Erasmus+

Erasmus+ (gesprochen Erasmus Plus) ist einer der Namen eines innerhalb des Konsultations- und Abstimmungsverfahrens der Europäischen Union beschlossenen Programms der Europäischen Kommission für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport.[1] Das Programm dauert von 2014 bis 2020 und vereinigt alle derzeitigen EU-Programme für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport auf europäischer und internationaler Ebene. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 hat das Europäische Parlament Anpassungen im Detail sowie eine Verdreifachung des Budgets gefordert[2]. Auch Ursula von der Leyen hatte sich in ihrer Bewerbungsrede als Kommissionspräsidentin der Forderung des Parlaments nach einer annähernden Verdreifachung des aktuellen Budgets von 14,7 auf 41,2 Milliarden Euro angeschlossen. Der Haushaltskompromiss der europäischen Staats- und Regierungschefs vom Juli 2020 beläuft sich jedoch nur 21,2 Milliarden für die nächste Programmgeneration. Bildungspolitikerinnen und -politiker aller Bundestagsfraktionen (außer AfD) haben deshalb in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr Geld für Erasmus+ gefordert.[3] Die Europäische Union wird das Studentenaustauschprogramm Erasmus, das Master- und Doktorandenprogramm Erasmus Mundus, Erasmus für Jungunternehmer, Comenius für Schulbildung, Leonardo da Vinci für Berufsbildung und Grundtvig für Erwachsenenbildung unter dem Namen Erasmus+ weiterführen, die finanzielle Ausstattung muss jedoch noch abschließend geklärt werden. Die Europäische Kommission verspricht sich eine größere Effizienz, einfachere Antragsverfahren für Finanzhilfen und weniger Doppelarbeit und Zersplitterung.
Geschichte
Vorläuferprogramme waren das Sokrates-Programm I (1994–1999) und II (2000–2006) und das Programm Lebenslanges Lernen (2007–2013).
Nach Vorlage des Vorschlags am 23. November 2011 hat im Laufe des Jahres 2013 der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament das Programm beschlossen.[4]
Programmbereiche
Schulbildung
Ziel ist es, die Zusammenarbeit von Schulen aller Schulstufen und Schulformen innerhalb der Europäischen Union sowie die Mobilität von Schülern und Lehrern zu fördern. Teilnehmen können alle, die am Bildungsprozess von der Vorschule bis zum Ende des Sekundarbereichs II mitwirken.
Hochschulbildung
Ziel ist es, die Zusammenarbeit von Hochschulen in Europa und weltweit sowie die Mobilität von Studierenden, Graduierten, Lehrenden (Dozenten) und allgemeinem Hochschulpersonal zu fördern. Zentrale Bestandteile sind die Anerkennung von Studienleistungen im Ausland anhand des European Credit Transfer Systems (ECTS) und die finanzielle Unterstützung von Austauschstudierenden. Es können Studienaufenthalte, Auslandspraktika im Rahmen bzw. nach Abschluss des Studiums, Lehraufenthalte sowie Fortbildung von allgemeinem Hochschulpersonal gefördert werden. Das Programm wird in Deutschland vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und in Österreich von der Nationalagentur Erasmus+ Bildung in der OeAD-GmbH betreut.
Hochschulaktivitäten zwischen den Programmländern und Partnerländern
Aktivitäten in diesem Bereich werden seit 2015 als International Credit Mobility (Internationale Hochschulmobilität) sowie im Rahmen von „Erasmus Mundus Joint Master Degrees“ gefördert. Das Programm wird hier immer wieder erweitert, neben der Förderung von Hochschulkooperationen in der Erwachsenenbildung wurde 2018 aus die erste Ausschreibung für European Universities gestartet, in welchem langfristige Zusammenarbeit zwischen Hochschulen im Programmraum mit bis zu 5 Mio. Euro gefördert werden soll[5]. In der ersten Ausschreibung im Jahr 2019 waren insgesamt 17 Konsortien erfolgreich, wobei aus dem deutschsprachigen Raum je eines unter der Leitung der Universität Potsdam, der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz erfolgreich war[6].
Berufliche Aus- und Weiterbildung
Förderung der Aus- und Weiterbildung, insbesondere der grenzüberschreitenden beruflichen Bildung. Dabei werden die Projekte nicht von der EU selbst organisiert, sondern von Institutionen oder Organisationen in den einzelnen Ländern. In Deutschland ist der dafür zuständige Träger die Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB), in Österreich die Nationalagentur Erasmus+ Bildung in der OeAD-GmbH.
Erwachsenenbildung
Grundtvig ist ein 2000 eingerichtetes Förderprogramm der Europäischen Union, heute im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen für den Bereich der Erwachsenenbildung. Das Förderprogramm Grundtvig wird in Deutschland von der Nationalen Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA beim BIBB) umgesetzt. Seit 2014 wird es zusammen mit anderen EU-Austauschprogrammen unter dem Namen Erasmus+ fortgeführt.
Jugend in Aktion
Dieser Bereich befasst sich mit nicht-formalem und informellem Lernen im Bereich Jugend.
Sport
Aktivitäten im Bereich Sport.
Kritik
Im Gegensatz zum Vorschlag der Kommission sprach sich das Europäische Parlament mit viel Rückenwind insbesondere der Bereiche Jugend & Sport für den Programmnamen YES – Youth-Education-Sport aus. Deutsche Interessenvertreter zeigten sich vor allem beim Thema Jugend besorgt. Diesem Bereich werde im Entwurf der Kommissarin zu „Erasmus für alle“ kein eigenes Kapitel mehr eingeräumt. Viele befürchten daher eine Benachteiligung für Projekte aus der Jugendarbeit im Vergleich zu Programmen aus dem Bereich der formellen Bildung.[7] Der Deutsche Bundesjugendring schloss sich mit seiner Kritik den deutschen Bundesländern an. Aus Sicht der Jugendverbände und Jugendringe sei das Kernproblem, dass im Entwurf des geplanten Programms die Jugendarbeit vollständig im Bildungsbereich verschwände. „Es ist grundlegend falsch, dass junge Menschen in Europa künftig ihre Persönlichkeit hauptsächlich in Schule, Ausbildung und Studium entwickeln können“, sagt Gunnar Czimczik, stellvertretender DBJR-Vorsitzender, „sie brauchen Freiräume, in denen sie sich selbstbestimmt engagieren und Erfahrungen sammeln können“. Diese notwendigen Räume würden im Vorschlag der EU-Kommission drastisch eingeschränkt. Das Programm „Erasmus für alle“ fokussiere stattdessen allein auf den Nutzen für Arbeit und Beschäftigung.[8]
Rolle des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit
Austauschprogramme wie Erasmus+ sind nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Brexit) neu zu verhandeln. Anfang 2020 lehnte das britische Unterhaus einen Antrag der liberalen Abgeordneten Layla Moran ab, der die Regierung verpflichtet hätte, sich auch nach dem Austritt aus der EU an Erasmus+ zu beteiligen. Die britische Regierung betonte jedoch ihr Interesse an der Durchführung von Austauschprogrammen mit der EU.[9][10][11]
Weblinks
- Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 (PDF) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung von „Erasmus+“
- Erasmus+ Programme website
- What is in it for me brochure
- Bildung, Ausbildung, Jugend, Sport Website des EUR-Lex
- Projektergebnisse (en)
Einzelnachweise
- ↑ Europäische Kommission: Erasmus für alle – In Europas Bildung, Ausbildung und Jugend investieren
- ↑ Erasmus+ 2021-2027: Erweiterung des EU-Austauschprogramms. Europäisches Parlament, abgerufen am 22. Oktober 2019.
- ↑ Joybrato Mukherjee: Europa braucht junge Europäer. Süddeutsche Zeitung, 13. September 2020, abgerufen am 15. September 2020.
- ↑ Grünes Licht für Erasmus+: EU-Mittel für Qualifikationen und Beschäftigungsfähigkeit für mehr als 4 Millionen Personen, Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 19. November 2013, abgerufen am 27. Februar 2014.
- ↑ European Universities. Abgerufen am 30. Juli 2019.
- ↑ EACEA: ERASMUS+ European Universities Selection 2019. (PDF) Abgerufen am 30. Juli 2019.
- ↑ Netzwerk Europäische Bewegung: Einfacher, einheitlicher und flexibler – EU-Kommissarin Vassiliou stellt EU-Programme für Kultur, Bildung, Jugend und Sport vor
- ↑ Netzwerk Europäische Bewegung: DBJR:Jugendarbeit muss im EU-Programm „Erasmus für alle“ erkennbar bleiben
- ↑ Layla Moran: Boris Johnson says the Erasmus scheme isn't under threat. Do you trust him? In: The Guardian. 16. Januar 2020, abgerufen am 1. Februar 2020 (englisch).
- ↑ Anna Fazackerley: ‘Too much risk’: why Erasmus students are shunning Brexit Britain. In: The Guardian. 28. Januar 2020, abgerufen am 1. Februar 2020 (englisch).
- ↑ Richard Adams: UK 'committed' to maintaining Erasmus+ exchange scheme. In: The Guardian. 9. Januar 2020, abgerufen am 1. Februar 2020 (englisch).