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Bildung von unten

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Unter Bildung von unten wird pädagogisch die Aufhebung des Unterschieds zwischen Lehrenden und Lernendem (wie er für den Frontalunterricht konstitutiv ist), die Aufhebung des Unterschieds zwischen Theorie und Praxis sowie inhaltlich die selbstbestimmte Erarbeitung nicht-hegemonialen Wissens von zumeist emanzipatorischer Prägung verstanden. Nutznießer dieser Bildung sind häufig Menschen mit unterdurchschnittlichen kulturellen und finanziellen Möglichkeiten. Die Bildung von unten versteht sich als Politische Bildung.

Die Popular Education (portugiesisch für Volksbildung) wurde von Paolo Freire als eine Bildung von unten für analaphabetische Bauern in Lateinamerika entwickelt. Seit einigen Jahren gewinnen diese Ansätze weltweit an Bedeutung:

  • so gibt es die Workshops der Erwerbslosen in Argentinien
  • die Seminare der kanadischen Postgewerkschaft
  • oder die fünfwöchige Roadshow Trapese durch Großbritannien im Vorfeld des G8 in Edinburgh.

Das Ziel von Popular Education ist nicht Wissensvermittlung, sondern gesellschaftlicher Wandel. Aber wirklicher gesellschaftlichen Wandel könne nur erreicht werden, wenn auch die Menschen sich verändern. Hier gelten die Ansätze: positiv, produktiv und partizipativ.

Man könne nur miteinander lernen, wenn alle aus unterschiedlichen Lebenserfahrungen kommen. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Zukunft aktiv und selbstbestimmt - von unten - gestaltet wird.

Arbeiterbildung/Gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Die Proletkult-Bewegung zu Anfang des 20. jahrhunderts ging davon aus, dass die Arbeiterbildung eine ganz andere sei als die bürgerliche Bildung. Mit der Sommerschule in Capri und später mit dem Aufbau von Arbeiteruniversitäten sollte eine Bildung von unten realisiert werden. In der DDR wurden in den 50er Jahren spezielle Arbeiter- und Bauern-Fakultäten gegründet.

Innerhalb der Arbeiterbildung wurde des öfteren darauf aufmerksam gemacht, dass die Bildung, wie sie in den herrschenden Bildungsinstitutionen vorkomme, weder Arbeitern und Arbeiterkindern gerecht werde, noch sie gleichmäßig partizipieren lasse. Für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit entwickelte insbesondere Oskar Negt einen Ansatz, der von der Lebensrealität der Arbeiter ausgeht und sie sich in erster Linie gegenseitig bilden lasse.

Volks-Unis

Mit den Kritischen Unis der 68er und den Volks-Unis der 80er Jahre wurde versucht, eine Bildung zu organiseren, die ohne hierarisches Verhältnis auskommt. Zu dem sollte Theorie praktisch werden und die Bildungsinstitutionen sollten sich Menschen öffnen, die sonst keinen Zugang zu Hochschulen haben. Frigga Haug als Mitbegründerin der VolksUni Berlin sprach hier explizit vom Ansatz einer Bildung von unten.

Archive von unten

Bereits in der Arbeiterbewegung aber auch in den Neuen Sozialen Bewegungen gründeten sich Archive von unten, mit deren Hilfe ein Wissen über die eigene politische, soziale und kulturelle Geschichte etabliert werden sollte. Archive von unten fühlen sich somit einer Geschichtsschreibung verpflichtet, die als Geschichte von unten bezeichnet wird. Es handelt sich hierbei um politische Alltagsgeschichte die in Vergessenheit geraten ist. Einer Geschichte von unten fühlen sich auch die Geschichtswerkstätten verbunden.

Literatur

  • Paolo Freire: Pädagogik der Unterdrückten. Bildung als Praxis der Freiheit. Reinbek Hamburg 1973
  • Wolfgang Mack, Werner Baur, Joachim Schroeder: Bildung von unten denken. Aufwachsen in erschwerten Lebenssituationen - Provokation für die Pädagogik Oktober 2004 ISBN 3781513726
  • Harth, Thilo: Politische Bildung von unten - Stimmungsbilder aus der Praxis politischer Bildung, in: Kursiv - Journal für politische Bildung, H. 4 (2000), S. 12-17