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„Neuraltherapie“ – Versionsunterschied

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Bei Überdosierung wirken Lokalanästhetika kreislauf- und atemdepressiv. Durch die Injektion können bei unsachgemäßer Durchführung Gefäße, Gewebe (insbesondere Nerven mit nachfolgenden Lähmungserscheinungen) und Organe verletzt werden. Symptome wie Schwitzen, Zittern, die Empfindung eines metallischen Geschmacks sowie Herzklopfen sind unbedenklich und verschwinden ebenso wie ein allgemeines Wärmegefühl nach einigen Minuten wieder.
Bei Überdosierung wirken Lokalanästhetika kreislauf- und atemdepressiv. Durch die Injektion können bei unsachgemäßer Durchführung Gefäße, Gewebe (insbesondere Nerven mit nachfolgenden Lähmungserscheinungen) und Organe verletzt werden. Symptome wie Schwitzen, Zittern, die Empfindung eines metallischen Geschmacks sowie Herzklopfen sind unbedenklich und verschwinden ebenso wie ein allgemeines Wärmegefühl nach einigen Minuten wieder.
Bei [[Procain]] besteht das Risiko [[allergischer|Allergie]] Reaktionen. Die chemische Struktur von [[Procain]] enthält so genannte "Paragruppen" und kann über Kreuzallergien auch u. Umständen eine allergische Reaktion bei den gefürchteten Paragruppenallergien auslösen. Risikoärmer ist [[Lidocain]] in niedriger Dosierung bei gleicher Wirksamkeit. Auf Grund der höheren Lipophilie ist [[Lidocain ]] sogar noch besser gewebegängig, hat auch nicht die kreislaufdepressive Wirkung der Abbauprodukte von [[Procain]].
Bei [[Procain]] besteht das Risiko [[allergischer|Allergie]] Reaktionen. Die chemische Struktur von [[Procain]] enthält so genannte "Paragruppen" und kann über [[Kreuzallergie]]n auch u. Umständen eine allergische Reaktion bei den gefürchteten Paragruppenallergien auslösen. Risikoärmer ist [[Lidocain]] in niedriger Dosierung bei gleicher Wirksamkeit. Auf Grund der höheren Lipophilie ist [[Lidocain ]] sogar noch besser gewebegängig, hat auch nicht die kreislaufdepressive Wirkung der Abbauprodukte von [[Procain]].
Die Besonderheit der Neuraltherapie ist wohl darin zu sehen, daß es keine andere Strömung in der Medizin gibt, die sich so ausschließlich um ein einzelnes Medikament herum entwickelt hat. Huneke selber nannte es "das königliche Medikament", und im März 2005 gab es in Jena eine recht große Feier mit etwa 1000 Ärzten zum einhunderjährigen Bestehen des Procains.
Die Besonderheit der Neuraltherapie ist wohl darin zu sehen, daß es keine andere Strömung in der Medizin gibt, die sich so ausschließlich um ein einzelnes Medikament herum entwickelt hat. Huneke selber nannte es "das königliche Medikament", und im März 2005 gab es in Jena eine recht große Feier mit etwa 1000 Ärzten zum einhunderjährigen Bestehen des Procains.
Insofern werden die eingefleischten Neuraltherapeuten jeden Ersatz des [[Procain]] auch weiterhin vehement ablehnen. Auch den lokal entstehenden Abbauprodukten wird eine heilsame Wirkung zugesprochen.
Insofern werden die eingefleischten Neuraltherapeuten jeden Ersatz des [[Procain]] auch weiterhin vehement ablehnen. Auch den lokal entstehenden Abbauprodukten wird eine heilsame Wirkung zugesprochen.

Version vom 3. April 2006, 21:53 Uhr

Die Neuraltherapie ist die gezielte Anwendung eines Lokalanästhetikums zur Beeinflussung des vegetativen Nervensystems. Entwickelt wurde dieses Verfahren maßgeblich durch den Arzt Ferdinand Huneke in den 1920er Jahren.

Geschichte

Huneke entwickelte die Neuraltherapie eher durch einen Zufall. Im Jahre 1925 injizierte er seiner an chronischer Migräne leidenden Schwester ein procainhaltiges Antirheumatikum (Atofanyl) aufgrund einer falschen Applikationsform intravenös. Derartige Applikationen galten damals als Kunstfehler, da man davon ausging, dass die Injektion eines lokalen Betäubungsmittels in die Vene zu einem Koma führen würde. Die schlagartige und bleibende Heilwirkung war allerdings so verblüffend, dass er gemeinsam mit seinem Bruder die therapeutische Anwendung von Lokalanästhetika weiter erforschte.

Über mehrere Jahre entstand durch diese Forschung zunächst die sogenannte Segmenttherapie als Teil der Neuraltherapie. Dabei wird ein lokales Betäubungsmittel in einem betroffenen Segment in Form von Quaddeln oder auch an Ganglien (Nervenknoten) und im Bereich der entsprechenden "Head`schen" Zonen der inneren Organe injiziert. Es wirkt über das vegetative Nervensystem in Form einer Regulation. In der Segment- und Ganglientherapie wirkt es über vegetative Verschaltungen im betroffenen Segment.

Die Störfeldtherapie entdeckte Ferdinand Huneke im Jahre 1940. Er behandelte eine an Migräne und Gelenkbeschwerden in der Schulter leidende Frau im Bereich einer Beinwunde (Osteomyelitis), nachdem er bereits zuvor mehrfach erfolglos die Segmenttherapie durchgeführt hatte. Nach der Behandlung am Bein trat binnen Sekunden eine deutliche Besserung im Bereich der Schulter ein. Damit waren die Störfeldtherapie und das so genannte Sekundenphänomen nach Huneke entdeckt. Häufige Störfelder sind Mandeln, Schilddrüse und Narben. Das Sekundenphänomen wird definiert als sofortiges Verschwinden der Beschwerden bei Injektion in das vermutete Störfeld, sofern diese Wirkung mindestens 20 Stunden anhält (bei Zahnbehandlung: mindestens 8 Stunden) und das Phänomen wiederholbar ist.

Die Störfeldtherapie soll ebenfalls über das vegetative Nervensystem wirken. Im Gegensatz zur oben genannten Segmenttherapie sollen dabei jedoch elektomechanische Störsignale ausgeschaltet werden, welche über das vegetative Nervensystem Erkrankungen an jedem Ort des Körpers auslösen können. Die Störfelder sind quantenphysikalische Phänomene, welche mit den Störsignalen eines Handys in Flugzeugen oder Krankenhäusern zu vergleichen sind.

Grundsätze

Die Neuraltherapie umfasst die Segmenttherapie, also die lokale Behandlung des betroffenen Körpersegments und die Störfeldtherapie. Huneke ging dabei von folgenden drei Grundsätzen aus.

  1. jede chronische Erkrankung kann störfeldbedingt sein
  2. jede Stelle des Körpers kann zu einem Störfeld werden
  3. jede Störfelderkrankung ist nur durch Ausschaltung des Störfeldes heilbar


Im Rahmen der Schmerzbehandlung wird die Neuraltherapie bereits manchmal von den Krankenkassen erstattet. Alle Mitglieder der Internationalen medizinischen Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke (IGNH) sind Ärzte. Ebenso die Mitglieder der DGFAN (Deutschen Gesellschaft für Akupunktur und Neuraltherapie). Die Ausbildung dauert meistens zwei Jahre, umfasst 120 bis 150 Stunden und wird mit einer entsprechenden Prüfung abgeschlossen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang sind multinationale Organisationen, die zwar eine deutsche Sektion haben, aber ebenso eine österreichische und eine schweizerische. Hier ist die gemeinsame Sprache das Bindeglied, gemeinsame Veröffentlichungen, gemeinsame Kongresse und weitgehend identische Prüfungsrichtlinien werden dadurch möglich. Eine Ausbildung und Zertifizierung kann für den Patienten ein wichtiger Anhaltspunkt für die korrekte Behandlung durch den Arzt sein. Allerdings hat der Patient kaum eine Möglichkeit, die Ernsthaftigkeit der zertifizierenden Organisation zu hinterfragen.

Weiterentwicklungen: therapeutische Lokalanästhesie (TLA)

Es gibt auch noch einen schulmedizinischen Ableger, die therapeutische Lokalanästhesie (TLA). Gereizte Nervenwurzeln, etwa im Bereich der Lendenwirbelsäule werden mit einem Lokalanästhetikum infiltiert, es werden auch schonmal Sakralanästhesien oder Periduralanästhesien nur zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Ein übliches Verfahren ist die Reischauer- Blockade, die bei starken Ischias-Reizungen angewendet wird. Die Sympathikusblockade wird bei Algodystrophien verwendet, auch um Störungen der lokalen Durchblutung zu behandeln.

Kontraindikationen

Nebenwirkungen und Komplikationen

Bei Beachtung aller Kontraindikationen sowie guter Kenntnis der Anatomie, der Injektionstechniken und Einhaltung der Höchstdosen ist die Neuraltherapie nebenwirkungsarm. Allergien gegen das meist verwendete Procain (Lokalanästhetikum) sind selten. Vereinzelt auftretende Überempfindlichkeitsreaktionen sind oft auf Konservierungsstoffe zurückzuführen. Der Therapeut sollte aus diesem Grunde Procain ohne Konservierungsstoffe verwenden.

Bei Überdosierung wirken Lokalanästhetika kreislauf- und atemdepressiv. Durch die Injektion können bei unsachgemäßer Durchführung Gefäße, Gewebe (insbesondere Nerven mit nachfolgenden Lähmungserscheinungen) und Organe verletzt werden. Symptome wie Schwitzen, Zittern, die Empfindung eines metallischen Geschmacks sowie Herzklopfen sind unbedenklich und verschwinden ebenso wie ein allgemeines Wärmegefühl nach einigen Minuten wieder. Bei Procain besteht das Risiko Allergie Reaktionen. Die chemische Struktur von Procain enthält so genannte "Paragruppen" und kann über Kreuzallergien auch u. Umständen eine allergische Reaktion bei den gefürchteten Paragruppenallergien auslösen. Risikoärmer ist Lidocain in niedriger Dosierung bei gleicher Wirksamkeit. Auf Grund der höheren Lipophilie ist Lidocain sogar noch besser gewebegängig, hat auch nicht die kreislaufdepressive Wirkung der Abbauprodukte von Procain. Die Besonderheit der Neuraltherapie ist wohl darin zu sehen, daß es keine andere Strömung in der Medizin gibt, die sich so ausschließlich um ein einzelnes Medikament herum entwickelt hat. Huneke selber nannte es "das königliche Medikament", und im März 2005 gab es in Jena eine recht große Feier mit etwa 1000 Ärzten zum einhunderjährigen Bestehen des Procains. Insofern werden die eingefleischten Neuraltherapeuten jeden Ersatz des Procain auch weiterhin vehement ablehnen. Auch den lokal entstehenden Abbauprodukten wird eine heilsame Wirkung zugesprochen.

Das hauptsächliche Risiko der Neuraltherapie nach Huneke liegt in der Stichtechnik. Injektionen an die großen Ganglien im Oberbauch können bei unsachgemäßem Vorgehen zu Verletzungen der Nieren und der Bauchschlagader (Aorta) führen und im schlimmsten Falle tödlich enden. Eine unkorrekt durchgeführte Operation führt natürlich auch zum Tode. Die korrekt durchgeführte Injektion in die Nähe des Ganglion coeliacum ("große Ganglien im Oberbauch") kommt nicht zur Aorta. Daher ist eine entsprechende Ausbildung des anwendenden Arztes entscheidend. Zudem sind die verwendeten Nadeln deutlich dünner als Punktionsnadeln. Eine diagnostische Nierenpunktion führt auch nicht konsequenterweise zum Tode.

Wiederholte Injektionen in das Ganglion Stellatum können zur Zerstörung dieses führen. Ein geübter Neuraltherapeut erlernt, niemals "in" ein Ganglion, sondern nur an dessen nervale Ausläufer zu injizieren. Daher kommt es zu keiner Schädigung des Ganglions selbst.

Eine wesentlich unproblematischere Domäne der Neuraltherapie ist die Behandlung von Narben und den hierdurch entstehenden Störfeldern. In Narben können Neurome entstehen, die eine ganze Palette von Beschwerden verursachen können. Werden solche Narben als Ursache identifiziert, kann die Unterspritzung mit Procain oft eine deutliche Erleichterung bringen.

Die Verwendung des Procain hat unter anderem historische Gründe: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es aus dem Kokain entwickelt und war somit das erste Mittel, das für örtliche Betäubungen zur Verfügung stand. Argumente, unter denen heutzutage die Verwendung dieses eigentlich unmodernen Medikamentes gerechtfertigt wird:

  • es belastet weder Niere noch Leber, da es über die ubiquitär im Körper vorhandene Pseudocholinesterase abgebaut wird
  • es hat als einziges Lokalanaesthetikum eine lokal durchblutungssteigernde Wirkung
  • kurze Wirkdauer von 20 - 30 Minuten (besonders für den Patienten angenehm)
  • In der Geriatrie nimmt es in der Komplementärmedizin einen wichtigen Platz ein, es wird dann auch als Tablette gegeben.

Daher ist die bevorzugte Anwendung des Procain nach Ausschluss aller Gegenanzeigen, (z.B. kann eine manchmal auftretende Allergie durch eine Probequaddel erkannt oder ausgeschlossen werden) nur verständlich. Es gibt nunmal keine idealen Medikamente. Altbewährte Substanzen haben ihre schlechten Seiten, ebenso wie "moderne" Medikamente. Der Unterschied: Bei den alteingeführten Medikamenten ist jede zu erwartende Schwierigkeit bekannt, so daß böse Überraschungen nicht möglich sind. Katastrophen wie die Contergan- Embryopathie sind bei dieser Medikamentengruppe ausgeschlossen.