Zum Inhalt springen

Hugo Chávez

Dies ist ein als exzellent ausgezeichneter Artikel.
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. August 2004 um 16:01 Uhr durch 62.167.59.218 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Hugo Rafael Chávez Frías (* 28. Juli 1954 in Sabaneta, Bundesstaat Barinas, Venezuela) ist seit 1998 venezolanischer Staatspräsident. Chávez wurde als Sohn des Dorfschullehrers Hugo de los Reyes Chávez und seiner Frau Elena Frías de Chávez geboren, er war zweimal verheiratet und hat fünf Kinder (Rosa, Virginia, María Gabriela, Hugo Rafael und Rosiné).

Datei:Chavez-Chirac.jpg
Hugo Chávez (l.) mit Jacques Chirac, Bild: Französisches Außenministerium, Abteilung Fotografien

Hintergrund

Geschichtlicher Abriss

1958 wurde Venezuela nach dem Sturz des Diktators Marco Pérez Jiménez eine Demokratie. Bis in die neunziger Jahre waren die beiden bestimmenden Parteien die sozialdemokratische Acción Democrática und die konservative COPEI, die auch die Präsidenten stellten.

In der ersten Amtszeit von Carlos Andrés Pérez (1974 bis 1979) stiegen die Einkünfte des Landes aus dem Erdölexport so rapide, dass das Land eines der wohlhabendsten Länder Südamerikas war, " [...] durch den Verkauf von Erdöl hat Venezuela von 1973 bis 1983 rund 240 Milliarden Dollar eingenommen" (Arturo Uslar Pietri); die damit einhergehende Verteilungspolitik führte zur für lateinamerikanische Verhältnisse außerordentlich hohen politischen Stabilität des Landes. Mit dem eklatanten Verfall des Ölpreises seit 1983 brachen diese Einkünfte jedoch weg, und da es keine anderen Wirtschaftszweige gab, die die sinkenden Erdöleinnahmen zu kompensieren vermochten, führte dies, gemeinsam mit den immer höher werdenden Auslandsschulden, 1993 etwa 35 Milliarden Dollar, zu einer anhaltenden Wirtschaftskrise.

Der in der zweiten Amtszeit Carlos Andrés Pérez' (1989 - 1993) als Folge von Weisungen des Internationalen Währungsfonds begonnene neoliberale Wirtschaftskurs führte im Februar 1989 zu Hungerrevolten, deren gewaltsame Niederschlagung 400 Menschen das Leben kostete. Nach zwei Putschversuchen im Jahre 1992, einem am 4. Februar durch Hugo Chávez und einem am 27. November, einem Jahr (1993) mit volkswirtschaftlichem Minuswachstum und der schlussendlichen Absetzung des Präsidenten durch den Obersten Gerichtshof wegen Veruntreuung und Korruption wurde Rafael Caldera 1994 Präsident. Bis 1998 gelang ihm zwar die politische Stabilisierung, der Wirtschaftskrise wurde aber auch er nicht Herr. (So lag bei seinem Amtsantritt 1994 die Inflationsrate bei 71%, es gab eine schwere Währungskrise und einen Zusammenbruch des Banksystems.)

Chávez' Bolivarismus und die "Bolivarischen Zirkel"

Chávez war bereits seit seiner Jugend ein begeisterter Anhänger des südamerikanischen Freiheitshelden Simón Bolívar. Auch die spätere Gründung seiner Bewegung, der MBR-200, fand bewusst am 24. Juli 1983, dem 200. Geburtstag Simón Bolívars statt. Während seiner Studienzeit entwickelte Chávez im Laufe mehrerer Jahre gemeinsam mit anderen Offizieren eine linksnationalistische Doktrin namens Bolivarismus. Diese orientierte sich zwar hauptsächlich an Bolivar, war aber stark beeinflusst von den Schriften des marxistischen Historikers Federico Brito Figueroa, denen er im Studium begegnet war, integrierte aber auch Einflüsse aus der südamerikanischen Tradition des linken Populismus, z. B. Fidel Castros, Che Guevaras oder Salvador Allendes. Diese Auffassungen wurden maßgeblich für sein späteres politisches Handeln.

Die zentralen Punkte des Bolivarismus sind:

  • nationale Unabhängigkeit
  • politische Beteiligung der Bevölkerung durch Volksentscheide und Referenden
  • ökonomische Eigenständigkeit
  • eine Ethik des Dienstes am Volk
  • gerechte Verteilung der umfangreichen Erdöleinnahmen
  • Bekämpfung von Korruption

Da sich Chávez' Politik stark auf die Unterstützung durch die Bevölkerung stützt und die Integration basisdemokratischer Elemente in die Politik ein wesentlicher Zug des Bolivarismus ist, rief er 2000 zur Gründung der sogenannten "Bolivarischen Zirkel" auf und ermächtigte den Vize-Präsidenten Diosdado Cabello, diese Gründungen finanziell zu unterstützen. Diese dezentral auf Stadtteil- und Blockebene organisierten und trotz ihres Ursprungs autonomen Zirkel sollten eigentlich die bolivaristischen Ideen in die Bevölkerung tragen und ein Forum zur praktischen Mitarbeit bilden. Anders aber als z.B. Nachbarschaftskomitees waren sie ihrer Kompetenz nicht auf lokale Politik beschränkt, sondern äußerten sich auch zu gesamtpolitischen Fragen. Die je nach Quelle zwischen 60.000 und 2,3 Millionen starke Bewegung wurde allerdings aus Oppositionskreisen auch der Anwendung von Gewalt und sogar politischer Morde beschuldigt. Die "Bolivarischen Zirkel" sind nicht auf Venezuela beschränkt; es existieren auch im Ausland Unterstützergruppen, im deutschsprachigen Raum zum Beispiel in Wien oder Tübingen.

Der Konflikt zwischen Chávez und der Opposition

Chávez ist eine heftig umstrittene Persönlichkeit. Seine Anhänger erklären, er sei ein Verteidiger der Armen, ein Revolutionär, der die Macht der Reichen zerstören und den Reichtum Venezuelas gleichmäßiger verteilen wolle. Seine Gegner wiederum behaupten, Chávez habe seine Revolution ausgenutzt, um das Missmanagement zu rechtfertigen, mit dem Ergebnis, dass die Korruption noch wesentlich zugenommen habe.

Wie erwähnt, wurde Venezuela 40 Jahre lang wechselnd von zwei Parteien, der Acción Democrática und der konservativen COPEI, beherrscht. Dabei entwickelte sich, gefördert vor allem durch den rapiden Anstieg des Ölpreises seit der Ölkrise 1973, zunehmend eine dünne Oberschicht mit kleptokratischer und oligarchischer Struktur, die fast alle gesellschaftlichen Institutionen dominierte. Der Wahlsieg von Chávez' linkspopulistischer Bewegung 1998 bedeutete somit nicht nur eine Vertreibung aus der Regierung, sondern gleichsam eine teilweise Enteignung der Oberschicht.

Obwohl Chávez seit 1999 Staatspräsident ist, hat er es mit einer nach wie vor sehr stark aufgestellten Opposition zu tun, die nicht nur die gegnerischen Parteien, sondern strukturell und personell unverändert gebliebene gesellschaftliche Machtgruppen wie Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Medien und Kirchen einschließt. Hinter Chávez hingegen stehen wesentliche Teile des Militärs sowie der Bevölkerung.

Seit Chávez Amtsantritt hat die oppositionelle Allianz auf verschiedensten Wegen versucht, Chávez zu stürzen, per Amtsenthebungsverfahren 2000, durch einen Putsch 2002, zwei Generalstreiks 2002 und 2003 sowie durch ein Referendum zur Amtsenthebung 2004. Chávez wiederum hat im Gegenzug vielfach versucht, die Allianz zu schwächen, zu zerschlagen oder zu spalten und hat dabei auch nicht vor gelegentlich drastischen Mitteln zurückgeschreckt. So ließ er ein Referendum über die personelle Reorganisation der Gewerkschaften durchführen oder wehrte sich gegen eine Anti-Chávez-Kampagne der privaten, in konservativer Hand befindlichen Fernsehsender mit einem Gesetz, das Medien auf "Wahrhaftigkeit" verpflichtete.

Chávez und die USA

Wie kaum ein anderes Land Lateinamerikas mit Ausnahme Panamas war Venezuela seit den 1930er Jahren an die USA gebunden, für die die venezolanischen Ölreserven von strategischer Bedeutung sind. Chávez Politik, die sich an Simon Bolivar und seiner Betonung der nationalen Unabhängigkeit orientierte, kollidierte mit der amerikanischen Monroe-Doktrin, die Mittel- und Südamerika als "Hinterhof der USA" definiert und schon mehrfach als Rechtfertigung massiver Interventionen in Südamerika diente, zum Beispiel in Chile, Kuba, Panama und Nicaragua; dementsprechend stand Chávez seit Beginn seiner Amtszeit unter starkem Druck der USA. Insbesondere als der Umbau der Ölindustrie nicht nur die einheimische Oberschicht einiger Pfründe beraubte, sondern vor allem die amerikanischen Ölgesellschaften Privilegien verloren und finanziell stärker belastet wurden, zog Chávez die Feindschaft der USA auf sich. Verstärkt wurde das auch durch die Revitalisierung der OPEC auf Betreiben Venezuelas, die das Ziel hatte, den Ölpreis wieder zu stärken; eine Notwendigkeit für das Land, das seit dem Kollaps des Ölmarktes 1983 unter einer schweren Wirtschaftskrise litt. Eine Verdoppelung des Ölpreises auf 20 US-Dollar pro Barrel war die Folge. Die enge Freundschaft Chávez' mit Fidel Castro steigerte die Antipathie der Vereinigten Staaten noch zusätzlich.

Die USA unterstützen die Oppositionsparteien seitdem sowohl materiell, logistisch als auch organisatorisch. Während des Putsches wurden beispielsweise Teile der Funkkommunikation der Putschisten über Schiffe der US Navy abgewickelt, die vor der venezolanischen Küste lagen, außerdem finanzierte die Regierung von Präsident George W. Bush die venezolanische Opposition weiter umfangreich durch die Behörde National Endowment for Democracy, allein im Putschjahr 2002 flossen von ihr 877.000 Dollar an die Opposition.

Mitglieder der amerikanischen Regierung beschuldigten Chávez wiederholt der Begünstigung des internationalen Terrorismus, insbesondere der kolumbianischen Drogenguerilla FARC. Auch Querverbindungen zu Al-Qaida wurden behauptet. Keine dieser Behauptungen aber konnte bisher bewiesen werden. Es wurden dadurch Vermutungen laut, dass es in solchen Erklärungen darum gehe, "Venezuela medial für die Einreihung in die Achse des Bösen vorzubereiten", eine von Präsident George W. Bush als Gegner der freien Welt benannte Gruppe dreier Staaten, die Iran, Irak und Nordkorea umfasste.

Im Oktober und November 2003 veröffentlichten venezolanische Parlamentsabgeordnete Material, das die Vorbereitungen eines erneuten Putsches rechter Kreise Venezuelas in Zusammenarbeit mit der CIA nahelegte. Diesbezüglich bestätigten die USA zwar die militärische Ausbildung oppositioneller Kräfte, dementierte aber jede direkte Beteiligung der CIA.

Wegen seiner Unterstützung des Umsturzes gegen den demokratisch gewählten haitianischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide nannte Chávez den amerikanischen Präsidenten George W. Bush im Februar 2004 einen "pendejo", wörtlich übersetzt "Idiot".

Chávez als linke Symbolfigur

Wohl kaum ein lateinamerikanischer Politiker seit dem Tod von Salvador Allende hat so starken Widerhall in der internationalen Politik gefunden wie Hugo Chávez. In Lateinamerika gilt er vielen als undogmatischer Modernisierer linksdemokratischer Ideen. Er wird aber vom bürgerlich-konservativen Lager ebenso verabscheut wie von der Unterschicht geliebt. Auch international setzt sich diese Spaltung fort, Michael Lingenthal zum Beispiel, Landesbeauftragter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Venezuela, betitelte im Mai 2003 einen Bericht vielsagend "Ein Land am Abgrund - Venezuela im Würgegriff seines Präsidenten" [1], wohingegen sich Chavez bei der westlichen Linken einiger Unterstützung erfreut (siehe [2]).

Politische Biographie

Armeezeit

Chávez trat mit 17 Jahren in die venezolanische Armee ein, war unter anderem als Fallschirmspringer aktiv und absolvierte später ein Studium der Sozialwissenschaften auf der Militärakademie in Caracas. 1990 schloss er dort einen weiteren Studiengang in Politikwissenschaft an der Universität Simón Bolívar ab.

Am 24. Juli 1983 gründete Chávez das Movimiento Bolivariano Revolucionario 200 (Revolutionäre Bolivarianische Bewegung 200), abgekürzt MBR-200, eine linksnationalistische paramilitärische Widerstandsbewegung mit Zellenstruktur im Grenzgebiet zu Kolumbien, die er bis Mitte der 90er Jahre führte. Zu dieser Zeit wies Chávez noch jede Beteiligung an Wahlen von sich. Seine bis heute guten Beziehungen zu Fidel Castro rühren aus dieser Zeit.

Vom Putschisten zum Parteiführer

Als der sozialdemokratische Präsident Carlos Andrés Pérez ein rigoroses Sparprogramm einleitete, das besonders die armen Schichten hart traf, führte Chávez am 4. Februar 1992 einen Putsch der MBR-200 gegen die Regierung an, der nach 12 Stunden scheiterte. Chávez erhielt jedoch die Möglichkeit, sich über das Fernsehen mit einer Rede an die Bevölkerung zu wenden. Nach zwei Jahren im Gefängnis wurde er von Präsident Rafael Caldera begnadigt. Er galt aufgrund seiner Ansprache nach Ende des Putsches weiterhin als politisch ernst zu nehmende Persönlichkeit und organisierte nach seiner Haftentlassung eine eigene Partei, die "Bewegung für eine Fünfte Republik".

Die erste Präsidentschaft

Chávez gewann die Präsidentschaftswahlen am 6. Dezember 1998 mittels einer Antikorruptions- und Antiarmutskampagne mit einem Stimmenanteil von 56%, der größten Mehrheit in Venezuela seit vier Jahrzehnten. Die beiden etablierten Parteien, denen er Vetternwirtschaft, Kleptokratie und Korruption vorwarf, erlitten dabei massive Stimmenverluste und erhielten nurmehr 9% Zustimmung. Paradoxerweise lud er zu seiner Vereidigung am 2. Februar 1999 den letzten Diktator Venezuelas, General Marco Pérez Jiménez, ein, was Irritationen hervorrief.

Bereits kurz nach Amtsantritt 1999 ließ sich Chávez vom Parlament eine Reihe von Sondervollmachten vor allem im Bereich der Wirtschaft einräumen, um den verschuldeten Staatshaushalt zu sanieren und die Armut zu bekämpfen. Im April 1999 veranlasste Chávez ein Referendum, das ihm die Zustimmung zur Erarbeitung einer neuen Verfassung gab. Auf deren Grundlage sollte das gesamte System reformiert werden. In der verfassunggebenden Versammlung Asamblea Nacional Constituyente, die daraufhin gewählt wurde, erhielt Chávez' PP über 90% der Mandate. Am 12. August 1999 rief die Constituyente per Dekret den Notstand aus und übertrug sich die Vollmacht, in die Arbeit sämtlicher staatlicher Organe einzugreifen und sie gegebenenfalls auch aufzulösen. Eine Woche später verhängte sie den Ausnahmezustand über die gesamte Justiz, wenig später entmachtete sie auch das Parlament. Im Ausland wurde dies als schleichender Staatsstreich kommentiert.

Am 14. November 1999 ließ Chávez die seit 1961 geltende Verfassung per Volksentscheid durch eine neue ersetzen. Diese erweitert die Machtbefugnisse des Präsidenten, führt basisdemokratische Elemente ein, verbietet jedwede Privatisierung der staatlichen Ölressourcen, gibt Armeeangehörigen erstmals das Wahlrecht und gesteht der indigenen Bevölkerung 54% des Landes zu. Bei den Wahlen im Jahre 2000 wurde Chavez im Amt bestätigt.

Die zweite Präsidentschaft

Datei:Nestor kirchner und hugo chavez.jpg
der argentinische Präsident Néstor Kirchner (l.) und Hugo Chávez

Am 30. Juli 2000 wurde Chávez mit fast 60% der abgegebenen Stimmen im Amt bestätigt. Aus den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen ging Chávez' PP mit 99 von insgesamt 165 Mandaten als absolut stärkste Kraft hervor, und auch die Gouverneurswahlen erbrachten eine Mehrheit für den PP. Durch die absolute Mehrheit im Parlament erließ Chávez immer mehr Dekrete, die seine Macht stärkten, was zunehmend im In- und Ausland, vor allem aber in den USA, auf Kritik stieß.

Im Dezember 2000 ließ Chávez ein äußerst umstrittenes Referendum über die Neuorganisation der Gewerkschaften durchführen; zur Entscheidung stand sein Plan, innerhalb eines halben Jahres alle führenden Funktionäre der Gewerkschaften ihrer Ämter zu entheben und die Gewerkschaftsmitglieder ihre Führungspersonen neu wählen zu lassen. Damit hoffte er, sich der alten der Opposition eng verbundenen Führungsriege zu entledigen. In diesem Referendum entfielen etwa zwei Drittel der Stimmen auf Chávez' Antrag. Daraufhin beantragte die größte Oppositions- und ehemalige Regierungspartei des Landes, die Acción Democrática (AD), ein Amtenthebungsverfahren, das jedoch scheiterte.

Einen neuen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung zwischen Chávez und großen Teilen der venezolanischen Gesellschaft Anfang 2002, nachdem Chávez im Februar 2002 die Führungsriege des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA durch neue, regierungstreue Manager austauschte. Dieser Angriff auf den oligarchischen Kern der Wirtschaft, zusammen mit der weiterhin andauernden wirtschaftlichen und sozialen Krise, veranlasste einen Verbund aus Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, katholischer Kirche, der vorherigen Regierungspartei und privaten Fernsehsendern Venezuelas am 9. April 2002 zum Generalstreik, mit dem sie den Rücktritt von Chávez erzwingen wollten. Am dritten Streiktag schlugen die Massenproteste in Unruhen um, bei denen in Folge eines massiven Polizeieinsatzes über ein Dutzend Demonstranten getötet und Hunderte verletzt wurden. Da die Polizei dem Bürgermeister von Caracas untersteht, zu der Zeit dem offen antichavezistischen Alfredo Peña, und zahlreiche Beweise die Verwicklung der Stadtpolizei in den Putsch belegen [3], gilt als wahrscheinlich, dass Peña Teil der Putschisten war. Einige Teile des Militärs traten auf die Seite der Gewerkschaften und Unternehmer über und nahmen Chávez am 12. April 2002 in Haft. Noch am selben Tag ließ sich Pedro Carmona als Übergangspräsident vereidigen. Dieser löste als seine erste Amtshandlung das Parlament und das Oberste Gericht auf, was national wie international auf scharfe Kritik stieß. Der Staatsstreich löste Massenproteste bei weiten Teilen der Bevölkerung aus, die zu dieser Zeit fest hinter Chávez standen. Während der Siegesfeier setzte die Garde des Präsidentenpalastes die Putschisten fest und verhaftete sie, nur Carmona gelang die Flucht. Am 15. April 2002 wurde Chávez aus der Militärhaft befreit und wieder ins Präsidentenamt eingesetzt.

Nach dem Putsch

Aus verschiedenen Gründen kam es in der Folgezeit immer wieder zu Protesten und Streiks. Am 2. Dezember 2002 riefen Gewerkschafts- und Unternehmerverbände erneut einen Generalstreik aus, der zunächst mehrmals um jeweils einen Tag verlängert und schließlich für unbefristet erklärt wurde. Die zentrale Forderung der Streikenden war der Rücktritt des Präsidenten. Chávez lehnte jedoch seinen Rücktritt ab, was zur Folge hatte, dass sich der Streik über zwei Monate hinzog und dadurch für den Staat Verluste von circa 4 Milliarden Euro entstanden. Mehrere zehntausend Menschen verloren in Folge ihre Arbeit. Auf Initiative des neuen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva bildete sich eine Gruppe der Freunde Venezuelas, bestehend aus Brasilien, Chile, Mexiko, den USA, Spanien und Portugal, daneben schaltete sich auch der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter in die Vermittlungen zwischen Chávez und der Opposition ein. Carter unterbreitete zwei Vorschläge: Eine Verfassungsänderung, die Chávez' Amtszeit von sechs auf vier Jahre verkürzt hätte, oder eine Volksabstimmung zur Halbzeit von Chávez' Amtszeit über dessen Verbleib im Präsidentenamt, die am 19. August 2003 hätte stattfinden sollen. Beide Parteien konnten sich jedoch nicht auf einen Vorschlag einigen; dennoch gab die Opposition auf internationalen Druck am 3. Februar 2003 ihren Streik auf.

Am 3. Juni 2004 gab der Präsident des Nationalen Wahlrats, Francisco Carrasquero bekannt, dass von den 3,4 Millionen von der Opposition für ein Referendum gegen Chávez gesammelten Stimmen 2,54 Millionen anerkannt würden und so das Referendum mit knapp 15.738 Stimmen Überschuss zugelassen würde. Diesem muss sich Chávez am 15. August 2004, vier Tage vor Beendigung des vierten Jahres seiner sechsjährigen Amtszeit, stellen. Um Chávez des Amtes zu entheben, benötigt die Opposition in einer Volksabstimmung allerdings mehr als die 3,7 Millionen Stimmen, die der Politiker bei seiner Wiederwahl für eine zweite Amtszeit 2000 erhielt.

Vielfach wird es mittlerweile für unwahrscheinlich gehalten, dass das Referendum die Regierung ablösen wird. Als zentraler Faktor dafür gilt die wirtschaftliche Erholung des Landes. Insbesondere durch den Anstieg des Ölpreises ist die venezolanische Wirtschaft im ersten Quartal 2004 um 30 Prozent gewachsen, auch für das zweite Quartal wird ein Anstieg von zwölf bis 14 Prozent erwartet. Ein weiterer wichtiger, eher politischer Faktor ist auch der der schwachen Mobilisierung des bürgerlichen Lagers.

Dokumentation

Grundlagenartikel in der Wikipedia

Tageszeitungen

  • "Bush Officials Met With Venezuelans Who Ousted Leader", New York Times, 16.April 2002
  • "U.S. Cautioned Leader of Plot Against Chávez", New York Times, 17.April 2002
  • "American Navy helped Venezuelan coup", The Guardian, 30.April 2002

Periodika

  • Arturo Uslar Pietri, "Venezuela für Chavez und gegen Korruption", in: Le Monde diplomatique Nr. 5709 11.12.1998, [4]
  • Ignacio Ramonet, "Chavez", in: Le Monde diplomatique Nr. 5965 15.10.1999, [5]
  • Gabriel García Márquez, "Die zwei Gesichter des Hugo Chávez", in: Le Monde diplomatique Nr. 6216 11.8.2000, [6]
  • Pablo Aiquel, "Was meint Hugo Chávez mit Bolivarismus?", in: Le Monde diplomatique Nr. 6293 vom 10.11.2000, [7]
  • Maurice Lemoine, "Der Herbst des Populisten Hugo Chávez", in: Le Monde diplomatique Nr. 6751 vom 17.5.2002 [8]

Monographien

  • Richard Gott, "In The Shadow of The Liberator: Hugo Chavez and the Transformation of Venezuela". London 2000. ISBN 1-85984-775-7
  • André Scheer, "Kampf um Venezuela - Hugo Chávez und die Bolivarianische Revolution", Essen 2004, ISBN 3910080499

Dokumentarfilme

  • Kim Bartley & Donnacha O'Briain, "Chavez - Ein Staatsstreich von innen"
    (Der vielprämierte Film entstand während des Putsches gegen Chávez im Präsidentenpalast)