Mer hahn en neue Oberkeet
Mer hahn en neue Oberkeet (BWV 212 bzw. BC G 32), auch Bauern-Kantate genannt, ist eine Cantate en burlesque im sog. polnischen Stil und wohl eine der bekanntesten weltlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs.
Entstehung
Es handelt sich um die Bach-Kantate mit dem spätesten feststellbaren Entstehungsdatum. Der Text stammt von Picander und entstand anlässlich des 30. August 1742 für den kurfürstlich-sächsischem Kammerherrn Carl Heinrich von Dieskau,welcher an diesem Tag auf dem Rittergut Klein-Zschocher bei Leipzig mit einem großen Feuerwerk seinen 36. Geburtstag feierte und gleichzeitig, wie damals üblich, die Huldigung der untergebenen Bauern entgegennahm, nachdem er kurz zuvor von seiner Mutter das Gut geerbt hatte.
Thematik
Der Text trägt volkstümlich-derbe und manchmal ironische Züge, bei denen Picander, der in seiner Eigenschaft als Vorsteher der Stadt-Trank-Steuereinnahme, Weininspektor und Visir im Kreis Leipzig den Kreissteuerinspektor Dieskau zum Vorgesetzten hatte, wohl auf eine Reihe lokaler Personen und Ereignisse der damaligen Zeit (z.B. Verletzung von Fischerei-Recht) anspielt. Bei dem teilweise in obersächsischer Mundart geschrieben Text spotten ein Bauer (Bass) und Mieke (Sopran), über die Machenschaften der Steuereinnehmer, bevor sie am Ende Dieskau namentlich hochleben lassen.
Es gilt als wahrscheinlich, dass Picander Bach bat, seine Dichtung in Musik umzusetzen. Entsprechend des Charakters des Textes schuf Bach eine relativ schlicht gehaltene Komposition mit kurzen Sätzen und meist einfacher Begleitung, wobei er mehrfach auf populäre Tanzformen und volkstümliche Melodien (z.B. des Volksliedes "Mit dir und mir ins Federbett") sowie eigene Werke (BWV 201 7. Satz) im Parodieverfahren zurückgriff
Besetzung
- ein Bauer (Bass)
- Mieke, eine Bäuerin (Sopran)
- Instrumentalensemble mit Traversflöte, Horn, 1. und 2. Violine, Bratsche, Basso continuo/Cembalo
Aufbau
1. Ouverture mit Violino, Viola, Continuo
2. Aria (Duetto) mit Violino, Viola, Continuo: Sopran und Bass Mer hahn en neue Oberkeet´an unsern Kammerherrn. Ha gibt uns Bier, das steigt ins Heet, das ist der klare Kern. Der Pfarr' mag immer büse tun; ihr Speelleut, halt euch flink! Der Kittel wackelt Mieken schun, das klene luse Ding.
3. Recitativo mit Violino, Viola, Continuo: Bass Nu, Mieke, gib dein Guschel immer her; Sopran Wenn's das alleine wär. Ich kenn dich schon, du Bärenhäuter, du willst hernach nur immer weiter. Der neue Herr hat ein sehr scharf Gesicht. Bass Ach! unser Herr schilt nicht; er weiß so gut als wir, und auch wohl besser, wie schön ein bisschen Dahlen schmeckt.
4. Aria mit Violino, Viola, Continuo: Sopran Ach, es schmeckt doch gar zu gut, wenn ein Paar recht freundlich tut; ei, da braust es in dem Ranzen, als wenn eitel Flöh und Wanzen und ein tolles Wespenheer miteinander zänkisch wär.
5. Recitativo mit Continuo: Bass Der Herr ist gut: Allein der Schösser, das ist ein Schwefelsmann, der wie ein Blitz ein neu Schock strafen kann, wenn man den Finger kaum ins kalte Wasser steckt.
6. Aria mit Violino, Viola, Continuo: Bass Ach, Herr Schösser, geht nicht gar zu schlimm mit uns armen Bauersleuten üm! Schont nur unsrer Haut; fresst ihr gleich das Kraut wie die Raupen bis zum kahlen Strunk, habt nur genung!
7. Recitativo mit Continuo: Sopran Es bleibt dabei, dass unser Herr der beste sei. Er ist nicht besser abzumalen und auch mit keinem Hopfensack voll Batzen zu bezahlen.
8. Aria mit Violino, Viola, Continuo: Sopran Unser trefflicher, lieber Kammerherr ist ein kumpabler Mann, den niemand tadeln kann.
9. Recitativo mit Continuo: Bass Er hilft uns allen, alt und jung. Und dir ins Ohr gesprochen: Ist unser Dorf nicht gut genung letzt bei der Werbung durchgekrochen? Sopran Ich weiß wohl noch ein besser Spiel, der Herr gilt bei der Steuer viel.
10. Aria mit Violino, Viola, Continuo: Sopran Das ist galant, es spricht niemand von den caducken Schocken. Niemand redt ein stummes Wort, Knauthain und Cospuden dort hat selber Werg am Rocken.
11. Recitativo mit Continuo: Bass Und unsre gnädge Frau ist nicht ein prinkel stolz. Und ist gleich unsereins ein arm und grobes Holz, so redt sie doch mit uns daher, als wenn sie unsersgleichen wär. Sie ist recht fromm, recht wirtlich und genau und machte unserm gnädgen Herrn aus einer Fledermaus viel Taler gern.
12. Aria mit Violino, Viola, Continuo: Bass Fünfzig Taler bares Geld trockner Weise zu verschmausen, ist ein Ding, das harte fällt, wenn sie uns die Haare zausen, doch was fort ist, bleibt wohl fort, kann man doch am andern Ort alles doppelt wieder sparen; lasst die fünfzig Taler fahren!
13. Recitativo mit Continuo: Sopran Im Ernst ein Wort! Noch eh ich dort an unsre Schenke und an den Tanz gedenke, so sollst du erst der Obrigkeit zu Ehren ein neues Liedchen von mir hören.
14. Aria mit Flauto traverso, Violino I/II, Viola, Continuo: Sopran Klein-Zschocher müsse so zart und süße wie lauter Mandelkerne sein. In unsere Gemeine zieh heute ganz alleine der Überfluss des Segens ein.
15. Recitativo mit Continuo: Bass Das ist zu klug vor dich und nach der Städter Weise; wir Bauern singen nicht so leise. Das Stückchen, höre nur, das schicket sich vor mich!
16. Aria mit Corno, Violino, Viola, Continuo: Bass Es nehme zehntausend Dukaten der Kammerherr alle Tag ein! Er trink ein gutes Gläschen Wein, und lass es ihm bekommen sein!
17. Recitativo mit Continuo: Sopran Das klingt zu liederlich. Es sind so hübsche Leute da, die würden ja von Herzen drüber lachen; nicht anders, als wenn ich´die alte Weise wollte machen:
18. Aria mit Corno, Violino, Viola, Continuo: Sopran Gib, Schöne, viel Söhne von artger Gestalt, und zieh sie fein alt; das wünschet sich Zschocher und Knauthain fein bald!
19. Recitativo mit Continuo: Bass Du hast wohl recht. Das Stückchen klingt zu schlecht; ich muss mich also zwingen, was Städtisches zu singen.
20. Aria mit Violino, Continuo: Bass Dein Wachstum sei feste und lache vor Lust! Deines Herzens Trefflichkeit hat dir selbst das Feld bereit', auf dem du blühen musst.
21. Recitativo mit Continuo: Sopran Und damit sei es auch genung. Bass Nun müssen wir wohl einen Sprung in unsrer Schenke wagen. Sopran Das heißt, du willst nur das noch sagen:
22. Aria mit Violino, Viola, Continuo: Sopran Und dass ihr's alle wisst, es ist nunmehr die Frist zu trinken. Wer durstig ist, mag winken. Versagt's die rechte Hand, so dreht euch unverwandt zur linken!
23. Recitativo mit Continuo: Bass Mein Schatz, erraten! Sopran Und weil wir nun dahier nichts mehr zu tun,´so wollen wir auch Schritt vor Schritt in unsre alte Schenke waten. Bass Ei! hol mich der und dieser, Herr Ludwig und der Steur-Reviser muß heute mit.
24. Coro mit Violino, Viola, Continuo: Sopran & Bass Wir gehn nun, wo der Dudelsack in unsrer Schenke brummt; und rufen dabei fröhlich aus: Es lebe Dieskau und sein Haus, ihm sei beschert, was er begehrt, und was er sich selbst wünschen mag!