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Trigonometrische Funktion

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Sinus, Kosinus und Tangens r = 1
Sinus, Kosinus und Tangens r = 1

Mit trigonometrischen Funktionen auch Winkelfunktionen (seltener: Kreisfunktionen oder goniometrische Funktionen) bezeichnet man rechnerische Zusammenhänge zwischen Winkel und Seitenverhältnissen (ursprünglich in rechtwinkligen Dreiecken). Tabellen mit Verhältniswerten für bestimmte Winkel ermöglichen Berechnungen bei Vermessungsaufgaben, die Winkel und Seitenlängen in Dreiecken nutzen. Die trigonometrischen Funktionen sind außerdem die grundlegenden Funktionen zur Beschreibung periodischer Vorgänge in den Naturwissenschaften.

Die Animation zeigt die Beziehung zwischen dem Einheitskreis und der Sinus- sowie der Kosinusfunktion
Am Einheitskreis definierbare trigonometrische Funktionen
Die Funktionsgraphen aller trigonometrischen Funktionen

Die elementaren trigonometrischen Funktionen sind:

sowie deren Kehrwerte:

Zwischen diesen Funktionen bestehen enge Zusammenhänge. Genau genommen würde bereits eine der Funktionen ausreichen, um beliebige trigonometrische Probleme lösen zu können. Die Verwendung mehrerer verschiedener Funktionen ermöglicht jedoch eine Vereinfachung der Rechnungen und Formeln.

Die Kotangensfunktion wird in Tabellen mit Funktionswerten von trigonometrischen Funktionen gerne genutzt, da man cot(x) zusammen mit der Tangensfunktion tabellieren kann. Insofern ist die Bedeutung von cot(x) etwas größer als die von sec(x) und csc(x).

Es gibt weitere – heute eher unübliche – Funktionen, wie z. B. sinus versus (versin), cosinus versus (coversin), exsecant (exsec) und excosecant (excsc), chord.

Trigonometrisch in der Elementargeometrie

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Rechtwinkliges Dreieck mit Katheten a, b und Hypotenuse c

Ursprünglich (und im überwiegenden Schulgebrauch) sind die Winkelfunktionen in der Euklidischen Geometrie als Seitenverhältnisse in rechtwinkligen Dreiecken und daher nur für Winkel von 0 bis 90 Grad definiert:

Diese Definition ist unabhängig von der Wahl des rechtwinkligen Dreiecks, das zur Berechnung verwendet wird. In jedem rechtwinkligen Dreieck mit gleichem Winkel ergeben diese Verhältnisse den gleichen Wert. Dies lässt sich z. B. mit den Strahlensätzen beweisen.

Aus diesen Beziehungen folgt unmittelbar die Beziehung:

Die Ankathete des Winkels ist gleichzeitig die Gegenkathete des anderen spitzen Winkels des rechtwinkligen Dreiecks; da die Winkelsumme im Dreieck 180° beträgt, und der rechte Winkel 90° zu dieser Summe beiträgt, ist dieser Winkel und daher

Geometrisch am Einheitskreis

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Die trigonometrischen Funktionen am Einheitskreis:

Die Winkelfunktionen können aber als Sekanten- und Tangentenabschnitte am Einheitskreis auch auf größere Winkel erweitert werden. Vom Schnittpunkt des einen Winkelschenkels mit dem Einheitskreis werden die Lote auf die beiden Koordinatenachsen gefällt und liefern Sinus und Kosinus des Winkels. Die Tangenten in den Punkten x = 1 bzw. y = 1 schneiden den Schenkel ebenfalls und liefern dann in der Projektion auf die Achsen den Tangens und den Kotangens. Dabei muss der Schenkel gegebenenfalls rückwärts verlängert werden, um einen Schnittpunkt zu erzielen. Auf diese Weise können jedem Winkel von 0 bis 360 Grad Werte der Winkelfunktionen zugeordnet werden, die nun freilich auch negativ werden können (siehe Abbildung). Die oben angegebenen Beziehungen gelten dabei weiterhin.

In der Analysis

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In der Höheren Mathematik (zB. in der Analysis) werden Sinus und Kosinus in der Regel vollständig für beliebige reelle oder komplexe Zahlen über Potenzreihen definiert, wobei der Winkel im Bogenmaß angegeben wird. Ein Geometriebezug ist dabei nicht notwendig. In der Komplexen Analysis (Funktionentheorie) wird zum Beispiel zuerst die Exponentialfunktion als Reihe definiert und dann Sinus und Kosinus über die gliedweise Differenz und Summe der Reihen als und . Für reelle Argumente erhält man die Eulersche Formel mit Zerlegung in Real- und Imaginärteil als . Die komplexen Sinus- und Kosinusfunktionen sind in der gesamten komplexen Zahlenebene analytisch und somit ganze Funktionen. Die komplexen Tangens-, Kotangens, Sekans- und Kosekansfunktionen sind in der gesamten komplexen Zahlenebene meromorph. Alle sechs trigonometrischen Funktionen sind in der komplexen Zahlenebene einfach periodisch.

Näheres siehe in den Artikeln Sinus und Kosinus, Tangens und Kotangens, Exponentialfunktion und Eulersche Formel.

Beziehungen zwischen den Funktionen

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Die Vorzeichen der trigonometrischen Funktionen in Abhängigkeit vom Quadranten gibt die folgende Tabelle an:

Quadrant sin und csc cos und sec tan und cot
I + + +
II +
III +
IV +

Der Betrag wird wie folgt umgerechnet:

sin cos tan cot sec csc
sin(x)
cos(x)
tan(x)
cot(x)
sec(x)
csc(x)


Wenn das verwendet wird, ist zu beachten, dass


  • für oder
  • für oder


  • für oder
  • für oder


  • für oder
  • für oder


  • für oder
  • für oder


  • für oder
  • für oder


  • für oder
  • für oder

Ungleichungen zwischen den Funktionen

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Grafische Veranschaulichung der Ungleichung von Aristarchos

In den nachfolgenden Ungleichungen, die auf den griechischen Astronomen und Mathematiker Aristarchos von Samos zurückgehen, werden Verhältnisse zwischen den Argumenten und den Funktionswerten trigonometrischer Funktionen miteinander verglichen. Sie lautet:

Aus der abgebildeten Figur resultieren der Beweisansätze

und

.

Dividiert man die erste dieser beiden letzten Ungleichungen durch und die zweite durch , so erhält man durch Zusammenführung der so umgeformten Ungleichungen

,

was zu beweisen war.[1][2]

Unter anderem werden die trigonometrischen Funktionen im Vermessungswesen genutzt. Formeln zur Berechnung von Größen am Dreieck → Dreiecksgeometrie.

Weiterhin sind sie in der Analysis und bei vielen Anwendungen der Physik und der Technik wichtig. Es besteht eine enge Beziehung zur Exponentialfunktion, die besonders bei Funktionen komplexer Zahlen und in der Taylorreihe der Funktionen sichtbar wird.

In manchen Situationen werden die trigonometrischen Winkelfunktionen benötigt, um aus Seitenverhältnissen Winkel zu berechnen. Dazu werden die Arkusfunktionen oder inverse Winkelfunktionen arcsin, arccos, arctan und arccot – die Umkehrfunktionen zu den trigonometrischen Funktionen – verwendet. Auf Taschenrechnern sind sie häufig mit sin−1 usw. bezeichnet. Das stimmt mit der Schreibweise für die Umkehrfunktion von f überein (auch wenn die Arkusfunktionen das genau genommen nicht sind), kollidiert allerdings mit der ebenso üblichen Konvention, für zu schreiben.

Die Arkusfunktionen werden verwendet, um zu einem Seitenverhältnis den Winkel zu berechnen. Wegen der Symmetrie der trigonometrischen Funktionen ist von Fall zu Fall zu klären, in welchem Quadrant der gesuchte Winkel liegt.

Während die Anfänge der Trigonometrie bis in die Antike zurückverfolgt werden können, wurden die heute verwendeten trigonometrischen Funktionen im Mittelalter entwickelt. Die Sehnenfunktion wurde von Hipparchos von Nicäa (180–125 v. Chr.) und Claudius Ptolemäus (90–165 n. Chr.) definiert. Die Funktionen Sinus und Versinus (1 − Cosinus) sind durch Übersetzungen aus dem Sanskrit ins Arabische und dann vom Arabischen ins Lateinische eng mit den Funktionen jyā und koti-jyā verwandt, die in der indischen Astronomie der Gupta-Zeit (Aryabhata, Surya Siddhanta) verwendet wurden.[3]

Alle sechs heute gebräuchlichen trigonometrischen Funktionen waren in der islamischen Mathematik bereits im 9. Jahrhundert bekannt, ebenso wie der Sinussatz, der zum Lösen von Dreiecksproblemen verwendet wird. Al-Chwarizmi (ca. 780–850) erstellte Sinus- und Cosinustabellen. Um 860 definierte Habasch al-Hasib al-Marwazi den Tangens und den Kotangens und erstellte die entsprechenden Tabellen.[4][5] Mohammed ibn Dschābir al-Battānī (853–929) definierte die reziproken Funktionen von Sekans und Kosekans und erstellte die erste Kosekanstabelle für jeden Grad von 1° bis 90°. Die trigonometrischen Funktionen wurden später von Mathematikern untersucht, darunter Omar Chayyām (10. Jahrhundert), Bhaskara II. (12. Jahrhundert), Nasīr ad-Dīn at-Tūsī (13. Jahrhundert), Dschamschid Masʿud al-Kaschi (14. Jahrhundert), Ulugh Beg (14. Jahrhundert), Regiomontanus(1464) in seiner Schrift De triangulis omnimodis (1464), Georg Joachim Rheticus und dessen Schüler Valentinus Otho.

Madhava von Sangamagrāma (ca. 1400) machte erste Fortschritte bei der Analyse trigonometrischer Funktionen anhand unendlicher Reihen.

Die Tangensfunktion wurde 1467 von Giovanni Bianchini in trigonometrischen Tabellen nach Europa gebracht, die er zur Berechnung von Sternkoordinaten erstellte. Die Begriffe Tangens und Sekans wurden erstmals vom dänischen Mathematiker Thomas Fincke in seinem Buch Geometria rotundi (1583) eingeführt.[6]

Der französische Mathematiker Albert Girard verwendete im 17. Jahrhundert in seinem Buch Trigonométrie erstmals die Abkürzungen sin, cos und tan.[7]

In einer 1682 veröffentlichten Abhandlung bewies Gottfried Leibniz, dass keine algebraische Funktion von ist.[8] Obwohl sie als Verhältnisse der Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks definiert sind und somit als rationale Funktionen erscheinen, stellte Leibniz fest, dass es sich tatsächlich um transzendente Funktionen ihrer Argumente handelt. Die Aufgabe, Kreis-Funktionen in algebraische Ausdrücke zu integrieren, wurde von Leonhard Euler in seiner Einführung in die Analyse des Unendlichen (1748) gelöst. Seine Methode bestand darin, zu zeigen, dass die Sinus- und Kosinus-Funktionen alternierende Reihen sind, die sich aus den geraden bzw. ungeraden Gliedern der Exponentialfunktion bilden. Er stellte die „Euler-Formel“ sowie fast alle modernen Abkürzungen („sin.“, „cos.“, „tang.“, „cot.“, „sec.“ und „cosec.“) vor.[3]

Das Wort Sinus leitet sich vom lateinischen sinus ab, was „Krümmung, Biegung, Rundung, Bogen“ bedeutet, genauer gesagt „die hängende Falte des oberen Teils einer Toga“, also „der Busen eines Kleidungsstücks“. Dies wurde als Übersetzung der Werke von Mohammed ibn Dschābir al-Battānī und Al-Chwarizmi im 12. Jahrhundert ins mittelalterliche Latein als das arabische Wort jaib interpretiert, was „Tasche“ oder „Falte“ bedeutet.[9][10] Die Wahl basierte auf einer Fehlinterpretation der arabischen Schriftform jyb (جيب), die selbst eine Transliteration aus dem Sanskrit jīvā ist, was zusammen mit seinem Synonym jyā (dem Standard-Sanskrit-Begriff für Sinus) „Bogensehne“ bedeutet und wiederum aus dem Altgriechischen χορδή (chоrdḗ) „Sehne“ übernommen wurde.[11]

Das Wort Tangente kommt vom lateinischen tangens, was „berührend“ bedeutet, da die Linie den Kreis mit dem Einheitsradius berührt, während Sekante vom lateinischen secans – „schneidend“ – stammt, da die Linie den Kreis schneidet.

Das Präfix „co-“ (in „cosinus“, „cotangens“, „cosecans“) findet sich in Edmund Gunters Canon triangulorum (1620), der den cosinus als Abkürzung des Sinus coplementi (Sinus des Komplementärwinkels) definiert und anschließend den cotangens in ähnlicher Weise.[12]

Commons: Plots Trigonometrischer Funktionen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Roger B. Nelsen: Beweise ohne Worte, Deutschsprachige Ausgabe herausgegeben von Nicola Oswald, Springer Spektrum, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-50330-0, Seite 146
  2. Mathematics Magazine, vol. 66, no. 1 (Feb. 1993), S. 65
  3. a b Carl B. Boyer (1991). A History of Mathematics (Second ed.). John Wiley & Sons, Inc., ISBN 0-471-54397-7, S. 210 (englisch).
  4. Jacques Sesiano: Islamic mathematics. In: Helaine Selin, Ubiratan D'Ambrosio (Hrsg.): Mathematics Across Cultures: The History of Non-western Mathematics. Springer Science+Business Media, 2000, ISBN 978-1-4020-0260-1, S. 157 (englisch).
  5. trigonometry. Encyclopedia Britannica, 17. November 2023; (englisch).
  6. Fincke biography. Abgerufen am 15. März 2017 (englisch).
  7. John J. O’Connor, Edmund F. RobertsonTrigonometrische Funktion. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch).
  8. Nicolas Bourbaki: Elements of the History of Mathematics. Springer, 1994, ISBN 978-3-540-64767-6 (englisch, archive.org [abgerufen am 1. September 2025] französisch: Eléments d'histoire des mathématiques. 1991. Übersetzt von John Meldrum).
  9. Verschiedene Quellen schreiben die erste Verwendung von Sinus entweder Plato von Tivolis Übersetzung der Astronomie von Al-Battani aus dem Jahr 1116, Gerhard von Cremonas Übersetzung der Algebra von al-Khwārizmī im Jahr 1175 oder Robert von Chesters Übersetzung der Tafeln von al-Khwārizmī aus dem Jahr 1145 zu.
  10. Jean-Pierre Merlet: A Note on the History of Trigonometric Functions. In: Marco Ceccarelli (Hrsg.): International Symposium on History of Machines and Mechanisms. Springer, 2004, ISBN 978-1-4020-2203-6, doi:10.1007/1-4020-2204-2_16 (englisch).
  11. Kim Plofker: Mathematics in India. Princeton University Press, 2008, ISBN 978-0-691-12067-6 (englisch).
  12. Denis Roegel: A reconstruction of Gunter’s Canon triangulorum (1620). (PDF; 898 kB) 6. Dezember 2010, abgerufen am 1. September 2025 (englisch).