Die Wigner D-Matrix ist eine unitäre Matrix in einer irreduziblen Darstellung der dreidimensionalen Rotationsgruppe SO(3) bzw. der Gruppe SU(2). Sie wurde 1927 durch Eugene Wigner eingeführt.
Das D steht für Darstellung. Die Wigner D-Matrix hat Anwendung in der Quantenmechanik der Drehgruppe, so ist die komplex-konjugierte D-Matrix Eigenfunktion des Hamiltonoperators des sphärischen und symmetrischen starren Rotators. Außerdem beschreibt die D-Matrix die Transformation von Spin-Zuständen
bei Drehungen.
Wie üblich seien
die Drehimpulsoperatoren, die außerdem Erzeugende der Liealgebra von SO (3) und SU (2) sind. Sie erfüllen die Kommutationsrelationen:
![{\displaystyle [J_{x},J_{y}]=iJ_{z},\quad [J_{z},J_{x}]=iJ_{y},\quad [J_{y},J_{z}]=iJ_{x},}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/174ba69063f90a76d451af6dea3b8e8519411e7c)
wobei in der Drehimpulsalgebra der Quantenmechanik die reduzierte Planck-Konstante gleich 1 gesetzt wurde. Der Casimir-Operator

kommutiert mit den Erzeugenden und kann mit
zusammen diagonalisiert werden mit dem vollständigen Satz von Basisfunktionen in Bra-Ket-Notation:

mit
für SU (2) und
für SO (3) und
(SU (2) realisiert eine zweifache Überlagerung der Drehgruppe SO(3) und ihre Spinordarstellung beschreibt Teilchen und Zustände mit halbzahligem Spin).
In drei Dimensionen kann ein Drehoperator

geschrieben werden mit den Euler-Winkeln
. Es werden rechtshändige Koordinatensysteme verwendet und die Drehung ist positiv, falls sie in der Drehachse von oben betrachtet gegen den Uhrzeigersinn erfolgt. Bei den Euler-Winkeln wird hier die z-y-z Konvention verwendet und die aktive Interpretation, das heißt Drehung des Objekts – zum Beispiel eines Vektors – und nicht des Koordinatensystems. Die Drehung von Letzterem ist die passive Interpretation, die man in diesem Fall aus der aktiven erhält, indem beim Drehwinkel das entgegengesetzte Vorzeichen genommen wird. Das bedeutet, dass zunächst um den Winkel
um die z-Achse, eine Rotation um den Winkel
um die y-Achse und danach eine Rotation
um die z-Achse. Dabei sind die raumfesten Achsen gemeint.[1] Das Inverse des Drehoperators ist
.
Die Drehung in der
Drehimpulsbasis ist gegeben durch:

mit der Wigner-D-Matrix:
,
wobei

Wigners kleine d-Matrix ist.
Die Wigner D-Matrix ist in dieser Basis eine unitäre quadratische Matrix der Dimension
. Der gedrehte Ket-Vektor
ist Eigenvektor zu
aber nicht von
sondern zu
zur gedrehten Quantisierungsachse
.
Benutzt man statt aktiver Interpretation die passive Interpretation, hat man
durch
zu ersetzen, das heißt komplexe Konjugation
und Vertauschung der Indizes.[2]
Wigner gab folgende Formel für die kleine d-Matrix (Wigner-Formel):[3]
![{\displaystyle d_{m'm}^{j}(\beta )=[(j+m')!(j-m')!(j+m)!(j-m)!]^{1/2}\,\sum \limits _{s}\left[{\frac {(-1)^{m'-m+s}}{(j+m-s)!s!(m'-m+s)!(j-m'-s)!}}\cdot \left(\cos {\frac {\beta }{2}}\right)^{2j+m-m'-2s}\left(\sin {\frac {\beta }{2}}\right)^{m'-m+2s}\right]}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/3eca3ed155b31a5328c4bc9a39e526646f6a4dfb)
Dabei wird s nur über die Fakultäten summiert, die nicht-negativ sind.
Die Elemente der d-Matrix sind in dieser Konvention für die Euler-Winkel reell, was der Grund war warum sie verwendet wird. In der z-x-z Konvention der Eulerwinkel muss der Faktor
in obiger Formel von Wigner durch
ersetzt werden, wodurch die Hälfte der Funktionen imaginär wird.
Die Elemente der d-Matrix stehen mit Jacobi-Polynomen
mit nicht-negativen a, b in Zusammenhang.[4] Sei


Dann ist mit
(es gilt
):

Die komplex-konjugierte D-Matrix erfüllt eine Reihe von Differentialgleichungen. Dazu werden folgende Differentialoperatoren definiert mit
, die in der Quantenmechanik Drehoperatoren zum raumfesten System des starren Rotators sind:

Weiterhin hat man die Drehoperatoren des körperfesten Systems des starren Rotators in der Quantenmechanik:

Sie erfüllen die Kommutator-Relationen
![{\displaystyle \left[{\mathcal {J}}_{1},\,{\mathcal {J}}_{2}\right]=i{\mathcal {J}}_{3},\qquad {\hbox{und}}\qquad \left[{\mathcal {P}}_{1},\,{\mathcal {P}}_{2}\right]=-i{\mathcal {P}}_{3}}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/07650db447af52385c6994ce75507a5ea3ba4b29)
und entsprechend bei zyklischer Permutation der Indices.
Die
erfüllen im Gegensatz zu den
anomale Kommutator-Relationen mit Minus-Zeichen auf der rechten Seite.
Die beiden Typen von Operatoren kommutieren
![{\displaystyle \left[{\mathcal {P}}_{i},\,{\mathcal {J}}_{j}\right]=0,\quad i,\,j=1,\,2,\,3,}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/98334cb50f15cfab709970b0137ab8ac16c484b8)
und ihre Quadrate sind gleich:

Explizit hat man:

Die Operatoren
wirken auf den ersten Index der D-Matrix (den Reihenindex):

und

Die Operatoren
wirken auf den zweiten Index (Spaltenindex) der D-Matrix:

Wegen der anomalen Kommutator-Relationen werden die zugehörigen Leiteroperatoren mit anderem Vorzeichen definiert:


Die Reihen und Spalten der komplex-konjugierten D-Matrix bilden eine irreduzible Darstellung der zueinander isomorphen von
und
erzeugten Liealgebren.
Aus dem Kommutator von
mit dem Zeitumkehroperator
folgt:

oder

Dabei wurde die Anti-Unitarität von
benutzt,
und
.
Die D-Matrizen
zu den Eulerwinkeln
,
and
erfüllen die Orthogonalitätsrelationen:

Nach dem Satz von Peter-Weyl ist die von ihnen gebildete orthogonale Basis vollständig.
Die Gruppencharaktere von SU (2) hängen nur vom Winkel
ab und sind Klassenfunktionen:

Für sie gelten einfacherer Orthogonalitätsrelationen unter Benutzung des Haarmaßes der Gruppe:[5]

Die Vollständigkeitsrelation ist:

Für
gilt:

Die Kronecker-Produkte von Matrizen

liefern eine reduzible Darstellung der Gruppen SO(3) bzw. SU (2) und Reduktion in irreduzible Komponenten ergibt die Clebsch-Gordan-Reihe:[6][7]

dabei ist
ein Clebsch-Gordan-Koeffizient.
Für ganzzahlige
und zweitem Index gleich Null sind die D-Matrix-Elemente proportional zu Kugelflächenfunktionen und Zugeordneten Legendrepolynomen. Mit Normalisierung auf 1 und Phasenkonvention nach Condon und Shortley:[8]

Daraus folgt für die d-Matrix:

Setzt man beide Indizes auf Null sind die Elemente der D-Matrix durch Legendrepolynome gegeben:

Aus dem Verhalten der D-Matrix bei Zeitumkehr folgt

Für spingewichtete Kugelflächenfunktionen gilt:

Das Drehverhalten der Kugelfunktionen lässt sich mit den Wignerschen D-Matrizen ausdrücken.[9] Die Eulerwinkel parametrisieren die Drehung des Koordinatensystem (x,y,z) in (X,Y,Z). Sei
der Polarwinkel eines Einheitsvektors im System (x,y,z) und
im System (X,Y,Z). Dann kann man die Kugelfunktion
als Bra-Ket-Vektor
auffassen mit der Transformation:

Für
hat man
mit der Besselfunktion
und endlichem
.
Die d-Matrizen werden in der Vorzeichenkonvention von Wigner angegeben.
Für j = 1/2


Für j=1




Für j = 3/2






Für j=2









Elemente mit vertauschten unteren Indizes erhält man über:
.
Für
hat man (von links nach rechts und oben nach unten Indizes in Reihenfolge
):

und damit

Für
hat man (Quantenzahlen bzw. Indizes in Reihenfolge
):

- ↑ Manchmal wird bei den Eulerwinkeln um die rotierten Achsen gedreht, dann würde erst um
und zuletzt um
rotiert. Zum Beispiel M. Morrison, G. Parker, A guide to rotations in quantum mechanics, Australian J. Phys., Band 40, 1987, S. 495–497
- ↑ Morrison, Parker, Australian Journal of Physysics, Band 40, 1987, S. 478
- ↑ Messiah, Quantenmechanik, Band 2, S. 533
- ↑ Biedenharn, Louck, Angular Momentum in Quantum Physics, Addison-Wesley 1981
- ↑ Julian Schwinger, On angular momentum, DOE 1952
- ↑ M. E. Rose: Elementary Theory of Angular Momentum, Wiley 1957, S. 58
- ↑ Morrison, Parker, A guide to rotations in quantum mechanics, Australian Journal of Physics, Band 40, 1987, S. 487, Online
- ↑ Messiah, Quantenmechanik, Band 2, S. 535
- ↑ Messiah, Quantenmechanik, Band 2, S. 534