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Ungarische Sprache

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Ungarisch (Magyar)

Gesprochen in

Ungarn und Regionen von Rumänien; Slowakei, Ukraine, Serbien, Kroatien, Österreich, Slowenien
Sprecher 14,5 Millionen (10 Mio. in Ungarn)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in Ungarn, Europäische Union, Slowenien, Serbien (Region Vojvodina)
Sprachcodes
ISO 639-1

hu

ISO 639-2 (B) hun (T)

Die ungarische Sprache (Ungarisch, Magyar nyelv) ist die einzige nicht-indoeuropäische Sprache, die im mitteleuropäischen Raum gesprochen wird. Sie gehört zusammen mit Samisch, Estnisch, Finnisch und einer Reihe von im europäischen Russland und in Nordsibirien gesprochenen Sprachen zu den finno-ugrischen Sprachen.

Erste Inschriften des Ungarischen stammen aus dem 9. Jahrhundert, als sich die Magyaren noch der ungarischen Runenschrift bedienten. Die Datierung und Relevanz der ungarischen Runen ist allerdings umstritten.

Als erstes Schriftdenkmal des Ungarischen gilt die Stiftungsurkunde der Benediktinerabtei von Tihany aus dem Jahre 1055. Das Schriftstück enthält in einem überwiegend lateinischen Text mehrere ungarische Wortverbindungen.

Ungarisch wird heute von etwa 15 Millionen Menschen gesprochen und ist Amtssprache in Ungarn und seit dem 1. Mai 2004 auch eine der Amtssprachen in der EU. Der Language Code ist hu bzw. hun (nach ISO 639).

Sprachverwandtschaft

Zusammen mit den Chanten (früher auch Ostjaken, 12.000 in Russland) und Mansen (früher auch Wogulen, 4.000 in Russland), zwei östlich des Ural lebenden Völkern, bilden die Ungarn (rund 15.000.000 weltweit) die ugrische Untergruppe. Die finno-ugrischen Sprachen wiederum bilden zusammen mit der kleinen Gruppe der Nenzensprachen die uralische Sprachfamilie.

Geschichte

Auf der Suche nach den Ursprüngen des Ungarischen gab es unterschiedliche Herleitungsversuche. So wurde versucht, Ungarisch den Turksprachen zuzuordnen. Dieser Sprachgruppe gehören neben dem Türkischen auch Sprachen Zentralasiens wie Kasachisch, Turkmenisch oder Kirgisisch an.

Die Europäer hielten die Ungarn beim ersten Kontakt für einen mit den Türken verwandten Volksstamm. Der Name „Ungar“ selbst ist verwandt mit der Bezeichnung, die ihnen die Slawen zuerst gaben. „Onogur“ bedeutet „zehn Stämme“. Die Diskrepanz zur Selbstbezeichnung der Ungarn (magyar) sticht ins Auge.

Die Theorie der Verwandtschaft zu den Türken erhielt vor allem dadurch Nahrung, weil die Turksprachen ebenfalls agglutinierende Sprachen und vokalharmonisch aufgebaut sind. Von dieser Theorie hat man jedoch ebenso Abstand genommen wie von der Idee, Ungarisch könne ein entfernter Verwandter des Japanischen sein, da eine Reihe kurzer Wörter für allgemeine Landschaftsbezeichnungen auffällige Ähnlichkeiten in beiden Sprachen aufwiesen.

Unter den Ungarn selbst hielt sich etwa seit dem 12. Jahrhundert die Legende (Hunor und Magor), man stamme von den Hunnen ab, was aber nicht der Fall ist. Als wahrscheinlich wird aber eine mehr oder weniger gemeinsame Völkerwanderung mit den Hunnen und Goten angesehen – andere Völker unterschieden dieses Völkergemisch nicht und bezeichneten sie einheitlich als Hunnen. Der Name „Attila“ ist bis zum heutigen Tag ein recht beliebter männlicher Vorname in Ungarn. Attila ist in dieser Form gotisch und hunnisch und bedeutet soviel wie „Väterchen“. Das ungarische Wort für „Vater“ (im Sinne von leiblicher Vater) ist apa. Die ältere Form atya für „Vater“ wird heute vor allem dann verwendet, wenn Gott gemeint ist. Auf die Verbindung mit den Hunnen geht auch die in zahlreichen europäischen Sprachen übliche Schreibung des Landesnamens mit „H-“ zurück, vgl. deutsch (veraltet) Hungarn, französisch Hongrie, englisch Hungary.

Das Ungarische erscheint zunächst als schwer erlernbar. Das hat den Ungarn, die in ihrer Geschichte auch mehrere Fremdherrschaften erlebt haben, ein gewisses Maß an kultureller Autonomie gesichert. Es gibt nicht allzu viele Wortähnlichkeiten mit indoeuropäischen Sprachen.

Grammatik

Aussprache

Die ungarische Sprache wird mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Dabei entsprechen alle Vokal- und einige Konsonantenbuchstaben jeweils genau einem Laut (im Gegensatz zum Deutschen, wo es etwa für „e“ verschiedene Aussprachemöglichkeiten gibt). Andere Konsonanten des Ungarischen werden durch Kombinationen von zwei (Digraph) oder drei Zeichen (Trigraph) dargestellt, die jedoch ebenfalls immer für denselben Laut stehen. Somit ist die ungarische Rechtschreibung weitgehend regelmäßig. Die einzige Ausnahme bildet der j-Laut, der sowohl als „j“ als auch als „ly“ geschrieben wird. Von der vom Deutschen her gewohnten Aussprache weichen mehrere Buchstaben ab (in eckigen Klammern jeweils die Aussprache nach dem Internationalen Phonetischen Alphabet).

Betonung

Alle Wörter werden immer auf der ersten Silbe betont, so lang sie auch sein mögen, vgl. legeslegmegvesztegethetetlenebbeknek „den Allerunbestechlichsten“ (13 Silben). Diese Regel gilt auch für Lehnwörter, vgl. zsakett = „Jackett“.

Vokale

Zwischen kurzen und langen Vokalen wird genau unterschieden. Lange Vokale werden konsequent durch Akzente gekennzeichnet und nicht in der Schreibung verdoppelt. Die kurzen Vokale i, o, ö, u und ü werden stets geschlossen ausgesprochen. Phonologisch distinktiv ist also nur die Vokallänge. Sie dient dazu, Wörter verschiedener Bedeutung zu unterscheiden, vgl.:

  • bor „Wein“ vs. bórBor (chemisches Element)“
  • örül „er/sie freut sich“ vs. őrül „er/sie wird verrückt“

Abweichend vom Deutschen werden die kurzen Vokale a und e ausgesprochen:

a = hinteres und gerundetes a = [ɒ], vgl. ungar. apa „Vater“
e = sehr offenes e, fast ä = [ɛ] mit Tendenz zu [æ], vgl. ungar. egér „Maus“

Die langen Vokale á und é unterscheiden sich somit deutlich von a und e. Dabei ist á stets [aː] (nicht [ɑː]) und é stets [eː].

Die Darstellung des Doppelakuts für die Buchstaben Ő und Ű bereitete auf Internetseiten oft Probleme, so dass oft auf einen Zirkumflex (^) oder eine Tilde (~) ausgewichen wurde. Auf korrekt codierten Seiten sollte dies jedoch kein Problem mehr darstellen.

Lange Vokale können in allen Wortsilben vorkommen, also nicht nur, wie im Deutschen, in der betonten Silbe, vgl. főméltóságáról „über seine Exzellenz“.

Konsonanten

c = [ʦ], vgl. ungar. vicc „Witz“, cukor „Zucker“
dz = stimmhafter ds-Laut = [ʣ], vgl. ungar. bodza „Holunder“
cs = stimmloser tsch-Laut = [ʧ], vgl. ungar. palacsinta „Palatschinke, Eierkuchen“, kocsi „Kutsche; Wagen; Auto“
dzs = stimmhafter dsch-Laut = [ʤ], vgl. ungar. dzsungel „Dschungel“
gy = palatalisiertes „d“ = [ɟ], entspricht ungefähr einem „dj“, vgl. magyar „Magyare“, György [ɟørɟ] „Georg“
h = deutsch h = [h], aber am Wortende stumm, vgl. méh [meː] „Biene“
ly = [j], vgl. ungar. hely [hɛj] „Ort“
ny = [ɲ] (wie span. "ñ"), vgl. ungar. konyak „Cognac“
r = Zungenspitzen-[r], vgl. rózsa "Rose"
s = stimmloser sch-Laut = [ʃ], vgl. spiritusz ['ʃpiritus] „Spiritus“; sonka „Schinken“
sz = stimmloses [s] (vgl. deutsch: ß!), vgl. ungar. szexis „sexy“, szoprán „Sopran“
ty = palatalisiertes „t“, = [c], entspricht ungefähr einem „tj“ (etwa wie in dt. Metier), vgl. Mátyás [ˈmaːcaːʃ] „Matthias“, kutya „Hund“
v = dt. w = [v], vgl. ungar. vicc „Witz“
z = stimmhaftes s = [z], vgl. ungar. Zanzibár „Sansibar“, zene „Musik“
zs = stimmhafter sch-Laut = [ʒ] (wie in franz. journaliste), vgl. zselatin „Gelatine“, zsakett „Jackett“

Die Buchstaben w und x werden nur in Namen oder Wörtern ausländischer Herkunft benutzt. Das y findet – abgesehen von den erwähnten Digraphen gy, ny und ty – nur am Ende von Familiennamen Verwendung und wird als [i] ausgesprochen. Ursprünglich handelt es sich um ein Adelszeichen, das mit dem deutschen „von“ vergleichbar ist, z. B. im Familiennamen Szalay (statt Szalai).

Verdoppelte Konsonanten werden entsprechend länger ausgesprochen (nicht wie z. B. im Italienischen doppelt artikuliert), vorangehende Vokale werden niemals verkürzt.

Agglutination

Besonderes Kennzeichen der Familie der finno-ugrischen Sprachen ist die regelmäßig agglutinierende Wortbildung. In der agglutinierenden („anklebenden“) Wortbildung werden Suffixe in genau festgelegter Reihenfolge an die Wortstämme angehängt. In den indoeuropäischen Sprachen werden die einzelnen Suffixe z. B. durch einzelne Kasus, Possessivpronomina, Präpositionen oder Präpositionalphrasen ausgedrückt. Beispiel:

kocsi (Wagen), kocsiban (im Wagen), kocsiba (in den Wagen), kocsihoz (zum Wagen), kocsimhoz (zu meinem Wagen)

Dabei bleibt der Wortstamm von den Suffixen stets klar unterscheidbar, die Bildungen sind sehr regelmäßig, und es gibt nur wenige Ausnahmen. Auch für die Verben gibt es ähnliche Verfahren, z. B.:

látni (sehen):
Verbstamm (lát) + hat (können) = láthat (er/sie/es darf/kann sehen)
Verbstamm (lát) + hat (können) + t (Vergangenheit) + (a)m (Personalendung) = láthattam (ich durfte/konnte sehen)


Teilweise werden für die Verben aber auch Vorsilben verwendet, die wie in den slawischen Sprachen auch Aspektcharakter haben können oder wie im Deutschen die Richtung ausdrücken:

z. B. meglátni = ansehen, erblicken; kilátni = hinaussehen

Das Substantiv

Das ungarische Substantiv kann mit vielen Suffixen unterschiedlicher Funktion versehen werden. In vielen Lehrwerken und Grammatiken des Ungarischen wird dabei oft von „Kasus“ bzw. „Fällen“ gesprochen, deren Zahl meist knapp unter 20 liegt. Diese werden dann mit einem lateinischen Namen bezeichnet, wie z. B. Nominativ, Dativ, Akkusativ, Superessiv, Delativ, Sublativ, Inessiv, Elativ, Illativ, Adessiv, Ablativ, Allativ, Terminativ, Komitativ-Instrumental, Kausal-Final, Faktiv-Translativ, Essiv-Modal, Formal (so nach Béla Szent-Iványi: Der ungarische Sprachbau. Leipzig 1964). Jedoch lassen sich bestenfalls die ersten drei – Nominativ, Dativ und Akkusativ – von der Bedeutung her mit den entsprechenden Fällen der indogermanischen Sprachen vergleichen. Alle anderen sollten besser als Suffixe bezeichnet werden, die ganz einfach die Funktion von Präpositionen oder Präpositionalphrasen erfüllen. So werden zum Beispiel räumliche Verhältnisse durch ein System von drei mal drei Suffixen wiedergegeben:

  1. in (etwas sein) z. B. a házban – im Haus
  2. in (etwas hinein) z. B. a házba – ins Haus
  3. aus (etwas heraus) z. B. a házból – aus dem Haus
  4. auf (etwas sein) z. B. a házon – auf dem Haus
  5. auf (etwas hinauf) z. B. a házra – auf das Haus
  6. von (etwas herunter) z. B. a házról – vom Haus (herunter)
  7. bei (etwas sein) z. B. a háznál – beim Haus
  8. zu (etwas hin) z. B. a házhoz – zum Haus
  9. von (etwas weg) z. B. a háztól – vom Haus (z. B. sich entfernen)

Es zeigt sich also, dass es weitaus sinnvoller und einfacher ist, direkt das Suffix zu zitieren. Da der Wortstamm nicht flektiert wird, fehlt ein weiteres Merkmal von Sprachen mit einem Kasussystem.

Da es keinen Genitiv gibt, muss er durch das sogenannte „Besitzverhältnis“ ausgedrückt werden: Es entspricht dem in deutschen Dialekten vorhandenen „dem Lehrer sein Auto“, nur dass es im Ungarischen wörtlich „der Lehrer sein Auto“ (a tanító autója) heißt (obwohl auch die umständlichere Variante a tanítónak az autója möglich wäre, was nun wirklich ganz wörtlich „dem Lehrer sein Auto“ heißt).

An diesem Beispiel wird zugleich deutlich, dass im Ungarischen auch statt der Possessivpronomen Suffixe benutzt werden:

  • (az) autó – (das) Auto:
  • (az) autóm – mein Auto
  • (az) autód – dein Auto
  • (az) autója – sein/ihr Auto
  • (az) autónk – unser Auto
  • (az) autótok – euer Auto
  • (az) autójuk – ihr Auto

(Der bestimmte Artikel wird in diesem Fall meist mitverwendet.)

Bildung der Mehrzahl

Diese ist im Ungarischen recht einfach. An das entsprechende Substantiv wird das Suffix -k angefügt. Schwieriger ist dabei schon eher, den oftmals der Aussprache halber notwendigen richtigen Bindevokal zu finden, der sich aus der Vokalharmonie ergibt:

az asztal – asztalok (der Tisch – Tische)
a madár – madarak (der Vogel – Vögel)
a gyerek – gyerekek (das Kind – Kinder)
a könyv – könyvek (das Buch – Bücher)
a bükk – bükkök (die Buche – Buchen)

Die Mehrzahl wird im Ungarischen spärlich verwendet. Wenn der Zusammenhang die Mehrzahl verdeutlicht, wird das Wort in der Einzahl verwendet. Nur wenn die Mehrzahl aus dem Zusammenhang nicht ersichtlich ist, wird die Mehrzahl verwendet. Beispiel: öt fiú = „fünf Jungen“. Látom a fiúkat. = „Ich sehe die Jungen.“

Also: Auf den Vokal a, á, o, ó im Wortstamm (asztal, madár) folgt o oder a (asztalok, madarak).
Auf e, é, ö, ő, ü, ű im Wortstamm folgt e oder ö.
Auf i, í im Wortstamm folgt meist e, seltener o oder a. A hídon keresztül = über die Brücke (híd). Hier gibt es keine Regeln, der Bindevokal muss auswendig gelernt werden. Sprachgeschichtlich kann dieses Phänomen jedoch erklärt werden. In Wörtern mit i/í, die o oder a als Bindevokal haben, stand an der Stelle des i ein Diphthong oder ein „dunkler“ i-Laut wie das russische ы oder das türkische ı, zu dem vokalharmonisch o oder a gehören.

Steht das Wort mit Possessivsuffix (z. B. meine Häuser), wird der Plural durch ein i als Infix ausgedrückt. Also: ház = Haus, házam = mein Haus, házaim = meine Häuser.

Postpositionen

Es gibt im Ungarischen keine Präpositionen. Stattdessen verwendet man Postpositionen, also sozusagen dem Wort nachgestellte Präpositionen (wie im Deutschen "des Wetters wegen"). Diese stehen normalerweise einfach nach dem Nominativ, nur wenige fordern die Endung für "auf" (-n), z. B. a házon keresztül – „durch das Haus“ oder az autón kívül – „außerhalb des Autos“.

Grammatisches Geschlecht

Das Ungarische kennt kein grammatisches Geschlecht. Nicht einmal das natürliche Geschlecht wie mit "er" und "sie" wird unterschieden (beides = ő). Nur durch Anhängen des Wortes (= Frau) kann das natürliche Geschlecht kenntlich gemacht werden (tanító – Lehrer, tanítónő – Lehrerin).

Artikel

Der bestimmte Artikel (der/die/das) heißt a (vor Vokalen: az) und ist unveränderlich, ebenso wie der unbestimmte Artikel (ein/eine) egy (siehe "the, a/an" im Englischen).
Der Artikel wird im Gegensatz zum Deutschen wesentlich seltener verwendet, in der Regel nur, um den entsprechenden Gegenstand oder Sachverhalt hervorzuheben. Dies gilt insbesondere für den unbestimmten Artikel, der im Ungarischen einen viel größeren Zahlwortcharakter aufweist als im Deutschen.

Konjugation der Verben

Die ungarischen Verben werden auf zwei Arten konjugiert: mit oder ohne Objekt. Beispiele: „Ich sehe den Bus“ = Látom a buszt. (mit Objekt). „Ich stehe und warte“ = Állok és várok. (ohne Objekt).

Personalpronomen werden nur benutzt, um die Person besonders hervorzuheben. Ansonsten wird nur das konjugierte Verb benutzt, da aus der entsprechenden Endung die Person eindeutig hervorgeht; z. B.:

ülni = sitzen, ülök = ich sitze, ül =er/sie/es sitzt, ülünk = wir sitzen.

oder

látni (sehen): látok = ich sehe (etwas), látsz = du siehst (etwas), látunk = wir sehen (etwas)

Man bezeichnet diese als unbestimmte Konjugation. Daneben gibt es noch die bestimmte. Diese wird benutzt, wenn das Objekt im Satz (eindeutig) bestimmten Charakter hat, kann aber nur bei zielenden (transitiven) Verben gebildet werden. „ülni“ ist intransitiv; z. B.:

látni (sehen): látom = ich sehe es, látod = du siehst es, látjuk = wir sehen es

Anhäufung von Suffixen

Die Wortbildung durch Agglutination ist für das Ungarische charakteristisch. Die Suffigierung bewirkt jedoch nicht automatisch die Bildung eines neuen Lemmas. Im Ungarischen ist eine maximale Suffixtiefe von sechs zu beobachten. Unter anderem sind es diese Strukturen, die bewirken, dass ungarische Sätze kürzer ausfallen als Texte in anderen Sprachen und trotzdem genau die gleichen Informationen vermitteln. Anstatt vor dieser Flut von Milliarden vermeintlicher Wörter zu kapitulieren, muss das Wort auf seine Endungen und seinen Stamm hin analysiert werden; z. B.:

tehetetlenségével = mit seiner Unfähigkeit
von:

tehetetlen = unfähig (< tehet (er kann tun) + (e)tlen (Negativpartikel), < ten(ni) (tun) + het (dürfen, können))
tehetetlenség = die Unfähigkeit
tehetetlensége = seine Unfähigkeit

igazságtalanságunkkal = mit unserer Ungerechtigkeit
von:

igaz = wahr
igazság = Wahrheit
igazságtalan = wahrheitslos = ungerecht
igazságtalanság = Ungerechtigkeit
igazságtalanságunk = unsere Ungerechtigkeit

Aus diesen beiden Beispielen geht noch eine andere Eigenschaft des Ungarischen hervor: die Vokalharmonie. Die Suffixe und sonstige Endungen, die dem Stammwort angefügt werden, passen sich also dem hohen (palatalen) oder tiefen (velaren) Klang des Stammwortes an.

Palatale Vokale im Ungarischen sind: e, é, i, í, ö, ő, ü, ű (bei i gibt es allerdings die im Absatz Bildung der Mehrzahl erwähnten zwei Möglickeiten) Velare Vokale sind: a, á, o, ó, u, ú

Schon längere Zeit in der Sprache vorhandene Wörter sind in den meisten Fällen entweder rein palatal oder rein velar. Neuere, gemischtvokalische Lehnwörter (z. B. telefon) haben meist velare Endungen, es gibt aber in manchen Fällen Schwankungen.

Meinungen zur ungarischen Sprache

Der große Sprachwissenschaftler Jacob Grimm hat das Studium des Ungarischen allen empfohlen, die neue einfach zu erlernende Plansprachen schaffen wollen. Tatsächlich wäre es möglich, Ungarisch wie eine Programmiersprache darzustellen, in der der Stamm den Befehl und die agglutinierten Endungen die Optionen darstellen würden. Möglicherweise liegt in dieser fast mathematischen Sprachmethodik auch einer der Gründe, warum Ungarn so viele hervorragende Mathematiker, Logiker und Computerwissenschaftler hervorgebracht hat, z. B. John von Neumann, Paul Erdős uvm.


Literatur

Grammatiken und andere sprachwissenschaftliche Veröffentlichungen

  • Szent-Iványi, Béla: Der ungarische Sprachbau. Hamburg: Buske, ³1995; ISBN 3-87548-101-1
  • Keresztes, László: Praktische ungarische Grammatik; Debrecen: Debreceni Nyári Egyetem, 1992; ISBN 9-634-72038-2
  • Mátai, Mária D.: Kleine ungarische Sprachgeschichte; Hamburg: Buske, 2002; ISBN 3-87548-323-5
  • Forgács, Tamás: Ungarische Grammatik; Wien: Edition Praesens, 2002 (²2004); ISBN 3706901072
  • Décsy, Gyula: Einführung in die finnisch-ugrische Sprachwissenschaft; Wiesbaden: Harrassowitz, 1965; ISBN 3-447-00248-4
  • Haarmann, Harald: Die finnisch-ugrischen Sprachen. Soziologische und politische Aspekte ihrer Entwicklung; Hamburg: Buske, 1973; ISBN 3-87118-155-2
  • Ural-altaische Jahrbücher; hg. von der Societas Uralo-Altaica (SUA), e.V.; Wiesbaden: Harrassowitz
  • Finnisch-Ugrische Forschungen: Zeitschrift für finnisch-ugrische Sprach- und Volkskunde; hg. von der Suomalais-Ugrilainen Seura (Finnisch-Ugrische Gesellschaft); Helsinki
  • Philologia Fenno-Ugrica. Zeitschrift für finnisch-ugrische Philologie und diachrone Linguistik; hg. von Brogyanyi, Bela; Freiburg: Verlag Wissenschaft & Öffentlichkeit, Dr. Sabine Schuster, 2004; ISBN 3-930369-19-2

Lehrbücher

  • Silló, Ágnes: Szituációk. Ein Ungarischwerk für Anfänger; Ismaning: Hueber, ²2002; Lehrbuch: ISBN 3-19-005161-5, Arbeitsbuch: ISBN 3-19-015161-X
  • Graetz, Julianna: Lehrbuch der ungarischen Sprache. Ein Grundkurs mit Übungen und Lösungen. Unter Mitarbeit von Klaus Rackebrandt; Hamburg: Buske, 1996; ISBN 3-87548-078-3
  • Wenzel, Haik: Langenscheidts Praktisches Lehrbuch, Ungarisch; München: Langenscheidt, 1998; ISBN 3-468-26381-3
  • Kassai, Georges und Szende, Tamas: Ungarisch ohne Mühe. Lehrbuch. Selbstlernkurs für Anfänger und Wiedereinsteiger; Nörvenich: Assimil-Verlag, 1994; ISBN 2-7005-0180-2
  • Ginter, Károly und Tarnói, László: Ungarisch für Ausländer; Budapest: Nemzeti Tankönyvkiadó, 1991; ISBN 963-18-3520-0