Geschichte der Bibelübersetzung
Die Bibel ist das meistübersetzte Buch der Geschichte. Sie hat großen Einfluss auf die Moralvorstellungen der Kulturen des Abendlandes genommen, und über diese auf die Moralvorstellungen der ganzen Welt. Als Heilige Schrift der Juden und Christen genießt sie auch heute noch eine weltweite Wertschätzung, wodurch immer neue Übersetzungen notwendig werden. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der mehr als zweitausendjährigen Geschichte der Bibelübersetzung.
Übersetzungen in vorchristlicher Zeit
Seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. entstanden die Targumim (hebräisch: Übersetzungen), die ersten Übersetzungen ins Aramäische, das nach dem babylonischen Exil zur Alltagssprache der Juden geworden war. Die Targumim waren nur Teilübersetzungen, die nicht als vollwertiger Ersatz des hebräischen Textes galten, sondern nur bei dessen Studium helfen sollten.
Die Übersetzung der hebräischen Schriften ins altgriechische fand im 4. Jahrhundert v.Chr. durch jüdische Gelehrte statt. Diese Übersetzung wurde im Westen später unter dem lateinischen Namen Septuaginta bekannt und war für griechisch sprechende Juden des hellenistischen Ägyptens bestimmt. Die christlichen Apostel bedienten sich später dieser Bibelübersetzung bei ihrer Missionsarbeit in den griechisch Sprechenden Gebieten. Im Neuen Testament finden sich einige Zitate daraus. Die Griechisch-Orthodoxe und die Zyprisch-Orthodoxe Kirche verwenden diese Bibelübersetzung bis heute, ergänzt um das griechische Neue Testament.
Übersetzungen bis zum Ende der Antike
Verschiedene altlateinischen Übersetzungen, die unter den Sammelbezeichnungen Vetus Latina oder Itala zusammengefasst werden, entstanden bis 200. Von 240 bis 245 stellte Origenes die Hexapla (griech. die Sechsfache) zusammen. Sie beinhaltete neben dem hebräischen Urtext und dessen Transskription in griechischen Buchstaben die griechischen Übersetzungen von Aquila, Symmachus dem Ebioniten, Theodotion und eine von Origenes rezensierte Septuaginta.
Die Ostkirchen verwendeten außerhalb des griechischen Sprachraums schon früh Übersetzungen in der jeweiligen Landessprache (vergleiche Altkirchenslawisch). Im 4. Jahrhundert entstand die gotische Wulfila-Bibel und mehrere Übersetzung des Neuen Testamentes in die verschiedene Dialekte des Koptischen sowie auch eine syrisch-aramäische und eine armenische Übersetzung. Eine äthiopische Fassung folgte bald danach.
Von 382 bis 420 entstand die Vulgata des Hieronymus. Er übersetzte das Alte Testament neu aus dem Hebräischen in Lateinische und revidierte den altlateinischen Text des Neuen Testamentes. In der römischen Kirche wurde lange Zeit die (Vulgata) bevorzugt. Ab dem 7. bis 9. Jahrhundert setzte sich diese im westlich-katholischen Bereich allgemein durch, danach gab es lange Zeit keine weiteren Bibelübersetzungen in der römischen Kirche.
Bis zum 5. Jahrhundert entstanden mehrere Übersetzungen in verschiedene aramäische Dialekte, unter anderem das Pentateuch-Targum von Onkelos und das Propheten-Targum von Jonathan.
Übersetzungen bis zur Reformation
Aus dem Jahr 748 stammte die Mondseer Matthäus-Übersetzung in althochdeutscher Sprache. Um 800 gab Karl der Große die Revision der lateinischen Bibel durch Alkuin in Auftrag.
Die bibelzentrierten Massenbewegungen der Katharer und der Waldenser, die eigene Übersetzungen auf Grundlage der Vulgata angefertigt hatten, veranlassten die Kirche zu einer verstärkten Kontrolle der Bibelrezeption. 1199 verbot Innozenz III. die Lektüre der Bibel in privaten Zusammenkünften. Auf den Synoden von Toulouse und Tarragona wurde Laien der Besitz von Bibelübersetzungen untersagt.
Auf der Synode von Tarragona im Jahre 1234 bestimmten die spanischen Bischöfe nach einem Dekret von König Jakob I., dass es jedem verboten sei, eine romanische Übersetzung der Bibel zu besitzen. Die Kirche erlaubte keine Übersetzung der Bibel in die Umgangssprachen. Erst 1478 wurde eine im Dialekt von Valencia verfasste Bibelübersetzung in Spanien gedruckt. Ihre Nachfolgerin ließ bis zum Jahr 1790 auf sich warten.
1383 vollendete John Wyclif, der postum als Ketzer verurteilt wurde, seine früher begonnene Bibelübersetzung aus der Vulgata ins Englische. Sie wurde die erste maßgebliche Übersetzung in England. Es sind etwa 200 Handschriften überliefert. Auf der IV. Synode von Oxford 1408 wurde das Lesen von Wyclifs Bibelübersetzung verboten, bevor diese nicht von "häretischen Stellen gereinigt" und durch den Erzbischof zugelassen würde.
Mitte des 15. Jahrhunderts entstand die sogenannte Hussitenbibel, eine ungarische Übersetzung, die wahrscheinlich auf Anhänger von Jan Hus zurückgeht. Sie war im Fürstentum Moldau weitverbreitet.
Bis zur Reformation entstanden etwa 70 deutsche Übersetzungen, darunter verschiedene Evangelienharmonien. 1466 druckte Johannes Mentelin in Straßburg die Übersetzung der lateinischen Bibel ins Hochdeutsche. Diese Übersetzung wurde bis 1518 dreizehn mal in verschiedenen Revisionen gedruckt. Sie war die Vorlage für alle vorreformatorischen norddeutschen Übersetzungen. Daneben entstanden einige niederdeutsche Übersetzungen 1478 in Köln durch Heinrich Quentell (oder Bartholomäus von Unckel), 1494 in Lübeck durch Steffen Arndes und 1544 in Halberstadt durch Lorenz Stuchs.
Übersetzungen ab der Reformation
Erst 1535 erschien in Köln unter großen Schwierigkeiten eine weitere englische Bibelübersetzung, von William Tyndale und Miles Coverdale (Überarbeiter). Heinrich VIII. vergab eine königliche Lizenz für die überarbeitete Coverdale-Bibel. Während Coverdale unter Heinrich die Früchte seiner Arbeit genoss, wurde Tyndale von Karl V. nach 18-monatiger Haft erdrosselt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Durch die Reformation im 16. Jahrhundert begann auch für die Bibelübersetzung ein neues Zeitalter. Das Motto "sola scriptura" (allein die Schrift) bewirkte ein verstärktes Interesse an den Urtexten. Die hebräische Sprache wurde bis dahin fast ausschließlich von jüdischen Gelehrten erforscht, da man in der römischen Kirche die lateinische Vulgata als ausreichend erachtete. Die neu entstandene christliche Philologie musste, wie von Wilhelm Gesenius berichtet, bei jüdischen Gelehrten Unterricht nehmen.
Zu erster größerer Verbreitung von Bibeln kam es durch die deutschen Übersetzungen von Luther und Zwingli. Die Erfindung des Buchdruckes 100 Jahre zuvor begünstigte diese Entwicklung.