere de l'est gegen die russische Expansion. Im daraufhin ausbrechenden [[Russisch-Türkischer Krieg (1768–1774)|Russisch-Türkischen Krieg]] hatte die Konföderation hohe Opferzahlen unter dem Adel zu beklagen.<ref>Laut Wacław Szczygielski: ''Konfederacja Barska w….'' Warschau 1970, S. 6, bis zu 60.000 Tote; bis zu 6.000 Mann verbannt nach Sibirien laut Zygmunt Gloger: ''Geografia historyczna ziem dawnej Polski.''</ref> Um sich ihren Anteil an der polnischen Beute zu sichern, waren österreichische und brandenburgisch-preußische Truppen schon seit 1769<ref>Hans-Jürgen Bömelburg: ''Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preussischem Obrigkeitsstaat.'' S. 215.</ref> in Teilen Polens einmarschiert und hielten sie besetzt. In den Verträgen des Jahres 1772 erhielt Russland die Woiwodschaften Połock, Witebsk, Mścisław und [[Woiwodschaft Livland|Livland]]. Weite Teile Kleinpolens und [[Woiwodschaft Ruthenien|Ruthenien]] fielen an Österreich. Preußen vereinnahmte |
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Die [[Lubliner Union|Realunion von Lublin]] von [[1569]] bildete für die Geschichte der [[Ukraine]] eine deutliche Zäsur. Die ukrainischen Länder wurden nun direkt dem Königreich Polen - polnischer Krone - unterstellt und die kulturelle und religiöse Integration des ukrainischen in den polnischen Adel beschleunigt. Es bildetete sich eine tiefe Kluft zwischen dem priviligierten katholischen Adel und den [[Orthodoxe Kirche|orthodox]] gebliebenen ukrainischen Unterschichten. Das Kronland Polen wurde mit [[Polesien]], [[Wolhynien]] und [[Podolien]] verbunden. [[1561]] stellten sich auch die Reste des noch in [[Kurland]], [[Livland]] und [[Estland]] souverän agierenden Zweigs des [[Deutscher Orden|Deutschen Ordens]] (siehe auch [[Schwertbrüderorden]]), des Meisters [[Gotthard Kettler|Gotthard von Kettler]], unter die polnisch-litauische Oberhoheit, um sich gegen die russische Bedrohung abzusichern. |
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[[Königlich Preußen]] und Teile der Woiwodschaften Inowrocław und Gnesen als ''[[Westpreußen]]'' sowie das Fürstbistum Ermland. Insgesamt verlor Polen bei der ersten Teilung knapp 200.000 km² mit 4,5 Millionen Einwohnern. Es blieben ihm 527.000 km² mit sieben Millionen Menschen. |
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Diese Ereignisse brachten führende Köpfe des Staates dazu, innere Reformen anzuschieben. Man vereinbarte eine grundlegende Reform der Staatsfinanzen, eine Modernisierung der Armee (Aufbau und Finanzierung eines 100.000 Mann starken stehenden Heeres) und des Bildungswesens (durch die Gründung der [[Komisja Edukacji Narodowej|Kommission für das nationale Erziehungswesen]]). Weitergehende Reformen entstanden Ende der 1780er Jahre, als der [[Vierjähriger Sejm|Vierjährige Sejm]] eine neue Verfassung verabschiedete. Diese sah eine [[Erbmonarchie]] unter dem Haus der Wettiner vor und ging als die [[Verfassung vom 3. Mai 1791]] in die Geschichte ein. Neben einer Teilung und Verschränkung der Gewalten sollte auch das Prinzip der [[Volkssouveränität]] für Adel und Stadtbürger gelten, wohingegen die Masse der Bevölkerung, die [[Leibeigenschaft|leibeigenen]] Bauern, rechtlos blieb.<ref>[[Barbara Stollberg-Rilinger]]: ''Die Aufklärung. Europa im 18. Jahrhundert.'' 5. Auflage, Reclam, Stuttgart 2021, S. 249 f.</ref> |
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[[Bild:Wappen polen siebmacher.JPG||thumb|left|170px|Staatswappen der Union, mit dem weißen Adler der [[Piasten]] und dem litauischen Reiter (Vytis)]] |
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Die [[Reformation]] verbreitete sich im konfessionell gemischten Polen-Litauen zunächst relativ rasch. Der [[Calvinismus]] wurde ab [[1540]] von [[Johannes a Lasco|Jan Łaski]] nach Polen gebracht. [[1579]] wurde unter dem Einfluß des [[Unitarier]]s [[Fausto Sozzini|Faustus Sozzini]] die [[Sozinianismus|Kirche der Sozinianer]] gegründet. Das [[Luthertum]] hatte zunächst bei der deutschen Bevölkerung in den großpolnischen Städten und in [[Krakau]] Einzug gefunden, auch im [[Pommerellen|Königlichen Preußen]] und im [[Ostpreußen|Herzogtum Preußen]] begannen sich die Lehren [[Luther|Luthers]] und [[Calvin|Calvins]] durchzusetzen. König [[Sigismund I. (Polen)|Sigismund I.]] bekämpfte sie mit einer Reihe von Edikten und Rechteeinschränkungen politisch, in [[Danzig]] auch militärisch. Sein Sohn und Nachfolger [[Sigismund II. August|Sigismund August]], auf den die [[Protestanten]] große Hoffnungen setzten, wechselte zwar nicht die Konfession, ging aber auch nicht energisch gegen die [[Reformation]] vor. In den Jahren nach [[1548]] bildeten sich in einer Reihe von Orten reformatorische Gemeinden verschiedener Couleur: im Westen des Landes die vertriebenen [[Böhmische Brüder|Böhmischen Brüder]] in [[Lissa]] und Ostroróg, im Osten [[Arianer]] und [[Wiedertäufer]] in Raków und anderen Mediatstädten von adligen [[Magnat]]en. Diese Orte waren eine gewisse Zeit lang führende Zentren der Kultur, vor allem der [[Literatur]] und des [[Buchdruck]]s. Die protestantischen Richtungen der [[Rzeczpospolita]] schlossen [[1570]] die [[Sandomir|Union von Sandomir]], auch Consensus Sandomiriensis genannt, drei Jahre später, [[1573]], wurde mit der Pax Dissidendum der "Warschauer Konföderation", allen Lutheranern, wie Calvinisten die volle Religionsfreiheit zugesichert. |
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Der Widerstand der alten Teilungsmächte gegen die Reformen wuchs. Preußen suchte die Nähe Russlands, obwohl es seit 1790 in einer gegen Russland gerichteten Defensivallianz mit Polen verbündet war. Russland ermutigte konservative Adlige, sich in der [[Konföderation von Targowica]] zusammenzuschließen, die vom russischen Militär unterstützt wurde. Der Widerstand der antireformatorischen Kräfte und die russische Intervention zur Unterstützung ihrer Vasallen in Polen erzwangen 1792 abermals einen [[Russisch-Polnischer Krieg (1792)|Russisch-Polnischen Krieg]]. Die überstürzte Kapitulation des Königs und dessen Beitritt zur Konföderation von Targowica trug zu einer weiteren Teilung des revolutionären Polen 1793 bei, in der alle Gebiete östlich der Linie Dünaburg–Chocim an Russland; Großpolen, Westmasowien sowie die Städte Danzig und Thorn an Preußen fielen. Den Annexionen hatte sich das Land im letzten adelsrepublikanischen Sejm, dem [[Sejm von Grodno]], durch militärischen Nachdruck zu fügen. Es verblieb ein polnischer [[Rumpfstaat]] mit 240.000 km² und 3,5 Millionen Einwohnern. |
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[[Bild:Jan Matejko-Astronomer Copernicus-Conversation with God.jpg|thumb|right|250px|Einer der berühmtesten Staatsbürger Polens des frühen [[16. Jahrhundert]]s, der Astronom [[Nikolaus Kopernikus]]]] |
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Die Zersplitterung der Bewegung in verschiedene Richtungen war zugleich ihre große Schwäche, an der die [[Gegenreformation]] ansetzte, die in Polen-Litauen mit [[Stanislaus Hosius]], dem Bischof von [[Ermland]], begann. Mit König [[Stephan Bathory]] wurde der Kampf gegen den Protestantismus mit Hilfe der [[Jesuiten]] auch intellektuell forciert. Die außenpolitische Anlehnung der folgenden drei [[Wasa|Wasa-Könige]] an das katholische [[Habsburg]] und der innenpolitische Kampf gegen den Adel drängten die Protestanten immer weiter zurück, vor allem die Sozinianer. Allerdings gab es keine Einrichtung wie die [[Inquisition]] in Polen und es wurde auch niemand auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die sprichwörtliche polnische Toleranz jener Zeit war vor allem damit zu erklären, dass sich die Vertreter des dominierenden Adels einen Glaubenskrieg wie im benachbarten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation oder dem [[Hugenotten|hugenottischen Frankreich]] ersparen wollten. Mit einem Teil der orthodoxen Kirche wurde, auf Betreiben des Kanzelredners Peter Skarga, ein Ausgleich in der [[1596]] geschlossenen [[Kirchenunion von Brest]] gefunden. Freilich setzte seit der Mitte des [[17. Jahrhundert]]s eine immer stärkere Katholisierung des Landes ein, die religiöse und nationale Minderheiten zusehends an den Rand drängte. Die katholische Konfessionalisierung verringerte dadurch das Verteidigungspotential des multikonfessionellen Staates entscheidend, durch den späteren Abfall der orthodoxen Ukraine unter den [[Kosaken|Dnjepr-Kosaken]] an Russland im Vertrag von [[Perejaslaw-Chmelnyzkyj|Perejaslaw]] am [[8. Januar]][[ 1654]]. |
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Ein Jahr später brach der [[Kościuszko-Aufstand]] aus, zum ersten Mal ein Volksaufstand. [[Tadeusz Kościuszko]] proklamierte sich zum Diktator und hoffte auf auswärtige Hilfe. Die Kämpfe waren zunächst erfolgreich, etwa in der [[Schlacht bei Racławice]]. Die Übermacht von Preußen und Russen setzte sich aber durch. In der [[Schlacht bei Maciejowice]] unterlag im Oktober 1794 das Hauptaufgebot mit Kościuszko an der Spitze. Mit dem für die Invasoren erfolgreichen [[Schlacht bei Praga (1794)|Kampf um die polnische Hauptstadt]] waren der Kościuszko-Aufstand endgültig gescheitert und das Schicksal Polens besiegelt. Mit der dritten Teilung, in der Russland alle litauischen und ruthenischen Gebiete östlich von [[Bug (Fluss)|Bug]] und [[Memel]], Österreich das restliche Kleinpolen mit Krakau und Brandenburg-Preußen das restliche Masowien mit Warschau und Teile Litauens erhielten, waren Polen und Litauen für über 100 Jahre von der politischen Landkarte Europas verschwunden. Die endgültige Teilungskonvention, geschlossen in [[Sankt Petersburg]] 1797, wurde um ein geheimes Zusatzabkommen ergänzt: |
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[[Bild:Kazanie Skargi.jpg|thumb|left|250px|Unter dem Einfluß des Kanzelpredigers, Peter Skarga, [[Kirchenunion von Brest]] mit der orthodoxen Bevölkerung der [[Rzeczpospolita]] ]] |
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Kunst, Literatur und Wissenschaft erreichten im "goldenen Jahrhundert" der [[Renaissance]] und [[Humanismus]] einen Höhepunkt, insbesondere während der Regierungszeit des Renaissancekönigs [[Sigismund I. (Polen)|Sigismunds des Alten]], eine Blüte von Literatur und Kunst, wobei das bis dahin im Schrifttum dominierende [[Latein]] zugunsten des [[Polnische Sprache|Polnischen]] zurücktrat, das sich ab etwa [[1500]] zu voller Ausdruckskraft entfaltete. Es kam zur Blüte der Weichselgotik, zum Eindringen der italienischen Renaissance in die "Krakauer Malerschule" und es stieg der Einfluß deutscher und flämischer Künstler, unter anderen [[Veit Stoß]]. An der [[Jagiellonen-Universität|Universität Krakau]], dem Zentrum des Humanismus, wirkten [[Conrad Celtis]] und die Juristen Paul Wlodkowic und Jan Ostroróg. [[Krakau]] stieg zum führenden Zentrum des Buchdrucks in Ostmitteleuropa auf. Die Dichter [[Polnische Literatur|Mikołaj Rej]], [[Polnische Literatur|Jan Kochanowski]] und [[Polnische Literatur|Łukasz Górnicki ]] begründeten die polnische Literatur, der Philosoph Andrzej Frycz-Modrzewski die polnische [[Staatstheorie]] und [[Nikolaus Kopernikus]] das heliozentrische Weltbild. In Architektur und Kunst spiegelten sich italienische und französische Einflüsse. Zahlreiche Adelspaläste, Bürgerhäuser und Kirchen entstanden, das Krakauer Königsschloss auf dem [[Wawel|Wawel-Hügel]] wurde zur prunkvollen Residenz ausgebaut, neue Städte gegründet. Der Großkanzler Jan Zamoyski ließ eine Renaissance-Modellstadt, [[Zamość]], anlegen, die Städte [[Lemberg]], [[Vilnius]] und [[Posen]] stiegen zu wichtigen Kulturzentren auf, die [[Hanse]]städte [[Elbing]] und vor allem [[Danzig]], die "Perle Polens" genannt, zu wichtigsten Handelshäfen des Landes. Kennzeichnend für die politische Entwicklung dieser Zeit ist die Ausbildung Polens zu einer Adelsnation mit polonisiertem litauischem, russischem und preußischem Adel, während die Landbevölkerung im Norden und Osten des Landes weiterhin überwiegend litauisch-, weißrussisch- und ukrainischsprachig blieb. Der polnische [[Sejm|Reichstag]] der Magnaten engte die Macht des Königtums zunehmend ein und sicherte sich [[1572]] das Recht der Königswahl. |
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{{Zitat |
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===Stephan Báthory, das Haus Wasa und die großen Erschütterungen des 17. Jahrhunderts=== |
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|Text=''Im Angesicht der Notwendigkeit alles abzuschaffen, das die Erinnerung an das Bestehen des Königreichs Polen wiederbeleben könnte…, stimmen die den Vertrag abschließenden Parteien überein…, niemals ihre Titel um den Namen oder Würden des Königreichs Polen zu ergänzen, welches von heute und für alle Zeit unterdrückt bleiben soll!''}} |
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== 1795–1914: Fremdherrschaft == |
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[[Image:Rzeczpospolita_1600.png|thumb|right|200px|Größte Ausdehnung und Einflußsphäre der [[Adelsrepublik]] im Jahr [[1618]], nach dem "Frieden von Deulino" mit [[Russland]] ]] |
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=== Polen in den Koalitionskriegen 1795–1815 === |
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[[1572]] verstarb der letzte Jagiellonenkönig [[Sigismund II. August|Sigismund August]] ohne männliche Nachkommen. Polen und Litauen wurden zu einer [[Rzeczpospolita|Adelsrepublik]] und führten die [[Wahlmonarchie]] ein. Die [[Schlachta]] und die [[Magnat]]en hatten [[1569]] ihre Vormachtstellung im Staat in der [[Lubliner Union]] zementiert. Für Litauen bedeutete dies die weitgehende Polonisierung seiner Führungsschicht und weiter Teile der Bevölkerung (siehe auch [[Geschichte Litauens]]). Die [[Kirchenunion von Brest]] im Jahre [[1596]] mit dem Entstehen einer [[Rom]] unterstellten katholisch-unierten Kirche, die den orthodoxen Ritus beibehielt, sollte die Ostgrenze sichern, erfüllte aber langfristig weder die Erwartungen der Staatsspitze noch der beteiligten lokalen Würdenträger. Ende des [[16. Jahrhundert]]s umfasste die Adelsrepublik das Gebiet des heutigen Zentral-, Nord- und Ostpolens, des [[Oblast Kaliningrad|Oblasts Kaliningrad]], [[Litauen]]s, [[Lettland]]s, [[Weißrussland]]s und der [[Ukraine]], temporär auch [[Estland]]s und [[Fürstentum Moldau|Moldau]]s. |
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[[Datei:Herzogtum-Warschau.png|mini|Das Herzogtum Warschau in den Grenzen von 1809]] |
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{{Hauptartikel|Herzogtum Warschau}} |
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Die nach dem Ende der polnischen Staatlichkeit verbliebenen Aufständischen und Oppositionellen setzten ihre Hoffnungen auf das [[Französische Revolution|revolutionäre Frankreich]]. Auf dessen Anregung entstand bis 1797 [[Italienfeldzug (Erster Koalitionskrieg)|in Oberitalien]] eine 6000 Mann starke [[Légions polonaises|Polnische Legion]] unter General [[Jan Henryk Dąbrowski]], die auf Seite [[Napoleon Bonaparte|Napoleons]] bis zum [[Friede von Lunéville|Frieden von Lunéville]] 1801 kämpfte, ohne ihrem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Stattdessen setzte Napoleon die polnischen Soldaten im [[Geschichte Haitis|Kampf gegen Aufständische auf Haiti]] ein, wo sie durch Tropenkrankheiten dezimiert wurden. Haiti wurde zum 1. Januar 1804 unabhängig. |
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Die Art der Königswahl öffnete der Manipulation Tür und Tor. Alle adligen Reichsbürger sollten sich auf einem Feld bei Warschau versammeln, um den Herrscher in offener Wahl zu bestimmen. Jeder Adlige hatte eine Stimme, der verarmte Landadlige genauso wie der mächtigste Magnat. Stimmenkauf war an der Tagesordnung. Der gewählte König sah sich jedesmal gezwungen, dem Adel Zugeständnisse zu machen, die sogenannten - pacta conventa -. Er war lediglich ein [[primus inter pares]], die reale Macht lag in den Händen des Adels, der sie durch den alleinigen Besitz aller Ämter und die Grundherrschaft über die Untertanen ausübte. Seit der Verfassung - Nihil Novi - von [[1505]] konnte der König ohne Zustimmung des [[Sejm|Reichstages]] mit seinen beiden Kammern kein neues Gesetz mehr erlassen. |
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Was blieb, war der Siegeswille der Legionäre, der sich im Text des Liedes [[Józef Wybicki]]s von 1797 manifestierte: „[[Mazurek Dąbrowskiego|Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben]]“, und weiter „Marsch, marsch, Dąbrowski, von Italien nach Polen“ (seit 1918 die [[Nationalhymne]] Polens). |
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Gleichzeitig versuchten polnische Adlige am Petersburger Hof, wie der beim Zaren (1801–1825 war es Alexander I.) zu Einfluss gelangte Fürst [[Adam Jerzy Czartoryski]], die Lage im russischen Teilungsgebiet zu mildern. Zeitweise gab es mehr Freiheit besonders im Bildungswesen; Russland war aber nicht zu einem Krieg gegen Preußen bereit. Die [[1806#Europa|französischen Kriegserfolge des Jahres 1806]] bewogen einige Polen, auf Napoleon zu setzen und einen [[Großpolnischer Aufstand (1806)|bewaffneten Aufstand]] im polnischen [[Südpreußen]] zu wagen. |
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[[Bild:Potega Rzeczypospolitej u zenitu Zlota wolnosc Elekcja 1573.JPG|thumb|left|200px|Die [[Rzeczpospolita]] im Zenit der Macht [[1573]], bei der Wahl [[Heinrich III. (Frankreich)|Heinrichs von Valois]] zum König von Polen-Litauen (Bild von [[Jan Matejko]])]] |
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Der Aufstand hatte Erfolg; dies wurde begünstigt durch die Schwäche Preußens und den Vormarsch der [[Grande Armée]]. |
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Das Prinzip der Einmütigkeit aller Reichstagsbeschlüse galt ebenfalls schon seit dem [[16. Jahrhundert]], wurde aber erst [[1652]] so angewandt, dass ein einzelner Abgordneter mit dem Ruf des [[Liberum Veto|Liberum Veto]] das Parlament blockieren und alle bisher gefassten Beschlüsse ungültig machen konnte. Die Problematik dieser Regelungen wurde von vielen durchaus erkannt, doch die Macht und das gesellschaftliche Desinteresse der reichen Großgrundbesitzer verhinderten jede Art von Reformen. Zum Fehlen einer größeren Verantwortung gehörte auch die Vernachlässigung der Städte, die ohne jeden politischen Einfluss blieben, und der Verteidigung des Landes, weil man sich weigerte entsprechende finanzielle Leistungen zur Aufstellung eines [[Stehendes Heer|schlagkräftigen Heeres]] aufzubringen. Damit mußte die polnisch-litauische Republik, obwohl diese zu den bevölkerungsreichsten und größten Staaten Europas gehörte, mit "winzigen" Armeen an mehreren Fronten verteidigt werden. Diese Politik war in Friendszeiten durchaus erfolgreich, doch in den späteren Jahrhunderten, vor allem aber im [[18. Jahrhundert]], nahm sie einen katastrophalen Ausgang. Die zunehmende Machtfülle der [[Oligarchen]] äußerte sich in einer teilweise [[autark]]en Außenpolitik, zum Beispiel mit militärisch-politischer Einmischung in der [[Fürstentum Moldau|Moldau]] [[1595]] oder im [[Moskowien|Moskowiter Reich]] [[1605]]. Die Lage der unterdrückten Bauern war katastrophal, um so mehr als die Preise für ihre Erzeugnisse immer mehr abnahmen. Grundlage für die günstige Entwicklung der polnischen Wirtschaft war der Großhandel gewesen. In den Zeiten, in denen sich im Westen der [[Merkantilismus]] durchsetzte, spielte protektionistische Politik eine immer größere Rolle, während in Polen die Funktion des Staates auf ein Minimum reduziert wurde. |
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Napoleon, der bei seinem Einmarsch in Warschau am 19. Dezember 1806 nach dem Sieg über Preußen wie ein Befreier gefeiert wurde,<ref>''Meyers Konversationslexikon.'' Vierte Auflage, S. 179.</ref><ref>Małgorzata Danecka, Thorsten Hoppe: ''Warschau entdecken – Rundgänge durch die polnische Hauptstadt.'' Trescher-Verlag, 2008, S. 26.</ref><ref>Dieter Schulze: ''Polen – der Süden mit Warschau und Posen.'' Dumontreise-Verlag, 2008, S. 331.</ref><ref>Carl Neyfeld: ''Polens Revolution und Kampf im Jahre 1831.'' S. 48.</ref> dachte an den zukünftigen Kampf gegen Russland. Er erklärte sich dazu bereit, im Rahmen des [[Frieden von Tilsit|Tilsiter Friedens]], aus dem Preußen geschwächt herausging, das Herzogtum Warschau zu bilden, an dessen Spitze der sächsische Kurfürst [[Friedrich August I. (Sachsen)|Friedrich August]] gestellt wurde. Statt der erwarteten Bestätigung der [[Verfassung vom 3. Mai 1791|Mai-Verfassung]] wurde dem französischen Vorbild folgend das „Statut conventionnel“ erlassen; die politische Macht fiel dem französischen Residenten in Warschau zu. |
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[[Image:Jan_Matejko-Batory_pod_Pskowem.jpg|thumb|right|200px|König [[Stephan Báthory]] bei [[Pleskau]] im Jahr [[1581]] während des [[Livländischer Krieg|Livländischen Krieges]], links stehend |
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Reichskanzler Jan Zamoyski]] |
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Erster Wahlkönig Polens wurde [[1573]] [[Heinrich III. (Frankreich)|Heinrich von Valois]] - seit [[1574]], nach freiwilligem Verzicht auf die polnische Krone, als Heinrich III. König von [[Frankreich]]. Sein Nachfolger wurde der Ungar König [[Stephan Báthory]], der starke Unterstützung im mächtigen Reichskanzler und Kronhetman Jan Zamoyski hatte, der wesentlich zu seinen militärischen und politischen Erfolgen beitrug und zu seiner rechten Hand wurde. [[1579]] gründete er mit Hilfe der [[Jesuiten]], die er ins Land holte und förderte, die Universität von [[Vilnius]]. Er war ein geschickter Taktiker im adeligen Machtgefüge und führte Polen seit [[1578]] siegreich in militärische Auseinandersetzungen mit dem [[Moskowien|Moskowiter Reich]]. Zar [[Iwan IV.|Iwan der Schreckliche]] schloß daraufhin im Vertrag von Jam Zapolski [[1582]] Frieden mit der Adelsrepublik und trat [[Livland]] und [[Polozk]] an die polnische Krone ab. Den Plan, mit Hilfe der [[Rzeczpospolita]] seine ungarische Heimat von der Türkenherrschaft zu befreien, konnte er durch seinen plötzlichen Tod am [[12. Dezember]] [[1586]], jedoch nicht mehr verwirklichen. |
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[[Datei:Prince Joseph Poniatowski 1.PNG|mini|hochkant|Fürst Józef Antoni Poniatowski, militärischer Führer des Herzogtums Warschau]] |
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Am [[19. August]] [[1587]] wurde [[Sigismund III. Vasa| Sigismund III. Wasa]], der das Geschlecht der [[Jagiellonen]] und der [[Wasa (Dynastie)|Wasa]] in seiner Person vereinte und gleichzeitig die katholische Linie der schwedischen Wasa repräsentierte, zum König gewählt, der die polnisch-litauische [[Adelsrepublik]] ins nächste Jahrhundert führte. Das [[17. Jahrhundert]] war jedoch für Polen-Litauen eine Periode der militärischen Katastrophen und des langsamen Verfalls der eigenen Vormachtstellung in [[Ostmitteleuropa]]. Während das Land vom Europa verheerenden [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] verschont blieb, wurde die Rzeczpospolita ab [[1648]] für die nächsten 100 Jahre ein Schauplatz anderer kriegerischer Auseinandersetzungen, die mit hohen materiellen Verlusten - Verfall der Städte und der Wirtschaft - und einem Bevölkerungsschwund von bis zu 30 Prozent verbunden waren und das Staatswesen allmählich in den Ruin trieben. Die Adelsrepublik führte über Jahrzehnte zahlreiche Kriege vor allem gegen die [[Schweden]], [[Russen]] und die [[Osmanen]], während der Südosten dauerhaft der Gefahr von Invasionen der [[Krimtataren]], osmanischer Vasallen, ausgesetzt war, die plündernd und brandschatzend die Provinzen verwüsteten. Sigismund Wasa war auch derjenige, der [[1596]] die Hauptstadt Polens von [[Krakau]] nach [[Warschau]] verlegte, wegen seiner zentralen Lage in Polen und der größeren Nähe zu seinem Erbkönigreich [[Schweden]]. |
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Das Engagement der polnischen Bevölkerung für den neuen Staat wuchs. Dem auf französischer Seite kämpfenden Militär gelang es 1809, [[Westgalizien|Teile Kleinpolens]] vom [[Kaisertum Österreich]] zurückzuerobern. Österreich hatte im [[Österreichischer Feldzug gegen das Herzogtum Warschau 1809|Österreichisch-Polnischen Krieg]] unter Erzherzog [[Ferdinand Karl von Österreich-Este (1781–1850)|Ferdinand Karl von Österreich-Este]] versucht, das neuentstandene polnische Staatswesen zu ersticken. Aus diesen Gründen war auch die polnische Bereitschaft hoch, sich massiv am [[Russlandfeldzug 1812|Russlandfeldzug]] Napoleons zu beteiligen. Mit über 100.000 Mann, bei ungefähr 4 Millionen Einwohnern, stellten die Polen aus dem Herzogtum das größte Kontingent nach den Franzosen und kämpften im Winter 1812–1813 an der Seite Frankreichs in Russland. Nur wenige Tausend kehrten in ihre Heimat zurück. Aufgrund der Niederlage Napoleons und seiner Grande Armée besetzte Russland große Teile des Herzogtums inklusive der Hauptstadt Warschau und legte dem Land Kontributionen auf. |
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[[Bild:Stanislaw Zolkiewski.jpg|thumb|left|125px| [[1610]] Einnahme und Besetzung [[Moskau]]s durch die Truppen des Kronhetmans [[Stanisław Żółkiewski]] ]] |
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Zu Beginn des Jahrhunderts hatte [[Sigismund III. Wasa|Sigismund Wasa]] nicht nur versucht, den Thron in seiner schwedischen Heimat zurückzubekommen, den er nach der verlorenen Schlacht bei Stångebro am [[25. September]] [[1598]] und seiner Absetzung durch den schwedischen Reichstag [[1599]] de facto verloren hatte - Ende der Personalunion Schwedens mit der Rzeczpospolita, die seit [[1592]] bestand -, sondern er griff auch massiv in die russischen Thronwirren, die [[Smuta]], die nach dem Tod des [[Usurpator]]s, Zar [[Boris Godunow]], um [[1605]] im Zarenreich ausbrachen, ein. Während des von [[1605]] bis [[1618]] dauernden Konfliktes, ab [[1609 ]] offenen Krieges, besetzten [[1610]] polnisch-litauische Unionstruppen, unter der Führung des Kronhetmans [[Stanisław Żółkiewski]], zwar für zwei Jahre [[Moskau]] und es zeichnete sich sogar eine [[Personalunion]] ab, aber letztlich scheiterten die militärischen, politischen und konfessionellen Pläne am Widerstand der russischen Aristokratie der [[Bojaren]] und der [[Russisch-Orthodoxe Kirche|orthodoxen Kirche]]. Im Friedensvertrag von Deulino vom [[29. Dezember]] [[1618]] schloß die Adelsrepublik mit dem neuen russischen Zaren [[Michael I. (Russland)| Michael I.]], dem Begründer der [[Romanow|Romanow-Dynastie]], einen Frieden von 14 Jahren und es wurde die polnisch-litauische Herrschaft über das Land von [[Smolensk]] und [[Sewerien]] anerkannt. Damit erreichte die Adelsrepublik [[1618]] mit einer Staatsfläche von ca. 1.000.000 [[Quadratkilometer]]n ihre größte territoriale Ausdehnung. |
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Die [[Koalitionskriege|Napoleonischen Kriege]] hinterließen ein ausgezehrtes „Rumpf-Polen“. Während sich 1813 fast ganz Europa gegen Napoleon gestellt hatte, waren die Polen das einzige europäische Volk, das Napoleon noch in der [[Völkerschlacht bei Leipzig]] die Treue hielt, während die restlichen französischen Verbündeten vor allem aus dem [[Rheinbund]] überliefen. Weil der russische Kaiser in der Frage eines souveränen Polens zu keinen Konzessionen bereit war, befanden sich Fürst Poniatowski und sein Volk in einer schwierigen Situation. Mit dem Sturz Napoleons durch die Teilungsmächte und das [[Vereinigtes Königreich|Vereinigte Königreich]] brach für die Polen etwas mehr als ein Jahrhundert [[Fremdherrschaft]] an. Die endgültige Entscheidung über die Zukunft Polens fiel auf dem Wiener Kongress von 1815, als die Aufteilung Polens bestätigt wurde (wenngleich Preußen die bei der dritten Teilung (1795) erworbenen Gebiete weitgehend an Russland abtreten musste). Das bis 1809 österreichische Krakau wurde zur [[Freie Stadt|Freien Stadt]] erklärt. Das Herzogtum Warschau wurde um die [[Provinz Posen]] verkleinert, die an Preußen zurückfiel. Der Rest wurde als „[[Königreich Polen]]“ mit eigener Verfassung und Autonomie ausgestattet und in Personalunion mit dem Russischen Kaiserreich vereinigt. Zwar wurde die Existenz einer polnischen Nation von allen europäischen Großmächten anerkannt, der polnische Nationalstaat verschwand aber von der europäischen Landkarte (endgültig nach der Auflösung der Verfassung „Kongreßpolens“ 1831) und die polnische Kultur und Sprache wurde zum Teil unterdrückt. |
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Im Südosten verschärften sich die inneren Konflikte. Wirklich bedrohlich sollte die Lage erst im Jahre [[1648]] werden, kurz nachdem sein Sohn [[Johann II. Kasimir]], am [[20. November]] [[1648]] zum neuen polnischen König gewählt wurde. Auslöser waren die am [[Dnjepr]] lebenden [[Kosaken]], eine Gruppe persönlich freier Grenzlandbewohner, die ursprünglich in polnischem Sold stehend gegen die [[Tataren]] eingesetzt worden war. Im Laufe der Zeit unternahmen sie immer wieder Raubzüge, die den Frieden der Region gefährdeten. Als es sich abzeichnete, dass der lange erwartete Feldzug gegen die Türken nicht zustande kommen würde, entschlossen sie sich unter Führung des ehemaligen polnischen Kleinadligen [[Bohdan Chmelnyzkyj|Bogdan Chmielnicki]] zu einem Bündnis mit den Tataren gegen Polen-Litauen. [[Bild:Carowie Szujscy na sejmie warszawskim Jan Matejko 18 century.jpeg|thumb|right|200px|Zar [[Wassili IV.|Wassili Schuiski]] vor dem polnischen Reichstag [[1610]], im Hintergrund König [[Sigismund III. Vasa| Sigismund Wasa]] ]] Der nun ausbrechende blutige Aufstand der Kosaken, der bürgerkriegsähnlichen Charakter hatte, war zunächst erfolgreich und führte diese plündernd und mordend bis nach [[Lemberg]], [[Zamość]] und sogar nach [[Kiev]]. Nach wechselvollen Kriegsereignissen und Friedensverhandlungen kam der Konflikt [[1654]] zu einem Ende; die Kosaken wechselten aber nahezu komplett unter die Oberhoheit des Moskowiter [[Zar]]en über und waren für Polen als Verbündete verloren. Im historischen Gedächtnis der Polen ist dieser mörderische Konflikt tief eingebrannt, die [[Ukrainer]] betrachten ihn als den Beginn ihrer nationalen Geschichte: seine Folgen waren auch in den Auseinandersetzungen vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die fünfziger Jahre deutlich spürbar und sind bis heute nicht überwunden. Der Anschluss der östlichen Ukraine an [[Russland]] begünstigte den Ausbruch des Russisch-Polnischen Krieges von [[1654]] bis [[1667]], der schon im Frühling des Jahres [[1655]] zur Okkupation fast des gesamten Großfürstentums Litauen durch russische Truppen führte, zur Besetzung von [[Vilnius]] und Erklärung des russischen Zaren [[Alexei I.]] zum Großfürsten von [[Litauen]], [[Wolynien]] und [[Podolien]]. |
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[[Bild:Bohdan Chmielnicki z Tuhaj Bejem pod Lwowem Matejko.JPG|thumb|left|150px|Hetman [[Bohdan Chmelnyzkyj|Bogdan Chmielnicki]] mit Tuhaj Bej bei [[Lemberg]] während des "Chmielnicki Aufstands" [[1648]]-[[1654]] ]] |
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Am [[19. Juli]] [[1655]] brach dann zusätzlich der Schwedisch-Polnische-Krieg aus (siehe auch [[Schwedisch-Polnischer Krieg|Zweite Nordische Krieg]]), durch Besetzung [[Dünaburg]]s durch russische Truppen, Unterstützung Polens für Schwedens Erzfeind [[Dänemark]] und die Erbansprüche der katholischen Wasa auf die schwedische Krone, die mit der Abdankung der schwedischen Königin [[Christina I. (Schweden)|Christina I. ]] in [[1654]] geltend gemacht wurden, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite gab es schlicht profane Gründe für eine erneute kriegerische Auseinandersetzung Schwedens mit Polen. Seit dem Ende des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation]], an dem das mehrheitlich katholische Polen-Litauen offiziell nicht teilnahm, am [[24. Oktober]] [[1648]] (siehe auch [[Westfälischer Friede]]), besaß der schwedische König eine leere Staatskasse, bedingt durch den langen Feldzug in Deutschland, gleichzeitig jedoch unterhielt er eine große, "arbeitslose" Armee im schwedischen Sold. Deshalb lag es nahe, die durch den Chmielnicki-Aufstand und den andauernden Russisch-Polnischen-Krieg geschwächte Adelsrepublik vom Westen durch das seit [[1648]] brandenburgische [[Hinterpommern]] und vom Norden her über [[Livland]] zu überfallen und zu plündern. |
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=== Wiener Kongress 1814–1815 === |
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Die protestantischen [[Schweden]] fühlten sich durch die militärischen Erfolge der Russen in der Adelsrepublik zum Eingreifen genötigt, um ihren beherrschenden Einfluss an der Ostsee nicht zu verlieren. Mit der Durchmarschgenehmigung durch Hinterpommern war es König [[Karl X. Gustav]] möglich, von zwei Seiten her anzugreifen, was ihm durch die innere Zerrissenheit Polens, die verschiedenen Interessen der Magnatenfamilien und die schwierige militärische Lage der Adelsrepublik im Osten gegen Russland, zusätzlich erleichtert wurde. Am [[25. Juli]] kapitulierte ein Teil der polnischen Magnaten vor den Schweden. Einen Zwei-Fronten-Krieg führend, fielen nacheinander am [[8. September]] [[Warschau]] und im Oktober [[Krakau]] in die Hände der Schweden. König [[Johann II. Kasimir|Johann Kasimir]] floh nach [[Schlesien]], wo er sich die Hilfe der katholischen [[Habsburger]] erhoffte, die jedoch ausblieb. Polen befand sich nun zum größten Teil unter schwedisch-russischer Kontrolle und am [[20. November]] stimmten die litauischen Adligen Fürst Janusz Radziwill und sein Vetter Boguslaw Radziwill, die der polnischen [[Hegemonie]] und Polonisierung in Litauen überdrüssig, ja kritisch gegenüber standen (Litauen wurde ab [[1569]] auf das Niveau einer polnischen Provinz degradiert), einer Union des Großfürstentums Litauen mit Schweden zu, was de facto und de iure den Bruch der Realunion mit Polen bedeutete. |
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→ ''Hauptartikel: [[Kongresspolen]], [[Republik Krakau]] und [[Provinz Posen|Großherzogtum Posen]]'' |
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Die [[Polnische Frage]] wurde auf dem [[Wiener Kongress]] diskutiert. Es wurde ein Königreich Polen, das später [[Kongresspolen]] genannt werden sollte, geschaffen, das mit Russland vom Zaren in Personalunion regiert werden sollte. Krakau sollte als [[Republik Krakau|Stadtrepublik]] unabhängig, jedoch kulturell und wirtschaftlich mit dem österreichischen Königreich [[Galizien]] verbunden werden. Das [[Provinz Posen|Großherzogtum Posen]] und die [[Freie Stadt Danzig]] sollten an Preußen fallen. |
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[[Bild:Czestochowska.jpg|thumb|right|150px|Muttergottesikone von [[Tschenstochau]], 15. Jh.]] |
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Im folgenden Winter erwies es sich dann, dass die Schweden zu schwach waren, um ein so großes Gebiet längere Zeit zu halten. Zum Signal wurde die militärische Verteidigung des Klosters von [[Tschenstochau]] am [[18. November]] bis [[27. Dezember]], die als ein göttliches Wunder der Maria angesehen wurde, die nicht gewollt habe, dass ihr wertvolles Ikonenbild von den "Ungläubigen" geraubt würde. Zusätzlich wurde der Krieg auf Seiten Polens durch den Umstand begünstigt, dass sich der russische Zar Alexei mit dem Schwedenkönig Karl Gustav über die Aufteilung der "polnischen Beute" überworfen hatte, und ihm Ende Mai [[1656]] den Krieg erklärte. Der Schwedisch-Polnische- und der Russisch-Polnische-Krieg weitete sich somit in einen schwedisch-russisch-polnischen Konflikt aus. |
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=== Zeit der Aufstände 1815–1864 === |
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Der polnische König kehrte bereits Anfang [[1656]] nach Polen zurück und erhob Maria in einem feierlichen Akt zur "Königin Polens". Das sich wendende Kriegsglück ausnutzend, verwüstete das königliche Heer zahlreiche protestantische Orte, darunter das kulturelle Zentrum [[Lissa]] in [[Großpolen]]. Die meisten der dort ansässigen [[Böhmische Brüder|Böhmischen Brüder]] mussten fliehen, darunter der bedeutende Theologe [[Johann Amos Comenius]]. Die Vertreibung und Verfolgung der Brüder aus Polen während der "Schwedischen Flut" beendete damit auch symbolisch die Epoche der polnischen Toleranz gegenüber den Andersgläubigen, waren doch die Aggressoren allesamt Nicht-Katholiken, die Schweden-Brandenburger waren [[Protestant]]en und die Russen [[Orthodox]]e. |
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[[Datei:Dethronisation of tsar Nikolay I 1831 in Poland.PNG|mini|Absetzung des russischen Kaisers am 25. Januar 1831]] |
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[[Datei:Józef Bogdan Dziekoński - Śmierć Edwarda Dembowskiego (cropped).jpg|mini|[[Edward Dembowski]] während des Krakauer Aufstandes]] |
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{{Hauptartikel|Novemberaufstand|titel1=Novemberaufstand 1830/1831|Januaraufstand|titel2=Januaraufstand 1863/1864}} |
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Auf lange Sicht gesehen war die polnische Nation nach den Wiener Beschlüssen von 1815 nicht bereit, den [[Status quo]] zu akzeptieren. [[Römisch-katholische Kirche in Polen|Die katholische Kirche]] wuchs in die Rolle einer Bewahrerin der Traditionen hinein. |
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[[Bild:Rzeczpospolita Potop.png|thumb|left|200px|Die [[Rzeczpospolita]] zwischen Schweden und Russen während der "Schwedischen Flut" [[1655]] ]] |
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Durch die Verträge von [[Königsberg]] am [[17. Januar]] [[1656]] und [[Marienburg]] am [[23. Juni]] [[1656]] erzwang der Schwedenkönig Karl Gustav die Unterstützung von Kurfürst [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm von Brandenburg]], der bis dahin [[Lehen|Lehnsmann]] des polnischen Königs war. Mit dem [[Felonie|Lehnsbruch]] und damit verbundenem Sieg der schwedisch-brandenburgischen Streitmacht über die Truppen der Adelsrepublik bei Warschau [[28. Juli]] - [[30. Juli]] [[1656]] erkannte Karl Gustav, im [[Labiau|Vertrag von Labiau]] am [[20. November]] [[1656]] die Souveränität [[Ostpreußen|Preußens]] an. Anfang [[1657]] trat das unter dem osmanischen Schutz stehende Fürstentum [[Siebenbürgen]] eigenmächtig, das heißt ohne die Erlaubnis des osmanischen [[Sultan]]s, unter der Führung des ungarischen Protestanten Georg Rákóczy (György II. Rákóczy) auf die Seite der Schweden und verwüstete weite Gebiete Polens im Süden und Osten. Um ein Übergewicht Schwedens in Nordeuropa zu verhindern, traten [[Dänemark]], [[Österreich]] und die [[Niederlande]] auf die Seite Polens. Auch [[Brandenburg]] wechselte die Fronten, nachdem Polen im [[Vertrag von Wehlau]] am [[19. September]] [[1657]] dem Kurfürsten die [[Souveränität]] im Herzogtum Preußen zuerkannte. |
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Die politische Entwicklung seit 1815 war durch eine eher gemäßigte Unterdrückung durch den Kaiser und seinen Warschauer Statthalter [[Nikolai Nikolajewitsch Nowossilzew|Nowossilzew]] geprägt. Damit waren aber viele junge Polen, die vom Geist der polnischen [[Romantik]] geprägt waren, nicht zufrieden. Die Nachricht von [[Julirevolution von 1830|Revolutionen in Paris]] und [[Belgische Revolution|in Belgien]] im [[Europäisches Revolutionsjahr 1830|Jahre 1830]] ließ auch eine Gruppe von Warschauer Verschwörern zu den Waffen greifen. Am 28. November 1830 brach der Aufstand gegen die russische Herrschaft aus. Der Aufstand hatte keine konkreten politischen Zielvorstellungen. Aufgrund der zögerlichen russischen Reaktion gelangen einige Anfangserfolge, die den im Dezember zusammengetretenen Sejm dazu bewogen, die Dynastie der Romanows für abgesetzt zu erklären. In der massiven militärischen Auseinandersetzung im Laufe des Jahres 1831 behielt Russland die Oberhand auch deshalb, weil die Aufständischen zu keinen weitergehenden Schritten in der Bauernfrage bereit waren. |
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Die militärischen Aktionen dauerten dennoch mehrere Jahre mit wechselnden Erfolgen an, bis im polnisch-schwedischen [[Frieden von Oliva]] am [[3. Mai]] [[1660]] die langjährigen Streitigkeiten weitgehend beigelegt wurden. Der polnische König war darin gezwungen auf alle seine Ansprüche auf den schwedischen Thron, [[Livland]] mit [[Riga]] und [[Estland]] zu verzichten. Das Kurfürstentum [[Brandenburg]] erlangte in [[Oliva]] die endgültige Souveränität über das Herzogtum [[Ostpreußen|Preußen]] und erwies sich während des Krieges als militärischer und politischer Machtfaktor. [[Frankreich]] übernahm die Garantie der Einhaltung des Friedens. Was blieb war der Mythos von Tschenstochau als einer Arche inmitten der "Schwedischen Sintflut", der einen wesentlichen Beitrag zum Machtgewinn des polnischen Katholizismus leistete. |
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Der Novemberaufstand war in ganz Europa äußerst populär, besonders in Deutschland, wo die entstehende [[Polenschwärmerei]] auch nach dem Scheitern des Aufstandes und dem Einsetzen der „Großen Emigration“ zunächst weiter bestand und zur Entstehung von Solidaritätskomitees und „Polenliedern“ führte, deren Höhepunkt das „[[Hambacher Fest]]“ im Jahre 1832 war, wo deutsche und polnische nationale Bestrebungen miteinander verbunden wurden. |
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[[Bild:Jan Kazimierz.jpg|thumb|right|200px|Niedergang und Verlust der Großmachtstellung unter König [[Johann II. Kasimir]], den letzten der [[Wasa (Dynastie)|Wasa]] in Polen (Portrait von [[Jan Matejko]]) ]] |
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Im Russisch-Polnischen Krieg von [[1654]] bis [[1667]] hatte [[Johann II. Kasimir|Johann Kasimir]] noch weniger Glück. Zwar konnten nach [[1660]] die Truppen des Zaren aus Litauen bis zum [[Dnepr|Dnjeper]] wieder vertrieben werden, doch mußte der König, bedingt durch ein erneutes Aufflammen des polnisch-osmanischen Gegensatzes nach [[1666]], im Vertrag von Andrussow am [[14. Januar]] [[1667]], unter Verzicht auf weite Teile [[Russland|West-Russlands]] mit [[Smolensk]] und der [[Ukraine|Ostukraine]] mit [[Kiew]], mit dem russischen [[Zar]]en Frieden schließen. |
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Im russischen Teilungsgebiet wurde die Sonderstellung der Polen nun massiv eingeschränkt. In Teilen der Verwaltung wurde mit der [[Russifizierung]] begonnen und das polnischsprachige Bildungssystem geschwächt. Zu einem neuen Zentrum der polnischen Politik wurde das [[Hôtel Lambert]] in Paris, wohin viele bedeutende Politiker flohen und wo mit den „Konservativen“ und den „Demokraten“ die beiden Hauptlager entstanden. |
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Am [[19. September]] [[1668]] dankte der letzte Wasakönig [[Johann II. Kasimir|Johann Kasimir]] ab, und entzog sich damit seiner Verantwortung für die desaströse ökonomisch-militärische Hinterlassenschaft und den allgemeinen, auch sozial-kulturellen Ruin der polnisch-litauischen Adelsrepublik, während der 80 Jahre dauerenden Regenschaft des Hauses der schwedisch-katholischen [[Wasa (Dynastie)|Wasa]], mit der Flucht in ein französisches Kloster. Die Friedensverträge von Oliva und Andrussow [[1660]] und [[1667]] markierten gleichzeitig Polens Verlust der Großmachtstellung an die [[Absolutismus|absolutistisch]] geführten Reiche und hinterließen ein ausgeblutetes, geplündertes Land mit geschätzten 3 - 4 Millionen Opfern und vor allem brach liegender, verwüsteter Wirtschaft und Städten. Die Zahl der Opfer war enorm und entsprach etwa 30% der damaligen Bevölkerung, somit verlor Polen alleine im Krieg gegen Chmielnicki, die Russen und die Schweden in Relation mehr Menschen als im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]]. Die Führungsrolle in [[Osteuropa]] ging von der Adelsrepublik über an [[Russland]] unter den [[Romanow]], und in [[Mitteleuropa]] an [[Preußen|Brandenburg-Preußen]] unter den [[Hohenzollern]]. |
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Aufgrund der Unterdrückung im russischen Teilungsgebiet wandte sich das Hauptaugenmerk für einen erneuten Aufstand den anderen beiden Regionen zu. Anfang 1846 wurde eine gesamtpolnische Erhebung geplant, die ihren Schwerpunkt im preußischen Posen und der Freien Stadt Krakau haben sollte. Der [[Großpolnischer Aufstand (1846)|Posener Plan]] wurde verraten und die Verschwörer mit [[Ludwik Mierosławski]] verhaftet. Die Bestrebungen im österreichischen Teilungsgebiet wurden nur halbherzig durchgeführt. Parallel dazu brach aber dort ein Bauernaufstand aus, der sich vor allem gegen die polnischen Landadligen richtete und von den Behörden teilweise unterstützt wurde. Dieser Bürgerkrieg führte in zwei Monaten zu über 1000 Toten. Im [[Krakauer Aufstand]] gelangte Krakau vorübergehend in polnische Hand, wurde aber von österreichischen Truppen besetzt und 1846 in die [[Kaisertum Österreich|Donaumonarchie]] inkorporiert. Angesichts dieses Scheiterns war es umso überraschender, dass die polnische Frage zwei Jahre später in Preußen wieder zu einem beherrschenden Thema wurde. |
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Von den Katastrophen des [[17. Jahrhundert]]s konnte sich die Adelsrepublik nie wieder richtig erholen. Sie blieb die nächsten 100 Jahre ein "Spielball" neuer europäischer Mächte, vor allem Russlands und verfiel langsam der [[Dekadenz]], [[Agonie]] und politischer [[Anarchie]]. Die Zeichen des allgemeinen Verfalls äußerten sich durch die dauerhafte Blockade des polnischen [[Sejm|Parlaments]] mittels des [[Liberum Veto]], der Bildung von adligen, [[Legalität|legalen]] sogenannten [[Konföderation]]en gegen die Interessen des Staates und des Königs, zum Beispiel, wenn die Magnaten ihre Rechte durch den König beschnitten sahen. Diese Rechte wurden der adelsrepublikanischen [[Aristokratie]] im [[16. Jahrhundert]] gewährt, im [[18. Jahrhundert]] standen die Konföderationen jedoch vielfach unter fremden Einfluss, die so das Land häufig an den Rand eines [[Bürgerkrieg]]es brachten. Auch zeigte der Hochadel ein allgemeines Desinteresse an einem "starken Staat" und war vordergründig mit der Sicherung von privaten Pfründen, sowie der Pflege eines übertriebenen Standesdünkels gepaart mit [[Vetternwirtschaft]] und [[Korruption]] beschäftigt und dadurch Polen, trotz mutiger, revolutionärer Reformen des späten [[18. Jahrhundert]]s, derart zu schwächen, dass es [[1772]] gegen der gleichzeitigen [[Aggression]] dreier absolutistischer [[Despot]]en der Nachbarstaaten, effektiv kaum Widerstand zu leisten vermochte und somit als Staat, einmalig in der europäischen Geschichte, [[1795]] zu existieren aufhörte. |
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Im preußischen Teilungsgebiet waren die Jahre seit 1815 vor allem geprägt durch die 1823 durchgeführte endgültige [[Bauernbefreiung]]. Die relativ gemäßigte Politik gegenüber den Polen wurde nach dem Amtsantritt des neuen Oberpräsidenten [[Eduard Heinrich von Flottwell]] Ende 1830 zunehmend antipolnisch, vor allem in der Bildungs- und der Kirchenpolitik. Seit Beginn der 1840er Jahre deutete sich unter dem neuen preußischen König [[Friedrich Wilhelm IV.]] eine liberalere Polenpolitik an, bis die Aufstandspläne von 1846 und der große Berliner [[Polenprozess]] eine Wende einleiteten. Die [[Deutsche Revolution 1848/1849|Märzrevolution]] des Jahres 1848 führte zum Wiederentstehen polnischer Organisationen in der preußischen [[Provinz Posen]]. Dort kam es zu einem [[Großpolnischer Aufstand (1848)|Aufstand]]. Deutsche und polnische Demokraten arbeiteten eng zusammen. Der preußische König überwand seine zeitweilige Schwäche und die nationalen Spannungen im Lande nahmen zu. Den Aufständischen gelang es nicht, die preußische militärische Übermacht zu besiegen. In der dreitägigen Polendebatte der [[Frankfurter Nationalversammlung]] im Juli 1848 traten nur noch wenige für die Rechte der Polen ein; die national-konservativen Kräfte setzten sich endgültig durch. Im russischen Teilungsgebiet gab es keinen Aufstand. |
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Am [[19. Juni]] [[1669]] wählte der polnische Reichstag den Polen [[Michael I. (Polen)|Michał Korybut Wisnowiecki]] zum polnischen König. Vier andere Kandidaten wurden abgelehnt, da die polnischen Adligen nach schlechten Erfahrungen mit Ausländern ihre Stimme einem "[[Piasten]]", das heißt einem "einheimischen Kandidaten", geben wollten, und zwar im Gegensatz zu den Absichten der adelsrepublikanischen [[Oligarchen]]. |
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[[Datei:K Beyer - Plac Zamkowy z namiotami wojska rosyjskiego (1861).jpg|mini|Russische Truppen [[biwak]]ieren 1861 auf dem Warschauer [[Schlossplatz (Warschau)|Schlossplatz]]]] |
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[[Image:Elekcja1.jpg|thumb|left|200px|Die Wahl von [[Michael I. (Polen)|Michał Korybut Wisnowiecki]] auf den [[Wola|Wola-Feldern]] bei Warschau [[1669]] ]] |
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Die ab [[1666]] im Süden geführten Scharmützel gegen die [[Osmanen]] und ihre Vasallen, die [[Krimtataren]], mündeten [[1672]] in einen offenen Krieg. [[1672]] erklärte das [[Osmanisches Reich|Osmanische Reich]] Polen den Krieg. Im Juni belagerte ein türkisches Herr mit über 100.000 Mann unter dem Kommando von Sultan [[ Mehmed IV.]] die Festung [[Kamieniec Podolski]], die am [[26. August]] kapitulieren musste. Der Weg ins Zentrum des Landes wurde frei. Einer bevorstehenden militärischen Niederlage, gar einer türkischen [[Okkupation]] der [[Rzeczpospolita]] zuvorkommend, schloß das durch vorangegangene Kriege ruinierte Polen mit der [[Hohe Pforte|Hohen Pforte]] am [[18. Oktober]] des gleichen Jahres den [[Buczacz|Frieden von Buczacz]], durch den die Türkei Kontrolle über [[Podolien]] und die südliche [[Ukraine]] erhielt und bis [[1699]] in ihrem Besitz hielt. [[1673]] brachen die kriegerischen Auseinandersetzung von Neuem auf. Unter der Führung des Kronhetmans [[Johann III. Sobieski|Jan Sobieski]] konnten die Polen am [[11. November]] [[1673]] in der [[Chotyn|Schlacht bei Chocim]] die Türken entscheidend besiegen. Obwohl der Sieg keine politischen Vorteile brachte - Kamieniec Podolski genau wie Podolien blieben unter der Herrschaft der Osmanen -, wuchs das Ansehen Polens im Ausland stark. Die Osmanen gaben [[Hetman]] Sobieski den Beinamen eines "Löwen aus Lechistan". |
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Erst die russische Niederlage im [[Krimkrieg]] 1855 und der Amtsantritt des neuen Kaisers [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] führten zu Plänen einer engen polnisch-russischen Zusammenarbeit unter dem gemäßigten Adligen [[Aleksander Wielopolski]], der 1862 zum Chef einer nur aus Polen bestehenden Zivilregierung ernannt wurde. Die Demokraten sahen sich durch die Einigungsbestrebungen Italiens ([[Risorgimento]]) wieder zu revolutionären Taten veranlasst und begannen im Januar 1863 einen bewaffneten Aufstand, den [[Januaraufstand]], in dem es allerdings nicht gelang, Unterstützung aus anderen europäischen Staaten zu erhalten. Die verschiedenen gesellschaftlichen Absichten der polnischen Emigration, das Fehlen einer schlagkräftigen militärischen Führung im Land und die vergeblichen Versuche, auch die Bauern zu mobilisieren, brachten auch diesen Aufstand zum Scheitern. Die Vergeltungsmaßnahmen der Russen, Enteignungen und Deportationen nach [[Sibirien]], führten dazu, dass der Adel seine beherrschende Kraft innerhalb der polnischen Gesellschaft verlor; die Ideen der Romantik scheiterten endgültig. |
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Am [[10. November]] [[1673]] starb König Korybut Wisnowiecki und am [[21. Mai]] [[1674]] wurde Sobieski, dank seiner Popularität und miltärischer Erfolge, als sein Nachfolger und König von Polen bestimmt. |
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=== „Organische Arbeit“ und polnische Nationalbewegung 1864–1914 === |
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===Johann III. Sobieski, der Retter Wiens=== |
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Das Scheitern der Aufstände führte in allen drei Teilungsgebieten zu neuen Überlegungen bei den Eliten, die immer mehr vom Bürgertum gestellt wurden. Aus dem passiven Widerstand vor allem im russischen Teil erwuchs der Wille, der drohenden [[Russifizierung]] und [[Germanisierung]] aus eigener Kraft zu entgehen, ohne zu Aufständen zu greifen. Die Eliten favorisierten das Konzept einer langsamen, evolutionären Entwicklung der eigenen Fähigkeiten in den Bereichen Wirtschaft, Bildung oder Kultur. Dieses Konzept wurde mit dem Schlagwort „[[organische Arbeit]]“ bezeichnet. Entwickelt wurde dieser Ansatz von Publizisten und Schriftstellern, die sich vor allem in Warschau versammelten. Sie gründeten unter anderem die „[[Fliegende Universitäten|Fliegenden Universitäten]]“, bei deren heimlichen Treffen die sozialen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Probleme ihrer Zeit diskutiert wurden. In Anlehnung an das Hauptwerk „Positive Philosophie“ des französischen Philosophen [[Auguste Comte]] nannten sich diejenigen, die der Bewegung angehörten, [[Polnischer Positivismus|Positivisten]]. |
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Im Rahmen dieses kulturellen Nationalkampfes spielte die Rückbesinnung auf die Vergangenheit eine große Rolle. Der Krakauer Historienmaler [[Jan Matejko]] schuf zahlreiche patriotisch motivierte Gemälde,<ref>Richard Brettell: ''Modern Art 1851–1929. Capitalism and Representation.'' Oxford University Press, 1999, S. 198.</ref> die bei der Bewahrung einer kulturellen Identität Polens in den 123 Jahren der Teilung eine wichtige Rolle spielten.<ref>Feliks Szyszko: {{Webarchiv |url=http://info-poland.buffalo.edu/classroom/Szyszko.html |text=''The Impact of History on Polish Art in the Twentieth Century.'' |wayback=20110926222914}}</ref> Auch die patriotische Literatur jener Zeit orientierte sich an der Geschichte. Wichtig waren hier unter anderem die Historienromane von [[Henryk Sienkiewicz]]. Auch populäre Mythen und Geschichten wie die Erlebnisse des [[Michał Drzymała]] oder die Hymne „[[Rota (Lied)|Rota]]“ der bedeutenden Schriftstellerin [[Maria Konopnicka]] mit ihren antideutschen bzw. antipreußischen Zeilen spielten im Nationalkampf eine wichtige Rolle. Wie inspirierend und mobilisierend der [[Politischer Mythos|politische Mythos]] von Grunwald auf die unterdrückte polnische Bevölkerung wirkt, zeigte sich im Juli 1910, als zur Fünfhundertjahrfeier der Schlacht 150.000 Menschen zusammenkamen – die größte nationale Kundgebung während der gesamten Teilungszeit. Da das Schlachtfeld selbst zum Deutschen Reich gehörte, fand die Veranstaltung im galizischen Krakau statt, wo die österreichisch-ungarische Regierung eine wesentlich liberalere Kulturpolitik betrieb.<ref>Christoph Mick: [http://www.zeitenblicke.de/2004/01/mick/Mick.pdf ''„Den Vorvätern zum Ruhm – den Brüdern zur Ermutigung“, Variationen zum Thema Grunwald/Tannenberg.'' In: ''zeitenblicke.'' 3 (2004), Nr. 1] (PDF; 534 kB).</ref> |
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[[Bild:Jan III Sobieski at the Battle of Vienna.jpg|thumb|right|175px|[[Hetman|Kronhetman]] Jan Sobieski, als [[Johann III. Sobieski]], König von Polen-Litauen ]] |
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=== „Kulturkampf“ und Folgen: preußisches Teilungsgebiet === |
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Die sich in einer tiefen politisch-ökonomisch-militärischen Krise befindende [[Adelsrepublik]] erlebte am Ende des [[17. Jahrhundert]]s noch einmal eine kurze [[Renaissance]] der politischen Macht. Nach dem Scheitern [[Johann II. Kasimir|Johanns Kasimir]] und seinem schmählichen Rücktritt am [[19. September]] [[1668]] waren die Wasas auf breiter Front diskreditiert und der zum König gewählte polnische Adlige [[Michael I. (Polen)|Michał Korybut Wiśniowiecki]] schon nach fünf Jahren gestorben. Mit dem militärisch erfolgreichen Kronhetman Jan Sobieski, der zudem die Unterstützung [[Frankreich]]s besaß, wurde am [[21. Mai]] [[1674]] erneut ein Pole zum Herrscher gewählt. |
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{{Hauptartikel|Provinz Posen}} |
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In Preußen wurden mit dem Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck die Bestrebungen einer vollständigen Integration auch der mehrheitlich polnisch bewohnten Landesteile (Teile Westpreußens, der Provinz Posen und Oberschlesiens) verstärkt. Seine Politik begann sich in den 1860er Jahren besonders gegen den dortigen Adel und den katholischen Klerus in allen Teilen Preußens zu richten. Nach der [[Reichsgründung|Gründung]] des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Reiches]] 1871 wurden die Germanisierungsbestrebungen noch verstärkt. Dazu zählte die stufenweise Abschaffung des Polnischen als Unterrichtssprache an Oberschulen. Darüber hinaus fanden massive Schritte gegen den katholischen Klerus im Zuge des [[Kulturkampf]]s ihren Niederschlag, die zugleich auch im katholischen Westfalen, im [[Rheinland]] und in [[Bayern]] erfolgten (unter anderem Aufhebung der [[Geistliche Schulaufsicht|geistlichen Schulaufsicht]]). Gerade die letztgenannten Aktionen bewirkten aber genau das Gegenteil des Gewünschten, weil die bisher national eher passiven polnischen Bauern – zum Teil in Kooperation mit Katholiken aus dem Süden und Westen des Kaiserreichs – für ihren katholischen Glauben zu kämpfen begannen. |
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Dem König [[Johann III. Sobieski]] traute man zu, die Türkengefahr im Südosten der Adelsrepublik endgültig beseitigen zu können. Bereits ein Jahr zuvor, am [[11. November]] [[1673]], wurde das [[Osmanisches Reich|Osmanische Reich]] in der "Schlacht bei Chocim" in [[Podolien]] besiegt. Sobieski wandte sich von seinem Bündnispartner Frankreich ab, und schloss im April [[1683]] einen gegenseitigen Beistandspakt mit den [[Habsburger]]n ab. Dieser sollte sich rasch bewähren, tauchten doch die Türken schon im Sommer desselben Jahres vor [[Wien]] auf. Der von den [[Österreich]]ern bestochene polnische [[Sejm|Reichstag]] stimmte der Sendung eines Entsatzheeres zu, das wesentlich zum Sieg der alliierten Truppen in der [[Schlacht am Kahlenberg]] am [[12. September]] [[1683]] beitrug. Weitere Vorstöße im Südosten, gegen osmanisch besetztes Podolien, die [[Fürstentum Moldau|Moldau]] und die [[Walachei]], blieben allerdings ohne Erfolg. |
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In Westpreußen und in der Provinz Posen scheiterte der Versuch einer weiteren „Germanisierung des Bodens“ durch Aufkauf polnischen Landes ebenso wie die Bemühungen, neue deutsche Siedler ins Land zu locken. Hauptgrund war die landwirtschaftliche Prägung, die im Zeitalter der [[Industrielle Revolution|Industriellen Revolution]] nur geringe Aussichten auf Wohlstand versprach. Deutsche und Polen wanderten gleichermaßen aus West-/[[Ostpreußen]] und Posen in das [[Ruhrgebiet]] und das [[Oberschlesien|oberschlesische Industrierevier]] ab. Organisationen wie der „[[Deutscher Ostmarkenverein|Ostmarkenverein]]“ verschärften die Gegensätze noch mehr und führten zu Gegengründungen polnischer Vereine. Die Ausweisungen mehrerer zehntausend Polen russischer Staatsangehörigkeit in den Jahren 1885–1886 brachten auch die internationale öffentliche Meinung gegen das Deutsche Reich auf. Gegen die deutsche Unterrichtssprache gab es gut organisierte und effektive [[Wreschener Schulstreik|Schulstreiks]], dessen bekanntester in [[Wreschen]] im Jahre 1901 auch internationales Aufsehen erregte. Auch eine zwischenzeitlich betriebene liberalere Politik unter Reichskanzler [[Leo von Caprivi|Caprivi]] konnte an diesen längerfristigen Aktionen nichts ändern. Im Ergebnis ging der Anteil der Deutschen bzw. Deutschsprachigen in der Provinz Posen von 1871 bis 1910 von 44 auf 38 Prozent zurück, der Anteil der Polen stieg dementsprechend von 56 auf 62 Prozent. |
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Während im polnischen nationalen Gedächtnis die "Rettung des Abendlandes" tief verankert ist, blieb im Westen eher die Erinnerung an die späteren Erfolge des [[Eugen von Savoyen|Prinzen Eugen]]. Die besondere polnische Rolle bei der Schlacht um [[Wien]] geriet weitgehend in Vergessenheit, vielleicht auch deswegen, weil der Oberbefehlshaber der Truppen, [[Karl V. (Lothringen)|Karl von Lothringen]], Jahre zuvor bei der polnischen Königswahl an Sobieski gescheitert war. |
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Am wirtschaftlichen Aufschwung des Kaiserreichs partizipierten freilich auch die Polen. Der sich anbahnende bescheidene Wohlstand hatte auch Initiativen zur Volksbildung zur Folge, die wiederum gut als Teil der „organischen Arbeit“ genutzt werden konnten. Eine gewisse Rechtssicherheit für den Einzelnen und die Möglichkeit parlamentarischer Mitwirkung, zum Beispiel über die [[Polnische Fraktion|Partei der Polen]] im Reichstag, ließen Strukturen entstehen, die nach 1918 im polnischen Staat von Nutzen waren. Das war ein wesentlicher Unterschied zum zaristischen Russland, in dem es diese Rechtssicherheit nicht gab und teilweise nicht einmal Religionsfreiheit herrschte. Eine besondere Rolle innerhalb des preußischen Staates spielte das [[Oberschlesisches Industriegebiet|oberschlesische Industriegebiet]], das in jenen Jahren ähnlich dem Ruhrgebiet ein riesiges Wachstum erlebte, in dem sich jedoch gleichzeitig die deutsch-polnischen nationalen Spannungen immer heftiger zu entladen begannen. Die beiden Industriezentren zogen auch Hunderttausende von Arbeitskräften an, was zum hohen Anteil von Polen an der Bevölkerung des Ruhrgebiets führte. Im Ruhrgebiet integrierten sich die polnischen Zuwanderer ([[Ruhrpolen]]) rasch in die ortsansässige Bevölkerung. |
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[[Bild:Battle of Vienna.jpeg|thumb|left|250px|König Sobieski vor [[Wien]] [[1683]], mit der erbeuteten Fahne des Propheten [[Mohammed]] ]] |
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Am [[5. März]] [[1684]] trat Polen der durch Vermittlung von [[Innozenz XI. (Papst)|Papst Innozenz XI.]] gegründeten [[Heilige Liga|Heiligen Liga]] bei. Am [[6. Mai]] [[1686]] wurde mit [[Russland]], dessen Regent Zar [[Peter der Große]] war, in [[Moskau]] der sogenannte "Ewige Frieden" geschlossen. Dieser bestätigte die im Vertrag von Andrusovo [[1667]] getroffenen Vereinbarungen. Russland schloß sich einem gegen das Osmanische Reich gerichteten Bündis mit Polen an und trat [[1686]] offiziell der Heiligen Liga bei. |
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=== Situation in Galizien === |
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Innenpolitisch erreichte der König seine Ziele jedoch nicht. Obwohl er der letzte polnische König von "Format" war, konnte er weder die Herrschaftsansprüche seiner Familie durchsetzen - seine Söhne blieben bei der Wahl nach seinem Tode am [[17. Juni]] [[1696]] chancenlos - noch gelang ihm, mangels königlicher Macht im Innern, die Disziplinierung des Hochadels (''[[Magnat]]en'') und Kleinadels (''[[Schlachta]]''), die sogar offen gegen ihn opponierten, da sie in einem starken Königtum eine Bedrohung ihrer Ende des [[16. Jahrhundert]]s von Sobieskis Vorgängern gewährten fast "königlichen" Rechte sahen, die jedoch in einem immer stärker von [[Absolutismus]] geprägten Europa des späten [[17. Jahrhundert]]s nicht mehr zeitgemäß erschienen. Seine Pläne, das [[Kurfürst]]entum Brandenburg-Preußen, das spätere Königreich [[Preußen]], zu zerschlagen, wurden durch die ständige Türkenabwehr unterminiert und später ganz aufgegeben. |
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[[Datei:Galicia administrative1914.jpg|mini|hochkant=1.4|Königreich Galizien, Verwaltungseinheit, 1914]] |
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{{Hauptartikel|Galizien}} |
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Die Bedingungen für eine Weiterentwicklung polnischer Strukturen waren im österreichischen Teilungsgebiet am günstigsten. Nachdem Österreich in Oberitalien, im Rahmen der Italienischen Einigungskriege, [[Risorgimento]], Ende der 1850er Jahre schwere Rückschläge hinnehmen musste und anschließend den Kampf im [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] gegen Preußen um die Vorherrschaft im [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] 1866 verloren hatte und zudem im Rahmen der [[Österreichisch-Ungarischer Ausgleich|Österreichisch-Ungarischen Verständigung]] den internen Ausgleich mit dem [[Königreich Ungarn]] durchführte, sah man sich auch in Galizien veranlasst, die Zügel zu lockern. Der [[Kaiser von Österreich]], Franz Joseph I., erlaubte die Polonisierung des Schulwesens und der Verwaltung, in anderen Bereichen gewährte man ebenfalls wachsenden polnischen Einfluss, so dass ab 1867 eine De-facto-Autonomie Galiziens bestand, was jedoch die Missbilligung der Preußen und Russen heraufbeschwor. Die polnisch dominierte Autonomie berücksichtigte allerdings nicht die Sprache und Kultur der in Ostgalizien beheimateten Ukrainer. |
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===Der Niedergang der Adelsrepublik und die Teilungen=== |
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Einen wichtigen Einfluss auf das geistige Leben übten die [[Jagiellonen-Universität|Universität von Krakau]] und die [[Nationale Iwan-Franko-Universität Lwiw|Universität Lemberg]] aus, an denen eine ganze Reihe polnischer Wissenschaftler ausgebildet wurden. Im Gegenzug sicherte das polnische konservative Lager dem Haus [[Habsburg-Lothringen]] seine volle Loyalität zu und vertrat diese am Wiener Hof. Problematisch blieb in der strukturschwachen Region die Lage der ländlichen Bevölkerung und der größtenteils nicht assimilierten [[Juden]]. Deshalb entstanden bald populistische Bewegungen der Bauern, die die Grundlagen für die in der Zwischenkriegszeit mächtigen Bauernparteien legten. Das liberale geistige Klima am Vorabend des Ersten Weltkrieges ermöglichte die Aufstellung paramilitärischer Verbände, die für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit kämpfen sollten. Es fehlte aber ein klares und allgemein unterstütztes politisches Konzept für die weitere Entwicklung. |
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====Die Wettiner==== |
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=== Lage in Kongresspolen („Weichselland“) === |
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[[Bild:August der Starke.jpg|thumb|right|175px|Rascher Macht- und [[Autorität]]sverfall unter den [[Wettiner]]n, Kurfürst [[August II. |August der Starke]] von [[Sachsen]], König von Polen-Litauen]] |
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[[Datei:Polska 1907 adm.png|mini|hochkant=1.2|Administrative Karte Kongresspolens 1907]] |
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Unter der Sachsenzeit versteht man in Polen die Regierungszeit der beiden Könige aus dem Hause [[Wettiner|Wettin]]. Es waren [[August II. |August der Starke]] [[1697]]-[[1733]] und sein Sohn [[August III.]] [[1733]]-[[1763]], die Polen in [[Personalunion]] mit ihrem heimischen [[Sachsen|Kurfürstentum Sachsen]] regierten. |
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{{Hauptartikel|Weichselland}} |
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Im russischen Teilungsgebiet waren nach dem Januaraufstand die Verwaltungsstrukturen russifiziert worden. Die Verwendung der polnischen Sprache in Zeitungen, Büchern und Kirchen wurde untersagt. Seit 1885 durfte in den Schulen außer in den Fächern Polnisch und Religion nur auf Russisch unterrichtet werden. |
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Die Wahlen waren mit finanziellen Mitteln erkauft worden und nicht unangefochten. Um sich die polnische Krone zu sichern, mußte der [[protestant]]ische Kurfürst zum [[Katholizismus]] [[Konvertit|konvertieren]]. Polen wurde in jenen Jahren immer stärker zu einem Spielball der internationalen Politik. Es wurde durch die Wettiner in Konflikte und Kriege hineingezogen, an denen es eigentlich gar kein Interesse hatte und die es sich sich de facto auch nicht mehr leisten konnte, wie der [[Zweiter Nordischer Krieg|Zweite Nordische Krieg]] oder später der [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährige Krieg]]. Die innere Schwäche der Adelsrepublik äußerte sich in religiösem Unfrieden, [[Intoleranz]] gegenüber Nicht-Katholiken - in Polen-Litauen [[Dissident]]en genannt -, einem Verfall der Wirtschaft und militärischer Ohnmacht. Die [[Neutralität]] in anderen europäischen Konflikten wahrend, durchquerten fremde, kriegsführende Armeen straflos sein Territorium und behandelten es wie etwas, was am Wegesrand lag. Die Triumphe der polnischen Heere gehörten von jetzt an der Vergangenheit an. Der Erwerb [[Schlesien]]s durch König [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich von Preußen]] förderte Preußens Entwicklung zu einer europäischen Großmacht. Letzteres erschien unvereinbar mit Polens potentiellem Wiederaufleben. In diesem Hinblick erscheint es als eine bittere Ironie der Geschichte, dass es nun mal das "wettinische Polen" war, das als erstes europäisches Land das [[Hohenzollern|hohenzollernsche]] "Königreich in Preußen" staatsrechtlich anerkannte. |
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Die demographischen und wirtschaftlichen Veränderungen der zweiten Jahrhunderthälfte im Zuge einer einsetzenden [[Industrialisierung]] begünstigten das Aufkommen sozialistischer Bewegungen. Die 1892 in Paris gegründete „[[Polnische Sozialistische Partei]]“, die im Jahre darauf auch im Weichselland tätig wurde, führte unter ihrem Anführer [[Józef Piłsudski]] gemäßigte Positionen und vertrat seit der Jahrhundertwende die Parole „Durch Unabhängigkeit zum [[Sozialismus]]“. Parallel dazu gab es terroristische Anschläge, die die russische Polizei nicht zur Ruhe kommen ließen. Demgegenüber schlossen sich radikalere Kräfte unter den beiden Anführern [[Julian Balthasar Marchlewski]] und [[Rosa Luxemburg]] zur „[[Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens]]“ (SDKPiL) zusammen und suchten die Zusammenarbeit mit den russischen Sozialisten. Auf der rechten Seite des Parteienspektrums etablierte sich die „[[Liga Narodowa]]“ (''Nationale Liga''), die mit ihrer nationalistischen, antisemitischen und [[Panslawismus|panslawistischer]] Orientierung einen anderen Weg zur nationalen Selbständigkeit suchte und polnische Autonomie unter russischer Herrschaft anstrebte. Ihr Anführer [[Roman Dmowski]] war bis zu seinem Tod 1939 der Hauptwidersacher Piłsudskis. Während Dmowski schon um 1908 in einer Buchpublikation<ref>[[Roman Dmowski]]: ''La question polonaise.'' Armand Colin, Paris 1909.</ref> für eine Ausdehnung Polens nach Westen plädiert hatte und sich bereits 1914 mit der russischen Regierung darauf verständigt hatte, die zukünftige Ostgrenze Polens gegenüber Russland durch Anwendung des [[Ethnographisches Prinzip|ethnographischen Prinzips]] festzulegen,<ref>[[Paul Roth (Medienwissenschaftler)|Paul Roth]]: ''Die Entstehung des polnischen Staates – Eine völkerrechtlich-politische Untersuchung.'' Liebmann, Berlin 1926, S. 4, Fn. 3.</ref> wollte Piłsudski die polnischen Staatsgrenzen unter Berufung auf die Staatsgrenzen des 1772 untergegangenen litauisch-polnischen Staatenbunds weit über das ethnographische Polen hinaus nach Osten vorschieben. Zunehmende politische Bedeutung gewann in den ländlichen Gebieten die Bauernbewegung unter [[Wincenty Witos]]. |
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Die Geschicke des Landes wurden immer stärker von den großen Magnatenfamilien und Hochadelsfraktionen bestimmt, namentlich die Potoccy, Czartoryscy, Sapiehowie, die nicht nur (teilweise) untereinander verfeindet waren, sondern sich gegenseitig bekriegt hatten und immer stärker auch finanziell von fremden Mächten abhängig wurden. Die Versuche des Königs, eine absolutistische Herrschaft zu etablieren, mussten vor diesem Hintergrund scheitern. Nur durch die Unterstützung [[Russland]]s konnte er sich während des [[Polnischer Thronfolgekrieg|Polnischen Thronfolgekrieges]] gegen seinen Gegenspieler [[Stanislaus I. Leszczynski]] durchsetzen, freilich um den Preis dessen zunehmender politischer Einflussnahme in Polen als Vermittler und tatsächlicher "Beschützer" des Landes. |
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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts spitzte sich die politische Lage in Teilen des russischen Weichsellandes zu. Der Beginn des [[Russisch-Japanischer Krieg|Russisch-Japanischen Krieges]] durch den Überfall der Japaner auf die russische Pazifikflotte bei [[Lüshunkou|Port Arthur]] am 8. Februar 1904 verstärkte die Hoffnungen auf einen Zusammenbruch des [[Russisches Kaiserreich|Russischen Kaiserreiches]]. Gegen Ende des Jahres fanden in Warschau und anderen Städten Demonstrationen gegen die Rekrutierung von Polen für die russische Armee statt, an der sich erstmals kleinere polnische Kampfverbände Piłsudskis beteiligten. Diese Trupps verübten in dieser Zeit Attentate und Raubüberfälle. Im Februar 1905 wurden Schulstreiks organisiert, die zu Erfolgen wie der Wiederzulassung der polnischen Sprache im Unterricht führten. Auch im religiösen und wirtschaftlichen Bereich musste die russische Regierung Konzessionen machen. Die gewalttätigen Arbeiterproteste in Russland mit ihrem Höhepunkt im [[Petersburger Blutsonntag]] vom {{JULGREGDATUM|22|1|1905}} griffen allmählich auch auf die [[Ostseeprovinzen]] und Kongresspolen über. Im Juni kam es in [[Łódź]], dem industriellen Zentrum des Weichsellandes, zu Barrikadenkämpfen, die viele Opfer forderten. |
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Ähnlich verlief es unter [[August III.]], der das Land weitgehend durch seinen Günstling, [[Heinrich Graf von Brühl]], regieren ließ. Diese Zeichen des Verfalls waren aber nur die eine Seite der Medaille. Gleichzeitig entwickelte sich zunehmender Wohlstand beim Gutsadel, der dazu führte, dass man sich auch Fragen einer inneren Reform der [[Adelsrepublik]] stellte. Der Geist der [[Aufklärung]] drang nach Polen vor, Ansätze zu einer Verbesserung des Bildungssystems wurden gemacht. Besonders positiv waren die Folgen in der Architektur. Das Bild der Hauptstadt [[Warschau]] veränderte sich in jenen Jahren entscheidend: das Königsschloss wurde großzügig umgebaut, es entstand die sogenannte Sächsische Achse nach dem Vorbild von [[Versailles]] mit dem Sächsischen Palais und dem Sächsischen Garten. In Erinnerung blieb aber in erster Linie die [[Dekadenz|dekadente Stimmung]] jener Zeit, die sich in zahlreichen Sprichwörtern niedergeschlagen hat, etwa: "Gdy August pił, cała Polska była pijana" - Wenn August getrunken hatte, war ganz Polen besoffen - oder das noch Bekanntere: "Za króla Sasa jedz, pij i popuszczaj pasa" - Unter dem Sachsenkönig iss, trink und löse den Gürtel - , das geradezu ein Symbol für die späte [[Sarmaten|sarmatische Adelskultur]] mit ihren üppigen Festen, aber auch dem Fehlen jeder Art von Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem eigenen Volk und [[Vaterland]] geworden ist und mit der späteren [[Konföderation von Targowica]], einem Paradigma für Landesverrat, seinen Höhepunkt fand. |
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Die [[Russische Revolution 1905|Russische Revolution von 1905]] verschärfte die Krise, auch wenn Kaiser [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus II.]] am 30. Oktober in seinem [[Oktobermanifest]] politische Reformen ankündigte. Weitergehende Versuche zur Machterlangung in Warschau gingen von der PPS aus. Die Nationaldemokraten unterstützten die neue russische Regierung von [[Pjotr Stolypin]] und konservativ-klerikale Kreise von Papst [[Pius X.]] riefen zur Zurückhaltung auf. In den folgenden Jahren ging die russische Führung erneut auf Konfrontationskurs in allen Nationalitätenfragen. |
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Die Sarmaten waren ein [[Iranier|iranisches Reitervolk]], das [[600 v. Chr.]] bis [[450|450 n. Chr.]] im südrussischen und ukrainischen Steppengebiet lebte und von dem sich die polnischen Adligen irrtümlich ableiteten. Unter Sarmatismus versteht man das Gefühl völliger persönlicher Freiheit, bei politischem [[Konservatismus]] und Intoleranz, ständischem Dünkel und Abgrenzung gegenüber Nichtadligen. |
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== 1914–1918: Polen im Ersten Weltkrieg == |
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====Stanislaus August, Reformversuche und die drei Teilungen Polens==== |
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[[Datei:EasternFront1915b.jpg|mini|hochkant=1.2|Verschiebung der Ostfront durch den [[Großer Rückzug|Großen Rückzug]] der russischen Armee 1915]] |
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{{Hauptartikel|Regentschaftskönigreich Polen}} |
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Der 1914 ausgebrochene Erste Weltkrieg brachte die Frage der Revision der polnischen Teilungen wieder auf die europäische Tagesordnung. Das polnische Territorium wurde zum [[Ostfront (Erster Weltkrieg)|Hauptkriegsschauplatz]] im Osten. Die Besetzung weiter Teile Galiziens durch die [[Kaiserlich Russische Armee]] führte zu einer großen Fluchtwelle der Bevölkerung nach Westen. Darunter befanden sich besonders viele Juden, die Angst vor erneuten Pogromen unter russischer Herrschaft hatten. Die Gegenoffensive der Mittelmächte im Sommer 1915 veränderte die Lage und führte bis zum Winter zum Rückzug der Russen aus ganz Kongresspolen. Das eroberte Territorium wurde in ein deutsches [[Generalgouvernement Warschau (1915–1918)|Generalgouvernement Warschau]] und ein österreichisches mit Sitz in [[Generalgouvernement Lublin|Lublin]] eingeteilt. |
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[[Bild:Stanislaw August Poniatowski.jpg|thumb|left|175px|Reformbewegung und endgültiger Zusammenbruch der [[Rzeczpospolita]] unter König [[Stanislaus II. August (Polen)|Stanislaus Poniatowski]] im Jahr [[1795]] ]] |
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Der zunehmende innere Verfall der polnischen Adelsrepublik hatte sich auch nach der Wahl [[Stanislaus II. August (Polen)|Stanislaus August Poniatowskis]], eines ehemaligen Liebhabers der Zarin [[Katharina II.]], im Jahre [[1764]] unvermindert fortgesetzt und allmählich immer mehr die Begehrlichkeiten der Nachbarn geweckt. Der König unternahm vorsichtige Reformbemühungen, zahlreiche Bildungseinrichtungen und Manufakturen wurden gegründet. Weitergehende Schritte wie die komplette Abschaffung des "[[Liberum Veto]]" scheiterten vor allem am Widerstand [[Russland]]s. |
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[[Datei:Regency Council.jpg|mini|links|Der Regentschaftsrat: der polnische Duma-Abgeordnete Józef Ostrowski, Erzbischof Aleksander Kakowski und Fürst Zdzisław Lubomirski (v.l.) im Jahr 1917]] |
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Im Bereich von Kunst und Kultur bedeutete die Regierungszeit des letzten Königs eine Blütezeit. Dies galt besonders für die Hauptstadt [[Warschau]]. Hier entstanden prunkvolle Bauten und Parks ([[Warschau|Łazienki, Ujazdów]]). Verewigt ist die Atmosphäre jener Jahre in den Stadtveduten des Venezianers [[Bernardo Bellotto]], genannt Canaletto, Hofmaler bei Stanislaus August Poniatowski. Auf Initiative des Königs wurde die Zeitschrift [[Polnische Literatur|Monitor]] gegründet. Die Logen der [[Freimaurerei|Freimaurer]] hatten mit [[Cagliostro]] und [[Casanova]] regen Zulauf. Die Dichter [[Ignatius Krasicki|Ignacy Krasicki]], [[Polnische Literatur|Adam Naruszewicz]], [[Polnische Literatur|Stanislaus Trembecki]] konkurrierten mit Dramatikern [[Polnische Literatur|Franciszek Zabłocki]], [[Polnische Literatur|Wojciech Bogusławski]], [[Polnische Literatur|Julian Ursyn Niemcewicz]]. Graf [[Jan Graf Potocki|Jan Potocki]], Völkerkundler und Schriftsteller, erhob sich per Heißluftballon über die Stadt, der Pflanzersohn Lewis Littlepage aus [[Virginia]] bereiste als königlicher Sekretär und Diplomat die Höfe Europas. |
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Die Politik in Berlin war sich in Bezug auf die Zukunft Polens nicht einig. Während die einen, unterstützt von Generalgouverneur [[Hans von Beseler]] ein autonomes polnisches Königreich Polen befürworteten, plädierten die anderen wie etwa [[Erich Ludendorff]] für einen Verständigungsfrieden mit Russland und eine Rückkehr zu den Vorkriegsgrenzen. Währenddessen wurde in Posen der polnische [[Oberster Volksrat|Oberste Volksrat]] gegründet. Erst danach und nach dem endgültigen Scheitern der Blitzkriegstrategie entschloss man sich zu einem Angebot an Polen, auch um mehr polnische Soldaten für die eigenen Reihen zu gewinnen. Mit dem Akt vom 5. November 1916 proklamierten der deutsche Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] und der österreichische Kaiser [[Franz Joseph I.|Franz Joseph]] die Errichtung eines Königreichs Polen in den bisher zu Russland gehörenden Gebieten, das sich politisch und militärisch eng an die Mittelmächte anlehnen sollte. In Berlin plante man jedoch weiterhin Gebietsannexionen auf Kosten dieses Staates, dessen Grenzen nie genau festgelegt wurden. Kurz danach sprachen sich auch der russische Kaiser Nikolaus II. (am 25. Dezember 1916), und der US-Präsident [[Woodrow Wilson]] (am 22. Januar 1917) für die Wiederherstellung des unabhängigen polnischen Staates aus, wobei nur die Vorstellungen des Letzteren sich den polnischen Interessen und Wünschen bezüglich des Territoriums des künftigen polnischen Staates näherten. |
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[[Image:Nilson - Die Lage des Koenigreichs Pohlen im Jahr 1773.png|thumb|right|Mit diesem Kupferstich prägte Johann Esaias Nilson für lange Zeit das Bild von der [[Teilungen Polens|Ersten Teilung Polens]] im Jahr [[1772]]. Gleichzeitig hielt der massenhaft verbreitete Stich die Erinnerung an die Existenz [[Polen]]s in den Köpfen zahlreicher Patrioten wach.]] |
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Pläne zur Teilung Polens gab es auch schon in den Jahrhunderten zuvor und immer hatten [[Preußen]] und Russland das größte Interesse daran gehabt. Noch lieber hätte es Russland freilich gesehen, das gesamte Land unter weitgehender politischer Kontrolle zu behalten, wie es seit Jahrzehnten unter dem Vorwand des Schutzes der [[Orthodox]]en und der [[Protestant]]en der Fall war. Die Reformansätze des neuen Königs konnten niemandem gefallen, der an der Schwäche Polens interessiert war. Unter massivem russischen Druck mussten Poniatowski und der Sejm [[1768]] einen ewigen polnisch-russischen Vertrag unterzeichnen, der alles beim Alten beließ. Zahlreiche Adlige waren dazu aber nicht bereit und schlossen sich in einer Widerstandsorganisation, der [[Konföderation von Bar]], zusammen. Es begann ein vierjähriger Bürgerkrieg, der immer mehr europäische Dimensionen annahm. Um sich ihren Anteil an der Beute zu sichern, waren österreichische und preußische Truppen schon seit [[1769]] in Teilen Polens einmarschiert und hatten sie besetzt. Die Initiative zu einer wirklichen Aufteilung ging dabei vom preußischen König [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich II.]] aus. In den Verträgen vom [[17. Februar]] und [[5. August]] [[1772]] erhielt Russland die Wojewodschaften [[Polozk]], [[Witebsk]], Mstislav und [[Livland|Polnisch-Livland]]; [[Österreich]] bekam weite Teile [[Kleinpolen|Kleinpolens]] und [[Rotreußen]]; Preußen sicherte sich das bisherige [[Pommerellen|Königliche Preußen]] mit dem [[Ermland]] und Teilen der Wojewodschaften [[Inowroclaw]] und [[Gnesen]]. Insgesamt verlor Polen bei der Ersten Teilung knapp 200.000 km² mit 4,5. Mio. Einwohnern. Es blieben ihm 527.000 km² mit 7 Mio. Menschen. |
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Im österreichischen Teilungsgebiet waren unmittelbar nach Kriegsbeginn [[Polnische Legionen (1914–1918)|polnische Legionen]] unter [[Kaiserlich und königlich|k.u.k.]]-Oberbefehl aufgestellt worden, die aus den paramilitärischen Schützenverbänden Józef Piłsudskis hervorgingen. Diese Einheiten umfassten im Sommer 1916 etwa 25.000 Mann und kämpften vor allem gegen Russland. Nach dem Akt vom 5. November wurden die Legionen dem deutschen Oberbefehl unterstellt, aus ihnen sollte 1917 die [[Polnische Wehrmacht]] hervorgehen. Ein Teil der Brigaden [[Eidkrise|weigerte sich]] jedoch im Juli 1917, den Eid auf einen imaginären polnischen König sowie zur Treue gegenüber den Kaisern von Deutschland und Österreich zu leisten, und wurde infolgedessen entweder entwaffnet und inhaftiert oder direkt in deutsche Truppenteile einbezogen. Piłsudski selber wurde ebenfalls verhaftet und in die [[Festung Magdeburg]] gebracht. Am 18. September 1917 wurde die oberste Staatsgewalt formell auf einen neu eingerichteten dreiköpfigen Regentschaftsrat übertragen, der aus dem Warschauer Erzbischof [[Aleksander Kakowski]], dem Magnaten Fürst [[Zdzisław Lubomirski]] und dem ebenfalls adligen früheren Vorsitzenden des Polenklubs der russischen [[Duma]] [[Józef Ostrowski]] bestand. |
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[[Bild:Konstytucja 3 Maja.jpg|thumb|left|250px|Die erste moderne Konstitution Europas, die [[Verfassung vom 3. Mai|Mai-Verfassung]] vom [[3. Mai]] [[1791]] im Vordergrund König [[Stanislaus II. August (Polen)|Stanislaus Poniatowski]] ]] |
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Diese Ereignisse brachten führende Köpfe des Staates dazu, nun noch intensiver über innere Reformen nachzudenken. Man vereinbarte eine umfassende Verbesserung des Steuerwesens, eine Modernisierung der Armee und nicht zuletzt des Bildungswesens durch die Gründung der "Kommission für das nationale Erziehungswesen" (''Komisja Edukacji Narodowej''). Noch weitergehende Schritte nahm man am Ende der [[1780]]er Jahre in Angriff, als der "Vierjährige Reichstag" mit dem Ziel zusammentrat, eine neue [[Verfassung]] zu verabschieden. Diese Konstitution, die eine Erbmonarchie vorsah, ging als die [[Verfassung vom 3. Mai]] [[1791]] in die Geschichte ein, und war die erste moderne Verfassung Europas, die zweite überhaupt nach den [[USA]], und sah neben einer Teilung und Verschränkung der Gewalten auch das Prinzip der [[Volkssouveränität]] vor, wenn auch ''de facto'' der Adel der wichtigste Stand bleiben sollte. Zu polnischen Erbmonarchen wurden die Vorsteher aus dem Haus Wettin bestimmt. |
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[[Datei:Jeneral Haller przysiega na wiernosc Sztandarowi. (81937553) (cropped).jpg|mini|General Józef Haller mit seinen Truppen an der Front]] |
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[[Bild:Karte polnischeteilungen4.jpg|thumb|Die [[Teilungen Polens]] in den Jahren [[1772]], [[1793]], [[1795]] ]] |
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Der Widerstand der alten Teilungsmächte gegen diese Veränderungen wuchs allerdings immer mehr. Preußen suchte, obwohl seit [[1790]] formell sogar mit Polen verbündet, erneut die Nähe Russlands. Dieses hatte konservative polnische Adlige ermutigt, sich in einer Widerstandsgruppe, der [[Konföderation von Targowica]], zusammenzuschließen, die von russischem Militär massiv unterstützt wurde. Am [[27. Januar]] [[1793]] vereinbarten Russland und Preußen eine weitere Teilung Polens, bei der alle Gebiete östlich der Linie [[Dünaburg]] – [[Chotyn|Chocim]] an Russland, [[Großpolen]], [[Masowien|Westmasowien]] sowie die Städte [[Danzig]] und [[Thorn]] an Preußen fielen. Es verblieb ein polnischer Rumpfstaat mit 240 000 km² und 3,5 Mio. Einwohnern. |
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Die weiteren Planungen wurden in erster Linie durch den Zusammenbruch des Russischen Kaiserreiches nach der [[Februarrevolution 1917|Februarrevolution]] und der [[Oktoberrevolution]] 1917 bestimmt. Die Reichsführung mit der [[Oberste Heeresleitung|OHL]] an der Spitze glaubte nun an einen raschen Sieg und weitere territoriale Gewinne im Osten. Im sogenannten „[[Brotfrieden]]“ mit der neu entstandenen [[Volksrepublik Ukraine]] vom 9. Februar 1918 in Brest Litowsk – nicht zu verwechseln mit dem späteren [[Friedensvertrag von Brest-Litowsk|Frieden von Brest-Litowsk]] mit [[Sowjetrussland]] – wurde dieser ein Teil polnischen Staatsgebietes, die Region um [[Chełm]] zugesichert. Schon die Unterstützung der deutschen Militärbehörden für einen unabhängigen Staat [[Litauen]] mit [[Vilnius]] als Hauptstadt hatte im Dezember 1917 Empörung in Polen ausgelöst. Erschwerend hinzu kam die Requirierung von Rohstoffen und Lebensmitteln sowie die Verschleppung polnischer [[Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg|Zwangsarbeiter]] ins Reich wegen dessen immer schwierigeren wirtschaftlichen Lage. |
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[[Bild:Bitwa pod Raclawicami.JPG|thumb|left|250px|"Schlacht von Racławice" am [[4. April]][[ 1794]] unter [[Tadeusz Kościuszko]] ]] |
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In ihm brach ein Jahr später ein nationaler Aufstand aus, der von dem Offizier [[Tadeusz Kościuszko]] angeführt wurde, der Jahrzehnte zuvor erfolgreich im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatte (''siehe auch [[Kościuszko-Aufstand]]''). Zum ersten Mal handelte es sich um einen echten Volksaufstand. Kościuszko proklamierte sich selbst zum [[Diktator]] und hoffte auf auswärtige Hilfe. Die Kämpfe, die von wenigen Soldaten und einem Heer mit umgeschmiedeten Sensen bewaffneter Bauern geführt wurden, waren zunächst unerwartet erfolgreich, etwa in der "Schlacht von Racławice" bei Krakau; schließlich musste man aber der militärischen Übermacht von Preußen und Russen weichen. In der "Schlacht von Maciejowice", bei Warschau, im Oktober [[1794]] unterlag das Hauptaufgebot mit Kościuszko an der Spitze, der schwer verwundet und gefangengenommen wurde. Dass er im Augenblick seiner Verwundung "Finis Poloniae!" gerufen habe, ist eine spätere Legende, sie trifft jedoch den Kern, da in jenem Augenblick das Schicksal Polens besiegelt war. |
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Als sich der Zusammenbruch der deutschen [[Westfront (Erster Weltkrieg)|Westfront]] abzuzeichnen begann, waren sich alle politischen Lager Polens darin einig, im Sinne des von US-Präsident Wilson vertretenen [[Selbstbestimmungsrecht der Völker|Selbstbestimmungsrechts der Völker]] möglichst schnell die eigene Unabhängigkeit zu erreichen. Dazu trugen auch polnische Soldaten bei, die auf Seiten Frankreichs kämpften. Die im Juni 1917 ins Leben gerufene [[Blaue Armee]] unter General [[Józef Haller]], etwa 70.000 Mann (Freiwillige, ehemalige Kriegsgefangene etc.), wurde unter anderem in der [[Champagne]] eingesetzt. |
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Mit der folgenden [[Dritte Teilung Polens|dritten Teilung]], in der Russland alle litauischen und ruthenischen Gebiete östlich von [[Bug]] und [[Memel]], Österreich das restliche [[Kleinpolen]] mit [[Krakau]] und Preußen das restliche [[Masowien]] mit [[Warschau]] und Teile Litauens erhielt, war der polnische Staat für über 100 Jahre von der europäischen Landkarte verschwunden, während der letzte "[[Souverän]]" der [[Rzeczpospolita]] König [[Stanislaus II. August (Polen)|Stanislaus August Poniatowski]], nach erzwungener Abdankung durch die Okkupanten, bereits nach 3 Jahren in russischer Geiselhaft unerwartet am [[12. Februar]] [[1798]] in [[St. Petersburg]] verstarb. |
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== {{Anker|Zweite Republik}}1918–1939: Zweite Republik == |
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==Fremdherrschaft, Unterdrückung und Kampf um die Unabhängigkeit 1795 - 1914 == |
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[[Datei:Jozef Pilsudski.jpg|mini|hochkant|Marschall Józef Piłsudski, Führer der Zweiten Polnischen Republik in der [[Zwischenkriegszeit]]]] |
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{{Hauptartikel|Zweite Polnische Republik|Józef Piłsudski}} |
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=== Unabhängigkeit und Konsolidierung des Staates === |
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===Polen, Frankreich und die europäischen Mächte 1795 - 1815=== |
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Anfang 1918 verlangten die [[Mittelmächte]] in Brest-Litowsk von Russland die Unabhängigkeit für Polen, dabei wurden Polens Grenzen von Deutschland und Österreich enger als 1772 gezogen. Nachdem das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn den Krieg [[Schwarzer Tag des deutschen Heeres|faktisch verloren]] hatten und das Russische Reich im Chaos des [[Russischer Bürgerkrieg|Russischen Bürgerkriegs]] versank, erlangte Polen, auch durch politische Unterstützung der [[Westmächte]], seine volle staatliche Souveränität zurück. Am 7. Oktober 1918 proklamierte der Regentschaftsrat in Warschau einen unabhängigen polnischen Staat und übernahm fünf Tage später die Befehlsgewalt über die Armee. |
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Im November 1918 übernahm der aus der Haft in Magdeburg entlassene Józef Piłsudski in Warschau als vorläufiges Staatsoberhaupt die Macht. Er berief einen verfassunggebenden [[Sejm]] ein, der eine demokratische Verfassung ausarbeiten und verabschieden sollte. |
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[[Bild:Karte kongresspolen.jpg|thumb|right|220px|Polen nach [[1795]], mit den [[autonomie|autonomen]] Nachfolgestaaten [[Herzogtum Warschau]] [[1807]]-[[1815]], nach dem [[Wiener Kongress]] [[1815]] dreigeteilt in [[Kongresspolen|Königreich Polen]] bis [[1831]], [[Republik Krakau]] bis [[1846]] und das [[Provinz Posen|Großherzogtum Posen]] bis [[1849]] ]] |
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Im [[Friedensvertrag von Versailles#Unmittelbare Gebietsabtretungen|Versailler Vertrag (Artikel 87)]] erkannte Deutschland die ''völlige Unabhängigkeit Polens'' an.<ref>[http://www.documentarchiv.de/wr/vv03.html Abschnitt VIII]</ref> |
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Die nach dem Ende der polnischen Staatlichkeit verbliebenen Aufständischen und Oppositionellen setzten nun all ihre Hoffnungen auf das revolutionäre [[Frankreich]]. Auf dessen Anregung entstand bis [[1797]] in [[Italien|Oberitalien]] eine 6000 Mann starke polnische [[Legion]] unter General [[Jan Henryk Dąbrowski]], die auf Seiten [[Napoléon Bonaparte|Napoleons]] bis zum [[Friede von Lunéville]] [[1801]] kämpfte, ohne ihrem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Statt dessen wurden die polnischen Soldaten wegen der [[Jakobiner]]nähe ihrer polnischer Offiziere von nach absoluter Macht strebenden Napoleon im Kampf gegen Aufständische auf [[Haiti]] "verheizt", wo sie durch Tropenkrankheiten fast völlig dezimiert wurden bzw. zu den Freiheitskämpfern überliefen. Was blieb war vor allem der unbedingte Siegeswille der Legionäre, der sich im Text des Liedes [[Józef Wybicki]]s von [[1797]] manifestierte: "Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben" und weiter "Marsch, marsch, Dąbrowski, von Italien nach Polen" (seit [[1918]] die Nationalhymne Polens). |
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Die ersten Jahre der Unabhängigkeit vergingen mit dem inneren Aufbau des Staates. Die bestehenden staatlichen Strukturen, welche die drei verschiedenen Teilungsmächte hinterlassen hatten, mussten vereinheitlicht und teilweise neu geschaffen werden. Außerdem war das Land weitgehend vom Krieg verwüstet<!--Beleg??-->, wie auch seine Grenzen in weiten Teilen nicht festgelegt waren. |
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Als 1921 die neue Verfassung verabschiedet wurde, in der nur ein schwacher Präsident vorgesehen war, verzichtete Piłsudski auf die Ausübung dieses Amtes und zog sich ins Privatleben zurück. Die Jahre bis 1926 waren innenpolitisch von mehreren aufeinanderfolgenden parlamentarischen Regierungen bestimmt. Zum ersten offiziellen Präsidenten Polens wurde 1922 [[Gabriel Narutowicz]] [[Präsidentschaftswahl in Polen 1922 (9. Dezember)|gewählt]], ein Vertreter der gemäßigten Linken. Dieser wurde wenige Tage nach seiner Amtseinführung von einem nationalistischen Fanatiker ermordet. Zu seinem Nachfolger [[Präsidentschaftswahl in Polen 1922 (20. Dezember)|wählte]] die [[Nationalversammlung (Polen)|Nationalversammlung]] den gemäßigten Sozialisten [[Stanisław Wojciechowski]]. Da die Mehrheitsverhältnisse im polnischen Parlament instabil waren, gab es häufig Regierungswechsel. |
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Gleichzeitig versuchten polnische Adlige am [[St. Petersburg|Petersburger Hof]], wie der dort beim Zaren zu Einfluss gelangte Fürst [[Adam Jerzy Czartoryski]], die Lage im russischen Teilungsgebiet zu mildern, was durch eine größere Freiheit besonders im Bildungswesen zeitweise auch gelang, außenpolitisch jedoch keine Erfolge zeitigte, da [[Russland]] nicht zu einem Krieg gegen [[Preußen]] bereit war. Die französischen Kriegserfolge des Jahres [[1806]] bewogen einige Polen dazu, erneut auf die Karte Napoleon zu setzen und einen bewaffneten Aufstand im polnischen [[Großpolen|Südpreußen]] zu wagen. Durch die Schwäche Preußens und den Vormarsch der [[Grande Armee]] hatte die Erhebung Erfolg. |
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Napoleon, der an die Stärkung und Auffüllung seines Heeres für die Kämpfe gegen Russland dachte, erklärte sich aber lediglich dazu bereit, im Rahmen des [[Frieden von Tilsit|Friedens von Tilsit]] im Jahr [[1807]], in dem das Königreich Preußen kurz vor der staatlichen Auflösung durch Napoleon stand und nur durch eine massive [[Intervention]] des russischen Zaren das Schicksal Polens nicht teilen mußte, ein relativ kleines [[Herzogtum Warschau]] zu bilden, an dessen Spitze der sächsische Kurfürst [[Friedrich August I. (Sachsen)|Friedrich August]] gestellt wurde. Statt der erwarteten Bestätigung der [[Verfassung_vom_3._Mai|Mai-Verfassung]] vom [[3. Mai]] [[1791]] wurde lediglich dem französischen Vorbild folgend das "Statut conventionnel" erlassen, so dass die entscheidende politische Rolle dem französischen Residenten in [[Warschau]] zufiel. |
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Polen entwickelte ab 1921 gute Beziehungen zu [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und [[Frankreich]], die an Polen als strategischem Bündnispartner interessiert waren und den Bau eines neuen Hafens in [[Gdynia|Gdingen]] finanzierten. Aus dem Fischerdorf mit 1000 Einwohnern wurde in wenigen Jahren ein Groß- und Militärhafen mit über 100.000 Einwohnern. Weil Gdingen mit dem Danziger Hafen konkurrierte und Polen gegen den Willen der Danziger Regierung ein polnisches Munitionslager auf der [[Westerplatte]] durchsetzte, kam es zu Spannungen mit der Freien Stadt Danzig. Der Zugang zu Ostpreußen vom restlichen Deutschen Reich war möglich per verplombtem [[Privilegierter Eisenbahn-Durchgangsverkehr|Korridorzug]] von [[Chojnice|Konitz]] bis [[Tczew|Dirschau]] durch das polnische Gebiet auf der [[Preußische Ostbahn|Ostbahn]] oder per Schiff (Seedienst Ostpreußen). |
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[[Image:Jozef Antoni Poniatowski 3.jpg|thumb|left|180px|Fürst [[Józef Antoni Poniatowski]], der militärische Führer des [[Herzogtum Warschau|Herzogtums Warschau]] ]] |
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Trotz dieser großen politischen Schwierigkeiten wuchs das Engagement der polnischen Bevölkerung für den neuen Staat. Dies galt besonders für das auf französischer Seite kämpfende Militär, dem es bis [[1809]] gelang, Teile [[Kleinpolen|Kleinpolens]] zu erobern. Aus diesen Gründen war auch die polnische Bereitschaft hoch, sich massiv am [[Vaterländischer Krieg|Russlandfeldzug]] Napoleons zu beteiligen. Mit über 100.000 Mann, bei ungefähr 4 Millionen Einwohnern, stellten die Polen das größte ausländische Kontingent nach den Franzosen, und kämpften im Winter [[1812]] - [[1813]] für französische Interessen auf verlorenem Posten in den Weiten Russlands. Nur wenige Tausend kehrten anschließend in ihre Heimat zurück. Durch die Niederlage Napoleons und seiner Grande Armee besetzten russische Soldaten rasch große Teile des schutzlosen Herzogtums und die Hauptstadt Warschau, während der militärische Kopf der Polen, Fürst [[Józef Antoni Poniatowski]], in der [[Völkerschlacht]] bei [[Leipzig]] [[1813]], seinen Treueid gegenüber Napoleon und dem Kurfürst Friedrich August erfüllend, ums Leben kam, als er in den Fluss Elster stürzte und ertrank. |
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=== Konflikte mit den Nachbarn === |
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Die endgültige Entscheidung über die Zukunft Polens fiel nun auf dem [[Wiener Kongress]] von [[1815]], als die Grenzen der Teilungen bestätigt und lediglich die Position Preußens zugunsten der Russlands geschwächt wurde. Preußen musste die in der Dritten Teilung erworbenen Gebiete weitgehend aufgeben. Das bis [[1809]] österreichische [[Republik Krakau|Krakau]] wurde zur Freien Stadt erklärt. Das [[Herzogtum Warschau]] wurde um die [[Provinz Posen]] verkleinert, die an Preußen zurückfiel und als "Großherzogtum Posen" bis [[1830]]/[[1849]] weitgehende Autonomierechte genoß. Der Rest wurde als "Königreich Polen" mit eigener [[Verfassung]] und [[Autonomie]] ausgestattet und in [[Personalunion]] mit dem Russischen Reich vereinigt. Die Existenz einer polnischen Nation wurde freilich von allen europäischen Großmächten anerkannt. In den folgenden Jahren gelang es immerhin, eine soziale Umstrukturierung der Gesellschaft voranzubringen, die die Grundlagen für die Entstehung einer demokratischen polnischen Nation aller Stände schuf. |
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[[Datei:Odbudowa Państwa Polskiego w latach 1918-1922.png|mini|hochkant=1.3|Die Reorganisation Polens, Gebietsveränderungen zwischen 1918 und 1922]] |
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Aufgrund von unklaren Grenzverläufen des wiederhergestellten polnischen Staates kam es zu Konflikten mit den Nachbarn. Mit Deutschland gab es zwischen 1919 und 1921 Kämpfe vor allem um den Besitz [[Oberschlesien]]s, die sich in drei [[Aufstände in Oberschlesien|Aufständen]] niederschlugen. Die [[Volksabstimmung in Oberschlesien]] am 20. März 1921 ergab eine Mehrheit von fast 60 % für den Verbleib bei Deutschland. Dabei gab es erhebliche regionale Unterschiede; in einigen Gebieten überwog das pro-polnische Votum. Polnische Freischärler begannen daraufhin am 3. Mai 1921, unterstützt von französischen Besatzungstruppen – Italiener und Briten stellten sich auf die deutsche Seite –, einen bewaffneten Aufstand, um den Anschluss des östlichen Teils Oberschlesiens an Polen gewaltsam durchzusetzen. Die [[Triple Entente|Alliierten]] wollten vorher nur den [[Kreis Pleß]] an Polen anschließen. Das Deutsche Reich konnte aufgrund der Beschränkungen durch den Versailler Vertrag und aufgrund der Intervention der anglo-französischen Sieger nicht gegen die Freischärler vorgehen, trotzdem kam es zu einigen blutigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Polen. Mit Billigung der deutschen Regierung versuchten [[Freikorps]] gewaltsam den Anschluss an Polen zu verhindern. Am 21. Mai 1921 gelang den deutschen Freikorps des „[[Spezialpolizei des Oberschlesischen Selbstschutz|Selbstschutzes Oberschlesien]]“ die Erstürmung des [[St. Annaberg]]s, der stärksten Befestigung der Polen, wodurch eine Stabilisierung der Lage eintrat. Am 20. Oktober 1921 beschloss der Oberste Rat der Alliierten, nach einer Empfehlung des [[Völkerbund]]es, das [[Oberschlesisches Industriegebiet|oberschlesische Industriegebiet]] um [[Katowice]] an Polen zu übertragen, dem es als [[Woiwodschaft Schlesien (1920–1939)|Autonome Woiwodschaft Schlesien]] angeschlossen wurde. Beim Deutschen Reich verblieb der flächen- und bevölkerungsmäßig größere, eher agrarisch strukturierte Teil des Abstimmungsgebiets. |
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Das kurze französische Intermezzo hinterließ ein von Napoleon wirtschaftlich und menschlich ausgeblutetes "Klein-Polen", der rücksichtlos das winzige Herzogtum in die Pflicht nahm und das polnische Vertrauen und [[Loyalität]] in seine Person zur Errichtung eines freien, unabhängigen Polens mit (falschen) Versprechungen mißbrauchte, während er mit den ''gemeinsamen'' Feinden Preußen, vor allem aber mit Österreich und Russland auf Kosten der polnischen Nation einen Ausgleich suchte, der besonders am Namen des Herzogtums abzulesen ist. Zu lange setzte die polnische Obrigkeit auf die Karte Napoleon, was auch an der Person des Fürsten Jozef Antoni Poniatowski deutlich wird. Während sich [[1813]] fast ganz [[Europa]] gegen Napoleon gestellt hatte, waren die Polen das einzige europäische Volk, das diesem [[Despot]]en noch in der Völkerschlacht bei Leipzig in blinder Gefolgschaft die Treue hielt, während die restlichen französischen Verbündeten vor allem aus dem [[Rheinbund]]-Staaten und die sächsischen [[Regiment]]er ihr Heil im Überlaufen suchten. Zum Dank für die polnische Treue ließ der Kaiser bei seiner hastigen Flucht vom Schlachtfeld vorzeitig die Brücken sprengen, wohlweislich einen Teil der französischen und die gesamte polnische Armee den Feinden in die Hände auszuliefern. Der ehrenhafte, aber politisch blinde Fürst Poniatowski fand dabei den Tod, konnte sich aber [[posthum]] mit dem Titel eines französischen Marschalls "schmücken", während seine Heimat Stück um Stück in die Hände seiner Feinde fiel. Mit dem Sturz Napoleons durch die Teilungsmächte und das [[Vereinigtes Königreich|Vereinigte Königreich]], waren die nächsten 100 Jahre für die polnische Nation vor allem in den preußisch-russischen Besatzungszonen aus Unterdrückung, Demütigung und hohem Blutzoll bestimmt und bedeuteten einen allgemeinen [[Zivilisation|zivilisatorischen]] Rückschritt, der im Zenit der Unterdrückung, neben dem Verbot der polnischen Sprache im öffentlichen Leben, mit Repressalien, [[Germanisierung]] und [[Russifizierung]] der polnisch-sprachigen Bevölkerung begleitet wurde. |
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Randbemerkung: Bei der Zerschlagung des Herzogtums Warschau durch den Wiener Kongress [[1815]] spricht man fälschlicherweise oft von der so genannten "Vierten Teilung Polens". Das enstpricht jedoch nicht ganz der Wahrheit, weil das Herzogtum de jure kein [[souverän]]er Staat war. Es unterstand als ein [[Vasall|Vasallenstaat]] des revolutionären [[Frankreich]]s, der direkten Kontrolle Napoleons und seiner Clique. Den Rechtsnachfolgern des Herzogtums wie zum Beispiel dem [[Kongresspolen]], wurde weitgehende Autonomie zugebilligt - die jedoch im Laufe der nächsten 15 Jahre begrenzt wurde -, auch unterhielt das Land ein eigenes [[Sejm|Parlament]], im Gegensatz zur Ersten Republik, der [[Adelsrepublik]], die [[1795]] durch militärische Gewalt und das "Recht des Stärkeren" liquidiert wurde. |
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Bis auf deutschsprachige Randgebiete wurden die Provinzen Preußens, die durch die Teilungen Polens an Preußen gekommen waren, Westpreußen und Posen, aus der [[Weimarer Republik]] herausgelöst und ohne [[Plebiszit]]e der neuen Republik einverleibt. Polen bekam dadurch einen [[Polnischer Korridor|Zugang]] zur Ostsee bei [[Gdynia|Gdingen]]. Einen Teil der Gebiete hatte polnisches Militär im Großpolnischen Aufstand bereits zuvor militärisch besetzt. Danzig wurde gegen den Willen der Einwohner zur [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]] erklärt und verblieb unter der Aufsicht des [[Völkerbund]]es mit Nutzungsrechten Polens am Danziger Hafen außerhalb der Grenzen des neuen polnischen Staates. Für überwiegend polnischsprachige Gebiete Ost- und Westpreußens sah der Versailler Vertrag [[Volksabstimmungen im Gefolge des Versailler Vertrags|Volksabstimmungen]] über die Staatszugehörigkeit vor. In [[Masuren]] ([[Regierungsbezirk Allenstein]]) und im [[Regierungsbezirk Marienwerder]] fanden unter alliierter Aufsicht Volksabstimmungen statt, in denen sich die große Mehrheit der Bevölkerung (98 % bzw. 92 %) für den Verbleib bei Ostpreußen und Deutschland entschied. |
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===Die Zeit der Aufstände 1815 - 1864=== |
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Die polnischen territorialen Bestrebungen stießen auch im Osten auf Widerstand. Wegen der nicht eindeutig abgrenzbaren Siedlungsgebiete verschiedener Völker gab es hier sich überschneidende Gebietsansprüche, vor allem mit den Ukrainern und den [[Litauer]]n. Eine Woche nach der polnischen Unabhängigkeitserklärung riefen auch die Ukrainer in [[Lemberg]] ihre Unabhängigkeit aus, was den [[Polnisch-Ukrainischer Krieg|Polnisch-Ukrainischen Krieg]] um das ehemalige habsburgische Königreich [[Galizien]] auslöste. Besonders heftige Kämpfe wurden um Lemberg geführt, das [[Lemberger Adler|polnische Freiwilligenverbände]] und reguläre Armeeteile am 21. November einnahmen. Der Krieg dauerte bis März 1919 an und wurde durch ein Abkommen zwischen Polen und der [[Volksrepublik Ukraine]] am 21. April 1920 beendet. Der Völkerbund sah die Ziehung einer [[Curzon-Linie|Grenzlinie]] vor, durch die mehrheitlich polnischsprachige Gebiete um Wilna in Litauen und Lemberg in Galizien dem polnischen Staat verloren gegangen wären. Die Pläne Piłsudskis zielten hingegen auf die Wiedererrichtung einer Republik unter polnischer Führung in der Tradition der 1795 untergegangenen [[Polen-Litauen|Adelsrepublik]], zu der auch mehrheitlich von Ukrainern und [[Weißrussen]] bewohnte Gebiete gehören sollten. Polnische Truppen besetzten daher 1919 bei [[Vilnius]] den östlichen Teil [[Litauen]]s, das seine Unabhängigkeit gerade gegen Russland durchgesetzt hatte. Polen erklärte das okkupierte litauische Gebiet als [[Litwa Środkowa]]. Zudem drangen polnische Truppen tief in die Ukraine vor, was aufgrund der Überschneidung mit den territorialen Ansprüchen [[Sowjetrussland]]s zum [[Polnisch-Sowjetischer Krieg|Polnisch-Sowjetischen Krieg]] führte. |
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[[Bild:Zug-zum-hambacher-schloss 2-1200x845.jpg|thumb|left|220px|[[Hambacher Fest]] von [[1832]], Polen und Deutsche vereint im Kampf für Frieden, Freiheit und nationale Einigkeit]] |
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Auf lange Sicht gesehen war die polnische Nation nach den Wiener Beschlüssen von [[1815]] nicht bereit, den Status quo zu akzeptieren. Der Wunsch nach einem eigenen Staat war ungebrochen. Die katholische Kirche wuchs aufgrund ihrer beibehaltenen Strukturen immer stärker in die Rolle einer Bewahrerin der Traditionen hinein. |
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[[Datei:PBW June 1920.png|mini|links|Der Polnisch-Sowjetische Krieg, Frontverlauf im Juni 1920]] |
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Die politische Entwicklung seit [[1815]] war durch eine eher gemäßigte Unterdrückung durch den [[Zar]]en und seinen Warschauer Statthalter Novosilcov geprägt. Damit waren aber viele Jüngere, geprägt vom Geist der polnischen [[Romantik]] und ihrer Helden wie [[Adam Mickiewicz]] und [[Juliusz Słowacki]], nicht zufrieden. Die Nachricht von Revolutionen in [[Paris]] und in [[Belgien]] im Jahre [[1830]] ließ auch eine kleine Gruppe von Warschauer Verschwörern zu den Waffen greifen. Am [[28. November]] desselben Jahres brach der Aufstand gegen die russische Bevormundung aus, der jedoch keine konkreten politischen Zielvorstellungen hatte. Aufgrund der zögerlichen russischen Reaktion gelangen zunächst einige Erfolge, die den im Dezember zusammengetretenen [[Sejm]] dazu bewogen, die Dynastie der [[Romanow|Romanows]] für abgesetzt zu erklären. Im Laufe des Jahres [[1831]] behielt Russland in der massiven militärischen Auseinandersetzung aber die Oberhand, auch deswegen, weil die Aufständischen zu keinen weitergehenden Schritten in der Bauernfrage bereit waren. |
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Zunächst gelang polnischen Truppen unter General [[Edward Rydz-Śmigły|Rydz-Śmigły]] mit Unterstützung durch nationalukrainische Kräfte die Eroberung Kiews. Sowjetische Truppen drangen bei einer Gegenoffensive bis Warschau vor und belagerten Lemberg. Der polnischen Armee gelang unter Piłsudski der Durchbruch und die Vernichtung der sowjetischen Einheiten. Piłsudski startete darauf eine Großoffensive in Richtung Norden. Der Überraschungseffekt war so groß, dass die letzten sich zurückziehenden Einheiten der [[Rote Armee|Roten Armee]] über deutsches Gebiet – Ostpreußen – flüchten mussten. |
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[[Bild:Rastatt_Gedenkstein_f%C3%BCr_die_Polnische_Legion_1848.JPG|thumb|right|220px|Gedenkstein für die Polnische Legion von [[1848]] im [[Schloss Rastatt|Rastatter Schloss]] ]] |
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Der [[Novemberaufstand]] war in ganz Europa äußerst populär, besonders in Deutschland, wo die entstehende Polenbegeisterung auch nach dem Scheitern des Aufstandes und dem Einsetzen der sogenannten "Großen Emigration" zunächst weiter bestand und zur Entstehung von Solidaritätskomitees und "Polenliedern" führte, deren Höhepunkt das sog. "[[Hambacher Fest]]" im Jahre [[1832]] war, wo deutsche und polnische nationale Bestrebungen auf eindrucksvolle Weise miteinander verbunden wurden. |
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Im russischen Teilungsgebiet selbst wurde die Sonderstellung der Polen nun massiv eingeschränkt. Jetzt wurde in Teilen der Verwaltung mit der Russifizierung begonnen und das polnischsprachige Bildungssystem geschwächt. Zu einem neuen Zentrum der polnischen Politik wurde [[Paris]], wohin viele bedeutende Politiker geflohen waren und wo mit den "Konservativen" und den "Demokraten" die beiden Hauptlager entstanden. |
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Am 18. März 1921 unterzeichneten die Kriegsparteien in der lettischen Hauptstadt Riga den [[Friedensvertrag von Riga (1921)|Friedensvertrag von Riga]]. Piłsudski gelang es, die polnische Staatsgrenze etwa 200 km östlich der geschlossenen polnischen Sprachgrenze mit relativer Bevölkerungsmehrheit, der Curzon-Linie, zu ziehen. Im [[Kresy|östlichen Teil Polens]] betrug der polnische Bevölkerungsanteil 1919 etwa 25 %, 1938 bezeichneten sich 38 % als polnisch. Die Bevölkerungsmehrheit bezeichnete sich als ukrainisch, weißrussisch oder jüdisch. Mehrheitlich polnisch – mit einem hohen Anteil Juden – waren dagegen die Städte Wilna und Lemberg. |
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Aufgrund der Unterdrückung im russischen Teilungsgebiet wandte sich das Hauptaugenmerk für einen erneuten Aufstand den anderen beiden Regionen zu. Für Anfang [[1846]] wurde eine gesamtpolnische Erhebung geplant, die ihren Schwerpunkt aber im preußischen [[Posen]] und der [[Republik Krakau|Freien Stadt Krakau]] haben sollte. Der Posener Plan wurde jedoch verraten und die Verschwörer mit ihrem Kopf [[Ludwik Mieroslawski]] verhaftet. Die Bestrebungen im österreichischen Teilungsgebiet wurden nur halbherzig durchgeführt. Parallel dazu brach aber dort ein Bauernaufstand aus, der sich vor allem gegen die polnischen Landadligen richtete und von den Behörden teilweise unterstützt wurde. Dieser extrem grausame Bürgerkrieg führte in nur zwei Monaten zu über 1000 Toten. Krakau, das vorübergehend in polnischer Hand war, wurde schließlich von österreichischen Truppen besetzt und [[1846]] in die [[Donaumonarchie]] inkorporiert. Aufgrund dieses völligen Scheiterns war es um so überraschender, dass die polnische Frage schon zwei Jahre später in Preußen wieder zu einem beherrschenden Thema wurde. |
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=== Mai-Umsturz und Sanacja-Regime === |
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[[Bild:Nationalversammlung.jpg|thumb|left|220px|[[Frankfurter Nationalversammlung]] von [[1848]], deutliche Abkehr von Forderungen des [[Hambacher Fest]]s von [[1832]] in puncto Polen ]] |
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[[Datei:Rydz Smigly Bulawa1.jpg|mini|hochkant|Präsident Ignacy Mościcki bei der Verleihung der Marschallwürde an General Edward Rydz-Śmigły (10. November 1936)]] |
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Im preußischen Teilungsgebiet waren die Jahre seit [[1815]] vor allem geprägt durch die [[1823]] durchgeführte endgültige [[Bauernbefreiung]]. Die zunächst relativ gemäßigte Politik gegenüber den Polen wurde nach dem Amtsantritt des neuen Oberpräsidenten [[Eduard Heinrich von Flottwell]] Ende [[1830]] zunehmend antipolnisch, vor allem in der Bildungs- und der Kirchenpolitik. Seit Beginn der [[1840]]er Jahre schien sich unter dem neuen preußischen König [[Friedrich Wilhelm IV.]] eine liberalere Polenpolitik anzudeuten, bis die Aufstandspläne von [[1846]] und der große Berliner Polenprozess eine erneute Wende einleiteten. Die [[Märzrevolution]] des Jahres [[1848]] führte auch zum Wiederentstehen polnischer Organisationen im preußischen [[Großherzogtum Posen]]. Man erwartete das Ausbrechen eines Krieges gegen das reaktionäre Russland. Mitunter arbeiteten deutsche und polnische Demokraten eng zusammen. Der Krieg kam jedoch nicht, der preußische König überwand seine zeitweilige Schwäche und die nationalen Spannungen im Lande nahmen zu. Den Aufständischen gelang es nicht, die preußische militärische Übermacht zu besiegen. Dass die Stimmung des Jahres [[1848]] nicht mehr der von [[1832]] entsprach, zeigte schließlich die dreitägige Polendebatte der [[Paulskirchenversammlung]] im Juli [[1848]] sehr deutlich. Nur noch wenige traten für die Rechte der Polen ein, die national-konservativen Kräfte setzten sich endgültig durch. Letztes Aufflackern war die demokratische Revolution in [[Baden (Land)|Baden]], an deren militärischer Spitze [[1849]] Mierosławski stand. An den europäischen Revolutionen der Jahre [[1848]]/[[1849]] hatten auch an anderen Stellen Polen mitgekämpft, etwa General [[Josef Bem]] in [[Österreich]] und [[Ungarn]]. Keinen Aufstandsversuch gab es aber im russischen Teilungsgebiet, wo der Statthalter Ivan Paskevič die Zügel fest in der Hand hielt. |
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{{Hauptartikel|Maiputsch|Sanacja}} |
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Józef Piłsudski, unzufrieden mit der innenpolitischen Situation, führte im Mai 1926 mit Unterstützung zahlreicher Anhänger in der Armee einen Staatsstreich durch und blieb bis zu seinem Tod im Mai 1935 an der Macht. Allerdings bekleidete Piłsudski hierbei nur selten und nur für kurze Zeit offiziell bedeutende Ämter. Er war z. B. nie Staatspräsident, sondern überließ dieses Amt seinem loyalen Gefolgsmann [[Ignacy Mościcki]]. Piłsudski war meist nur Verteidigungsminister. Allerdings war er die allgemein anerkannte oberste Autorität im Staat. Auch gab es zumindest bis zum Ende der 1920er Jahre eine mehr oder weniger funktionierende im Parlament vertretene Opposition; diese wurde allerdings konsequent an der Übernahme der Macht gehindert. Nach der Ermordung von Innenminister [[Bronisław Pieracki]] im Juni 1934 ließ die Regierung in der Kleinstadt [[Bjarosa|Bereza Kartuska]] im heutigen [[Belarus]] ein [[Internierungslager]] für ukrainische Nationalisten, Kommunisten und andere prominente Regimegegner anlegen. |
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[[Bild:Stan_wojenny_w_Warszawie_1863r.jpg|thumb|right|150px|Russische Truppen auf den Straßen [[Warschau]]s im Jahr [[1863]], während des [[Januaraufstand]]s ]] |
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Erst die russische Niederlage im [[Krimkrieg]] [[1855]] und der Amtsantritt des neuen Zaren [[Alexander II. (Russland)|Alexanders II.]] weckte neue Hoffnungen. Es entwickelten sich nun ernstzunehmende Pläne einer engen polnisch-russischen Zusammenarbeit unter dem gemäßigten Adligen [[Aleksander Wielopolski]], der [[1862]] zum Chef einer nur aus Polen bestehenden Zivilregierung ernannt wurde. Die Demokraten dagegen sahen sich durch die Einigungsbestrebungen [[Italien|Italiens]] wieder zu revolutionären Taten veranlasst und begannen im Januar [[1863]] einen bewaffneten Aufstand, den [[Januaraufstand]], in dem es allerdings nicht gelang, Unterstützung aus anderen europäischen Staaten zu erhalten. Die verschiedenen gesellschaftlichen Absichten der polnischen Emigration, das Fehlen einer schlagkräftigen militärischen Führung im Lande und die vergeblichen Versuche, auch die Bauern zu mobilisieren, brachten auch diesen Aufstand zum Scheitern. Die massiven Vergeltungsmaßnahmen der Russen, Enteignungen und Deportationen, führten dazu, dass der Adel nun seine beherrschende Kraft innerhalb der polnischen Gesellschaft verlor, die Ideen der Romantik waren endgültig gescheitert. |
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Das Regime nannte sich selbst ''Sanacja'' (etwa „Gesundung“). Laut dem Historiker [[Wolfgang Benz]] zeigte es mit seinem deutlichen [[Nationalismus]], seinem entschiedenen [[Antikommunismus]] und mit seinem [[Antisemitismus]], in dem insbesondere nach Piłsudskis Tod „den Juden“ die Schuld an Polens strukturellen Wirtschaftsproblemen gegeben wurden, unverkennbar [[Faschismus|faschistische]] Tendenzen.<ref>Wolfgang Benz: ''Faschismus''. In: derselbe (Hrsg.): ''[[Handbuch des Antisemitismus]], Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien.'' Walter de Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023379-7, S. 86 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> Eine auf die Person Piłsudski zugeschnittene neue Verfassung trat nach dessen Tod 1935 in Kraft. Nun entstanden zwei Machtzentren in Polen: die Gruppe der „Obristen“ um den neuen Marschall [[Edward Rydz-Śmigły]] (1886–1941) und die Gruppe „Schloss“ um Mościcki, benannt nach der Residenz des Präsidenten, dem [[Königsschloss in Warschau]]. Der Trend hin zu einem autoritären Staat verstärkte sich weiter; die Rechte vor allem der slawischen Minderheiten (Ukrainer, Weißrussen) wurden massiv eingeschränkt, die Juden diskriminiert. Auch die insgeheim finanziell vom [[NS-Staat]] unterstützte deutsche Minderheit wurde trotz der seit dem Nichtangriffsvertrag zwischen [[Adolf Hitler|Hitler]] und Piłsudski offiziell guten deutsch-polnischen Beziehungen immer stärker in ihren Rechten eingeschränkt, wozu auch die wachsende Begeisterung vieler der [[Volksdeutsche]]n für den [[Nationalsozialismus]] beitrug. |
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==="Organische Arbeit" und die polnische Nationalbewegung 1864 - 1914=== |
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Die außenpolitischen Bemühungen Polens, die vor allem mit der Person von Außenminister [[Józef Beck]] verbunden sind, waren im Einklang mit der französischen Politik darauf ausgerichtet, einen [[Cordon sanitaire (Politik)|Block]] kleiner und mittlerer Staaten zur Eindämmung sowohl Deutschlands als auch der Sowjetunion zu schaffen. Dem standen die durch die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen gegenseitigen Gebietsansprüche im Wege. So war Polen, kurz bevor es selbst von Deutschland und der Sowjetunion überfallen wurde, aktiv an der [[Zerschlagung der Tschechoslowakei]] beteiligt und annektierte nach dem [[Münchner Abkommen]] im Oktober 1938 die mehrheitlich von Polen und Deutschen besiedelten Industriegebiete in [[Schlesien (Tschechien)|Mährisch-Schlesien]] und das [[Olsagebiet]]. |
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[[Bild:Marie Curie.jpg|thumb|left|150px|[[Marie Curie]], Vertreterin des polnischen [[Polnischer Positivismus|Positivismus]]]] |
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Das Scheitern der Aufstände führte in allen drei Teilungsgebieten zu neuen Überlegungen bei den Eliten, die immer mehr vom Bürgertum gestellt wurden. Aus dem passiven Widerstand vor allem im russischen Teil erwuchs der Wille, den Bedrohungen der Russifizierung bzw. Germanisierung aus eigener Kraft Herr zu werden, ohne immer wieder zu Aufständen greifen zu müssen. Man favorisierte das Konzept einer langsamen, evolutionären Entwicklung der eigenen Fähigkeiten in den Bereichen Wirtschaft, Bildung oder Kultur, das mit dem Schlagwort "organische Arbeit" bezeichnet wurde. Ausgedacht wurden diese Überlegungen von einer neuen Generation von Publizisten und Schriftstellern, die sich vor allem in Warschau versammelten. Sie gründeten u.a. die sogenannten "Fliegenden Universitäten", bei deren heimlichen Treffen die sozialen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Probleme ihrer Zeit diskutiert wurde. In Anlehnung an das Hauptwerk "Positive Philosophie" des französischen Philosophen [[Auguste Comte]] nannten sich diejenigen, die der Bewegung angehörten, [[Polnischer Positivismus|Positivisten]]. Zu ihr gehörte auch die Wissenschaftlerin [[Marie Curie]], geb. Skłodowska. |
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Einige Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gaben die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens Garantieerklärungen zum Schutze der Unabhängigkeit Polens ab (siehe [[britisch-französische Garantieerklärung]]); diese blieben nach Kriegsausbruch aber ohne größere Folgen, was von Polen als „Verrat des Westens“ angesehen wurde. |
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===="Kulturkampf" und die Folgen: das preußische Teilungsgebiet==== |
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== 1939–1945: Zweiter Weltkrieg == |
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[[Image:Bismarck1894.jpg|thumb|right|150px|[[Kulturkampf]] unter Reichskanzler [[Otto von Bismarck]] ]] |
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[[Datei:MolotovRibbentropStalin.jpg|mini|[[Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow|Molotow]] bei der Unterzeichnung des [[Deutsch-Sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag|Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags]], im Hintergrund in der Mitte stehend [[Joachim von Ribbentrop|Ribbentrop]] und [[Josef Stalin|Stalin]] (v. l.)]] |
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In [[Preußen]] wurden mit dem Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten [[Otto von Bismarck]] die Bestrebungen einer vollständigen Integration auch der mehrheitlich polnisch bewohnten Landesteile (''Teile Westpreußens, der Provinz Posen und Oberschlesiens'') verstärkt. Seine Politik begann sich in den sechziger Jahren besonders gegen den dortigen Adel und den katholischen Klerus in allen Teilen Preußens zu richten. Nach der Reichsgründung des [[Deutsches Kaiserreich|Zweiten Deutschen Reiches]] [[1871]] wurden die Germanisierungsbestrebungen noch verstärkt. Dazu zählte die stufenweise Abschaffung des Polnischen als Unterrichtssprache an Oberschulen. Darüber hinaus fanden massive Schritte gegen den katholischen Klerus im Zuge des sogenannten [[Kulturkampf|Kulturkampfs]] ihren Niederschlag, die zugleich auch im katholischen [[Westfalen]], im [[Rheinland]] und in [[Bayern]] erfolgten (''u. a. Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht''). Gerade die letztgenannten Aktionen bewirkten aber genau das Gegenteil des Gewünschten, weil die bisher national eher passiven polnischen Bauern - z. T. in Kooperation mit Katholiken aus dem Süden und Westen des Kaiserreichs - für ihren katholischen Glauben zu kämpfen begannen. |
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{{Hauptartikel|Zweiter Weltkrieg}} |
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=== Septemberkrieg === |
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[[Bild:Rota.jpg|thumb|left|Die Hymne "Rota" von [[Maria Konopnicka]] aus dem Jahre [[1908]] ]] |
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{{Hauptartikel|Überfall auf Polen}} |
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In [[Westpreußen]] und [[Posen]] scheiterte der Versuch einer weiteren "Germanisierung des Bodens" durch Aufkauf polnischen Landes ebenso wie die Bemühungen, neue deutsche Siedler ins Land zu locken. Hauptgrund war die landwirtschaftliche Prägung, die im Zeitalter der industriellen Revolution nur geringe Aussichten auf Wohlstand versprach. Deutsche und Polen wanderten gleichermaßen aus Westpreußen und Posen in das [[Ruhrgebiet]] und das [[Oberschlesien|oberschlesische Industrierevier]] ab. Organisationen wie der "Ostmarkenverein" verschärften die [[Antagonismus|Antagonismen]] noch mehr und führten zu Gegengründungen polnischer Vereine. |
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Am 28. April 1939 nahm Hitler die britisch-französische Garantieerklärung für Polen zum Anlass, den [[Deutsch-polnischer Nichtangriffspakt|deutsch-polnischen Nichtangriffspakt]] zu kündigen. Vier Monate später befahl er den [[Überfall auf Polen]]. Folge des deutschen Angriffes auf Polen war der Kriegseintritt Großbritanniens und Frankreichs und damit der Zweite Weltkrieg. |
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Die patriotische Literatur jener Zeit brachte einige wichtige Werke hervor, zum Beispiel die Historienromane von [[Henryk Sienkiewicz]], aber auch populäre Mythen und Geschichten wie die Erlebnisse des Michał Drzymała oder die Hymne "Rota" der bedeutenden Schriftstellerin [[Maria Konopnicka]] mit ihren antideutschen Zeilen. |
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Die deutschen Truppen kamen rasch voran. Gegen die militärische Überlegenheit der Deutschen hatten die Polen nur ihren verzweifelten Kampfeswillen entgegenzusetzen. Einzelaktionen polnischer Verbände, etwa in der [[Schlacht bei Wizna]] (6. bis 10. September) oder in der [[Schlacht an der Bzura]] (9. September bis 15. September), vermochten den mit weiträumigen Umfassungsmanövern einhergehenden Vormarsch nicht aufzuhalten. Nach zwei Wochen wurde die polnische Hauptstadt eingeschlossen. Am 17. September wurde Polen – wie in dem geheimen Zusatzprotokoll des [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Hitler-Stalin-Pakts]] vorgesehen – auch von der Sowjetunion überfallen. Am 28. September kapitulierte Warschau. Eine offizielle Einstellung der Kampfhandlungen seitens Polens, wie im Folgejahr mit dem [[Waffenstillstand von Compiègne (1940)|Waffenstillstand von Compiègne]] durch Frankreich, fand jedoch nicht statt. |
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[[Bild:Henryk Sienkiewicz0512.jpg|thumb|right|150px|[[Henryk Sienkiewicz]] Begründer der patriotischen Literatur im besetzten Polen]] |
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Die Ausweisungen mehrerer zehntausend Polen russischer Staatsangehörigkeit in den Jahren [[1885]] - [[1886]] brachten auch die internationale öffentliche Meinung gegen das Deutsche Reich auf. Gegen die deutsche Unterrichtssprache gab es gut organisierte und effektive Schulstreiks, dessen bekanntester in [[Wreschen]] im Jahre [[1901]] auch internationales Aufsehen erregte. Auch eine zwischenzeitlich betriebene liberalere Politik unter Reichskanzler [[Caprivi]] konnte an diesen längerfristigen Aktionen nichts ändern. Im Ergebnis ging der Anteil der Deutschen bzw. Deutschsprachigen in der [[Provinz Posen]] von [[1871]] bis [[1910]] von 44 auf 38 Prozent zurück, der Anteil der Polen stieg vice versa von 56 auf 62 Prozent. |
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Das Land wurde zwischen dem [[NS-Staat]] und der [[Sowjetunion]] aufgeteilt. Die polnische Regierung samt hoher polnischer Militärs floh zuerst über die Grenze nach [[Rumänien]] und wurde dort auf ausdrückliche Forderungen Hitlers interniert. Die [[Polnische Exilregierung|Exilregierung]] ging dann nach [[Paris]], später nach [[London]] und organisierte von dort aus die [[Polnische Streitkräfte im Westen|Streitkräfte und den Widerstand]] neu. |
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Am wirtschaftlichen Aufschwung des Kaiserreichs partizipierten freilich auch die Polen. Der sich anbahnende bescheidende Wohlstand hatte auch Initiativen zur Volksbildung zur Folge, die wiederum gut als Teil der "organischen Arbeit" genutzt werden konnten. Durch eine gewisse Rechtssicherheit für den Einzelnen und die Möglichkeit parlamentarischer Mitwirkung, zum Beispiel über die Partei der Polen im Reichstag, wurden Strukturen geschaffen, die nach [[1918]] im polnischen Staat von Nutzen waren. Eine besondere Rolle innerhalb des preußischen Staates spielte die oberschlesische Industrieregion, die in jenen Jahren ähnlich dem Ruhrgebiet zu einem riesigen Wachstumsgebiet wurde, in dem sich jedoch gleichzeitig die deutsch-polnischen nationalen Spannungen immer heftiger zu entladen begannen. Die beiden Industriezentren zogen auch Hunderttausende von Arbeitskräften an, was zum hohen Anteil von Polen an der Bevölkerung des [[Ruhrgebiet|Ruhrgebiets]] führte. Im Ruhrgebiet integrierten sich die polnischen Zuwanderer rasch in die ortsansässige Bevölkerung. Bekannt ist unter anderem die Gründung des ortsverwurzelten Fußballvereins [[Borussia Dortmund]] durch Söhne polnischer Einwanderer. |
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[[Datei:Second world war europe 1939 map de.png|mini|Europa Ende September 1939 nach der deutschen und der sowjetischen Besetzung Polens infolge des Hitler-Stalin-Paktes]] |
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====Die Situation in Galizien==== |
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Der Krieg gegen Polen sollte nach dem Willen des [[NS-Staat|NS-Regimes]] Züge eines rassistischen Verdrängungs- und Vernichtungsfeldzugs annehmen. Der polnische Staat sollte zerschlagen und der deutsche „[[Lebensraum-Politik|Lebensraum]]“ erweitert werden. Anders als im Westen machte Hitler schon vorher klar, dass er andere Maßstäbe anlegen wolle. Es gehe nicht um bestimmte geographische Linien, die erreicht werden sollten, sondern darum, dass 80 Millionen Deutsche ihr Recht bekämen. Die „Liquidierung des führenden Polentums“ ([[Reinhard Heydrich]]), beginnend mit der [[Sonderaktion Krakau]], wurde als eine vorrangige Aufgabe angesehen. Als Vorwand für die Ermordung von zehntausenden Angehörigen der [[Intelligentsia]] dienten Verbrechen an [[Volksdeutsche]]n in den ersten Kriegstagen, etwa im Rahmen des „[[Bromberger Blutsonntag]]s“. |
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[[Bild:FranzJoseph1gr.jpg|thumb|left|150px|Kaiser [[Franz Joseph]] gewährte Autonomie im von [[Österreich]] seit [[1772]] besetzten Teil des polnischen [[Galizien]] ]] |
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Die Bedingungen für eine Weiterentwicklung polnischer Strukturen waren im österreichischen Teilungsgebiet am günstigsten. Nachdem [[Österreich]] in Oberitalien, im Rahmen der italienischen Einigungskriege, [[Risorgimento]], Ende der [[1850]]er Jahre schwere Rückschläge hinnehmen musste und anschließend den Kampf im [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] gegen [[Preußen]] um die Vorherrschaft im [[Deutscher Bund|Deutschen Bund]] [[1866]] verloren hatte und zudem im Rahmen der [[Österreichisch-Ungarischer Ausgleich|Österreichisch-Ungarischen Verständigung]] den internen Ausgleich mit [[Österreich-Ungarn|Ungarn]] durchführte, sah man sich auch in [[Galizien]] veranlasst, die Zügel zu lockern. |
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Unmittelbar hinter der Front rückten Angehörige der [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD|Einsatzgruppen]] in Polen ein. Ihnen gehörten insgesamt etwa 3000 Mann an, die sich aus Angehörigen von [[Schutzstaffel|SS]], [[Sicherheitsdienst des Reichsführers SS|Sicherheitsdienst]] und Polizei zusammensetzten, und in erster Linie die Erschießungen durchführten. Als zusätzliches Terrorinstrument fungierte der „[[Volksdeutscher Selbstschutz|Volksdeutsche Selbstschutz]]“, der der SS unterstellt war. Allein in den ersten vier Monaten der deutschen Besatzungsherrschaft wurden während der „[[Intelligenzaktion]]“ mehrere 10.000 Personen erschossen. An den Hinrichtungen, deren erster Schwerpunkt die Region Westpreußen war, beteiligten sich neben den genannten Gruppen auch Angehörige der [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]] und der [[Wehrmacht]]. Hierbei handelte es sich nicht um einzelne Exzesse, die aus dem Klima des Hasses und den Zufälligkeiten des Krieges heraus entstanden, sondern um organisierten Massenmord. Nach Beendigung der Intelligenzaktion folgte die [[AB-Aktion]], der zwischen Mai und Juli 1940 Zehntausende zum Opfer fielen. |
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Kaiser [[Franz Joseph]] erlaubte die Polonisierung des Schulwesens und der Verwaltung, in anderen Bereichen gewährte man ebenfalls wachsenden polnischen Einfluss, so dass man ab [[1867]] von einer de facto vollen Autonomie Galiziens sprechen konnte, gleichzeitig jedoch die Missbilligung der Preußen und [[Russen]] heraufbeschwor. |
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=== Deutsche und sowjetische Besatzung: Terror und Genozid === |
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Einen wichtigen Einfluss auf das geistige Leben übten die Universitäten von [[Krakau]] und [[Lemberg]] aus, an denen eine ganze Reihe polnischer Wissenschaftler ausgebildet wurden. Im Gegenzug sicherte das polnische konservative Lager dem Haus [[Habsburg]] seine volle Loyalität zu und vertrat diese auch personell und ideell am Wiener Hof. Problematisch blieb in der strukturschwachen Region die Lage der ländlichen Bevölkerung und der größtenteils nicht assimilierten Juden im Osten. Auch deshalb entstanden bald populistische Bewegungen der Bauern, die die Grundlagen für die in der Zwischenkriegszeit mächtigen Bauernparteien legten. Das liberale geistige Klima am Vorabend des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] ermöglichte auch die Aufstellung paramilitärischer Verbände, die für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit kämpfen sollten. Es fehlte zunächst aber ein klares und allgemein unterstütztes politisches Konzept für die weitere Entwicklung. |
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{{Hauptartikel|Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|Sowjetische Besetzung Ostpolens}} |
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Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung schwerwiegende Folgen. Die industriell und landwirtschaftlich entwickelten Teile wurden direkt annektiert. Restpolen mit etwa zehn Millionen Menschen wurde als „[[Generalgouvernement]]“ dem Reichsminister [[Hans Frank]] unterstellt. Zu den übergreifenden Zielen der Besatzungspolitik im gesamten Gebiet gehörten: |
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====Die Lage im russischen "Kongresspolen"==== |
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* die Ausschaltung und Vernichtung der polnischen Intelligenz, |
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* die Vorverlegung der deutschen Ostgrenze und die Erweiterung des „[[Lebensraum im Osten|Lebensraums im Osten]]“, |
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* die Stärkung der deutschen Kriegswirtschaft durch rücksichtslose Ausbeutung des Arbeitskräftepotenzials und der materiellen Ressourcen Polens. |
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Die annektierten Gebiete sollten schnellstmöglich „entpolonisiert“ werden, teils durch physische Vernichtung, teils durch Vertreibung der dort wohnenden etwa 8 Millionen Polen und Juden, oder durch „Germanisierung brauchbarer Volksbestände“ und Neuansiedlung deutscher Minderheiten aus anderen Teilen Osteuropas, etwa der [[Deutschbalten]], die nun ihre Heimat verlassen mussten. Das Generalgouvernement verstand Hitler als Reservoir billiger halbfreier Wanderarbeiter und als „Abladeplatz“ im Reichsgebiet nicht erwünschter Polen und Juden. Als die Deportationen infolge des Krieges mit der Sowjetunion im Juni 1941 beendet wurden, waren etwa 500.000 Polen vertrieben und durch etwa 350.000 volksdeutsche Umsiedler ersetzt worden. Die [[Polnische Zwangsarbeiter|Deportationen von Polen als Zwangsarbeiter]] ins Reich, wovon während des Krieges allein aus dem Generalgouvernement etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen waren, wurden aber aufrechterhalten. In einer Reihe von Anweisungen wurde das Ziel der NS-Führung deutlich, die Polen auf die Stufe eines schlecht ausgebildeten Hilfsvolkes ohne politisches Eigenbewusstsein zu beschränken. |
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[[Bild:Roman Dmowski.JPG|thumb|right|150px|[[Roman Dmowski]] Führer des rechten Spektrums im russisch dominierten Teil Polens ]] |
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Im russischen Teilungsgebiet waren nach dem gescheiterten [[Januaraufstand]] die Verwaltungsstrukturen völlig russifiziert worden. Die Verwendung der polnischen Sprache in Zeitungen, Büchern und Kirchen war untersagt. Seit [[1885]] durfte in den Schulen außer in den Fächern Polnisch und Religion nur russisch unterrichtet werden. Die Bezeichnung "Polen" verschwand aus der zaristischen Verwaltung. |
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Auch die Polen, die unter sowjetische Herrschaft geraten waren, waren von Gewaltmaßnahmen betroffen. Man schätzt, dass ungefähr 1,5 Millionen ehemalige polnische Bürger deportiert wurden, von denen 50 bis 60 Prozent Polen, 15 Prozent Ukrainer, 5 Prozent Weißrussen und ungefähr 20 Prozent Juden waren. 300.000 polnische Soldaten gerieten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nur 82.000 von ihnen überlebten. Das [[Massaker von Katyn]], dem nicht nur Soldaten zum Opfer fielen, ging als „historisches Verbrechen“<ref>Norman Davies: ''Im Herzen Europas – Geschichte Polens.'' 4., durchgesehene Aufl., München 2006, S. 433.</ref> in die Geschichte ein. Tadeusz A. Kisielewski schreibt: {{" |Im April und Mai 1940 ermordete der sowjetische [[Innenministerium der UdSSR|NKWD]] bei Katyn 4.410 polnische Kriegsgefangene […] ausschließlich Offiziere […] insgesamt […] 21.857 [Führungs-]Personen an Orten der Sowjetunion […].}} Kisielewski vergleicht diese Zahl und stellt fest: {{" |[…] dreimal mehr als [1995] in [[Srebrenica]] ermordet wurden […].}}<ref>Zit. nach Tadeusz A. Kisielewski: ''Katyń, Zbrodnia i Kłamstwo.'' Poznań 2008, S. 10. Eine Karte, S. 294, zeigt die Orte und Lager, von denen verschleppt wurde und die Transportrichtung zu den Exekutionsorten.</ref> Der Historiker [[Norman Davies]] urteilt: {{" |Solange das Verbrechen von Katyn nicht eingestanden, aufgeklärt und gesühnt ist, werden die Polen seiner als des Symbols sowjetischer Unterdrückung in Vergangenheit und Gegenwart gedenken.}}<ref>Norman Davies: ''Im Herzen Europas – Geschichte Polens.'' 4. Auflage. Beck, München 2006, S. 62.</ref> |
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Nachdem die alten Wege gescheitert waren und die Entwicklung der "organischen Arbeit" eine gewisse Zeit brauchte, führten die umfangreichen demographischen und ökonomischen Veränderungen der zweiten Jahrhunderthälfte auch zum Entstehen sozialistischer Bewegungen. Die [[1892]] in [[Paris]] gegründete "Polnische Sozialistische Partei", die im Jahre darauf auch in [[Kongresspolen]] tätig wurde, geriet unter ihrem faktischen Anführer [[Józef Piłsudski]] in gemäßigteres Fahrwasser und vertrat etwa seit der Jahrhundertwende die Parole "Durch Unabhängigkeit zum [[Sozialismus]]". |
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[[Datei:KZ Birkenau Hauptgebaude 320x240.jpg|mini|Todes- und Vernichtungslager der [[Deutschland|deutschen]] [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] in [[KZ Auschwitz-Birkenau|Auschwitz-Birkenau]]]] |
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Parallel dazu gab es terroristische Anschläge, die die russische Polizei nicht zur Ruhe kommen ließen. Demgegenüber schlossen sich die internationalistischeren, klassenkämpferischen Kräfte unter den beiden Anführern [[Julian Balthasar Marchlewski]] und [[Rosa Luxemburg]] zur "Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauen" zusammen und suchten die Zusammenarbeit mit den russischen Sozialisten. Auf der rechten Seite des Parteienspektrums etablierte sich die "Liga Narodowa" (''Nationale Liga''), die mit ihrer nationalistischen, antisemitischen und prorussischen Orientierung einen anderen Weg zur Unabhängigkeit suchte. Ihr Anführer [[Roman Dmowski]] war bis in die [[1930]]er Jahre der Hauptwidersacher Piłsudskis. Zunehmende politische Bedeutung gewann in den ländlichen Gebieten die Bauernbewegung unter [[Wincenty Witos]]. |
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Ein schweres Schicksal traf die polnischen Juden, von denen 89 Prozent (oder 2,5 bis 3 Millionen) den Völkermord nicht überlebten. Dem Terror, den Schikanen, Plünderungen und Pogromen der ersten Kriegswochen folgte die Übernahme der deutschen Verwaltungsbestimmungen: Kennzeichnungspflicht, Anmeldung des Vermögens, [[Zwangsarbeit]], Reiseeinschränkungen, Sperrung der Konten, [[Arisierung]] des Besitzes. |
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[[Bild:BloodySunday1905b.jpg|thumb|left|Das Massaker am "[[Petersburger Blutsonntag]]" des Jahres [[1905]] ]] |
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Zu Beginn des [[20. Jahrhundert]]s spitzte sich die politische Lage in Teilen des russischen [[Kongresspolen]]s zu. Der Beginn des [[Russisch-Japanischer Krieg|Russisch-Japanischen Krieges]] durch den Überfall der [[Japaner]] auf die russische Pazifikflotte bei [[Port Arthur (China)|Port Arthur]] am [[8. Februar]] [[1904]] verstärkte die Hoffnungen auf einen Zusammenbruch des [[Russisches Reich|Russischen Reiches]]. Gegen Ende des Jahres fanden in [[Warschau]] und anderen Städten Demonstrationen gegen die Rekrutierung von Polen für die russische Armee statt, an der sich erstmals kleinere polnische Kampfverbände Piłsudskis beteiligten. Diese Trupps verübten in dieser Zeit auch verschiedene politische Attentate, Raubüberfälle etc. |
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Im Februar [[1905]] wurden Schulstreiks organisiert, die zu Erfolgen wie der Wiederzulassung der polnischen Sprache im Unterricht führten. Auch im religiösen und wirtschaftlichen Bereich musste die russische Regierung infolge des Krieges [[Konzession]]en machen. |
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Die gewalttätigen Arbeiterproteste in Russland mit ihrem Höhepunkt im [[Petersburger Blutsonntag]] vom [[22. Januar]] [[1905]] (''[[Gregorianischer Kalender]]'') griffen allmählich auch auf die [[Ostseeprovinzen]] und Kongresspolen über. Im Juni kam es in [[Lodz]], dem industriellen Zentrum Kongresspolens, zu Barrikadenkämpfen, die viele Opfer forderten. |
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Im Herbst 1940 begann die „Umsiedlung“ in die [[Ghetto]]s. Die größten wurden [[Warschauer Ghetto|Warschau]] mit 450.000 Menschen und [[Ghetto Litzmannstadt|Litzmannstadt]] mit 160.000 Menschen. Da die Ghettos nicht in der Lage waren, sich selbst zu erhalten und auch eine wirtschaftliche Ausbeutung von entscheidenden Stellen nicht gewünscht wurde, war die Quote an Toten, oft aus Hunger und Krankheit, von Anfang an hoch. Bis zur Mitte des Jahres 1942 wurden die Massenmorde zu einem Gesamtprogramm zur systematischen Ermordung der Juden unter deutscher Herrschaft, dem [[Holocaust]], ausgeweitet. Einzelheiten der praktischen Durchführung waren auf der Berliner [[Wannseekonferenz|Wannsee-Konferenz]] im Januar 1942 festgelegt worden. Nun begann auch die SS mit den Deportationen in die [[Vernichtungslager]]. Diese entstanden überwiegend auf polnischem Boden: [[Vernichtungslager Kulmhof|Kulmhof]], [[Vernichtungslager Belzec|Bełżec]], [[Vernichtungslager Sobibor|Sobibór]], [[Vernichtungslager Treblinka|Treblinka]], [[KZ Auschwitz-Birkenau|Auschwitz-Birkenau]]. Es gab Widerstand der Juden gegen die Deutschen, der mitunter von der polnischen Widerstandsbewegung unterstützt, aber auch von ihr im Stich gelassen wurde. Bekanntestes Beispiel des Widerstands ist der [[Aufstand im Warschauer Ghetto]] Anfang 1943. Aus politischen Gründen wurden die Opferzahlen mitunter nicht objektiv angegeben.<ref>Klaus-Peter Friedrich: ''Erinnerungspolitische Legitimierungen des Opferstatus: Zur Instrumentalisierung fragwürdiger Opferzahlen in Geschichtsbildern vom Zweiten Weltkrieg in Polen und Deutschland.'' In: ''Die Destruktion des Dialogs – Zur innenpolitischen Instrumentalisierung negativer Fremdbilder und Feindbilder: Polen, Tschechien, Deutschland und die Niederlande im Vergleich, 1900–2005.'' Veröffentlichungen des [[Deutsches Polen-Institut|Deutschen Polen-Instituts]]. Harrassowitz, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05488-1, S. 176–191 ([http://books.google.de/books?id=Zp_gIA4myEgC&pg=PA176 eingeschränkte Vorschau]).</ref> |
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Die sich abzeichnende russische Niederlage und die inneren Unruhen in Russland (''[[Russische Revolution 1905]]'') verschärften die Krise zunächst weiter, auch wenn Zar [[Nikolaus II. (Russland)|Nikolaus II.]] am [[30. Oktober]] in seinem [[Oktobermanifest]] politische Reformen ankündigte. Weitergehende Versuche zur Machterlangung in Warschau gingen jedoch nur noch von der PPS aus, da die Nationaldemokraten nun zunächst die neue russische Regierung von [[Pjotr Stolypin]] unterstützten und konservativ-klerikale Kreise von Papst [[Pius X.]] zur Zurückhaltung aufgefordert wurden. In den folgenden Jahren ging die russische Führung jedoch erneut auf Konfrontationskurs in allen Nationalitätenfragen, so dass sich auch für die Polen praktisch keine politischen und gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten boten. |
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{| class="wikitable" |
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==Zwischen der Entente Cordiale und den Mittelmächten: Polen im Ersten Weltkrieg 1914 - 1918 == |
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! style="text-align: left; background: #B0C4DE;"| Bevölkerungsverluste Polens im Zweiten Weltkrieg !! style="background:#B0C4DE"| Menschen |
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| style="text-align:left" | Kriegsverluste || align="right" | 644.000 |
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| style="text-align:left" | Tod in Vernichtungslagern, durch Exekutionen, „Pazifizierungen“, Liquidierung der Ghettos || align="right" | 3.577.000 |
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| style="text-align:left" | Tod in Gefängnissen und Lagern durch Epidemien, Entbehrungen und Erschöpfung || align="right" | 1.286.000 |
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| style="text-align:left" | Tod außerhalb der Lager durch Hunger, Entbehrung, Erschöpfung, Verletzung, Überarbeitung || align="right" | 521.000 |
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! style="text-align: left; background: #B0C4DE;"| Gesamtverluste Polens an Menschen !! style="text-align: right; background:#B0C4DE" | 6.028.000 |
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|colspan="3"| <small>Nach Angaben des polnischen Büros für Kriegsschäden (insgesamt 22 % der polnischen Bevölkerung).</small> |
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=== Widerstand === |
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[[Bild:Beseler.jpg|thumb|right|300px|Der Regentschaftsrat v.l. der polnische [[Duma]] Abgeordnete [[Józef Ostrowski]], Erzbischof [[Aleksander Kakowski]] und Fürst [[Zdzisław Lubomirski]] in [[1917]] ]] |
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[[Datei:Polish Boy Scouts fighting in the Warsaw Uprising.jpg|mini|Polnische [[Szare Szeregi|Pfadfindersoldaten]] im [[Warschauer Aufstand]] von 1944]] |
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Der nach der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers [[Franz Ferdinand]] in [[Sarajewo]] ausgebrochene [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] brachte die polnische Frage wieder auf die europäische Tagesordnung. Viele Politiker in den Teilungsgebieten sahen sich vor die Entscheidung gestellt, auf wessen Seite sie kämpfen sollten, schien es doch äußerst unwahrscheinlich zu sein, dass sowohl das [[Deutsches Kaiserreich|Deutsche Reich]] und [[Österreich-Ungarn]] als auch [[Russland]] als Verlierer aus dem Krieg hervorgehen würden. |
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{{Hauptartikel|Polnischer Untergrundstaat|Polnische Heimatarmee}} |
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Auch nach der militärischen Niederlage bildeten sich in Polen [[Partisan]]engruppen, die Widerstand zu leisten versuchten. Die meisten von ihnen schlossen sich im Februar 1942 zur [[Polnische Heimatarmee|Polnischen Heimatarmee]] zusammen, die der bürgerlichen Exilregierung in London unterstand. Die rechtsgerichteten Gruppen ([[Narodowe Siły Zbrojne|NSZ]]) und die Kommunisten ([[Armia Ludowa|AL]]) blieben ihnen fern. Es entstanden auch einige jüdische Widerstandsorganisationen; diese organisierten 1943 den [[Aufstand im Warschauer Ghetto]]. Nachdem die [[Rote Armee]] im Januar 1944 die polnische Grenze von 1939 überschritten hatte, wurden die Truppen der Heimatarmee vom [[Innenministerium der UdSSR|NKWD]] entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder in den [[Gulag]] deportiert. Der [[Verstoßene Soldaten|Kampf einzelner Untergrundeinheiten]] dauerte bis Ende der 1940er Jahre an. |
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Zunächst einmal wurden jedoch Millionen von Polen in die Armeen der kriegführenden Parteien eingezogen, wodurch der Krieg neben der demütigenden [[Polnische Teilungen|Teilungen]] zu einer weiteren, historisch wenig beachteten Nationaltragödie des polnischen Volkes wurde, kämpften nun die "deutsch-österreichischen" Polen gegen ihre Landsleute aus dem von Russland besetzten Teil Polens. Das beanspruchte nationale Territorium wurde zum Hauptkriegsschauplatz im Osten. Die Besetzung weiter Teile [[Galizien]]s durch die russische Armee führte zu einer großen Fluchtwelle der Bevölkerung nach Westen. Darunter befanden sich besonders viele [[Juden]], die Angst vor erneuten [[Pogrom]]en unter russischer Herrschaft hatten. Die Gegenoffensive der [[Mittelmächte]] im Sommer [[1915]] veränderte die Lage jedoch erneut, weil deutsche Truppen die Grenzen des russischen [[Kongresspolen]]s überschritten und u.a. [[Warschau]] besetzten. Das eroberte Territorium wurde in ein deutsches und ein österreichisches [[Generalgouvernement]] eingeteilt. |
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In der Erwartung, die bereits bis zum Vorort [[Praga (Warschau)|Praga]] am Ostufer der Weichsel vorgedrungene Rote Armee würde sie unterstützen, erhob sich die Polnische Heimatarmee am 1. August 1944 im [[Warschauer Aufstand]] gegen die deutsche Besatzungsmacht. Die sowjetische Führung hatte jedoch kein Interesse, den Einheiten zu helfen, so dass deutsche Truppen den Aufstand nach dreimonatigen Kämpfen brutal niederschlagen konnten. Die Warschauer Innenstadt wurde dabei unter großem Einsatz an Sprengmaterial akribisch Haus für Haus dem Erdboden gleichgemacht. Die Zahl der Toten wird auf 180.000 geschätzt, früher wurde sogar die Zahl 250.000 genannt. |
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Die Politik in [[Berlin]] war sich in Bezug auf die Zukunft Polens nicht einig. Während die einen, unterstützt von Generalgouverneur [[Hans von Beseler]] ein autonomes polnisches Königreich Polen befürworteten, plädierten die anderen wie etwa [[Erich Ludendorff]] für einen Verständigungsfrieden mit Russland und eine Rückkehr zu den Vorkriegsgrenzen. Erst nach dem endgültigen Scheitern der Blitzkriegstrategie entschloss man sich zu einem Angebot an Polen, auch um mehr polnische Soldaten für die eigenen Reihen zu gewinnen. Mit dem Akt vom [[5. November]] [[1916]] proklamierten der deutsche Kaiser [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] und der österreichische Kaiser [[Franz Joseph I. (Österreich-Ungarn)|Franz Joseph]] die Errichtung eines [[Regentschaftskönigreich Polen|Königreichs Polen]] in den bisher zu Russland gehörenden Gebieten, das sich politisch und militärisch eng an die Mittelmächte anlehnen sollte. In Berlin plante man jedoch weiterhin Gebietsannexionen auf Kosten dieses Staates, dessen Grenzen nie genau festgelegt wurden. |
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Zum Widerstand gehörte zudem ein beinahe flächendeckendes Netz von Untergrundeinrichtungen wie Schulen, Universitäten, Zeitungen und vieles mehr, die dazu beitrugen, das Leid für die Bevölkerung etwas erträglicher zu machen. Das Ausmaß an [[Kollaboration]] war vor diesem Hintergrund im europäischen Kontext vergleichsweise gering und, angesichts der enormen Leiden der polnischen Bevölkerung während der deutschen Besatzung, auch lange Zeit tabuisiert. Eine breite gesellschaftliche Debatte über polnische Täter wurde erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts anlässlich der durch das Buch ''Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne'' des polnisch-amerikanischen Soziologen [[Jan Tomasz Gross]] angestoßenen Aufarbeitung des [[Massaker von Jedwabne|Pogroms von Jedwabne]] geführt. |
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Im österreichischen Teilungsgebiet waren unmittelbar nach Kriegsbeginn polnische Legionen unter k.u.k.-Oberbefehl aufgestellt worden, die aus den paramilitärischen Schützenverbänden [[Józef Piłsudski]]s hervorgingen. Diese Einheiten umfassten im Sommer [[1916]] etwa 25.000 Mann und kämpften vor allem gegen Russland. Nach dem Akt vom [[5. November]] wurden die Legionen dem deutschen Oberbefehl unterstellt, aus ihnen sollte [[1917]] die so genannte ''Polnische Wehrmacht'' hervorgehen. Ein Teil der Brigaden weigerte sich jedoch im Juli [[1917]], den Eid auf einen imaginären polnischen König zu leisten, und wurde infolge dessen entweder entwaffnet und inhaftiert oder direkt in deutsche Truppenteile einbezogen. Piłsudski selber wurde ebenfalls verhaftet und in die Festung [[Magdeburg]] gebracht. Am [[18. September]] [[1917]] wurde die oberste Staatsgewalt formell auf einen neu eingerichteten dreiköpfigen Regentschaftsrat übertragen, der aus dem Warschauer Erzbischof [[Aleksander Kakowski]], dem Magnaten Fürst [[Zdzisław Lubomirski]] und dem ebenfalls adligen früheren Vorsitzenden des Polenklubs der russischen [[Duma]] [[Józef Ostrowski]] bestand. |
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== 1945–1989: Volksrepublik Polen == |
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Die weiteren Planungen wurden in erster Linie durch den Zusammenbruch des Russischen Reiches nach der [[Februarrevolution]] und der [[Oktoberrevolution]] [[1917]] bestimmt. Die Reichsführung mit der [[OHL]] an der Spitze glaubte nun an einen raschen Sieg und weitere territoriale Gewinne im Osten. Im Separatfrieden von Brest-Litowsk am [[9. Februar]] [[1918]] (''nicht zu verwechseln mit dem [[Frieden von Brest-Litowsk]] mit Russland vom [[3. März]]'') mit der neu entstandenen [[Ukraine]] wurde dieser ein Teil polnischen Staatsgebietes, die Region um [[Chełm]] zugesichert. Schon die Unterstützung der deutschen Militärbehörden für einen unabhängigen Staat [[Litauen]] mit [[Wilna]] als Hauptstadt hatte im Dezember [[1917]] Empörung in Polen ausgelöst. Erschwerend hinzu kam die Requirierung von Rohstoffen und Lebensmitteln sowie die Verschleppung polnischer Zwangsarbeiter ins Reich wegen dessen immer schwierigeren ökonomischen Lage. |
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[[Datei:Westverschiebung.Polens.gif|mini|Westverschiebung Polens (Vergleich der Vor- und Nachkriegsgrenzen)]] |
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{{Hauptartikel|Volksrepublik Polen}} |
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=== Konsolidierung des sowjetischen Einflusses === |
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Als sich der Zusammenbruch der deutschen [[Westfront]] abzuzeichnen begann, waren sich alle politischen Lager Polens darin einig, mit Unterstützung von US-Präsident [[Woodrow Wilson]] so schnell wie möglich die eigene Unabhängigkeit zu erreichen. Dazu trugen auch polnische Soldaten bei, die auf Seiten [[Frankreich]]s kämpften. Die im Juni [[1917]] ins Leben gerufenen Truppenteile unter General [[Józef Haller von Hallenburg|Józef Haller]], etwa 70.000 Mann (''Freiwillige, ehemalige Kriegsgefangene etc.''), wurden u.a. in der [[Champagne]] eingesetzt. |
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[[Datei:PKWN Manifest.jpg|mini|links|Manifest des „Polnischen Komitees der nationalen Befreiung“, die „Geburtsurkunde“ der Volksrepublik Polen]] |
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Im Juli 1944 war in Moskau das kommunistische „Polnische Komitee der nationalen Befreiung“ ins Leben gerufen worden, das die Macht ergreifen sollte, sobald die Rote Armee die Curzon-Linie überschreiten würde. Dies geschah in Lublin am 22. Juli 1944 (vgl. [[Lubliner Komitee]]). Die auf alliierten Druck stattfindenden Verhandlungen zwischen „Londoner“ und „Lubliner“ Regierung führten zu keinem Ergebnis. International waren zu diesem Zeitpunkt bereits Vorentscheidungen über Polens zukünftige Grenzen gefallen ([[Konferenz von Teheran]] 1943). Sie führten zur [[Westverschiebung Polens|Westverschiebung des Landes]]. Gleichzeitig vereinbarte [[Josef Stalin]] mit [[Winston Churchill|Churchill]] und [[Franklin D. Roosevelt|Roosevelt]] die weitgehende Zwangsumsiedlung der Deutschen aus dem bisherigen Ostdeutschland. Am 1. Januar 1945 proklamierte sich das Lubliner Komitee zur provisorischen Regierung und zog im selben Monat nach Warschau um. Nachdem im Frühjahr 1945 die Rote Armee ganz Polen besetzt hielt und die 14 wichtigsten Anführer der Heimatarmee nach Moskau verschleppte, dort zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und teilweise ermordete, war der Hauptwiderstand gegen die neue Besatzung und die „Sowjetisierung“ der polnischen Gesellschaft gebrochen. Bereits Ende 1944 bildete sich eine [[Verstoßene Soldaten|bewaffnete Widerstandsbewegung]] aus Teilen der Heimatarmee. In den Wäldern Ostpolens stellte die Widerstandsbewegung anfangs eine ernstzunehmende Streitmacht dar. In den Jahren nach Kriegsende umfassten die Partisanen schätzungsweise bis zu 100.000 Mitglieder. Ihre Aktionen blieben ergebnislos und nahmen ab dem Ende der 1940er Jahre ab, da die Rote Armee, der NKWD und die sich bildenden [[Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego|Organe des kommunistisch-polnischen Staates]] massiv gegen sie vorgingen. |
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== Unabhängigkeit und Zweite Republik 1918 - 1939 == |
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===Der Neue Staat und seine Konsolidierung=== |
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[[Datei:Karte Polen (1945).png|mini|hochkant=1.2|'''Westverschiebung Polens 1945:'''<br /><span style="color:green">'''Grüne Linie'''</span>: von den [[Triple Entente|Westalliierten]] im Dezember 1919 verkündete ethnographische Demarkationslinie, seit Juli 1920 [[Curzon-Linie]] genannt.<br /><span style="color:turquoise">'''Türkisfarbene Fläche'''</span>: Gebietserweiterungen Polens nach dem Ersten Weltkrieg bis 1923, die 1945 von der Sowjetunion revidiert wurden.<br /><span style="color:blue">'''Blaue Linie'''</span>: Staatsgrenze Polens bis 1938<br /><span style="color:gold">'''Gelbe Fläche'''</span>: Deutsche Gebiete (1937) unter polnischer Verwaltung<br /><span style="color:red">'''Rote Linie'''</span>: heutige Staatsgrenze Polens<br /><span style="color:brown">'''Braune Linie'''</span>: deutsch-sowjetische Demarkationslinie vom 28. September 1939]] |
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[[Image:Jozef Pilsudski.jpg|thumb|left|150px| [[Marschall]] [[Józef Piłsudski]], seit [[1926]] bis [[1935]] [[Diktator]] der Zweiten Polnischen Republik ]] |
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Bereits im Juli 1942 forderte das britische Kriegskabinett [[Zwangsumsiedlung]]en der deutschen Bevölkerung aus Ostmittel- und Südosteuropa. Im [[Potsdamer Abkommen]] von 1945 wurde von den Alliierten „die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland“ beschlossen, wobei „jede derartige Überführung […] in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll“.<ref>[http://www.documentarchiv.de/in/1945/potsdamer-abkommen.html o. T. Potsdamer Abkommen]</ref> Alle genannten Länder vollzogen die [[Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950|Zwangsumsiedlung der deutschen Bevölkerung]]. Insbesondere waren in Polen etwa sieben Millionen Flüchtlinge und 1,2 Millionen zwangsausgesiedelte Menschen davon betroffen (→ [[Heimatvertriebener (Bundesvertriebenengesetz)|Heimatvertriebener]]).<ref>Jochen Oltmer: {{Webarchiv |url=http://www2.bpb.de/themen/CNSEUC,1,0,Zwangswanderungen_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg.html |text=''Migration. Zwangswanderungen nach dem Zweiten Weltkrieg.'' |wayback=20110908024126}}</ref><ref>Bernadette Nitschke: ''Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949.'' 2. Auflage. 2004.</ref> Die [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|deutschen Ostgebiete]] wurden bis zur endgültigen Entscheidung durch eine Friedenskonferenz unter polnische Verwaltung gestellt. Die Grenzfrage wurde durch bilaterale Grenzabkommen und [[Völkerrechtlicher Vertrag|Verträge]] zwischen Polen und der DDR ([[Görlitzer Abkommen|1950]]) sowie der [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] ([[Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen|1970]]) geregelt. Die endgültige und [[völkerrecht]]lich unumstrittene Friedensregelung fand mit dem [[Zwei-plus-Vier-Vertrag]] 1990 statt.<ref>[[Andreas Zimmermann (Rechtswissenschaftler)|Andreas Zimmermann]], [[Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht]] (Hrsg.): ''Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation.'' (= ''State succession with Regard to treaties: A Stocktaking''), Springer, 2000, S. 173 f.</ref> |
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Am [[7. Oktober]] [[1918]] proklamierte der [[Regentschaftskönigreich Polen|Regentschaftsrat]] in [[Warschau]] einen unabhängigen polnischen Staat und übernahm fünf Tage später die Befehlsgewalt über die Armee. Eine Woche danach riefen auch die Ukrainer in [[Lemberg]] ihre Unabhängigkeit aus, was den [[Polnisch-Ukrainischer Krieg|Polnisch-Ukrainischen Krieg]] um das ehemalige Ostgalizien auslöste. Besonders heftige Kämpfe wurden um Lemberg geführt, das polnische Freiwilligenverbände und reguläre Armeeteile am [[21. November]] eroberten. Der Krieg dauerte militärisch jedoch bis in den März 1919 an und wurde erst durch ein Abkommen zwischen Polen und der [[Sachidno-Ukrajinska_Narodnja_Respublika|Volksrepublik Westukraine]] unter [[Symon Petljura]] am [[21. April]] [[1920]] offiziell beendet. |
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Aus den östlichen Teilen des heutigen Polens wurden 1944 bis 1946 etwa 500.000 Ukrainer in die Ukraine zwangsumgesiedelt, weitere etwa 400.000 wurden nach [[Provinz Niederschlesien|Niederschlesien]] und Pommern, also in die „[[Wiedergewonnene Gebiete|wiedergewonnenen West- und Nordgebiete]]“ Polens, deportiert. Parallel dazu mussten etwa 1,5 Millionen Polen ihre Heimat im Osten verlassen. Zwischen 1945 und 1947 wurden im Zuge der [[Zwangsumsiedlung von Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten 1944–1946]] etwa 1 Million Polen aus der Ukraine, 300.000 aus Weißrussland und 200.000 aus Litauen nach Polen [[Vertreibung|vertrieben]]. Ein großer Teil von ihnen wurde in den sogenannten [[Wiedergewonnene Gebiete|Wiedergewonnenen Gebiete]] angesiedelt. Dorthin strömten darüber hinaus etwa 3 Millionen Neusiedler aus Zentralpolen und aus dem Westen zurückkehrende Polen. |
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Im November [[1918]] hatte der aus der [[Magdeburg|Magdeburger Haft]] entlassene [[Józef Piłsudski|Piłsudski]] in [[Warschau]] als ''Vorläufiges Staatsoberhaupt'' die Macht übernommen. Er berief einen verfassungsgebenden [[Sejm]] ein, der eine demokratische Verfassung ausarbeiten und verabschieden sollte. Die ersten Jahre der Unabhängigkeit vergingen mit dem inneren Aufbau des Staates. Die bestehenden staatlichen Strukturen, welche die drei verschiedenen Teilungsmächte hinterlassen hatten, mussten vereinheitlicht, teilweise aber auch völlig neu geschaffen werden. Außerdem war das Land weitgehend vom Krieg verwüstet, wie auch seine Grenzen in weiten Teilen nicht festgelegt waren. |
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Der im Juni 1945 gebildeten „Regierung der nationalen Einheit“ gehörten außer [[Stanisław Mikołajczyk]] fast nur Vertreter der Kommunisten an. |
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Als [[1921]] die neue Verfassung verabschiedet wurde, in der nur ein schwacher Präsident vorgesehen war, verzichtete Piłsudski auf die Ausübung dieses Amtes und zog sich ins Privatleben zurück. Die Jahre bis [[1926]] waren innenpolitisch somit von mehreren aufeinanderfolgenden parlamentarischen Regierungen dominiert. Zum ersten offiziellen Präsidenten Polens wurde [[1922]] [[Gabriel Narutowicz]], ein Vertreter der gemäßigten Linken, gewählt. Narutowicz wurde jedoch wenige Tage nach seiner Amtseinführung von einem nationalistischen Fanatiker ermordet. Zu seinem Nachfolger wählte das Parlament den gemäßigten [[Sozialismus|Sozialisten]] [[Stanisław Wojciechowski]]. Da die Mehrheitsverhältnisse im polnischen Parlament, dem Sejm, sehr instabil waren, wechselten sich die Regierungen häufig ab und waren teilweise sehr schwach. |
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Aus den im Januar 1947 abgehaltenen Wahlen gingen [[Polnische Sozialistische Partei|Sozialisten]] und [[Polska Partia Robotnicza|Kommunisten]] als Sieger hervor. Mit ihren Stimmen wurde im selben Jahr eine erste Übergangsverfassung verabschiedet. Als letzte verbliebene demokratische Partei wurde die [[Polskie Stronnictwo Ludowe|Polnische Volkspartei]] unter anderen durch Polizeimaßnahmen an den Rand gedrängt und Mikołajczyk floh 1947 ins Exil. Ende 1948 schlossen sich die beiden linken Parteien zur [[Polnische Vereinigte Arbeiterpartei|Vereinigten Arbeiterpartei]] zusammen, während alle anderen Parteien zu [[Blockpartei]]en heruntergestuft wurden. |
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=== Stalinistischer Terror und Ära Bierut 1948–1956 === |
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===Konflikte mit den Nachbarn=== |
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[[Datei:PL Bolesław Bierut (1892-1956).jpg|mini|hochkant|[[Bolesław Bierut]], erster [[Generalsekretär]] des polnischen [[Zentralkomitee]]s bis 1956, 1947–1952 Präsident der kommunistisch dominierten „Republik Polen“, 1952 mit Gründung der Volksrepublik Polen und Auflösung des Präsidentenamtes bis 1954 Premierminister]] |
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Während unter den polnischen Kommunisten zunächst die Überzeugung vorherrschte, auf die völlige Übernahme des sowjetischen Systems verzichten zu können, wuchs nach 1947 Stalins Druck. Er verlangte vor allem einen forcierten Aufbau einer [[Schwerindustrie]], die Übernahme des zentralen Planungssystems und eine rasche [[Kollektivierung]] der Landwirtschaft. Damit befand er sich im Widerspruch mit den eher nationalen Kräften in der polnischen Parteiführung unter ihrem Generalsekretär [[Władysław Gomułka]], der eher Sympathien für das jugoslawische Modell [[Josip Broz Tito|Titos]] erkennen ließ. |
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[[Image:Rzeczpospolita 1920.png|thumb|right|300px|Republik Polen und Nachbarn nach dem Frieden von Riga mit Sowjetrußland am [[18. März]] [[1921]] ]] |
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Anfang des Jahres [[1918]] gewann Polen zusammen mit anderen Ländern durch den [[Friedensvertrag von Brest-Litowsk]] seine Unabhängigkeit von [[Russland]] wieder. Dabei wurden Polens Grenzen von Deutschland und [[Österreich-Ungarn]] enger als [[1772]] gezogen. Nachdem [[Deutschland]] den Krieg verloren hatte, wurde der Vertrag von Brest-Litowsk von Sowjet-Rußland annulliert. Polen wurde nach den Versailler Bestimmungen (''[[Vertrag von Versailles]]'') eine unabhängige Republik und bekam einen Teil der vom Königreich [[Preußen]] im Rahmen der (''[[Teilungen Polens]]'') [[1772]] und [[1793]] annektierten polnischen Gebiete [[Pommerellen]] (''siehe auch [[Westpreußen]]'') und [[Großpolen]] (''siehe auch [[Provinz Posen]]''), Teile [[Oberschlesien]]s und einen Zugang zur Ostsee bei [[Gdingen]] (''[[polnischer Korridor]]'') zurück. Einen Teil der Gebiete hatte polnisches Militär im [[Großpolnischer Aufstand (1918/1919)|Großpolnischen Aufstand]] bereits zuvor militärisch besetzt. |
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Im [[Ermland]] konnte sich die Bevölkerung in einer Abstimmung über ihre Zugehörigkeit zu Polen entscheiden. Das Gebiet blieb nach der Volksabstimmung [[1920]] bei [[Ostpreußen]]. Danzig wurde aufgrund der besonderen Sachlage (''erforderlicher Ostseehafen, polnischer Bevölkerungsanteil von 7 %'') ohne Volksabstimmung zur [[Danzig|"Freien Stadt Danzig"]] erklärt und verblieb mit Nutzungsrechten Polens am Danziger Hafen außerhalb der Grenzen des neuen polnischen Staates unter der Aufsicht des [[Völkerbund]]es. |
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Im Rahmen von Partei und Gesellschaft wurden weitgehende Säuberungen und Umstrukturierungen durchgeführt. Im kulturellen Bereich begann die vorübergehende Herrschaft des [[Sozialistischer Realismus|Sozialistischen Realismus]]. Diese Phase endete mit dem Tode Stalins 1953, ohne dass wie in anderen Ländern unter sowjetischer Herrschaft Schauprozesse gegen in Ungnade gefallene kommunistische Politiker durchgeführt wurden. |
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[[Bild:Polen 1921-1939.png|thumb|left|150px|Administrative Aufteilung Polens in [[Wojewodschaft]]en [[1921]]-[[1939]] ]] |
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Um den Besitz [[Oberschlesien]]s kam es zu Auseinandersetzungen mit Deutschland. In Oberschlesien ergab am [[20. März]] [[1921]] eine Volksabstimmung über die staatliche Zugehörigkeit des Gebiets eine Mehrheit von fast 60 Prozent für den Verbleib bei Deutschland. Polnische Freischärler begannen daraufhin am [[3. Mai]] [[1921]], unterstützt von französischen Besatzungstruppen (''Italiener und Briten stellten sich auf die deutsche Seite''), einen bewaffneten Aufstand, um den Anschluss des östlichen Teils Oberschlesiens an Polen gewaltsam durchzusetzen. Die [[Entente|Alliierten]] wollten vorher nur den [[Landkreis Pleß]] an Polen anschließen. |
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Im außenpolitischen Bereich wurden die nationalistischen Angriffe auf die [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]] durch die Theorien des dialektischen Materialismus ersetzt, so dass nunmehr die [[Vereinigte Staaten|USA]] und Großbritannien sowie die Bundesrepublik Deutschland und der [[Heiliger Stuhl|Vatikan]] zu Hauptgegnern wurden, während man eine Annäherung zur [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] suchte. Das [[SED-Regime]] unter [[Otto Grotewohl]] anerkannte am 6. Juli 1950 im [[Görlitzer Abkommen|Görlitzer Vertrag]] die [[Oder-Neiße-Grenze]]. |
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Das Deutsche Reich konnte aufgrund der Beschränkungen durch den [[Vertrag von Versaille|Versailler Vertrag]] und aufgrund der Intervention der anglo-französischen Sieger nicht offiziell gegen die Freischärler vorgehen, trotzdem kam es zu einigen blutigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Polen. Mit Billigung der deutschen Regierung versuchten [[Freikorps]] gewaltsam den Anschluss an Polen zu verhindern. Am [[23. Mai]] [[1921]] gelang den Deutschen Freikorps des "Selbstschutz Oberschlesien" die Erstürmung des [[St. Annaberg]]s, der stärksten Befestigung der Polen, wodurch eine Stabilisierung der Lage eintrat. Am [[20. Oktober]] [[1921]] beschloß der Oberste Rat der Alliierten nach einer Empfehlung des Völkerbunds, das ostoberschlesische Industrierevier an Polen zu übertragen. Beim Deutschen Reich verblieb der zwar flächen- und bevölkerungsmäßig größere, vor allem jedoch eher agrarisch strukturierte Teil des Abstimmungsgebiets (''Industriestädte wie [[Beuthen]], [[Gleiwitz]] oder [[Zabrze]] blieben weiter deutsch''). |
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=== Polnischer Oktober 1956 und Ära Gomułka 1956–1970 === |
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[[Image:Polish-soviet war 1920 Aftermath of Battle of Warsaw.jpg|thumb|right|300px|Nach der Schlacht bei Warschau (Radzymin) [[1920]] ]] |
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{{Hauptartikel|Polnischer Oktober|Posener Aufstand (1956)|März-Unruhen 1968 in Polen}} |
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[[1918]] wurde [[Józef Piłsudski]] Staatsführer des wieder entstandenen Polens. Piłsudski versuchte, die Grenzen Polens vor [[1772]] wiederherzustellen und so die polnische Staatsgrenze im Vergleich zur polnischen Sprachgrenze um 450 km nach Osten zu erweitern. Piłsudski ging es dabei vor allem um die mehrheitlich polnischsprachigen Gebiete um [[Vilnius]] in [[Litauen]] und [[Lemberg]] in [[Galizien]]. Dieses Vorhaben schloß somit Litauen, [[Weißrussland]] und die [[Ukraine]] in die polnische Machtpolitik ein. Im Rahmen seiner Politik der Wiedererrichtung einer Republik unter polnischer Führung in der Tradition der [[1795]] untergegangen [[Adelsrepublik]] sollten nach seinem Plan auch Gebiete Teil des neuen Staates sein, die mehrheitlich von [[Ukrainer]]n und [[Weißrussen]] bewohnt waren. Zunächst wurde nördlich von Polen der östliche Teil Litauens (''Gebiete um Vilnius''), das seine Unabhängigkeit gerade gegen [[Russland]] durchgesetzt hatte, besetzt, ebenso vorübergehend [[Kiew]] in der Ukraine – was, aufgrund der Überschneidung mit territorialen Ansprüche der [[Sowjetunion]] zum [[Polnisch-sowjetischer Krieg|Polnisch-Sowjetischen Krieg]] führte. |
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[[Datei:Wladyslaw Gomulka.jpg|mini|links|hochkant|[[Władysław Gomułka]], Generalsekretär der PVAP]] |
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Auf die [[Über den Personenkult und seine Folgen|Geheimrede Chruschtschows]] während des [[XX. Parteitag der KPdSU|XX. Parteitages]] im Februar 1956 über die Verbrechen Stalins folgte wenige Tage später der überraschende Tod des polnischen Parteichefs [[Bolesław Bierut]] in Moskau. Gegen den Willen des neuen sowjetischen Parteichefs [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Chruschtschow]] einigte sich die in sich zerstrittene Führung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei auf den Kompromisskandidaten [[Edward Ochab]] als Nachfolger Bieruts. |
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===Der Polnisch-Sowjetische Krieg=== |
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Wie wenig gefestigt das politische System war, erwies sich schon im Juni 1956, als Tausende von Arbeitern im westpolnischen Posen streikten und es schließlich zum [[Posener Aufstand (1956)|Posener Aufstand]] kam. |
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[[Image:PBW June 1920.png|thumb|200px|left|Weitester polnischer Vorstoß im Osten Juni [[1920]], Befreiung von [[Kiew]] ]] |
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Zunächst drangen die polnischen Truppen unter General [[Edward Rydz-Śmigły|Rydz-Śmigły]] mit Unterstützung von nationalukrainischen Kräften bis nach [[Kiew]] vor. Der schnelle Erfolg war durch das Ausweichen der sowjetischen Truppen begünstigt, die nach der Eroberung Kiews durch die Polen eine Gegenoffensive starteten. Die sowjetischen Einheiten unter General [[Michail Nikolajewitsch Tuchatschewski|Tuchatschewski]] drangen bis [[Warschau]] vor, während General [[Semjon Michailowitsch Budjonny|Budjonny]] [[Lemberg]] belagerte. Durch ein waghalsiges Zangenmanöver gelang der polnischen Armee unter Piłsudskis Kommando der Durchbruch und eine nahezu vollständige Vernichtung der sowjetischen Einheiten: Während die polnischen Einheiten versuchten, die Armee von General Tuchatschewski bei Radzymin nordöstlich von Warschau aufzuhalten, startete Piłsudski vom Fluss Wieprz in der [[Woiwodschaft Lublin]] eine Großoffensive in Richtung Norden. Der Überraschungseffekt war so groß, dass die letzten sich zurückziehenden Einheiten der [[Rote Armee|Roten Armee]] über deutsches Gebiet – [[Ostpreußen]] – flüchten mussten. |
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Der Streit über das weitere Vorgehen vertiefte den Konflikt im Politbüro. Verschärft wurde die Lage durch die [[Ungarischer Volksaufstand|politische Entwicklung in Ungarn]], wo sich tiefgreifende Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft abzeichneten. Der Wirtschaftschef [[Hilary Minc]] wurde zum Rücktritt gezwungen, der rehabilitierte ehemalige Generalsekretär Władysław Gomułka kehrte an die Macht zurück, obwohl Moskau dem zunächst nicht zustimmen wollte, seine Truppen mobilisierte und die komplette Parteiführung zu einem unangemeldeten Blitzbesuch in Warschau eingetroffen war. Schließlich gab man nach und der bisherige polnische Verteidigungsminister Marschall [[Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski|Konstanty Rokossowski]] – ein sowjetischer Staatsbürger, über seinen Vater polnischer Herkunft – wurde in seine Heimat zurückgerufen. |
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[[Image:PBW August 1920.png|thumb|200px|right|Polnischer Machtbereich im August [[1920]], nach der sowjetisch-russischen Offensive, vor dem "Wunder an der Weichsel"]] |
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[[1921]] wurde in der [[Lettland|lettischen]] Hauptstadt [[Riga]] ein Friedensvertrag zwischen den Kriegsparteien geschlossen und der Aufbau des Landes im Inneren in Angriff genommen. Piłsudski verfehlte zwar sein Ziel, die Staatsgrenze von [[1772]] (''[[Adelsrepublik]]'') wiederherzustellen, es gelang ihm jedoch, die polnische Staatsgrenze etwa 200 km östlich der polnischen Sprachgrenze, der sog. [[Curzon-Linie]], zu ziehen. Im östlichen Teil Polens betrug der polnische Bevölkerungsanteil [[1919]] etwa 25 %, [[1938]] nach der Amtszeit Piłsudskis bezeichneten sich 38 % als polnisch. Den übrigen Anteil bildeten jeweils verschiedene Nationalitäten. Die Bevölkerungsmehrheit bezeichnete sich als ukrainisch, weißrussisch und jüdisch. Mehrheitlich polnisch - mit einem hohen Anteil Juden - waren [[Vilnius]] und [[Lemberg]]. ''Siehe dazu auch: [[Geschichte Galiziens]]'' |
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Schon in seiner ersten Rede kündigte Gomułka tiefgreifende Reformen an. Im kirchlichen und kulturellen Bereich wurde ein größerer Freiraum zugestanden, die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft wurde nicht mehr forciert, eine Reorganisation des gesamten Wirtschaftssystems zugesagt. Bald zeigte sich jedoch, dass diesen Worten nur wenige Taten folgten: liberale Zeitschriften wurden wieder verboten, der Religionsunterricht in den Schulen abgeschafft. Gegen Abtrünnige in den eigenen Reihen begann die Parteiführung massiv vorzugehen. |
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Polen entwickelte ab [[1921]] gute Beziehungen zu [[Großbritannien und Nordirland|Großbritannien]] und [[Frankreich]], die an Polen als stategischem Bündnispartner interessiert waren und den Bau eines neuen Hafens in [[Gdingen]] finanzierten. Aus dem Fischerdorf mit 1000 Einwohnern wurde in wenigen Jahren ein Groß- und Militärhafen mit über 100.000 Einwohnern. Da [[Gdingen]] mit dem Danziger Hafen konkurrierte und Polen gegen den Willen der Danziger Regierung ein polnisches Munitionslager auf der [[Westerplatte]] durchsetzte, kam es zu Spannungen mit der [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]]. Der Zugang zu [[Ostpreußen]] vom restlichen Deutschen Reich war per verplombtem [[Korridor]]zug von Konitz ([[Chojnice]]) bis Dirschau ([[Tczew]]) durch das polnische Gebiet auf der [[Preußische Ostbahn|Ostbahn]] oder per Schiff (''Seedienst Ostpreußen'') möglich. |
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Angesichts der Feiern zum [[Jahrtausend|Millennium]] des christlichen Polens im Jahre 1966 steuerte die Auseinandersetzung zwischen Staat und der polnischen katholischen Kirche auf einen neuen Höhepunkt zu, die auch das Deutungsmonopol über die polnische Geschichte zum Thema hatte. Hinzu kamen außenpolitische Verwerfungen, vor allem vor dem Hintergrund der nach 1956 wieder verstärkten antiwestdeutschen [[Agitation]]. |
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===Der Mai-Umsturz und das Sanacja-Regime=== |
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Im kulturellen Bereich waren die ersten Jahre der Gomułka-Herrschaft durchaus von positiven Entwicklungen geprägt. In den Jahren der „kleinen Stabilisierung“ (benannt nach einem Theaterstück von [[Tadeusz Różewicz]]) entstand eine Reihe wichtiger Werke in Literatur, Kunst und im Kinobereich, etwa die ersten Filme von [[Andrzej Wajda]], [[Andrzej Munk]] und [[Roman Polański]]. |
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[[Bild:455px-Rydz Smigly Bulawa1.jpg|thumb|right|160px|Präsident [[Ignacy Mościcki]] bei der Verleihung der Marschallwürde an General [[Edward Rydz-Śmigły]] ]] |
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[[Piłsudski]] war nach einigen Jahren unzufrieden mit der entstandenen innenpolitischen Situation. Im Mai [[1926]] führte er, obwohl er in Armee und Staat keine offizielle Position bekleidete, mit der Unterstützung seiner zahlreichen Anhänger in der Armee, einen Staatstreich durch und riss die Macht an sich, die er bis zu seinem Tod [[1935]] behielt. Allerdings bekleidete Piłsudski hierbei nur selten und nur für kurze Zeit offiziell bedeutende Ämter. Er war z.B. nie Staatspräsident sondern überließ dieses Amt seinem loyalen Gefolgsmann [[Ignacy Mościcki]]. Piłsudski war meist nur Verteidigungminister. Allerdings war er die allgemein anerkannte oberste Autorität im Staat. Auch gab es zumindest bis zum Ende der 1920er Jahre eine mehr oder weniger funktionierende, sogar im Parlament vertretene Opposition, die allerdings konsequent an der Übernahme der Macht gehindert wurde. Nach der Ermordung von Innenminister [[Bronisław Pieracki]] im Jahre [[1934]] ließ die Regierung in der Kleinstadt [[Bjaroza|Bereza Kartuska]] im heutigen [[Weißrussland]] ein Internierungslager für ukrainische Nationalisten, Kommunisten und andere prominente Regimegegner anlegen. |
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In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre spitzten sich die innerparteilichen Konflikte in der PVAP zu. Eine Gruppe von kommunistischen Kadern, die sich durch ihren Kampf gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg besonders verbunden fühlte, die „Partisanen“, drängte unter ihrem Anführer, Innenminister General [[Mieczysław Moczar]], an die Macht. Moczar baute Geheimdienst und [[Milicja Obywatelska|Bürgermiliz]] aus und schuf sich eine breite Anhängerschaft innerhalb der Bevölkerung, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung unzufrieden war. Die offizielle Propaganda gegen [[Israel]] wegen des [[Sechstagekrieg]]s im Jahre 1967 und die [[März-Unruhen 1968 in Polen|Ereignisse im März 1968]] nahm Moczar zum Anlass, die erste staatlich tolerierte und geförderte antisemitische Kampagne gegen Juden, die in einem europäischen Land nach 1945 ohne Beispiel war, zu starten, um die kritischen und liberalen [[Intellektuelle]]n, sowie wirkliche und potenzielle Oppositionelle mundtot zu machen und sich die Macht im polnischen Staat zu sichern. Als Folge davon wurden etwa 20.000 polnische Juden in den Jahren 1968/1969 zum Verlassen Polens, unter Verlust der polnischen Staatsbürgerschaft, getrieben. Zusätzlich griffen Proteste im Zusammenhang mit dem „[[Prager Frühling]]“ auf das Land über. Die auf die Absetzung der Aufführung des Theaterstücks [[Totenfeier (Drama)|Totenfeier]] von [[Adam Mickiewicz]] in Warschau folgenden Studentenproteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. In der PVAP setzte eine Säuberungswelle ein, der u. a. Außenminister [[Adam Rapacki]] zum Opfer fielen. |
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Das Regime, das in der Historiographie manchmal als ''Vernunftdiktatur'' bezeichnet wird, nannte sich selbst ''Sanacja'' (ungefähr: ''Gesundung''). Eine auf die Person Piłsudski zugeschnittene neue Verfassung konnte erst nach dessen Tod [[1935]] in Kraft treten. |
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Nach Piłsudskis Tod entstanden zwei Machtzentren in Polen - die Gruppe "Schloss" um Mościcki (''so genannt nach der Residenz des Präsidenten, dem Königsschloss in [[Warschau]]'') und die Gruppe der "Obristen" um den neuen Marschall von Polen Edward Rydz-Śmigły. Der Trend hin zu einem autoritären Staat verstärkte sich nun weiter, die Rechte vor allem der slawischen Minderheiten (Ukrainer, Weißrussen) wurden massiv eingeschränkt, die Juden diskriminiert. Auch die insgeheim finanziell vom Deutschen Reich unterstützte deutsche Minderheit geriet trotz der seit dem Nichtangriffsvertrag zwischen [[Hitler]] und Piłsudski offiziell guten deutsch-polnischen Beziehungen immer stärker unter die Beobachtung polnischer Geheimdienststellen, wozu auch die wachsende Begeisterung vieler der so genannten "[[Volksdeutsche|Volksdeutschen]]" für den [[Nationalsozialismus]] beitrug. |
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Parteichef Gomułka war zunächst weder Willens noch in der Lage, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Erst allmählich distanzierte er sich vorsichtig vom Innenminister. Gleichzeitig versuchte er, durch außenpolitische Anstrengungen der Krise seiner Herrschaft entgegenzutreten. |
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Die außenpolitischen Bemühungen Polens, die vor allem mit der Person von Außenminister [[Józef Beck]] verbunden sind, waren im Einklang mit der französischen Politik darauf ausgerichtet, einen Block kleiner und mittlerer Staaten unter eigener Führung zu schaffen, der sich sowohl Deutschland als auch der Sowjetunion entgegenstellen sollte, was jedoch nie gelang. |
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Zu Beginn der 1960er Jahre begann der gesellschaftliche Dialog mit der [[Westdeutschland|Bundesrepublik]] und Polen. Gomułka erklärte sich dabei zu offiziellen Verhandlungen bereit, die in erster Linie der Frage der polnischen Westgrenze zum Thema haben sollten. Nachdem Bonn mit Moskau zu einer Vertragsvereinbarung bezüglich des deutsch-sowjetischen Verhältnisses gelangt war, kamen Ende 1970 auch die [[Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen|Verhandlungen mit Polen]] zu einem Abschluss. |
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Der Unterzeichnung des Vertrages in Warschau, der die Oder-Neiße-Grenze aus westdeutscher Rechtsposition bestätigte, wie es die DDR schon im Görlitzer Vertrag von 1950 getan hatte, einen gegenseitigen Gewaltverzicht und die Bereitschaft zu weiterer politischer Zusammenarbeit beinhaltete, folgte als symbolischer Höhepunkt der legendäre [[Kniefall von Warschau|Kniefall Willy Brandts]] vor dem [[Warschauer Ghetto-Ehrenmal]] am 7. Dezember 1970, der in der Bundesrepublik teilweise heftig kritisiert wurde, für die Polen aber – obwohl offiziell kaum darüber berichtet wurde – einen entscheidenden Einschnitt in den Nachkriegsbeziehungen darstellte. |
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Als eine bittere Ironie der Geschichte erscheint es, dass Polen, kurz bevor es selbst von Deutschland und der Sowietunion überfallen wurde, im Rahmen des [[Münchener Abkommen]]s aktiv an der Zerschlagung seines unterlegenen Nachbarn teilnahm und Gebietsforderungen an die [[Tschechoslowakei]] stellte. Im Oktober [[1938]] annektierte Polen von der Tschechoslowakei die mehrheitlich von Polen und Deutschen besiedelten Industriegebiete an der [[Olsa]] und [[Javorina]] in der [[Hohe Tatra|Hohen Tatra]]. |
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Die Herrschaft Gomułkas konnte dieser außenpolitische Erfolg freilich nicht mehr retten. Knapp zwei Wochen nach der Unterzeichnung des [[Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen|deutsch-polnischen Vertrages]] führten plötzlich verkündete radikale Preiserhöhungen für Lebensmittel zu Arbeiterprotesten. Ausgehend von den großen Werften in Danzig und Stettin brachen in den Industriezentren [[Aufstand vom Dezember 1970 in Polen|Unruhen]] aus. Erst der Einsatz von Militär konnte den Aufruhr stoppen, dem 45 Menschen zum Opfer fielen, über 1000 wurden verletzt. Das Politbüro zwang daraufhin Parteichef Gomułka zum Rücktritt. |
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==Zweiter Weltkrieg 1939 - 1945 == |
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===Der Septemberkrieg=== |
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[[Image:MolotovRibbentropStalin.jpg|thumb|left|Der sowjetische Außenminister [[Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow|Molotov]] unterzeichnet den [[Hitler-Stalin-Pakt]]. Im Hintergrund [[Ribbentrop]] und [[Stalin]] ]] |
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Nach Kündigung des [[deutsch-polnischer Nichtangriffspakt|deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes]] [[1939]] folgte der [[Polenfeldzug 1939|Überfall Deutschlands auf Polen]] am [[1. September]] [[1939]], an dem sich auch die [[Slowakei]] beteiligte, was den Kriegseintritt [[Großbritannien]]s und [[Frankreich]]s und damit den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] zur Folge hatte. |
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=== Ära Gierek 1970–1980 === |
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Die deutschen Truppen kamen rasch voran. Gegen die deutsche Überlegenheit hatten die Polen nur ihren verzweifelten Kampfeswillen entgegenzusetzen. Einzelaktionen polnischer Verbände, etwa in der Schlacht an der [[Bzura]] (''[[9. September]] bis [[15. September]]'') vermochten den mit weiträumigen Umfassungsmanövern einhergehenden Vormarsch nicht aufzuhalten. Nach zwei Wochen wurde die polnische Hauptstadt eingeschlossen. Am [[17. September]] wurde Polen - wie in dem geheimen Zusatzprotokoll des [[Hitler-Stalin-Pakt]]s vorgesehen - auch von der [[Sowjetunion]] angegriffen. Am [[28. September]] [[1939]] kapitulierte [[Warschau]]. Eine offizielle [[Kapitulation|Gesamtkapitulation]] Polens, wie zum Beispiel die von Frankreich im [[Compiègne|Wald von Compiègne]] am [[22. Juni]] [[1940]], fand jedoch nicht statt. |
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[[Datei:Gierek in Rząśnik.jpg|mini|links|Edward Gierek (in der Mitte), während des Besuchs einer [[Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft|LPG]]]] |
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{{Hauptartikel|Aufstand vom Dezember 1970 in Polen}} |
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Gomułkas Nachfolger, der oberschlesische Parteifunktionär [[Edward Gierek]], genoss in weiten Teilen der Bevölkerung große Sympathien. Ihm gelang es, viele der alten Kader rasch auszuwechseln. Seine neue Wirtschaftspolitik zielte auf die bessere Befriedigung der Konsumbedürfnisse der Bevölkerung. Mit Lohn- und Rentenerhöhungen sollte der allgemeine Lebensstandard angehoben werden. Die eingeleiteten Reformen (größere Unabhängigkeit der Regierung von der kommunistischen Partei, Erweiterung der Arbeitermitbestimmung, Änderung der Verwaltungsstrukturen etc.) bewirkten in der Praxis aber eher einen Machtzuwachs der PVAP auf allen Ebenen. |
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Das Land wurde zwischen [[Deutschland]] und der [[Sowjetunion]] aufgeteilt. Die polnische Regierung samt hoher polnischer Militärs floh zuerst über die Grenze nach [[Rumänien]] und wurde dort auf ausdrücklichen Befehl Hitlers interniert. Die Exil-Regierung ging dann nach [[Paris]], später nach [[London]] und organisierte von dort aus die Streitkräfte und den Widerstand neu. |
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Die Ansätze einer umfassenden Modernisierung der Wirtschaft lagen vor allem im Bereich der Schaffung neuer Strukturen, deren Verfahren und Produktionsstätten im Westen auf Kredit eingekauft wurden. Die Rückzahlung sollte durch den Verkauf der erzeugten neuen Produkte ins Ausland erfolgen. Diese Bemühungen bewirkten gerade im psychologischen Bereich positive Veränderungen. Die größere Produktpalette und die steigende Kaufkraft erweckten den Anschein einer Annäherung an die [[Konsumgesellschaft]]en des Westens, weswegen auch im Rückblick viele Polen die Gierek-Zeit positiv in Erinnerung haben. In Wirklichkeit war aber die Zentrale Wirtschaftsplanungskommission nicht in der Lage, die unterschiedliche Entwicklung in verschiedenen Wirtschaftszweigen aufeinander abzustimmen. |
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[[Image:Second_world_war_europe_1939_map_de.png|thumb|right|Europa Ende September [[1939]] nach der deutschen und der sowjetischen Besetzung [[Polen]]s infolge des [[Hitler-Stalin-Pakt]]es]] |
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Der Krieg gegen Polen sollte nach dem Willen der NS-Führung Züge eines rassistischen Verdrängungs- und Vernichtungsfeldzugs annehmen. Der polnische Staat sollte zerschlagen und der deutsche "[[Lebensraum]]" erweitert werden. Anders als im Westen machte Hitler schon vorher klar, dass er andere Maßstäbe anlegen wolle. Es gehe nicht um bestimmte geographische Linien, die erreicht werden sollten, sondern darum, dass 80 Millionen Deutsche ihr Recht bekämen. Die "Liquidierung des führenden Polentums" ([[Reinhard Heydrich]]) wurde als eine vorrangige Aufgabe angesehen. Als Vorwand für die Ermordung von zehntausenden Angehörigen der Intelligentsia dienten angebliche oder tatsächliche Verbrechen an [[Volksdeutsche]]n in den ersten Kriegstagen, etwa im Rahmen des sogenannten "[[Bromberger Blutsonntag|Bromberger Blutsonntags]]". Unmittelbar hinter der Front rückten Angehörige der sogenannten [[Einsatzgruppen]] in Polen ein. Ihnen gehörten insgesamt etwa 3.000 Mann an, die sich aus Angehörigen von [[SS]], [[Sicherheitsdienst]] und Polizei zusammensetzten, und in erster Linie die Erschießungen durchführten. Als zusätzliches Terrorinstrument fungierte der so genannte "Volksdeutsche Selbstschutz", der der SS unterstellt war. Allein in den ersten vier Monaten der deutschen Besatzungsherrschaft wurden mehrere 10.000 Personen erschossen. An den Hinrichtungen, deren geographischer Schwerpunkt die Region [[Pommerellen|Westpreußen]] war, beteiligten sich neben den genannten Gruppen auch Angehörige der [[Gestapo]] und der [[Wehrmacht]]. |
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[[Datei:JohannesPaulII.jpg|mini|[[Erzbischof]] von Krakau Karol Wojtyła, als Papst [[Johannes Paul II.]]]] |
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Dabei ist noch einmal zu betonen, dass es sich hier nicht um einzelne Exzesse handelte, die aus dem Klima des Hasses und den Zufälligkeiten des Krieges heraus entstanden, sondern um durchorganisierten Massenmord. |
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In der Außenpolitik verbesserte sich das Verhältnis zur Bundesrepublik weiter, auch wegen der „Männerfreundschaft“ zwischen Gierek und dem neuen Bundeskanzler [[Helmut Schmidt]]. Die Öffnung der Grenze zur DDR schuf jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Unterschiede zwischen beiden Ländern eine Reihe von Spannungen. |
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===Die deutsche und sowjetische Besatzung: Terror und Genozid=== |
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Die innenpolitischen Repressionen wurden Mitte der 1970er Jahre allmählich wieder erhöht, was die Unterdrückung von Gegenstimmen zur neuen, sozialistischen Verfassung zeigte. Als im Juni 1976 die Preise für Grundnahrungsmittel drastisch erhöht wurden, kam es in den industriellen Zentren [[Radom]] und [[Ursus (Warschau)|Ursus]] bei Warschau zu [[Polnischer Volksaufstand im Juni 1976|Unruhen]]. Die Preiserhöhungen wurden daraufhin zwar zurückgenommen, gleichzeitig aber eine große Anzahl von Arbeitern entlassen, verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. |
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Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung katastrophale Folgen. |
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Die industriell und landwirtschaftlich entwickelten Teile wurden direkt annektiert. Der Rest mit etwa 10 Millionen Menschen wurde als so genanntes "[[Generalgouvernement]]" dem Reichminister [[Hans Frank]] unterstellt. Zu den übergreifenden Zielen der Besatzungspolitik im gesamten Gebiet gehörte 1.) die Ausschaltung und Vernichtung der polnischen Intelligenz, 2.) die Vorverlegung der deutschen Ostgrenze und die Erweiterung des "Lebensraums im Osten" und 3.) die Stärkung der deutschen Kriegswirtschaft durch rücksichtslose Ausbeutung des Arbeitskräftepotenzials und der materiellen Ressourcen Polens. |
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Während es bis dahin keine klare Trennungslinien innerhalb der polnischen Gesellschaft gab und die Reformdiskussionen bis weit in die PVAP hinein geführt wurden, entwickelten sich nun erstmals deutlich oppositionelle Gruppierungen in Polen selbst. Führende Intellektuelle gründeten am 23. September 1976 das „[[Komitee zur Verteidigung der Arbeiter]]“. Der zunehmende Druck der öffentlichen Meinung verhinderte in der Folgezeit repressive Maßnahmen der Parteiführung. In den nächsten Jahren gründeten sich weitere Bürgerrechtsorganisationen. Gleichzeitig engagierte sich die katholische Kirche unter [[Stefan Wyszyński|Stefan Kardinal Wyszyński]] zunehmend stärker. Ihre besondere Stellung wurde gefestigt durch die mit Begeisterung aufgenommene Wahl des Krakauer Erzbischofs [[Johannes Paul II.|Karol Wojtyła]] zum Papst am 16. Oktober 1978 und dessen mit Begeisterung aufgenommene erste Polenreise ein halbes Jahr danach. |
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[[Bild:Derführerinwarschau.jpg|thumb|right|200px|[[Adolf Hitler]] grüßt [[1939]] Soldaten der [[Wehrmacht]] nach der Eroberung [[Warschau]]s ]] |
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Der annektierte Teil sollte so schnell wie möglich "entpolonisiert" werden, und zwar teils durch direkte physische Vernichtung, teils durch Vertreibung der dort wohnenden etwa 8 Millionen Polen und [[Juden]], teils durch "Germanisierung brauchbarer Volksbestände" und Neuansiedlung deutscher Minderheiten aus anderen Teilen Osteuropas, etwa der [[Deutschbalten]], die nun ihre Heimat verlassen mussten. Das Generalgouvernement verstand [[Hitler]] als Reservoir billiger halbfreier Wanderarbeiter und als "Abladeplatz" im Reichsgebiet nicht mehr erwünschter Polen und Juden. Als die Deportationen infolge des Krieges mit der Sowjetunion im Juni [[1941]] beendet wurden, waren etwa 500.000 Polen vertrieben und durch etwa 350.000 volksdeutsche Umsiedler ersetzt worden. Weiter in Gang blieben dagegen die Deportationen von Polen als [[Zwangsarbeiter]] ins Reich, wovon während des Krieges allein aus dem Generalgouvernement etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen waren. In einer Reihe von Anweisungen wurde das Ziel der NS-Führung deutlich, die Polen auf die Stufe eines schlecht ausgebildeten Hilfsvolkes ohne politisches Eigenbewusstsein zu beschränken. |
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Zu Beginn des neuen Jahrzehnts zeichnete sich angesichts der immer größeren wirtschaftlichen Probleme ab, dass auch die Zeit des einstmals bejubelten Edward Gierek abgelaufen war. |
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Auch die Polen, die unter sowjetische Herrschaft geraten waren, waren von Gewaltmaßnahmen betroffen. Man schätzt, daß ungefähr 1,5 Millionen ehemalige polnische Bürger deportiert wurden, von denen 50-60 Prozent Polen, 15 Prozent [[Ukrainer]], 5 Prozent [[Weißrussen]] und ungefähr 20 Prozent Juden waren. 300.000 polnische Soldaten gerieten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nur 82.000 von ihnen überlebten. Ein Großteil der Offiziere wurde durch sowjetische Truppen [[1940]] bei [[Katyn]] und in den Lagern von Starobielsk, Kozielsk und Ostaszków erschossen. |
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=== Opposition, Streikbewegung und Solidarność === |
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===[[Holocaust]]=== |
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[[Datei:Strajk sierpniowy w Stoczni Gdańskiej im. Lenina 34.jpg|mini|hochkant=1.2|August-Streiks in Danziger Leninwerft, 1980]] |
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{{Hauptartikel|August-Streiks 1980 in Polen|Solidarność}} |
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Bereits 1977 und 1978 waren in Radom bzw. [[Katowice]] Zellen unabhängiger Gewerkschaften gegründet worden. Am 29. April 1978 entstand in Danzig das „Gründungskomitee freier Gewerkschaften für das Küstengebiet“, dessen Teilnehmer zumeist schon 1970 mitgestreikt hatten. Zu ihnen stieß bald der junge Elektriker der „Lenin-Werft“ [[Lech Wałęsa]]. In der Untergrundzeitschrift „Robotnik“ (''Der Arbeiter'') wurde im September 1979 die „Charta der Arbeiterrechte“ veröffentlicht. In ihr wurden die bisherigen Erfahrungen mit Streiks berücksichtigt, Forderungen für die Zukunft aufgestellt und allgemeine Positionen festgelegt. |
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[[Bild:KZ Birkenau Hauptgebäude 320x240.jpg|thumb|right|200px|Todes- und Vernichtungslager der deutschen [[Nationalsozialisten]] in [[Auschwitz-Birkenau]] ]] |
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Ein noch schlimmeres Schicksal als die Polen traf die polnischen [[Juden]], von denen 2,5 bis 3 Millionen in die deutschen Hände fielen. Dem wilden Terror, den Schikanen, Plünderungen und [[Pogrom]]en der ersten Kriegswochen folgte die Übernahme der deutschen Verwaltungsbestimmungen: Kennzeichnungspflicht, Anmeldung des Vermögens, [[Zwangsarbeit]], Reiseeinschränkungen, Sperrung der Konten, [[Arisierung]] des Besitzes. |
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Anfang 1980 hatte sich die gesamtwirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert: die Subventionen für Grundnahrungsmittel verschlangen etwa 40 % der Staatseinnahmen, der [[Kaufkraftüberhang]] nahm ständig zu, die im Westen aufgenommenen Schulden konnten nicht mehr bedient werden. Die Regierung wählte wiederum den Weg der Preiserhöhungen und begann mit ihnen ohne öffentliche Bekanntmachung am 1. Juli, dem landesweiten Beginn der Sommerferien. Dennoch brachen in vielen Betrieben umgehend Streiks aus, zunächst im Traktorenwerk [[Ursus (Unternehmen)|Ursus]] in Warschau, dann in Ostpolen und Mitte August auch in Danzig. Obwohl die Parteiführung nun wieder zum Nachgeben bereit war und die Lohnforderungen bewilligte, konnte sie die Bewegung nicht mehr eindämmen. Als die Belegschaft der Danziger [[Werft Danzig|Lenin-Werft]] am 14. August wie schon 1970 komplett in den Ausstand trat und das Werksgelände besetzt hatte, stellte das neue Streikkomitee erstmals auch politische Forderungen, etwa die Wiedereinstellung der entlassenen Streikführer und die Errichtung eines Denkmals für die Opfer von 1970. |
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Im Herbst [[1940]] begann die "Umsiedlung" in die [[Ghetto]]s. Die größten wurden [[Lodz|Litzmannstadt]] mit 160.000 Menschen und [[Warschau]] mit 450.000 Menschen. Da die Ghettos nicht in der Lage waren, sich selbst zu erhalten und auch eine wirtschaftliche Ausbeutung von entscheidenden Stellen nicht gewünscht wurde, war die Quote an Toten, oft aus Hunger und Krankheit, von Anfang an hoch. Nachdem die ursprünglichen NS-Pläne der Umsiedlung der Juden nach [[Madagaskar]] oder in den „Osten“ sich als undurchführbar erwiesen hatten, entwickelte sich seit Mitte [[1941]], nicht zufällig nach dem Beginn des Krieges gegen die [[Sowjetunion]], das Planspiel einer systematischen Ausrottung der Juden, die sogenannte [[Endlösung|Endlösung der Judenfrage]]. Es ist unwahrscheinlich, dass es eine einzelne Entscheidung in [[Berlin]] zu dieser Frage gab, vielmehr radikalisierten sich die Maßnahmen gerade der lokalen Stellen im Laufe weniger Monate immer mehr (''Erschießungen von "Kommissaren", dann jüdischer Männer, später auch Frauen und Kinder''). Der Anfang im Reich war mit der planmäßigen Ermordung geistig und körperlich Behinderter im Rahmen des sog. [[Euthanasie|Euthanasie-Konzeptes]] gemacht worden, die dabei angewandten Maßnahmen und Mittel konnten später im Osten teilweise übernommen werden. |
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Die Warschauer Regierung erkannte bald die Gefahr, die von der sich ausbreitenden Streikwelle ausging, und kappte alle Verbindungen nach Danzig und Umgebung. Ein Teil der streikenden Werftarbeiter akzeptierte das Kompromissangebot der Werksleitung, andere plädierten für eine Ausdehnung des Arbeitskampfes, die mit der Gründung eines Überbetrieblichen Streikkomitees (MKS) am 16. August auch erfolgte. Der von seinem Vorsitzenden [[Lech Wałęsa]] präsentierte [[21 Forderungen des MKS|Forderungskatalog]] enthielt unter anderem den Wunsch nach Zulassung freier Gewerkschaften, [[Meinungsfreiheit]] und das [[Streikrecht]]. |
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[[Bild:Ghettowarschau1945.jpg|thumb|left|200px|Gelände des [[Warschauer Ghetto|Warschauer Ghettos]] im Jahre [[1945]] ]] |
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Bis zur Mitte des Jahres [[1942]] wurden die Massenmorde zu einem Gesamtprogramm zur systematischen Ermordung der Juden unter deutscher Herrschaft ausgeweitet. Die Einzelheiten der praktischen Durchführung waren auf der Berliner [[Wannsee-Konferenz]] im Januar [[1942]] festgelegt worden. Nun begann auch die [[SS]] mit den Deportationen in die Vernichtungslager. Diese entstanden überwiegend auf polnischem Boden: [[Chełmno nad Nerem|Kulmhof]], [[Bełżec]], [[Sobibór]], [[Treblinka]], [[Auschwitz-Birkenau]]. Insgesamt verloren bis Kriegsende etwa 90% aller polnischer Juden ihr Leben. Es gab entgegen vielen Legenden durchaus Widerstand der Juden gegen die Deutschen, der mitunter von der polnischen Widerstandsbewegung unterstützt, manchmal jedoch auch desavouiert wurde. Bekanntestes Beispiel des Widerstands war der verzweifelte [[Aufstand im Warschauer Ghetto]] Anfang [[1943]]. |
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Innerhalb der PVAP setzten sich nun die Reformkräfte durch und Regierungsvertreter akzeptierten in Verhandlungen in Stettin und Danzig am 30. und 31. August die meisten der Forderungen. Am Nachmittag des 31. Augusts wurde das [[Danziger Abkommen]] unterzeichnet, das die Verhandlungsergebnisse politisch festschrieb. |
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===Im ''Westen'': Sikorski, das Exil und die Anders-Armee=== |
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Die Gewerkschaftskräfte waren jedoch nicht mehr bereit, ihre Tätigkeit auf den Danziger Raum zu beschränken und beschlossen die Ausdehnung auf das ganze Land. Mit einem Warnstreik erzwang die neue Organisation, die sich den Namen „[[Solidarność]]“ (''Solidarität'') gab, am 3. Oktober ihre gerichtliche Registrierung. In den Wochen darauf setzte ein gewaltiger Ansturm auf sie ein, so dass ihr schon im November etwa 10 Millionen Arbeitnehmer angehörten (von insgesamt 16 Millionen), darunter über 1 Million Mitglieder der PVAP. |
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Die innenpolitische Lage schien sich nun allmählich zu entspannen, nachdem Parteichef Gierek schon im September durch den gemäßigten [[Stanisław Kania]] ersetzt und die meisten [[Hardliner]] aus dem Politbüro entfernt worden waren. Der Vorschlag mehrerer Parteichefs, darunter [[Erich Honecker]], mit den [[Warschauer Pakt|Warschauer-Pakt-Truppen]] einzumarschieren, scheiterte am [[Veto]] Moskaus, das nach den Erfahrungen der [[Afghanischer Bürgerkrieg und sowjetische Intervention|Besetzung Afghanistans]] eine weitere Verschlechterung des weltpolitischen Klimas fürchtete. |
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[[Image:Wladyslaw Sikorski 2.jpg|thumb|General und Premierminister der Exil-Regierung [[Władysław Sikorski]]]] |
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In [[Großbritannien]] kämpfte seit [[1940]] das Erste Polnische Korps unter britischem Befehl. In der [[Sowjetunion]] entstanden nach [[1941]] zwei separate polnische Armeen. |
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Die Sowjetunion steigerte jedoch den Druck auf die PVAP, die „Konterrevolution“ zu bekämpfen und veranstaltete mehrmals Militärmanöver in der Nähe der [[Curzon-Linie|Grenze Polens]]. Im Frühjahr 1981 kam es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staatsorganen und Gewerkschaftsaktivisten. Angesichts der sich weiter verschlechterten wirtschaftlichen Lage häuften sich [[Wilder Streik|wilde Streiks]], der Eindruck von Chaos verbreitete sich angesichts der „Doppelherrschaft“. In dieser entscheidenden Phase waren zudem die bewährten Vermittlungsmöglichkeiten [[Römisch-katholische Kirche in Polen|der Kirche]] eingeschränkt, weil im Mai das [[Mehmet Ali Ağca|Attentat auf Papst Johannes Paul II.]] verübt worden war und Primas [[Stefan Wyszyński]] gestorben war. |
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Die eine, entstanden hauptsächlich aus Deportierten, verließ mit General [[Władysław Anders]] an der Spitze das Land, gelangte von [[Sibirien]] über den [[Mittlerer Osten|Mittleren Osten]] und [[Nordafrika]] schließlich nach [[Italien]] als Zweites Polnisches Korps der 8. Britischen Armee. Es umfasste anfangs etwa 200.000, später 400.000 Mann. Sie bewährten sich besonders in den Schlachten um [[Monte Cassino]] im Mai [[1944]] und um [[Arnheim]] im September des gleichen Jahres. Die andere Armee, [[1943]] als Erste Infanteriedivision [[Tadeusz Kościuszko]] gegründet, stand unter Befehl der sowjetischen Führung. Sie tauchte im März [[1944]] als Erste Polnische Armee unter General [[Zygmunt Berling]] an der [[Ostfront]] auf. |
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Vom 4. bis 12. September 1981 fand auf Betreiben der Sowjetunion das Militärmanöver [[Sapad 81]] statt, großenteils auf dem Staatsgebiet Polens. Es war mit rund 150.000 Teilnehmern das größte operativ-strategische Manöver des [[Warschauer Pakt]]es während des Kalten Krieges. |
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Je länger der Krieg andauerte, desto schwerer fiel es der zunächst in [[Paris]], nach der deutschen Eroberung der Stadt in [[London]] ansässigen polnischen Exilregierung auf die Weltpolitik Einfluss zu nehmen. Nachdem Ministerpräsident [[Władysław Sikorski]] unter bis heute ungeklärten Umständen am [[4. Juli]] [[1943]] bei einem Flugzeugabsturz vor [[Gibraltar]] ums Leben gekommen war, traten zunehmend auch innere Meinungsverschiedenheiten auf. Zudem verfolgte [[Josef Stalin|Stalin]] bezüglich Polens immer mehr eigene Interessen, die mit dem Vorrücken der Front immer konkretere Formen annahmen. Er nutzte die Forderung der Exilregierung nach der Entdeckung der Massengräber bei [[Katyn]], das Verbrechen aufzuklären, zum Abbruch aller Kontakte und setzte von da an fast ausschließlich auf die sich in der Sowjetunion befindenden polnischen Kommunisten. |
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Nachdem der erste Landeskongress der Solidarność im September 1981 ein noch stärkeres politisches Engagement beschlossen und eine Botschaft an alle Arbeiter der anderen [[Liste sozialistischer Staaten|sozialistischen Staaten]] gerichtet hatte, entschloss sich die PVAP-Führung endgültig zum Konfrontationskurs. |
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===Der Widerstand=== |
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=== Jaruzelski und Kriegsrecht === |
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[[Bild:Warschaueraufstand.jpg|thumb|left|150px|[[Tadeusz Komorowski]], General der [[Polnische Heimatarmee|Polnischen Heimatarmee]], kapituliert vor [[SS]]-Brigade-General [[Erich von dem Bach-Zelewski]] nach dem fehlgeschlagenen [[Warschauer Aufstand]] ]] |
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[[Datei:T-55A Martial law Poland.jpg|mini|Panzer auf den Straßen während des Kriegsrechts]] |
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Durch Bildung von [[Partisanen]]gruppen versuchten Polen auch nach der militärischen Niederlage Widerstand zu leisten. |
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{{Hauptartikel|Kriegsrecht in Polen 1981–1983}} |
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Auf dem 4. ZK-Plenum vom 16. bis 18. Oktober wurde Parteichef Stanisław Kania durch Verteidigungsminister General [[Wojciech Jaruzelski]] ersetzt. Die Vorbereitungen für einen entscheidenden Schlag gegen die Opposition waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. |
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Die meisten von ihnen schlossen sich im Februar [[1942]] zur so gen. "[[polnische Heimatarmee|Heimatarmee]]" zusammen, die der bürgerlichen Exilregierung in [[London]] unterstand, der lediglich die rechtsradikalen Gruppen und die Kommunisten fern blieben. Es entstand auch eine Reihe jüdischer Widerstandsorganisationen, die schließlich [[1943]] den [[Aufstand im Warschauer Ghetto]] organisierten. Nachdem die [[Rote Armee]] im Januar [[1944]] die polnische Grenze von [[1939]] überschritten hatte, wurden die Truppen der Heimatarmee vom [[Volkskommissariat für innere Angelegenheiten|NKWD]] entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder in den [[Gulag]] geschickt. Der Kampf einzelner Untergrundeinheiten dauerte jedoch bis Ende der [[1940]]er Jahre an. |
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Trotz der Bereitschaft der „Solidarność“ zu Kompromissen übernahmen in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 [[Polnische Volksarmee|Militär]] und [[ZOMO|Sicherheitsorgane]] die Macht in Polen. General Jaruzelski verkündete in einer Fernsehansprache die [[Kriegsrecht in Polen 1981–1983|Verhängung des Kriegsrechts]], das bis 1983 in Kraft blieb. Die Führungsspitze der Gewerkschaft wurde in Danzig verhaftet. Regionalführer, Leiter der Betriebskommissionen und oppositionelle Intellektuelle, insgesamt einige Tausend Personen, wurden in Internierungslager gebracht. Jaruzelski rechtfertigte diesen Schritt mit einer damaligen unmittelbaren Gefahr des Einmarsches der Roten Armee, doch gibt es dafür keine Beweise. |
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Im Jahr [[1944]] folgte der [[Warschauer Aufstand]], der in Deutschland oft mit dem Ghettoaufstand von [[1943]] verwechselt wird. Die [[Sowjetunion]], deren Truppen bereits am Ostufer der [[Weichsel]] standen, hatte kein Interesse, die Einheiten der Heimatarmee zu unterstützen. So konnten deutsche Truppen den Aufstand brutal niederschlagen, die Zahl der Toten wird auf 180.000 geschätzt, früher wurde sogar die Zahl 250.000 genannt. |
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[[Bild:Warsaw Uprising boyscouts.jpg|thumb|right|150px|Polnische [[Pfadfinder]]soldaten im [[Warschauer Aufstand]] von [[1944]] ]] |
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Dabei wurde die Innenstadt Warschaus unter großem Einsatz an Sprengmaterial akribisch Haus für Haus dem Erdboden gleichgemacht. |
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Die kommunistische Partei, deren Tätigkeit ebenfalls kurzfristig suspendiert worden war, besaß kein Konzept zur inneren Erneuerung des Landes. Man suchte vielmehr nun Wege der Verständigung mit den gesellschaftlichen Kräften, die nicht zur „Solidarność“ gehörten, vor allem mit der katholischen Kirche. Im wirtschaftlichen Bereich begann man mit zaghaften Reformen, deren Erfolge aber zu wünschen übrig ließen. Sie waren begleitet von internen Machtkämpfen zwischen „Falken“ und „Tauben“ in der PVAP, die zur Ermordung des oppositionellen Priesters [[Jerzy Popiełuszko]] durch [[Służba Bezpieczeństwa|Angehörige des Sicherheitsapparates]] im Oktober 1984 führten. |
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Zum Widerstand gehörte zudem ein beinahe flächendeckendes Netz von Untergrundeinrichtungen wie Schulen, Universitäten, Zeitungen und vieles mehr, die dazu beitrugen, das Leid der deutschen Besatzung für die Bevölkerung etwas erträglicher zu machen. |
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Parallel zur Entwicklung in der Sowjetunion nach dem Machtantritt von [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Michail Gorbatschow]] setzten sich seit Mitte der 1980er Jahre auch in Polen die Reformkräfte durch. Im Rahmen einer Amnestie wurden im Juli 1986 alle politischen Gefangenen freigelassen. Um angesichts der sich weiter verschlechternden Versorgungssituation die Unterstützung der Bevölkerung für weitere Wirtschaftsreformen zu gewinnen, führte man am 29. November 1987 die [[Referendum in Polen 1987|erste Volksabstimmung seit 1946]] durch. Sie endete mit einer klaren Niederlage für die Regierung. Zwei Streikwellen im April, Mai und im August 1988 brachten die Reformer zu der Erkenntnis, dass sie ohne weitere Zugeständnisse die Dauerkrise nicht würden überwinden können. |
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Das Ausmaß an [[Kollaboration]] war vor diesem Hintergrund im europäischen Kontext vergleichsweise gering und war, angesichts der enormen Leiden der polnischen Bevölkerung während der deutschen Besatzung, auch lange Zeit tabuisiert. Eine breite gesellschaftliche Debatte über polnische Täter wurde erst zu Beginn des [[21. Jahrhundert]]s anlässlich der durch das Buch "Nachbarn. Der Mord an den Juden von [[Jedwabne]]" des polnisch-amerikanischen Soziologen [[Jan Tomasz Gross]]' angestoßenen Aufarbeitung des [[Pogrom]]s von [[Jedwabne]] geführt. |
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=== Ende der Volksrepublik === |
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==Die Volksrepublik 1945 - 1989 == |
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{{Hauptartikel|Runder Tisch (Polen)}} |
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===Die Entstehung "Volkspolens" und die Phase des Stalinismus=== |
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====Das Ende des Zweiten Weltkriegs, das Lubliner Komitee und die Grenzfrage==== |
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Die „Solidarność“ hatte die ganze Zeit über im Untergrund weiter gewirkt. Es erschienen zahlreiche Zeitschriften und Bücher in Anknüpfung an die sowjetische [[Samizdat]]-Tradition im „Zweiten Umlauf“. Die systemkonformen Gewerkschaften wurden weitgehend boykottiert. Die anwachsende Streikbewegung wurde von der PVAP mit Sorge betrachtet, zumal sich herausstellte, dass an ihr vor allem jüngere Arbeiter der Nach-„Solidarność“-Generation beteiligt waren. Die Politik Jaruzelskis, die auf den Prinzipien der Konsultation und [[Kooptation]] beruhte, war gescheitert. Unter Vermittlung von führenden Intellektuellen und der [[Römisch-katholische Kirche in Polen|katholischen Kirche]] kam es am 31. August 1988 zu einem ersten Gespräch zwischen Innenminister [[Czesław Kiszczak]] und Lech Wałęsa „unter Gleichen“. Die Verhandlungen traten zunächst auf der Stelle, besonders als der neue Ministerpräsident [[Mieczysław Rakowski]] ausschließlich Wirtschaftsreformen versuchen wollte. |
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[[Bild:Meldungüber denToddesFührers.jpg|thumb|left|200px|Am [[30. April]][[ 1945]] beging [[Adolf Hitler]] Selbstmord, kurz vor der [[bedingungslose Kapitulation|bedingungslosen Kapitulation]] der [[Wehrmacht]] und dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] in Europa am [[8. Mai]] [[1945]] ]] |
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Am 30. November 1988 fand im polnischen Fernsehen ([[TVP1]]) eine Fernsehdiskussion zwischen Wałęsa und dem Chef der offiziellen Gewerkschaft – [[Ogólnopolskie Porozumienie Związków Zawodowych|OPZZ]], [[Alfred Miodowicz]] statt, die Wałęsa in den Augen der Zuschauermehrheit klar gewann. Der PVAP-Führung wurde klar, dass neue Reformen in der Bevölkerung nur mit Beteiligung der „Solidarność“ durchsetzbar sein würden. |
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Im Juli [[1944]] war in [[Moskau]] das kommunistische "Polnische Komitee der nationalen Befreiung" (''Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego'') ins Leben gerufen worden, das die Macht ergreifen sollte, sobald die [[Rote Armee]] die [[Curzon-Linie]] überschreiten würde. Dies geschah in Lublin am [[22. Juli]] [[1944]] (''daher auch der Name [[Lubliner Komitee]]''). An der Spitze der neuen Führungsmannschaft stand der Altkommunist [[Bolesław Bierut]]. Eine gesellschaftlich akzeptierte kommunistische Bewegung hatte es im Polen der Zwischenkriegszeit - anders als in der benachbarten [[Tschechoslowakei]] - nie gegeben. Die Führung der alten Kommunistischen Partei Polens war weitgehend den Stalinschen [[Schauprozesse|Schauprozessen]] der [[1930]]er Jahre zum Opfer gefallen. |
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Vom 6. Februar bis 5. April 1989 trafen sich in Warschau Repräsentanten der PVAP und der gesellschaftlichen [[Opposition (Politik)|Opposition]] zu [[Runder Tisch (Polen)|Gesprächen am Runden Tisch]]. Die Arbeit in verschiedenen Verhandlungsgruppen führte zu tiefgreifenden Veränderungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Im politischen Bereich vereinbarte man die schrittweise Einführung der vollen [[Volkssouveränität]] mit dem dazugehörenden [[Pluralismus (Politik)|Pluralismus]]. Als Sofortmaßnahme wurde am 17. April die „Solidarność“ wieder zugelassen. Die Anerkennung eines [[Mehrparteiensystem]]s, des Prinzips [[Freie Wahlen|freier Wahlen]] und unabhängiger Gerichte waren weitere bedeutende Etappen dieses Prozesses, der eine Mischung aus Revolution und Reform war.<ref>[[Timothy Garton Ash]]: ''We the people. The Revolution of ’89 Witnessed in Warsaw, Budapest, Berlin and Prague.'' London 1999, S. 14.</ref> |
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Die auf alliierten Druck stattfindenden Verhandlungen zwischen "Londoner" und "Lubliner" Regierung führten zu keinem Ergebnis. Exilpremier [[Stanisław Mikołajczyk]] musste aufgrund des Drucks seiner Umgebung sogar zurücktreten, weil er als zu kompromissbereit erschien. Die internationalen Entscheidungen über Polens zukünftige Grenzen waren zu diesem Zeitpunkt längst gefallen ([[Konferenz von Teheran]] [[1943]]). Sie führten zu der bekannten Westverschiebung des Landes, wobei die [[Curzon-Linie]] mit kleinen Veränderungen zur Ostgrenze wurde und die Flüsse [[Oder]] und [[Lausitzer Neiße]] die neue Westgrenze bildeten. Gleichzeitig vereinbarte man einen weitgehenden Bevölkerungsaustausch. |
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Die [[Parlamentswahlen in Polen 1989|Parlamentswahlen am 4. und 18. Juni 1989]] waren die ersten halbwegs freien Wahlen seit 1938; sie beschleunigten den Systemwandel. Die Sitze im [[Sejm]] wurden nach dem Schlüssel 65 Prozent für die PVAP und ihre Verbündeten, 35 Prozent für die Opposition vergeben, während die Wahlen zum [[Polnischer Senat|Senat]] unbeschränkt waren. Von den 261 vorher festgelegten Kandidaten der „Solidarność“ wurde alle bis auf einen gewählt; die PVAP brachte ihre Kandidaten nur mittels einer kurzfristigen Änderung des Wahlgesetzes durch. |
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Am [[1. Januar]] [[1945]] proklamierte sich das [[Lubliner Komitee]] zur provisorischen Regierung und zog noch im gleichen Monat in die Ruinen des befreiten [[Warschau]] um. Nachdem im Frühjahr [[1945]] die Rote Armee ganz Polen besetzt hielt und die 14 wichtigsten Anführer der [[Polnische Heimatarmee|Heimatarmee]] nach Moskau verschleppte, dort zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und teilweise ermordete, war der Hauptwiderstand gegen die neue Besatzung und die "Sowjetisierung" der polnischen Gesellschaft gebrochen. |
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General Jaruzelski wurde [[Präsidentschaftswahl in Polen 1989|am 19. Juli nur knapp zum Präsidenten gewählt]] (270 dafür, 233 dagegen, 34 Enthaltungen); ein von der PVAP geführtes Kabinett unter General Kiszczak kam nicht mehr zustande. Stattdessen gelang es der „Solidarność“ am 12. September in Zusammenarbeit mit zwei bisherigen [[Blockpartei]]en, [[Polnische Regierung|eine Regierung]] unter dem katholischen Publizisten [[Tadeusz Mazowiecki]] zu bilden. Diese Ereignisse in Polen hatten auch eine Katalysatorfunktion; sie trugen maßgeblich zum Fall der [[Berliner Mauer]] und des [[Eiserner Vorhang|Eisernen Vorhangs]], zum Niedergang des [[Kommunismus]] in den Staaten Mittel- und Osteuropas (→ [[Ostblock]]) und letztlich zum [[Zerfall der Sowjetunion]] bei. |
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====Die Konsolidierung des sowjetischen Regimes und die Versuche einer "nationalen Homogenisierung" 1945 - 1948==== |
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== {{Anker|Dritte Republik}}Seit 1989: Dritte Republik == |
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[[Bild:Karte Polen (1945).png|right|thumb|200px|Westverschiebung Polens [[1945]], [[Annexion]] großer Gebiete bis zur [[Curzon-Linie]] durch die [[Sowjetunion]] ]] |
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{{Hauptartikel|Dritte Polnische Republik}} |
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Im so genannten [[Potsdamer Abkommen]] von [[1945]] forderten die [[Alliierten]] angesichts der nach Kriegsende begonnenen [[Vertreibung|wilden Vertreibung]] der Deutschen aus dem Osten den "humanen und geordneten Transfer" der Deutschen aus Polen, [[Tschechoslowakei]] und [[Ungarn]] (''Artikel XIII, unter Bezugnahme auf die Gebietsdefinition in Artikel IX''). Die Grundsatzentscheidung zugunsten von Zwangsumsiedlungen in Ostmittel- und Südosteuropa hatte das britische Kriegskabinett schon im Juli [[1942]] gefällt und sie wurde von [[Winston Churchill|Churchill]] in seiner Unterhausrede vom [[15. Dezember]] [[1944]] in Bezug auf die Deutschen konkretisiert. Die [[Ostgebiete|ostdeutschen Gebiete]] jedoch sollten bis zur endgültigen Entscheidung durch eine Friedenskonferenz (''die dann ausblieb und an deren Stelle schließlich der [[Zwei-plus-Vier-Vertrag]] im Jahre [[1990]] trat'') unter polnische Verwaltung gestellt werden. |
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=== Ära Lech Wałęsa === |
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Polen vollzog - nach unter Historikern umstrittener Auffassung ohne Legitimation der (West-) Alliierten - nach dem Vorbild der NS-Politik aus der Kriegszeit in den ehemaligen ostdeutschen Gebieten eine [[ethnische Säuberung]], indem fast alle dort lebenden Deutsche (ca. 9,8 Millionen Deutschen) vertrieben wurden. Damit wollte Polen der endgültigen Grenzziehung durch die Friedenskonferenz vorgreifen und einen fait accompli schaffen. Die polnische Exilführung trat schon frühzeitig für die "Entdeutschung" der neuen "polnischen Gebiete" ein. |
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Lech Wałęsa wurde 1990 nach einer kurzen Präsidentschaft von Wojciech Jaruzelski zum zweiten Präsidenten der Dritten Polnischen Republik gewählt. Für viele Polen erfüllte der einstige Gewerkschaftsführer und Nationalheld die in ihn gesetzten Erwartungen als Präsident nicht, so dass seine Wiederwahl 1995 scheiterte. Während seiner Präsidentschaft kam es bei der Umstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft zu einer schweren Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit. Außenpolitisch hatte er mehr Erfolg. 1990 wurde die Westgrenze Polens durch das wiedervereinigte Deutschland unter Bundeskanzler [[Helmut Kohl]] anerkannt. Kohl vollendete damit, was [[Willy Brandt]] um 1970 begonnen hatte (siehe [[Neue Ostpolitik]]). Die Kontakte Polens mit seinem westlichen Nachbarn entwickeln sich seitdem vertrauensvoll und eng. Auch zwischen deutschen Bewohnern der ehemaligen Ostgebiete und den heutigen polnischen Einwohnern sind inzwischen viele Freundschaften entstanden, begünstigt durch die Arbeit der Kirchen sowie Teile der Vertriebenenverbände. |
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=== Ära Aleksander Kwaśniewski === |
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[[Bild:Stalin1.jpg|thumb|left|200x|[[Josef Stalin]], Generalsekretär und [[Diktator]] der [[Sowjetunion]], unter seiner Ägide [[1945]] endgültige Unterwerfung Polens als sowjetisch-russisches [[Protektorat]] (''siehe [[Volksrepublik]]'') ]] |
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[[Datei:EU-Osterweiterung Frankfurt-Oder 2004-05-01.jpg|mini|Feuerwerk zum EU-Beitritt 2004 auf der Stadtbrücke zwischen [[Frankfurt (Oder)]] und [[Słubice]]]] |
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Bei der Vertreibung der Deutschen aus den durch die [[Alliierten]] unter polnische Verwaltung (''Artikel IX, [[Potsdamer Abkommen]]'') gestellten Teilen des ehemaligen [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] und [[Danzig]]s, wie dem südlichen [[Ostpreußen]], [[Westpreußen]]s, [[Pommern (Land)|Pommerns]], der Neumark [[Brandenburg]]s und [[Schlesien]]s, kam es zu zahllosen Misshandlungen und Morden an der wehrlosen Zivilbevölkerung. Aus den östlichen Teilen des heutigen Polens wurden in den Jahren [[1944]] bis [[1946]] etwa 500.000 Ukrainer in die [[Ukraine]] (zwangs)umgesiedelt, weitere etwa 400.000 wurden nach [[Niederschlesien]] und Pommern, also in die so genannten "wiedergewonnenen West- und Nordgebiete" Polens deportiert. Parallel dazu mussten etwa 1,5 Mio. Polen ihre Heimat im Osten verlassen. Zwischen [[1945]] und [[1947]] wurden so etwa 1 Million Polen aus der Ukraine, 300.000 aus [[Weißrussland]] und 200.000 aus [[Litauen]] nach Polen "repatriiert". Ein großer Teil von ihnen wurde in den ehemals deutschen Gebieten angesiedelt. Dorthin strömten darüber hinaus etwa 3 Mio. Neusiedler aus Zentralpolen und aus dem Westen zurückkehrende Polen. |
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1995 löste der ehemalige kommunistische Funktionär [[Aleksander Kwaśniewski]] Lech Wałęsa als Präsident ab. Im Gegensatz zu Wałęsa erwies sich für viele Polen Kwaśniewski als ein fähiger Politiker, der es verstand, weite Teile der polnischen Gesellschaft zu einigen, wie kaum ein Politiker vor oder nach ihm. So wurde er auch 2000 mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt. |
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Der im Juni [[1945]] gebildeten "Regierung der nationalen Einheit" gehörten außer [[Stanisław Mikołajczyk]] fast nur Vertreter der Linken an. In der Zeit bis [[1947]] gelang es den [[Kommunisten]], ihre Position zu festigen. Ohne Unterstützung der [[Rote Armee|Roten Armee]] wäre dies freilich nicht möglich gewesen. Da sich die Kommunisten auf die eigene Armee nur bedingt verlassen konnten, übernahmen neue Organisationen wie das Korps der Inneren Sicherheit - eine Art kasernierter Polizeitruppe - oder die "Bürgermiliz" die Bekämpfung des antikommunistischen Untergrunds. Als letzte verbliebene demokratische Partei wurde die Bauernpartei Mikołajczyks mit polizeilichen Maßnahmen und gefälschten Wahlen zunehmend an den Rand gedrängt. Mikołajczyk selbst floh schließlich [[1947]] ins Exil. |
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Am 25. Mai 1997 wurde per Volksabstimmung eine neue [[Polnische Verfassung]] angenommen. Polen galt während seiner Präsidentschaft als wirtschaftlich aufstrebender, stabiler und demokratischer Staat. Am 12. März 1999 wurde er in die [[NATO]] aufgenommen (siehe auch [[NATO-Osterweiterung]]) und am 1. Mai 2004 in die [[Europäische Union]] (zusammen mit anderen Staaten, siehe [[EU-Erweiterung 2004]]). 43 Prozent der polnischen Bürger (73 % Ja-Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von etwa 59 %) stimmten in einer [[Referendum in Polen über den Beitritt zur Europäischen Union|Volksabstimmung im Juni 2003]] für den [[EU-Beitritt]]. |
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Polen nahm an der [[Koalition der Willigen]] teil und entwickelte sich während des [[Irakkrieg]]es und danach neben Großbritannien, Italien und [[Spanien]] zu einem wichtigen Verbündeten der USA in Europa. Während der Kriegshandlungen entsandte Polen Truppen in den [[Irak]]. Im [[Besetzung des Irak 2003–2011|Nachkriegs-Irak]] übernahm Polen die Verwaltung einer von drei Besatzungszonen; 9500 Soldaten (davon 2400 polnische) sicherten das etwa 80.000 Quadratkilometer große Gebiet.<ref>FAZ.net, 30. September 2003: [http://www.faz.net/aktuell/politik/irak-polen-uebernimmt-symbolisch-besatzungszone-11329826.html Polen übernimmt symbolisch Besatzungszone]</ref> |
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====Der Stalinistische Terror und die Ära Bierut 1948 - 1956 ==== |
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Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Polen und Deutschland ergab sich 2004 durch die Einladung an den deutschen Bundeskanzler [[Gerhard Schröder]] zu den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes. Schröder war damit der erste deutsche Kanzler, der an den alljährlichen Feiern teilnehmen durfte. Jedoch folgten diesem Besuch Schröders Diskussionen um Wiedergutmachungsleistungen an die deutschen Vertriebenen, die dazu führten, dass in Polen neue Ängste gegenüber den Deutschen aufkamen. |
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[[Image:Polishposter.jpg|right|thumb|200px|Text: ''Jugend, vorwärts in den Kampf für das glückliche sozialistische polnische Dorf!'' Kommunistisches [[Propaganda]]-Poster aus den [[1950]]er Jahren. ]] |
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Während unter den polnischen [[Kommunist]]en zunächst die Überzeugung vorherrschte, auf die völlige Übernahme des sowjetischen Systems verzichten zu können, wuchs nach [[1947]] Stalins Druck. Seiner Meinung nach wurden die notwendigen "revolutionären Schritte" zu zögerlich durchgeführt. Er verlangte vor allem einen forcierten Aufbau einer [[Schwerindustrie]], die Übernahme des zentralen Planungssystems und eine rasche [[Kollektivierung]] der Landwirtschaft. Damit befand er sich im Widerspruch mit den eher nationalen Kräften in der polnischen Parteiführung unter ihrem Generalsekretär [[Władysław Gomułka]], der eher Sympathien für das jugoslawische Modell [[Josip Broz Tito|Titos]] erkennen ließ. |
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Während des Konfliktes um die [[Präsidentschaftswahl in der Ukraine 2004|Präsidentschaftswahl im Nachbarstaat Ukraine im November/Dezember 2004]] engagierte Kwaśniewski sich als Vermittler zwischen den Konfliktparteien, während die polnische Öffentlichkeit und die Medien Solidarität mit [[Wiktor Juschtschenko]] übten. Trotz hoher Beliebtheitswerte trat Kwaśniewski 2005 nicht zur Wiederwahl an, da die Amtszeit des polnischen Präsidenten auf zwei Präsidentschaften beschränkt ist. |
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Bald nach der Vereinigung von Kommunistischer und Sozialistischer Partei zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (''PZPR, [[PVAP]]'') im Frühjahr [[1948]] setzten sich die Vertreter der Stalinschen Linie durch. Mit Hilfe des mächtigen Sicherheitsapparates schaltete [[Bolesław Bierut]] seinen Rivalen Gomułka vorläufig aus und ließ ihn später internieren. Im Rahmen von Partei und Gesellschaft wurden radikale Säuberungen und Umstrukturierungen durchgeführt. Im kulturellen Bereich begann die vorübergehende Herrschaft des [[Sozialistischer Realismus|Sozialistischen Realismus]]. Diese Phase endete mit dem Tode Stalins [[1953]], ohne dass wie in anderen Ländern unter sowjetischer Herrschaft [[Schauprozesse]] gegen in Ungnade gefallene kommunistische Politiker durchgeführt wurden. Es folgten Lockerungen im kulturellen Bereich, die schlimmsten Exzesse des Staatssicherheitsdienstes wurden beendet. |
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=== Ära Lech Kaczyński === |
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Im außenpolitischen Bereich wurden die nationalistischen Angriffe auf Deutschland durch die Theorien des dialektischen Materialismus ersetzt, so dass nunmehr die USA und Großbritannien sowie die Bundesrepublik Deutschland und der Vatikan zu Hauptgegnern wurden, während man eine Annäherung zur DDR suchte, die nach einigem Zögern auf Moskauer Druck im [[Görlitz|Görlitzer Vertrag]] vom [[6. Juli]] [[1950]] die [[Oder-Neiße-Grenze]] anerkannte. |
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Die [[Parlamentswahl in Polen 2005|Parlamentswahlen 2005]] führten zu einem Richtungswechsel: Der bis dahin regierende [[Sojusz Lewicy Demokratycznej|Bund der Demokratischen Linken]] wurde zugunsten eines konservativen Bündnisses abgewählt. Gewinner war [[Jarosław Kaczyński]], Führer der national-konservativen Partei [[Recht und Gerechtigkeit|PiS]] (deutsch: ''Recht und Gerechtigkeit''). Sein Zwillingsbruder [[Lech Kaczyński]] bekleidete ab 2005 das Amt des Staatspräsidenten. Die PiS verlor allerdings bei der vorgezogenen [[Parlamentswahl in Polen 2007|Parlamentswahl am 21. Oktober 2007]] ihre Position als stärkste Partei. Von November 2007 bis November 2015 bildeten die [[Platforma Obywatelska|PO]] und ihr Koalitionspartner, die gemäßigte Bauernpartei [[Polnische Bauernpartei|PSL]], [[Polnische Regierung#Regierungen von Donald Tusk|drei Regierungen]]. |
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=== Ära Bronisław Komorowski === |
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===Der Polnische Oktober 1956 und die Ära Gomułka 1956 - 1970=== |
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Beim [[Flugunfall von Smolensk 2010|Flugunfall von Smolensk]] starben am 10. April 2010 alle 96 Insassen, darunter Lech Kaczyński. [[Bronisław Komorowski]] übernahm geschäftsführend die Aufgaben des polnischen Präsidenten. Bei der vorgezogenen [[Präsidentschaftswahl in Polen 2010|Präsidentschaftswahl im Sommer 2010]] wurde Komorowski zu Kaczyńskis Nachfolger gewählt. [[Donald Tusk]], der [[Parlamentswahl in Polen 2011|2011]] als [[Ministerpräsident (Polen)|Ministerpräsident]] wiedergewählt wurde, wechselte im Dezember 2014 als [[Präsident des Europäischen Rates]] nach [[Justus-Lipsius-Gebäude|Brüssel]]. [[Ewa Kopacz]] wurde Ministerpräsidentin. |
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=== Ära Andrzej Duda === |
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Die Abrechnung des [[KPdSU]]-Chefs [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Nikita Chruschtschow]] mit den Verbrechen Stalins während des XX. Parteitages im Februar [[1956]] fiel zusammen mit dem überraschenden Tod des polnischen Parteichefs [[Boleslaw Bierut|Bolesław Bierut]] in [[Moskau]] wenige Tage später. Gegen den Willen des neuen [[Kreml]]chefs einigte sich die in sich zerstrittene Parteiführung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei ([[PVAP]]) auf den Kompromisskandidaten [[Edward Ochab]] als Nachfolger Bieruts. |
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Bronisław Komorowski gelang 2015 die Wiederwahl nicht, als [[Andrzej Duda]] die Präsidentschaftswahl gewann. Die [[Parlamentswahl in Polen 2015|Parlamentswahl vom gleichen Jahr]] führte erneut zu einem Machtwechsel zugunsten der [[Recht und Gerechtigkeit|PiS]]. Im November 2015 wurde [[Beata Szydło]] vom Parlament zur Ministerpräsidentin gewählt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/politik/sn/artikel/pis-errang-laut-wahlkommission-absolute-mehrheit-in-polen-171078/ |titel=PiS errang laut Wahlkommission absolute Mehrheit in Polen |werk=www.salzburg.com |abruf=2016-01-01}}</ref><ref>{{Literatur |Titel=Premierministerin Beata Szydlo: Neue Regierung in Polen vereidigt |Sammelwerk=fr-online.de |Datum=2015-11-16 |Online=https://www.fr.de/politik/neue-regierung-polen-vereidigt-11160079.html |Abruf=2016-01-01}}</ref> Im Zuge einer Regierungsumbildung beschloss die PiS, dass [[Mateusz Morawiecki]] Frau Szydło nach ihrem Rücktritt als Ministerpräsident ablösen sollte.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/polen-mateusz-morawiecki-soll-regierungschefin-beata-szydlo-abloesen-a-1182295.html ''Mateusz Morawiecki wird Polens neuer Regierungschef.''] In: ''Spiegel online'' vom 7. Dezember 2017, abgerufen am 18. April 2020.</ref> Anfang Dezember 2017 wurde er zum neuen Ministerpräsidenten des Landes ernannt.<ref>''[https://www.nzz.ch/international/aktuelle-themen/polens-neuer-ministerpraesident-mateusz-morawiecki-ist-offiziell-ernannt-ld.1337522 Polens neuer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ist offiziell ernannt.]'' In: '' [[Neue Zürcher Zeitung|NZZ]]'', 8. Dezember 2017, abgerufen am 18. April 2020.</ref> Morawiecki wurde nach der Parlamentswahl 2019 erneut Ministerpräsident und Duda wurde im Juli 2020 erneut zum [[Präsidentschaftswahl in Polen 2020|polnischen Präsidenten gewählt]]. |
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Aus der [[Parlamentswahl in Polen 2023|Parlamentswahl in Polen im Oktober 2023]] ging [[Donald Tusk]]s 2018 gegründete [[Koalicja Obywatelska]] (KO) als zweitstärkste Kraft (30, % der Stimmen) nach der [[Prawo i Sprawiedliwość|PiS]] (35,4 %) hervor. [[Kabinett Tusk III#Regierungsparteien|Drei Parteienbündnisse]] (KO, [[Trzecia Droga|TD]] und [[Lewica]]) schlossen eine Regierungskoalition. Nach einem zweiwöchigen Intermezzo ([[Kabinett Morawiecki III]]) trat am 13. Dezember 2023 das [[Kabinett Tusk III]] die Regierung an. |
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[[Bild:Boleslaw Bierut.jpeg|thumb|right|200x|[[Bolesław Bierut]], erster [[Generalsekretär]] des polnischen [[Zentralkomitee]]s bis [[1956]], [[1947]]-[[1952]] Präsident der kommunistisch dominierten "Republik Polen", [[1952]] mit der offiziellen Gründung der [[Volksrepublik|Volksrepublik Polen]] und der Auflösung des Präsidentenamtes bis [[1954]] auch Premierminister]] |
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Wie wenig gefestigt das politische System war, erwies sich schon im Juni des gleichen Jahres, als Tausende von Arbeitern im westpolnischen [[Posen]] streikten. Aus dieser Bewegung, die zunächst materielle Hintergründe hatte, wurde rasch ein politischer Aufstand, den die Parteiführung blutig niederschlagen ließ. Dabei kamen nach offiziellen Angaben 74 Menschen ums Leben, über 500 wurden verletzt. |
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Während der Zeit seit seiner Unabhängigkeit hat Polen seinen [[Human Development Index]] (HDI) von 0.716 im Jahr 1989, was zu diesem Zeitpunkt den 44. Platz weltweit bedeutete, bis zum Jahr 2021 auf 0.876 gesteigert, was nun den 34. Platz weltweit einnimmt.<ref>{{Internetquelle |url=https://countryeconomy.com/hdi/poland |titel=Poland - Human Development Index - HDI 1989-2021 {{!}} countryeconomy.com |werk=countryeconomy.com |sprache=en |abruf=2024-05-02}}</ref> Das Land gilt zu dieser Zeit laut dem HDI als ein „Land mit sehr hoher menschlicher Entwicklung“. Die relativ friedliche und für die Wirtschaft günstige 32-jährige Phase seit 1989 hat Polen den vorgenannten relativ wohlhabenden Status beschert. |
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Der Streit über das weitere Vorgehen vertiefte den Konflikt im Politbüro. Verschärft wurde die Lage durch die politische Entwicklung in [[Ungarischer Volksaufstand|Ungarn]], wo sich tiefgreifende Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft abzeichneten. Während die stalinistische Fraktion in Polen (''nach ihrem Treffpunkt auch "[[Natolin]]-Gruppe" genannt'') für eine Fortsetzung des politischen Kurses plädierte, sprachen sich die Liberalen (''auch "[[Puławy]]-Gruppe" genannt'') für eine gesellschaftliche Reformbewegung aus, die die "[[Diktatur des Proletariats]]" allerdings nicht antasten wollte. Letztere setzten sich schließlich durch. Der stalinistische Wirtschaftschef [[Hilary Minc]] wurde zum Rücktritt gezwungen, der rehabilitierte ehemalige Generalsekretär [[Władysław Gomułka]] kehrte im Triumph an die Macht zurück, obwohl Moskau dem zunächst nicht zustimmen wollte, seine Truppen mobilisierte und die komplette Parteiführung zu einem unangemeldeten Blitzbesuch in Warschau eingetroffen war. Schließlich gab man nach und der bisherige polnische Verteidigungsminister Marschall [[Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski|Konstanty Rokossowski]] - ein sowjetischer Staatsbürger, über seinen Vater polnischer Herkunft - wurde in seine Heimat zurückgerufen. |
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== Siehe auch == |
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Schon in seiner ersten Rede kündigte Gomułka tiefgreifende Reformen an. Im kirchlichen und kulturellen Bereich wurde ein größerer Freiraum zugestanden, die [[Zwangskollektivierung]] der Landwirtschaft wurde beendet, eine Reorganisation des gesamten Wirtschaftssystems zugesagt. Bald zeigte sich jedoch, dass diesen Worten nur wenige Taten folgten: liberale Zeitschriften wurden wieder verboten, der staatliche Religionsunterricht abgeschafft. Gegen Abtrünnige in den eigenen Reihen begann die Parteiführung massiv vorzugehen. Zwei Studenten, die "endlich einen echten Kommunismus für Polen forderten" wurden [[1965]] zu Haftstrafen verurteilt. Einer von ihnen war der spätere Dissident und Minister [[Jacek Kuroń]]. Ein Jahr später wurde der bekannte marxistische Philosoph [[Leszek Kołakowski]] aus der Partei ausgeschlossen. |
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{{Portal|Polen}} |
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* [[Politisches System Polens]] |
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Angesichts der Feiern zum [[Millennium]] des christlichen Polens im Jahre [[1966]] steuerte die Auseinandersetzung zwischen Staat und der katholisch-polnischen Kirche auf einen neuen Höhepunkt zu, die auch das Deutungsmonopol über die polnische Geschichte zum Thema hatte. Hinzu kamen außenpolitische Verwerfungen, vor allem vor dem Hintergrund der nach [[1956]] wieder verstärkten anti(west)deutschen [[Agitation]]. |
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* [[Außenpolitik Polens]] |
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* [[Verfassungsgeschichte Polens]] |
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[[Bild:Poznanskie_Krzyze_Pomnik.jpg|thumb|left|Denkmal für die Opfer des [[Posener Aufstand|Posener Aufstandes]] aus dem Jahre [[1981]] ]] |
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* [[Liste historischer Regionen Polens]] |
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Polen, das von Anfang an Mitglied des [[Warschauer Pakt|Warschauer Paktes]] und des [[Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe|Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe]] (RGW,"Comecon") war, hatte Ende der [[1950]]er Jahre verschiedentlich versucht, seine Eigenständigkeit zu betonen, etwa im Zusammenhang mit einem Plan zur atomaren Abrüstung in [[Mitteleuropa]] ("[[Rapacki-Plan]]"). Im Großen und Ganzen passte man sich aber der Moskauer Linie an, um dafür etwas Eigenständigkeit im Inneren bewahren zu können. Der Brief der polnischen katholischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder aus dem Jahre [[1965]], der die bekannte Formulierung "wir vergeben und bitten um Vergebung" enthielt, wurde - obwohl er nicht die gewünschte Resonanz bei den deutschen Bischöfen fand - als ein Affront gegen die kommunistische Parteiführung empfunden, die nach vorsichtigen Versuchen, diplomatische und wirtschaftliche Kontakte mit der Bundesrepublik aufzunehmen, mangels positiver Reaktionen im Westen wieder zu ihrer alten Haltung zurückgekehrt war. Auch das Verhältnis zur [[DDR]] gestaltete sich in jenen Jahren nicht besonders positiv und war von Ressimentiments auf beiden Seiten geprägt. |
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* [[Geschichte der Juden in Polen]] |
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* [[Polnische Kultur im Zweiten Weltkrieg]] |
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Im kulturellen Bereich waren die ersten Jahre der Gomułka-Herrschaft durchaus von positiven Entwicklungen geprägt. In den Jahren der so genannten "kleinen Stabilisierung" (''benannt nach einem Theaterstück von [[Tadeusz Konwicki]]'') entstand eine Reihe wichtiger Werke in Literatur, Kunst und im Kinobereich, etwa die ersten Filme von [[Andrzej Wajda]], [[Andrzej Munk]] und [[Roman Polański]]. |
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* [[Liste der polnischen Herrscher]] |
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* [[Liste der Präsidenten Polens]] |
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In der zweiten Hälfte der [[1960]]er Jahre spitzten sich die innerparteilichen Konflikte in der PVAP zu. Eine Gruppe von kommunistischen Kadern, die sich durch ihren Kampf gegen die deutschen Besatzer im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] besonders verbunden fühlte (''die so gen. "Partisanen"''), drängte unter ihrem Anführer, Innenminister General Mieczysław Moczar, an die Macht. Moczar baute Geheimdienst und Bürgermiliz aus und schuf sich eine breite Anhängerschaft innerhalb der Bevölkerung, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung äußerst unzufrieden war. Die offizielle Propaganda gegen Israel wegen des [[Sechstagekrieg|Sechstagekriegs]] im Jahre [[1967]] und die sogenannten [[Märzereignisse]] im März 1968 nahm Moczar zum Anlass, die erste staatlich tolerierte und geförderte antisemitische Kampagne gegen [[Juden]], die in einem europäischen Land nach [[1945]] ohne Beispiel war, zu starten, um die kritischen und liberalen [[Intellektuelle|Intellektuellen]], sowie wirkliche und potenzielle Oppositionelle mundtot zu machen und sich die Macht im polnischen Staat zuzuschanzen. Als Folge davon wurden etwa 20.000 polnische Juden in den Jahren [[1968]]/[[1969]] zum Verlassen Polens, unter Verlust der polnischen Staatsbürgerschaft, getrieben. Zusätzlich griffen Proteste im Zusammenhang mit dem "[[Prager Frühling]]" auf das Land über. Die auf die Absetzung der Aufführung des Theaterstücks [[Dziady]] von [[Adam Mickiewicz]] in Warschau folgenden Studentenproteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. In der PVAP setzte eine Säuberungswelle ein, der u.a. Außenminister [[Adam Rapacki]] zum Opfer fielen. |
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* [[Liste der Ministerpräsidenten Polens]] |
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* [[Polnischer Aufstand|Polnische Nationalaufstände]] |
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[[Image:Wladyslaw Gomulka.jpg|thumb|right|200x|[[Władysław Gomułka]], Generalsekretär der [[PVAP]] ]] |
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* [[Russisch-Polnische Kriege]] |
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Parteichef Gomułka war zunächst weder Willens noch in der Lage, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Erst allmählich distanzierte er sich vorsichtig von seinem Innenminister. Gleichzeitig versuchte er, durch außenpolitische Anstrengungen der Krise seiner Herrschaft entgegen zu treten. |
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Nachdem der gesellschaftliche Dialog zwischen der Bundesrepublik und Polen bereits zu Beginn der [[1960]]er Jahre in Gang gekommen war (''Tübinger Memorandum [[1961]], EKD-Denkschrift [[1965]] etc.'') hatte die [[Große Koalition]] [[Kiesinger]]/[[Willy Brandt|Brandt]] [[1966]] den Boden für eine neue [[Ostpolitik]] bereitet, die die neue sozialliberale Koalition Brandt/[[Walter Scheel|Scheel]] nach [[1969]] fortsetzte. Vor diesem Hintergrund erklärte sich Gomułka zu offiziellen Verhandlungen bereit, die in erster Linie der Frage der polnischen Westgrenze zum Thema haben sollten. Nachdem [[Bonn]] mit Moskau zu einer Vertragsvereinbarung bezüglich des deutsch-sowjetischen Verhältnisses gelangt war, kamen Ende [[1970]] auch die Verhandlungen mit Polen zu einem Abschluss. |
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Der Unterzeichnung des Vertrages in [[Warschau]], der die [[Oder-Neiße-Grenze]] aus westdeutscher Rechtsposition bestätigte, wie es die DDR schon im [[Görlitz|Görlitzer Vertrag]] von [[1950]] getan hatte, einen gegenseitigen Gewaltverzicht und die Bereitschaft zu weiterer politischer Zusammenarbeit beinhaltete, folgte als symbolischer Höhepunkt der legendäre [[Kniefall_von_Warschau|Kniefall]] [[Willy Brandt|Willy Brandts]] vor dem Denkmal für die Opfer des [[Aufstand_im_Warschauer_Ghetto|Aufstandes im Warschauer Ghetto]] am [[7. Dezember]] [[1970]], der in der Bundesrepublik teilweise heftig kritisiert wurde, für die Polen aber - obwohl offiziell kaum darüber berichtet wurde - einen entscheidenden Einschnitt in den Nachkriegsbeziehungen darstellte. [http://img.stern.de/_content/52/49/524980/brandt_500.jpg] |
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Die Herrschaft Gomułkas konnte dieser außenpolitische Erfolg freilich nicht mehr retten. Knapp zwei Wochen nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages führten plötzlich verkündete radikale Preiserhöhungen für Lebensmittel zu Arbeiterprotesten. Ausgehend von den großen Werften in [[Danzig]] und [[Stettin]] brachen in den Industriezentren Unruhen aus, die von Plünderungen und Brandstiftungen begleitet waren. Erst der Einsatz von Militär konnte den Aufruhr stoppen, dem 45 Menschen zum Opfer fielen, über 1000 wurden verletzt. Das Politbüro entschied sich daraufhin dafür, Parteichef Gomułka zu opfern und zwang ihn zum Rücktritt. |
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===Die Ära Gierek 1970 - 1980=== |
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[[Bild:Edward_Gierek.jpg|thumb|left|200px|Edward Gierek, Generalsekretär der [[PVAP]] von [[1970]] bis [[1980]] ]] |
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Gomułkas Nachfolger, der oberschlesische Parteifunktionär [[Edward Gierek]], genoss in weiten Teilen der Bevölkerung große Sympathien. Ihm gelang es, große Teile der alten Kader rasch auszuwechseln. Seine neue Wirtschaftspolitik stand unter dem Schlagwort von der besseren Befriedigung der Konsumbedürfnisse der Bevölkerung. Mit Lohn- und Rentenerhöhungen sollte der allgemeine Lebensstandard angehoben werden. Die eingeleiteten Reformen (''größere Unabhängigkeit der Regierung von der kommunistischen Partei, Erweiterung der Arbeitermitbestimmung, Änderung der Verwaltungsstrukturen etc.'') bewirkten in der Praxis aber eher noch einen Machtzuwachs der [[PVAP]] auf allen Ebenen. |
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Die Ansätze einer umfassenden Modernisierung der Wirtschaft lagen vor allem im Bereich der Schaffung neuer Strukturen, deren Verfahren und Produktionsstätten im Westen auf Kredit eingekauft wurden. Die Rückzahlung sollte durch den Verkauf der erzeugten neuen Produkte ins Ausland erfolgen. Diese Bemühungen bewirkten in der Tat gerade im psychologischen Bereich positive Veränderungen. Die größere Produktpalette und die steigende Kaufkraft erweckten den Anschein einer Annäherung an die Konsumgesellschaften des Westens, weswegen auch im Rückblick heute viele Polen die Gierek-Zeit besonders positiv in Erinnerung haben. In Wirklichkeit war aber die Zentrale Wirtschaftsplanungskommission nicht in der Lage, die unterschiedliche Entwicklung in verschiedenen Wirtschaftszweigen aufeinander abzustimmen. |
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In der Außenpolitik verbesserte sich das Verhältnis zur Bundesrepublik weiter, u.a. wegen der "Männerfreundschaft" zwischen Gierek und dem neuen Bundeskanzler [[Helmut Schmidt]]. Die Öffnung der Grenze zur [[DDR]] schuf jedoch aufgrund der ökonomischen Unterschiede zwischen beiden Ländern eine Reihe von Spannungen. |
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[[Bild:JohannesPaulII.JPG|thumb|right|150px|[[Erzbischof]] von [[Krakau]] Karol Wojtyła, als Papst [[Johannes Paul II.]] ]] |
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Die innenpolitischen Daumenschrauben wurden Mitte der [[1970]]er Jahre allmählich wieder angezogen, was die Unterdrückung von Gegenstimmen zur neuen, sozialistischen Verfassung deutlich zeigte. Als im Juni [[1976]] die Preise für Grundnahrungsmittel drastisch erhöht wurden, kam es in den industriellen Zentren [[Radom]] und [[Ursus]] bei Warschau zu Unruhen. Die Preiserhöhungen wurden daraufhin zwar zurückgenommen, gleichzeitig aber eine große Anzahl von Arbeitern entlassen, verhaftet und sogar zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. |
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Während es bis dahin keine klare Trennungslinien innerhalb der polnischen Gesellschaft gab und die Reformdiskussionen bis weit in die PVAP hinein geführt wurden, entwickelten sich nun erstmals deutlich oppositionelle Gruppierungen in Polen selbst. Führende Intellektuelle gründeten am [[23. September]] [[1976]] das "[[Komitee zur Verteidigung der Arbeiter]]" (''Komitet Obrony Robotników, KOR''). Der zunehmende Druck der öffentlichen Meinung verhinderte in der Folgezeit repressive Maßnahmen der Parteiführung. In den nächsten Jahren gründeten sich weitere Bürgerrechtsorganisationen. Gleichzeitig engagierte sich die katholische Kirche unter ihrem [[Primas]] [[Stefan Wyszyński|Stefan Kardinal Wyszyński]] zunehmend stärker. Ihre besondere Stellung wurde untermauert durch die mit Begeisterung aufgenommene Wahl des Krakauer Erzbischofs [[Karol Wojtyła]] zum Papst am [[16. Oktober]] [[1978]] und dessen triumphale erste Polenreise ein halbes Jahr danach. |
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Zu Beginn des neuen Jahrzehnts zeichnete sich angesichts der immer größeren wirtschaftlichen Probleme ab, dass auch die Zeit des einstmals bejubelten Edward Gierek abgelaufen war. |
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===Von der ''Solidarność'' bis zur Wende 1980 - 1989=== |
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====Opposition, Streikbewegung und Gewerkschaft==== |
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Schon [[1977]] und [[1978]] waren in [[Radom]] bzw. [[Kattowitz]] Zellen unabhängiger Gewerkschaften gegründet worden. Am [[29. April]] [[1978]] entstand in [[Danzig]] das "Gründungskomitee freier Gewerkschaften für das Küstengebiet", dessen Teilnehmer zumeist schon [[1970]] mitgestreikt hatten. Zu ihnen stieß bald der junge Elektriker der "Lenin-Werft" [[Lech Wałęsa]]. In der Untergrundzeitschrift "Robotnik" (Der Arbeiter) wurde im September [[1979]] die so gen. "Charta der Arbeiterrechte" veröffentlicht. In ihr wurden die bisherigen Erfahrungen mit Streiks berücksichtigt, Forderungen für die Zukunft aufgestellt und allgemeine Positionen festgelegt. |
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[[Bild:Walesa.jpg|thumb|left|120px|[[Lech Wałęsa]], Führer der polnischen Gewerkschaftsbewegung [[Solidarność]], [[1990]] - [[1995]] Staatspräsident der Dritten Republik]] |
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Anfang [[1980]] hatte sich die gesamtwirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert: die [[Subvention]]en für Grundnahrungsmittel verschlangen etwa 40% der Staatseinnahmen, der Kaufkraftüberhang nahm ständig zu. Die Regierung wählte wiederum den Weg der Preiserhöhungen und begann mit ihnen ohne öffentliche Bekanntmachung am [[1. Juli]], dem landesweiten Beginn der Sommerferien. Dennoch brachen in vielen Betrieben umgehend [[Streik]]s aus, die Mitte August die [[Ostsee]]küste erreichten. Obwohl die Parteiführung nun wieder zum Nachgeben bereit war, konnte sie die Bewegung nicht mehr eindämmen. Als die Belegschaft der Danziger "Lenin-Werft" wie schon [[1970]] komplett in den Ausstand trat und das Werksgelände besetzt hatte, stellte das neue [[Komitee|Streikkomitee]] erstmals auch politische Forderungen, etwa die Wiedereinstellung der entlassenen Streikführer und die Errichtung eines Denkmals für die Opfer von [[1970]]. |
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Die [[Warschau|Warschauer Regierung]] erkannte alsbald die Gefahr, die von der sich ausbreitenden Streikwelle ausging, und kappte alle Verbindungen nach Danzig und Umgebung. Ein Teil der streikenden Werftarbeiter akzeptierte das Kompromissangebot der Werksleitung, andere plädierten für eine Ausdehnung des Arbeitskampfes, die mit der Gründung eines Überbetrieblichen Streikkomitees am [[16. August]] auch erfolgte. Der von seinem Vorsitzenden Lech Wałęsa präsentierte Forderungskatalog enthielt u.a. den Wunsch nach Errichtung freier Gewerkschaften, Meinungsfreiheit und das Streikrecht. |
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Innerhalb der [[PVAP]] setzten sich nun die Reformkräfte durch und man akzeptierte in Verhandlungen in [[Stettin]] und Danzig am [[30. August|30.]] und [[31. August]] die meisten der Forderungen. |
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Die Gewerkschaftskräfte waren jedoch nicht mehr bereit, ihre Tätigkeit auf den Danziger Raum zu beschränken und beschlossen die Ausdehnung auf das ganze Land. Mit einem Warnstreik erzwang die neue Organisation, die sich den Namen "[[Solidarność]]" (Solidarität) gab am [[3. Oktober]] ihre gerichtliche Registrierung. In den Wochen darauf setzte ein gewaltiger Ansturm auf sie ein, so dass ihr schon im November etwa 10 Millionen Arbeitnehmer angehörten (''von insgesamt 16 Millionen''), darunter über 1 Million Mitglieder der [[PVAP]]. |
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[[Bild:Solidarnosc.png|thumb|right|250px|Logo der freien Gewerkschaft "[[Solidarność]]" (''de:Solidarität'')]] |
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Die innenpolitische Lage schien sich nun allmählich zu entspannen, nachdem Parteichef Gierek schon im September durch den gemäßigten [[Stanisław Kania]] ersetzt und die meisten [[Hardliner]] aus dem Politbüro entfernt wurden. Der Vorschlag mehrerer osteuropäischer Parteichefs, darunter [[Erich Honecker]], mit den [[Warschauer-Pakt|Warschauer-Pakt-Truppen]] einzumarschieren, scheiterte am [[Veto]] [[Moskau]]s, das nach den Erfahrungen der Besetzung [[Afghanistan|Afghanistans]] eine weitere Verschlechterung des weltpolitischen Klimas fürchtete (''siehe auch [[Afghanischer Bürgerkrieg und sowjetische Invasion]]''). |
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Der [[Kreml]] steigerte jedoch den Druck auf die PVAP, die "Konterrevolution" zu bekämpfen und veranstaltete wiederholt Manöver in der Nähe der Grenzen Polens. Im Frühjahr [[1981]] kam es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staatsorganen und Gewerkschaftsaktivisten. Aufgrund der sich weiter verschlechterten wirtschaftlichen Lage häuften sich wilde Streiks, der Eindruck von Chaos verbreitete sich angesichts der "Doppelherrschaft". In dieser entscheidenden Phase waren zudem die bewährten Vermittlungsmöglichkeiten der Kirche eingeschränkt, weil im Mai sowohl das Attentat auf Papst [[Johannes Paul II.]] verübt worden als auch [[Primas]] [[Stefan Wyszyński]] gestorben war. |
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Nachdem der erste Landeskongress der [[Solidarność]] im September [[1981]] ein noch stärkeres politisches Engagement beschlossen und sogar eine Botschaft an alle Arbeiter der anderen sozialistischen Staaten gerichtet hatte, entschloss sich die PVAP-Führung endgültig zum Konfrontationskurs. |
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====Jaruzelski und der Kriegszustand==== |
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[[Bild:Wojciech Jaruzelski1.JPG|thumb|right|200px|General [[Wojciech Jaruzelski]] verhängte den [[Kriegsrecht|Kriegszustand]] über die Volksrepublik Polen]] |
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Auf dem 4. ZK-Plenum vom [[16. Oktober|16.]] bis [[18. Oktober]] wurde Parteichef Stanisław Kania durch den als Hardliner geltenden Verteidigungsminister General [[Wojciech Jaruzelski]] ersetzt. Die Vorbereitungen für einen entscheidenden Schlag gegen die [[Opposition]] waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. |
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Trotz der Bereitschaft der "[[Solidarność]]" zu Kompromissen übernahmen in der Nacht vom [[12. Dezember|12.]] auf den [[13. Dezember]] [[1981]] Militär und Sicherheitsorgane die Macht in Polen. General Jaruzelski verkündete in einer Fernsehansprache die Verhängung des [[Kriegsrecht|Kriegszustandes]]. Die Führungsspitze der Gewerkschaft wurde in Danzig verhaftet. Regionalführer, Leiter der Betriebskommissionen und oppositionelle Intellektuelle, insgesamt einige Tausend Personen, wurden in Internierungslager gebracht. Jaruzelski rechtfertigt bis zum heutigen Tage diesen Schritt mit einer angeblichen unmittelbaren Gefahr des Einmarsches der [[Rote Armee|Roten Armee]], doch gibt es für diese keinerlei Beweise, ja, es sprach eigentlich alles gegen eine solche Option des Kreml zum damaligen Zeitpunkt. |
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[[Bild:Zomo2.jpg|thumb|left|200px|[[Kriegsrecht|Kriegszustand]] in der Volksrepublik Polen [[1982]]]] |
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Die kommunistische Partei, deren Tätigkeit interessanterweise ebenfalls kurzfristig suspendiert worden war, besaß kein Konzept zur inneren Erneuerung des Landes. Man suchte vielmehr nun Wege der Verständigung mit den gesellschaftlichen Kräften, die nicht zur "[[Solidarność]]" gehörten, vor allem mit der katholischen Kirche. Im wirtschaftlichen Sektor begann man mit zaghaften Reformen, deren Erfolge aber zu wünschen übrig ließen. Sie waren begleitet von internen Machtkämpfen zwischen "Falken" und "Tauben" in der PVAP, deren Höhepunkt die Ermordung des oppositionellen Priesters [[Jerzy Popiełuszko]] durch Angehörige des Sicherheitsapparates im Oktober [[1984]] war. |
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Parallel zur Entwicklung in der [[Sowjetunion]] nach dem Machtantritt von [[Michail Gorbatschow]] setzten sich seit Mitte der [[1980]]er Jahre auch in Polen die Reformkräfte durch. Im Rahmen einer Amnestie wurden im Juli [[1986]] alle politischen Gefangenen freigelassen. Um angesichts der sich weiter verschlechternden Versorgungssituation die Unterstützung der Bevölkerung für weitere Wirtschaftsreformen zu gewinnen, führte man im November [[1987]] die erste Volksabstimmung nach über 40 Jahren durch, die mit einer klaren Niederlage für die Regierung endete. Zwei Streikwellen im April, Mai und im August [[1988]] brachten die Reformer zu der Erkenntnis, dass ohne weitere Zugeständnisse die Dauerkrise nicht würde überwunden werden können. |
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====Agonie und Ende der Volksrepublik==== |
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Die "[[Solidarność]]" hatte die ganze Zeit über im Untergrund weiter gewirkt. Es erschienen zahlreiche Zeitschriften und Bücher in Anknüpfung an die sowjetische [[Samizdat]]-Tradition im so genannten "Zweiten Umlauf" (''drugi obieg''). Die systemkonformen Gewerkschaften wurden weitgehend boykottiert. |
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[[Bild:50000 zl a 1989.jpg|left|185px|thumb|Banknote der polnischen Zentralbank über ein [[Nennwert]] von 50.000 [[Złoty]] während der [[Hyperinflation]] [[1989]]]] |
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Die anwachsende Streikbewegung wurde von der [[PVAP]] mit Sorge betrachtet, zumal sich herausstellte, dass an ihr vor allem jüngere Arbeiter der Nach"-[[Solidarność]]"-Generation beteiligt waren. Die Politik Jaruzelskis, die auf den Prinzipien der [[Konsultation]] und [[Kooptation]] beruhte, war gescheitert. Unter Vermittlung von führenden [[Intellekt]]uellen und der katholischen Kirche kam es am [[31. August]] [[1988]] zu einem ersten Gespräch zwischen Innenminister [[Czesław Kiszczak]] und [[Lech Wałęsa]] "unter Gleichen". Die Verhandlungen traten zunächst auf der Stelle, besonders als sich der neue Ministerpräsident [[Mieczysław Rakowski]] auf reine Wirtschaftsreformen konzentrieren wollte. Erst nach einer Fernsehdiskussion zwischen Wałęsa und dem Chef der offiziellen Gewerkschaft, Alfred Miodowicz, die nach mehrheitlicher Auffassung der Zuschauer ersterer klar für sich entschied, war der Parteiführung klar, dass ohne eine Beteiligung der "Solidarność" neue Reformen in der Bevölkerung nicht durchzusetzen sein würden. |
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Vom [[6. Februar]] bis [[5. April]] [[1989]] versammelten sich in [[Warschau]] Repräsentanten der Partei und der gesellschaftlichen Opposition zu Gesprächen am [[Runder Tisch|Runden Tisch]]. Die eigentliche Arbeit in verschiedenen Verhandlungsgruppen führte zu radikalen Veränderungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Im politischen Sektor vereinbarte man die schrittweise Einführung der vollen [[Volkssouveränität]] mit dem dazu gehörenden [[Pluralismus]]. Als Sofortmaßnahme wurde am [[17. April]] die "Solidarność" wieder zugelassen. Die Anerkennung eines [[Mehrparteiensystem|Mehrparteiensystems]], des Prinzips freier Wahlen und unabhängiger Gerichte waren weitere wichtige Etappen dieser "Refolution" (''[[Timothy Garton Ash]]''). |
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[[Bild:Okragly Stol 1989.jpg|right|185px|thumb|[[Runder Tisch]] zwischen den Vertretern der [[PVAP]] und der [[Solidarność|Solidarność-Bewegung]] [[1989]] ]] |
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Die ersten halbwegs freien Wahlen seit über 40 Jahren beschleunigten den Systemwandel noch. Die Sitze im [[Sejm]] wurden nach dem Schlüssel 65 Prozent für die PVAP und ihre Verbündeten, 35 Prozent für die Opposition vergeben, während die Wahlen zum Senat unbeschränkt waren. Von den 262 vorher festgelegten Kandidaten der "Solidarność" wurde nur ein einziger nicht gewählt, während die PVAP ihre Kandidaten nur mit Hilfe einer kurzfristigen Änderung des Wahlgesetzes durchbrachte. |
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Die Wahl General Jaruzelskis zum Staatspräsidenten am [[19. Juli]] erfolgte nur noch mit einer Stimme Mehrheit, ein von der PVAP geführtes Kabinett unter General Kiszczak kam gar nicht mehr zustande. Statt dessen gelang es der "Solidarność" in Zusammenarbeit mit zwei bisherigen [[Blockpartei|Blockparteien]] am [[13. September]] eine Regierung unter dem katholischen Publizisten [[Tadeusz Mazowiecki]] zu bilden. Diese Ereignisse in Polen, die vom Kreml unterstützt wurden, trugen maßgeblich zum Fall der [[Berliner Mauer]] in Deutschland und zum Niedergang des [[Kommunismus]] im östlichen Europa bei. |
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==Das freie Polen und die Dritte Republik seit 1989 == |
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Siehe den Artikel zur [[Geschichte Polens (Die Dritte Republik)|Dritten Republik]]. Der Artikel befasst sich mit der Geschichte Polens von [[1989]] bis heute. |
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== Literatur == |
== Literatur == |
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=== Gesamtdarstellungen und Überblicke === |
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* [[Manfred Alexander]]: ''Kleine Geschichte Polens.'' aktual. u. erw. Auflage. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-017060-1. |
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* [[Norman Davies]]: ''Im Herzen Europas – Geschichte Polens.'' 4., durchgesehene Auflage. Mit einem Geleitwort von [[Bronisław Geremek|Bronislaw Geremek]]. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-46709-1. |
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* [[Peter Gatter]]: ''Der weiß-rote Traum. Polens Weg zwischen Freiheit und Fremdherrschaft.'' Düsseldorf/Wien 1983, ISBN 3-426-03724-6. |
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* [[Jürgen Heyde]]: ''Geschichte Polens.'' Beck, München 2006, ISBN 3-406-50885-5. |
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* [[Jörg K. Hoensch]]: ''Geschichte Polens.'' Stuttgart 1983, ISBN 3-8252-1251-3. |
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* [[Rudolf Jaworski]], [[Christian Lübke]], [[Michael G. Müller]]: ''Eine kleine Geschichte Polens.'' Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-12179-0. |
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* Enno Meyer: ''Grundzüge der Geschichte Polens.'' 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-04371-5. |
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* [[Gotthold Rhode]]: ''Geschichte Polens – Ein Überblick.'' Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8. |
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Im Auftrag des Deutschen Polen-Instituts, hrsg. von [[Dieter Bingen]], [[Hans-Jürgen Bömelburg]] und [[Peter Oliver Loew]]. 5 Bände (bisher 4 erschienen) |
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* {{Literatur |
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|Autor=Norbert Kersken, [[Przemysław Wiszewski]] |
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|Titel=Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter |
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|Sammelwerk=WBG Deutsch-polnische Geschichte |
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|Band=1 |
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|Verlag=wbg Academic |
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|Ort=Darmstadt |
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|Datum=2020 |
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|ISBN=978-3-534-24762-2}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=Hans-Jürgen Bömelburg, Edmund Kizik |
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|Titel=Altes Reich und alte Republik: deutsch-polnische Beziehungen und Verflechtungen 1500-1806 |
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|Sammelwerk=WBG Deutsch-Polnische Geschichte |
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|Band=2 |
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|Verlag=WBG, Wissenschaftliche Buchgesellschaft |
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|Ort=Darmstadt |
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|Datum=2014 |
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|ISBN=978-3-534-24763-9}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=Jörg Hackmann, Marta Kopij-Weiss |
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|Titel=Nationen in Kontakt und Konflikt: deutsch-polnische Beziehungen und Verflechtungen 1806-1918 |
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|Sammelwerk=WBG Deutsch-Polnische Geschichte |
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|Band=3 |
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|Verlag=WBG, Wissenschaftliche Buchgesellschaft |
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|Ort=Darmstadt |
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|Datum=2014 |
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|ISBN=978-3-534-24764-6}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=Markus Krzoska, Paweł Zajas |
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|Titel=Kontinuität und Umbruch: deutsch-polnische Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg |
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|Sammelwerk=WBG Deutsch-polnische Geschichte |
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|Band=5 |
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|Verlag=wbg Academic |
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|Ort=Darmstadt |
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|Datum=2021 |
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|ISBN=978-3-534-24766-0}} |
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=== |
=== Einzelne Epochen === |
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* Daniel Brewing: ''Im Schatten von Auschwitz. Deutsche Massaker an polnischen Zivilisten 1939–1945.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-534-26788-0. |
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* |
* Andrzej Friszke, Antoni Dudek: ''Geschichte Polens 1939–2015.'' Brill-Schöningh, Paderborn 2022, ISBN 978-3-506-76001-2. |
||
* Marcin Zaremba: ''Die große Angst. Polen 1944–1947: Leben im Ausnahmezustand.'' Übersetzt von Sandra Ewers. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016, ISBN 978-3-506-78093-5.<ref>''Zwischen Schrecken und Bangen'' in [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]] vom 14. Juni 2016, S. 6.</ref> |
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* Norman Davies: ''Im Herzen Europas - Geschichte Polens'', München 2000. ISBN 3-406-46709-1 (Aktualisiert um die Geschichte nach 1989) |
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* Peter Gatter: ''Der weiß-rote Traum. Polens Weg zwischen Freiheit und Fremdherrschaft'', Düsseldorf/Wien 1983, ISBN 3-426-03724-6 |
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* Jürgen Heyde: ''Geschichte Polens'', München (erscheint Februar 2006), ISBN 3-406-50885-5 |
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* Jörg K. Hoensch: ''Geschichte Polens'', Stuttgart 1983, ISBN 3-825-21251-3. |
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* Rudolf Jaworski; Christian Lübke; Michael G. Müller: ''Eine kleine Geschichte Polens'', Frankfurt/Main 2000, ISBN 3-518-12179-0. |
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* Enno Meyer: ''Grundzüge der Geschichte Polens'', 3., erw. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1990, ISBN 3-534-04371-5. |
|||
* Gotthold Rhode: ''Geschichte Polens. Ein Überblick'', Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8 |
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* Hans Roos: ''Geschichte der polnischen Nation 1918-1985'', Stuttgart etc. 1986, ISBN 3-170-07587-X |
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* E. + P. Ruge: ''Nicht nur die Steine sprechen deutsch'', Berlin (Langen-Müller) 1985, vergriffen |
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===englischsprachig=== |
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* Norman Davies: God's Playground. A History of Poland. Oxford (u.a.): Columbia University Press 1982. 2 Bde. Zus. 1330 S. ISBN 0-231-05351-7 |
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* Jerzy T. Lukowski; Hubert Zawadzki: A concise history of Poland, Cambridge: Cambridge University Press 2001, 317 S. ISBN 0-521-55109-9 |
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* Anita J. Prazmowska: A History of Poland. London: Palgrave Macmillan 2004. 256 S. ISBN 0-333-97254-6 |
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* Daniel Stone: The Polish-Lithuanian State 1386-1795. Seattle: University of Washington Press 2001. 374 S. ISBN 0-295-98093-1 |
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===polnischsprachig=== |
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* Norman Davies: ''Boże Igrzysko. Historia Polski'', Kraków 5. Aufl. 2004, ISBN 83-240-0020-8 |
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* Andrzej Friszke: ''Polska - losy państwa i narodu 1939-1989'', Warszawa 2003, ISBN 83-207-1711-6 |
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* Andrzej Paczkowski: ''Pół wieku dziejów Polski: 1939-1989'', Warszawa 1995, ISBN 83-01-11756-7 |
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== Fußnoten == |
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<references /> |
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*[[Liste der Herzöge und Könige von Polen]] |
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*[[Liste der Präsidenten Polens]] |
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*[[Staatspräsident von Polen im Exil]] |
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*[[Liste der Premierminister Polens]] |
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*[[Parteichefs der PZPR Polens]] |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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{{Commonscat|History of Poland|Geschichte Polens}} |
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* [http://www.markuskrzoska.de/polhist.htm Polhist - Mailingliste zur Geschichte Polens] |
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* [https://hds.hebis.de/herder/Search/Results?lookfor=Geschichte+Polens&type=allfields&filters=on&filter%5B%5D=department_herder%3A%2278%2F000%22&view=list&facetSet=Abteilung:Bibliographie Bibliographie zur Geschichte Polens] im Bibliotheks- und Bibliographieportal / [[Herder-Institut (Marburg)]] |
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* [http://historicus.umk.pl/vl Polish History Index] |
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* Rafał Stobiecki: ''[http://docupedia.de/zg/Polen_-_Zeitgeschichte_seit_1989 Polen – Zeitgeschichte seit 1989/90].'' In: ''[[Docupedia Zeitgeschichte]].'' 11. April 2011 |
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* [http://www.polskaludowa.com Internetmuseum der Volksrepublik Polen] (in polnischer Sprache) |
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* [http://polishroots.com Polnische genealogische Quellen] |
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* [http://www.taz.de/pt/2005/05/13.nf/mondeText.artikel,a0050.idx,15 Le Monde diplomatique Nr. 7663, Philipp Ther: ''Soll und Haben. Warum das deutsche Kaiserreich kein Nationalstaat war.''] |
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Aktuelle Version vom 15. April 2025, 17:06 Uhr


Die Geschichte Polens umfasst die Entwicklung auf dem Gebiet der Republik Polen und der historischen polnischen Reiche von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Die – ungeschriebene – Vorgeschichte Polens umfasst zahlreiche slawische Stämme, Burgen, Siedlungen und Grabstellen. Eine genaue ethnische Zuordnung ist unsicher.[1] Die heutige Unwissenheit über Polens Ursprünge ist Folge der Quellenarmut des 10. Jahrhunderts, das in der historischen Forschung als „dunkles Jahrhundert“ bezeichnet wird.[2]
Die – geschriebene – Geschichte Polens beginnt im Jahr 963, in dem der polnische Herzog Mieszko, lateinisch Misaca († 992), durch Widukind von Corvey in einer lateinischen Chronik als fähiger Herrscher erwähnt wird.[3] Mieszkos freiwillige Annahme des Christentums, durch die Taufe 966, führte zur Christianisierung Polens und schützte das Land vor Fremdmissionierung. Aus seinem Herzogtum, zu dem angeblich ein Stamm der Polanen gehörte,[4] ging das durch Kaiser und Papst anerkannte und gegen Ende der Epoche der Piasten (960–1386) fest etablierte Königreich Polen hervor.
Die polnische Kirche entwickelte sich unabhängig von der Reichskirche und stand in direkter Verbindung zur Römischen Kurie. Der britische Historiker Norman Davies bezeichnete die offizielle Annahme des Christentums als „das bedeutendste Ereignis der polnischen Geschichte“.[5][6]
Seit dem Spätmittelalter bis in die Neuzeit bestand durch eine Personalunion eine dynastische Verbindung mit Litauen. Ab 1386 brachte die Union mit dem Großfürstentum Litauen unter dem von dort stammenden Herrschergeschlecht der Jagiellonen (1386–1572) den Aufstieg zu einer europäischen Großmacht, deren Staatsgebiet od morza do morza („von Meer zu Meer“), von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, reichte.
Ab 1569 wurde die Union Polens mit Litauen in einem gemeinsamen Staat gefestigt. Die von 1572 bis 1795 bestehende Adelsrepublik manifestierte sich als Wahlmonarchie. Im 16. und 17. Jahrhundert entstand dort eine hohe parlamentarische Kultur mit umfangreichen Adelsrechten. Dies führte zu einer starken Identifikation des Adels, des Magnats (Hochadel) und der Szlachta (Landadel), mit dem Land. Die sich verstärkenden strukturellen Missstände, bedingt durch zahlreiche Kriege mit Nachbarstaaten, Bürgerkriege und Aufstände der ukrainischen Kosaken, der Unwille zur Reform bei den Verantwortungsträgern, dazu Egoismen bei mehreren Wahlkönigen und im Adel, führten zur Schwächung des polnischen Staates. Die diplomatische und militärische Einmischung der Nachbarstaaten, des Kaiserreichs Russland, Preußens und der Habsburgermonarchie, bewirkte schließlich den vollständigen Zusammenbruch des Staates durch drei Teilungen in den Jahren 1772, 1793 und 1795.
Dadurch verschwand Polen von 1795 bis 1918 als souveräner Staat von der Landkarte Europas. Kennzeichen der Teilungszeit sind niedergeschlagene Aufstände – in den Jahren 1830, 1848 und 1863 – und sehr unterschiedliche Entwicklungen in den drei Teilungsgebieten. Die polnische Kultur überlebte diese Zeit trotz fremdstaatlicher Unterdrückung und der eigenen Staatenlosigkeit.[7]
Nach der staatlichen „Wiedergeburt“ als Zweite Republik nach Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 war die polnische Geschichte durch eine mühsame staatliche Reorganisation und mehrere militärische Konflikte mit nahezu allen Nachbarstaaten gekennzeichnet. Die beiden Diktatoren Hitler und Stalin vereinbarten im Zusatzprotokoll des Ende August 1939 geschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes die erneute Aufteilung Polens. Auf den Überfall auf Polen der Wehrmacht, den Beginn des Zweiten Weltkriegs, und die sowjetische Invasion Ostpolens folgten Jahre der deutschen und der sowjetischen Besetzung. Im Zweiten Weltkrieg starben etwa sechs Millionen Polen. Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht wurde das nach Westen verschobene Polen unter massivem sowjetischem Einfluss eine Volksrepublik und Teil des Ostblocks und ein (für die Sowjetunion nicht immer bequemer[8]) Satellitenstaat. Die Revolutionen im Jahr 1989 machten den Weg frei für die Dritte Republik; diese wurde 1997 Mitglied der NATO und 2004 der Europäischen Union.
Von 2004 bis 2023 entwickelte sich Polens Wirtschaft bemerkenswert. Nach dem EU-Beitritt 2004 erlebte das Land ein starkes Wirtschaftswachstum, getrieben durch Investitionen, Exporte und EU-Fördermittel. Das BIP pro Kopf stieg deutlich an, die Arbeitslosigkeit sank. Polen überstand die globale Finanzkrise 2008 relativ gut und war das einzige EU-Land ohne Rezession. Die Wirtschaft diversifizierte sich, mit wachsenden Dienstleistungs- und Technologiesektoren. Das starke Wirtschaftswachstum und die sinkende Arbeitslosigkeit führten zu einem allgemeinen Anstieg des Lebensstandards und einer Vergrößerung der Mittelschicht. Viele Polen profitierten von höheren Löhnen und besseren Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere in den wachsenden Dienstleistungs- und Technologiesektoren.
2023 konnte in den Parlamentswahlen die liberal-konservative Bürgerkoalition unter Führung von Donald Tusk die Mehrheit erringen. Die neue Regierung Tusk initiierte Reformen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz und setzte sich für die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit ein. Dies führte zu einer Verbesserung der Beziehungen zur EU und der Freigabe von 137 Milliarden Euro an EU-Mitteln. Polen wendet sich damit von der autoritären Politik der vorherigen PiS-Regierung ab und strebt nach einer stärkeren Integration in die EU unter Tusk.
Vor- und Frühgeschichte
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Zahlreiche prähistorische Funde, die ältesten aus der Steinzeit im Gebiet des heutigen Südpolen, bezeugen mit Befestigungen, Siedlungen und Grabstellen verschiedene Kulturepochen und die Besiedlung des heutigen polnischen Staatsgebietes. Die Zuordnung der Funde zu einem geschlossenen Siedlungsbereich der Polen ist nicht eindeutig. Wanderungsbewegungen verschiedenster Völker durch das Gebiet des heutigen Landes bewirkten eine große ethnische Vielfalt, in historischer Zeit eines der Kennzeichen der Bevölkerung Polens.[9] Der britische Historiker Norman Davies bemerkt, die Vorgeschichte werde oft so gedeutet, dass aus ihr ein „ausschließlicher Besitzanspruch“ für ein Gebiet zugunsten nur einer ethnischen Gruppe abgeleitet wird, so etwa mit dem Gebiet zwischen Oder und Bug; die „Autochthone Schule“ in Polen deutet das Gebiet als „feststehende und alleinige Heimat der Urslawen“ (Prasłowianie). Die nationale preußische Geschichtsschreibung hingegen machte das Gebiet zur Urheimat der Frühostgermanen. Tatsächlich liegt der langwierige Prozess, der dem slawischen, polnischsprachigen Element innerhalb der Gesamtbevölkerung eine Vorrangstellung verschaffte, im Dunkeln.[10]
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Einschränkungen ist anzunehmen, dass sich einige slawische Stämme aus dem Dnjestr- und Pripjet-Gebiet zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert im Gebiet zwischen Oder, Weichsel und Ostsee ansiedelten. Ihre Wanderung wurde durch den Hunnensturm zu Beginn der germanischen Völkerwanderung ausgelöst.[11]
Herrschaftsbildung der Polanen
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Der fassbare Beginn der polnischen Geschichte fällt ins 10. Jahrhundert. Zwischen 880 und 960 wuchsen verschiedene westslawische Stämme zwischen Oder und Weichsel zu einem Staatsgebilde zusammen. Die bedeutendsten dieser Stämme waren die Opolanen, die Slenzanen, die Masowier und die Wislanen. Ein weiterer Stamm, die Polanen (polanie, „Feldbewohner“[12]), soll ein dauerhaftes Staatswesen errichtet haben, das als Herzogtum im späten 10. Jahrhundert in der Region um die Städte Posen und Gnesen entstand. Dass der Herrschaftsverband der Polanen, deren Siedlungszentrum ein Gebiet um Gnesen bildete, im 9. und 10. Jahrhundert in den Schriftquellen nicht vorkam, erklärte die ältere polnische Historiographie mit der relativen Abgeschlossenheit des mittleren Großpolens. Ohne Berührung mit den Ostfranken, Böhmen, Mähren, zudem abseits der bekannten Handelsrouten, hätten sich die Polanen hier von der Außenwelt völlig unbemerkt entwickeln und konsolidieren können.[13]
Die Entstehung ihres zunehmend verdichteten und zusammenhängenden Herrschaftsgebietes vollzog sich über eine planmäßige Eroberung. Die ersten Spuren ihres gewaltsamen Vorgehens finden sich an der mittleren Warthe und entlang der Obra, wo zu Beginn des 10. Jahrhunderts ältere, im 8. bis 9. Jahrhundert entstandene kleine Burgsitze verschiedener Kleinherrscher systematisch zerstört wurden. Die dortige Bevölkerung wurde ins Gnesener Hochland, das mögliche Stammgebiet der Polanen, umgesiedelt. Für das Gnesener Hochland fanden sich bis dahin weder eine dichtere Bevölkerung noch ein Netz von Burgen.[14] Das Stammgebiet wurde in den 920er und 950er Jahren durch den Ausbau der zwei Burgorte Giecz und Moraczewo gefestigt. Weiterhin wurden an seiner Peripherie Holz- und Erdwälle sowie Burgketten errichtet. Diese planmäßigen Ausbauten erforderten große Mengen an Ressourcen und eine große Zahl an Arbeitskräften. Archäologische Befunde weisen zu dieser Zeit siedlungsgeografische Veränderungen nach, in deren Verlauf die westlichen und südwestlichen Regionen Großpolens massiver Zerstörung und Entvölkerung ausgesetzt wurden, während das Posen-Gnesener Zentralgebiet einen binnen-kolonisatorischen Ausbau und eine Bevölkerungszunahme erfuhr.
Die Anführer der Polanen stützten sich auf eine elitäre, straff geführte, schlagkräftige militärische Gefolgschaft. Seit den 930er und 940er Jahren gelangten zunehmend Luxuswaren des interregionalen Austausches nach Großpolen. Diese wurden gegen Menschen eingetauscht, die vor allem auf orientalischen und südeuropäischen Sklavenmärkten gefragt waren. Für den eigentlichen Lebensunterhalt dieser Herrschaftselite musste die einheimische Bevölkerung mit Abgaben und Dienstleistungen aufkommen. Aufgrund der noch gering entwickelten Agrargesellschaft kam diese dabei sehr schnell an ihre Grenzen. Um sich die Treue seiner militärischen Gefolgschaft zu sichern, musste der Herzog diese aber regelmäßig versorgen und belohnen, wofür das eigene Territorium und die Bevölkerung nicht ausreichten. So konnten Sklaven nur zu einem geringen Anteil aus der eigenen Bevölkerung geschöpft werden. Daher waren Beute- und Kriegszüge in fremde Territorien und die Abschöpfung der dortigen Ressourcen ein unerlässliches Instrument zur Herrschaftssicherung. Dies erklärt die schnell zunehmende Expansion der Polanen außerhalb ihres eigenen Kerngebietes.[15]
960–1138: Von Mieszko I. zur ersten Krise des Piastenstaates
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Christianisierung und Aufstieg Polens
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die nachfolgende Expansion der Polanen richtete sich zunächst nach Süden und Südosten in die Gebiete von Kalisz, Sieradz und Łęczyca, nach Westen in das Gebiet von Międzyrzecz, nach Osten in die Gegend von Kruszwica und darüber hinaus bis an die untere Weichsel. Als Mieszko I. etwa um 960 in Gnesen die Führung übernahm, trat Polen als organisiertes Staatswesen in die europäische Geschichte ein. Im Westen rückte Mieszko bis 960 an die untere Oder vor, wo er mit heidnischen Elbslawen und sächsischen Markgrafen zusammenstieß, die seiner Westexpansion Grenzen setzten.
Mieszko wird erstmals für das Jahr 962 oder 963 als rex Misaca (König Misaca) in der um 967 entstandenen Sachsengeschichte des Widukind von Corvey im Zusammenhang mit zwei schweren militärischen Niederlagen gegen ein slawisches Heer unter der Führung des sächsischen Adeligen Wichmann II. erwähnt.[16] 965 verbündete sich Mieszko mit dem christlichen Herzogtum Böhmen, heiratete die böhmische Herzogstochter Dobrawa aus dem Geschlecht der Przemysliden und ließ sich 966 nach lateinischem Ritus taufen. Er setzte die Christianisierung Polens allmählich durch. Die Annahme des Christentums war eine machtpolitische Entscheidung. Sie wurde ausgelöst durch die Einfälle der Markgrafen unter dem Vorwand der Heidenbekämpfung und -missionierung. Mieszko I. konnte so unter dem Vorwand der Missionierung seine eigenen Grenzen ausweiten und sich zugleich durch die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft der europäischen Fürsten einen Vorteil gegen die Konkurrenz innerer Adelsgeschlechter erwerben. Für die polnische Kirchenprovinz wurde 968 ein Missionsbistum in Posen gegründet. Ob dieses direkt dem Papst unterstand[17] oder formell dem Erzbistum Magdeburg[18], ist umstritten (→ Bistum Posen).
Trotz Annahme des christlichen Glaubens durch den polnischen Fürsten begann Wichmann, der militärische Führer des slawischen Wolinerbundes, 967 einen Krieg gegen Mieszko. So profitierte Mieszko das erste Mal von seinem Bündnis mit Böhmen, als er zusammen mit przemyslidischen Reitertruppen Wichmann in die Flucht schlagen konnte. Das Schwert des Markgrafen lieferte Mieszko Kaiser Otto aus. Einem Vorstoß nach Pommern stand nun nichts mehr im Weg. Im Zeitraum zwischen 967 und 979 unterwarf Mieszko ganz Hinterpommern und Pommerellen. Über den Zugang zur Ostsee stritt er sich mit Fürsten in Skandinavien. Darauf arrangierte Mieszko die Hochzeit seiner Tochter Świętosława mit König Sven von Dänemark.[19] 972 wehrte Mieszko erfolgreich einen Einfall des Markgrafen Hodo I. aus der Mark Lausitz ab. Kaiser Otto I. – besorgt über die Zustände an seiner Ostgrenze – rief die Kontrahenten während des Quedlinburger Hoftages (sechs Wochen vor seinem Tod am 7. Mai 973) zu Ruhe und Ordnung auf. Mieszko schloss mit Hodo Frieden, leistete dem Kaiser 968 den Treueid und begründete damit ein Lehnsverhältnis mit dem ostfränkisch-deutschen Herrscher.[20]
Nach dem Tod von Mieszkos erster Frau Dobrawa und seiner Heirat 978 mit der Tochter des sächsischen Markgrafen Dietrich von Haldensleben, Oda von Haldensleben, kam es zum Bruch zwischen Polen und Böhmen und 989 zum Krieg, in dem für Polen die Slowakei, Mähren, Schlesien und Kleinpolen erobert wurden. Im Osten gingen 981 die Tscherwenischen Burgen verloren und damit die Kontrolle über eine bedeutende Handelsroute mit Osteuropa. Mieszko huldigte 986 dem minderjährigen König Otto III. in Quedlinburg und führte in seinem Namen als „Markgraf des Reiches“ einen Heidenfeldzug gegen die Elbslawen an. Damit beteiligte sich Mieszko aktiv an der weiteren Christianisierung slawischer Völker. Im Gegenzug unterstützte ihn das Reich militärisch gegen Böhmen.

Kurz vor seinem Tod stellte Mieszko 991 sein Land unter den Schutz des Papstes (Donatio Poloniæ), wodurch Polen ein päpstliches Lehen wurde. Damit wollte Mieszko möglicherweise seine Unabhängigkeit vom mächtigen westlichen Nachbarn demonstrieren.[21] Als eine wichtige Quelle zur Gründung bzw. Anerkennung eines polnischen Staates gilt das sogenannte Dagome-iudex-Regest, obwohl er darin nicht explizit erwähnt wird.[22] Man geht davon aus, dass in der Eintragung eines Mönchs aus den Jahren 1086/1087 ein Schenkungsakt des Herzogs Mieszko I. an den Apostolischen Stuhl aus dem Jahr 991 beschrieben wird, mit dem Mieszko seine Stadt oder sein Land dem direkten Schutz des Papstes unterstellt. An der Krakauer Akademie wurde die Urkunde als Schenkung Odas bezeichnet.
Bei seinem Tod 992 hinterließ Mieszko I. einen gefestigten und erweiterten Herrschaftsbereich, der in den europäischen Hochadelsgeschlechtern akzeptiert wurde. Aus einem Gebiet, dem die Zwangsmissionierung drohte, war eine Basis für die weitere Christianisierung der slawischen Welt geworden.
Politische Emanzipation vom Kaiserreich
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Mieszko I. teilte sein Reich nach altslawischer Tradition unter seinen Söhnen Bolesław I., Świętopełk, Lambert und Mieszko auf. Bolesław entmachtete mit Unterstützung einflussreicher Magnaten seine Stiefmutter und vertrieb sie samt ihren Söhnen aus Polen, wo sie bei Verwandten in Sachsen Aufnahme und Schutz fand. Die Reichseinheit war somit wiederhergestellt. Bolesław setzte die Bündnispolitik seines Vaters fort, indem er Otto III. bei der Verteidigung des christlichen Glaubens unterstützte. Er beteiligte sich gemäß der Quedlinburger Absprache von 991 an dessen erfolglosem Kampf gegen die heidnischen Elbslawen. Der Kaiser versuchte durch die Einbindung der christianisierten Völker des Ostens ein neues christliches Weltreich unter der Führung des Kaisers als weltliches Oberhaupt der Christenheit zu errichten. Bei diesen Überlegungen kam Polen eine Schlüsselposition innerhalb der Sclavinia zu. Folglich verkündete Otto III. bei einem Besuch sein Reichskonzept von der Renovatio Imperii Romanorum, welches Sclavinia neben Roma, Gallia und Germania als gleichrangige Stütze des Imperiums vorsah.[23] Für die slawischen Provinzen wurde das Erzbistum Gnesen errichtet, dem die gegründeten Bistümer Kolberg, Krakau und Breslau unterstanden. Die Errichtung einer unabhängigen Kirchenprovinz spielte bei der Emanzipation Polens vom römisch-deutschen Reich eine wichtige Rolle. Otto III. erkannte offiziell die Souveränität des piastisch-polnischen Herrschers an. Die seit 963 bestehende Tributpflicht entfiel. Otto III. begünstigte die Konsolidierung und Machtausweitung der Piasten gegenüber den tschechischen Przemysliden, deren Interessen nicht mit denen des Kaiserreiches in Einklang standen.
Bolesław soll von Otto III. im Akt von Gnesen zum König erhoben worden sein. Dies ist historisch umstritten.[24] Als gesichert gilt, dass die Erlaubnis des Papstes fehlte. Aufgrund des frühen Todes Ottos III. und des politischen Widerstands des neuen deutschen Königs und späteren römisch-deutschen Kaisers Heinrichs II. fand die offizielle Krönung als Wiederholungsakt erst 1025 statt.
Der frühe Tod Ottos III. im Jahr 1002 und die darauf folgende Thronbesteigung Heinrichs II., der in Bolesław einen slawischen Vasallen sah, veränderte die Beziehungen Polens zum Kaiserreich grundlegend. Bolesław trat kurz nach dem Hoftag von Merseburg 1002 in Opposition zu Heinrich, entwickelte eigene Ideen eines christlichen Universalreiches, verfolgte persönliche Expansionsziele und verweigerte jede Huldigung gegenüber Heinrich. Dies löste einen mehrjährigen Krieg Polens mit dem Reich aus, an dessen Ende sich Polen dank seiner bereits gefestigten Staatlichkeit behaupten konnte und im Frieden von Merseburg 1013 sowie im Frieden von Bautzen 1018 einen Ausgleichsfrieden mit dem Kaiser schloss. Dies verdankte Bolesław seiner dynastischen Politik, den sächsischen Verbündeten im Reich sowie seinem Schwager König Sven von Dänemark, der dem Kaiser vom Norden drohte. Er konnte dem Kaiser zwar nicht die Mark Meißen abringen, behielt im Gegenzug aber seine Erwerbungen im Westen, das Milzener Land und die Mark Lausitz, die bis 1031 bei Polen verblieben. Insgesamt führte der Krieg mit dem Reich jedoch zu einem Substanzverlust im Inneren.
Die im Jahr 1000 in Gnesen getroffene Absprache zwischen Polen und dem Reich wurde von Heinrich bestätigt. Nach dem Friedensschluss mit dem Kaiser erhielt er als Bündnispartner vom römisch-deutschen Kaiser militärische Unterstützung für seinen lange geplanten Zug nach Kiew gegen Jaroslaw, um dessen Bruder, seinen Schwiegersohn Großfürst Swjatopolk, zu unterstützen. Nach erfolgreicher Wiedereinsetzung des vertriebenen Fürsten erwarb er 1018 die tscherwenischen Burgen für Polen zurück. Nach seinem Zug nach Kiew war Bolesław der einflussreichste Herrscher in Mittel- und Osteuropa. 1024 verstarb Kaiser Heinrich. Das folgende deutsche Interregnum nutzte Bolesław, indem er sich 1025 ein zweites Mal (Wiederholungsakt der Krönungszeremonie aus dem Jahr 1000) zum König krönen ließ. Trotz des Prestigegewinns konnte sich das Königtum nicht dauerhaft etablieren.
Bolesław griff in die Streitigkeiten der slawischen Stämme in der Nordmark ein und legte in Berlin-Köpenick eine Burg auf der heutigen Schlossinsel an. Für die nächsten 120 Jahre, bis Mitte des 12. Jahrhunderts, war Köpenick der Sitz eines piastischen Vasalls.
Bolesław förderte den christlichen Glauben in Polen, da der Papst im 11. Jahrhundert einer der bedeutendsten machtpolitischen Konkurrenten des deutschen Kaisers war. Durch die erfolgreiche Gründung einer unabhängigen polnischen Kirchenprovinz und des Erzbistums Gnesen sowie durch seine Krönung zum ersten polnischen König trieb er die polnische Emanzipation vom Kaiserreich voran. Er war auch der Begründer der polnischen Kastellanverfassungsordnung. Unter seiner Regentschaft wurde das politisch relativ unbedeutende Herzogtum seines Vaters zu einem Machtfaktor in der Region mit Einflusssphären von der Elbe bis zum Dnepr und von der Ostsee bis an die Donau.
Machtverfall und Erbteilung
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Nach dem Tod Bolesławs übernahm sein Sohn Mieszko II. Lambert die Herrschaft. Er erhob sich und seine deutsche Frau Richeza sofort in den Stand der Könige, um sich vor der Lehnsherrschaft der römisch-deutschen Kaiser zu sichern. Dennoch gelang es ihm nicht, die von seinem Vater eroberten Gebiete zu halten. Nach nur fünf Jahren der Herrschaft begann sein Reich aufgrund innerer Instabilität zu zerfallen: Ursächlich hierfür ist eine Vielzahl von Faktoren:
- die dem Volk auferlegten Kosten:
- durch Kriege,
- für den Aufbau der Monarchie,
- für die wachsenden kirchlichen Strukturen
- die ins Ausland geflüchteten Brüder Mieszkos, Otto und Bezprym, die Mieszkos Herrschaft untergruben.
König Mieszko II. unternahm in den Jahren 1028 und 1030 Kriegszüge gegen östliche Teile des ostfränkisch-deutschen Reiches, vor allem gegen Thüringen und das Stammesherzogtum Sachsen, weil der neue Kaiser Konrad II. ihm die Anerkennung als König verweigerte. Mieszko hatte im Reich der Salier und in der Kiewer Rus mächtige Feinde. Mehrere gleichzeitig vorgetragene militärische Aktionen Konrads und des ruthenischen Großfürsten Jaroslaw, der bereits zu den Feinden seines Vaters gehörte, führten zum Verlust der Mark Lausitz und der Tscherwenischen Burgen. Diese Allianz stärkte die innere Opposition, da sich die Verwandtschaft Mieszkos jetzt mit den Gegnern des Herrschers verbündete. Schließlich wurde Mieszko 1031 gestürzt und war gezwungen, das Land seinem Halbbruder Bezprym und dem jüngeren Bruder Otto zu überlassen, er selbst floh nach Böhmen.
Bezpryms Herrschaft dauerte nicht lange. Ein Aufstand gegen den neuen Herrscher endete 1032 mit seiner Ermordung. Sein Tod erlaubte Mieszko II. die Rückkehr in die Heimat nach einer Verständigung mit Otto. Nachdem Kaiser Konrad mit einer weiteren militärischen Intervention in Polen gedroht hatte, einigten sie sich während des Hoftags von Merseburg 1032. Mieszko II. verzichtete auf die Königswürde und teilte sein Reich mit seinem Bruder Otto und Dietrich, einem Enkel Mieszkos I. Noch im selben Jahr verstarb Herzog Otto, und Dietrich verlor aus unbekannten Gründen seinen Machtbereich, sodass Mieszko die Reichseinheit kurz vor seinem Tod, am 10. Mai 1034, wieder errang. Mieszko II. hinterließ nach seinem Ableben ein geschwächtes Reich, das mangels starker königlicher Autorität durch Volksaufstände und heidnische Reaktionen zu erodieren begann. Durch den Verzicht auf königliche Ehren stand Polen ab 1033 erneut für Jahrzehnte in Abhängigkeit zum römisch-deutschen Kaisertum. Mieszkos Sohn Kasimir I. übernahm nach dessen Tod die Herrschaft. Auch er hielt sich nicht lange an der Macht und musste auf Druck der Opposition 1037 von Polen nach Ungarn flüchten. Zwischen 1037 und 1039 zerfiel der polnische Staat. In Großpolen wandten sich Aufstände gegen die Kirche und das Magnatentum. Diese hatten von soziopolitischen Veränderungen wie der Einführung eines dem Zehnten ähnlichen Systems profitiert, während die freien Bauern in ein Abhängigkeitsverhältnis gezwungen wurden und ein Rückfall ins Heidentum folgte. Einzelne Regionen verselbstständigten sich, unter anderem Masowien und Pommern.
Die Strukturlosigkeit nutzte der böhmische Herzog für einen Kriegszug nach Polen. Großpolen wurde verwüstet und Schlesien erobert. Hinzu kamen Plünderungszüge heidnischer Prußen und Pomoranen. Der neue Kaiser im Reich, Heinrich III., versuchte ein politisches Erstarken Böhmens unter Břetislav I. zu verhindern und unterstützte Kasimir I. 1039 militärisch. Mit dieser Hilfe gelangte Herzog Kasimir I. wieder in den Besitz Großpolens und 1040 Kleinpolens. Krakau wurde neue Hauptstadt Polens. Der Kaiser zwang den böhmischen Herrscher 1041 zum Verzicht auf Ansprüche gegenüber Polen, gab jedoch Schlesien nicht an Polen zurück. Um die Grenze im Osten abzusichern, schloss Kasimir I. im selben Jahr ein Bündnis mit Jaroslaw von Kiew und heiratete wenig später dessen Schwester, Fürstin Dobroniega Maria. Jaroslaw gewährte ihm daraufhin 1047 militärische Hilfe bei der Rückeroberung Masowiens und Pommerellens von Miecław. Gegen den Willen des Kaisers erlangte Kasimir I. um 1046 Schlesien von Böhmen zurück. Nachdem Břetislav I. um 1053 eine Rebellion gegen den Kaiser unterstützte und in Ungnade fiel, musste er 1054 auf Polen endgültig verzichten, was zum Anlass für weitere böhmisch-polnische Auseinandersetzungen wurde. Die beiden gleich starken slawischen Staaten schwächten sich so politisch-militärisch. Kasimir baute den christlichen Staat der Piasten nach der letzten heidnischen Reaktion wieder auf und begründete durch Landvergabe an Krieger zu deren Versorgung das Rittertum in Polen.

Nach dem Tod Kasimirs 1058 folgte ihm sein Sohn Bolesław II. nach. Dieser betrieb eine erfolgreiche Außenpolitik und entledigte sich der Tributpflicht für Schlesien an Böhmen. Er setzte vor allem im Bereich der kirchlichen Strukturen die Wiederaufbauarbeit seines Vaters fort. Einen Schatten auf seine Herrschaft warf die Verurteilung und Tötung des Bischofs Stanislaus von Krakau unter unklaren Umständen, welche einen Aufstand gegen Bolesław auslösten, der zu seiner Flucht führte. Auf Bolesław II. folgte sein jüngerer Bruder Władysław I. Herman. Für einige Jahre zahlte er wieder Tribut an Böhmen für den Besitz Schlesiens. Zum Ende seiner Herrschaft geriet er in Konflikt mit seinen Söhnen, Bolesław (III.) und Zbigniew. Er musste ihnen auf Druck der Adelsopposition 1098 eigene Provinzen zuteilen, behielt aber die Oberherrschaft mit Hauptsitz in Płock. Während seiner Herrschaft kamen 1096 die ersten Juden in großer Zahl nach Polen, die dort Schutz gegen die Pogrome, die während des Ersten Kreuzzugs in vielen Städten Westeuropas ausbrachen, suchten. Władysław Herman starb 1102 und hinterließ ein zwischen seinen Söhnen zweigeteiltes Polen. Bolesław III. Schiefmund unterwarf 1108 seinen Halbbruder Zbigniew und wehrte 1109 einen Kriegszug Kaiser Heinrichs V., der damit nicht einverstanden war, erfolgreich ab. Unter seiner Herrschaft dehnte Polen seinen Machtbereich durch die endgültige Unterwerfung der heidnischen Pomoranen auf Pommern aus. In Ottos Geleit kamen unter anderem die ersten deutschen Siedler als Mönche nach Pommern. Bolesławs Einflussbereich erstreckte sich bis ins heutige Brandenburg hinein. Durch die Gründung des Bistums Lebus blieb Brandenburg bis ins 15. Jahrhundert kirchlich mit dem Erzbistum Gnesen verbunden. Gegen Ende seiner Regierungszeit verwickelte er Polen in Konflikte mit Ungarn und Böhmen, die bei dem Hoftag von Merseburg 1135 und im Pfingstfrieden von Glatz 1137 beigelegt werden konnten. Seine Töchter ließ er in die skandinavischen, sächsischen und ruthenischen Herrscherhäuser einheiraten. Da Bolesław III. Bruderkämpfe unter seinen vier Söhnen vermeiden wollte, teilte er sein Reich nach slawischem Brauch auf, wobei der Älteste des Piastengeschlechts im Rahmen des Senioratsprinzips die Einheit des Landes nach außen verkörpern sollte.[25]
1138–1295: Partikularismus
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In den nächsten 150 Jahren entbrannten dauerhafte Kämpfe um die Kontrolle Krakaus und die Vorherrschaft über das gesamte Land. Das Königreich zerbrach in mehrere piastische Herzogtümer, die sich um Macht, Territorien und Einfluss gegenseitig befehdeten. Der Älteste des Piastengeschlechts, Władysław II., wurde Seniorherzog von Polen mit Sitz in Krakau. Die jüngeren Brüder herrschten als Juniorherzöge in den ihnen zugeteilten Regionen, sodass die politisch-militärische Stellung Polens im Europa des 13. Jahrhunderts geschwächt wurde. Die Idee des polnischen Einheitsstaates lebte indes weiter in der einheitlichen Kirchenorganisation und der Tradition der großen Adelsgeschlechter sowie in der dynastischen Verwandtschaft aller Herrscher.

Als Mieszko III. durch lokale Magnatengeschlechter abgesetzt wurde, setzten sich 1177 die jüngeren Vertreter der Dynastie in Krakau durch. Zwar blieb eine gewisse Oberhoheit des Herzogs von Krakau erhalten, aber die Versammlung der polnischen Herzöge und Bischöfe zu Łęczyca hob 1180 das Senioratsprinzip auf und verbriefte die Vorrechte der Geistlichkeit. Eine Einheit Polens gab es nicht mehr; die Herzogtümer der Piasten bestanden als souveräne Regionen nebeneinander.
Die Senioratsprovinz Kleinpolen mit Krakau fiel 1194 an Leszek I. In seiner Titulatur dux totius Poloniae erhob Leszek I. als letzter Herzog Ansprüche auf die Oberhoheit in ganz Polen und versuchte diese ab 1217 auch in Pommerellen durchzusetzen. Die polnischen Fürsten trafen sich 1227 in Gąsawa, Kujawien, zu einem Wiec, um sich gegen Herzog Swantopolk von Pommerellen und ihren Vetter, den Piasten Władysław Odonic, Herzog von Großpolen und Enkel Mieszkos III., zu beraten. Die Versammlung flog auf, Leszek fand auf der Flucht vor pommerellischen und großpolnischen Häschern den Tod und mit ihm verschwand die Zentralgewalt in Polen völlig. Bis auf die kirchlichen Strukturen des Erzbistums Gnesen gab es kein überregionales polnisches Landesrecht oder sonstige überregionale Landesinstitutionen mehr. Die verstärkte Zersplitterung polnischer Länder erleichterte den deutschen und böhmischen Fürsten ab Mitte des 13. Jahrhunderts ihre Expansion in Polen.
Deutsche Ostsiedlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In diese Zeit fiel eine verstärkte Kolonisation polnischer Gebiete durch Auswanderer aus dem Heiligen Römischen Reich. Bis 1250 waren große Teile Pommerns und Schlesiens mit Deutschen und Flamen besiedelt, die durch einheimische Herren, wie die Greifen in Pommern und die schlesischen Piasten ins Land geholt wurden. Die pommerschen Adligen und die schlesischen Fürsten versprachen sich durch die neuen Siedler in erster Linie eine höhere wirtschaftliche Prosperität, ein besseres Steueraufkommen, vor allem aber einen schnelleren Anschluss an die (land)wirtschaftlich-städtischen Standards Westeuropas. Aufgrund der Anzahl der Neusiedler und durch den persönlichen Einsatz und Förderung der Ostsiedlung durch die polnischen Landesfürsten wurden weite Teile des mittelalterlichen Polens im Laufe der Jahrhunderte ein Teil des deutschen Sprachraums und verloren dauerhaft ihren slawisch-polnischen Charakter. Auch öffneten sich einige Regenten, wie zum Beispiel die schlesischen Piasten, freiwillig dem Deutschtum durch Besetzung hoher Ämter im Staat und in kirchlichen Strukturen mit Deutschen und Ehen mit Prinzessinnen aus deutschen Adelshäusern, woraus sich Verwandtschaftsbeziehungen mit dem deutschen Hochadel ergaben. Als die Greifen und die schlesischen Piasten in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts polnische Seniorherzöge und die mächtigsten Landesfürsten waren, begünstigte dies zusätzlich die Ostkolonisation und die Ausbreitung des Deutschtums in Schlesien und über die Grenzen Schlesiens hinaus. Die Entslawisierung und die entsprechende Germanisierung vollzogen sich friedlich und waren keine brutale deutsche Landnahme polnischer Gebiete – jedoch sind Konflikte zwischen den Alteingesessenen und den Zuwanderern infolge mangelnder Interessenswahrung beider Seiten durch den Prozess der Ostsiedlung plausibel, zumal die Zuwanderer keine slawische Sprache beherrschten. Erst Ende des 13. Jahrhunderts und seit Beginn des 14. Jahrhunderts wurden die kulturell-wirtschaftliche Dominanz und der Einfluss des Deutschtums in den Kernprovinzen Polens (Klein- und Großpolen) wieder zurückgedrängt. Weite Landstriche und viele Städte wurden repolonisiert.
Mongolensturm von 1241 und fortdauernde Schwächung
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Der ins Reich geflohene Władysław der Vertriebene gewann die Gunst des Kaisers, für ihn in Polen 1157 militärisch zu intervenieren. Friedrich Barbarossa zwang den polnischen Seniorherzog Bolesław IV. im Frieden von Krzyszkowo zur Herausgabe Schlesiens an die Söhne des geschassten Souveräns und machte ihn für einen Teil seines Reiches lehnspflichtig. Jedoch zögerte Bolesław einige Jahre, der staufischen Forderung nachzukommen, und erst im Jahre 1163, unter der Drohung einer neuen kaiserlichen Intervention, händigte er Schlesien an die Söhne Władysławs, Bolesław den Langen und Mieszko Kreuzbein aus. Mit der Aushändigung dieser Provinz an die Nachkommen Władysławs entstand die langlebige Linie der Schlesischen Piasten.
Die einsetzende Einigung Polens durch die schlesische Linie der Piasten nahm mit dem Tod Heinrichs des Frommen ein jähes Ende. Der Herzog verlor im Kampf gegen die Goldene Horde in der Schlacht bei Liegnitz sein Leben, und das Herzogtum Schlesien zerfiel nach 1241 in eine Vielzahl feudalistischer Fürstentümer, die nach dem Mongolensturm in den Einflussbereich Böhmens gelangten. Die Mongoleninvasion steigerte die Wirkung der deutschen Ostkolonisation in Polen und in anderen von ihr betroffenen Regionen Mitteleuropas, wo ein beträchtlicher Teil der slawischen Bevölkerung den Tod fand oder in die mongolische Knechtschaft getrieben wurde. Die Mongolen, die man auch Tataren nannte, zogen sich in die von ihnen eroberten ruthenischen Fürstentümer zurück. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts blieben sie dennoch eine ständige Bedrohung und unternahmen weitere Raubzüge Richtung Westen, die das politisch zersplitterte Polen wirtschaftlich und militärisch schwächten, sodass die Landesfürsten der Nachbarvölker, wie der Litauer, vor allem aber der Böhmen und der Deutschen begannen, ihre eigenen Territorien auf polnischem Territorium zu erweitern.
Die Expansion der Mark Brandenburg nach Osten auf polnisch-piastische Gebiete führte 1250 zum Verlust von Lebus und zur Entstehung der Neumark als Gegenstück zur Altmark. Polen wurde um 1250 für Jahrhunderte von der heutigen Odergrenze abgedrängt, trotz Rückeroberungsversuchen unter König Władysław I. Ellenlang Anfang des 14. Jahrhunderts.
Hilfe des Deutschen Ordens
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Der polnische Herzog Konrad I. begann seinen Machtbereich zu erweitern. Das prußische Gebiet um Kulm war sein Kriegsziel. Die Expansion auf Kosten seiner heidnischen Nachbarn endete im Fiasko. Er verlor seine Eroberungen und wurde nun seinerseits vom erwachten Nachbarn bedroht. Da er zudem in Konflikte mit anderen Piastenherrschaften verwickelt war, richtete er den Blick auf den Deutschen Orden, der 1225 aus Ungarn vertrieben wurde, weil der Orden in Siebenbürgen im Kampf gegen heidnische Steppenvölker, die Kumanen, einen eigenen Staat gründen wollte. 1226 bat Konrad von Masowien den Deutschen Orden um Hilfe und versprach ihm das Kulmer Land als herzogliches Lehen, als Gegenleistung und Ausgangsbasis für ihren Kampf gegen die Heiden. Inwieweit die zu erobernden Gebiete gemäß der Vereinbarung dem Orden zustanden, ist bis heute unklar und hat in der Vergangenheit zu Streitigkeiten zwischen deutschen und polnischen Historikern geführt. Um sich gegen eine ähnliche Entwicklung wie in Ungarn abzusichern, ließ sich der Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, von Kaiser Friedrich II. im März 1226 den Besitz des Kulmer Landes und aller zu erobernden Gebiete mit der Goldenen Bulle von Rimini bestätigen. Zusätzlich schloss der Orden mit dem Herzog am 16. Juni 1230 den Vertrag von Kruschwitz, der ihm das Land zur freien Verfügung stellte. Zwischen dem Deutschen Ritterorden im Prußenland und Polen, später auch Litauen, wuchs eine jahrhundertelange Feindschaft.
1295–1386: Wiedervereinigung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ende des Partikularismus
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Erneute Wiedervereinigungsversuche wurden von Posen und Gnesen aus unternommen. Herzog Przemysław II. von Großpolen übernahm Ende des 13. Jahrhunderts den Führungsanspruch bei der Vereinigung piastisch-polnischer Herzogtümer. Zwar kam er nie in den dauerhaften Besitz des Herzogtums Kleinpolen-Krakau, regierte dort nur etwa ein Jahr und musste es auf Druck des böhmischen Königs 1291 Richtung Posen verlassen. Im Besitz der Krakauer Königsinsignien und als Regent der Herzogtümer Großpolen und Pommerellen (ab 1294) wurde er jedoch 1295 vom polnischen Erzbischof Jakub Świnka in Gnesen zum vierten polnischen König seit Bolesław dem Kühnen gekrönt. Mit diesem symbolischen Akt wollte er den polnischen Partikularismus beenden und fokussierte mit seiner Krönung die Kräfte des polnischen Adels und der Kirche zur Wiedererlangung der staatlichen Einheit Polens gegen die deutschen und böhmischen Landesfürsten.
Während einer Reise nach Posen Anfang Februar 1296 wurde er in Rogoźno bei Posen von einer Gruppe adliger Oppositioneller gefangen genommen und erschlagen. Mit ihm starb die großpolnische Linie der Piasten, die durch Mieszko den Alten begründet worden war, im Mannesstamm aus. Großpolen und Pommerellen fielen seinem piastischen Vetter, Władysław Ellenlang, Herzog von Kujawien zu, der beide Provinzen bis 1300 gegen Böhmen behauptete.
Nach dem Tod des Königs eigneten sich die Brandenburger im Verbund mit den Herzögen von Glogau, Heinrich III., einige Warthe- und Netzedistrikte Großpolens an. Der böhmische König Wenzel II. bemächtigte sich mit Hilfe der polnischen Kirche und des in Polen ansässigen deutschen Bürgertums des Landes. Er war bereits ab 1291 Herr von Kleinpolen einschließlich Krakau, neun Jahre später folgte 1300 die Erhebung zum polnischen König. Um seiner Herrschaft in Polen legalen Eindruck zu verleihen, heiratete Wenzel 1303 Przemysławs Tochter Elisabeth Richza. Nach seiner Krönung drängte der Böhme seinen politischen Gegenspieler Władysław Ellenlang ganz aus Polen, der Schutz und Hilfe im ungarischen Exil suchen musste. Der böhmische Besitz Polens, wie auch der polnischen Krone, wurde jedoch durch Papst Bonifatius VIII. für illegal erklärt, und durch die Ermordung Wenzels III., des polnischen Titularkönigs, erlosch 1306 das alte tschechische Geschlecht der Přemysliden im erbberechtigten Mannesstamm. In Böhmen kam die erste deutsche Dynastie, das Haus Luxemburg, an die Macht.
Nach dem Tod des Böhmen wurde Władysław I. Lokietek (Ellenlang) als neuer Herrscher anerkannt. Mit ungarischer Hilfe kehrte er aus dem Exil zurück und übernahm in den Jahren 1305–1306 weite Teile Polens (Kleinpolen, Mittelpolen mit den Hauptburgen Sieradz und Łęczyca, Kujawien und Dobrin). Unter seiner Herrschaft wurde Polen in einer etwas verkleinerten Form wiedervereinigt.
Konflikte um die Westgebiete unter König Władysław I. Ellenlang
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In Pommerellen und Danzig rief Władysław I. Ellenlang den Deutschen Ritterorden zu Hilfe, um sich gegen die Brandenburger durchzusetzen. Weil er die vereinbarten Kriegsschulden nicht bezahlte, behielten die Deutschritter Danzig, ein zeitübliches Vorgehen (siehe Übernahme von Danzig durch den Deutschen Orden). Der Orden erwarb auch Pommerellen und verlegte angesichts der gescheiterten Kreuzzüge und der Auflösung des Templerordens den Hochmeistersitz von Venedig in die Marienburg in das Weichseldelta. Damit begann ein Konflikt mit dem christlichen Staat Polen, der zwischen Pommern und Preußen einen Zugang zur Ostsee entlang der Weichsel anstrebte.
Im Krakauer Aufstand des Vogtes Albert strebte die Stadt unter Führung deutscher Bürger, im Bündnis mit anderen Städten und Teilen der Kirche, mehr Rechte an. Władysław schlug diesen Aufstand 1311 nieder, die folgenden Repressionen brachen dauerhaft den politischen Einfluss der Städte, auch Posens.[26] Während einer Rebellion des großpolnischen Adels 1314 gegen die Herrschaft der Herzöge von Glogau wurde das Herzogtum Großpolen an das Reich Władysławs angeschlossen. 1320 erfolgte in Krakau seine Krönung zum König von Polen.
1325 versuchte Władysław die unklare Situation in der Mark Brandenburg, die nach dem Aussterben der brandenburgischen Linie der Askanier 1320 entstand, im Bündnis mit Litauen, dessen Staatsspitze noch „heidnisch“ war, auszunutzen und begrenzte im Frieden von Landsberg den Herrschaftsbereich der märkischen Grafen auf das Gebiet westlich der Oder, was wenige Jahre später dem Deutschen Orden den Vorwand zum Eingreifen gab. Offen unterstützte ihn der Lebuser Bischof Stephan II. zum Verdruss seines neuen Landesherrn, des Markgrafen Ludwig aus dem Haus der Wittelsbacher. Der kleine Krieg brachte kaum Landgewinne für Polen und hinterließ in der Neumark ein Gebiet der verbrannten Erde. 1329 wurde mit den Brandenburgern Frieden geschlossen, da sich die Luxemburger mit den Ordensrittern gegen ihn verbündeten. Im Winter 1327 zog König Johann von Böhmen gegen Krakau, musste aber auf ungarischen Druck zurückweichen, dennoch huldigten ihm viele Herzöge von Schlesien. Nach dem Jahr 1331 erkannten viele Piasten-Fürsten Schlesiens die böhmische Lehnshoheit an.
Eine gegen Polen gerichtete Expansionspolitik des Deutschen Ritterordens führte 1329 zum Verlust des Dobriner Ländchens und von Kujawien 1332, die Region Großpolen mit dem Erzbistum Gnesen wurde verwüstet. Nach der Schlacht bei Płowce 1331 gegen die vereinigten Heere der Ordensritter und der Böhmen konnte der polnische König die Annexion beider Gebiete nicht verhindern. Angesichts der Schwäche des polnischen Königs leistete der Herzog von Masowien Wacław von Płock dem böhmischen König den Lehnseid. Während eines Waffenstillstands im Sommer 1332 starb der König. Die Macht ging an seinen Sohn Kasimir über, der sich sofort nach dem Tode des Vaters zum polnischen König krönen ließ und ein schwieriges Erbe übernahm.
Władysław ging in die polnische Geschichtsschreibung als Reichseiniger Polens ein. Der Umklammerung durch die deutschen Territorialstaaten stellte er Bündnisse mit dem Großfürstentum Litauen und dem Königreich Ungarn entgegen. Er fand im Kampf gegen die deutschen Feudalherren und das deutsche Patriziat in polnischen Städten starke Unterstützung in der polnischen Kirche und beim Papst. Die Könige Böhmens leiteten Ansprüche auf die Krone Polens und die schlesischen Fürstentümer ab. Trotz dieser Umstände konnte er sein Werk mit einer Krönung zum polnischen König festigen. Władysław verfehlte jedoch sein Ziel, die alten piastischen Grenzen zurückzugewinnen. Er vermachte seinem Sohn nur zwei alte Herrschaftsbereiche der Piasten, Großpolen mit dem Zentrum Posen und Kleinpolen mit Krakau.
König Kasimir der Große
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Vom politischen Erbe seines Vaters übernahm Kasimir III. das Bündnis mit dem Königreich Ungarn und die Konflikte mit
- dem Deutschen Orden um das Herzogtum Pommerellen,
- mit den Luxemburgern Johann und Karl IV. um die Oberherrschaft in Schlesien,
- mit Johann, der als König von Böhmen auch auf die polnische Königskrone Anspruch erhob.
Die Länder, die Kasimir erbte, waren relativ klein im Vergleich zu den Grenzen des Staates von 1138. Die westliche Grenze des Reiches war weit nach Osten, fast in die Kerngebiete der alten Polanen, zurückgedrängt worden. Das Herzogtum Pommern verselbständigte sich unter der Greifen-Dynastie im 12. Jahrhundert und geriet nach 1227 unmittelbar in ein Abhängigkeitsverhältnis zur askanischen Mark Brandenburg. Westliche Gebiete des Herzogtums Großpolen, im Oder-Warthe-Land, wurden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch die Markgrafen aus Brandenburg erobert oder käuflich erworben. Ebenso eignete sich im Norden zwischen 1309 und 1332 der Deutsche Orden Pommerellen, Kujawien und das Dobriner Ländchen an. Bereits 1327–1331, unter der Regierungszeit seines Vaters, unterwarfen sich die meisten schlesischen Piasten dem Haus Luxemburg aus Böhmen. Das aus Großpolen, Kleinpolen und einigen mittelpolnischen Ländern bestehende Königreich erhielt den Namen Corona Regni Poloniae. Wegen seiner militärisch-politischen Unterlegenheit gegenüber den böhmischen und deutschen Landesfürsten befand sich Polen weiterhin in einer äußerst kritischen Lage. Anders als sein Vater, der durch militärische Entscheidungen Lösungen erzwingen wollte, strebte Kasimir eher nach friedlichen und diplomatischen Auswegen. König Kasimir bemühte sich deshalb um eine Beilegung des Konflikts mit Johann. Im Vertrag von Trentschin und dem Ersten Hoftag von Visegrád 1335 sowie dem Zweiten Hoftag von Visegrád 1339, sowie nach einem böhmisch-polnischen Grenzkrieg 1345 und dem Tod seines Verbündeten im Reich gegen Böhmen, Kaiser Ludwig IV., 1347, erkannte Kasimir im Vertrag von Namslau endgültig die böhmische Lehnsherrschaft über Schlesien an. Dies war eine große außenpolitische Niederlage für Kasimir. Das erneuerte Königreich war letztlich nicht in der Lage, die alten piastischen Gebiete zurückzugewinnen, was ein Hauptziel der Außenpolitik der letzten Piasten war. Schließlich inkorporierte der böhmische König Karl IV., seit 1346 auch römisch-deutscher (Gegen-)König, Schlesien 1348 in die Länder der böhmischen Krone. Die einzige Verbindung, die zwischen der schlesischen Provinz und Polen über die Jahrhunderte bestand, war ihre bis ins 19. Jahrhundert dauernde kirchliche Zugehörigkeit zum Erzbistum Gnesen.

Da die westlichen Gebiete des früh- und hochmittelalterlichen Polens zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein Teil des Heiligen Römischen Reiches wurden, auch ethnisch im Rahmen der deutschen Ostkolonisation, orientierten sich die polnischen Herrscher ostwärts. Durch die Abdrängung Polens in den osteuropäischen Teil des Kontinents, unterwarf er in den Jahren 1340 bis 1366 das von den Ruthenen bewohnte Fürstentum Halytsch-Wolodymyr, auch Rotrussland genannt, mit Podolien seiner Herrschaft. Unter Verzicht auf Pommerellen und des Kulmer Landes, schloss Kasimir 1343 Frieden mit dem Deutschen Orden. Hierfür bekam er Kujawien und das Dobriner Ländchen zurück. Auch suchte König Kasimir seinen Einfluss in Pommern durch ein Bündnis mit den Greifen zu festigen, was zur Besetzung einiger Netze- und Neumarkdistrikte führte. 1348 breitete sich die Pest in Europa aus. Kasimir begegnete dieser Katastrophe durch die Verhängung einer Quarantäne über sein Reich, sodass die Seuche weitgehend abgewehrt werden konnte. Im Norden seines Reiches wurde das Herzogtum Masowien 1351 unterworfen. Die piastisch-masowischen Herzogtümer, mit den Hauptburgen Płock und Warschau, wurden nach dem Aussterben der jeweiligen Herrscher dem Königreich einverleibt. Auf Kasimirs Veranlassung, wurde 1364 eine Akademie in Krakau gegründet, die zweite in Mitteleuropa nach Prag, später Jagiellonen-Universität genannt. Kasimir förderte die Städte durch zahlreiche Baumaßnahmen, darunter die Sicherung der Grenzen seines Reiches mit 50 befestigten Burgen, sowie die Aufnahme von Deutschen und Gewährung deutschen Stadtrechts. Er lud nach den Pogromen in Westeuropa im Zuge der großen Pest-Pandemie von 1346 bis 1353 die Juden nach Polen ein, reformierte das Militärwesen, bekämpfte das Raubrittertum, ließ das polnische Rechtswesen und Münzwesen vereinheitlichen, sicherte neue Handelswege und begünstigte die Eröffnung von Salinen. Die wirtschaftlichen Reformen erforderten die verfassungsrechtliche Kodifikation des Landrechtes, die Statuten Kasimirs des Großen und die Einführung der Generalstarosteien mit administrativen und gerichtlichen Befugnissen, Staatsrat und Kanzleiführung. Er schuf eigene Appellationsgerichtshöfe für das Magdeburger Stadtrecht. König Kasimir starb 1370 und hinterließ keinen erbberechtigten männlichen Erben, womit das Piastengeschlecht ausstarb. Obwohl die wiederhergestellte Piastenmonarchie im 14. Jahrhundert die Zurückdrängung ihrer westlichen Grenzen durch die expandierten ostdeutschen Territorialstaaten zum Stillstand bringen konnte und diese teilweise revidieren konnte, war das polnische Territorium im Westen und im Norden beim Ausgang der Dynastie 1370 im Vergleich mit dem Territorialbestand um das Jahr 1000 kleiner geworden. Dies hatte neben der Expansion Brandenburgs und dem Deutschordensstaat auch die deutsche Ostkolonisation bewirkt, die zur Herauslösung Pommerns (1180), Pommerellens (1309/1343) und Schlesiens (bis 1335) aus dem Verband der Monarchie führte.
Als seinen Nachfolger bestimmte er seinen Neffen, den ungarischen König Ludwig von Anjou, der Polen mit Ungarn bis 1382 in einer Personalunion verband. Nach Kasimirs Tod wurde Polen 1370 mit dem ungarischen Königshaus verbunden. Ludwig von Anjou entstammte dem Haus Capet-Anjou. Wegen seiner personellen Abwesenheit war er in Polen unbeliebt. Er überließ die Geschäfte Polens seiner polnischen Mutter Elisabeth als Regentin. Auch begann er das polnisch gewordene Galizien für Ungarn zu beanspruchen, was bei der polnischen Aristokratie auf Widerstand stieß. Da er keine Söhne hatte, wurden dem polnischen Adel 1374 im Kaschauer Privileg politische Vorrechte und eine fast vollständige Steuerfreiheit gewährt, der dafür die weibliche Thronfolge bestätigte und durchsetzte. Das Kaschauer Privileg wurde zur Grundlage der späteren Adelsdemokratie in Polen.[27] Ludwig starb 1382 und die Regierungsgeschäfte in Polen gingen an seine Tochter Hedwig von Anjou (1373–1399) über. Sie wurde 1384 zum regierenden polnischen rex (!) gekrönt. Sie musste ihre Verlobung mit dem Prinzen Wilhelm von Habsburg lösen, da der mehrheitlich antideutsch eingestellte polnische Adel keine deutschen Aristokraten zum König haben wollte.
1386–1569: Polnisch-Litauische Personalunion
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Das Großfürstentum Litauen war einer der größten Staaten Europas; es reichte vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee. Aufgrund seiner langen Grenzen hatte es viele Feinde: Der Deutsche Orden, das Großfürstentum Moskau und die Tataren bedrohten ständig das relativ lockere Staatsgefüge. Von der Union mit Polen versprachen sich die Litauer daher Unterstützung gegen die äußeren Feinde.[28]
Nun folgte ein Zeitalter in Ostmitteleuropa, das vor allem dynastische Großreichsbildungen und deren ständegesellschaftliche Durchdringung kennzeichneten. Ermöglicht hatten dies die zahlreichen Interregna nach dem Aussterben der ostmitteleuropäischen Gründungsdynastien in Ungarn, in Böhmen und in Polen im 14. Jahrhundert. Polen nutzte den neuen Trend sogleich zur Regeneration seiner außenpolitischen Position an der Nordflanke. Durch geschickte diplomatische Ausnutzung seiner verbesserten Position im altrussischen Südwesten, in Halicz und Wolhynien, gelang es Polen, die dynastische Vereinigung mit dem stark nach Westrussland expandierten Großfürstentum Litauen zustande zu bringen. Durch die Heirat der polnischen Herrscherin Hedwig von Anjou mit dem Großfürsten von Litauen entstand eine Personalunion des Königreichs Polen mit dem Großfürstentum Litauen. Zusammen bildeten beide Länder zur Zeit des Zusammenschlusses den größten Flächenstaat in Europa. Den Einflussbereich der neuen Monarchie, die den Namen Königreich Polen und Großfürstentum Litauen trug,[28] weitete Władysław II. Jagiełło, wie Großfürst Jogaila seit seiner Krönung hieß, nach Norden, Osten und Süden aus. Bei der Union handelte es sich nicht um eine Inkorporation Litauens, sondern vielmehr um eine dynastische Personalunion zweier unterschiedlicher Reichsteile. Für die polnische Krone brachte die Union einen erheblichen Machtzuwachs und territoriale Vergrößerung. Zugleich wurde sie auch in Konflikte mit den Nachbarn Litauens hineingezogen.
Kampf gegen den Deutschen Orden
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Die Taufe des Litauerfürsten Jagiello entzog dem Deutschen Orden zudem die letzte Legitimation zur missionarischen Bekehrung im Baltikum. Dadurch hatte Polen plötzlich ein großes Machtpotenzial gegen den Deutschen Orden aufgebaut, wenngleich noch keine genauen Abstimmungen der polnischen und litauischen Politik erfolgten. Der Deutsche Orden wurde durch die veränderte politische Lage in eine schwere Krise gestürzt, da somit seine Aufgaben in der Region Polen wegfielen. Dies setzte sich in dem Verbot des Papstes und König Wenzels zur Fortsetzung seiner Litauenfeldzüge um. 1404 schlossen der Deutsche Orden, Polen und Litauen den Frieden von Razianz.
1410 wurde der Deutsche Orden in der Schlacht bei Tannenberg geschlagen, wodurch der Orden den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlor. Die kampflose Übergabe von Ordensburgen schien das Aufgehen des Ordens in Polen und Litauen anzukündigen. Die Erfolge gründeten nämlich nicht auf polnisch-litauischem Zusammenwirken gegen den gemeinsamen Gegner – so beteiligt sich Litauen fast nicht an der Kriegsführung,[29] – die Erfolge beruhten vielmehr auf der Attraktivität des polnischen Privilegiensystems für den Adel, was in den Nachbarländern eine Umorientierung nach Polen bewirkte. Neben den litauisch-westrussischen Bojaren entstand auch im Kulmer Land ein oppositioneller Bund. Ritterschaft, Bischöfe und Städte huldigten dem polnischen König und ließen sich ihre Rechte bestätigen. Im Ersten Frieden von Thorn 1411 konnte der Hochmeister seinen Besitzstand gegen „Reparationszahlungen“ wahren. Im Friede vom Melnosee 1422 fielen das Dobriner Land und Niederlitauen vom Deutschordensland ab.
Das Konzil von Konstanz 1415 entzog dem Deutschen Orden das Recht, Litauen zu missionieren, womit die Existenzberechtigung des Ritterordens aus polnischer Sicht nicht mehr gegeben war. Der König wurde von Fürsten des Heiligen Römischen Reiches im Kampf gegen den Orden politisch unterstützt. Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg versprach 1421 seinen Beistand gegen die Ordensritter. Ein erneuter Konflikt mit dem Orden konnte in dem Waffenstillstand von Lentschitza 1433 und dem Frieden von Brest 1435 beigelegt werden. Immer deutlicher spürbar setzte sich die polnische Politik mit ihren Zielen durch: territoriale Revision an der Ostsee und Ausbreitung des polnischen Verfassungsmodells in ganz Ostmitteleuropa. Der preußische Aufstand von 1454, der Abfall der Stände Preußens von ihrem Landesherrn und die Wahl König Kasimirs IV. von Polen zum neuen Oberhaupt, insbesondere aber der Dreizehnjährige Krieg 1454–1466 mit dem Zweiten Thorner Frieden, 1466, bewirkten umfassende territoriale Veränderungen: Der Deutsche Orden wurde entscheidend geschwächt und hatte deutliche Gebietsverluste zu verzeichnen. Es entstand das Königliche Preußen, das als autonomer Landesteil, wie auch das Fürstbistum Ermland, der polnischen Krone unterstellt wurde. Das Restgebiet des Deutschordensstaates wurde zum königlichen Lehen. Das polnisch-litauische Jagiellonenreich näherte sich nach diesem Sieg seinem Goldenen Zeitalter.
Aufstieg der Jagiellonen-Dynastie zur europäischen Großmacht
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König Władysław II. Jagiełło, der Begründer der Jagiellonendynastie starb 1434. Dieser hatte erst in vierter Ehe zwei männliche Thronfolger gezeugt. Dem älteren Władysław III. schien als König von Polen ab 1434 eine glänzende Zukunft bevorzustehen, bis er unerwartet 1444 in der Schlacht bei Warna im Kampf gegen die Osmanen fiel. Die vierjährige Abwesenheit eines Königs nutzten die litauischen Oligarchen, um den Bruch mit der mehrfach erneuerten Union mit Polen (1386, 1401, 1413, 1432) zu beschließen, indem sie seinen jüngeren Bruder Kasimir zum Großfürsten erhoben. Für die Erneuerung der Union und die wirksame Abwehr tatarischer Verwüstungszüge gegen beide Länder erschien die Wahl Kasimirs zum König von Polen die beste Lösung. Im September 1464 entstand die Union von Brest, eine reine Personalunion, die dem König-Großfürsten die Wahl seines Aufenthaltsortes freistellte und Territoriale Konfliktpunkte außen vor ließ. Nach drei Jahren Interregnum erlangte 1447 Kasimir IV. die Krone. Seine Konzentration lag zunächst auf Litauen, wo er den Abfallserscheinungen litauischer Territorien an der litauischen Ostgrenze erfolgreich entgegenwirkte. Am 31. August 1449 schloss er mit Großfürst Vassilij III. einen Grenzvertrag, der bis zum Beginn der Moskauer Eroberungszüge 1486 in Kraft blieb und den Höhepunkt litauischen Besitzstandes im Nordosten darstellte.[30] Als letzter noch lebender Jagiellone der polnischen Linie rettete er den biologischen Bestand der Dynastie und hinterließ bei seinem Tod 1490 elf noch lebende Nachkommen. Der Kinderreichtum stellte die Jagiellonen erstmals vor die Aufgabe als Dynastie zu handeln. Eine reine Herrschaftskontinuität in Polen und Litauen allein reichte nicht mehr aus, um die Söhne standesgemäß zu versorgen, da eine Herrschaftsteilung ausgeschlossen war. Also musste die dynastisch orientierte Politik der Jagiellonen darauf zielen, für die Söhne weitere Königsherrschaften und Thronanwartschaften zu erwerben. Geeignete Ansatzpunkte für ein dynastisches Ausgreifen boten vor allem die aus der luxemburgisch-habsburgischen Herkunft der Königin resultierenden Ansprüche auf die Kronen in Böhmen und Ungarn.[31] 1510 erreichte er mit Moldau einen vorteilhaften Frieden von Kamieniec Podolski.
Vier seiner männlichen Nachkommen sollten nach seinem Tod die polnische Königskrone tragen. Der älteste Sohn Władysław war bereits seit 1471 König von Böhmen und erhielt 1490, nach dem Tod von Matthias Corvinus die ungarische Krone. Wahl und Krönung Władysławs zum ungarischen König vergrößerten zwar den Glanz der Dynastie, brachten sie aber auch angesichts der habsburgischen Ansprüche auf Ungarn in einem Gegensatz zu den Habsburgern. Die Jagiellonen herrschten um 1500 über das weiträumige Gebiet zwischen Ostsee, Adria und dem Schwarzen Meer. Die Herrschaft in den einzelnen Reichen erfolgte aber in unterschiedlicher Dichte und Qualität. Die geographische und kulturelle Reichweite dieser Herrschaft wurde begrenzt durch die Vielzahl an Sprachen und Völkern und religiöser Vielfalt. Mit der Herrschaft einer Dynastie über den gesamten ostmitteleuropäischen Raum wurden aber auch gegenseitige kulturelle Kontakte zwischen den dazugehörenden Ländern erheblich gefördert. Die Größe des Jagiellonischen Reiches um 1500 war Stärke und Schwäche zugleich, da es einerseits als Machtfaktor nicht umgangen werden konnte und andererseits aufgrund seiner geringen inneren Kohäsion kaum zu einem einheitlichen machtvollen Handeln in der Lage war. Aufgrund der äußeren Bedrohung fanden die einzelnen Herrscher der Jagiellonen für eine Zeit wieder zu einem dynastisch-einheitlichen Handeln zusammen.
Die Nachfolge des verstorbenen Kasimirs teilten sich 1492 die Brüder Johann Albrecht als König von Polen und Alexander als Großfürst von Litauen. Letzterer folgte 1501 seinem Bruder auch in Polen nach. Ab 1506 übernahm dann Sigismund als letzter überlebender Sohn Kasimirs IV. die Herrschaft als Großfürst von Litauen und König von Polen.
Gebietsverluste im Osten und Süd-Osten
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Durch die Ausdehnung des dynastischen Reiches wurde dieses große Herrschaftsgebiet an seinen Rändern in verschiedenartige Konfliktfelder eingebunden. Im Osten dominierte die Konkurrenz zwischen dem ausgedehnten litauischen Großreich und dem aufstrebenden Großfürstentum Moskau, im Südosten drohte eine Expansion des Osmanischen Reichs, im Norden blieb der Deutschordensstaat, der nach Lösung aus der polnischen Hegemonie strebte, ein ständiger Unruheherd. Im Westen standen die Jagiellonen in einer dynastischen Rivalität mit den Habsburgern im Kampf um die ungarische Krone und die künftige Vorherrschaft in Ostmitteleuropa.
- Süd-Ost-Politik: Polen wollte seine Herrschaft bis an die Schwarzmeerküste ausbreiten und geriet damit in einen Konflikt mit dem Osmanischen Reich. Die Niederlage eines Aufgebots in der Bukowina im Oktober 1497 führte zum Verlust der direkten politischen Einflussnahme über das Fürstentum Moldau 1512 an den osmanischen Sultan. Die Hohe Pforte stellte ihre Vasallen, die Krimtataren, gegen Polen und Litauen auf. In den nächsten zwei Jahrhunderten überfielen diese regelmäßig die südlichen Provinzen des Reiches. Als Reaktion darauf wurde das südliche Grenzland mit freien Wehrbauern besiedelt, was zur Entstehung des späteren ukrainischen Kosakentums führte. Das „Wilde Feld“, so hießen die Gebiete nördlich der Halbinsel Krim, entwickelten sich in der Folge zu einer „permanenten Kriegszone“ im Spannungsfeld ihrer Anlieger.
- Ost-Politik: Der Aufstieg des Großfürstentums Moskau entwickelte sich für Litauen zur Existenzbedrohung. Es band alle Kräfte Polens und Litauens im Osten für Jahrhunderte. Beide Staaten befanden sich ab 1492 (Kriege der Jahre 1492–1494, 1500–1503, 1507–1508, 1512–1522) mit Russland faktisch im Dauerkriegszustand. Die Waffengänge wurden nur durch Waffenstillstandsverträge unterbrochen. In wechselvollen Kämpfen an der Schwelle des 15./16. Jahrhunderts gingen bis 1522 für Litauen große Gebiete verloren. Das Großfürstentum Moskau errang in Osteuropa ein machtpolitisches Übergewicht gegen Litauen.
- West-Politik: Die Ansprüche auf die böhmische und ungarische Krone führten Polen in eine Konkurrenz mit dem Haus Habsburg. 1515 gelang im Vertrag von Wien der Ausgleich. Maximilian I. von Habsburg und Sigismund I. vereinbarten eine Doppelhochzeit, der künftige ungarische König heiratete die Habsburgerin Maria. Dafür verzichtete Habsburg auf die Unterstützung des Großfürstentums Moskau und des Deutschen Ordens. Als Ludwig II. 1526 in der Schlacht bei Mohács gegen das Osmanische Reich fiel, endete auch der Einfluss Polens auf Ungarn. Der Ostseeraum rückte stattdessen an die erste Stelle im außenpolitischen Machtkampf.[32]
Trotz der im Kern offensiven Politik setzte Polen schon bald zum Rückzug auf sich selbst an. Weder das Königshaus noch der immer mehr Macht erlangende Adel waren imstande oder gewillt, wie noch im 15. Jahrhundert Führungsmacht des Ostens zu sein. Der beginnende Machtverfall Polens wurde durch eine folgende Periode innerer Ruhe überdeckt, denn die potenziellen Gewinner der plötzlichen polnischen Abstinenz, Schweden und Russland, waren ihrerseits noch zu schwach, um das von Polen geschaffene Vakuum zu füllen. Dies und die Bindung der spanisch-österreichischen und osmanischen Kräfte in seinem Süden verschafften Polen so für etwa 100 Jahre eine trügerische Ruhe.[33] Die Jagiellonen mussten dem Adelsstand Privilegien einräumen. Der polnische Reichstag, der sich aus Adel und Klerus zusammensetzte, gewann zunehmend Macht über den König. Die Verfassung Nihil Novi legte 1505 weitgehende Mitbestimmungsrechte des Sejms fest. Die Privilegierung des Adels und dessen Machtzunahme führte zur Entrechtung des Bauern- und Bürgerstandes. In der Absicht, seine Macht zu stärken, erließ Sigismund eine Reihe von Reformen, richtete 1527 eine Wehrpflichtarmee ein und dehnte den bürokratischen Apparat aus, der nötig war, um den Staat zu regieren und die Armee zu finanzieren. Unterstützt von seiner italienischen Gemahlin, der Königin Bona Sforza, begann er Land zur Ausweitung des königlichen Besitzes zu kaufen. Er begann auch einen Prozess der Restitution (Wiederherstellung) königlicher Güter, die zuvor verpfändet oder Angehörigen des Adels als Lehen gegeben worden waren. Im Jahre 1537 führte die Politik des Königs zu einem größeren Konflikt, dem sogenannten Hühnerkrieg. Die Szlachta, der niedrige Adel, versammelte sich nahe Lemberg zu einer levée en masse und verlangte ein militärisches Einschreiten gegen Moldawien. Der kleine und mittlere Adel begann eine Rebellion, in der Absicht, den König zur Aufgabe seiner Reformen zu veranlassen.
Albrecht von Hohenzollern, Hochmeister des Deutschen Ordens, unterwarf sich 1525 dem polnischen König und nahm das neue Herzogtum Preußen zu Lehen. Das Land wurde säkularisiert und der neue evangelische Glaube garantiert. Bereits im 15. Jahrhundert begann sich ein Wandel in den wirtschaftlichen Verhältnissen abzuzeichnen. Auf dem Land setzte sich die Leibeigenschaft und Fronwirtschaft durch, während die Städte, vor allem Krakau, Danzig, Thorn, Lublin, später auch Warschau, zu blühenden Handelsstädten von internationalem Rang heranwuchsen.
1569–1795: Republik Polen-Litauen (Rzeczpospolita)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Union von Wilna stellte 1561 den Machtbereich des in Kurland, Livland und Estland souverän agierenden Zweigs des Deutschen Ordens unter die polnische Oberherrschaft. Der König garantierte dem Landmeister Gotthard Kettler deutsche Sprache, deutsches Recht, deutsche Selbstverwaltung sowie Freiheit des Glaubens, das später auch unter schwedischer und russischer Herrschaft bis ins 19. Jahrhundert Bestand hatte. Die Livländische Konföderation sicherte sich so gegen die russische Eroberungspolitik ab.
Die Baltische Krise, die der Auflösung der Orden im Baltikum folgte, eröffnete ein Zeitalter der Nordischen Kriege, in welchem Polen-Litauen nach dem Ausgang der Jagiellonendynastie 1572 seine Vormachtposition im östlichen Europa schrittweise einbüßte. Den Anstoß zu dieser erneuten Epochenwende gab das Zarentum Russlands. Als Zar Iwan IV. 1558 in das politisch zerrüttete Livland einfiel, entfesselte es einen 25-jährigen Konflikt an der Ostseeküste. Dieser Vorstoß rief in Schweden, Dänemark und Polen Gegenstrategien auf den Plan, die jede für sich die Oberherrschaft in der Ostsee zum Ziel hatten. Im Ersten Nordischen Krieg konnten Schweden und Polen, zunächst noch gemeinsam bis 1582, die russische Macht zurückdrängen und für anderthalb Jahrhunderte von der Ostsee fernhalten.
Lubliner Union
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Unter dem Eindruck der russischen Offensive im Livländischen Krieg gegen das Baltikum wurde mangels Nachfolger die Personalunion zwischen Polen und Litauen 1569 mit der Union von Lublin zu einer Realunion umgewandelt. Litauen stimmte der Union mit Polen mehrheitlich zu – gegen Autonomiegewährleistung in den Bereichen der Wehrhoheit, Staatsfinanzen, Jurisdiktion und Amtssprache. Polen und Litauen wurden damit zur Rzeczpospolita, einer Republik auf Basis einer Föderation unter der Präsidentschaft eines auf Lebenszeit gewählten Königs von Polen und Großfürsts von Litauen in Realunion (amtlich Republik der Polnischen Krone [Königreichs Polen] und des Großfürstentums Litauen). Für Litauen, Weißrussland und die Ukraine bedeutete dies langfristig die weitgehende Polonisierung ihrer Führungsschichten. Ende des 16. Jahrhunderts umfasste die Rzeczpospolita das Gebiet Zentral-, Nord- und Ostpolens, Oblasts Kaliningrad, Litauens, Lettlands, Weißrusslands, der Ukraine, Slowakei, Estlands und Moldaus.
Bei der Königswahl sollten sich alle adligen Reichsbürger auf dem Wahlfeld in Wola bei Warschau versammeln, um den Herrscher in Freier Wahl zu bestimmen. Jeder Adlige hatte eine Stimme, der verarmte Landadelige genauso wie der mächtigste Magnat. Stimmenkauf war üblich. Der gewählte König war gezwungen, dem Adel mit der Pacta conventa Zugeständnisse zu machen. Er hatte auch die Articuli Henriciani zu beschwören. Der König galt als primus inter pares, die reale Macht lag in den Händen des Hochadels, der sie durch den alleinigen Besitz aller Staatsämter und die Grundherrschaft über die Untertanen ausübte. Seit der Verfassung, dem Nihil Novi von 1505, konnte das Staatsoberhaupt ohne Zustimmung des Reichstages mit seinen beiden Kammern kein neues Gesetz mehr erlassen.
Das Einstimmigkeitsprinzip aller Reichstagsbeschlüsse galt seit dem 16. Jahrhundert, wurde aber erst seit 1652 so angewandt, dass ein einzelner Abgeordneter mit dem Ruf des Liberum Veto das Parlament blockieren und alle bisher gefassten Beschlüsse ungültig machen konnte. Die Problematik dieser Regelungen wurde von vielen erkannt, doch Macht- und gesellschaftliches Desinteresse der Großgrundbesitzer verhinderten Reformen. Die meisten Städte blieben ohne politischen Einfluss und wurden wie die Verteidigung des Landes vernachlässigt, weil der Adel sich weigerte, entsprechende finanzielle Leistungen zur Aufstellung eines schlagkräftigen Heeres aufzubringen. Als Folge der Verweigerung Steuern zu zahlen, blieb die Staatskasse seit der Gründung des gemeinsamen Staatswesens bis zu dessen Untergang, notorisch klamm.[34] Dadurch musste die polnisch-litauische Republik mit kleinen Armeen an mehreren Fronten verteidigt werden. Die Lage des unterdrückten Bauernstandes war aufgrund der Frondienste und persönlicher Unfreiheit schlecht. Kennzeichnend für die politische Entwicklung dieser Zeit ist die Ausbildung einer „Adelsnation“ mit polonisiertem litauischem, ruthenischem und deutsch-preußisch-baltischem Adel, während die Landbevölkerung im Norden und Osten des Landes weiterhin überwiegend deutsch-, litauisch-, weißrussisch- und ukrainischsprachig blieb. Der polnische Reichstag der Magnaten engte nach 1572 die Macht des Königs zunehmend ein und sicherte sich auf Dauer das Privileg der Königswahl.
Reformation und Gegenreformation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Reformation verbreitete sich auch in Polen und Litauen. Der Calvinismus wurde 1540 durch Jan Łaski nach Polen gebracht. Unter dem Einfluss des Unitariers Faustus Sozzini wurde 1579 die Kirche der Sozinianer gegründet. Das Luthertum hatte zunächst bei der deutschen Bevölkerung in den preußischen Städten und in Krakau Einzug gefunden, im Herzogtum Preußen begannen sich ebenso die Lehren Luthers und Calvins durchzusetzen. König Sigismund I. bekämpfte sie mit einer Reihe von Edikten und Rechteeinschränkungen politisch, in Danzig auch militärisch. Sein Sohn und Nachfolger Sigismund August, auf den die Protestanten große Hoffnungen setzten, wechselte zwar nicht die Konfession, ging aber auch nicht energisch gegen die Reformation vor. In den Jahren nach 1548 bildeten sich in einer Reihe von Orten reformatorische Gemeinden verschiedenen Bekenntnisses: im Westen des Landes die vertriebenen Böhmischen Brüder in Leszno und Ostroróg, im Osten Arianer und Täufer in Raków und anderen Mediatstädten adliger Magnatengeschlechter. Die protestantischen Richtungen der Rzeczpospolita schlossen 1570 den Consensus von Sandomir. Mit der „Pax Dissidentium“ der Konföderation von Warschau 1573 wurde die uneingeschränkte Religionsfreiheit der Protestanten, einschließlich ihrer politischen Gleichstellung und Zivilrechte, staatsrechtlich sanktioniert.
Die Zersplitterung der Bewegung in verschiedene Richtungen war eine Schwäche, an der die Gegenreformation ansetzte, die in Polen mit Stanislaus Hosius, dem Bischof von Ermland, begann. Die außenpolitische Anlehnung der folgenden drei Wasa-Könige an das katholische Habsburg und der innenpolitische Kampf gegen den Adel drängten die Protestanten immer weiter zurück. Allerdings gab es keine Einrichtung wie die Inquisition in Polen, auch wurde niemand auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die polnische Toleranz jener Zeit war damit zu erklären, dass sich die Vertreter des dominierenden Adels einen Glaubenskrieg wie im benachbarten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation oder dem hugenottischen Frankreich ersparen wollten. Mit einem Teil der ruthenisch-orthodoxen Kirche wurde ein Ausgleich in der 1596 geschlossenen Kirchenunion von Brest gefunden. Diese sollte die Ostgrenze sichern, erfüllte aber die Erwartungen der Staatsspitze und der beteiligten lokalen Würdenträger nicht. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts setzte eine immer stärkere Rekatholisierung des Landes ein, die religiöse und nationale Minderheiten zusehends an den Rand drängte. Sie förderte die Abwanderung großer Teile der protestantischen Bevölkerung, wodurch wirtschaftlich-intellektuelles Potential dem Land zusätzlich auf Dauer verloren ging.
Goldenes Jahrhundert
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Kunst, Literatur und Wissenschaft erreichten im „goldenen Jahrhundert“ der Renaissance und des Humanismus einen Höhepunkt, insbesondere während der Regierungszeit des Renaissancekönigs Sigismunds des Alten, einen Aufschwung von Literatur und Kunst, wobei das bis dahin im Schrifttum dominierende Latein zugunsten des Polnischen zurücktrat, das sich ab etwa 1500 voll entfaltete. Es kam zur Blüte der „Weichselgotik“, zum Eindringen der italienischen Renaissance in die „Krakauer Malerschule“ und es stieg der Einfluss deutscher und flämischer Künstler, unter anderen Veit Stoß. An der Krakauer Akademie, einem Zentrum des Humanismus, wirkten Conrad Celtis und die Juristen Paweł Włodkowic und Jan Ostroróg. Durch Einwanderung auch deutscher Drucker, Holzschnitzer und Verleger stieg Krakau zum führenden Zentrum des Buchdrucks in Ostmitteleuropa auf. Die Dichter Mikołaj Rej, Jan Kochanowski und Łukasz Górnicki begründeten die polnische Literatur, der Philosoph Andrzej Frycz Modrzewski die polnische Staatstheorie und Nikolaus Kopernikus das heliozentrische Weltbild. In Architektur und Kunst spiegelten sich italienische und französische Einflüsse. Zahlreiche Adelspaläste, Bürgerhäuser und Kirchen entstanden, das Königsschloss auf dem Wawelhügel wurde zur prunkvollen Residenz ausgebaut, neue Städte gegründet. Der Reichskanzler Jan Zamoyski ließ eine Renaissance-Modellstadt, Zamość, anlegen, die Städte Lemberg, Wilna und Posen stiegen zu wichtigen Kulturzentren auf, die preußischen Hansestädte Elbing, vor allem Danzig, im Rahmen des Weichselhandels zu wichtigsten Handelshäfen des Landes.
Kampf um die Ostseeherrschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zweiter König der „Rzeczpospolita“ wurde 1573 der französische Prinz Heinrich von Valois, der jedoch seinen Thron nach wenigen Monaten unversehens wieder verließ, ohne formal abgedankt zu haben. Er hatte vom Tod seines Bruders Karl IX., des Königs von Frankreich, erfahren und konnte sich, wenn er am Pariser Hof anwesend war, die französische Krone sichern, die mit mehr Macht verbunden war. Heinrich hinterließ die Pacta conventa und die Articuli Henriciani, die konstitutionellen Charakter hatten und die königlichen Rechte auf ein Minimum reduzierten. Die von ihm gewährten Rechte und Privilegien wurden, trotz seiner kurzen „Herrschaft der 146 Tage“,[35] zur Grundlage der Goldenen Freiheit und begründeten die herausgehobene Stellung der adelsrepublikanischen Aristokratie. Heinrich ließ den ihm gesetzten Rückkehrtermin verstreichen und wurde der Krone verlustig erklärt. Mit Stephan Báthory, den Jan Zamoyski stark unterstützte, setzte sich 1576 ein ungarischer Aristokrat aus dem Fürstentum Siebenbürgen in Polen durch. Báthory war ein geschickter Taktiker im Machtgefüge der Republik und führte sein Heer siegreich gegen den Moskauer Staat im Livländischen Krieg an. In drei Feldzügen (Polozk 1579, Welikije Luki 1580 und Pleskau 1581) besiegte er den Zaren, der schließlich im Vertrag von Jam Zapolski Waffenstillstand mit dem polnischen König schloss. Der Zar trat das 1563 eroberte Gebiet um die Stadt Polozk und das seit 1558 in Teilen annektierte Livland mit Dorpat an die polnische Krone ab. Stephan Báthory gründete 1579 mit Hilfe der Jesuiten, die er nach Polen holte und förderte, die Universität Wilna. Den Plan, mit Hilfe Polens seine ungarische Heimat von der Türkenherrschaft zu befreien, konnte er wegen seines plötzlichen Todes 1586 nicht verwirklichen.
1587 wurde Sigismund III. Wasa, der das Geschlecht der Jagiellonen und der Wasa in seiner Person vereinte, zum König gewählt. Die Wahl eines schwedischen Prinzen begünstigte den Ausbruch folgenschwerer Schwedisch-Polnischer Kriege. 1592 wurde Sigismund III. zusätzlich schwedischer König und begründete damit eine Schwedisch-Polnische Personalunion. Der Sejm hatte ihn aber bei seiner Wahl zur ständigen Anwesenheit in Polen verpflichtet. So musste Sigismund III. einen Regenten in Schweden einsetzen. 1603 versuchte Sigismund III. Wasa den Thron seiner schwedischen Heimat zurückzuerlangen, den er als Folge der Schlacht von Stångebro 1598 und seiner Absetzung durch den schwedischen Reichstag als König von Schweden 1599 verloren hatte. Dies hatte das Ende der ab 1592 bestehenden Personalunion Schwedens mit Polen zur Folge und provozierte den Ausbruch der Schwedisch-Polnischen Kriege 1600–1629. Für Polen brachte dieser im Waffenstillstand von Mitau den Verlust Livlands und preußischer Küstengebiete.[36] König Sigismund verlegte 1596 die Hauptstadt Polens von Krakau nach Warschau, wegen seiner zentralen Lage in Polen und der größeren Nähe zu seinem Erbkönigreich Schweden. Zeitgleich mit dem Krieg gegen Schweden kam es zu Konflikten mit dem Osmanischen Reich und mit dem Zarentum Russland.
- Der König griff in die russischen Thronwirren ein, die Smuta, die nach dem Tod des Zaren Boris Godunow um 1605 in Russland ausbrachen. Während des Konfliktes in den Jahren 1609 bis 1618 besetzten 1610 polnisch-litauische Unionstruppen unter der Führung des Kronfeldhetmans Stanisław Żółkiewski zwei Jahre lang Moskau. Eine angestrebte Personalunion scheiterte am russischen Widerstand gegen die königlichen Pläne und der inneren Verfassung Polens. Nach wechselvollen Kämpfen endete der Krieg Ende 1618 mit dem Vertrag von Deulino. König Sigismund erhielt die Herrschaft über Smolensk und Sewerien. Damit erreichte die Adelsrepublik mit einer Staatsfläche von fast 1.000.000 Quadratkilometern ihre größte territoriale Ausdehnung. Nach Sigismunds Tod († 30. April 1632) und unter Bruch des Vertrags von Deulino versuchte Zar Michael, das verlorene Gebiet im „Smolensker Krieg“ zu erobern. Er belagerte ab Oktober 1632 Smolensk. Der neue polnische König (Władysław IV. Wasa) und das polnische Heer trafen am 3. September 1633 dort ein. Die russischen Truppen kapitulierten schließlich am 25. Februar 1634. Der Krieg endete mit dem Vertrag von Polanów („Ewiger Friede“).
- Die an den Habsburgern ausgerichtete Außenpolitik der polnischen Wasa und die Überfälle der Kosaken auf türkisches Territorium zerrütteten das relativ gute Verhältnis zum Osmanischen Reich, auch wegen vieler Razzien der Tatarenvölker, osmanischer Vasallen, gegen die Provinzen des Königreichs. Nach kosakisch-tatarischen Grenzscharmützeln, Einmischungen lokaler Magnaten aus der Ukraine in die inneren Angelegenheiten der osmanischen Vasallen, der Donaufürstentümer, kam es zum Osmanisch-Polnischen Krieg 1620–1621. Sultan, Osman II., zog eine Streitmacht mit bis zu 300.000 Mann[37] gegen die Republik zusammen, der der polnische König bei Chocim ein gemischtes polnisch-ukrainisches Heer (bis zu 75.000 Mann an Kampftruppen, darunter 6450 Deutsche[37]) entgegenstellte. Als den Osmanen, trotz zahlenmäßiger Überlegenheit, nach über einem Monat kein Durchbruch der polnisch-ukrainischen Front gelang, vereinbarten beide Seiten einen „ehrenvollen“ Waffenstillstand im Frieden von Chotyn.
Zeitalter der „Blutigen Sintflut“
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1648 wurde Johann II. Kasimir neuer polnischer König. Der Jesuit und Kardinal benötigte dafür einen päpstlichen Dispens. Kaum an der Macht, verschärften sich im Südosten die Spannungen. Der feudale und religiöse Druck auf die ruthenische Bevölkerung entfachte einen neuen großen Aufstand, den Chmelnyzkyj-Aufstand unter der Führung von Bohdan Chmelnyzkyj, gegen die polnische Herrschaft.[39] Die Kosaken plünderten die Anwesen polnischer Landbesitzer, brachten weite Teile der heutigen Ukraine unter ihre Kontrolle und drangen bis nach Lemberg vor. Ausgleichsbemühungen in dem Vertrag von Zboriv, dem Vertrag von Bila Tskerkva und dem Vertrag von Hadjatsch scheiterten. Zugleich ließ Chmielnyzkyj gegen die in der Ukraine lebenden Juden Pogrome verüben, da viele von ihnen als polnische Verwalter dienten. Die Pogrome kosteten nach neueren Schätzungen knapp der Hälfte der etwa 40.000 jüdischen Bewohner der Ukraine das Leben, viele der Überlebenden flüchteten aus dem Land.[40]
Nach wechselvollen Kriegsereignissen kam der Konflikt 1654 zu einem Ende. Die Kosaken wechselten zur Oberhoheit des russischen Zaren. Der Seitenwechsel war innerhalb der Kosakennation umstritten, da ein Teil ein erneutes Zusammengehen mit Polen bevorzugte und 1660 den Vertrag von Chodnov schloss. Die tiefen Spaltungen ließen das Gebiet der Ukraine für Jahrzehnte in kriegsähnliche Zustände und Chaos fallen. Der Anschluss der östlichen Ukraine an Russland zog den Russisch-Polnischen Krieg von 1654 bis 1667 nach sich, im Frühjahr 1655 besetzten russische Truppen einen Großteil des Großfürstentums Litauen und der Ukraine. Als Johann Kasimir sich 1655 zum König von Schweden erklärte, lieferte er dem Schwedenkönig Karl X. Gustav den willkommenen Anlass zum Angriff auf Polen. Der Dreißigjährige Krieg hatte die schwedische Staatskasse geleert, gleichzeitig musste ein kostspieliges Heer in den eroberten Ländern unterhalten werden. Schwedens Vorstoß wurde durch die unterschiedliche Interessenlage der polnischen Magnatenhäuser und die militärische Lage der Republik im Osten begünstigt. Das großpolnische Adelsaufgebot kapitulierte kampflos vor der schwedischen Streitmacht und huldigte im Anschluss dem Karl X. Gustav als ihrem König. Nacheinander fielen die wichtigsten Städte in schwedische Hände, im September Warschau, im Oktober Krakau. Die Russen im Bündnis mit den Kosaken stießen bis nach Lublin, Puławy und zur Weichsel vor.
König Johann Kasimir wurde vom größten Teil des Adels im Stich gelassen und floh ins Heilige Römische Reich nach Schlesien, wo er auf Hilfe der Habsburger hoffte. In Litauen stimmten die Adligen angesichts der russischen Erfolge einer Union des Großfürstentums Litauen mit Schweden zu, was den Bruch der Realunion mit Polen bedeutete. Die Anzahl der schwedischen Truppen reichten jedoch nicht aus, die eroberten Gebiete zu halten. Das Kloster von Jasna Góra wurde 1655 verteidigt und dies zum „Wunder von Tschenstochau“ verklärt. Die Vertreter des polnischen Adels wechselten zudem die Fronten und organisierten sich in der Konföderation von Tyszowce. Überdies überwarf sich der russische Zar Alexei mit dem Karl Gustav über die Aufteilung der Eroberungen und erklärte ihm Ende Mai 1656 den Krieg, während er mit dem polnischen König einen auf zwei Jahre begrenzten Waffenstillstand von Niemież schloss. Der Schwedisch-Polnische und der Russisch-Polnische Krieg weiteten sich somit in einen schwedisch-russisch-polnischen Konflikt aus, den Zweiten Nordischen Krieg. Johann Kasimir kehrte Anfang 1656 nach Polen zurück. 1656 ging der von Karl Gustav unterworfene Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg auf dessen Angebot ein, ihn für ein Bündnis zum souveränen Herzog in Preußen zu machen. Mit dem Sieg der schwedisch-brandenburgischen Streitmacht über die Truppen der Adelsrepublik in der dreitägigen Schlacht bei Warschau erkannte Karl Gustav die Souveränität des Herzogtums Preußen im Vertrag von Labiau 1656 an.
Karl Gustav sah seine einzige Hoffnung in einem Sieg über Polen und der Teilung der Republik unter Einbindung Siebenbürgens, Brandenburgs und Chmielnickis. Anfang 1657 trat das unter osmanischen Schutz stehende Fürstentum Siebenbürgen unter der Führung des Protestanten Georg II. Rákóczi auf die Seite der Schweden und verwüstete mit seinem siebenbürgisch-kosakischen Heer weite Gebiete Polens im Süden und Osten. Um ein Übergewicht Schwedens in Nordeuropa zu verhindern, verbündeten sich das Königreich Dänemark, die Habsburgermonarchie unter Kaiser Ferdinand III. und die Niederlande mit Polen. Die schwedischen Niederlagen ab Mitte des Jahres 1657 nahm der abwartend gebliebene Friedrich Wilhelm zum Anlass, Erzherzog Leopold um Vermittlung beim polnischen König zu bitten. Polens Staatsspitze ging auf das Angebot eines brandenburgischen Seitenwechsels ein. Nun gestand auch Polen dem Herzogtum Preußen die volle Souveränität zu. Dies sollte 1701 dem Sohn Friedrich Wilhelms ermöglichen, das Herzogtum zum Königreich Preußen zu erheben.
Territorialverluste und Polen als Spielball europäischer Mächte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kriegshandlungen mit Schweden dauerten bis zum Vertrag von Oliva 1660. Der Vertrag stellte den Status quo ante bellum her. Der Kurfürst von Brandenburg erlangte die Souveränität[41] über das Herzogtum Preußen. Frankreich übernahm die Garantie der Einhaltung des Friedens. Die Truppen des Zaren konnten nun bis zum Dnjepr zurückgedrängt werden. Die Siege des abtrünnigen Magnaten Jerzy Sebastian Lubomirski und der Machtwechsel im Krimkhanat, der die Südgrenze bedrohte, bewirkten den Abschluss eines ungünstigen Waffenstillstands 1667 mit Moskau. Damit verlor Polen über ein Viertel (insgesamt 261.500 km²) seines Territoriums, das ab 1667 733.500 km² betrug. 1668 dankte der letzte Wasakönig Johann Kasimir ab. Ein Viertel der damaligen Bevölkerung war an den Folgen von Seuchen, Hungersnöten, Plünderungen und Gewalttaten gestorben. Zusätzliche Bevölkerungsverluste entstanden durch die Territorialverluste an Russland, zudem war die polnische Wirtschaft zerrüttet.[42] Manfred Alexander beschreibt Polens Lage nach dem Rücktritt von Johann Kasimir so: „Polen büßte in fünf Jahren prozentual so viele Menschen ein wie Deutschland im Dreißigjährigen Krieg, die Hauptlast trugen dabei die Städte. Deren planmäßige und methodische Zerstörung [… führte dazu, dass] Polen ein Agrarland blieb. Erst 1848 hatten die Städte wieder ungefähr das Niveau von 1655 erreicht.“[43] Der Sejm wählte 1669 Michael Wiśniowiecki zum polnischen König. Vier andere Kandidaten wurden abgelehnt, da die Vertreter des Kleinadels nach schlechten Erfahrungen mit Ausländern ihre Stimme einem einheimischen Kandidaten geben wollten, im Gegensatz zu den adelsrepublikanischen Magnaten.
Der in der rechtsufrigen Ukraine bestehende Kriegszustand mündete im Osmanisch-Polnischen Krieg von 1672 bis 1676. Um einer bevorstehenden militärischen Niederlage zuvorzukommen, schloss das geschwächte Polen den Präliminarfrieden von Buczacz. Die osmanische Türkei dehnte ihre Herrschaft über weite Teile der südlichen Ukraine aus. Der polnische Reichstag weigerte sich, den Vertrag zu ratifizieren; erneut begannen Kriegshandlungen. Nach wechselvollen Kämpfen endete der Krieg 1676 mit dem Vertrag von Żurawno. König Wiśniowiecki starb 1673. Der Großkronhetman Jan Sobieski wurde 1674 dank seiner Popularität und militärischen Verdienste als sein Nachfolger gewählt.

Unter Sobieski, der zunächst die Unterstützung Frankreichs besaß, gelang der sich in einer tiefen politisch-ökonomisch-militärischen Krise befindenden Adelsrepublik zu Ende des 17. Jahrhunderts noch einmal eine kurze Renaissance der politischen Macht. Der neue König sollte den Staat von der fortwährenden Türkengefahr im Südosten des Reiches befreien. Sobieski wandte sich von seinem Bündnispartner Frankreich ab und schloss im April 1683 einen gegenseitigen Beistandspakt mit den Habsburgern. Dieser fand rasch Anwendung, als die Türken im Sommer Wien belagerten. Der polnische Reichstag stimmte der Entsendung eines Entsatzheeres zu, das wesentlich zum Sieg der alliierten Truppen in der Schlacht am Kahlenberg (1683) beitrug. Weitere Vorstöße im Südosten gegen das osmanisch besetzte Podolien, die Moldau und die Walachei blieben allerdings ohne Erfolg. Polen trat 1684 der durch die Vermittlung von Papst Innozenz XI. gegründeten Heiligen Liga bei. Zwei Jahre später wurde mit Russland „ewiger Frieden“ geschlossen. Innenpolitisch erreichte der König seine Ziele nicht: Er konnte weder die Herrschaftsansprüche seiner Familie durchsetzen noch die Macht des Adels begrenzen. Dieser opponierte offen gegen ihn, weil er in einem starken Königtum eine Bedrohung seiner Rechte sah. Die Folgen von Kriegen und Besetzungen durch fremde Heere – Besatzungskosten, Plünderungen und Zerstörungen des Landes – ließen weite Gesellschaftsschichten, auch den Adel, verarmen und sich verschulden. Die Föderation verfiel nach Sobieskis Tod (1696) in eine dezentralisierte Magnaten-Konföderation mit schwachen ausländischen Königen. Polen sank zum „Spielball“ europäischer Mächte herab, vor allem Russlands. Der allgemeine Verfall äußerte sich in einer dauerhaften Blockade des polnischen Parlaments durch das Liberum Veto und in der Bildung legaler Widerstandsbewegungen gegen die Gesamtinteressen des Staates immer dann, wenn der Adel seine herausgehobene Stellung in Gefahr sah. Im 18. Jahrhundert standen die Konföderationen oft unter dem Einfluss ausländischer Botschafter, die das Land an den Rand eines Bürgerkrieges brachten.
Sachsenzeit
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Ölgemälde von Jean-Pierre Norblin de La Gourdaine, ca. 1790
Unter der Sachsenzeit versteht man in Polen die Herrschaftszeit der beiden Könige aus dem Hause Wettin. Es waren August der Starke 1697–1733 und sein Sohn August III. 1733–1763, die Polen in Personalunion mit ihrem heimischen Kurfürstentum Sachsen regierten. Die Wahlen waren mit massiven Bestechungen einhergegangen und blieben nicht unangefochten. Um sich die polnische Krone zu sichern, musste der protestantische Kurfürst zum Katholizismus konvertieren. Der Friedensvertrag zu Karlowitz 1699 mit der Hohen Pforte ermöglichte eine Rückkehr Podoliens zu Polen. Mit dem Großen Türkenkrieg endeten auch die seit 1444 geführten Konflikte mit dem Osmanischen Reich. Die Politik des Landes wurden immer stärker von den Hochadelsfraktionen bestimmt, namentlich die Potockis, Czartoryskis und Sapiehas, die sich gegenseitig bekriegten und zunehmend finanziell von fremden Mächten abhängig wurden. Die Versuche des Königs, eine absolutistische Herrschaft zu etablieren, scheiterten am Fehlen einer eigenen Hausmacht.

Die große Auseinandersetzung Russlands und Schwedens um Livland und um die Vorherrschaft in der Ostsee im Großen Nordischen Krieg dehnte sich auch auf Polen aus. Beide Kriegsparteien kämpften auch um den politischen Einfluss auf die Adelsrepublik.[44] Im ersten Jahrzehnt des Krieges, als das petrinische Russland am Rande des Zusammenbruchs stand, war Polen in erster Linie von Schweden bedroht. Nach der Niederlage des schwedischen Königs geriet die Adelsrepublik unter wachsenden Druck Russlands. Dieses machte sich den inneren Konflikt zwischen den absolutistischen Reformbestrebungen des Wahlkönigs August II. und dem Konservatismus des Adels zunutze, um die Rolle des Mittlers zu spielen, der in Wirklichkeit den Parteien die Interessen Russlands aufzwang. In dieser entstehenden Souveränitätskrise verwischten die Grenzen zwischen innerer und äußerer Politik. Dies machte sich erstmals auf dem Stummen Sejm von 1716/17 bemerkbar, auf dem Peter I. die militärische Kontrolle des polnischen Staatsgebietes zugesichert bekam. Faktisch bedeutete die im Stummen Sejm von 1717 fixierte Heeresstärke von 24.000 Mann (effektiv kaum mehr als 10.000 Mann) den militärischen Zusammenbruch Polens. Im Frieden von Nystad vermochte Peter I. seinen Interventionserfolg in Polen durch völkerrechtliche Regelungen abzusichern. So erhielt Russland das Recht zur Intervention im Falle von verfassungsändernden Reformen.[45]
Nach dem Tod des polnischen Königs August II. entstand ein Interregnum, aus dem sich der Polnische Thronfolgekrieg entwickelte. Die drei Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich kamen überein, die Wahl eines französisch gestützten Königs (als Versuch einer Barrière de l’Est gegen die mittelosteuropäische Dominanz der drei Mächte) zu verhindern sowie die Handlungsunfähigkeit Polens aufrechtzuerhalten.[46] Durch die Unterstützung Russlands und Österreichs konnte sich sein Sohn, August III., während des Polnischen Thronfolgekrieges gegen seinen Gegenspieler Stanislaus I. Leszczyński durchsetzen, um den Preis zunehmender politischer Einflussnahme Russlands in Polen. Das Land wurde weitgehend durch seinen Günstling Heinrich Graf von Brühl regiert. Weil der Gutsadel gleichzeitig an Wohlstand gewann, drang er auch auf eine innere Reform des Staates. Der Geist der Aufklärung drang nach Polen vor, Ansätze zu einer Verbesserung des Bildungssystems wurden gemacht. Besonders positiv waren die Folgen in der Architektur. Das Bild der Hauptstadt Warschau veränderte sich: das Königsschloss wurde großzügig umgebaut, es entstand die Sächsische Achse nach dem Vorbild von Versailles mit dem Sächsischen Palais und dem Sächsischen Garten. Die Chancen für grundlegende Reformen, die sich nach dem Ende des Polnischen Thronfolgekrieges ergaben, wurden vertan. Das Land und mit ihm das System der Adelsdemokratie trieben an den Rand des Ruins. Mehrere Anläufe zur Reform und Stärkung der Staatsstrukturen, vor allem seiner Finanzen während der Reichstage von 1738, 1744, 1746 und 1748 blieben erfolglos. Der Hochadel weigerte sich, neben der Angst vor absolutistischen Bestrebungen, sich selbst zu besteuern. Die Institution des Königtums in Polen war zu schwach, die Reformen gegen die Partikularinteressen der Magnatengeschlechter durchzusetzen.
Teilungen Polen-Litauens
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Der innere Verfall der polnisch-litauischen Adelsrepublik setzte sich auch nach der Wahl Stanislaus August Poniatowskis zum König 1764 fort. Trotz vorsichtiger Reformbemühungen, wie der Gründung von Bildungseinrichtungen und Manufakturen und einer Blütezeit im Bereich von Kunst und Kultur scheiterten weitergehende Schritte, wie die Abschaffung des Liberum Veto vor allem am Widerstand Russlands. Russland wollte Polen weiter unter politischer Kontrolle behalten. Unter russischem Druck mussten König Poniatowski und der Sejm 1768 einen polnisch-russischen Vertrag unterzeichnen, der alles beim Alten beließ und die Königliche Republik auf die Höhe eines russischen Protektorats stellte. Zahlreiche konservative Adlige waren gegen den Vertrag und schlossen sich in einer Widerstandsorganisation, der Konföderation von Bar, zusammen. Diese richtete sich gegen den prorussischen König Poniatowski, die Reformen im Lande, die Beschneidung der Goldenen Freiheit sowie den starken russischen Einfluss in Polen. Es begann ein vierjähriger Bürgerkrieg, der das Chaos im Land vertiefte und europäische Dimensionen annahm. Der französische König Ludwig XV. und der osmanische Sultan Mustafa III. gingen mit der Konföderation eine Allianz ein. Ihr Ziel war die Sicherung der Republik als barriere de l'est gegen die russische Expansion. Im daraufhin ausbrechenden Russisch-Türkischen Krieg hatte die Konföderation hohe Opferzahlen unter dem Adel zu beklagen.[47] Um sich ihren Anteil an der polnischen Beute zu sichern, waren österreichische und brandenburgisch-preußische Truppen schon seit 1769[48] in Teilen Polens einmarschiert und hielten sie besetzt. In den Verträgen des Jahres 1772 erhielt Russland die Woiwodschaften Połock, Witebsk, Mścisław und Livland. Weite Teile Kleinpolens und Ruthenien fielen an Österreich. Preußen vereinnahmte Königlich Preußen und Teile der Woiwodschaften Inowrocław und Gnesen als Westpreußen sowie das Fürstbistum Ermland. Insgesamt verlor Polen bei der ersten Teilung knapp 200.000 km² mit 4,5 Millionen Einwohnern. Es blieben ihm 527.000 km² mit sieben Millionen Menschen.
Diese Ereignisse brachten führende Köpfe des Staates dazu, innere Reformen anzuschieben. Man vereinbarte eine grundlegende Reform der Staatsfinanzen, eine Modernisierung der Armee (Aufbau und Finanzierung eines 100.000 Mann starken stehenden Heeres) und des Bildungswesens (durch die Gründung der Kommission für das nationale Erziehungswesen). Weitergehende Reformen entstanden Ende der 1780er Jahre, als der Vierjährige Sejm eine neue Verfassung verabschiedete. Diese sah eine Erbmonarchie unter dem Haus der Wettiner vor und ging als die Verfassung vom 3. Mai 1791 in die Geschichte ein. Neben einer Teilung und Verschränkung der Gewalten sollte auch das Prinzip der Volkssouveränität für Adel und Stadtbürger gelten, wohingegen die Masse der Bevölkerung, die leibeigenen Bauern, rechtlos blieb.[49]
Der Widerstand der alten Teilungsmächte gegen die Reformen wuchs. Preußen suchte die Nähe Russlands, obwohl es seit 1790 in einer gegen Russland gerichteten Defensivallianz mit Polen verbündet war. Russland ermutigte konservative Adlige, sich in der Konföderation von Targowica zusammenzuschließen, die vom russischen Militär unterstützt wurde. Der Widerstand der antireformatorischen Kräfte und die russische Intervention zur Unterstützung ihrer Vasallen in Polen erzwangen 1792 abermals einen Russisch-Polnischen Krieg. Die überstürzte Kapitulation des Königs und dessen Beitritt zur Konföderation von Targowica trug zu einer weiteren Teilung des revolutionären Polen 1793 bei, in der alle Gebiete östlich der Linie Dünaburg–Chocim an Russland; Großpolen, Westmasowien sowie die Städte Danzig und Thorn an Preußen fielen. Den Annexionen hatte sich das Land im letzten adelsrepublikanischen Sejm, dem Sejm von Grodno, durch militärischen Nachdruck zu fügen. Es verblieb ein polnischer Rumpfstaat mit 240.000 km² und 3,5 Millionen Einwohnern.
Ein Jahr später brach der Kościuszko-Aufstand aus, zum ersten Mal ein Volksaufstand. Tadeusz Kościuszko proklamierte sich zum Diktator und hoffte auf auswärtige Hilfe. Die Kämpfe waren zunächst erfolgreich, etwa in der Schlacht bei Racławice. Die Übermacht von Preußen und Russen setzte sich aber durch. In der Schlacht bei Maciejowice unterlag im Oktober 1794 das Hauptaufgebot mit Kościuszko an der Spitze. Mit dem für die Invasoren erfolgreichen Kampf um die polnische Hauptstadt waren der Kościuszko-Aufstand endgültig gescheitert und das Schicksal Polens besiegelt. Mit der dritten Teilung, in der Russland alle litauischen und ruthenischen Gebiete östlich von Bug und Memel, Österreich das restliche Kleinpolen mit Krakau und Brandenburg-Preußen das restliche Masowien mit Warschau und Teile Litauens erhielten, waren Polen und Litauen für über 100 Jahre von der politischen Landkarte Europas verschwunden. Die endgültige Teilungskonvention, geschlossen in Sankt Petersburg 1797, wurde um ein geheimes Zusatzabkommen ergänzt:
„Im Angesicht der Notwendigkeit alles abzuschaffen, das die Erinnerung an das Bestehen des Königreichs Polen wiederbeleben könnte…, stimmen die den Vertrag abschließenden Parteien überein…, niemals ihre Titel um den Namen oder Würden des Königreichs Polen zu ergänzen, welches von heute und für alle Zeit unterdrückt bleiben soll!“
1795–1914: Fremdherrschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Polen in den Koalitionskriegen 1795–1815
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Die nach dem Ende der polnischen Staatlichkeit verbliebenen Aufständischen und Oppositionellen setzten ihre Hoffnungen auf das revolutionäre Frankreich. Auf dessen Anregung entstand bis 1797 in Oberitalien eine 6000 Mann starke Polnische Legion unter General Jan Henryk Dąbrowski, die auf Seite Napoleons bis zum Frieden von Lunéville 1801 kämpfte, ohne ihrem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Stattdessen setzte Napoleon die polnischen Soldaten im Kampf gegen Aufständische auf Haiti ein, wo sie durch Tropenkrankheiten dezimiert wurden. Haiti wurde zum 1. Januar 1804 unabhängig. Was blieb, war der Siegeswille der Legionäre, der sich im Text des Liedes Józef Wybickis von 1797 manifestierte: „Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben“, und weiter „Marsch, marsch, Dąbrowski, von Italien nach Polen“ (seit 1918 die Nationalhymne Polens).
Gleichzeitig versuchten polnische Adlige am Petersburger Hof, wie der beim Zaren (1801–1825 war es Alexander I.) zu Einfluss gelangte Fürst Adam Jerzy Czartoryski, die Lage im russischen Teilungsgebiet zu mildern. Zeitweise gab es mehr Freiheit besonders im Bildungswesen; Russland war aber nicht zu einem Krieg gegen Preußen bereit. Die französischen Kriegserfolge des Jahres 1806 bewogen einige Polen, auf Napoleon zu setzen und einen bewaffneten Aufstand im polnischen Südpreußen zu wagen. Der Aufstand hatte Erfolg; dies wurde begünstigt durch die Schwäche Preußens und den Vormarsch der Grande Armée.
Napoleon, der bei seinem Einmarsch in Warschau am 19. Dezember 1806 nach dem Sieg über Preußen wie ein Befreier gefeiert wurde,[50][51][52][53] dachte an den zukünftigen Kampf gegen Russland. Er erklärte sich dazu bereit, im Rahmen des Tilsiter Friedens, aus dem Preußen geschwächt herausging, das Herzogtum Warschau zu bilden, an dessen Spitze der sächsische Kurfürst Friedrich August gestellt wurde. Statt der erwarteten Bestätigung der Mai-Verfassung wurde dem französischen Vorbild folgend das „Statut conventionnel“ erlassen; die politische Macht fiel dem französischen Residenten in Warschau zu.
Das Engagement der polnischen Bevölkerung für den neuen Staat wuchs. Dem auf französischer Seite kämpfenden Militär gelang es 1809, Teile Kleinpolens vom Kaisertum Österreich zurückzuerobern. Österreich hatte im Österreichisch-Polnischen Krieg unter Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich-Este versucht, das neuentstandene polnische Staatswesen zu ersticken. Aus diesen Gründen war auch die polnische Bereitschaft hoch, sich massiv am Russlandfeldzug Napoleons zu beteiligen. Mit über 100.000 Mann, bei ungefähr 4 Millionen Einwohnern, stellten die Polen aus dem Herzogtum das größte Kontingent nach den Franzosen und kämpften im Winter 1812–1813 an der Seite Frankreichs in Russland. Nur wenige Tausend kehrten in ihre Heimat zurück. Aufgrund der Niederlage Napoleons und seiner Grande Armée besetzte Russland große Teile des Herzogtums inklusive der Hauptstadt Warschau und legte dem Land Kontributionen auf.
Die Napoleonischen Kriege hinterließen ein ausgezehrtes „Rumpf-Polen“. Während sich 1813 fast ganz Europa gegen Napoleon gestellt hatte, waren die Polen das einzige europäische Volk, das Napoleon noch in der Völkerschlacht bei Leipzig die Treue hielt, während die restlichen französischen Verbündeten vor allem aus dem Rheinbund überliefen. Weil der russische Kaiser in der Frage eines souveränen Polens zu keinen Konzessionen bereit war, befanden sich Fürst Poniatowski und sein Volk in einer schwierigen Situation. Mit dem Sturz Napoleons durch die Teilungsmächte und das Vereinigte Königreich brach für die Polen etwas mehr als ein Jahrhundert Fremdherrschaft an. Die endgültige Entscheidung über die Zukunft Polens fiel auf dem Wiener Kongress von 1815, als die Aufteilung Polens bestätigt wurde (wenngleich Preußen die bei der dritten Teilung (1795) erworbenen Gebiete weitgehend an Russland abtreten musste). Das bis 1809 österreichische Krakau wurde zur Freien Stadt erklärt. Das Herzogtum Warschau wurde um die Provinz Posen verkleinert, die an Preußen zurückfiel. Der Rest wurde als „Königreich Polen“ mit eigener Verfassung und Autonomie ausgestattet und in Personalunion mit dem Russischen Kaiserreich vereinigt. Zwar wurde die Existenz einer polnischen Nation von allen europäischen Großmächten anerkannt, der polnische Nationalstaat verschwand aber von der europäischen Landkarte (endgültig nach der Auflösung der Verfassung „Kongreßpolens“ 1831) und die polnische Kultur und Sprache wurde zum Teil unterdrückt.
Wiener Kongress 1814–1815
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]→ Hauptartikel: Kongresspolen, Republik Krakau und Großherzogtum Posen
Die Polnische Frage wurde auf dem Wiener Kongress diskutiert. Es wurde ein Königreich Polen, das später Kongresspolen genannt werden sollte, geschaffen, das mit Russland vom Zaren in Personalunion regiert werden sollte. Krakau sollte als Stadtrepublik unabhängig, jedoch kulturell und wirtschaftlich mit dem österreichischen Königreich Galizien verbunden werden. Das Großherzogtum Posen und die Freie Stadt Danzig sollten an Preußen fallen.
Zeit der Aufstände 1815–1864
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Auf lange Sicht gesehen war die polnische Nation nach den Wiener Beschlüssen von 1815 nicht bereit, den Status quo zu akzeptieren. Die katholische Kirche wuchs in die Rolle einer Bewahrerin der Traditionen hinein.
Die politische Entwicklung seit 1815 war durch eine eher gemäßigte Unterdrückung durch den Kaiser und seinen Warschauer Statthalter Nowossilzew geprägt. Damit waren aber viele junge Polen, die vom Geist der polnischen Romantik geprägt waren, nicht zufrieden. Die Nachricht von Revolutionen in Paris und in Belgien im Jahre 1830 ließ auch eine Gruppe von Warschauer Verschwörern zu den Waffen greifen. Am 28. November 1830 brach der Aufstand gegen die russische Herrschaft aus. Der Aufstand hatte keine konkreten politischen Zielvorstellungen. Aufgrund der zögerlichen russischen Reaktion gelangen einige Anfangserfolge, die den im Dezember zusammengetretenen Sejm dazu bewogen, die Dynastie der Romanows für abgesetzt zu erklären. In der massiven militärischen Auseinandersetzung im Laufe des Jahres 1831 behielt Russland die Oberhand auch deshalb, weil die Aufständischen zu keinen weitergehenden Schritten in der Bauernfrage bereit waren.
Der Novemberaufstand war in ganz Europa äußerst populär, besonders in Deutschland, wo die entstehende Polenschwärmerei auch nach dem Scheitern des Aufstandes und dem Einsetzen der „Großen Emigration“ zunächst weiter bestand und zur Entstehung von Solidaritätskomitees und „Polenliedern“ führte, deren Höhepunkt das „Hambacher Fest“ im Jahre 1832 war, wo deutsche und polnische nationale Bestrebungen miteinander verbunden wurden.
Im russischen Teilungsgebiet wurde die Sonderstellung der Polen nun massiv eingeschränkt. In Teilen der Verwaltung wurde mit der Russifizierung begonnen und das polnischsprachige Bildungssystem geschwächt. Zu einem neuen Zentrum der polnischen Politik wurde das Hôtel Lambert in Paris, wohin viele bedeutende Politiker flohen und wo mit den „Konservativen“ und den „Demokraten“ die beiden Hauptlager entstanden.
Aufgrund der Unterdrückung im russischen Teilungsgebiet wandte sich das Hauptaugenmerk für einen erneuten Aufstand den anderen beiden Regionen zu. Anfang 1846 wurde eine gesamtpolnische Erhebung geplant, die ihren Schwerpunkt im preußischen Posen und der Freien Stadt Krakau haben sollte. Der Posener Plan wurde verraten und die Verschwörer mit Ludwik Mierosławski verhaftet. Die Bestrebungen im österreichischen Teilungsgebiet wurden nur halbherzig durchgeführt. Parallel dazu brach aber dort ein Bauernaufstand aus, der sich vor allem gegen die polnischen Landadligen richtete und von den Behörden teilweise unterstützt wurde. Dieser Bürgerkrieg führte in zwei Monaten zu über 1000 Toten. Im Krakauer Aufstand gelangte Krakau vorübergehend in polnische Hand, wurde aber von österreichischen Truppen besetzt und 1846 in die Donaumonarchie inkorporiert. Angesichts dieses Scheiterns war es umso überraschender, dass die polnische Frage zwei Jahre später in Preußen wieder zu einem beherrschenden Thema wurde.
Im preußischen Teilungsgebiet waren die Jahre seit 1815 vor allem geprägt durch die 1823 durchgeführte endgültige Bauernbefreiung. Die relativ gemäßigte Politik gegenüber den Polen wurde nach dem Amtsantritt des neuen Oberpräsidenten Eduard Heinrich von Flottwell Ende 1830 zunehmend antipolnisch, vor allem in der Bildungs- und der Kirchenpolitik. Seit Beginn der 1840er Jahre deutete sich unter dem neuen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. eine liberalere Polenpolitik an, bis die Aufstandspläne von 1846 und der große Berliner Polenprozess eine Wende einleiteten. Die Märzrevolution des Jahres 1848 führte zum Wiederentstehen polnischer Organisationen in der preußischen Provinz Posen. Dort kam es zu einem Aufstand. Deutsche und polnische Demokraten arbeiteten eng zusammen. Der preußische König überwand seine zeitweilige Schwäche und die nationalen Spannungen im Lande nahmen zu. Den Aufständischen gelang es nicht, die preußische militärische Übermacht zu besiegen. In der dreitägigen Polendebatte der Frankfurter Nationalversammlung im Juli 1848 traten nur noch wenige für die Rechte der Polen ein; die national-konservativen Kräfte setzten sich endgültig durch. Im russischen Teilungsgebiet gab es keinen Aufstand.

Erst die russische Niederlage im Krimkrieg 1855 und der Amtsantritt des neuen Kaisers Alexander II. führten zu Plänen einer engen polnisch-russischen Zusammenarbeit unter dem gemäßigten Adligen Aleksander Wielopolski, der 1862 zum Chef einer nur aus Polen bestehenden Zivilregierung ernannt wurde. Die Demokraten sahen sich durch die Einigungsbestrebungen Italiens (Risorgimento) wieder zu revolutionären Taten veranlasst und begannen im Januar 1863 einen bewaffneten Aufstand, den Januaraufstand, in dem es allerdings nicht gelang, Unterstützung aus anderen europäischen Staaten zu erhalten. Die verschiedenen gesellschaftlichen Absichten der polnischen Emigration, das Fehlen einer schlagkräftigen militärischen Führung im Land und die vergeblichen Versuche, auch die Bauern zu mobilisieren, brachten auch diesen Aufstand zum Scheitern. Die Vergeltungsmaßnahmen der Russen, Enteignungen und Deportationen nach Sibirien, führten dazu, dass der Adel seine beherrschende Kraft innerhalb der polnischen Gesellschaft verlor; die Ideen der Romantik scheiterten endgültig.
„Organische Arbeit“ und polnische Nationalbewegung 1864–1914
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Scheitern der Aufstände führte in allen drei Teilungsgebieten zu neuen Überlegungen bei den Eliten, die immer mehr vom Bürgertum gestellt wurden. Aus dem passiven Widerstand vor allem im russischen Teil erwuchs der Wille, der drohenden Russifizierung und Germanisierung aus eigener Kraft zu entgehen, ohne zu Aufständen zu greifen. Die Eliten favorisierten das Konzept einer langsamen, evolutionären Entwicklung der eigenen Fähigkeiten in den Bereichen Wirtschaft, Bildung oder Kultur. Dieses Konzept wurde mit dem Schlagwort „organische Arbeit“ bezeichnet. Entwickelt wurde dieser Ansatz von Publizisten und Schriftstellern, die sich vor allem in Warschau versammelten. Sie gründeten unter anderem die „Fliegenden Universitäten“, bei deren heimlichen Treffen die sozialen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Probleme ihrer Zeit diskutiert wurden. In Anlehnung an das Hauptwerk „Positive Philosophie“ des französischen Philosophen Auguste Comte nannten sich diejenigen, die der Bewegung angehörten, Positivisten.
Im Rahmen dieses kulturellen Nationalkampfes spielte die Rückbesinnung auf die Vergangenheit eine große Rolle. Der Krakauer Historienmaler Jan Matejko schuf zahlreiche patriotisch motivierte Gemälde,[54] die bei der Bewahrung einer kulturellen Identität Polens in den 123 Jahren der Teilung eine wichtige Rolle spielten.[55] Auch die patriotische Literatur jener Zeit orientierte sich an der Geschichte. Wichtig waren hier unter anderem die Historienromane von Henryk Sienkiewicz. Auch populäre Mythen und Geschichten wie die Erlebnisse des Michał Drzymała oder die Hymne „Rota“ der bedeutenden Schriftstellerin Maria Konopnicka mit ihren antideutschen bzw. antipreußischen Zeilen spielten im Nationalkampf eine wichtige Rolle. Wie inspirierend und mobilisierend der politische Mythos von Grunwald auf die unterdrückte polnische Bevölkerung wirkt, zeigte sich im Juli 1910, als zur Fünfhundertjahrfeier der Schlacht 150.000 Menschen zusammenkamen – die größte nationale Kundgebung während der gesamten Teilungszeit. Da das Schlachtfeld selbst zum Deutschen Reich gehörte, fand die Veranstaltung im galizischen Krakau statt, wo die österreichisch-ungarische Regierung eine wesentlich liberalere Kulturpolitik betrieb.[56]
„Kulturkampf“ und Folgen: preußisches Teilungsgebiet
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Preußen wurden mit dem Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck die Bestrebungen einer vollständigen Integration auch der mehrheitlich polnisch bewohnten Landesteile (Teile Westpreußens, der Provinz Posen und Oberschlesiens) verstärkt. Seine Politik begann sich in den 1860er Jahren besonders gegen den dortigen Adel und den katholischen Klerus in allen Teilen Preußens zu richten. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurden die Germanisierungsbestrebungen noch verstärkt. Dazu zählte die stufenweise Abschaffung des Polnischen als Unterrichtssprache an Oberschulen. Darüber hinaus fanden massive Schritte gegen den katholischen Klerus im Zuge des Kulturkampfs ihren Niederschlag, die zugleich auch im katholischen Westfalen, im Rheinland und in Bayern erfolgten (unter anderem Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht). Gerade die letztgenannten Aktionen bewirkten aber genau das Gegenteil des Gewünschten, weil die bisher national eher passiven polnischen Bauern – zum Teil in Kooperation mit Katholiken aus dem Süden und Westen des Kaiserreichs – für ihren katholischen Glauben zu kämpfen begannen.
In Westpreußen und in der Provinz Posen scheiterte der Versuch einer weiteren „Germanisierung des Bodens“ durch Aufkauf polnischen Landes ebenso wie die Bemühungen, neue deutsche Siedler ins Land zu locken. Hauptgrund war die landwirtschaftliche Prägung, die im Zeitalter der Industriellen Revolution nur geringe Aussichten auf Wohlstand versprach. Deutsche und Polen wanderten gleichermaßen aus West-/Ostpreußen und Posen in das Ruhrgebiet und das oberschlesische Industrierevier ab. Organisationen wie der „Ostmarkenverein“ verschärften die Gegensätze noch mehr und führten zu Gegengründungen polnischer Vereine. Die Ausweisungen mehrerer zehntausend Polen russischer Staatsangehörigkeit in den Jahren 1885–1886 brachten auch die internationale öffentliche Meinung gegen das Deutsche Reich auf. Gegen die deutsche Unterrichtssprache gab es gut organisierte und effektive Schulstreiks, dessen bekanntester in Wreschen im Jahre 1901 auch internationales Aufsehen erregte. Auch eine zwischenzeitlich betriebene liberalere Politik unter Reichskanzler Caprivi konnte an diesen längerfristigen Aktionen nichts ändern. Im Ergebnis ging der Anteil der Deutschen bzw. Deutschsprachigen in der Provinz Posen von 1871 bis 1910 von 44 auf 38 Prozent zurück, der Anteil der Polen stieg dementsprechend von 56 auf 62 Prozent.
Am wirtschaftlichen Aufschwung des Kaiserreichs partizipierten freilich auch die Polen. Der sich anbahnende bescheidene Wohlstand hatte auch Initiativen zur Volksbildung zur Folge, die wiederum gut als Teil der „organischen Arbeit“ genutzt werden konnten. Eine gewisse Rechtssicherheit für den Einzelnen und die Möglichkeit parlamentarischer Mitwirkung, zum Beispiel über die Partei der Polen im Reichstag, ließen Strukturen entstehen, die nach 1918 im polnischen Staat von Nutzen waren. Das war ein wesentlicher Unterschied zum zaristischen Russland, in dem es diese Rechtssicherheit nicht gab und teilweise nicht einmal Religionsfreiheit herrschte. Eine besondere Rolle innerhalb des preußischen Staates spielte das oberschlesische Industriegebiet, das in jenen Jahren ähnlich dem Ruhrgebiet ein riesiges Wachstum erlebte, in dem sich jedoch gleichzeitig die deutsch-polnischen nationalen Spannungen immer heftiger zu entladen begannen. Die beiden Industriezentren zogen auch Hunderttausende von Arbeitskräften an, was zum hohen Anteil von Polen an der Bevölkerung des Ruhrgebiets führte. Im Ruhrgebiet integrierten sich die polnischen Zuwanderer (Ruhrpolen) rasch in die ortsansässige Bevölkerung.
Situation in Galizien
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Die Bedingungen für eine Weiterentwicklung polnischer Strukturen waren im österreichischen Teilungsgebiet am günstigsten. Nachdem Österreich in Oberitalien, im Rahmen der Italienischen Einigungskriege, Risorgimento, Ende der 1850er Jahre schwere Rückschläge hinnehmen musste und anschließend den Kampf im Deutschen Krieg gegen Preußen um die Vorherrschaft im Deutschen Bund 1866 verloren hatte und zudem im Rahmen der Österreichisch-Ungarischen Verständigung den internen Ausgleich mit dem Königreich Ungarn durchführte, sah man sich auch in Galizien veranlasst, die Zügel zu lockern. Der Kaiser von Österreich, Franz Joseph I., erlaubte die Polonisierung des Schulwesens und der Verwaltung, in anderen Bereichen gewährte man ebenfalls wachsenden polnischen Einfluss, so dass ab 1867 eine De-facto-Autonomie Galiziens bestand, was jedoch die Missbilligung der Preußen und Russen heraufbeschwor. Die polnisch dominierte Autonomie berücksichtigte allerdings nicht die Sprache und Kultur der in Ostgalizien beheimateten Ukrainer.
Einen wichtigen Einfluss auf das geistige Leben übten die Universität von Krakau und die Universität Lemberg aus, an denen eine ganze Reihe polnischer Wissenschaftler ausgebildet wurden. Im Gegenzug sicherte das polnische konservative Lager dem Haus Habsburg-Lothringen seine volle Loyalität zu und vertrat diese am Wiener Hof. Problematisch blieb in der strukturschwachen Region die Lage der ländlichen Bevölkerung und der größtenteils nicht assimilierten Juden. Deshalb entstanden bald populistische Bewegungen der Bauern, die die Grundlagen für die in der Zwischenkriegszeit mächtigen Bauernparteien legten. Das liberale geistige Klima am Vorabend des Ersten Weltkrieges ermöglichte die Aufstellung paramilitärischer Verbände, die für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit kämpfen sollten. Es fehlte aber ein klares und allgemein unterstütztes politisches Konzept für die weitere Entwicklung.
Lage in Kongresspolen („Weichselland“)
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Im russischen Teilungsgebiet waren nach dem Januaraufstand die Verwaltungsstrukturen russifiziert worden. Die Verwendung der polnischen Sprache in Zeitungen, Büchern und Kirchen wurde untersagt. Seit 1885 durfte in den Schulen außer in den Fächern Polnisch und Religion nur auf Russisch unterrichtet werden.
Die demographischen und wirtschaftlichen Veränderungen der zweiten Jahrhunderthälfte im Zuge einer einsetzenden Industrialisierung begünstigten das Aufkommen sozialistischer Bewegungen. Die 1892 in Paris gegründete „Polnische Sozialistische Partei“, die im Jahre darauf auch im Weichselland tätig wurde, führte unter ihrem Anführer Józef Piłsudski gemäßigte Positionen und vertrat seit der Jahrhundertwende die Parole „Durch Unabhängigkeit zum Sozialismus“. Parallel dazu gab es terroristische Anschläge, die die russische Polizei nicht zur Ruhe kommen ließen. Demgegenüber schlossen sich radikalere Kräfte unter den beiden Anführern Julian Balthasar Marchlewski und Rosa Luxemburg zur „Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens“ (SDKPiL) zusammen und suchten die Zusammenarbeit mit den russischen Sozialisten. Auf der rechten Seite des Parteienspektrums etablierte sich die „Liga Narodowa“ (Nationale Liga), die mit ihrer nationalistischen, antisemitischen und panslawistischer Orientierung einen anderen Weg zur nationalen Selbständigkeit suchte und polnische Autonomie unter russischer Herrschaft anstrebte. Ihr Anführer Roman Dmowski war bis zu seinem Tod 1939 der Hauptwidersacher Piłsudskis. Während Dmowski schon um 1908 in einer Buchpublikation[57] für eine Ausdehnung Polens nach Westen plädiert hatte und sich bereits 1914 mit der russischen Regierung darauf verständigt hatte, die zukünftige Ostgrenze Polens gegenüber Russland durch Anwendung des ethnographischen Prinzips festzulegen,[58] wollte Piłsudski die polnischen Staatsgrenzen unter Berufung auf die Staatsgrenzen des 1772 untergegangenen litauisch-polnischen Staatenbunds weit über das ethnographische Polen hinaus nach Osten vorschieben. Zunehmende politische Bedeutung gewann in den ländlichen Gebieten die Bauernbewegung unter Wincenty Witos.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts spitzte sich die politische Lage in Teilen des russischen Weichsellandes zu. Der Beginn des Russisch-Japanischen Krieges durch den Überfall der Japaner auf die russische Pazifikflotte bei Port Arthur am 8. Februar 1904 verstärkte die Hoffnungen auf einen Zusammenbruch des Russischen Kaiserreiches. Gegen Ende des Jahres fanden in Warschau und anderen Städten Demonstrationen gegen die Rekrutierung von Polen für die russische Armee statt, an der sich erstmals kleinere polnische Kampfverbände Piłsudskis beteiligten. Diese Trupps verübten in dieser Zeit Attentate und Raubüberfälle. Im Februar 1905 wurden Schulstreiks organisiert, die zu Erfolgen wie der Wiederzulassung der polnischen Sprache im Unterricht führten. Auch im religiösen und wirtschaftlichen Bereich musste die russische Regierung Konzessionen machen. Die gewalttätigen Arbeiterproteste in Russland mit ihrem Höhepunkt im Petersburger Blutsonntag vom 9. Januarjul. / 22. Januar 1905greg. griffen allmählich auch auf die Ostseeprovinzen und Kongresspolen über. Im Juni kam es in Łódź, dem industriellen Zentrum des Weichsellandes, zu Barrikadenkämpfen, die viele Opfer forderten.
Die Russische Revolution von 1905 verschärfte die Krise, auch wenn Kaiser Nikolaus II. am 30. Oktober in seinem Oktobermanifest politische Reformen ankündigte. Weitergehende Versuche zur Machterlangung in Warschau gingen von der PPS aus. Die Nationaldemokraten unterstützten die neue russische Regierung von Pjotr Stolypin und konservativ-klerikale Kreise von Papst Pius X. riefen zur Zurückhaltung auf. In den folgenden Jahren ging die russische Führung erneut auf Konfrontationskurs in allen Nationalitätenfragen.
1914–1918: Polen im Ersten Weltkrieg
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Der 1914 ausgebrochene Erste Weltkrieg brachte die Frage der Revision der polnischen Teilungen wieder auf die europäische Tagesordnung. Das polnische Territorium wurde zum Hauptkriegsschauplatz im Osten. Die Besetzung weiter Teile Galiziens durch die Kaiserlich Russische Armee führte zu einer großen Fluchtwelle der Bevölkerung nach Westen. Darunter befanden sich besonders viele Juden, die Angst vor erneuten Pogromen unter russischer Herrschaft hatten. Die Gegenoffensive der Mittelmächte im Sommer 1915 veränderte die Lage und führte bis zum Winter zum Rückzug der Russen aus ganz Kongresspolen. Das eroberte Territorium wurde in ein deutsches Generalgouvernement Warschau und ein österreichisches mit Sitz in Lublin eingeteilt.

Die Politik in Berlin war sich in Bezug auf die Zukunft Polens nicht einig. Während die einen, unterstützt von Generalgouverneur Hans von Beseler ein autonomes polnisches Königreich Polen befürworteten, plädierten die anderen wie etwa Erich Ludendorff für einen Verständigungsfrieden mit Russland und eine Rückkehr zu den Vorkriegsgrenzen. Währenddessen wurde in Posen der polnische Oberste Volksrat gegründet. Erst danach und nach dem endgültigen Scheitern der Blitzkriegstrategie entschloss man sich zu einem Angebot an Polen, auch um mehr polnische Soldaten für die eigenen Reihen zu gewinnen. Mit dem Akt vom 5. November 1916 proklamierten der deutsche Kaiser Wilhelm II. und der österreichische Kaiser Franz Joseph die Errichtung eines Königreichs Polen in den bisher zu Russland gehörenden Gebieten, das sich politisch und militärisch eng an die Mittelmächte anlehnen sollte. In Berlin plante man jedoch weiterhin Gebietsannexionen auf Kosten dieses Staates, dessen Grenzen nie genau festgelegt wurden. Kurz danach sprachen sich auch der russische Kaiser Nikolaus II. (am 25. Dezember 1916), und der US-Präsident Woodrow Wilson (am 22. Januar 1917) für die Wiederherstellung des unabhängigen polnischen Staates aus, wobei nur die Vorstellungen des Letzteren sich den polnischen Interessen und Wünschen bezüglich des Territoriums des künftigen polnischen Staates näherten.
Im österreichischen Teilungsgebiet waren unmittelbar nach Kriegsbeginn polnische Legionen unter k.u.k.-Oberbefehl aufgestellt worden, die aus den paramilitärischen Schützenverbänden Józef Piłsudskis hervorgingen. Diese Einheiten umfassten im Sommer 1916 etwa 25.000 Mann und kämpften vor allem gegen Russland. Nach dem Akt vom 5. November wurden die Legionen dem deutschen Oberbefehl unterstellt, aus ihnen sollte 1917 die Polnische Wehrmacht hervorgehen. Ein Teil der Brigaden weigerte sich jedoch im Juli 1917, den Eid auf einen imaginären polnischen König sowie zur Treue gegenüber den Kaisern von Deutschland und Österreich zu leisten, und wurde infolgedessen entweder entwaffnet und inhaftiert oder direkt in deutsche Truppenteile einbezogen. Piłsudski selber wurde ebenfalls verhaftet und in die Festung Magdeburg gebracht. Am 18. September 1917 wurde die oberste Staatsgewalt formell auf einen neu eingerichteten dreiköpfigen Regentschaftsrat übertragen, der aus dem Warschauer Erzbischof Aleksander Kakowski, dem Magnaten Fürst Zdzisław Lubomirski und dem ebenfalls adligen früheren Vorsitzenden des Polenklubs der russischen Duma Józef Ostrowski bestand.

Die weiteren Planungen wurden in erster Linie durch den Zusammenbruch des Russischen Kaiserreiches nach der Februarrevolution und der Oktoberrevolution 1917 bestimmt. Die Reichsführung mit der OHL an der Spitze glaubte nun an einen raschen Sieg und weitere territoriale Gewinne im Osten. Im sogenannten „Brotfrieden“ mit der neu entstandenen Volksrepublik Ukraine vom 9. Februar 1918 in Brest Litowsk – nicht zu verwechseln mit dem späteren Frieden von Brest-Litowsk mit Sowjetrussland – wurde dieser ein Teil polnischen Staatsgebietes, die Region um Chełm zugesichert. Schon die Unterstützung der deutschen Militärbehörden für einen unabhängigen Staat Litauen mit Vilnius als Hauptstadt hatte im Dezember 1917 Empörung in Polen ausgelöst. Erschwerend hinzu kam die Requirierung von Rohstoffen und Lebensmitteln sowie die Verschleppung polnischer Zwangsarbeiter ins Reich wegen dessen immer schwierigeren wirtschaftlichen Lage.
Als sich der Zusammenbruch der deutschen Westfront abzuzeichnen begann, waren sich alle politischen Lager Polens darin einig, im Sinne des von US-Präsident Wilson vertretenen Selbstbestimmungsrechts der Völker möglichst schnell die eigene Unabhängigkeit zu erreichen. Dazu trugen auch polnische Soldaten bei, die auf Seiten Frankreichs kämpften. Die im Juni 1917 ins Leben gerufene Blaue Armee unter General Józef Haller, etwa 70.000 Mann (Freiwillige, ehemalige Kriegsgefangene etc.), wurde unter anderem in der Champagne eingesetzt.
1918–1939: Zweite Republik
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Unabhängigkeit und Konsolidierung des Staates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anfang 1918 verlangten die Mittelmächte in Brest-Litowsk von Russland die Unabhängigkeit für Polen, dabei wurden Polens Grenzen von Deutschland und Österreich enger als 1772 gezogen. Nachdem das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn den Krieg faktisch verloren hatten und das Russische Reich im Chaos des Russischen Bürgerkriegs versank, erlangte Polen, auch durch politische Unterstützung der Westmächte, seine volle staatliche Souveränität zurück. Am 7. Oktober 1918 proklamierte der Regentschaftsrat in Warschau einen unabhängigen polnischen Staat und übernahm fünf Tage später die Befehlsgewalt über die Armee.
Im November 1918 übernahm der aus der Haft in Magdeburg entlassene Józef Piłsudski in Warschau als vorläufiges Staatsoberhaupt die Macht. Er berief einen verfassunggebenden Sejm ein, der eine demokratische Verfassung ausarbeiten und verabschieden sollte. Im Versailler Vertrag (Artikel 87) erkannte Deutschland die völlige Unabhängigkeit Polens an.[59] Die ersten Jahre der Unabhängigkeit vergingen mit dem inneren Aufbau des Staates. Die bestehenden staatlichen Strukturen, welche die drei verschiedenen Teilungsmächte hinterlassen hatten, mussten vereinheitlicht und teilweise neu geschaffen werden. Außerdem war das Land weitgehend vom Krieg verwüstet, wie auch seine Grenzen in weiten Teilen nicht festgelegt waren.
Als 1921 die neue Verfassung verabschiedet wurde, in der nur ein schwacher Präsident vorgesehen war, verzichtete Piłsudski auf die Ausübung dieses Amtes und zog sich ins Privatleben zurück. Die Jahre bis 1926 waren innenpolitisch von mehreren aufeinanderfolgenden parlamentarischen Regierungen bestimmt. Zum ersten offiziellen Präsidenten Polens wurde 1922 Gabriel Narutowicz gewählt, ein Vertreter der gemäßigten Linken. Dieser wurde wenige Tage nach seiner Amtseinführung von einem nationalistischen Fanatiker ermordet. Zu seinem Nachfolger wählte die Nationalversammlung den gemäßigten Sozialisten Stanisław Wojciechowski. Da die Mehrheitsverhältnisse im polnischen Parlament instabil waren, gab es häufig Regierungswechsel.
Polen entwickelte ab 1921 gute Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich, die an Polen als strategischem Bündnispartner interessiert waren und den Bau eines neuen Hafens in Gdingen finanzierten. Aus dem Fischerdorf mit 1000 Einwohnern wurde in wenigen Jahren ein Groß- und Militärhafen mit über 100.000 Einwohnern. Weil Gdingen mit dem Danziger Hafen konkurrierte und Polen gegen den Willen der Danziger Regierung ein polnisches Munitionslager auf der Westerplatte durchsetzte, kam es zu Spannungen mit der Freien Stadt Danzig. Der Zugang zu Ostpreußen vom restlichen Deutschen Reich war möglich per verplombtem Korridorzug von Konitz bis Dirschau durch das polnische Gebiet auf der Ostbahn oder per Schiff (Seedienst Ostpreußen).
Konflikte mit den Nachbarn
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Aufgrund von unklaren Grenzverläufen des wiederhergestellten polnischen Staates kam es zu Konflikten mit den Nachbarn. Mit Deutschland gab es zwischen 1919 und 1921 Kämpfe vor allem um den Besitz Oberschlesiens, die sich in drei Aufständen niederschlugen. Die Volksabstimmung in Oberschlesien am 20. März 1921 ergab eine Mehrheit von fast 60 % für den Verbleib bei Deutschland. Dabei gab es erhebliche regionale Unterschiede; in einigen Gebieten überwog das pro-polnische Votum. Polnische Freischärler begannen daraufhin am 3. Mai 1921, unterstützt von französischen Besatzungstruppen – Italiener und Briten stellten sich auf die deutsche Seite –, einen bewaffneten Aufstand, um den Anschluss des östlichen Teils Oberschlesiens an Polen gewaltsam durchzusetzen. Die Alliierten wollten vorher nur den Kreis Pleß an Polen anschließen. Das Deutsche Reich konnte aufgrund der Beschränkungen durch den Versailler Vertrag und aufgrund der Intervention der anglo-französischen Sieger nicht gegen die Freischärler vorgehen, trotzdem kam es zu einigen blutigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Polen. Mit Billigung der deutschen Regierung versuchten Freikorps gewaltsam den Anschluss an Polen zu verhindern. Am 21. Mai 1921 gelang den deutschen Freikorps des „Selbstschutzes Oberschlesien“ die Erstürmung des St. Annabergs, der stärksten Befestigung der Polen, wodurch eine Stabilisierung der Lage eintrat. Am 20. Oktober 1921 beschloss der Oberste Rat der Alliierten, nach einer Empfehlung des Völkerbundes, das oberschlesische Industriegebiet um Katowice an Polen zu übertragen, dem es als Autonome Woiwodschaft Schlesien angeschlossen wurde. Beim Deutschen Reich verblieb der flächen- und bevölkerungsmäßig größere, eher agrarisch strukturierte Teil des Abstimmungsgebiets.
Bis auf deutschsprachige Randgebiete wurden die Provinzen Preußens, die durch die Teilungen Polens an Preußen gekommen waren, Westpreußen und Posen, aus der Weimarer Republik herausgelöst und ohne Plebiszite der neuen Republik einverleibt. Polen bekam dadurch einen Zugang zur Ostsee bei Gdingen. Einen Teil der Gebiete hatte polnisches Militär im Großpolnischen Aufstand bereits zuvor militärisch besetzt. Danzig wurde gegen den Willen der Einwohner zur Freien Stadt Danzig erklärt und verblieb unter der Aufsicht des Völkerbundes mit Nutzungsrechten Polens am Danziger Hafen außerhalb der Grenzen des neuen polnischen Staates. Für überwiegend polnischsprachige Gebiete Ost- und Westpreußens sah der Versailler Vertrag Volksabstimmungen über die Staatszugehörigkeit vor. In Masuren (Regierungsbezirk Allenstein) und im Regierungsbezirk Marienwerder fanden unter alliierter Aufsicht Volksabstimmungen statt, in denen sich die große Mehrheit der Bevölkerung (98 % bzw. 92 %) für den Verbleib bei Ostpreußen und Deutschland entschied.
Die polnischen territorialen Bestrebungen stießen auch im Osten auf Widerstand. Wegen der nicht eindeutig abgrenzbaren Siedlungsgebiete verschiedener Völker gab es hier sich überschneidende Gebietsansprüche, vor allem mit den Ukrainern und den Litauern. Eine Woche nach der polnischen Unabhängigkeitserklärung riefen auch die Ukrainer in Lemberg ihre Unabhängigkeit aus, was den Polnisch-Ukrainischen Krieg um das ehemalige habsburgische Königreich Galizien auslöste. Besonders heftige Kämpfe wurden um Lemberg geführt, das polnische Freiwilligenverbände und reguläre Armeeteile am 21. November einnahmen. Der Krieg dauerte bis März 1919 an und wurde durch ein Abkommen zwischen Polen und der Volksrepublik Ukraine am 21. April 1920 beendet. Der Völkerbund sah die Ziehung einer Grenzlinie vor, durch die mehrheitlich polnischsprachige Gebiete um Wilna in Litauen und Lemberg in Galizien dem polnischen Staat verloren gegangen wären. Die Pläne Piłsudskis zielten hingegen auf die Wiedererrichtung einer Republik unter polnischer Führung in der Tradition der 1795 untergegangenen Adelsrepublik, zu der auch mehrheitlich von Ukrainern und Weißrussen bewohnte Gebiete gehören sollten. Polnische Truppen besetzten daher 1919 bei Vilnius den östlichen Teil Litauens, das seine Unabhängigkeit gerade gegen Russland durchgesetzt hatte. Polen erklärte das okkupierte litauische Gebiet als Litwa Środkowa. Zudem drangen polnische Truppen tief in die Ukraine vor, was aufgrund der Überschneidung mit den territorialen Ansprüchen Sowjetrusslands zum Polnisch-Sowjetischen Krieg führte.

Zunächst gelang polnischen Truppen unter General Rydz-Śmigły mit Unterstützung durch nationalukrainische Kräfte die Eroberung Kiews. Sowjetische Truppen drangen bei einer Gegenoffensive bis Warschau vor und belagerten Lemberg. Der polnischen Armee gelang unter Piłsudski der Durchbruch und die Vernichtung der sowjetischen Einheiten. Piłsudski startete darauf eine Großoffensive in Richtung Norden. Der Überraschungseffekt war so groß, dass die letzten sich zurückziehenden Einheiten der Roten Armee über deutsches Gebiet – Ostpreußen – flüchten mussten.
Am 18. März 1921 unterzeichneten die Kriegsparteien in der lettischen Hauptstadt Riga den Friedensvertrag von Riga. Piłsudski gelang es, die polnische Staatsgrenze etwa 200 km östlich der geschlossenen polnischen Sprachgrenze mit relativer Bevölkerungsmehrheit, der Curzon-Linie, zu ziehen. Im östlichen Teil Polens betrug der polnische Bevölkerungsanteil 1919 etwa 25 %, 1938 bezeichneten sich 38 % als polnisch. Die Bevölkerungsmehrheit bezeichnete sich als ukrainisch, weißrussisch oder jüdisch. Mehrheitlich polnisch – mit einem hohen Anteil Juden – waren dagegen die Städte Wilna und Lemberg.
Mai-Umsturz und Sanacja-Regime
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Józef Piłsudski, unzufrieden mit der innenpolitischen Situation, führte im Mai 1926 mit Unterstützung zahlreicher Anhänger in der Armee einen Staatsstreich durch und blieb bis zu seinem Tod im Mai 1935 an der Macht. Allerdings bekleidete Piłsudski hierbei nur selten und nur für kurze Zeit offiziell bedeutende Ämter. Er war z. B. nie Staatspräsident, sondern überließ dieses Amt seinem loyalen Gefolgsmann Ignacy Mościcki. Piłsudski war meist nur Verteidigungsminister. Allerdings war er die allgemein anerkannte oberste Autorität im Staat. Auch gab es zumindest bis zum Ende der 1920er Jahre eine mehr oder weniger funktionierende im Parlament vertretene Opposition; diese wurde allerdings konsequent an der Übernahme der Macht gehindert. Nach der Ermordung von Innenminister Bronisław Pieracki im Juni 1934 ließ die Regierung in der Kleinstadt Bereza Kartuska im heutigen Belarus ein Internierungslager für ukrainische Nationalisten, Kommunisten und andere prominente Regimegegner anlegen.
Das Regime nannte sich selbst Sanacja (etwa „Gesundung“). Laut dem Historiker Wolfgang Benz zeigte es mit seinem deutlichen Nationalismus, seinem entschiedenen Antikommunismus und mit seinem Antisemitismus, in dem insbesondere nach Piłsudskis Tod „den Juden“ die Schuld an Polens strukturellen Wirtschaftsproblemen gegeben wurden, unverkennbar faschistische Tendenzen.[60] Eine auf die Person Piłsudski zugeschnittene neue Verfassung trat nach dessen Tod 1935 in Kraft. Nun entstanden zwei Machtzentren in Polen: die Gruppe der „Obristen“ um den neuen Marschall Edward Rydz-Śmigły (1886–1941) und die Gruppe „Schloss“ um Mościcki, benannt nach der Residenz des Präsidenten, dem Königsschloss in Warschau. Der Trend hin zu einem autoritären Staat verstärkte sich weiter; die Rechte vor allem der slawischen Minderheiten (Ukrainer, Weißrussen) wurden massiv eingeschränkt, die Juden diskriminiert. Auch die insgeheim finanziell vom NS-Staat unterstützte deutsche Minderheit wurde trotz der seit dem Nichtangriffsvertrag zwischen Hitler und Piłsudski offiziell guten deutsch-polnischen Beziehungen immer stärker in ihren Rechten eingeschränkt, wozu auch die wachsende Begeisterung vieler der Volksdeutschen für den Nationalsozialismus beitrug.
Die außenpolitischen Bemühungen Polens, die vor allem mit der Person von Außenminister Józef Beck verbunden sind, waren im Einklang mit der französischen Politik darauf ausgerichtet, einen Block kleiner und mittlerer Staaten zur Eindämmung sowohl Deutschlands als auch der Sowjetunion zu schaffen. Dem standen die durch die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen gegenseitigen Gebietsansprüche im Wege. So war Polen, kurz bevor es selbst von Deutschland und der Sowjetunion überfallen wurde, aktiv an der Zerschlagung der Tschechoslowakei beteiligt und annektierte nach dem Münchner Abkommen im Oktober 1938 die mehrheitlich von Polen und Deutschen besiedelten Industriegebiete in Mährisch-Schlesien und das Olsagebiet.
Einige Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gaben die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens Garantieerklärungen zum Schutze der Unabhängigkeit Polens ab (siehe britisch-französische Garantieerklärung); diese blieben nach Kriegsausbruch aber ohne größere Folgen, was von Polen als „Verrat des Westens“ angesehen wurde.
1939–1945: Zweiter Weltkrieg
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Septemberkrieg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 28. April 1939 nahm Hitler die britisch-französische Garantieerklärung für Polen zum Anlass, den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt zu kündigen. Vier Monate später befahl er den Überfall auf Polen. Folge des deutschen Angriffes auf Polen war der Kriegseintritt Großbritanniens und Frankreichs und damit der Zweite Weltkrieg.
Die deutschen Truppen kamen rasch voran. Gegen die militärische Überlegenheit der Deutschen hatten die Polen nur ihren verzweifelten Kampfeswillen entgegenzusetzen. Einzelaktionen polnischer Verbände, etwa in der Schlacht bei Wizna (6. bis 10. September) oder in der Schlacht an der Bzura (9. September bis 15. September), vermochten den mit weiträumigen Umfassungsmanövern einhergehenden Vormarsch nicht aufzuhalten. Nach zwei Wochen wurde die polnische Hauptstadt eingeschlossen. Am 17. September wurde Polen – wie in dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vorgesehen – auch von der Sowjetunion überfallen. Am 28. September kapitulierte Warschau. Eine offizielle Einstellung der Kampfhandlungen seitens Polens, wie im Folgejahr mit dem Waffenstillstand von Compiègne durch Frankreich, fand jedoch nicht statt.
Das Land wurde zwischen dem NS-Staat und der Sowjetunion aufgeteilt. Die polnische Regierung samt hoher polnischer Militärs floh zuerst über die Grenze nach Rumänien und wurde dort auf ausdrückliche Forderungen Hitlers interniert. Die Exilregierung ging dann nach Paris, später nach London und organisierte von dort aus die Streitkräfte und den Widerstand neu.

Der Krieg gegen Polen sollte nach dem Willen des NS-Regimes Züge eines rassistischen Verdrängungs- und Vernichtungsfeldzugs annehmen. Der polnische Staat sollte zerschlagen und der deutsche „Lebensraum“ erweitert werden. Anders als im Westen machte Hitler schon vorher klar, dass er andere Maßstäbe anlegen wolle. Es gehe nicht um bestimmte geographische Linien, die erreicht werden sollten, sondern darum, dass 80 Millionen Deutsche ihr Recht bekämen. Die „Liquidierung des führenden Polentums“ (Reinhard Heydrich), beginnend mit der Sonderaktion Krakau, wurde als eine vorrangige Aufgabe angesehen. Als Vorwand für die Ermordung von zehntausenden Angehörigen der Intelligentsia dienten Verbrechen an Volksdeutschen in den ersten Kriegstagen, etwa im Rahmen des „Bromberger Blutsonntags“.
Unmittelbar hinter der Front rückten Angehörige der Einsatzgruppen in Polen ein. Ihnen gehörten insgesamt etwa 3000 Mann an, die sich aus Angehörigen von SS, Sicherheitsdienst und Polizei zusammensetzten, und in erster Linie die Erschießungen durchführten. Als zusätzliches Terrorinstrument fungierte der „Volksdeutsche Selbstschutz“, der der SS unterstellt war. Allein in den ersten vier Monaten der deutschen Besatzungsherrschaft wurden während der „Intelligenzaktion“ mehrere 10.000 Personen erschossen. An den Hinrichtungen, deren erster Schwerpunkt die Region Westpreußen war, beteiligten sich neben den genannten Gruppen auch Angehörige der Gestapo und der Wehrmacht. Hierbei handelte es sich nicht um einzelne Exzesse, die aus dem Klima des Hasses und den Zufälligkeiten des Krieges heraus entstanden, sondern um organisierten Massenmord. Nach Beendigung der Intelligenzaktion folgte die AB-Aktion, der zwischen Mai und Juli 1940 Zehntausende zum Opfer fielen.
Deutsche und sowjetische Besatzung: Terror und Genozid
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung schwerwiegende Folgen. Die industriell und landwirtschaftlich entwickelten Teile wurden direkt annektiert. Restpolen mit etwa zehn Millionen Menschen wurde als „Generalgouvernement“ dem Reichsminister Hans Frank unterstellt. Zu den übergreifenden Zielen der Besatzungspolitik im gesamten Gebiet gehörten:
- die Ausschaltung und Vernichtung der polnischen Intelligenz,
- die Vorverlegung der deutschen Ostgrenze und die Erweiterung des „Lebensraums im Osten“,
- die Stärkung der deutschen Kriegswirtschaft durch rücksichtslose Ausbeutung des Arbeitskräftepotenzials und der materiellen Ressourcen Polens.
Die annektierten Gebiete sollten schnellstmöglich „entpolonisiert“ werden, teils durch physische Vernichtung, teils durch Vertreibung der dort wohnenden etwa 8 Millionen Polen und Juden, oder durch „Germanisierung brauchbarer Volksbestände“ und Neuansiedlung deutscher Minderheiten aus anderen Teilen Osteuropas, etwa der Deutschbalten, die nun ihre Heimat verlassen mussten. Das Generalgouvernement verstand Hitler als Reservoir billiger halbfreier Wanderarbeiter und als „Abladeplatz“ im Reichsgebiet nicht erwünschter Polen und Juden. Als die Deportationen infolge des Krieges mit der Sowjetunion im Juni 1941 beendet wurden, waren etwa 500.000 Polen vertrieben und durch etwa 350.000 volksdeutsche Umsiedler ersetzt worden. Die Deportationen von Polen als Zwangsarbeiter ins Reich, wovon während des Krieges allein aus dem Generalgouvernement etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen waren, wurden aber aufrechterhalten. In einer Reihe von Anweisungen wurde das Ziel der NS-Führung deutlich, die Polen auf die Stufe eines schlecht ausgebildeten Hilfsvolkes ohne politisches Eigenbewusstsein zu beschränken.
Auch die Polen, die unter sowjetische Herrschaft geraten waren, waren von Gewaltmaßnahmen betroffen. Man schätzt, dass ungefähr 1,5 Millionen ehemalige polnische Bürger deportiert wurden, von denen 50 bis 60 Prozent Polen, 15 Prozent Ukrainer, 5 Prozent Weißrussen und ungefähr 20 Prozent Juden waren. 300.000 polnische Soldaten gerieten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nur 82.000 von ihnen überlebten. Das Massaker von Katyn, dem nicht nur Soldaten zum Opfer fielen, ging als „historisches Verbrechen“[61] in die Geschichte ein. Tadeusz A. Kisielewski schreibt: „Im April und Mai 1940 ermordete der sowjetische NKWD bei Katyn 4.410 polnische Kriegsgefangene […] ausschließlich Offiziere […] insgesamt […] 21.857 [Führungs-]Personen an Orten der Sowjetunion […].“ Kisielewski vergleicht diese Zahl und stellt fest: „[…] dreimal mehr als [1995] in Srebrenica ermordet wurden […].“[62] Der Historiker Norman Davies urteilt: „Solange das Verbrechen von Katyn nicht eingestanden, aufgeklärt und gesühnt ist, werden die Polen seiner als des Symbols sowjetischer Unterdrückung in Vergangenheit und Gegenwart gedenken.“[63]

Ein schweres Schicksal traf die polnischen Juden, von denen 89 Prozent (oder 2,5 bis 3 Millionen) den Völkermord nicht überlebten. Dem Terror, den Schikanen, Plünderungen und Pogromen der ersten Kriegswochen folgte die Übernahme der deutschen Verwaltungsbestimmungen: Kennzeichnungspflicht, Anmeldung des Vermögens, Zwangsarbeit, Reiseeinschränkungen, Sperrung der Konten, Arisierung des Besitzes.
Im Herbst 1940 begann die „Umsiedlung“ in die Ghettos. Die größten wurden Warschau mit 450.000 Menschen und Litzmannstadt mit 160.000 Menschen. Da die Ghettos nicht in der Lage waren, sich selbst zu erhalten und auch eine wirtschaftliche Ausbeutung von entscheidenden Stellen nicht gewünscht wurde, war die Quote an Toten, oft aus Hunger und Krankheit, von Anfang an hoch. Bis zur Mitte des Jahres 1942 wurden die Massenmorde zu einem Gesamtprogramm zur systematischen Ermordung der Juden unter deutscher Herrschaft, dem Holocaust, ausgeweitet. Einzelheiten der praktischen Durchführung waren auf der Berliner Wannsee-Konferenz im Januar 1942 festgelegt worden. Nun begann auch die SS mit den Deportationen in die Vernichtungslager. Diese entstanden überwiegend auf polnischem Boden: Kulmhof, Bełżec, Sobibór, Treblinka, Auschwitz-Birkenau. Es gab Widerstand der Juden gegen die Deutschen, der mitunter von der polnischen Widerstandsbewegung unterstützt, aber auch von ihr im Stich gelassen wurde. Bekanntestes Beispiel des Widerstands ist der Aufstand im Warschauer Ghetto Anfang 1943. Aus politischen Gründen wurden die Opferzahlen mitunter nicht objektiv angegeben.[64]
Bevölkerungsverluste Polens im Zweiten Weltkrieg | Menschen | |
---|---|---|
Kriegsverluste | 644.000 | |
Tod in Vernichtungslagern, durch Exekutionen, „Pazifizierungen“, Liquidierung der Ghettos | 3.577.000 | |
Tod in Gefängnissen und Lagern durch Epidemien, Entbehrungen und Erschöpfung | 1.286.000 | |
Tod außerhalb der Lager durch Hunger, Entbehrung, Erschöpfung, Verletzung, Überarbeitung | 521.000 | |
Gesamtverluste Polens an Menschen | 6.028.000 | |
Nach Angaben des polnischen Büros für Kriegsschäden (insgesamt 22 % der polnischen Bevölkerung). |
Widerstand
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Auch nach der militärischen Niederlage bildeten sich in Polen Partisanengruppen, die Widerstand zu leisten versuchten. Die meisten von ihnen schlossen sich im Februar 1942 zur Polnischen Heimatarmee zusammen, die der bürgerlichen Exilregierung in London unterstand. Die rechtsgerichteten Gruppen (NSZ) und die Kommunisten (AL) blieben ihnen fern. Es entstanden auch einige jüdische Widerstandsorganisationen; diese organisierten 1943 den Aufstand im Warschauer Ghetto. Nachdem die Rote Armee im Januar 1944 die polnische Grenze von 1939 überschritten hatte, wurden die Truppen der Heimatarmee vom NKWD entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder in den Gulag deportiert. Der Kampf einzelner Untergrundeinheiten dauerte bis Ende der 1940er Jahre an.
In der Erwartung, die bereits bis zum Vorort Praga am Ostufer der Weichsel vorgedrungene Rote Armee würde sie unterstützen, erhob sich die Polnische Heimatarmee am 1. August 1944 im Warschauer Aufstand gegen die deutsche Besatzungsmacht. Die sowjetische Führung hatte jedoch kein Interesse, den Einheiten zu helfen, so dass deutsche Truppen den Aufstand nach dreimonatigen Kämpfen brutal niederschlagen konnten. Die Warschauer Innenstadt wurde dabei unter großem Einsatz an Sprengmaterial akribisch Haus für Haus dem Erdboden gleichgemacht. Die Zahl der Toten wird auf 180.000 geschätzt, früher wurde sogar die Zahl 250.000 genannt.
Zum Widerstand gehörte zudem ein beinahe flächendeckendes Netz von Untergrundeinrichtungen wie Schulen, Universitäten, Zeitungen und vieles mehr, die dazu beitrugen, das Leid für die Bevölkerung etwas erträglicher zu machen. Das Ausmaß an Kollaboration war vor diesem Hintergrund im europäischen Kontext vergleichsweise gering und, angesichts der enormen Leiden der polnischen Bevölkerung während der deutschen Besatzung, auch lange Zeit tabuisiert. Eine breite gesellschaftliche Debatte über polnische Täter wurde erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts anlässlich der durch das Buch Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne des polnisch-amerikanischen Soziologen Jan Tomasz Gross angestoßenen Aufarbeitung des Pogroms von Jedwabne geführt.
1945–1989: Volksrepublik Polen
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Konsolidierung des sowjetischen Einflusses
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Im Juli 1944 war in Moskau das kommunistische „Polnische Komitee der nationalen Befreiung“ ins Leben gerufen worden, das die Macht ergreifen sollte, sobald die Rote Armee die Curzon-Linie überschreiten würde. Dies geschah in Lublin am 22. Juli 1944 (vgl. Lubliner Komitee). Die auf alliierten Druck stattfindenden Verhandlungen zwischen „Londoner“ und „Lubliner“ Regierung führten zu keinem Ergebnis. International waren zu diesem Zeitpunkt bereits Vorentscheidungen über Polens zukünftige Grenzen gefallen (Konferenz von Teheran 1943). Sie führten zur Westverschiebung des Landes. Gleichzeitig vereinbarte Josef Stalin mit Churchill und Roosevelt die weitgehende Zwangsumsiedlung der Deutschen aus dem bisherigen Ostdeutschland. Am 1. Januar 1945 proklamierte sich das Lubliner Komitee zur provisorischen Regierung und zog im selben Monat nach Warschau um. Nachdem im Frühjahr 1945 die Rote Armee ganz Polen besetzt hielt und die 14 wichtigsten Anführer der Heimatarmee nach Moskau verschleppte, dort zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und teilweise ermordete, war der Hauptwiderstand gegen die neue Besatzung und die „Sowjetisierung“ der polnischen Gesellschaft gebrochen. Bereits Ende 1944 bildete sich eine bewaffnete Widerstandsbewegung aus Teilen der Heimatarmee. In den Wäldern Ostpolens stellte die Widerstandsbewegung anfangs eine ernstzunehmende Streitmacht dar. In den Jahren nach Kriegsende umfassten die Partisanen schätzungsweise bis zu 100.000 Mitglieder. Ihre Aktionen blieben ergebnislos und nahmen ab dem Ende der 1940er Jahre ab, da die Rote Armee, der NKWD und die sich bildenden Organe des kommunistisch-polnischen Staates massiv gegen sie vorgingen.

Grüne Linie: von den Westalliierten im Dezember 1919 verkündete ethnographische Demarkationslinie, seit Juli 1920 Curzon-Linie genannt.
Türkisfarbene Fläche: Gebietserweiterungen Polens nach dem Ersten Weltkrieg bis 1923, die 1945 von der Sowjetunion revidiert wurden.
Blaue Linie: Staatsgrenze Polens bis 1938
Gelbe Fläche: Deutsche Gebiete (1937) unter polnischer Verwaltung
Rote Linie: heutige Staatsgrenze Polens
Braune Linie: deutsch-sowjetische Demarkationslinie vom 28. September 1939
Bereits im Juli 1942 forderte das britische Kriegskabinett Zwangsumsiedlungen der deutschen Bevölkerung aus Ostmittel- und Südosteuropa. Im Potsdamer Abkommen von 1945 wurde von den Alliierten „die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland“ beschlossen, wobei „jede derartige Überführung […] in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll“.[65] Alle genannten Länder vollzogen die Zwangsumsiedlung der deutschen Bevölkerung. Insbesondere waren in Polen etwa sieben Millionen Flüchtlinge und 1,2 Millionen zwangsausgesiedelte Menschen davon betroffen (→ Heimatvertriebener).[66][67] Die deutschen Ostgebiete wurden bis zur endgültigen Entscheidung durch eine Friedenskonferenz unter polnische Verwaltung gestellt. Die Grenzfrage wurde durch bilaterale Grenzabkommen und Verträge zwischen Polen und der DDR (1950) sowie der Bundesrepublik Deutschland (1970) geregelt. Die endgültige und völkerrechtlich unumstrittene Friedensregelung fand mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990 statt.[68]
Aus den östlichen Teilen des heutigen Polens wurden 1944 bis 1946 etwa 500.000 Ukrainer in die Ukraine zwangsumgesiedelt, weitere etwa 400.000 wurden nach Niederschlesien und Pommern, also in die „wiedergewonnenen West- und Nordgebiete“ Polens, deportiert. Parallel dazu mussten etwa 1,5 Millionen Polen ihre Heimat im Osten verlassen. Zwischen 1945 und 1947 wurden im Zuge der Zwangsumsiedlung von Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten 1944–1946 etwa 1 Million Polen aus der Ukraine, 300.000 aus Weißrussland und 200.000 aus Litauen nach Polen vertrieben. Ein großer Teil von ihnen wurde in den sogenannten Wiedergewonnenen Gebiete angesiedelt. Dorthin strömten darüber hinaus etwa 3 Millionen Neusiedler aus Zentralpolen und aus dem Westen zurückkehrende Polen.
Der im Juni 1945 gebildeten „Regierung der nationalen Einheit“ gehörten außer Stanisław Mikołajczyk fast nur Vertreter der Kommunisten an. Aus den im Januar 1947 abgehaltenen Wahlen gingen Sozialisten und Kommunisten als Sieger hervor. Mit ihren Stimmen wurde im selben Jahr eine erste Übergangsverfassung verabschiedet. Als letzte verbliebene demokratische Partei wurde die Polnische Volkspartei unter anderen durch Polizeimaßnahmen an den Rand gedrängt und Mikołajczyk floh 1947 ins Exil. Ende 1948 schlossen sich die beiden linken Parteien zur Vereinigten Arbeiterpartei zusammen, während alle anderen Parteien zu Blockparteien heruntergestuft wurden.
Stalinistischer Terror und Ära Bierut 1948–1956
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Während unter den polnischen Kommunisten zunächst die Überzeugung vorherrschte, auf die völlige Übernahme des sowjetischen Systems verzichten zu können, wuchs nach 1947 Stalins Druck. Er verlangte vor allem einen forcierten Aufbau einer Schwerindustrie, die Übernahme des zentralen Planungssystems und eine rasche Kollektivierung der Landwirtschaft. Damit befand er sich im Widerspruch mit den eher nationalen Kräften in der polnischen Parteiführung unter ihrem Generalsekretär Władysław Gomułka, der eher Sympathien für das jugoslawische Modell Titos erkennen ließ.
Im Rahmen von Partei und Gesellschaft wurden weitgehende Säuberungen und Umstrukturierungen durchgeführt. Im kulturellen Bereich begann die vorübergehende Herrschaft des Sozialistischen Realismus. Diese Phase endete mit dem Tode Stalins 1953, ohne dass wie in anderen Ländern unter sowjetischer Herrschaft Schauprozesse gegen in Ungnade gefallene kommunistische Politiker durchgeführt wurden.
Im außenpolitischen Bereich wurden die nationalistischen Angriffe auf die Bundesrepublik Deutschland durch die Theorien des dialektischen Materialismus ersetzt, so dass nunmehr die USA und Großbritannien sowie die Bundesrepublik Deutschland und der Vatikan zu Hauptgegnern wurden, während man eine Annäherung zur DDR suchte. Das SED-Regime unter Otto Grotewohl anerkannte am 6. Juli 1950 im Görlitzer Vertrag die Oder-Neiße-Grenze.
Polnischer Oktober 1956 und Ära Gomułka 1956–1970
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Auf die Geheimrede Chruschtschows während des XX. Parteitages im Februar 1956 über die Verbrechen Stalins folgte wenige Tage später der überraschende Tod des polnischen Parteichefs Bolesław Bierut in Moskau. Gegen den Willen des neuen sowjetischen Parteichefs Chruschtschow einigte sich die in sich zerstrittene Führung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei auf den Kompromisskandidaten Edward Ochab als Nachfolger Bieruts.
Wie wenig gefestigt das politische System war, erwies sich schon im Juni 1956, als Tausende von Arbeitern im westpolnischen Posen streikten und es schließlich zum Posener Aufstand kam.
Der Streit über das weitere Vorgehen vertiefte den Konflikt im Politbüro. Verschärft wurde die Lage durch die politische Entwicklung in Ungarn, wo sich tiefgreifende Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft abzeichneten. Der Wirtschaftschef Hilary Minc wurde zum Rücktritt gezwungen, der rehabilitierte ehemalige Generalsekretär Władysław Gomułka kehrte an die Macht zurück, obwohl Moskau dem zunächst nicht zustimmen wollte, seine Truppen mobilisierte und die komplette Parteiführung zu einem unangemeldeten Blitzbesuch in Warschau eingetroffen war. Schließlich gab man nach und der bisherige polnische Verteidigungsminister Marschall Konstanty Rokossowski – ein sowjetischer Staatsbürger, über seinen Vater polnischer Herkunft – wurde in seine Heimat zurückgerufen.
Schon in seiner ersten Rede kündigte Gomułka tiefgreifende Reformen an. Im kirchlichen und kulturellen Bereich wurde ein größerer Freiraum zugestanden, die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft wurde nicht mehr forciert, eine Reorganisation des gesamten Wirtschaftssystems zugesagt. Bald zeigte sich jedoch, dass diesen Worten nur wenige Taten folgten: liberale Zeitschriften wurden wieder verboten, der Religionsunterricht in den Schulen abgeschafft. Gegen Abtrünnige in den eigenen Reihen begann die Parteiführung massiv vorzugehen.
Angesichts der Feiern zum Millennium des christlichen Polens im Jahre 1966 steuerte die Auseinandersetzung zwischen Staat und der polnischen katholischen Kirche auf einen neuen Höhepunkt zu, die auch das Deutungsmonopol über die polnische Geschichte zum Thema hatte. Hinzu kamen außenpolitische Verwerfungen, vor allem vor dem Hintergrund der nach 1956 wieder verstärkten antiwestdeutschen Agitation.
Im kulturellen Bereich waren die ersten Jahre der Gomułka-Herrschaft durchaus von positiven Entwicklungen geprägt. In den Jahren der „kleinen Stabilisierung“ (benannt nach einem Theaterstück von Tadeusz Różewicz) entstand eine Reihe wichtiger Werke in Literatur, Kunst und im Kinobereich, etwa die ersten Filme von Andrzej Wajda, Andrzej Munk und Roman Polański.
In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre spitzten sich die innerparteilichen Konflikte in der PVAP zu. Eine Gruppe von kommunistischen Kadern, die sich durch ihren Kampf gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg besonders verbunden fühlte, die „Partisanen“, drängte unter ihrem Anführer, Innenminister General Mieczysław Moczar, an die Macht. Moczar baute Geheimdienst und Bürgermiliz aus und schuf sich eine breite Anhängerschaft innerhalb der Bevölkerung, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung unzufrieden war. Die offizielle Propaganda gegen Israel wegen des Sechstagekriegs im Jahre 1967 und die Ereignisse im März 1968 nahm Moczar zum Anlass, die erste staatlich tolerierte und geförderte antisemitische Kampagne gegen Juden, die in einem europäischen Land nach 1945 ohne Beispiel war, zu starten, um die kritischen und liberalen Intellektuellen, sowie wirkliche und potenzielle Oppositionelle mundtot zu machen und sich die Macht im polnischen Staat zu sichern. Als Folge davon wurden etwa 20.000 polnische Juden in den Jahren 1968/1969 zum Verlassen Polens, unter Verlust der polnischen Staatsbürgerschaft, getrieben. Zusätzlich griffen Proteste im Zusammenhang mit dem „Prager Frühling“ auf das Land über. Die auf die Absetzung der Aufführung des Theaterstücks Totenfeier von Adam Mickiewicz in Warschau folgenden Studentenproteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. In der PVAP setzte eine Säuberungswelle ein, der u. a. Außenminister Adam Rapacki zum Opfer fielen.
Parteichef Gomułka war zunächst weder Willens noch in der Lage, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Erst allmählich distanzierte er sich vorsichtig vom Innenminister. Gleichzeitig versuchte er, durch außenpolitische Anstrengungen der Krise seiner Herrschaft entgegenzutreten. Zu Beginn der 1960er Jahre begann der gesellschaftliche Dialog mit der Bundesrepublik und Polen. Gomułka erklärte sich dabei zu offiziellen Verhandlungen bereit, die in erster Linie der Frage der polnischen Westgrenze zum Thema haben sollten. Nachdem Bonn mit Moskau zu einer Vertragsvereinbarung bezüglich des deutsch-sowjetischen Verhältnisses gelangt war, kamen Ende 1970 auch die Verhandlungen mit Polen zu einem Abschluss.
Der Unterzeichnung des Vertrages in Warschau, der die Oder-Neiße-Grenze aus westdeutscher Rechtsposition bestätigte, wie es die DDR schon im Görlitzer Vertrag von 1950 getan hatte, einen gegenseitigen Gewaltverzicht und die Bereitschaft zu weiterer politischer Zusammenarbeit beinhaltete, folgte als symbolischer Höhepunkt der legendäre Kniefall Willy Brandts vor dem Warschauer Ghetto-Ehrenmal am 7. Dezember 1970, der in der Bundesrepublik teilweise heftig kritisiert wurde, für die Polen aber – obwohl offiziell kaum darüber berichtet wurde – einen entscheidenden Einschnitt in den Nachkriegsbeziehungen darstellte.
Die Herrschaft Gomułkas konnte dieser außenpolitische Erfolg freilich nicht mehr retten. Knapp zwei Wochen nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages führten plötzlich verkündete radikale Preiserhöhungen für Lebensmittel zu Arbeiterprotesten. Ausgehend von den großen Werften in Danzig und Stettin brachen in den Industriezentren Unruhen aus. Erst der Einsatz von Militär konnte den Aufruhr stoppen, dem 45 Menschen zum Opfer fielen, über 1000 wurden verletzt. Das Politbüro zwang daraufhin Parteichef Gomułka zum Rücktritt.
Ära Gierek 1970–1980
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Gomułkas Nachfolger, der oberschlesische Parteifunktionär Edward Gierek, genoss in weiten Teilen der Bevölkerung große Sympathien. Ihm gelang es, viele der alten Kader rasch auszuwechseln. Seine neue Wirtschaftspolitik zielte auf die bessere Befriedigung der Konsumbedürfnisse der Bevölkerung. Mit Lohn- und Rentenerhöhungen sollte der allgemeine Lebensstandard angehoben werden. Die eingeleiteten Reformen (größere Unabhängigkeit der Regierung von der kommunistischen Partei, Erweiterung der Arbeitermitbestimmung, Änderung der Verwaltungsstrukturen etc.) bewirkten in der Praxis aber eher einen Machtzuwachs der PVAP auf allen Ebenen.
Die Ansätze einer umfassenden Modernisierung der Wirtschaft lagen vor allem im Bereich der Schaffung neuer Strukturen, deren Verfahren und Produktionsstätten im Westen auf Kredit eingekauft wurden. Die Rückzahlung sollte durch den Verkauf der erzeugten neuen Produkte ins Ausland erfolgen. Diese Bemühungen bewirkten gerade im psychologischen Bereich positive Veränderungen. Die größere Produktpalette und die steigende Kaufkraft erweckten den Anschein einer Annäherung an die Konsumgesellschaften des Westens, weswegen auch im Rückblick viele Polen die Gierek-Zeit positiv in Erinnerung haben. In Wirklichkeit war aber die Zentrale Wirtschaftsplanungskommission nicht in der Lage, die unterschiedliche Entwicklung in verschiedenen Wirtschaftszweigen aufeinander abzustimmen.

In der Außenpolitik verbesserte sich das Verhältnis zur Bundesrepublik weiter, auch wegen der „Männerfreundschaft“ zwischen Gierek und dem neuen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die Öffnung der Grenze zur DDR schuf jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Unterschiede zwischen beiden Ländern eine Reihe von Spannungen.
Die innenpolitischen Repressionen wurden Mitte der 1970er Jahre allmählich wieder erhöht, was die Unterdrückung von Gegenstimmen zur neuen, sozialistischen Verfassung zeigte. Als im Juni 1976 die Preise für Grundnahrungsmittel drastisch erhöht wurden, kam es in den industriellen Zentren Radom und Ursus bei Warschau zu Unruhen. Die Preiserhöhungen wurden daraufhin zwar zurückgenommen, gleichzeitig aber eine große Anzahl von Arbeitern entlassen, verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.
Während es bis dahin keine klare Trennungslinien innerhalb der polnischen Gesellschaft gab und die Reformdiskussionen bis weit in die PVAP hinein geführt wurden, entwickelten sich nun erstmals deutlich oppositionelle Gruppierungen in Polen selbst. Führende Intellektuelle gründeten am 23. September 1976 das „Komitee zur Verteidigung der Arbeiter“. Der zunehmende Druck der öffentlichen Meinung verhinderte in der Folgezeit repressive Maßnahmen der Parteiführung. In den nächsten Jahren gründeten sich weitere Bürgerrechtsorganisationen. Gleichzeitig engagierte sich die katholische Kirche unter Stefan Kardinal Wyszyński zunehmend stärker. Ihre besondere Stellung wurde gefestigt durch die mit Begeisterung aufgenommene Wahl des Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyła zum Papst am 16. Oktober 1978 und dessen mit Begeisterung aufgenommene erste Polenreise ein halbes Jahr danach.
Zu Beginn des neuen Jahrzehnts zeichnete sich angesichts der immer größeren wirtschaftlichen Probleme ab, dass auch die Zeit des einstmals bejubelten Edward Gierek abgelaufen war.
Opposition, Streikbewegung und Solidarność
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Bereits 1977 und 1978 waren in Radom bzw. Katowice Zellen unabhängiger Gewerkschaften gegründet worden. Am 29. April 1978 entstand in Danzig das „Gründungskomitee freier Gewerkschaften für das Küstengebiet“, dessen Teilnehmer zumeist schon 1970 mitgestreikt hatten. Zu ihnen stieß bald der junge Elektriker der „Lenin-Werft“ Lech Wałęsa. In der Untergrundzeitschrift „Robotnik“ (Der Arbeiter) wurde im September 1979 die „Charta der Arbeiterrechte“ veröffentlicht. In ihr wurden die bisherigen Erfahrungen mit Streiks berücksichtigt, Forderungen für die Zukunft aufgestellt und allgemeine Positionen festgelegt.
Anfang 1980 hatte sich die gesamtwirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert: die Subventionen für Grundnahrungsmittel verschlangen etwa 40 % der Staatseinnahmen, der Kaufkraftüberhang nahm ständig zu, die im Westen aufgenommenen Schulden konnten nicht mehr bedient werden. Die Regierung wählte wiederum den Weg der Preiserhöhungen und begann mit ihnen ohne öffentliche Bekanntmachung am 1. Juli, dem landesweiten Beginn der Sommerferien. Dennoch brachen in vielen Betrieben umgehend Streiks aus, zunächst im Traktorenwerk Ursus in Warschau, dann in Ostpolen und Mitte August auch in Danzig. Obwohl die Parteiführung nun wieder zum Nachgeben bereit war und die Lohnforderungen bewilligte, konnte sie die Bewegung nicht mehr eindämmen. Als die Belegschaft der Danziger Lenin-Werft am 14. August wie schon 1970 komplett in den Ausstand trat und das Werksgelände besetzt hatte, stellte das neue Streikkomitee erstmals auch politische Forderungen, etwa die Wiedereinstellung der entlassenen Streikführer und die Errichtung eines Denkmals für die Opfer von 1970.
Die Warschauer Regierung erkannte bald die Gefahr, die von der sich ausbreitenden Streikwelle ausging, und kappte alle Verbindungen nach Danzig und Umgebung. Ein Teil der streikenden Werftarbeiter akzeptierte das Kompromissangebot der Werksleitung, andere plädierten für eine Ausdehnung des Arbeitskampfes, die mit der Gründung eines Überbetrieblichen Streikkomitees (MKS) am 16. August auch erfolgte. Der von seinem Vorsitzenden Lech Wałęsa präsentierte Forderungskatalog enthielt unter anderem den Wunsch nach Zulassung freier Gewerkschaften, Meinungsfreiheit und das Streikrecht.
Innerhalb der PVAP setzten sich nun die Reformkräfte durch und Regierungsvertreter akzeptierten in Verhandlungen in Stettin und Danzig am 30. und 31. August die meisten der Forderungen. Am Nachmittag des 31. Augusts wurde das Danziger Abkommen unterzeichnet, das die Verhandlungsergebnisse politisch festschrieb. Die Gewerkschaftskräfte waren jedoch nicht mehr bereit, ihre Tätigkeit auf den Danziger Raum zu beschränken und beschlossen die Ausdehnung auf das ganze Land. Mit einem Warnstreik erzwang die neue Organisation, die sich den Namen „Solidarność“ (Solidarität) gab, am 3. Oktober ihre gerichtliche Registrierung. In den Wochen darauf setzte ein gewaltiger Ansturm auf sie ein, so dass ihr schon im November etwa 10 Millionen Arbeitnehmer angehörten (von insgesamt 16 Millionen), darunter über 1 Million Mitglieder der PVAP.
Die innenpolitische Lage schien sich nun allmählich zu entspannen, nachdem Parteichef Gierek schon im September durch den gemäßigten Stanisław Kania ersetzt und die meisten Hardliner aus dem Politbüro entfernt worden waren. Der Vorschlag mehrerer Parteichefs, darunter Erich Honecker, mit den Warschauer-Pakt-Truppen einzumarschieren, scheiterte am Veto Moskaus, das nach den Erfahrungen der Besetzung Afghanistans eine weitere Verschlechterung des weltpolitischen Klimas fürchtete.
Die Sowjetunion steigerte jedoch den Druck auf die PVAP, die „Konterrevolution“ zu bekämpfen und veranstaltete mehrmals Militärmanöver in der Nähe der Grenze Polens. Im Frühjahr 1981 kam es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staatsorganen und Gewerkschaftsaktivisten. Angesichts der sich weiter verschlechterten wirtschaftlichen Lage häuften sich wilde Streiks, der Eindruck von Chaos verbreitete sich angesichts der „Doppelherrschaft“. In dieser entscheidenden Phase waren zudem die bewährten Vermittlungsmöglichkeiten der Kirche eingeschränkt, weil im Mai das Attentat auf Papst Johannes Paul II. verübt worden war und Primas Stefan Wyszyński gestorben war.
Vom 4. bis 12. September 1981 fand auf Betreiben der Sowjetunion das Militärmanöver Sapad 81 statt, großenteils auf dem Staatsgebiet Polens. Es war mit rund 150.000 Teilnehmern das größte operativ-strategische Manöver des Warschauer Paktes während des Kalten Krieges.
Nachdem der erste Landeskongress der Solidarność im September 1981 ein noch stärkeres politisches Engagement beschlossen und eine Botschaft an alle Arbeiter der anderen sozialistischen Staaten gerichtet hatte, entschloss sich die PVAP-Führung endgültig zum Konfrontationskurs.
Jaruzelski und Kriegsrecht
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Auf dem 4. ZK-Plenum vom 16. bis 18. Oktober wurde Parteichef Stanisław Kania durch Verteidigungsminister General Wojciech Jaruzelski ersetzt. Die Vorbereitungen für einen entscheidenden Schlag gegen die Opposition waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.
Trotz der Bereitschaft der „Solidarność“ zu Kompromissen übernahmen in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 Militär und Sicherheitsorgane die Macht in Polen. General Jaruzelski verkündete in einer Fernsehansprache die Verhängung des Kriegsrechts, das bis 1983 in Kraft blieb. Die Führungsspitze der Gewerkschaft wurde in Danzig verhaftet. Regionalführer, Leiter der Betriebskommissionen und oppositionelle Intellektuelle, insgesamt einige Tausend Personen, wurden in Internierungslager gebracht. Jaruzelski rechtfertigte diesen Schritt mit einer damaligen unmittelbaren Gefahr des Einmarsches der Roten Armee, doch gibt es dafür keine Beweise.
Die kommunistische Partei, deren Tätigkeit ebenfalls kurzfristig suspendiert worden war, besaß kein Konzept zur inneren Erneuerung des Landes. Man suchte vielmehr nun Wege der Verständigung mit den gesellschaftlichen Kräften, die nicht zur „Solidarność“ gehörten, vor allem mit der katholischen Kirche. Im wirtschaftlichen Bereich begann man mit zaghaften Reformen, deren Erfolge aber zu wünschen übrig ließen. Sie waren begleitet von internen Machtkämpfen zwischen „Falken“ und „Tauben“ in der PVAP, die zur Ermordung des oppositionellen Priesters Jerzy Popiełuszko durch Angehörige des Sicherheitsapparates im Oktober 1984 führten.
Parallel zur Entwicklung in der Sowjetunion nach dem Machtantritt von Michail Gorbatschow setzten sich seit Mitte der 1980er Jahre auch in Polen die Reformkräfte durch. Im Rahmen einer Amnestie wurden im Juli 1986 alle politischen Gefangenen freigelassen. Um angesichts der sich weiter verschlechternden Versorgungssituation die Unterstützung der Bevölkerung für weitere Wirtschaftsreformen zu gewinnen, führte man am 29. November 1987 die erste Volksabstimmung seit 1946 durch. Sie endete mit einer klaren Niederlage für die Regierung. Zwei Streikwellen im April, Mai und im August 1988 brachten die Reformer zu der Erkenntnis, dass sie ohne weitere Zugeständnisse die Dauerkrise nicht würden überwinden können.
Ende der Volksrepublik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die „Solidarność“ hatte die ganze Zeit über im Untergrund weiter gewirkt. Es erschienen zahlreiche Zeitschriften und Bücher in Anknüpfung an die sowjetische Samizdat-Tradition im „Zweiten Umlauf“. Die systemkonformen Gewerkschaften wurden weitgehend boykottiert. Die anwachsende Streikbewegung wurde von der PVAP mit Sorge betrachtet, zumal sich herausstellte, dass an ihr vor allem jüngere Arbeiter der Nach-„Solidarność“-Generation beteiligt waren. Die Politik Jaruzelskis, die auf den Prinzipien der Konsultation und Kooptation beruhte, war gescheitert. Unter Vermittlung von führenden Intellektuellen und der katholischen Kirche kam es am 31. August 1988 zu einem ersten Gespräch zwischen Innenminister Czesław Kiszczak und Lech Wałęsa „unter Gleichen“. Die Verhandlungen traten zunächst auf der Stelle, besonders als der neue Ministerpräsident Mieczysław Rakowski ausschließlich Wirtschaftsreformen versuchen wollte. Am 30. November 1988 fand im polnischen Fernsehen (TVP1) eine Fernsehdiskussion zwischen Wałęsa und dem Chef der offiziellen Gewerkschaft – OPZZ, Alfred Miodowicz statt, die Wałęsa in den Augen der Zuschauermehrheit klar gewann. Der PVAP-Führung wurde klar, dass neue Reformen in der Bevölkerung nur mit Beteiligung der „Solidarność“ durchsetzbar sein würden.
Vom 6. Februar bis 5. April 1989 trafen sich in Warschau Repräsentanten der PVAP und der gesellschaftlichen Opposition zu Gesprächen am Runden Tisch. Die Arbeit in verschiedenen Verhandlungsgruppen führte zu tiefgreifenden Veränderungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Im politischen Bereich vereinbarte man die schrittweise Einführung der vollen Volkssouveränität mit dem dazugehörenden Pluralismus. Als Sofortmaßnahme wurde am 17. April die „Solidarność“ wieder zugelassen. Die Anerkennung eines Mehrparteiensystems, des Prinzips freier Wahlen und unabhängiger Gerichte waren weitere bedeutende Etappen dieses Prozesses, der eine Mischung aus Revolution und Reform war.[69]
Die Parlamentswahlen am 4. und 18. Juni 1989 waren die ersten halbwegs freien Wahlen seit 1938; sie beschleunigten den Systemwandel. Die Sitze im Sejm wurden nach dem Schlüssel 65 Prozent für die PVAP und ihre Verbündeten, 35 Prozent für die Opposition vergeben, während die Wahlen zum Senat unbeschränkt waren. Von den 261 vorher festgelegten Kandidaten der „Solidarność“ wurde alle bis auf einen gewählt; die PVAP brachte ihre Kandidaten nur mittels einer kurzfristigen Änderung des Wahlgesetzes durch.
General Jaruzelski wurde am 19. Juli nur knapp zum Präsidenten gewählt (270 dafür, 233 dagegen, 34 Enthaltungen); ein von der PVAP geführtes Kabinett unter General Kiszczak kam nicht mehr zustande. Stattdessen gelang es der „Solidarność“ am 12. September in Zusammenarbeit mit zwei bisherigen Blockparteien, eine Regierung unter dem katholischen Publizisten Tadeusz Mazowiecki zu bilden. Diese Ereignisse in Polen hatten auch eine Katalysatorfunktion; sie trugen maßgeblich zum Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs, zum Niedergang des Kommunismus in den Staaten Mittel- und Osteuropas (→ Ostblock) und letztlich zum Zerfall der Sowjetunion bei.
Seit 1989: Dritte Republik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ära Lech Wałęsa
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lech Wałęsa wurde 1990 nach einer kurzen Präsidentschaft von Wojciech Jaruzelski zum zweiten Präsidenten der Dritten Polnischen Republik gewählt. Für viele Polen erfüllte der einstige Gewerkschaftsführer und Nationalheld die in ihn gesetzten Erwartungen als Präsident nicht, so dass seine Wiederwahl 1995 scheiterte. Während seiner Präsidentschaft kam es bei der Umstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft zu einer schweren Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit. Außenpolitisch hatte er mehr Erfolg. 1990 wurde die Westgrenze Polens durch das wiedervereinigte Deutschland unter Bundeskanzler Helmut Kohl anerkannt. Kohl vollendete damit, was Willy Brandt um 1970 begonnen hatte (siehe Neue Ostpolitik). Die Kontakte Polens mit seinem westlichen Nachbarn entwickeln sich seitdem vertrauensvoll und eng. Auch zwischen deutschen Bewohnern der ehemaligen Ostgebiete und den heutigen polnischen Einwohnern sind inzwischen viele Freundschaften entstanden, begünstigt durch die Arbeit der Kirchen sowie Teile der Vertriebenenverbände.
Ära Aleksander Kwaśniewski
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1995 löste der ehemalige kommunistische Funktionär Aleksander Kwaśniewski Lech Wałęsa als Präsident ab. Im Gegensatz zu Wałęsa erwies sich für viele Polen Kwaśniewski als ein fähiger Politiker, der es verstand, weite Teile der polnischen Gesellschaft zu einigen, wie kaum ein Politiker vor oder nach ihm. So wurde er auch 2000 mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt. Am 25. Mai 1997 wurde per Volksabstimmung eine neue Polnische Verfassung angenommen. Polen galt während seiner Präsidentschaft als wirtschaftlich aufstrebender, stabiler und demokratischer Staat. Am 12. März 1999 wurde er in die NATO aufgenommen (siehe auch NATO-Osterweiterung) und am 1. Mai 2004 in die Europäische Union (zusammen mit anderen Staaten, siehe EU-Erweiterung 2004). 43 Prozent der polnischen Bürger (73 % Ja-Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von etwa 59 %) stimmten in einer Volksabstimmung im Juni 2003 für den EU-Beitritt.
Polen nahm an der Koalition der Willigen teil und entwickelte sich während des Irakkrieges und danach neben Großbritannien, Italien und Spanien zu einem wichtigen Verbündeten der USA in Europa. Während der Kriegshandlungen entsandte Polen Truppen in den Irak. Im Nachkriegs-Irak übernahm Polen die Verwaltung einer von drei Besatzungszonen; 9500 Soldaten (davon 2400 polnische) sicherten das etwa 80.000 Quadratkilometer große Gebiet.[70]
Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Polen und Deutschland ergab sich 2004 durch die Einladung an den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder zu den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes. Schröder war damit der erste deutsche Kanzler, der an den alljährlichen Feiern teilnehmen durfte. Jedoch folgten diesem Besuch Schröders Diskussionen um Wiedergutmachungsleistungen an die deutschen Vertriebenen, die dazu führten, dass in Polen neue Ängste gegenüber den Deutschen aufkamen.
Während des Konfliktes um die Präsidentschaftswahl im Nachbarstaat Ukraine im November/Dezember 2004 engagierte Kwaśniewski sich als Vermittler zwischen den Konfliktparteien, während die polnische Öffentlichkeit und die Medien Solidarität mit Wiktor Juschtschenko übten. Trotz hoher Beliebtheitswerte trat Kwaśniewski 2005 nicht zur Wiederwahl an, da die Amtszeit des polnischen Präsidenten auf zwei Präsidentschaften beschränkt ist.
Ära Lech Kaczyński
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Parlamentswahlen 2005 führten zu einem Richtungswechsel: Der bis dahin regierende Bund der Demokratischen Linken wurde zugunsten eines konservativen Bündnisses abgewählt. Gewinner war Jarosław Kaczyński, Führer der national-konservativen Partei PiS (deutsch: Recht und Gerechtigkeit). Sein Zwillingsbruder Lech Kaczyński bekleidete ab 2005 das Amt des Staatspräsidenten. Die PiS verlor allerdings bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 21. Oktober 2007 ihre Position als stärkste Partei. Von November 2007 bis November 2015 bildeten die PO und ihr Koalitionspartner, die gemäßigte Bauernpartei PSL, drei Regierungen.
Ära Bronisław Komorowski
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beim Flugunfall von Smolensk starben am 10. April 2010 alle 96 Insassen, darunter Lech Kaczyński. Bronisław Komorowski übernahm geschäftsführend die Aufgaben des polnischen Präsidenten. Bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl im Sommer 2010 wurde Komorowski zu Kaczyńskis Nachfolger gewählt. Donald Tusk, der 2011 als Ministerpräsident wiedergewählt wurde, wechselte im Dezember 2014 als Präsident des Europäischen Rates nach Brüssel. Ewa Kopacz wurde Ministerpräsidentin.
Ära Andrzej Duda
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bronisław Komorowski gelang 2015 die Wiederwahl nicht, als Andrzej Duda die Präsidentschaftswahl gewann. Die Parlamentswahl vom gleichen Jahr führte erneut zu einem Machtwechsel zugunsten der PiS. Im November 2015 wurde Beata Szydło vom Parlament zur Ministerpräsidentin gewählt.[71][72] Im Zuge einer Regierungsumbildung beschloss die PiS, dass Mateusz Morawiecki Frau Szydło nach ihrem Rücktritt als Ministerpräsident ablösen sollte.[73] Anfang Dezember 2017 wurde er zum neuen Ministerpräsidenten des Landes ernannt.[74] Morawiecki wurde nach der Parlamentswahl 2019 erneut Ministerpräsident und Duda wurde im Juli 2020 erneut zum polnischen Präsidenten gewählt.
Aus der Parlamentswahl in Polen im Oktober 2023 ging Donald Tusks 2018 gegründete Koalicja Obywatelska (KO) als zweitstärkste Kraft (30, % der Stimmen) nach der PiS (35,4 %) hervor. Drei Parteienbündnisse (KO, TD und Lewica) schlossen eine Regierungskoalition. Nach einem zweiwöchigen Intermezzo (Kabinett Morawiecki III) trat am 13. Dezember 2023 das Kabinett Tusk III die Regierung an.
Während der Zeit seit seiner Unabhängigkeit hat Polen seinen Human Development Index (HDI) von 0.716 im Jahr 1989, was zu diesem Zeitpunkt den 44. Platz weltweit bedeutete, bis zum Jahr 2021 auf 0.876 gesteigert, was nun den 34. Platz weltweit einnimmt.[75] Das Land gilt zu dieser Zeit laut dem HDI als ein „Land mit sehr hoher menschlicher Entwicklung“. Die relativ friedliche und für die Wirtschaft günstige 32-jährige Phase seit 1989 hat Polen den vorgenannten relativ wohlhabenden Status beschert.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Politisches System Polens
- Außenpolitik Polens
- Verfassungsgeschichte Polens
- Liste historischer Regionen Polens
- Geschichte der Juden in Polen
- Polnische Kultur im Zweiten Weltkrieg
- Liste der polnischen Herrscher
- Liste der Präsidenten Polens
- Liste der Ministerpräsidenten Polens
- Polnische Nationalaufstände
- Russisch-Polnische Kriege
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gesamtdarstellungen und Überblicke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. aktual. u. erw. Auflage. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-017060-1.
- Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. 4., durchgesehene Auflage. Mit einem Geleitwort von Bronislaw Geremek. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-46709-1.
- Peter Gatter: Der weiß-rote Traum. Polens Weg zwischen Freiheit und Fremdherrschaft. Düsseldorf/Wien 1983, ISBN 3-426-03724-6.
- Jürgen Heyde: Geschichte Polens. Beck, München 2006, ISBN 3-406-50885-5.
- Jörg K. Hoensch: Geschichte Polens. Stuttgart 1983, ISBN 3-8252-1251-3.
- Rudolf Jaworski, Christian Lübke, Michael G. Müller: Eine kleine Geschichte Polens. Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-12179-0.
- Enno Meyer: Grundzüge der Geschichte Polens. 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-04371-5.
- Gotthold Rhode: Geschichte Polens – Ein Überblick. Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.
Im Auftrag des Deutschen Polen-Instituts, hrsg. von Dieter Bingen, Hans-Jürgen Bömelburg und Peter Oliver Loew. 5 Bände (bisher 4 erschienen)
- Norbert Kersken, Przemysław Wiszewski: Neue Nachbarn in der Mitte Europas: Polen und das Reich im Mittelalter. In: WBG Deutsch-polnische Geschichte. Band 1. wbg Academic, Darmstadt 2020, ISBN 978-3-534-24762-2.
- Hans-Jürgen Bömelburg, Edmund Kizik: Altes Reich und alte Republik: deutsch-polnische Beziehungen und Verflechtungen 1500-1806. In: WBG Deutsch-Polnische Geschichte. Band 2. WBG, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-24763-9.
- Jörg Hackmann, Marta Kopij-Weiss: Nationen in Kontakt und Konflikt: deutsch-polnische Beziehungen und Verflechtungen 1806-1918. In: WBG Deutsch-Polnische Geschichte. Band 3. WBG, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-24764-6.
- Markus Krzoska, Paweł Zajas: Kontinuität und Umbruch: deutsch-polnische Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg. In: WBG Deutsch-polnische Geschichte. Band 5. wbg Academic, Darmstadt 2021, ISBN 978-3-534-24766-0.
Einzelne Epochen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Daniel Brewing: Im Schatten von Auschwitz. Deutsche Massaker an polnischen Zivilisten 1939–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-534-26788-0.
- Andrzej Friszke, Antoni Dudek: Geschichte Polens 1939–2015. Brill-Schöningh, Paderborn 2022, ISBN 978-3-506-76001-2.
- Marcin Zaremba: Die große Angst. Polen 1944–1947: Leben im Ausnahmezustand. Übersetzt von Sandra Ewers. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016, ISBN 978-3-506-78093-5.[76]
Fußnoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 17 f.
- ↑ Gerhard Lubich: Das Mittelalter. Paderborn 2010, ISBN 978-3-506-76582-6, S. 84.
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 16.
- ↑ Johannes Fried: Gnesen, Aachen, Rom. Otto III. und der Kult des hl. Adalbert. Beobachtungen zum älteren Adalbertsleben. In: Michael Borgolte: Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Die Berliner Tagung über den „Akt von Gnesen“. Akademie Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003749-0 (Europa im Mittelalter 5), S. 235–279, Sebastian Brather: Völker, Stämme und gentes im RGA. Archäologische Interpretationen und ethnische Identitäten. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Altertumskunde – Altertumswissenschaft – Kulturwissenschaft: Erträge und Perspektiven nach 40 Jahren Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. De Gruyter, Berlin, Boston 2012, ISBN 978-3-11-027360-1, S. 414 sowie Eduard Mühle: Die Piasten. Polen im Mittelalter. (= C.H. Beck Wissen 2709). Verlag C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61137-7, S. 14 f. halten die Existenz eines polanischen Stammes für sehr zweifelhaft. Brather, der sich auf die aktuelle polnische Forschung beruft, spricht von einer Erfindung.
- ↑ Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006 (4. Auflage), S. 263. In seinem Werk Heart of Europe. A Short History of Poland (1984) schrieb er (S. 255): Mieszkos baptism in ad 965 was the first step in the formation of the single most important element in modern Polish culture. ISBN 978-0-19-873060-6.
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 25.
- ↑ Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006, S. 238 ff.
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 342.
- ↑ Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006, S. 256.
- ↑ Norman Davies: Geschichte Polens. München 2006, S. 257.
- ↑ Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Pustet, Regensburg 1996, ISBN 3-7917-1521-6, S. 14.
- ↑ Der Große Ploetz. S. 604. Belegt ist der Name erst ab 1015 in den „Hildesheimer Annalen“.
- ↑ Eduard Mühle: Die Piasten – Polen im Mittelalter. München 2011, S. 10.
- ↑ Eduard Mühle: Die Piasten – Polen im Mittelalter. München 2011, S. 15.
- ↑ Eduard Mühle: Die Piasten – Polen im Mittelalter. München 2011, S. 16 f.
- ↑ Widukind III, 67.
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 25.
- ↑ Chronik des Thietmar von Merseburg
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 26.
- ↑ Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 15.
- ↑ vgl. Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 15.
- ↑ Gotthold Rhode: Kleine Geschichte Polens. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1965, S. 8 ff.
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 28.
- ↑ Gerd Althoff: Otto III. Darmstadt 1996, S. 144ff.; Johannes Fried: Otto III. und Bolesław. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen“ und das frühe polnische und ungarische Königtum. Eine Bildanalyse und ihre historischen Folgen. Wiesbaden 1989, S. 123–125.
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart 2008, S. 35.
- ↑ Sławomir Gawlas: Die Probleme des Lehnswesens und des Feudalismus aus polnischer Sicht. In: Michael Borgolte, Ralf Lusiardi: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Akademie Verlag, 2001, S. 120.
- ↑ Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 26.
- ↑ a b Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 27.
- ↑ Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 1011.
- ↑ Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 1013.
- ↑ Jahrbuch für europäische Geschichte 2007. Band 8, S. 10–15.
- ↑ Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 30.
- ↑ Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte: Die Entstehung des neuzeitlichen Europa, S. 326.
- ↑ Das polnisch-litauische Staatsbudget betrug in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etwa 10–11 Millionen Złoty jährlich. Zum Vergleich betrug das Äquivalent für den gleichen Zeitraum in Frankreich etwa 360 Millionen und in England ca. 240 Millionen (Geschichte Polens. In: Encyclopædia Britannica. (englisch). ).
- ↑ Pierre Chevallier: Henri III. S. 209–231.
- ↑ Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 41–42.
- ↑ a b Józef Szujski: Dzieje Polski podług ostatnich badań. Band 3, Lwów 1866, S. 218 (inklusive Tross).
- ↑ Andrea Schmidt-Rösler: Polen – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich-Pustet, Regensburg 1996, S. 43.
- ↑ Robert A. Friedl: Polen und sein Osten am Vorabend einer Katastrophe. Der große Kosaken- und Bauernaufstand des Jahres 1648. Dissertation, Universität Düsseldorf 2004 (PDF)
- ↑ Frank Golczewski: Chmielnicki-Pogrome (1648–1649). In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus, Bd. 4, Ereignisse, Dekrete, Kontroversen. De Gruyter Saur, Berlin 2011, ISBN 978-3-598-24076-8, S. 74. (abgerufen über De Gruyter Online).
- ↑ Zur Frage der Übergabe der Souveränität über das Herzogtum Preußen an die brandenburgische Linie der Hohenzollern siehe Dietmar Willoweit, Hans Lemberg: Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Oldenbourg, 2006, S. 78–79.
- ↑ Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. Fünftes Kapitel – „Das Ende einer alten Kultur, Eine historische Nation“, Abschn. 4. „Die Adelsrepublik, 1569–1795“, S. 276.
- ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. S. 134 f.
- ↑ Otto Büsch: Handbuch der preussischen Geschichte. Band 1, S. 417.
- ↑ Otto Büsch: Handbuch der preussischen Geschichte. Band 1, S. 418.
- ↑ Otto Büsch: Handbuch der preussischen Geschichte. Band 1, S. 419.
- ↑ Laut Wacław Szczygielski: Konfederacja Barska w…. Warschau 1970, S. 6, bis zu 60.000 Tote; bis zu 6.000 Mann verbannt nach Sibirien laut Zygmunt Gloger: Geografia historyczna ziem dawnej Polski.
- ↑ Hans-Jürgen Bömelburg: Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preussischem Obrigkeitsstaat. S. 215.
- ↑ Barbara Stollberg-Rilinger: Die Aufklärung. Europa im 18. Jahrhundert. 5. Auflage, Reclam, Stuttgart 2021, S. 249 f.
- ↑ Meyers Konversationslexikon. Vierte Auflage, S. 179.
- ↑ Małgorzata Danecka, Thorsten Hoppe: Warschau entdecken – Rundgänge durch die polnische Hauptstadt. Trescher-Verlag, 2008, S. 26.
- ↑ Dieter Schulze: Polen – der Süden mit Warschau und Posen. Dumontreise-Verlag, 2008, S. 331.
- ↑ Carl Neyfeld: Polens Revolution und Kampf im Jahre 1831. S. 48.
- ↑ Richard Brettell: Modern Art 1851–1929. Capitalism and Representation. Oxford University Press, 1999, S. 198.
- ↑ Feliks Szyszko: The Impact of History on Polish Art in the Twentieth Century. ( vom 26. September 2011 im Internet Archive)
- ↑ Christoph Mick: „Den Vorvätern zum Ruhm – den Brüdern zur Ermutigung“, Variationen zum Thema Grunwald/Tannenberg. In: zeitenblicke. 3 (2004), Nr. 1 (PDF; 534 kB).
- ↑ Roman Dmowski: La question polonaise. Armand Colin, Paris 1909.
- ↑ Paul Roth: Die Entstehung des polnischen Staates – Eine völkerrechtlich-politische Untersuchung. Liebmann, Berlin 1926, S. 4, Fn. 3.
- ↑ Abschnitt VIII
- ↑ Wolfgang Benz: Faschismus. In: derselbe (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus, Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Walter de Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-023379-7, S. 86 (abgerufen über De Gruyter Online).
- ↑ Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. 4., durchgesehene Aufl., München 2006, S. 433.
- ↑ Zit. nach Tadeusz A. Kisielewski: Katyń, Zbrodnia i Kłamstwo. Poznań 2008, S. 10. Eine Karte, S. 294, zeigt die Orte und Lager, von denen verschleppt wurde und die Transportrichtung zu den Exekutionsorten.
- ↑ Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. 4. Auflage. Beck, München 2006, S. 62.
- ↑ Klaus-Peter Friedrich: Erinnerungspolitische Legitimierungen des Opferstatus: Zur Instrumentalisierung fragwürdiger Opferzahlen in Geschichtsbildern vom Zweiten Weltkrieg in Polen und Deutschland. In: Die Destruktion des Dialogs – Zur innenpolitischen Instrumentalisierung negativer Fremdbilder und Feindbilder: Polen, Tschechien, Deutschland und die Niederlande im Vergleich, 1900–2005. Veröffentlichungen des Deutschen Polen-Instituts. Harrassowitz, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05488-1, S. 176–191 (eingeschränkte Vorschau).
- ↑ o. T. Potsdamer Abkommen
- ↑ Jochen Oltmer: Migration. Zwangswanderungen nach dem Zweiten Weltkrieg. ( vom 8. September 2011 im Internet Archive)
- ↑ Bernadette Nitschke: Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949. 2. Auflage. 2004.
- ↑ Andreas Zimmermann, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Hrsg.): Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation. (= State succession with Regard to treaties: A Stocktaking), Springer, 2000, S. 173 f.
- ↑ Timothy Garton Ash: We the people. The Revolution of ’89 Witnessed in Warsaw, Budapest, Berlin and Prague. London 1999, S. 14.
- ↑ FAZ.net, 30. September 2003: Polen übernimmt symbolisch Besatzungszone
- ↑ PiS errang laut Wahlkommission absolute Mehrheit in Polen. In: www.salzburg.com. Abgerufen am 1. Januar 2016.
- ↑ Premierministerin Beata Szydlo: Neue Regierung in Polen vereidigt. In: fr-online.de. 16. November 2015 (fr.de [abgerufen am 1. Januar 2016]).
- ↑ Mateusz Morawiecki wird Polens neuer Regierungschef. In: Spiegel online vom 7. Dezember 2017, abgerufen am 18. April 2020.
- ↑ Polens neuer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ist offiziell ernannt. In: NZZ, 8. Dezember 2017, abgerufen am 18. April 2020.
- ↑ Poland - Human Development Index - HDI 1989-2021 | countryeconomy.com. In: countryeconomy.com. Abgerufen am 2. Mai 2024 (englisch).
- ↑ Zwischen Schrecken und Bangen in FAZ vom 14. Juni 2016, S. 6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bibliographie zur Geschichte Polens im Bibliotheks- und Bibliographieportal / Herder-Institut (Marburg)
- Rafał Stobiecki: Polen – Zeitgeschichte seit 1989/90. In: Docupedia Zeitgeschichte. 11. April 2011